MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN

Die Seite wird erstellt Stefan-Nikolas John
 
WEITER LESEN
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
03             . 2017
                                                             german council
21. Jahrgang 2017 | € 12 | ISSN 1614-7804
German Council of Shopping Centers e. V.
Impulse, Trends und Nachrichten für Immobilienwirtschaft,
Handel, Städte und Kommunen                                 MAgazin
INTUITION
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
Shopping-Center
                                    Kommunikation 3.0

                                    Mehr Footfall
                                    Mehr Fans
                                    Mehr Umsatz

             H E R RWERTH + KNAFL
             GRID MARKETING

               ·
Stollbergstraße 8   80539 München
Tel. +49 89 500 74-0                                Mitglied im GCSC
knafl@herrwerth-knafl.de
www.herrwerth-knafl.de
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
Vorwort

                                                  Alice: »Was würdest Du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?«
                                                  Grinsekatze: »Das hängt zum größten Teil davon ab, wohin Du möchtest.«
                                                  Alice: »Ach, wohin ist mir eigentlich gleich ...«
                                                  Grinsekatze: »Dann ist es auch egal, wie Du weitergehst.«

Liebe Leserinnen und Leser,

Erinnern Sie sich noch? »Alice im Wunder-         scheidungssituationen, zumindest offensicht-        steht praktisch täglich vor einer Entschei-
land«, 1865 als Kinderbuch des britischen         lich, nicht so häufig vor. Möglicherweise ma-       dung, in die er seine Intuition einfließen las-
Schriftstellers Lewis Carroll erschienen – heu-   chen wir diese Situationen aber auch weitest-       sen wird.
te den meisten sicher mehr als ein weltweit       gehend mit uns selber aus und schenken ih-
bedeutendes »Cineastisches Werk« zum              nen nicht allzu große Beachtung. Im Nachhi­         Jedesmal hat der stationäre Handel die Chan-
Nachdenken und Philosophieren bekannt. Ich        nein denken wir aber oft »ich hab´s doch            ce, die richtige, passende Antwort zu geben.
will nicht weiter auf die facettenreiche Ge-      gewusst« – und unsere Grinsekatze würde             Er muss sich eben am Ende auch entscheiden,
samtbedeutung eines der weltweit kulturell        sich bestätigt fühlen – denn unser Bauchge-         was er will. Das Gleiche gilt für Städte und
einflussreichsten Bücher eingehen, sondern        fühl, unsere Intuition begleitet uns auf all un-    Kommunen. Wenn wir lebendige Städte er-
erlaube mir einen »Kunstgriff« und springe        seren Wegen. Was spüren wir, wenn wir uns           halten wollen, die entscheidenden Einfluss
aus der Lebenszeit des Autors in die heutige      das Ergebnis dieser oder jener Entscheidung         auf unsere soziales Netzwerk und Miteinan-
Welt. Die Frage von Alice »...wie ich von hier    vorstellen? Was bekommen wir an Erlebnis,           der haben, dann brauchen wir individuell an-
aus weitergehen soll?« impliziert eine große      an Status und Gefühl? Würde uns der eine            passbare Sonntagsöffnungszeiten, flexiblere
Unsicherheit über die richtige Entscheidung.      Weg glücklicher machen als der andere?              Sortimentsbeschränkungen und eine starke
Was wird passieren, wenn ich so oder so ent-                                                          sowie konstruktiv und positive Haltung zum
scheide? Wie wird die Zukunft werden, wenn        Erlauben Sie mir an dieser Stelle wieder den        Handel und den Bedürfnissen unserer Bran-
ich dieses oder jenes tue? Spannend wird es       »Kunstgriff« und springen Sie mit mir in die        che. Wenn es uns gemeinsam gelingt, den sta-
nun bei der Betrachtung der Antwort der           heutige Situation des Einzelhandels. Auf der        tionären Handel als »Omnichannel-Handel« –
»Grinsekatze«: »Das hängt zum größten Teil        einen Seite sehe ich die Händler, die sich Alices   also nicht gegen, sondern mit allen Errungen-
davon ab, wohin Du möchtest.«                     Frage stellen. Online oder stationär oder bei-      schaften der Digitalisierung – erfolgreich auf-
                                                  des und wenn ja wie? Kann ich das, will ich         zustellen, dann wird sich der Kunde vielleicht
Ja und was möchten wir? Wenn es uns gleich        das, was kostet es und was bringt es? So oder       wirklich ob der Auswahl, des Service und dem
ist, dann ist es auch egal, wohin wir gehen.      ähnlich würden die Fragen an die Grinsekatze        echten emotionalen Einkaufserlebnis auch
Tatsache ist aber, dass es uns natürlich nicht    lauten. Auf der anderen Seite sehe ich den          langfristig wie im »Wunderland« in seiner
gleich ist, wohin wir gehen. Wir können uns       Kunden. Er fragt sich, ob er lieber online oder     Stadt fühlen. Machbar ist es. Es kommt eben
nur oft nicht entscheiden, zögern und wollen      stationär sein begehrtes Gut erstehen soll.         nur darauf an, wohin wir wollen.
uns so lange wie möglich nicht festlegen.         Soll ich in die Stadt zum Einkaufen fahren
Sind es die Chancen auf verpasste Optionen,       oder lieber von zu Hause »online shoppen«?          Ich freue mich auf unser Wiedersehen beim
die wohlmöglich Besseres versprechen? Sind        Eine Vielzahl von Faktoren nehmen Einfluss          German Council Congress in Berlin!
es nicht zumeist Gefühle, die unsere Unsi-        auf die Entscheidung, aber die entsprechend
cherheit verstärken und eine spontane Ent-        interpretierte Antwort der Grinsekatze an bei-
scheidung hemmen? Oder kennen wir oft             de bleibt immer gleich – »…es kommt darauf          Herzlichst
schlichtweg unser Ziel nicht und probieren, ja    an, was und wohin Du möchtest.«
stolpern regelrecht durch unser Leben, durch
unsere Entscheidungen?                            Der Kunde will ein emotionales Erlebnis. Er
                                                  verlangt Wertschätzung und Service. Er will
Jeder kennt dieses Gefühl und wird bestäti-       Qualität und diese zu einem angemessenen,           Christine Hager
gen, dass es sich meistens eher »ungut« als       nachvollziehbaren Preis. Die Forderungen
»gut« anfühlt. Zum Glück kommen diese Ent-        und Wünsche sind bekannt und der Kunde
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . inhalt

intuition
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     GERMAN COUNCIL . INtUItION                                                                                                                                                                                                                                                                            GERMAN COUNCIL . INtUItION

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Das Warenhaus als Bauchgefühl

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          © Jens Gyarmaty
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Der Universalist lebt. Davon ist Karstadts ehemaliger Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Helmut
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Merkel überzeugt. Zumindest dort, wo viele Passanten sind und der Warenhausauftritt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Gespür fürs Ganze beweist.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Herr Merkel, 2006 legten Sie ihr Vorstandsman-     Warenhäuser verkauft, die Lebensmittelabtei-        Welche Rolle spielt das Bauchgefühl bei der Sa-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     dat bei der Arcandor AG (zuvor Karstadt Wa-        lungen in ein Joint-Venture mit Rewe einge-         nierung von Unternehmen?
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     renhaus AG, heute Signa-Holding) nieder. War       bracht, Bereiche outgesourct und ein Sanierung-     Helmut Merkel: Verlustsituationen sind immer
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     das eine Kopf- oder Bauchentscheidung?             starifvertrag mit den Gewerkschaften verhan-        von Hard Facts geleitet, also von der Ratio. Emo-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Helmut Merkel: Primär eine des Kopfs und          delt. 2005 gelang es uns, die Umsätze zu stabili-   tional ist der Ausblick. Der Glaube, dass es eine
                                GERMAN COUNCIL . INtUItION                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              GERMAN COUNCIL . INtUItION                                                                                   des Aufsichtsrates. Als ich 2003 das Mandat        sieren. Ab 2006 ging es wieder aufwärts. Weil es    Zukunft gibt und dass die Fähigkeiten aller Be-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     übernahm, hatte der Konzern eine extrem            das Jubiläumsjahr zum 125-jährigen Bestehen         teiligten die Situation zu einem Besseren wen-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     schwierige Phase. Nicht die Warenhäuser oder       war, stiegen die Gewinne sogar wieder kräftig.      den wird. Selbst habe ich immer ans Warenhaus
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     das Versandgeschäft, sondern thomas Cook                                                               geglaubt, wenn auch nicht an jedem Standort in

