MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
03 . 2017 german council 21. Jahrgang 2017 | € 12 | ISSN 1614-7804 German Council of Shopping Centers e. V. Impulse, Trends und Nachrichten für Immobilienwirtschaft, Handel, Städte und Kommunen MAgazin INTUITION
Shopping-Center Kommunikation 3.0 Mehr Footfall Mehr Fans Mehr Umsatz H E R RWERTH + KNAFL GRID MARKETING · Stollbergstraße 8 80539 München Tel. +49 89 500 74-0 Mitglied im GCSC knafl@herrwerth-knafl.de www.herrwerth-knafl.de
Vorwort Alice: »Was würdest Du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?« Grinsekatze: »Das hängt zum größten Teil davon ab, wohin Du möchtest.« Alice: »Ach, wohin ist mir eigentlich gleich ...« Grinsekatze: »Dann ist es auch egal, wie Du weitergehst.« Liebe Leserinnen und Leser, Erinnern Sie sich noch? »Alice im Wunder- scheidungssituationen, zumindest offensicht- steht praktisch täglich vor einer Entschei- land«, 1865 als Kinderbuch des britischen lich, nicht so häufig vor. Möglicherweise ma- dung, in die er seine Intuition einfließen las- Schriftstellers Lewis Carroll erschienen – heu- chen wir diese Situationen aber auch weitest- sen wird. te den meisten sicher mehr als ein weltweit gehend mit uns selber aus und schenken ih- bedeutendes »Cineastisches Werk« zum nen nicht allzu große Beachtung. Im Nachhi Jedesmal hat der stationäre Handel die Chan- Nachdenken und Philosophieren bekannt. Ich nein denken wir aber oft »ich hab´s doch ce, die richtige, passende Antwort zu geben. will nicht weiter auf die facettenreiche Ge- gewusst« – und unsere Grinsekatze würde Er muss sich eben am Ende auch entscheiden, samtbedeutung eines der weltweit kulturell sich bestätigt fühlen – denn unser Bauchge- was er will. Das Gleiche gilt für Städte und einflussreichsten Bücher eingehen, sondern fühl, unsere Intuition begleitet uns auf all un- Kommunen. Wenn wir lebendige Städte er- erlaube mir einen »Kunstgriff« und springe seren Wegen. Was spüren wir, wenn wir uns halten wollen, die entscheidenden Einfluss aus der Lebenszeit des Autors in die heutige das Ergebnis dieser oder jener Entscheidung auf unsere soziales Netzwerk und Miteinan- Welt. Die Frage von Alice »...wie ich von hier vorstellen? Was bekommen wir an Erlebnis, der haben, dann brauchen wir individuell an- aus weitergehen soll?« impliziert eine große an Status und Gefühl? Würde uns der eine passbare Sonntagsöffnungszeiten, flexiblere Unsicherheit über die richtige Entscheidung. Weg glücklicher machen als der andere? Sortimentsbeschränkungen und eine starke Was wird passieren, wenn ich so oder so ent- sowie konstruktiv und positive Haltung zum scheide? Wie wird die Zukunft werden, wenn Erlauben Sie mir an dieser Stelle wieder den Handel und den Bedürfnissen unserer Bran- ich dieses oder jenes tue? Spannend wird es »Kunstgriff« und springen Sie mit mir in die che. Wenn es uns gemeinsam gelingt, den sta- nun bei der Betrachtung der Antwort der heutige Situation des Einzelhandels. Auf der tionären Handel als »Omnichannel-Handel« – »Grinsekatze«: »Das hängt zum größten Teil einen Seite sehe ich die Händler, die sich Alices also nicht gegen, sondern mit allen Errungen- davon ab, wohin Du möchtest.« Frage stellen. Online oder stationär oder bei- schaften der Digitalisierung – erfolgreich auf- des und wenn ja wie? Kann ich das, will ich zustellen, dann wird sich der Kunde vielleicht Ja und was möchten wir? Wenn es uns gleich das, was kostet es und was bringt es? So oder wirklich ob der Auswahl, des Service und dem ist, dann ist es auch egal, wohin wir gehen. ähnlich würden die Fragen an die Grinsekatze echten emotionalen Einkaufserlebnis auch Tatsache ist aber, dass es uns natürlich nicht lauten. Auf der anderen Seite sehe ich den langfristig wie im »Wunderland« in seiner gleich ist, wohin wir gehen. Wir können uns Kunden. Er fragt sich, ob er lieber online oder Stadt fühlen. Machbar ist es. Es kommt eben nur oft nicht entscheiden, zögern und wollen stationär sein begehrtes Gut erstehen soll. nur darauf an, wohin wir wollen. uns so lange wie möglich nicht festlegen. Soll ich in die Stadt zum Einkaufen fahren Sind es die Chancen auf verpasste Optionen, oder lieber von zu Hause »online shoppen«? Ich freue mich auf unser Wiedersehen beim die wohlmöglich Besseres versprechen? Sind Eine Vielzahl von Faktoren nehmen Einfluss German Council Congress in Berlin! es nicht zumeist Gefühle, die unsere Unsi- auf die Entscheidung, aber die entsprechend cherheit verstärken und eine spontane Ent- interpretierte Antwort der Grinsekatze an bei- scheidung hemmen? Oder kennen wir oft de bleibt immer gleich – »…es kommt darauf Herzlichst schlichtweg unser Ziel nicht und probieren, ja an, was und wohin Du möchtest.« stolpern regelrecht durch unser Leben, durch unsere Entscheidungen? Der Kunde will ein emotionales Erlebnis. Er verlangt Wertschätzung und Service. Er will Jeder kennt dieses Gefühl und wird bestäti- Qualität und diese zu einem angemessenen, Christine Hager gen, dass es sich meistens eher »ungut« als nachvollziehbaren Preis. Die Forderungen »gut« anfühlt. Zum Glück kommen diese Ent- und Wünsche sind bekannt und der Kunde
GERMAN COUNCIL . inhalt intuition GERMAN COUNCIL . INtUItION GERMAN COUNCIL . INtUItION Das Warenhaus als Bauchgefühl © Jens Gyarmaty Der Universalist lebt. Davon ist Karstadts ehemaliger Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Helmut Merkel überzeugt. Zumindest dort, wo viele Passanten sind und der Warenhausauftritt Gespür fürs Ganze beweist. Herr Merkel, 2006 legten Sie ihr Vorstandsman- Warenhäuser verkauft, die Lebensmittelabtei- Welche Rolle spielt das Bauchgefühl bei der Sa- dat bei der Arcandor AG (zuvor Karstadt Wa- lungen in ein Joint-Venture mit Rewe einge- nierung von Unternehmen? renhaus AG, heute Signa-Holding) nieder. War bracht, Bereiche outgesourct und ein Sanierung- Helmut Merkel: Verlustsituationen sind immer das eine Kopf- oder Bauchentscheidung? starifvertrag mit den Gewerkschaften verhan- von Hard Facts geleitet, also von der Ratio. Emo- Helmut Merkel: Primär eine des Kopfs und delt. 2005 gelang es uns, die Umsätze zu stabili- tional ist der Ausblick. Der Glaube, dass es eine GERMAN COUNCIL . INtUItION GERMAN COUNCIL . INtUItION des Aufsichtsrates. Als ich 2003 das Mandat sieren. Ab 2006 ging es wieder aufwärts. Weil es Zukunft gibt und dass die Fähigkeiten aller Be- übernahm, hatte der Konzern eine extrem das Jubiläumsjahr zum 125-jährigen Bestehen teiligten die Situation zu einem Besseren wen- schwierige Phase. Nicht die Warenhäuser oder war, stiegen die Gewinne sogar wieder kräftig. den wird. Selbst habe ich immer ans Warenhaus das Versandgeschäft, sondern thomas Cook geglaubt, wenn auch nicht an jedem Standort in LogIk unD IntuItIon verursachte damals Probleme. Mit dem An- Trotz des Erfolgs stiegen Sie aus? Deutschland. © DenisTangneyJr – istockphoto.com mitunter solche Denkfehler, und zwar gar nicht so selten. schlag auf New Yorks Zwillingstürme im Sep- Helmut Merkel: Ja, ich durfte mein Mandat Nächstes Beispiel: tembers 2001 geriet das Reisegeschäft in einen niederlegen. Die Entscheidung war im Sinne An welche Standorte haben Sie geglaubt? Die andere Seite der Vernunft • Wenn Menschen logisch denken, dann sind sie rational. drastischen Sturzflug. Am Jahresende verlang- des Aufsichtsrats. Der wollte von der Sanie- Helmut Merkel: Wir untersuchten die Handels- • Menschen, die nicht logisch denken, sind ten die Wirtschaftsprüfer eine Buchwertkorrek- rungsstimmung wieder ins Normalgeschäft hin- landschaft nach genauen Attributen. 