                                LogIk unD IntuItIon
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     verursachte damals Probleme. Mit dem An-           Trotz des Erfolgs stiegen Sie aus?                  Deutschland.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   © DenisTangneyJr – istockphoto.com
                                                                                                                                                                                                                                           mitunter solche Denkfehler, und zwar gar
                                                                                                                                                                                                                                           nicht so selten.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     schlag auf New Yorks Zwillingstürme im Sep-        Helmut Merkel: Ja, ich durfte mein Mandat
                                                                                                                                                                                                                                             Nächstes Beispiel:                                                                                                                                                                                                                                      tembers 2001 geriet das Reisegeschäft in einen     niederlegen. Die Entscheidung war im Sinne          An welche Standorte haben Sie geglaubt?
                                Die andere Seite der Vernunft                                                                                                                                                                              • Wenn Menschen logisch denken, dann sind
                                                                                                                                                                                                                                             sie rational.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     drastischen Sturzflug. Am Jahresende verlang-      des Aufsichtsrats. Der wollte von der Sanie-         Helmut Merkel: Wir untersuchten die Handels-
                                                                                                                                                                                                                                           • Menschen, die nicht logisch denken, sind                                                                                                                                                                                                                ten die Wirtschaftsprüfer eine Buchwertkorrek-     rungsstimmung wieder ins Normalgeschäft hin-        landschaft nach genauen Attributen. 60 Städte
                                                                                                                                                                                                                                             nicht rational.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     tur, was den Konzern in eine dramatische Schief-   übergleiten, was andere Managementkompe-            hatten die nötige Frequenz und Kaufkraft für eine
                                                                                                                                                                                                                                           »Man sollte eigentlich von den Rationa­                                                                                                                                                                                                                   lage brachte: In der 9-Mrd-DM-Bilanz stimmte       tenz erfordert. Persönlich war ich froh, die        Höherpositionierung. Doppelstädte mitgezählt er-
                                                                                                                                                                                                                                           litäten sprechen«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     keine Bankkennziffer mehr, die Geldhäuser ver-     furchtbar anstrengende Zeit hinter mir zu las-      gab das 89 Häuser plus vier Premium-Häuser.
                                                                                                                                                                                                                                           Wer logisch richtig denkt, erfüllt sicher ein                                                                                                                                                                                                             langten mehr Sicherheiten. Und zwar sofort.        sen. Der Break war meine Chance, in die Hei-
                                Lange Zeit galt Logik als höchster Maßstab für                                                                                                                                                             wichtiges Kriterium für Rationalität. Aber heißt
                                                                                                                                                                                                            © thelefty – istockphoto.com

                                Rationalität. Inzwischen aber beruhigen Psy-                                                                                                                                                               das auch, dass jemand irrational ist, wenn er
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Das damalige Management reagierte mit Kos-         matstadt meiner Frau, nach Hong Kong, über-         Bei damals ca. 300 Departmenstores gab es
                                chologen und Evolutionstheoretiker gleicher-                                                                                                                                                               nicht den ehernen Regeln der Logik folgt?                                                                                                                                                                                                                 tenkorrektur und Personalabbau. So begann          zusiedeln und unsere Kinder an dieser Kultur        demnach viele, für die wir keine Zukunft sahen.
                                maßen: Der Mensch denkt im besten Fall lo-
                                gisch und in Wahrscheinlichkeiten – aber dazu                                                                                                                                                              »Ich bin sehr davon überzeugt, dass es über-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     ein stetiger Umsatzabfall. In dieser Situation     partizipieren zu lassen. Für Arcandor habe ich      Bis 2006 gründeten wir 74 Kleinstadtfilialen er-
                                immer auch intuitiv. Manch einer, der sich eher                                                                                                                                                            haupt nicht die eine Norm gibt, mit der sich                                                                                                                                                                                                              übernahm ich 2003 den Vorsitz von Wolfgang         in Hong Kong noch den Verkauf der damals            folgreich aus und riefen die Premiumgruppen
                                auf sein Bauchgefühl verlässt, kommt damit                                                                                                                                                                 menschliches Denken beschreiben lässt oder
                                ziemlich gut durchs Leben.                                                                                                                                                                                 an der sich menschliches Denken messen las-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Urban. Was folgte, war eine Zeit der Restruktu-    konzerneigenen Sourcingorganisation an Li &         ins Leben. Zum Premiumstandort taugten nach
                                                                                                                                                                                                                                           sen muss. Ich glaube, man sollte eigentlich                                                                                                                                                                                                               rierung großen Stils: z.B. wurden die kleinen      Fung arrangiert und auch vollzogen.                 unserer damaligen Sicht vier Häuser: das KaDe-
                                                                                                                                                                                                                                           nicht von der Rationalität sprechen, sondern
                                Das fünfte Jahrhundert vor Christus: Am An-                                                                                                                                                                von den Rationalitäten.«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            We, das Alsterhaus Hamburg sowie Frankfurt
                                fang steht der »nous«. Mit ihm, erklärt Parme-                                                                                                                                                                                                                  Die Straße ist nass, also muss es zwangsläufig geregnet haben. Oder?                                                                                                                                                                                                                                        und Dresden. Hier stimmte die Frequenz der
                                nides, erkennt der Mensch das Wesen des                                                                                                                                                                    Markus Knauff, Psychologieprofessor an der
                                Seins.                                                                                                                                                                                                     Universität Gießen, will die alten Dogmen über-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Passanten, aber auch die der touristen. Deshalb

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          © ollo – istockphoto.com
                                                                                   Aristoteles entwickelte die Logik als ein eigenständiges System richtiger Schlüsse im 3. Jh. v. Chr.                                                    winden, die Rationalität allzu stark an die philo-   Gerhard Schurz, Professor für theoretische Phi-                  Umgebungen. Das ist das Kennzeichen der de-                                                                                                                                                                                                hatten sie das Zeug zur Destination. Patrice        Helmut Merkel in seinem Büro in der Firma Eurasia in Hong Kong
                                • Prämisse 1: Alle Menschen sind sterblich.                                                                                                                                                                sophische Logik binden: »Bisher war es so, dass      losophie an der Universität Düsseldorf, ein Spe-                 duktiven Logik, dass der Schluss mit Sicherheit,
                                • Prämisse 2: Parmenides ist ein Mensch.                                                                                                                                                                   die Philosophie definiert hat, was wir als ratio-    zialist für Logik, Evolutions- und Wissenschafts-                also in allen möglichen logischen Welten gül-                                                                                                                                                                                              Wagner, heute Präsident der Le Bon Marché
                                                                                   Denken und Logik gleichzusetzen. Intuition:                           • Wenn es regnet, dann ist die Straße nass.                                       nal betrachten wollen und die Psychologie hat        theorie: »Und jetzt muss man klar machen,                        tig ist. Diese Unterscheidung ist für den prakti-                                                                                                                                                                                          Gruppe, verantwortete damals die Premium-
                                Das dritte Jahrhundert vor Christus. Aristoteles   zur Nebensache degradiert.                                            • Die Straße ist nass.                                                            sich an diesem Sollwert dann orientiert und un-      aber im logischen Sinne ist er nicht gültig, weil                schen Menschen nicht immer wichtig, meis-
                                entwickelt die Logik als ein eigenständiges                                                                              • Ergo: Es hat geregnet.                                                          tersucht, wo Menschen von diesen Normen ab-          es ja sein könnte, dass die Prämissen wahr                       tens würde ich sogar sagen 'nicht wichtig' und                                                                                                                                                                                             sparte. trotz Sanierungskurs gelang es uns          Mich hat das Konzept begeistert. Ob Visual Mer-                  und Leistung. Aber statistisch gesehen verdient    auf Amazons transaktionsgeschehen erfreut
                                System richtiger Schlüsse.                         Die Gegenwart. Wir halten uns nicht an die Re-                                                                                                          weichen. Und die Idee unseres Schwerpunkt-           sind, dass also tatsächlich die Franzosen alle                   daher wird sie im Alltag auch nicht gemacht.«                                                                                                                                                                                              2004, Mittel für die Sanierung des KaDeWes und      chandising, Interieur oder Präsentation – alles                  kein Loyalitätsprogramm seinen Namen, weil sie     sich der Universalanbieter wirtschaftlich bester
                                                                                   geln der Logik, Wahrscheinlichkeitstheorie, ma-                       Es klingt irgendwie logisch, ist aber natürlich                                   programms ist, Psychologie und Philosophie zu        Weintrinker sind, aber von Gourmet und deli-
                                • Schlussfolgerung: Parmenides ist sterblich.      thematischen Entscheidungstheorie und so wei-                         falsch. Denn Wenn-Dann-Aussagen kann man                                          verbinden, weil die Beobachtung ja auch ist,         kater Nahrungszubereitung nichts verstehen.                      Rationales Verhalten besteht aus drei unter-                                                                                                                                                                                               Alsterhauses loszueisen. Ihr Upgrade war in der     ist erste Sahne. Wer heute mit dem Handelsfor-                   nicht funktionieren. Sie sind Datensammelsyste-    Gesundheit. Und auch Otto bewies einen lan-
                                                                                   ter. Kehren wir zu einer ganzheitlicheren Sicht                       nicht so ohne Weiteres umkehren. Es könnte                                        dass Menschen, selbst wenn sie von manchen           Das ist nicht in unserer, sondern in einer lo-                   schiedlichen Denkweisen                                                                                                                                                                                                                    Krise ein wichtiges Signal. Für die 89 Großstadt-   mat Warenhaus überleben will, muss auf allen                     me mit Bonusfunktion für alle, die öfter als die   gen Atem.
                                Das 19. Jahrhundert. Logik wird mathemati-         menschlichen Denkens zurück? Markus Knauff:                           schließlich sein, dass die Straße nass ist, weil                                  Normen, die aus der Philosophie kommen, ab-          gisch möglichen Welt der Fall, und die logische
                                siert und zum umfassenden Konzept formalen         »Und die Frage ist, wie können wir das erklären,                      die Straßenreinigung unterwegs war. Aber es                                       weichen, im Leben durchaus gut zurechtkom-           Gültigkeit soll ja nicht nur in unserer faktischen               Warum sollte man sich die Mühe machen, abs-                                                                                                                                                                                                häuser fehlten uns die Ressourcen zur Moderni-      Dimensionen für Erstklassigkeit sorgen.                          anderen kommen.
                                Denkens ausgebaut. Man beginnt, rationales         warum tun wir das?«                                                   lässt sich nicht leugnen: Menschen machen                                         men und auch vernünftige Entscheidungen              Umgebung gelten, sondern in allen möglichen                      trakte Schlussregeln einzuhalten, wenn man                                                                                                                                                                                                 sierung. In jedes Haus nur eine Mio. Euro ge-                                                                                                                           Ist also Vielfalt immer noch der größte Mehr-
                                                                                                                                                                                                                                           treffen.«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            steckt, hätte eine Gesamtinvestition von knapp      Demnach entwickeln deutsche Warenhäuser                          Früher zog das Universelle Menschen ins Kauf-      wert des Warenhauses?
                                                                                                                                                                                                            © Mathias Sonne