60 Städte nicht rational. tur, was den Konzern in eine dramatische Schief- übergleiten, was andere Managementkompe- hatten die nötige Frequenz und Kaufkraft für eine »Man sollte eigentlich von den Rationa lage brachte: In der 9-Mrd-DM-Bilanz stimmte tenz erfordert. Persönlich war ich froh, die Höherpositionierung. Doppelstädte mitgezählt er- litäten sprechen« keine Bankkennziffer mehr, die Geldhäuser ver- furchtbar anstrengende Zeit hinter mir zu las- gab das 89 Häuser plus vier Premium-Häuser. Wer logisch richtig denkt, erfüllt sicher ein langten mehr Sicherheiten. Und zwar sofort. sen. Der Break war meine Chance, in die Hei- Lange Zeit galt Logik als höchster Maßstab für wichtiges Kriterium für Rationalität. Aber heißt © thelefty – istockphoto.com Rationalität. Inzwischen aber beruhigen Psy- das auch, dass jemand irrational ist, wenn er Das damalige Management reagierte mit Kos- matstadt meiner Frau, nach Hong Kong, über- Bei damals ca. 300 Departmenstores gab es chologen und Evolutionstheoretiker gleicher- nicht den ehernen Regeln der Logik folgt? tenkorrektur und Personalabbau. So begann zusiedeln und unsere Kinder an dieser Kultur demnach viele, für die wir keine Zukunft sahen. maßen: Der Mensch denkt im besten Fall lo- gisch und in Wahrscheinlichkeiten – aber dazu »Ich bin sehr davon überzeugt, dass es über- ein stetiger Umsatzabfall. In dieser Situation partizipieren zu lassen. Für Arcandor habe ich Bis 2006 gründeten wir 74 Kleinstadtfilialen er- immer auch intuitiv. Manch einer, der sich eher haupt nicht die eine Norm gibt, mit der sich übernahm ich 2003 den Vorsitz von Wolfgang in Hong Kong noch den Verkauf der damals folgreich aus und riefen die Premiumgruppen auf sein Bauchgefühl verlässt, kommt damit menschliches Denken beschreiben lässt oder ziemlich gut durchs Leben. an der sich menschliches Denken messen las- Urban. Was folgte, war eine Zeit der Restruktu- konzerneigenen Sourcingorganisation an Li & ins Leben. Zum Premiumstandort taugten nach sen muss. Ich glaube, man sollte eigentlich rierung großen Stils: z.B. wurden die kleinen Fung arrangiert und auch vollzogen. unserer damaligen Sicht vier Häuser: das KaDe- nicht von der Rationalität sprechen, sondern Das fünfte Jahrhundert vor Christus: Am An- von den Rationalitäten.« We, das Alsterhaus Hamburg sowie Frankfurt fang steht der »nous«. Mit ihm, erklärt Parme- Die Straße ist nass, also muss es zwangsläufig geregnet haben. Oder? und Dresden. Hier stimmte die Frequenz der nides, erkennt der Mensch das Wesen des Markus Knauff, Psychologieprofessor an der Seins. Universität Gießen, will die alten Dogmen über- Passanten, aber auch die der touristen. Deshalb © ollo – istockphoto.com Aristoteles entwickelte die Logik als ein eigenständiges System richtiger Schlüsse im 3. Jh. v. Chr. winden, die Rationalität allzu stark an die philo- Gerhard Schurz, Professor für theoretische Phi- Umgebungen. Das ist das Kennzeichen der de- hatten sie das Zeug zur Destination. Patrice Helmut Merkel in seinem Büro in der Firma Eurasia in Hong Kong • Prämisse 1: Alle Menschen sind sterblich. sophische Logik binden: »Bisher war es so, dass losophie an der Universität Düsseldorf, ein Spe- duktiven Logik, dass der Schluss mit Sicherheit, • Prämisse 2: Parmenides ist ein Mensch. die Philosophie definiert hat, was wir als ratio- zialist für Logik, Evolutions- und Wissenschafts- also in allen möglichen logischen Welten gül- Wagner, heute Präsident der Le Bon Marché Denken und Logik gleichzusetzen. Intuition: • Wenn es regnet, dann ist die Straße nass. nal betrachten wollen und die Psychologie hat theorie: »Und jetzt muss man klar machen, tig ist. Diese Unterscheidung ist für den prakti- Gruppe, verantwortete damals die Premium- Das dritte Jahrhundert vor Christus. Aristoteles zur Nebensache degradiert. • Die Straße ist nass. sich an diesem Sollwert dann orientiert und un- aber im logischen Sinne ist er nicht gültig, weil schen Menschen nicht immer wichtig, meis- entwickelt die Logik als ein eigenständiges • Ergo: Es hat geregnet. tersucht, wo Menschen von diesen Normen ab- es ja sein könnte, dass die Prämissen wahr tens würde ich sogar sagen 'nicht wichtig' und sparte. trotz Sanierungskurs gelang es uns Mich hat das Konzept begeistert. Ob Visual Mer- und Leistung. Aber statistisch gesehen verdient auf Amazons transaktionsgeschehen erfreut System richtiger Schlüsse. Die Gegenwart. Wir halten uns nicht an die Re- weichen. Und die Idee unseres Schwerpunkt- sind, dass also tatsächlich die Franzosen alle daher wird sie im Alltag auch nicht gemacht.« 2004, Mittel für die Sanierung des KaDeWes und chandising, Interieur oder Präsentation – alles kein Loyalitätsprogramm seinen Namen, weil sie sich der Universalanbieter wirtschaftlich bester geln der Logik, Wahrscheinlichkeitstheorie, ma- Es klingt irgendwie logisch, ist aber natürlich programms ist, Psychologie und Philosophie zu Weintrinker sind, aber von Gourmet und deli- • Schlussfolgerung: Parmenides ist sterblich. thematischen Entscheidungstheorie und so wei- falsch. Denn Wenn-Dann-Aussagen kann man verbinden, weil die Beobachtung ja auch ist, kater Nahrungszubereitung nichts verstehen. Rationales Verhalten besteht aus drei unter- Alsterhauses loszueisen. Ihr Upgrade war in der ist erste Sahne. Wer heute mit dem Handelsfor- nicht funktionieren. Sie sind Datensammelsyste- Gesundheit. Und auch Otto bewies einen lan- ter. Kehren wir zu einer ganzheitlicheren Sicht nicht so ohne Weiteres umkehren. Es könnte dass Menschen, selbst wenn sie von manchen Das ist nicht in unserer, sondern in einer lo- schiedlichen Denkweisen Krise ein wichtiges Signal. Für die 89 Großstadt- mat Warenhaus überleben will, muss auf allen me mit Bonusfunktion für alle, die öfter als die gen Atem. Das 19. Jahrhundert. Logik wird mathemati- menschlichen Denkens zurück? Markus Knauff: schließlich sein, dass die Straße nass ist, weil Normen, die aus der Philosophie kommen, ab- gisch möglichen Welt der Fall, und die logische siert und zum umfassenden Konzept formalen »Und die Frage ist, wie können wir das erklären, die Straßenreinigung unterwegs war. Aber es weichen, im Leben durchaus gut zurechtkom- Gültigkeit soll ja nicht nur in unserer faktischen Warum sollte man sich die Mühe machen, abs- häuser fehlten uns die Ressourcen zur Moderni- Dimensionen für Erstklassigkeit sorgen. anderen kommen. Denkens ausgebaut. Man beginnt, rationales warum tun wir das?