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   © Ridofranz – istockphoto.com
                                                                                                                                                                                                                                           Seit dem Jahr 2011 versucht ein Schwerpunkt-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     100 Mio. Euro bedeutet, aber fast nix bewirkt.      wieder ein Gespür für ihre Kunden?                               haus. Warum kommen Kunden heute?                   Helmut Merkel: Der Mehrwert des Warenhau-
                                                                                                                                                                                                                                           programm der Deutschen Forschungsgemein-
                                                                                                                                                                                                                                           schaft zwei Fragen zusammenbringen. Knauff                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Helmut Merkel: Egal, wie exakt das Gespür des                    Helmut Merkel: Dass der Universalanbieter tot     ses ist das Warenhaus selbst. Stimmt die Atmo-
                                                                                                                                                                                                                                           ist der Sprecher: »Die zwei Fragen lauten: Wie                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Wann waren Sie zuletzt in einem Kaufhaus?           Händlers ist, ein Garant, dass Konsumenten bei                   ist, ist eine Behauptung, mit der Medien schon     sphäre nicht, wird auch alles andere nichts hel-
                                                                                                                                                                                                                                           sollen wir denken? Und wie denken wir wirk-
                                                                                                                                                                                                                                           lich?«                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Helmut Merkel: Letzten Monat in toronto. Ich        ihm kaufen, ist es nicht. In Modegeschäften                      zu meiner Zeit die Karstadt-Krise zu begründen     fen. Pionieren wie Le Bon Marché und Wert-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            wollte mir Hudson Bays neugegründetes Saks          liegt die durchschnittliche Besuchshäufigkeit                    versuchten. Auch Otto, Quelle und Neckermann       heim wollten faszinieren. Heute, nach mehr als
                                                                                                                                                                                                                                           • Alle Franzosen sind Weintrinker.
                                                                                                                                                                                                                                           • Einige Weintrinker sind Gourmets.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              of Fifth Avenue anschauen. Ableger des New          bei 18 Mal pro Jahr, in Schuhläden sind es vier-                 versuchte man so totzureden. Doch der Lauf der     150 Jahren Konsumgesellschaft, sind die Kun-
                                                                                                                                                                                                                                           • Also gilt: Einige Franzosen sind Gourmets.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Yorker Luxusoutlets gibt es seit Juni auch in den   mal. Am loyalsten sind Lebensmittelkäufer. Die                   Geschichte beweist: Nicht der Universalanbieter    den abgestumpft. Sie wollen nicht ständig faszi-
                                                                                                                                                                                                                                           »Ein typisches Beispiel, womit sich der Logik-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   einstigen Kaufhoffilialen Düsseldorf und Frank-     Filialen werden bis zu 150 Mal aufgesucht. Das                   hat sich überlebt, sondern ein bestimmtes Ge-      niert werden, schon gar nicht bei täglichen Be-
                                                                                                                                                                                                                                           lehrer auch in seinen Veranstaltungen herum-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            furt. Der in Stuttgart ist in der Entwicklung.      spricht für eine gewisse Zufriedenheit mit Preis                 schäftsmodell des Universalanbieters. Mit Blick    sorgungen. Deshalb funktioniert das Kaufhaus
                                                                                                                                                                                                                                           schlägt. Wir wissen, die Prämissen sind wahr,
                                                                                                                                                                                                                                           wir wissen, die Konklusion ist wahr, also scheint
                                                                                                                                                                                                                                           uns der Schluss plausibel.«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        GCM 3 / 2017                                                                                                                                                                                                                                                                                                GCM 3 / 2017   
                                Dr. Martin Hubert                                  Univ.-Prof. Dr. Gerhard Schurz                                        Prof. Dr. Markus Knauff                                                                                                                Typische Franzosen: Weintrinker und Feinschmecker

                                   GCM 3 / 2017                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    GCM 3 / 2017   

                              4 Logik und Intuition                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     18 Das Warenhaus als Bauchgefühl

                                                     german council                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            intuition
                              01 Vorwort                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 04                                    Logik und Intuition
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         16                                    Think digital, act analog
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         18                                    Das Warenhaus als Bauchgefühl
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         22                                    Match bei »weiblicher« Intuition
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        		                                     und »männlicher« Ratio
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         24                                    Können Projektentwicklerinnen mit
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        		                                     weiblicher Intuition besonders punkten?

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               vor ort
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         28                                    Deutsches Shopping-Center Forum 2017:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        		                                     Politisch, digital und kulinarisch
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         32                                    Interaktive Ausstellung »Deine Stadt,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        		                                     Dein Marktplatz, Dein Shopping Center«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         34                                    Tag der Immobilienwirtschaft 2017
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         38                                    Zweite D-A-CH Konferenz in Stuttgart
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         41                                    German Council Congress 2017:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        		                                     Programm, Referenten und Anmeldung

impressum

herausgeber                   redaktionsteam                                                                                                                                                                                               bezug                                                                                                                                                                                                                        verlag                                                                                                                                    druck                                                                                                                 Nach­­druck oder sonstige Re­pro­
German Council of             Tobias Appelt,                                                                                                                                                                                               Mitglieder des GCSC e. V.                                                                                                                                                                                                    GCM-Verlag c/o                                                                                                                            Kunst- und Werbedruck,                                                                                                duktion (auch aus­zugsweise)
Shopping Centers e. V.        David Huth,                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Behrens und Behrens GmbH                                                                                                                  Bad Oeynhausen                                                                                                        nur mit Ge­neh­mi­gung des
Bahnhofstraße 29              Susanne Müller,                                                                                                                                                                                              verbreitung                                                                                                                                                                                                                  Geschäftsführer und                                                                                                                                                                                                                                             He­raus­­gebers.
D-71638 Ludwigsburg           Thorsten Müller                                                                                                                                                                                              Das German Council                                                                                                                                                                                                           Verleger: Ingmar Behrens                                                                                                                  Das German Council Magazin
Telefon 07141.38 80 83        Steffen Uttich,                                                                                                                                                                                              Magazin hat eine Reichweite                                                                                                                                                                                                  Dorfstraße 64                                                                                                                             ba­siert auf In­for­mationen, die                                                                                     Mediadaten und weitere
Telefax 07141.38 80 84        Rahel Willhardt                                                                                                                                                                                              von rund 20.000 Lesern (inkl.                                                                                                                                                                                                24107 Kiel-Ottendorf                                                                                                                      wir als zuverlässig ansehen,                                                                                          Informationen finden Sie
office@gcsc.de                                                                                                                                                                                                                             Onlineversion).                                                                                                                                                                                                              Telefon: 0431.66 111 88 11                                                                                                                eine Haftung kann nicht                                                                                               unter www.gcsc-magazin.de.
www.gcsc.de                   gastbeitrge                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Telefax: 0431.66 111 88 88                                                                                                                über­­­nommen werden. Na­ment­
                              Wolfgang Gruschwitz,                                                                                                                                                                                         Covermotiv                                                                                                                                                                                                                   www.behrensundbehrens.de                                                                                                                  lich gekennzeichnete Bei­träge                                                                                        erscheinungsdatum
beauftragter des              Dr. Martin Hubert,                                                                                                                                                                                           Strichpunkt Design, Stuttgart                                                                                                                                                                                                www.gcsc-magazin.de                                                                                                                       müssen nicht die Meinung der                                                                                          dieser ausgabe:
herausgebers                  Denny Vorbrücken                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Redaktion widerspiegeln. Die                                                                                          Juli 2017
Rüdiger Pleus                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Redaktion behält sich die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Kürzung ein­gesandter                                                                                                 das nchste german
chefredaktion                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Ma­nus­kripte vor. Er­füll­ungs­ort                                                                                   council magazin
Ingmar Behrens (v.i.S.d.P.)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       und Ge­­richts­­stand ist Hamburg.                                                                                    erscheint im oktober 2017