« lässt sich nicht leugnen: Menschen machen men und auch vernünftige Entscheidungen Umgebung gelten, sondern in allen möglichen trakte Schlussregeln einzuhalten, wenn man sierung. In jedes Haus nur eine Mio. Euro ge- Ist also Vielfalt immer noch der größte Mehr- treffen.« steckt, hätte eine Gesamtinvestition von knapp Demnach entwickeln deutsche Warenhäuser Früher zog das Universelle Menschen ins Kauf- wert des Warenhauses? © Mathias Sonne © Ridofranz – istockphoto.com Seit dem Jahr 2011 versucht ein Schwerpunkt- 100 Mio. Euro bedeutet, aber fast nix bewirkt. wieder ein Gespür für ihre Kunden? haus. Warum kommen Kunden heute? Helmut Merkel: Der Mehrwert des Warenhau- programm der Deutschen Forschungsgemein- schaft zwei Fragen zusammenbringen. Knauff Helmut Merkel: Egal, wie exakt das Gespür des Helmut Merkel: Dass der Universalanbieter tot ses ist das Warenhaus selbst. Stimmt die Atmo- ist der Sprecher: »Die zwei Fragen lauten: Wie Wann waren Sie zuletzt in einem Kaufhaus? Händlers ist, ein Garant, dass Konsumenten bei ist, ist eine Behauptung, mit der Medien schon sphäre nicht, wird auch alles andere nichts hel- sollen wir denken? Und wie denken wir wirk- lich?« Helmut Merkel: Letzten Monat in toronto. Ich ihm kaufen, ist es nicht. In Modegeschäften zu meiner Zeit die Karstadt-Krise zu begründen fen. Pionieren wie Le Bon Marché und Wert- wollte mir Hudson Bays neugegründetes Saks liegt die durchschnittliche Besuchshäufigkeit versuchten. Auch Otto, Quelle und Neckermann heim wollten faszinieren. Heute, nach mehr als • Alle Franzosen sind Weintrinker. • Einige Weintrinker sind Gourmets. of Fifth Avenue anschauen. Ableger des New bei 18 Mal pro Jahr, in Schuhläden sind es vier- versuchte man so totzureden. Doch der Lauf der 150 Jahren Konsumgesellschaft, sind die Kun- • Also gilt: Einige Franzosen sind Gourmets. Yorker Luxusoutlets gibt es seit Juni auch in den mal. Am loyalsten sind Lebensmittelkäufer. Die Geschichte beweist: Nicht der Universalanbieter den abgestumpft. Sie wollen nicht ständig faszi- »Ein typisches Beispiel, womit sich der Logik- einstigen Kaufhoffilialen Düsseldorf und Frank- Filialen werden bis zu 150 Mal aufgesucht. Das hat sich überlebt, sondern ein bestimmtes Ge- niert werden, schon gar nicht bei täglichen Be- lehrer auch in seinen Veranstaltungen herum- furt. Der in Stuttgart ist in der Entwicklung. spricht für eine gewisse Zufriedenheit mit Preis schäftsmodell des Universalanbieters. Mit Blick sorgungen. Deshalb funktioniert das Kaufhaus schlägt. Wir wissen, die Prämissen sind wahr, wir wissen, die Konklusion ist wahr, also scheint uns der Schluss plausibel.« GCM 3 / 2017 GCM 3 / 2017 Dr. Martin Hubert Univ.-Prof. Dr. Gerhard Schurz Prof. Dr. Markus Knauff Typische Franzosen: Weintrinker und Feinschmecker GCM 3 / 2017 GCM 3 / 2017 4 Logik und Intuition 18 Das Warenhaus als Bauchgefühl german council intuition 01 Vorwort 04 Logik und Intuition 16 Think digital, act analog 18 Das Warenhaus als Bauchgefühl 22 Match bei »weiblicher« Intuition und »männlicher« Ratio 24 Können Projektentwicklerinnen mit weiblicher Intuition besonders punkten? vor ort 28 Deutsches Shopping-Center Forum 2017: Politisch, digital und kulinarisch 32 Interaktive Ausstellung »Deine Stadt, Dein Marktplatz, Dein Shopping Center« 34 Tag der Immobilienwirtschaft 2017 38 Zweite D-A-CH Konferenz in Stuttgart 41 German Council Congress 2017: Programm, Referenten und Anmeldung impressum herausgeber redaktionsteam bezug verlag druck Nachdruck oder sonstige Repro German Council of Tobias Appelt, Mitglieder des GCSC e. V. GCM-Verlag c/o Kunst- und Werbedruck, duktion (auch auszugsweise) Shopping Centers e. V. David Huth, Behrens und Behrens GmbH Bad Oeynhausen nur mit Genehmigung des Bahnhofstraße 29 Susanne Müller, verbreitung Geschäftsführer und Herausgebers. D-71638 Ludwigsburg Thorsten Müller Das German Council Verleger: Ingmar Behrens Das German Council Magazin Telefon 07141.38 80 83 Steffen Uttich, Magazin hat eine Reichweite Dorfstraße 64 basiert auf Informationen, die Mediadaten und weitere Telefax 07141.38 80 84 Rahel Willhardt von rund 20.000 Lesern (inkl. 24107 Kiel-Ottendorf wir als zuverlässig ansehen, Informationen finden Sie office@gcsc.de Onlineversion). Telefon: 0431.66 111 88 11 eine Haftung kann nicht unter www.gcsc-magazin.de. www.gcsc.de gastbeitrge Telefax: 0431.66 111 88 88 übernommen werden. Nament Wolfgang Gruschwitz, Covermotiv www.behrensundbehrens.de lich gekennzeichnete Beiträge erscheinungsdatum beauftragter des Dr. Martin Hubert, Strichpunkt Design, Stuttgart www.gcsc-magazin.de müssen nicht die Meinung der dieser ausgabe: herausgebers Denny Vorbrücken Redaktion widerspiegeln. Die Juli 2017 Rüdiger Pleus Redaktion behält sich die Kürzung eingesandter das nchste german chefredaktion Manuskripte vor. Erfüllungsort council magazin Ingmar Behrens (v.i.S.d.P.) und Gerichtsstand ist Hamburg. erscheint im oktober 2017 GCM 3 / 2017
german council . inhalt GERMAN COUNCIL . vOR ORt GERMAN COUNCIL . vOR ORt DEuTSCHES SHoPPING-CENTER FoRuM 2017: längst geschehen, ironischerweise zum Mitar- © Axel Schulten beiter des Monats gewählt würde, spricht das PolITISCH, DIGITAl uND KulINARISCH Bände.« SPD-Mann Hübner fände es gut, wenn die Kommunen stärker eingebunden würden. »Wir wollen bald den Stadtverwal- tungen einen Leitfaden für den Umgang mit Das Deutsche Shopping-Center Forum (DSCF) beleuchtet zum vierten Mal Handel, Immobilien dem thema der Sonntagsöffnungen an die und einen sich wandelnden Markt: Eine Analyse, was die Branche bewegt Hand geben. Ich halte das für eine sinnvolle Maßnahme.« vorschläge, die für viele Mode-Händler bereits zu spät sein dürften. vor drei Jahren waren die vertreter der großen textil-Filialisten nahezu Mehr als 30 Vorträge, Diskussionsrunden, zeitparkzonen, beschleunigte Planungsprozes- wicklung und Bauwirtschaft der Universität omnipräsent beim DSCF. Dieses Mal hatte das Foren und Präsentation, rund 380 Vertreter se sowie ein Ende der starren Begrenzung von Leipzig) moderierten Politikerrunde, in der das thema Mode seinen großen Auftritt vor allem aus Immobilienwirtschaft und Einzelhandel Öffnungszeit, Sortiment und verkaufsflächen. thema »Fairness zwischen Online und Offline« bei der Diskussionsrunde mit dem GCSC think- und zwei Tage Netzwerken: Das war die und vor allem die derzeit medial stark fokussier- tank, bei dem es um die Frage ging »Insolven- vierte Auflage des Deutschen Shopping-Cen- Dialog mit der Politik ten Ladenöffnungen am Sonntag im Blickpunkt zen im deutschen Einzelhandel – wie schlimm ter Forums (DSCF) vom EHI Retail Institute standen. ist es wirklich?« GERMAN COUNCIL . POLItIsChE ARbEIt GERMAN COUNCIL . POLItIsChE ARbEIt und German Council of Shopping Centers Es geht der Handelsimmobilien-Welt darum, (GCSC) im Bonner Grand Hotel Kameha. mit der Politik stärker in einen Dialog zu treten, Samstagabend statt am Sonntag An ihre Stelle traten Lebensmittelhändler und um vor allem die stationären Geschäfte zu stär- geffnet Gastronomie. Kaufland, Rewe und Netto stel- ken, die immer mehr unter Druck durch den len ihre Konzepte und Expansionspläne vor. Zukunft Des HAnDels In Der stADt © Axel Schulten Der Markt verändert sich – und das radikal. Die eCommerce geraten. So passte es ins Bild, dass Florian Braun von der Jungen Union surft gern vapiano präsentierte seinen Franchise-Ansatz. Unternehmen reagieren darauf. Was das kon- zu Beginn des DSCF erstmals vertreter von FDP, im Internet und kauft dort auch ein, aber er Stefan Kutscheid von FACO Immobilien erklär- GCsC und ZIA veröffentlichen gemeinsames Positionspapier kret bedeutet, das lässt sich am DSCF ablesen. CDU und SPD aus Nordrhein-Westfalen über die hält es für wichtig, »auch den stationären Han- te, warum er bei dem geplanten Shopping Noch nie war dieses Event so politisch wie Zukunft des Handels und die Rolle der Politik del zu schützen, der allerdings noch mehr in Center in Bitburg, der Bit-Galerie, eine große 2017. Christine Hager, vorstand des GCSC, for- dabei diskutierten – alles kurz vor der Landtags- Puncto Beratung tun müsse«. Eigentlich könn- Freifläche vor dem Objekt für einen klassi- derte direkt zur Begrüßung eine bundesweite wahl in Deutschlands bevölkerungsreichsten ten viele Aktionen doch am Samstagabend schen Markt anstatt nur für parkende Autos Regelung zu verkaufsoffenen Sonntagen. Am Bundesland. statt am Sonntag stattfinden, meinte er. Er plä- nutzen will. zweiten tag des DSCF unterschrieb sie dann diert für eine bürokratiefreie Lösung und für Christine Hager und Marco Atzberger begrüßen in launiger Atmosphäre am Morgen die Gäste German Council of shopping Centers erfasst und entsprechende Positionen for- werden können, dass die Verschneidung der mit Iris Schöberl, vorsitzende des ZIA-Aus- »Also wir zuhause gehen grundsätzlich nicht Rechtssicherheit. Fooddestination statt Foodcourt (GCsC) und der ZIA Zentraler Immobilien muliert. »Der Handel hat die Innovations- Vertriebswege reibungslos funktioniere und Ausschuss e.V. haben im rahmen des Deut- kraft, um seine verantwortungsvollen Auf- Kunden alle Möglichkeit zum Erwerb seiner schusses Handel & Kommunales, ein gemein- online shoppen«, sagt Michael Hübner, Mit- schen shopping-Center forums in Bonn vor gaben auch in einem sich schnell verän- Waren (on- und offline) geboten bekämen. sames Positionspapier der beiden Spitzenver- glied der SPD-Landtagsfraktion in NRW, in der Henning Höne von der FDP fordert mehr ver- Jonathan Doughty, JLL Foodservice Consulting, »letzte Meile« diskutiert wurden. Denn wäh- rund 380 fachbesuchern ein gemeinsames dernden Marktumfeld zu erfüllen. Wir for- Dazu braucht es laut ZIA und GCsC jedoch Positionspapier zur Zukunft des Handels in dern weder subventionierung noch beson- eine passende Infrastruktur. »Insbesondere bände. Gefordert werden beispielsweise Kurz- von Prof. Johannes Ringel (Institut für Stadtent- antwortung vor Ort. »Wenn verdi, wie un- sprach davon, dass die Center-Branche endlich rend der Einzelhandel häufig lediglich darüber der stadt unterzeichnet. Die beiden spit- deren schutz, sondern vielmehr Wettbe- der innerstädtische handel ist auf kurze Wege wegkomme müsse von den alten Foodcourts. spricht, beschäftigen sich die großen Player man niemals zenverbände fordern, dem stationären ein- werbsgerechtigkeit«, erklärt Iris schöberl, und eine schnelle Erreichbarkeit angewiesen. An ihre Stelle sollen Angebote treten, bei de- wie Amazon längst mit Drohnen und Robotern, »Probleme kann zelhandel mehr flexibilität als bisher zuzu- Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Handel & Dafür ist es wichtig, eine intensive Diskussion Denkweise lösen, gestehen, um im Wettbewerb mit dem On- kommunales. über ausreichend kostenfreie Kurzzeitparkzo- nen die Besucher kulinarische Genüsse erle- die Pakete ausliefern, oder die Zustellung an mit der gleichen line-Handel faire Chancen zu haben. »er- nen sowie angemessene stellplatzablösebei- entstanden sind.« © Axel Schulten ben können, die Emotionen wecken. »Die Fra- den Aufenthaltsort des Smartphones. durch die sie folgreicher Handel stärkt unsere städte und ist entscheidend für die nachhaltige lebens- Auf dem Weg zum Omnichannel- träge zu führen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich eine zentrale Lage einer handelsflä- ge ist nicht, ob man etwas anbietet, sondern qualität der Bürger. Der stationäre einzel- handel che unnötig preistreibend zulasten des Käu- Albert Einstein handel nimmt den Wettbewerb mit dem fers auswirkt«, ergänzt hager. was«, sagt Doughty. Gelungene Beispiele sei- Online-Handel gern an, nur braucht er da- »Der stationäre handel ist nicht mehr nur ana- en aus seiner Sicht die Unibail Dining Experi- für gleiche Voraussetzungen«, meint Chri- log«, erklärt hager. »Zukunftsfähige Einzel- Auch im Planungsrecht finden sich stolperstei- stine Hager, Vorstand des GCsC. um das händler beherrschen schon längst den Omni- ne. »Die Entwicklung, Erweiterung und Mo- ence oder Foodtopia in Frankfurt. »Fabelhaf- Ein Beitrag von umfeld zu verbessern, haben ZIA und channel-handel.« stationäre Verkaufsflächen dernisierung von Einzelhandelsflächen ist ak- tes Essen und Drinks« seien unersetzlich, um David Huth, GCsC deshalb neun schwerpunktthemen müssten deshalb so gemanagt und betrieben tuell ein mehrjähriger, komplexer und sehr aufwendiger Prozess. Die dafür benötigten eine »Fooddestination« zu schaffen, die Kun- Redaktionsbüro Appelt & Huth Planungs- und Genehmigungsprozesse durch Iris Schöberl, Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Handel & Kommunales und GCSC-Vorstand Christine Hager nach der Unterzeichnung des Positionspapiers den dauerhaft anzieht. Hier müsse die Branche die beteiligten behörden und Institutionen © Axel Schulten »Unter Intuition müssen vor dem hintergrund des schnellen laut Jonathan Doughty noch ihre Hausaufga- versteht man Wandels unserer städte zwingend beschleu- stimmung unter anderem mit handelsverbän- mit auf Dauer wettbewerbsfähige Verkaufsflä- Ein Beitrag der Redaktion ben machen. die Fähigkeit gewisser nigt werden«, erklärt hager. Zudem sei eine den regelmäßig fortgeschrieben und idealer- chen zugebilligt werden. Auch die Regulierung Leute, eine Lage in Sekunden kritische und konstruktive Überprüfung der weise im Abstand von zwei Jahren überprüft der Öffnungszeiten sei laut ZIA und GCsC längst schnelle gesetzlichen Regulierungen zugunsten einer werden. nicht mehr auf dem neuesten stand. »Die beste- Nachholbedarf scheint die Branche auch beim falsch zu beurteilen zeitgemäßen und sinnvollen Vereinfachung hende Gesetzgebung entspricht nicht mehr den .