   GCM 3 / 2017
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
german council . inhalt

                     GERMAN COUNCIL . vOR ORt                                                                                                                                                                                                                                                                                GERMAN COUNCIL . vOR ORt

                     DEuTSCHES SHoPPING-CENTER FoRuM 2017:                                                                                                                      längst geschehen, ironischerweise zum Mitar-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            © Axel Schulten
                                                                                                                                                                                beiter des Monats gewählt würde, spricht das

                     PolITISCH, DIGITAl uND KulINARISCH
                                                                                                                                                                                Bände.« SPD-Mann Hübner fände es gut,
                                                                                                                                                                                wenn die Kommunen stärker eingebunden
                                                                                                                                                                                würden. »Wir wollen bald den Stadtverwal-
                                                                                                                                                                                tungen einen Leitfaden für den Umgang mit
                     Das Deutsche Shopping-Center Forum (DSCF) beleuchtet zum vierten Mal Handel, Immobilien                                                                    dem thema der Sonntagsöffnungen an die
                     und einen sich wandelnden Markt: Eine Analyse, was die Branche bewegt                                                                                      Hand geben. Ich halte das für eine sinnvolle
                                                                                                                                                                                Maßnahme.«

                                                                                                                                                                                vorschläge, die für viele Mode-Händler bereits
                                                                                                                                                                                zu spät sein dürften. vor drei Jahren waren die
                                                                                                                                                                                vertreter der großen textil-Filialisten nahezu
                     Mehr als 30 Vorträge, Diskussionsrunden,          zeitparkzonen, beschleunigte Planungsprozes-         wicklung und Bauwirtschaft der Universität          omnipräsent beim DSCF. Dieses Mal hatte das
                     Foren und Präsentation, rund 380 Vertreter        se sowie ein Ende der starren Begrenzung von         Leipzig) moderierten Politikerrunde, in der das     thema Mode seinen großen Auftritt vor allem
                     aus Immobilienwirtschaft und Einzelhandel         Öffnungszeit, Sortiment und verkaufsflächen.         thema »Fairness zwischen Online und Offline«        bei der Diskussionsrunde mit dem GCSC think-
                     und zwei Tage Netzwerken: Das war die                                                                  und vor allem die derzeit medial stark fokussier-   tank, bei dem es um die Frage ging »Insolven-
                     vierte Auflage des Deutschen Shopping-Cen-        Dialog mit der Politik                               ten Ladenöffnungen am Sonntag im Blickpunkt         zen im deutschen Einzelhandel – wie schlimm
                     ter Forums (DSCF) vom EHI Retail Institute                                                             standen.                                            ist es wirklich?«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 GERMAN COUNCIL . POLItIsChE ARbEIt                                                                                                                                                                                                                                                                    GERMAN COUNCIL . POLItIsChE ARbEIt

                     und German Council of Shopping Centers            Es geht der Handelsimmobilien-Welt darum,
                     (GCSC) im Bonner Grand Hotel Kameha.              mit der Politik stärker in einen Dialog zu treten,   Samstagabend statt am Sonntag                       An ihre Stelle traten Lebensmittelhändler und
                                                                       um vor allem die stationären Geschäfte zu stär-      geffnet                                            Gastronomie. Kaufland, Rewe und Netto stel-
                                                                       ken, die immer mehr unter Druck durch den                                                                len ihre Konzepte und Expansionspläne vor.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Zukunft Des HAnDels In Der stADt

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               © Axel Schulten
                     Der Markt verändert sich – und das radikal. Die   eCommerce geraten. So passte es ins Bild, dass       Florian Braun von der Jungen Union surft gern       vapiano präsentierte seinen Franchise-Ansatz.
                     Unternehmen reagieren darauf. Was das kon-        zu Beginn des DSCF erstmals vertreter von FDP,       im Internet und kauft dort auch ein, aber er        Stefan Kutscheid von FACO Immobilien erklär-                                                                                                                                                                     GCsC und ZIA veröffentlichen gemeinsames Positionspapier
                     kret bedeutet, das lässt sich am DSCF ablesen.    CDU und SPD aus Nordrhein-Westfalen über die         hält es für wichtig, »auch den stationären Han-     te, warum er bei dem geplanten Shopping
                     Noch nie war dieses Event so politisch wie        Zukunft des Handels und die Rolle der Politik        del zu schützen, der allerdings noch mehr in        Center in Bitburg, der Bit-Galerie, eine große
                     2017. Christine Hager, vorstand des GCSC, for-    dabei diskutierten – alles kurz vor der Landtags-    Puncto Beratung tun müsse«. Eigentlich könn-        Freifläche vor dem Objekt für einen klassi-
                     derte direkt zur Begrüßung eine bundesweite       wahl in Deutschlands bevölkerungsreichsten           ten viele Aktionen doch am Samstagabend             schen Markt anstatt nur für parkende Autos
                     Regelung zu verkaufsoffenen Sonntagen. Am         Bundesland.                                          statt am Sonntag stattfinden, meinte er. Er plä-    nutzen will.
                     zweiten tag des DSCF unterschrieb sie dann                                                             diert für eine bürokratiefreie Lösung und für                                                         Christine Hager und Marco Atzberger begrüßen in launiger Atmosphäre am Morgen die Gäste
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 German Council of shopping Centers             erfasst und entsprechende Positionen for-        werden können, dass die Verschneidung der
                     mit Iris Schöberl, vorsitzende des ZIA-Aus-       »Also wir zuhause gehen grundsätzlich nicht          Rechtssicherheit.                                   Fooddestination statt Foodcourt                                                                                                                                                                                  (GCsC) und der ZIA Zentraler Immobilien        muliert. »Der Handel hat die Innovations-        Vertriebswege reibungslos funktioniere und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Ausschuss e.V. haben im rahmen des Deut-       kraft, um seine verantwortungsvollen Auf-        Kunden alle Möglichkeit zum Erwerb seiner
                     schusses Handel & Kommunales, ein gemein-         online shoppen«, sagt Michael Hübner, Mit-                                                                                                                                                                                                                                                                                schen shopping-Center forums in Bonn vor       gaben auch in einem sich schnell verän-          Waren (on- und offline) geboten bekämen.
                     sames Positionspapier der beiden Spitzenver-      glied der SPD-Landtagsfraktion in NRW, in der        Henning Höne von der FDP fordert mehr ver-          Jonathan Doughty, JLL Foodservice Consulting,     »letzte Meile« diskutiert wurden. Denn wäh-                                                                                                                    rund 380 fachbesuchern ein gemeinsames         dernden Marktumfeld zu erfüllen. Wir for-        Dazu braucht es laut ZIA und GCsC jedoch
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Positionspapier zur Zukunft des Handels in     dern weder subventionierung noch beson-          eine passende Infrastruktur. »Insbesondere
                     bände. Gefordert werden beispielsweise Kurz-      von Prof. Johannes Ringel (Institut für Stadtent-    antwortung vor Ort. »Wenn verdi, wie un-            sprach davon, dass die Center-Branche endlich     rend der Einzelhandel häufig lediglich darüber                                                                                                                 der stadt unterzeichnet. Die beiden spit-      deren schutz, sondern vielmehr Wettbe-           der innerstädtische handel ist auf kurze Wege
                                                                                                                                                                                wegkomme müsse von den alten Foodcourts.          spricht, beschäftigen sich die großen Player                                                         man niemals
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 zenverbände fordern, dem stationären ein-      werbsgerechtigkeit«, erklärt Iris schöberl,      und eine schnelle Erreichbarkeit angewiesen.