« der städtischen handelsplanung unerlässlich. bestehende Verkaufsflächenbegrenzungen sind heutigen Einkaufswünschen. Wir müssen die thema Digitalisierung zu haben: »Große teile ebenfalls ein hinderungsgrund für die Weiter- Möglichkeit bekommen, auch dem sonntags- Friedrich Dürrenmatt »Jedes Anlehnen sind in einem unfassbaren Dornröschen- Deregulierung statt entwicklung des stationären handels. »Filialis- einkaufswunsch der bürger gerecht zu werden. , an wen oder auch immer, was Sortimentsbeschrnkung ten müssen konstant sortimente erweitern, mo- bislang ist das nahezu unmöglich«, ergänzt führt zu nichts. schlaf«, kritisierte etwa Dr. Kersten Rosenau, derne Warendarstellungen bieten und barriere- schöberl. die eigene, persönliche Wichtig ist Intuition, die First Christmas by ROSENAU GmbH. Er geht Darüber hinaus sind die starren Öffnungszeit-, freie Zugänge ermöglichen. Das ist mit den star- Arbeit an sich selbst.« sortiments- und Verkaufsflächenbegrenzun- ren Verkaufsflächengrößen kaum mehr mög- Das vollständige Positionspapier von GCsC davon aus, dass »verödete Innenstädte« nicht gen ein wichtiger Nachteil des stationären lich«, sagt schöberl. Aus diesem Grund müssten und ZIA zur Zukunft des handels in der stadt Chögyam Trungpa handels gegenüber dem eCommerce. »beste- händlern im Rahmen der bauleitplanung flexib- finden sie auf der GCsC-Website unter: www. nur ein Schreckensszenario sind, sondern kurz hende sortimentsbeschränkungen sind häufig lere, maßstäbliche, im Einzelfall größere und da- gcsc.de/de/aktivitaeten/politische-arbeit.html oder lang Realität werden. Fest machte er das Das nächste Deutsche Shopping-Center Forum in die Jahre gekommen. Dabei ist eine zeitge- mäße Ausgestaltung der sortimentsvielfalt für unter anderem an themen, die beim DSCF findet am 15. und 16. Mai 2018 in Düsseldorf Innenstädte essenziell wichtig – gerade in ei- 2017 im Forum Marketing unter dem titel statt. www.dscf.de ner solch schnelllebigen Zeit«, meint schö- Der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss ist die zur Verbesserung des wirtschaftlichen, rechtlichen, steu- Unternehmen der Branche. Der German Council of berl. Die Listen der innenstadtrelevanten sor- ordnungs- und wirtschaftspolitische Interessenvertre- erlichen und politischen Umfelds der Immobilienwirt- Shopping Centers e. V. ist aktives Mitglied des ZIA. timente sollten deshalb in Zusammenhang tung der gesamten Immobilienwirtschaft. Er fördert schaft. Zusammen mit seinen Mitgliedern, darunter GCM 3 / 2017 GCM 3 / 2017 mit den Einzelhandelskonzepten und in Ab- und begleitet geeignete Maßnahmen zum Erhalt und mehr als 20 Verbände, spricht der ZIA für rund 37.000 http://www.zia-deutschland.de GCM 3 / 2017 GCM 3 / 2017 28 Deutsches Shopping-Center Forum 2017: Politisch, digital und kulinarisch 72 Zukunft des Handels in der Stadt intuition news 56 Kommentar: Kopf oder Bauch? Beides bitte! 74 Aktuelle Kurznachrichten expertennews marktplatz – advertorial 58 Aus der Branche für die Branche: 78 Sonae Sierra Weibliche Intuition und Karriere 80 Agentur Randolph Hopp insight mitglieder 62 Der Blick hinter die Kulissen 81 Mitgliederliste 64 GCSC stellt sich vor 84 Neue Mitglieder 66 So oder so – Sicherheit hat ihren Preis 85 Aufnahmeantrag 70 Die Sinnhaftigkeit der Videoüberwachung 87 In eigener Sache politische arbeit 72 Zukunft des Handels in der Stadt ›Der Verstand spielt auf dem Weg der Entdeckung nur eine untergeordnete Rolle. Es findet ein Sprung im Bewusstsein statt, nennen Sie es Intuition oder was Sie wollen, und die Lösung kommt zu Ihnen und Sie wissen nicht wie und warum.‹ Albert Einstein (1879 – 1955), theoretischer Physiker GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition Logik und Intuition Die andere Seite der Vernunft Lange Zeit galt Logik als höchster Maßstab für © thelefty – istockphoto.com Rationalität. Inzwischen aber beruhigen Psy- chologen und Evolutionstheoretiker gleicher- maßen: Der Mensch denkt im besten Fall lo- gisch und in Wahrscheinlichkeiten – aber dazu immer auch intuitiv. Manch einer, der sich eher auf sein Bauchgefühl verlässt, kommt damit ziemlich gut durchs Leben. Das fünfte Jahrhundert vor Christus: Am An- fang steht der »nous«. Mit ihm, erklärt Parme- nides, erkennt der Mensch das Wesen des Seins. Aristoteles entwickelte die Logik als ein eigenständiges System richtiger Schlüsse im 3. Jh. v. Chr. • Prämisse 1: Alle Menschen sind sterblich. • Prämisse 2: Parmenides ist ein Mensch. Denken und Logik gleichzusetzen. Intuition: • Wenn es regnet, dann ist die Straße nass. Das dritte Jahrhundert vor Christus. Aristoteles zur Nebensache degradiert. • Die Straße ist nass. entwickelt die Logik als ein eigenständiges • Ergo: Es hat geregnet. System richtiger Schlüsse. Die Gegenwart. Wir halten uns nicht an die Re- geln der Logik, Wahrscheinlichkeitstheorie, ma- Es klingt irgendwie logisch, ist aber natürlich • Schlussfolgerung: Parmenides ist sterblich. thematischen Entscheidungstheorie und so wei- falsch. Denn Wenn-Dann-Aussagen kann man ter. Kehren wir zu einer ganzheitlicheren Sicht nicht so ohne Weiteres umkehren. Es könnte Das 19. Jahrhundert. Logik wird mathemati- menschlichen Denkens zurück? Markus Knauff: schließlich sein, dass die Straße nass ist, weil siert und zum umfassenden Konzept formalen »Und die Frage ist, wie können wir das erklären, die Straßenreinigung unterwegs war. Aber es Denkens ausgebaut. Man beginnt, rationales warum tun wir das?« lässt sich nicht leugnen: Menschen machen © Mathias Sonne Dr. Martin Hubert Univ.-Prof. Dr. Gerhard Schurz Prof. Dr. Markus Knauff GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition © DenisTangneyJr – istockphoto.com mitunter solche Denkfehler, und zwar gar nicht so selten. Nächstes Beispiel: • Wenn Menschen logisch denken, dann sind sie rational. • Menschen, die nicht logisch denken, sind nicht rational. »Man sollte eigentlich von den Rationa litäten sprechen« Wer logisch richtig denkt, erfüllt sicher ein wichtiges Kriterium für Rationalität. Aber heißt das auch, dass jemand irrational ist, wenn er nicht den ehernen Regeln der Logik folgt? »Ich bin sehr davon überzeugt, dass es über- haupt nicht die eine Norm gibt, mit der sich menschliches Denken beschreiben lässt oder an der sich menschliches Denken messen las- sen muss. Ich glaube, man sollte eigentlich nicht von der Rationalität sprechen, sondern von den Rationalitäten.« Die Straße ist nass, also muss es zwangsläufig geregnet haben. Oder? Markus Knauff, Psychologieprofessor an der Universität Gießen, will die alten Dogmen über- winden, die Rationalität allzu stark an die philo- Gerhard Schurz, Professor für Theoretische Phi- Umgebungen. Das ist das Kennzeichen der de- sophische Logik binden: »Bisher war es so, dass losophie an der Universität Düsseldorf, ein Spe- duktiven Logik, dass der Schluss mit Sicherheit, die Philosophie definiert hat, was wir als ratio- zialist für Logik, Evolutions- und Wissenschafts- also in allen möglichen logischen Welten gül- nal betrachten wollen und die Psychologie hat theorie: »Und jetzt muss man klar machen, tig ist. Diese Unterscheidung ist für den prakti- sich an diesem Sollwert dann orientiert und un- aber im logischen Sinne ist er nicht gültig, weil schen Menschen nicht immer wichtig, meis- tersucht, wo Menschen von diesen Normen ab- es ja sein könnte, dass die Prämissen wahr tens würde ich sogar sagen 'nicht wichtig' und weichen. Und die Idee unseres Schwerpunkt- sind, dass also tatsächlich die Franzosen alle daher wird sie im Alltag auch nicht gemacht.« programms ist, Psychologie und Philosophie zu Weintrinker sind, aber von Gourmet und deli- verbinden, weil die Beobachtung ja auch ist, kater Nahrungszubereitung nichts verstehen. Rationales Verhalten besteht aus drei unter dass Menschen, selbst wenn sie von manchen Das ist nicht in unserer, sondern in einer lo- schiedlichen Denkweisen Normen, die aus der Philosophie kommen, ab- gisch möglichen Welt der Fall, und die logische weichen, im Leben durchaus gut zurechtkom- Gültigkeit soll ja nicht nur in unserer faktischen Warum sollte man sich die Mühe machen, abs- men und auch vernünftige Entscheidungen Umgebung gelten, sondern in allen möglichen trakte Schlussregeln einzuhalten, wenn man treffen.« © Ridofranz – istockphoto.com Seit dem Jahr 2011 versucht ein Schwerpunkt- programm der Deutschen Forschungsgemein- schaft zwei Fragen zusammenbringen. Knauff ist der Sprecher: »Die zwei Fragen lauten: Wie sollen wir denken? Und wie denken wir wirk- lich?« • Alle Franzosen sind Weintrinker. • Einige Weintrinker sind Gourmets. • Also gilt: Einige Franzosen sind Gourmets. »Ein typisches Beispiel, womit sich der Logik- lehrer auch in seinen Veranstaltungen herum- schlägt. Wir wissen, die Prämissen sind wahr, wir wissen, die Konklusion ist wahr, also scheint uns der Schluss plausibel.« Typische Franzosen: Weintrinker und Feinschmecker GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition © Windzepher – istockphoto.com theoretiker davon aus, dass es aus sozialen Mo- tiven geschah: »Man stelle sich vor, in der alten Steinzeit, eine Gruppe von vielleicht bis zu 100 Menschen, die gemeinsam jagen, die gemein- sam ihr Futter, also ihre erlegte Beute aufteilen. Da muss es unbedingt nach sozialen Regeln zu- gehen und es zeigt sich, dass wenn es um die Aufdeckung von Regelbrechung geht, die Men- schen plötzlich gewisse logische Schlüsse per- fekt beherrschen, die sie in anderen Kontexten nicht beherrschen, sondern ständig Fehler be- gehen.« Abstrakte Logik versus Logik in sozialen Situationen Der berühmte Wason-Kartentest. Versuchen Sie erst gar nicht, ihn zu bestehen. Es soll die Regel gelten: Wenn auf der Vorder- seite einer Karte ein »A« steht, dann steht auf der Rückseite eine »Eins«. Vor ihnen liegen vier Karten. Bei zwei von ihnen sehen sie die Vor- derseite, bei den zwei anderen die Rückseite. Schimpansen können mittels Logik ermitteln, in welcher Waagschale sich die Banane befindet Auf der Vorderseite einer Karte steht ein »A«, auf der zweiten ein »B«. Auf der Rückseite der dritten Karte steht eine »Eins«, auf der Rücksei- doch einfach weiß, dass einige Franzosen Gour- • Die Straße ist nass, also hat es geregnet. te der vierten eine »Zwei«. Welche Karte müs- mets sind? Auch der Blick in das Gehirn zeigt: sen sie umdrehen, um zu überprüfen, ob die Denkprozesse inhaltlicher Art sind dem logi- Diese Schlüsse können mit der Logik und den Regel gilt? schen Denken keineswegs untergeordnet, son- Normen der Wahrscheinlichkeit übereinstim- dern können unabhängig von ihnen arbeiten. men, müssen es aber nicht. Und sie können auf geprüftem Wissen oder auf intuitiven Annah- Markus Knauff: »Sie können auch zeigen, dass men beruhen. In welchem Rahmen lässt sich bei Patienten, die durch einen Tumor oder der Wert dieser drei Denkweisen beurteilen? Schlaganfall Verletzungen bestimmter Hirnstruk- Gerhard Schurz betrachtet sie im Rahmen der turen haben, dass sie entweder beeinträchtigt Evolutionstheorie: »Der Prozess der Evolution sind in logisch abstraktem Schließen oder nicht selektiert vieles heraus.« davon profitieren können, dass der Inhalt plausi- bel ist. Leute ohne diese Hirnläsionen profitieren Logisches Schlussfolgern hat sich offenbar davon, dass etwas plausibel ist, diese Patienten schon früh in der Evolution herausgebildet. nicht. Und man kann auch mit einer Methode, Etwa bei Primaten. die transkranielle Hirnstimulation heißt, kurzfris- tige Läsionen im Gehirn produzieren, indem • Annahme 1: Eine Balkenwaage neigt sich, Schurz: »Die wahre Antwort der Logik ist dar- man Magnetfelder produziert. Auch da kann wenn ein Gewicht auf eine ihrer Seiten ge- auf: Sie müssen die Karte mit dem A umdrehen man zeigen, dass man inhaltsbezogene Aufga- legt wird. und die Seite mit der Zwei – das beherrscht kei- ben und abstrakte logische oder auch wahr- • Annahme 2: Bananen haben Gewicht. ner, niemand nimmt die Karte mit der Zwei. scheinlichkeitsbasierte Aufgaben differenziell • Schlussfolgerung: Wenn man eine Banane Aber dann wurde genau derselbe Versuch ge- stören kann. Also es spricht einiges dafür, dass es in eine der Waagschalen legt, muss sie dort macht mit folgender Regel: Es geht um Jugend- unterschiedliche Verarbeitungsnetzwerke gibt sein, wohin sich die Waage neigt. liche in einem Lokal, in dem Cola und Bier aus- für abstrakte und konkrete Schlussfolgerung.« geschenkt wird und die Regel lautet: Wer Alko- Diesen Schluss zogen Schimpansen in einem hol trinkt, also Bier trinkt, muss mindestens 16 Wenn es um rationales Verhalten geht, schei- Experiment, ohne dass sie die Banane sehen Jahre alt sein.