                                                                                                                                                                                An ihre Stelle sollen Angebote treten, bei de-    wie Amazon längst mit Drohnen und Robotern,                                         »Probleme kann                                                             zelhandel mehr flexibilität als bisher zuzu-   Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Handel &         Dafür ist es wichtig, eine intensive Diskussion
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Denkweise lösen,                                           gestehen, um im Wettbewerb mit dem On-         kommunales.                                      über ausreichend kostenfreie Kurzzeitparkzo-
                                                                                                                                                                                nen die Besucher kulinarische Genüsse erle-       die Pakete ausliefern, oder die Zustellung an                                      mit der gleichen                                                            line-Handel faire Chancen zu haben. »er-                                                        nen sowie angemessene stellplatzablösebei-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    entstanden sind.«
   © Axel Schulten

                                                                                                                                                                                ben können, die Emotionen wecken. »Die Fra-       den Aufenthaltsort des Smartphones.                                                 durch die sie                                                              folgreicher Handel stärkt unsere städte und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 ist entscheidend für die nachhaltige lebens-   Auf dem Weg zum Omnichannel-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 träge zu führen. Wir dürfen nicht zulassen,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 dass sich eine zentrale Lage einer handelsflä-
                                                                                                                                                                                ge ist nicht, ob man etwas anbietet, sondern                                                                                                                                                                     qualität der Bürger. Der stationäre einzel-    handel                                           che unnötig preistreibend zulasten des Käu-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Albert Einstein
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 handel nimmt den Wettbewerb mit dem                                                             fers auswirkt«, ergänzt hager.
                                                                                                                                                                                was«, sagt Doughty. Gelungene Beispiele sei-                                                                                                                                                                     Online-Handel gern an, nur braucht er da-      »Der stationäre handel ist nicht mehr nur ana-
                                                                                                                                                                                en aus seiner Sicht die Unibail Dining Experi-                                                                                                                                                                   für gleiche Voraussetzungen«, meint Chri-      log«, erklärt hager. »Zukunftsfähige Einzel-     Auch im Planungsrecht finden sich stolperstei-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 stine Hager, Vorstand des GCsC. um das         händler beherrschen schon längst den Omni-       ne. »Die Entwicklung, Erweiterung und Mo-
                                                                                                                                                                                ence oder Foodtopia in Frankfurt. »Fabelhaf-      Ein Beitrag von                                                                                                                                                umfeld zu verbessern, haben ZIA und            channel-handel.« stationäre Verkaufsflächen      dernisierung von Einzelhandelsflächen ist ak-
                                                                                                                                                                                tes Essen und Drinks« seien unersetzlich, um      David Huth,                                                                                                                                                    GCsC deshalb neun schwerpunktthemen            müssten deshalb so gemanagt und betrieben        tuell ein mehrjähriger, komplexer und sehr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 aufwendiger Prozess. Die dafür benötigten
                                                                                                                                                                                eine »Fooddestination« zu schaffen, die Kun-      Redaktionsbüro Appelt & Huth                                                                                                                                                                                                                                   Planungs- und Genehmigungsprozesse durch          Iris Schöberl, Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Handel & Kommunales und GCSC-Vorstand Christine Hager nach der Unterzeichnung des Positionspapiers

                                                                                                                                                                                den dauerhaft anzieht. Hier müsse die Branche                                                                                                                                                                                                                                                                    die beteiligten behörden und Institutionen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               © Axel Schulten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         »Unter Intuition                                                                                                                                                                        müssen vor dem hintergrund des schnellen
                                                                                                                                                                                laut Jonathan Doughty noch ihre Hausaufga-                                                                                                 versteht man                                                                                                                                                          Wandels unserer städte zwingend beschleu-         stimmung unter anderem mit handelsverbän-                      mit auf Dauer wettbewerbsfähige Verkaufsflä-                    Ein Beitrag der Redaktion
                                                                                                                                                                                ben machen.                                                                                                               die Fähigkeit gewisser                                                                                                                                                                 nigt werden«, erklärt hager. Zudem sei eine       den regelmäßig fortgeschrieben und idealer-                    chen zugebilligt werden. Auch die Regulierung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Leute,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         eine Lage in Sekunden                                                                                                                                                                   kritische und konstruktive Überprüfung der        weise im Abstand von zwei Jahren überprüft                     der Öffnungszeiten sei laut ZIA und GCsC längst
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                schnelle                                                                                                                                                         gesetzlichen Regulierungen zugunsten einer        werden.                                                        nicht mehr auf dem neuesten stand. »Die beste-
                                                                                                                                                                                Nachholbedarf scheint die Branche auch beim                                                                                  falsch zu beurteilen                                                                                                                                                                zeitgemäßen und sinnvollen Vereinfachung                                                                         hende Gesetzgebung entspricht nicht mehr den
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  .«                                                                                                                                                             der städtischen handelsplanung unerlässlich.      bestehende Verkaufsflächenbegrenzungen sind                    heutigen Einkaufswünschen. Wir müssen die
                                                                                                                                                                                thema Digitalisierung zu haben: »Große teile                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       ebenfalls ein hinderungsgrund für die Weiter-                  Möglichkeit bekommen, auch dem sonntags-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Friedrich Dürrenmatt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  »Jedes Anlehnen
                                                                                                                                                                                sind in einem unfassbaren Dornröschen-                                                                                                                                                                                                                                                                           Deregulierung statt                               entwicklung des stationären handels. »Filialis-                einkaufswunsch der bürger gerecht zu werden.                                                        , an wen oder
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 auch immer,                         was
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Sortimentsbeschrnkung                            ten müssen konstant sortimente erweitern, mo-                  bislang ist das nahezu unmöglich«, ergänzt                                                   führt zu nichts.
                                                                                                                                                                                schlaf«, kritisierte etwa Dr. Kersten Rosenau,                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     derne Warendarstellungen bieten und barriere-                  schöberl.                                                                       die eigene,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              persönliche
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Wichtig ist
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Intuition, die
                                                                                                                                                                                First Christmas by ROSENAU GmbH. Er geht                                                                                                                                                                                                                                                                         Darüber hinaus sind die starren Öffnungszeit-,    freie Zugänge ermöglichen. Das ist mit den star-                                                                                                      Arbeit an sich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         selbst.«
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 sortiments- und Verkaufsflächenbegrenzun-         ren Verkaufsflächengrößen kaum mehr mög-                       Das vollständige Positionspapier von GCsC
                                                                                                                                                                                davon aus, dass »verödete Innenstädte« nicht                                                                                                                                                                                                                                                                     gen ein wichtiger Nachteil des stationären        lich«, sagt schöberl. Aus diesem Grund müssten                 und ZIA zur Zukunft des handels in der stadt                                              Chögyam
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Trungpa

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 handels gegenüber dem eCommerce. »beste-          händlern im Rahmen der bauleitplanung flexib-                  finden sie auf der GCsC-Website unter: www.
                                                                                                                                                                                nur ein Schreckensszenario sind, sondern kurz
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 hende sortimentsbeschränkungen sind häufig        lere, maßstäbliche, im Einzelfall größere und da-              gcsc.de/de/aktivitaeten/politische-arbeit.html
                                                                                                                                                                                oder lang Realität werden. Fest machte er das     Das nächste Deutsche Shopping-Center Forum                                                                                                                                                                                                                     in die Jahre gekommen. Dabei ist eine zeitge-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 mäße Ausgestaltung der sortimentsvielfalt für
                                                                                                                                                                                unter anderem an themen, die beim DSCF            findet am 15. und 16. Mai 2018 in Düsseldorf
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Innenstädte essenziell wichtig – gerade in ei-
                                                                                                                                                                                2017 im Forum Marketing unter dem titel           statt. www.dscf.de                                                                                                                                                                                                                                             ner solch schnelllebigen Zeit«, meint schö-         Der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss ist die                zur Verbesserung des wirtschaftlichen, rechtlichen, steu-      Unternehmen der Branche. Der German Council of
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 berl. Die Listen der innenstadtrelevanten sor-      ordnungs- und wirtschaftspolitische Interessenvertre-         erlichen und politischen Umfelds der Immobilienwirt-           Shopping Centers e. V. ist aktives Mitglied des ZIA.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 timente sollten deshalb in Zusammenhang             tung der gesamten Immobilienwirtschaft. Er fördert            schaft. Zusammen mit seinen Mitgliedern, darunter
                        GCM 3 / 2017                                                                                                                                                                                                                                                                                                  GCM 3 / 2017                                                                                                                                           mit den Einzelhandelskonzepten und in Ab-           und begleitet geeignete Maßnahmen zum Erhalt und              mehr als 20 Verbände, spricht der ZIA für rund 37.000          http://www.zia-deutschland.de

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    GCM 3 / 2017                                                                                                                                                                                                                                                                                                         GCM 3 / 2017   

28 Deutsches Shopping-Center Forum 2017: Politisch, digital und kulinarisch                                                                                                                                                                                                                                                                                                   72 Zukunft des Handels in der Stadt

                                         intuition                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               news
  56 Kommentar: Kopf oder Bauch? Beides bitte!                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            74 Aktuelle Kurznachrichten