« nen drei verschiedene Spieler im Rennen zu konnten. sein: Das logische Denken, das Denken in statis- In dem Lokal sitzen vier Jugendliche. Einer tischen Wahrscheinlichkeiten und das konkrete Diese logischen Anlagen wurden immer mehr trinkt Bier, ein anderer Cola. Bei den anderen Denken, das sich an plausiblen Inhalten orien- verfeinert und schlugen sich beim Menschen in sehen Sie nicht, was sie trinken, Sie wissen tiert. Schlüsse, die auf Letzterem beruhen, sind sprachlichen Argumenten nieder. Gerhard aber, dass der eine achtzehn und der andere beispielsweise solche: Schurz geht wie aktuell die meisten Evolutions- vierzehn Jahre alt ist. Bei welchen Jugendlichen GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition Prelios Immobilien Management DER SPEZIALIST FÜR IHRE EINZELHANDELSIMMOBILIE Development, Center Management und Repositionierung für Shopping Center Prelios bietet institutionellen und privaten Kunden bundesweit alle Dienstleistungen für Shopping Your Center, Kauf- und Geschäftshäuser, gemischt genutzte Immobilien, Quartiere sowie Fachmarktzentren aus einer Hand: Ankaufsprüfung, Projektentwicklung, Repositionierung und Refurbishment, Vermietung, Retail Shopping Center Management, Kaufmännisches und Technisches Property Management, Asset und Specia Portfolio Management sowie Transaktionsmanagement. list! Wertschöpfung durch aktives Management w w w.prelios.de +49 (0) 40 / 350 170-0 GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition © Professor25 – istockphoto.com müssen sie überprüfen, ob die Regel eingehal- ten wird. Fragen Sie nur den Biertrinker, wie alt er ist oder forschen sie auch bei einem an- deren Jugendlichen nach? Hier noch einmal die Regel, die es zu überprüfen gilt: »Wer Bier trinkt, muss mindestens sechzehn Jahre alt sein.« Gerhard Schurz: »Jeder sieht sich dann den 14-Jährigen an – wird in diesem Beispiel per- fekt beherrscht und im anderen Beispiel, ob- wohl es logisch genau dieselbe Aufgabe ist, beherrschen es höchstens zwei, drei Prozent aller Versuchspersonen.« In anschaulichen Situationen, in denen es um soziale Konventionen geht, können fast alle Menschen bestimmte logische Schlüsse zie- hen, an denen sie hingegen scheitern, wenn sie in abstrakter Weise formuliert werden. Lo- gisches Denken scheint in der Evolution be- lohnt worden zu sein, weil es hilft, soziale Situ- ationen zu bewältigen. Die Fähigkeit, etwas als wahr oder falsch einzuschätzen liefert ei- nen Überlebensvorteil. Darüber hinaus hat die Evolution noch ganz andere Phänomene her- Placeboeffekt: Glaube an ein positives Resultat gibt Kraft. ausselektiert, erklärt Gerhard Schurz: »Es gibt natürlich auch evolutionäre Effekte ßen muss, also wenn man gezwungen ist, sich chern und verarbeiten, wohingegen die Viel- unseres Überzeugungs- und Glaubenssystems, zu entscheiden, ob man in die oder in die falt von Information aus der Außenwelt prinzi- die vom Wahrheitswert unabhängig sind. Ich Richtung weiter wandern oder dorthin gehen piell unbegrenzt ist. Daher, so Magnus Knauff, habe das als verallgemeinerten Placeboeffekt will, wo es vermutlich die bessere Nahrungs- müssen wir auch die sogenannten Heuristiken bezeichnet. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn quellen, Nahrungsressourcen gibt. Dann muss ins Reich der Rationalität einbeziehen, die in sie der Überzeugung sind, dass die Krankheit, man sich sehr schnell entscheiden. Natürlich den vergangenen Jahren ausgiebig erforscht an der sie leiden, von ihnen überwindbar ist kann die inductive overconfidence auch zu wurden. und bald verschwunden sein wird, dann wer- Fehlschlüssen führen und dann vor allem im den sie frohen Mutes und lebensfroh die sozialen Bereich bewirken, dass man Leute Dabei handelt sich um Faustregeln, die man in- Krankheit zu überwinden versuchen, unab- schnell aburteilt, über den Kamm schert, vom tuitiv benutzt, wenn etwas allein mit dem Ver- hängig davon, ob das wirklich zutrifft oder Äußeren auf das Innere schließt. Also diese stand nicht mehr zu bewältigen ist. Man ver- nicht. Das heißt, der bloße Glaube an ein posi- ganze Vorurteilsbildung hängt natürlich auch wendet dann zum Beispiel ein altes Denkmus- tives Ereignis gibt eine gewisse Kraft, ein ge- mit inductive overconvidence zusammen.« ter, das sich schon einmal bewährt hat. Oder wisses Selbstvertrauen und das nenne ich den konzentriert sich auf ein oder zwei hervorste- verallgemeinerten Placeboeffekt.« Natürlich sind solche raschen Entscheidungen chende Wegweiser einer Situation und ver- fehleranfälliger und risikobehafteter als gründ- nachlässigt die anderen. So gesehen umfasst Menschen neigen zu vorschnellen Genera lich durchdachte Entscheidungen. Aber manch- Rationalität alle Formen des Denkens, die gera- lisierungen mal sind sie eben unausweichlich, meint Mar- de die effizienteste Lösung eines Problems ver- kus Knauff: »Also wenn man sich fragt, warum sprechen. Studien zeigen: Der Placeboeffekt hat sich tief Menschen denn überhaupt Fehler machen, in unser Denken eingegraben. Psychologen dann ist es so, dass wir grundsätzlich über die Markus Knauff: »Ich glaube, dass die Umwelt sprechen zum Beispiel auch von »inductive Kompetenz verfügen, logisch richtig und was unterschiedliche Anforderungen stellt, was overconfidence«, von dem übertriebenen Ver- Wahrscheinlichkeit betrifft richtig zu denken. wir als rational betrachten wollen. In manchen trauen, rasch eine Regel finden zu können. Aber dabei gibt es jede Menge Beschränkun- Situationen müssen wir uns zwischen zwei Al- gen unseres kognitiven Systems.Wir haben ternativen entscheiden, dann hilft uns auch Gerhard Schurz: »Inductive overconfidence in nicht beliebig viele kognitive Ressourcen zur klassische Logik wirklich weiter. In manchen dem Sinne, dass der Mensch schon aus sehr Verfügung, nicht alle Informationen stehen zur Fällen müssen wir aber auch entscheiden, ob kleinen Stichproben geneigt ist, vorschnelle Verfügung.« etwas wahrscheinlicher oder unwahrscheinli- Generalisierungen durchzuführen. Diese in- cher ist, dann hilft uns die Wahrscheinlich- ductive overconfidence hat natürlich auch Das Arbeitsgedächtnis des Gehirns kann nur keitstheorie. In manchen Fällen reicht es uns ihre Vorteile, wenn man sehr schnell schlie- eine begrenzte Menge an Informationen spei- auch, wenn wir mit einer guten, aber nicht un- GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition © GarysFRP – istockphoto.com Wie wird geregelt, welches Denken wann zum Zuge kommt? »Für viele Leute, gerade auch für die Experten, klingen meine Ergebnisse ziemlich paradox.