                                         expertennews                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            marktplatz – advertorial
 58 Aus der Branche für die Branche:                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      78 Sonae Sierra
		 Weibliche Intuition und Karriere                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       80 Agentur Randolph Hopp

                                         insight                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 mitglieder
  62                                     Der Blick hinter die Kulissen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    81 Mitgliederliste
  64                                     GCSC stellt sich vor                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             84 Neue Mitglieder
  66                                     So oder so – Sicherheit hat ihren Preis                                                                                                                                                                                                                                                                                                          85 Aufnahmeantrag
  70                                     Die Sinnhaftigkeit der Videoüberwachung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          87 In eigener Sache
                                         politische arbeit
  72 Zukunft des Handels in der Stadt

                                                                                                                                                                                                                                                                     ›Der Verstand spielt auf dem Weg der Entdeckung nur eine
                                                                                                                                                                                                                                                                untergeordnete Rolle. Es findet ein Sprung im Bewusstsein statt,
                                                                                                                                                                                                                                                                   nennen Sie es Intuition oder was Sie wollen, und die Lösung
                                                                                                                                                                                                                                                                        kommt zu Ihnen und Sie wissen nicht wie und warum.‹
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Albert Einstein (1879 – 1955), theoretischer Physiker

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          GCM 3 / 2017   
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Intuition

Logik und Intuition
Die andere Seite der Vernunft

Lange Zeit galt Logik als höchster Maßstab für

                                                                                                                                                                            © thelefty – istockphoto.com
Rationalität. Inzwischen aber beruhigen Psy-
chologen und Evolutionstheoretiker gleicher-
maßen: Der Mensch denkt im besten Fall lo-
gisch und in Wahrscheinlichkeiten – aber dazu
immer auch intuitiv. Manch einer, der sich eher
auf sein Bauchgefühl verlässt, kommt damit
ziemlich gut durchs Leben.

Das fünfte Jahrhundert vor Christus: Am An-
fang steht der »nous«. Mit ihm, erklärt Parme-
nides, erkennt der Mensch das Wesen des
Seins.
                                                   Aristoteles entwickelte die Logik als ein eigenständiges System richtiger Schlüsse im 3. Jh. v. Chr.
• Prämisse 1: Alle Menschen sind sterblich.
• Prämisse 2: Parmenides ist ein Mensch.
                                                   Denken und Logik gleichzusetzen. Intuition:                           • Wenn es regnet, dann ist die Straße nass.
Das dritte Jahrhundert vor Christus. Aristoteles   zur Nebensache degradiert.                                            • Die Straße ist nass.
entwickelt die Logik als ein eigenständiges                                                                              • Ergo: Es hat geregnet.
System richtiger Schlüsse.                         Die Gegenwart. Wir halten uns nicht an die Re-
                                                   geln der Logik, Wahrscheinlichkeitstheorie, ma-                       Es klingt irgendwie logisch, ist aber natürlich
• Schlussfolgerung: Parmenides ist sterblich.      thematischen Entscheidungstheorie und so wei-                         falsch. Denn Wenn-Dann-Aussagen kann man
                                                   ter. Kehren wir zu einer ganzheitlicheren Sicht                       nicht so ohne Weiteres umkehren. Es könnte
Das 19. Jahrhundert. Logik wird mathemati-         menschlichen Denkens zurück? Markus Knauff:                           schließlich sein, dass die Straße nass ist, weil
siert und zum umfassenden Konzept formalen         »Und die Frage ist, wie können wir das erklären,                      die Straßenreinigung unterwegs war. Aber es
Denkens ausgebaut. Man beginnt, rationales         warum tun wir das?«                                                   lässt sich nicht leugnen: Menschen machen

                                                                                                                                                                            © Mathias Sonne

Dr. Martin Hubert                                  Univ.-Prof. Dr. Gerhard Schurz                                        Prof. Dr. Markus Knauff

   GCM 3 / 2017
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Intuition

                                                                                                                                                                                        © DenisTangneyJr – istockphoto.com
mitunter solche Denkfehler, und zwar gar
nicht so selten.

  Nächstes Beispiel:
• Wenn Menschen logisch denken, dann sind
  sie rational.
• Menschen, die nicht logisch denken, sind
  nicht rational.

»Man sollte eigentlich von den Rationa­
litäten sprechen«

Wer logisch richtig denkt, erfüllt sicher ein
wichtiges Kriterium für Rationalität. Aber heißt
das auch, dass jemand irrational ist, wenn er
nicht den ehernen Regeln der Logik folgt?

»Ich bin sehr davon überzeugt, dass es über-
haupt nicht die eine Norm gibt, mit der sich
menschliches Denken beschreiben lässt oder
an der sich menschliches Denken messen las-
sen muss. Ich glaube, man sollte eigentlich
nicht von der Rationalität sprechen, sondern
von den Rationalitäten.«
                                                     Die Straße ist nass, also muss es zwangsläufig geregnet haben. Oder?
Markus Knauff, Psychologieprofessor an der
Universität Gießen, will die alten Dogmen über-
winden, die Rationalität allzu stark an die philo-   Gerhard Schurz, Professor für Theoretische Phi-                  Umgebungen. Das ist das Kennzeichen der de-
sophische Logik binden: »Bisher war es so, dass      losophie an der Universität Düsseldorf, ein Spe-                 duktiven Logik, dass der Schluss mit Sicherheit,
die Philosophie definiert hat, was wir als ratio-    zialist für Logik, Evolutions- und Wissenschafts-                also in allen möglichen logischen Welten gül-
nal betrachten wollen und die Psychologie hat        theorie: »Und jetzt muss man klar machen,                        tig ist. Diese Unterscheidung ist für den prakti-
sich an diesem Sollwert dann orientiert und un-      aber im logischen Sinne ist er nicht gültig, weil                schen Menschen nicht immer wichtig, meis-
tersucht, wo Menschen von diesen Normen ab-          es ja sein könnte, dass die Prämissen wahr                       tens würde ich sogar sagen 'nicht wichtig' und
weichen. Und die Idee unseres Schwerpunkt-           sind, dass also tatsächlich die Franzosen alle                   daher wird sie im Alltag auch nicht gemacht.«
programms ist, Psychologie und Philosophie zu        Weintrinker sind, aber von Gourmet und deli-
verbinden, weil die Beobachtung ja auch ist,         kater Nahrungszubereitung nichts verstehen.                      Rationales Verhalten besteht aus drei unter­
dass Menschen, selbst wenn sie von manchen           Das ist nicht in unserer, sondern in einer lo-                   schiedlichen Denkweisen
Normen, die aus der Philosophie kommen, ab-          gisch möglichen Welt der Fall, und die logische
weichen, im Leben durchaus gut zurechtkom-           Gültigkeit soll ja nicht nur in unserer faktischen               Warum sollte man sich die Mühe machen, abs-
men und auch vernünftige Entscheidungen              Umgebung gelten, sondern in allen möglichen                      trakte Schlussregeln einzuhalten, wenn man
treffen.«
                                                                                                                                                                        © Ridofranz – istockphoto.com
Seit dem Jahr 2011 versucht ein Schwerpunkt-
programm der Deutschen Forschungsgemein-
schaft zwei Fragen zusammenbringen. Knauff
ist der Sprecher: »Die zwei Fragen lauten: Wie
sollen wir denken? Und wie denken wir wirk-
lich?«

• Alle Franzosen sind Weintrinker.
• Einige Weintrinker sind Gourmets.
• Also gilt: Einige Franzosen sind Gourmets.

»Ein typisches Beispiel, womit sich der Logik-
lehrer auch in seinen Veranstaltungen herum-
schlägt. Wir wissen, die Prämissen sind wahr,
wir wissen, die Konklusion ist wahr, also scheint
uns der Schluss plausibel.«
                                                     Typische Franzosen: Weintrinker und Feinschmecker

                                                                                                                                                         GCM 3 / 2017   
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Intuition
© Windzepher – istockphoto.com

                                                                                                                                                   theoretiker davon aus, dass es aus sozialen Mo-
                                                                                                                                                   tiven geschah: »Man stelle sich vor, in der alten
                                                                                                                                                   Steinzeit, eine Gruppe von vielleicht bis zu 100
                                                                                                                                                   Menschen, die gemeinsam jagen, die gemein-
                                                                                                                                                   sam ihr Futter, also ihre erlegte Beute aufteilen.
                                                                                                                                                   Da muss es unbedingt nach sozialen Regeln zu-
                                                                                                                                                   gehen und es zeigt sich, dass wenn es um die
                                                                                                                                                   Aufdeckung von Regelbrechung geht, die Men-
                                                                                                                                                   schen plötzlich gewisse logische Schlüsse per-
                                                                                                                                                   fekt beherrschen, die sie in anderen Kontexten
                                                                                                                                                   nicht beherrschen, sondern ständig Fehler be-
                                                                                                                                                   gehen.«

                                                                                                                                                   Abstrakte Logik versus Logik in sozialen
                                                                                                                                                   Situationen

                                                                                                                                                   Der berühmte Wason-Kartentest. Versuchen
                                                                                                                                                   Sie erst gar nicht, ihn zu bestehen.