« Der Psychologe Wim de Neys vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Pa- ris hat in den vergangenen Jahren für Aufsehen gesorgt. Denn seine Studien legen nahe, dass es nicht nur die altbekannte Intuition gibt, mit der wir spontan und automatisch aus dem Bauch heraus entscheiden, sondern auch eine logische Intuition. Wim de Neys setzte Versuchspersonen Aufgaben vor, bei denen sie intuitiv rasch auf eine Lösung stoßen – die falsch ist. Das Schläger-Ball-Problem: • Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen einen Euro und zehn Cent. • Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. • Wie viel kostet der Ball? Führt der Weg über den Berg ans Ziel oder doch in die Irre? Wahrscheinlichkeitsrechnung ist gefragt Die meisten Versuchspersonen sagen sofort »Der Ball kostet zehn Cent« und sind sich intui- tiv völlig sicher. Aber die Antwort ist falsch. bedingt mit der besten Lösung zufrieden »Meine Ergebnisse klingen ziemlich Wenn der Ball zehn Cent kosten würde und der sind. All das beeinflusst glaube ich, welche paradox – gerade auch für Experten« Schläger einen Euro teurer ist, müsste dieser ei- Normen wir gerade zugrunde legen müssen, nen Euro und zehn Cent kosten. Ein Euro und um zu entscheiden, was wir als rational be- Langfristig gesehen wollen die Rationalitäts- zehn Cent für den Schläger plus zehn Cent für trachten wollen.« Forscher genauer definieren, wann welche Art den Ball ergeben aber einen Euro und zwanzig des Denkens optimal - und das heißt in rationa- Cent. • Hinter dem Berg liegt das Ziel. ler Weise – einzusetzen ist. Dabei stellt sich • Von zwei Wegen führt einer zum Ziel, der eine grundlegende Frage. Einerseits können Fast alle Versuchspersonen, die zunächst die in- andere in die Irre. Menschen Probleme logisch oder in seinen tuitiv falsche Antwort geben, sehen die richtige • Der eine Weg ist schmal aber stabil. Wahrscheinlichkeiten gründlich durchdenken, Lösung leicht ein, wenn sie kurz darüber nach- • Der andere Weg ist breit aber löchrig. andererseits intuitiv rasche Entscheidungen denken: Fünf Cent für den Ball, einen Euro und • Frage: Welcher Weg führt zum Ziel? treffen. Wie aber hängt beides zusammen? 5 Cent für den Schläger. Warum aber geben sie © Delpixart – istockphoto.com Heute im Sonderangebot: Schläger und Ball gibt's im Logikversuch für nur einen Euro und zehn Cent Wim de Neys GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition dann vorher überhaupt eine falsche Antwort? Wie zu erwarten: Die Versuchspersonen mit müssen, ein »Bauchgefühl«: »Ich habe eine Lö- Psychologen erklären das üblicherweise da- der korrekten Antwort hatten die intuitive, fal- sung, bestimmt ist sie falsch.« mit, dass die Versuchspersonen die relative sche Antwort unterdrückt. Aussage »Der Schläger ist ein Euro teurer als Für Wim de Neys lassen sich diese Befunde nur der Ball« als absolute Aussage wahrnehmen: Der Kernbefund aber war, dass die Konflikt- so erklären: Logisches und intuitives Denken »Der Schläger kostet einen Euro«. Dann näm- überwachungsregion im Gehirn bei den Ver- sind im Gehirn eng verknüpft: »Es gibt sowohl lich wäre die schnelle, automatische Antwort suchspersonen immer aktiv war, egal ob sie die heuristische, also schnelle und automatische richtig. intuitiv falsche oder die logisch korrekte Ant- Intuitionen, und es gibt eine Art logischer Intu- wort gaben. Daher schließen wir, dass die Men- ition, die unbewusst im Gehirn als Maßstab Es gibt anscheinend eine »logische Intuition« schen den Konflikt irgendwie unbewusst auch vorhanden ist. Nach meiner Theorie sind beide dann wahrnehmen, wenn sie die falsche intui- Teil eines gemeinsamen Systems. Die heuristi- Wim de Neys wollte es genau wissen. Und bat tive Antwort geben.« sche und die logische Intuition werden parallel 13 Versuchspersonen in den Hirnscanner: »Wir und gleichzeitig im Gehirn aktiviert. Entsteht wissen, dass eine Region in der Mitte des Stirn- Das ist das paradoxe Ergebnis der Studien von ein Konflikt zwischen Logik und Intuition, er- hirns dafür zuständig ist, Konflikte oder Fehler Wim de Neys, über das die Fachwelt so erstaunt möglicht das Konfliktsignal, einen Prozess ein- zu überwachen und untersuchten seine Rolle. ist. Es scheint eine »logische Intuition« zu ge- zuleiten, in dem über die spontane intuitive Wir gaben den Versuchspersonen also Aufga- ben, und sie äußert sich in einem automatisch Antwort stärker nachgedacht werden kann.« ben wie das Ball-Schläger-Problem, in dem generierten Signal im Gehirn. Dieses Signal durch relative Formulierungen ein Konflikt bleibt unbewusst, äußert sich aber auch körper- Wim de Neys hat sein Modell in mehreren Studi- zwischen der intuitiven und der logisch richti- lich: »Die Konfliktüberwachungs-Region regu- en untermauern können. Ein plausibles Modell, gen Lösung auftritt. ›Der Schläger ist ein Euro liert auch das autonome Nervensystem. Immer denn es verbindet die alte Theorie, nach der lo- teurer als der Ball‹ verglichen wir mit leicht wenn ein Konflikt entdeckt wird, wird also auch gisches Denken der höchste Maßstab von Ratio- lösbaren Aufgaben, bei denen dieser Konflikt das autonome Nervensystem kurz aktiv. Dann nalität ist, mit dem neuen Trend, intuitives Den- nicht auftritt. Dort gab es absolute Formulie- schwitzt man zum Beispiel ein bisschen stärker, ken aufzuwerten. Auch Wim de Neys geht da- rungen wie: ›Der Schläger kostet einen Euro‹. die Körpertemperatur verändert sich und damit von aus, dass ein logischer Maßstab fest im Kopf Im Hirnscanner beobachteten wir dann neben auch die elektrische Hautleitfähigkeit.« verankert ist. Der wirkt aber unbewusst und ist der Konfliktüberwachungsregion auch die vor- längst nicht allmächtig, kann also intuitive Lö- derste rechte Stirnhirnregion, die beteiligt ist, Das Gehirn erzeugt ein Gefühl, das viele ken- sungen nicht völlig verhindern. Am besten über- wenn ein Vorgang im Gehirn gehemmt wird. nen, wenn sie harte logische Nüsse knacken lebt, wer sowohl logisch als auch intuitiv denkt. Psychische Verfassung wirkt sich auf logisches Denkvermögen aus © LaurieSH – istockphoto.com Markus Knauff hält die Befunde von Wim de Neys für außerordentlich wichtig, weil sie erklä- ren, wie der Geist flexibel reagieren kann. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter. • Prämisse 1: In alten Häusern befinden sich Spinnen. • Prämisse 2: Dies ist ein altes Haus. • Frage: Gibt es dort Spinnen? Markus Knauff: »Der Effekt war, dass Phobiker bei solchen Schlüssen schlechtere Leistungen erbringen als Leute, die keine Spinnenphobie ha- ben. Die haben mehr logische Fehler gemacht und haben länger gebraucht, um Schlüsse vorzu- nehmen.« • Prämisse 1: Wenn mich niemand mag, dann ist mein Leben sinnlos. • Prämisse 2: Mich mag niemand. • Frage: Macht Ihr Leben noch einen Sinn? Markus Knauff: »Die zweite Gruppe von Proban- den waren depressive Patienten, und die waren bei solchen Schlüssen wiederum besser als nicht Spinnen sind – logischerweise – stets in alten Häusern anzutreffen depressive Patienten. Es ist kein Widerspruch. GCM 3 / 2017
Sie können auch lesen