                                                                                                                                                   Es soll die Regel gelten: Wenn auf der Vorder-
                                                                                                                                                   seite einer Karte ein »A« steht, dann steht auf
                                                                                                                                                   der Rückseite eine »Eins«. Vor ihnen liegen vier
                                                                                                                                                   Karten. Bei zwei von ihnen sehen sie die Vor-
                                                                                                                                                   derseite, bei den zwei anderen die Rückseite.
                                 Schimpansen können mittels Logik ermitteln, in welcher Waagschale sich die Banane befindet                        Auf der Vorderseite einer Karte steht ein »A«,
                                                                                                                                                   auf der zweiten ein »B«. Auf der Rückseite der
                                                                                                                                                   dritten Karte steht eine »Eins«, auf der Rücksei-
                                 doch einfach weiß, dass einige Franzosen Gour-                  • Die Straße ist nass, also hat es geregnet.      te der vierten eine »Zwei«. Welche Karte müs-
                                 mets sind? Auch der Blick in das Gehirn zeigt:                                                                    sen sie umdrehen, um zu überprüfen, ob die
                                 Denkprozesse inhaltlicher Art sind dem logi-                    Diese Schlüsse können mit der Logik und den       Regel gilt?
                                 schen Denken keineswegs untergeordnet, son-                     Normen der Wahrscheinlichkeit übereinstim-
                                 dern können unabhängig von ihnen arbeiten.                      men, müssen es aber nicht. Und sie können auf
                                                                                                 geprüftem Wissen oder auf intuitiven Annah-
                                 Markus Knauff: »Sie können auch zeigen, dass                    men beruhen. In welchem Rahmen lässt sich
                                 bei Patienten, die durch einen Tumor oder                       der Wert dieser drei Denkweisen beurteilen?
                                 Schlaganfall Verletzungen bestimmter Hirnstruk-                 Gerhard Schurz betrachtet sie im Rahmen der
                                 turen haben, dass sie entweder beeinträchtigt                   Evolutionstheorie: »Der Prozess der Evolution
                                 sind in logisch abstraktem Schließen oder nicht                 selektiert vieles heraus.«
                                 davon profitieren können, dass der Inhalt plausi-
                                 bel ist. Leute ohne diese Hirnläsionen profitieren              Logisches Schlussfolgern hat sich offenbar
                                 davon, dass etwas plausibel ist, diese Patienten                schon früh in der Evolution herausgebildet.
                                 nicht. Und man kann auch mit einer Methode,                     Etwa bei Primaten.
                                 die transkranielle Hirnstimulation heißt, kurzfris-
                                 tige Läsionen im Gehirn produzieren, indem                      • Annahme 1: Eine Balkenwaage neigt sich,         Schurz: »Die wahre Antwort der Logik ist dar-
                                 man Magnetfelder produziert. Auch da kann                         wenn ein Gewicht auf eine ihrer Seiten ge-      auf: Sie müssen die Karte mit dem A umdrehen
                                 man zeigen, dass man inhaltsbezogene Aufga-                       legt wird.                                      und die Seite mit der Zwei – das beherrscht kei-
                                 ben und abstrakte logische oder auch wahr-                      • Annahme 2: Bananen haben Gewicht.               ner, niemand nimmt die Karte mit der Zwei.
                                 scheinlichkeitsbasierte Aufgaben differenziell                  • Schlussfolgerung: Wenn man eine Banane          Aber dann wurde genau derselbe Versuch ge-
                                 stören kann. Also es spricht einiges dafür, dass es               in eine der Waagschalen legt, muss sie dort     macht mit folgender Regel: Es geht um Jugend-
                                 unterschiedliche Verarbeitungsnetzwerke gibt                      sein, wohin sich die Waage neigt.               liche in einem Lokal, in dem Cola und Bier aus-
                                 für abstrakte und konkrete Schlussfolgerung.«                                                                     geschenkt wird und die Regel lautet: Wer Alko-
                                                                                                 Diesen Schluss zogen Schimpansen in einem         hol trinkt, also Bier trinkt, muss mindestens 16
                                 Wenn es um rationales Verhalten geht, schei-                    Experiment, ohne dass sie die Banane sehen        Jahre alt sein.«
                                 nen drei verschiedene Spieler im Rennen zu                      konnten.
                                 sein: Das logische Denken, das Denken in statis-                                                                  In dem Lokal sitzen vier Jugendliche. Einer
                                 tischen Wahrscheinlichkeiten und das konkrete                   Diese logischen Anlagen wurden immer mehr         trinkt Bier, ein anderer Cola. Bei den anderen
                                 Denken, das sich an plausiblen Inhalten orien-                  verfeinert und schlugen sich beim Menschen in     sehen Sie nicht, was sie trinken, Sie wissen
                                 tiert. Schlüsse, die auf Letzterem beruhen, sind                sprachlichen Argumenten nieder. Gerhard           aber, dass der eine achtzehn und der andere
                                 beispielsweise solche:                                          Schurz geht wie aktuell die meisten Evolutions-   vierzehn Jahre alt ist. Bei welchen Jugendlichen

                                    GCM 3 / 2017
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Intuition

                                                                   Prelios Immobilien Management
                                                                   DER SPEZIALIST FÜR IHRE
                                                                   EINZELHANDELSIMMOBILIE

Development, Center Management und Repositionierung für Shopping Center
Prelios bietet institutionellen und privaten Kunden bundesweit alle Dienstleistungen für Shopping        Your
Center, Kauf- und Geschäftshäuser, gemischt genutzte Immobilien, Quartiere sowie Fachmarktzentren
aus einer Hand: Ankaufsprüfung, Projektentwicklung, Repositionierung und Refurbishment, Vermietung,     Retail
Shopping Center Management, Kaufmännisches und Technisches Property Management, Asset und             Specia
Portfolio Management sowie Transaktionsmanagement.                                                           list!
Wertschöpfung durch aktives Management

w w w.prelios.de                                                                           +49 (0) 40 / 350 170-0
                                                                                                              GCM 3 / 2017   
MAGAZIN 03. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Intuition

                                                                                                                                                                     © Professor25 – istockphoto.com
müssen sie überprüfen, ob die Regel eingehal-
ten wird. Fragen Sie nur den Biertrinker, wie
alt er ist oder forschen sie auch bei einem an-
deren Jugendlichen nach? Hier noch einmal
die Regel, die es zu überprüfen gilt: »Wer Bier
trinkt, muss mindestens sechzehn Jahre alt
sein.«

Gerhard Schurz: »Jeder sieht sich dann den
14-Jährigen an – wird in diesem Beispiel per-
fekt beherrscht und im anderen Beispiel, ob-
wohl es logisch genau dieselbe Aufgabe ist,
beherrschen es höchstens zwei, drei Prozent
aller Versuchspersonen.«

In anschaulichen Situationen, in denen es um
soziale Konventionen geht, können fast alle
Menschen bestimmte logische Schlüsse zie-
hen, an denen sie hingegen scheitern, wenn
sie in abstrakter Weise formuliert werden. Lo-
gisches Denken scheint in der Evolution be-
lohnt worden zu sein, weil es hilft, soziale Situ-
ationen zu bewältigen. Die Fähigkeit, etwas
als wahr oder falsch einzuschätzen liefert ei-
nen Überlebensvorteil. Darüber hinaus hat die
Evolution noch ganz andere Phänomene her-            Placeboeffekt: Glaube an ein positives Resultat gibt Kraft.
ausselektiert, erklärt Gerhard Schurz:

»Es gibt natürlich auch evolutionäre Effekte         ßen muss, also wenn man gezwungen ist, sich                   chern und verarbeiten, wohingegen die Viel-
unseres Überzeugungs- und Glaubenssystems,           zu entscheiden, ob man in die oder in die                     falt von Information aus der Außenwelt prinzi-
die vom Wahrheitswert unabhängig sind. Ich           Richtung weiter wandern oder dorthin gehen                    piell unbegrenzt ist. Daher, so Magnus Knauff,
habe das als verallgemeinerten Placeboeffekt         will, wo es vermutlich die bessere Nahrungs-                  müssen wir auch die sogenannten Heuristiken
bezeichnet. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn        quellen, Nahrungsressourcen gibt. Dann muss                   ins Reich der Rationalität einbeziehen, die in
sie der Überzeugung sind, dass die Krankheit,        man sich sehr schnell entscheiden. Natürlich                  den vergangenen Jahren ausgiebig erforscht
an der sie leiden, von ihnen überwindbar ist         kann die inductive overconfidence auch zu                     wurden.
und bald verschwunden sein wird, dann wer-           Fehlschlüssen führen und dann vor allem im
den sie frohen Mutes und lebensfroh die              sozialen Bereich bewirken, dass man Leute                     Dabei handelt sich um Faustregeln, die man in-
Krankheit zu überwinden versuchen, unab-             schnell aburteilt, über den Kamm schert, vom                  tuitiv benutzt, wenn etwas allein mit dem Ver-
hängig davon, ob das wirklich zutrifft oder          Äußeren auf das Innere schließt. Also diese                   stand nicht mehr zu bewältigen ist. Man ver-
nicht. Das heißt, der bloße Glaube an ein posi-      ganze Vorurteilsbildung hängt natürlich auch                  wendet dann zum Beispiel ein altes Denkmus-
tives Ereignis gibt eine gewisse Kraft, ein ge-      mit inductive overconvidence zusammen.«                       ter, das sich schon einmal bewährt hat. Oder
wisses Selbstvertrauen und das nenne ich den                                                                       konzentriert sich auf ein oder zwei hervorste-
verallgemeinerten Placeboeffekt.«                    Natürlich sind solche raschen Entscheidungen                  chende Wegweiser einer Situation und ver-
                                                     fehleranfälliger und risikobehafteter als gründ-              nachlässigt die anderen. So gesehen umfasst
Menschen neigen zu vorschnellen Genera­              lich durchdachte Entscheidungen. Aber manch-                  Rationalität alle Formen des Denkens, die gera-
lisierungen                                          mal sind sie eben unausweichlich, meint Mar-                  de die effizienteste Lösung eines Problems ver-
                                                     kus Knauff: »Also wenn man sich fragt, warum                  sprechen.
Studien zeigen: Der Placeboeffekt hat sich tief      Menschen denn überhaupt Fehler machen,
in unser Denken eingegraben. Psychologen             dann ist es so, dass wir grundsätzlich über die               Markus Knauff: »Ich glaube, dass die Umwelt
sprechen zum Beispiel auch von »inductive            Kompetenz verfügen, logisch richtig und was                   unterschiedliche Anforderungen stellt, was
overconfidence«, von dem übertriebenen Ver-          Wahrscheinlichkeit betrifft richtig zu denken.                wir als rational betrachten wollen. In manchen
trauen, rasch eine Regel finden zu können.           Aber dabei gibt es jede Menge Beschränkun-                    Situationen müssen wir uns zwischen zwei Al-
                                                     gen unseres kognitiven Systems.Wir haben                      ternativen entscheiden, dann hilft uns auch
Gerhard Schurz: »Inductive overconfidence in         nicht beliebig viele kognitive Ressourcen zur                 klassische Logik wirklich weiter. In manchen
dem Sinne, dass der Mensch schon aus sehr            Verfügung, nicht alle Informationen stehen zur                Fällen müssen wir aber auch entscheiden, ob
kleinen Stichproben geneigt ist, vorschnelle         Verfügung.«                                                   etwas wahrscheinlicher oder unwahrscheinli-
Generalisierungen durchzuführen. Diese in-                                                                         cher ist, dann hilft uns die Wahrscheinlich-
ductive overconfidence hat natürlich auch            Das Arbeitsgedächtnis des Gehirns kann nur                    keitstheorie. In manchen Fällen reicht es uns
ihre Vorteile, wenn man sehr schnell schlie-         eine begrenzte Menge an Informationen spei-                   auch, wenn wir mit einer guten, aber nicht un-

   GCM 3 / 2017
GERMAN COUNCIL . Intuition
© GarysFRP – istockphoto.com

                                                                                                                                                     Wie wird geregelt, welches Denken wann zum
                                                                                                                                                     Zuge kommt?

                                                                                                                                                     »Für viele Leute, gerade auch für die
                                                                                                                                                     Experten, klingen meine Ergebnisse
                                                                                                                                                     ziemlich paradox.«

                                                                                                                                                     Der Psychologe Wim de Neys vom Nationalen
                                                                                                                                                     Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Pa-
                                                                                                                                                     ris hat in den vergangenen Jahren für Aufsehen
                                                                                                                                                     gesorgt. Denn seine Studien legen nahe, dass es
                                                                                                                                                     nicht nur die altbekannte Intuition gibt, mit der
                                                                                                                                                     wir spontan und automatisch aus dem Bauch
                                                                                                                                                     heraus entscheiden, sondern auch eine logische
                                                                                                                                                     Intuition. Wim de Neys setzte Versuchspersonen
                                                                                                                                                     Aufgaben vor, bei denen sie intuitiv rasch auf
                                                                                                                                                     eine Lösung stoßen – die falsch ist.

                                                                                                                                                       Das Schläger-Ball-Problem:
                                                                                                                                                     • Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen
                                                                                                                                                       einen Euro und zehn Cent.
                                                                                                                                                     • Der Schläger kostet einen Euro mehr als der
                                                                                                                                                       Ball.
                                                                                                                                                     • Wie viel kostet der Ball?

                                Führt der Weg über den Berg ans Ziel oder doch in die Irre? Wahrscheinlichkeitsrechnung ist gefragt                  Die meisten Versuchspersonen sagen sofort
                                                                                                                                                     »Der Ball kostet zehn Cent« und sind sich intui-
                                                                                                                                                     tiv völlig sicher. Aber die Antwort ist falsch.
                                bedingt mit der besten Lösung zufrieden                            »Meine Ergebnisse klingen ziemlich                Wenn der Ball zehn Cent kosten würde und der
                                sind. All das beeinflusst glaube ich, welche                       paradox – gerade auch für Experten«               Schläger einen Euro teurer ist, müsste dieser ei-
                                Normen wir gerade zugrunde legen müssen,                                                                             nen Euro und zehn Cent kosten. Ein Euro und
                                um zu entscheiden, was wir als rational be-                        Langfristig gesehen wollen die Rationalitäts-     zehn Cent für den Schläger plus zehn Cent für
                                trachten wollen.«                                                  Forscher genauer definieren, wann welche Art      den Ball ergeben aber einen Euro und zwanzig
                                                                                                   des Denkens optimal - und das heißt in rationa-   Cent.
                                • Hinter dem Berg liegt das Ziel.                                  ler Weise – einzusetzen ist. Dabei stellt sich
                                • Von zwei Wegen führt einer zum Ziel, der                         eine grundlegende Frage. Einerseits können        Fast alle Versuchspersonen, die zunächst die in-
                                  andere in die Irre.                                              Menschen Probleme logisch oder in seinen          tuitiv falsche Antwort geben, sehen die richtige
                                • Der eine Weg ist schmal aber stabil.                             Wahrscheinlichkeiten gründlich durchdenken,       Lösung leicht ein, wenn sie kurz darüber nach-
                                • Der andere Weg ist breit aber löchrig.                           andererseits intuitiv rasche Entscheidungen       denken: Fünf Cent für den Ball, einen Euro und
                                • Frage: Welcher Weg führt zum Ziel?                               treffen. Wie aber hängt beides zusammen?          5 Cent für den Schläger. Warum aber geben sie
© Delpixart – istockphoto.com

                                Heute im Sonderangebot: Schläger und Ball gibt's im Logikversuch für nur einen Euro und zehn Cent                    Wim de Neys

                                                                                                                                                                                         GCM 3 / 2017   
GERMAN COUNCIL . Intuition

                               dann vorher überhaupt eine falsche Antwort?                          Wie zu erwarten: Die Versuchspersonen mit          müssen, ein »Bauchgefühl«: »Ich habe eine Lö-
                               Psychologen erklären das üblicherweise da-                           der korrekten Antwort hatten die intuitive, fal-   sung, bestimmt ist sie falsch.«
                               mit, dass die Versuchspersonen die relative                          sche Antwort unterdrückt.
                               Aussage »Der Schläger ist ein Euro teurer als                                                                           Für Wim de Neys lassen sich diese Befunde nur
                               der Ball« als absolute Aussage wahrnehmen:                           Der Kernbefund aber war, dass die Konflikt-        so erklären: Logisches und intuitives Denken
                               »Der Schläger kostet einen Euro«. Dann näm-                          überwachungsregion im Gehirn bei den Ver-          sind im Gehirn eng verknüpft: »Es gibt sowohl
                               lich wäre die schnelle, automatische Antwort                         suchspersonen immer aktiv war, egal ob sie die     heuristische, also schnelle und automatische
                               richtig.                                                             intuitiv falsche oder die logisch korrekte Ant-    Intuitionen, und es gibt eine Art logischer Intu-
                                                                                                    wort gaben. Daher schließen wir, dass die Men-     ition, die unbewusst im Gehirn als Maßstab
                               Es gibt anscheinend eine »logische Intuition«                        schen den Konflikt irgendwie unbewusst auch        vorhanden ist. Nach meiner Theorie sind beide
                                                                                                    dann wahrnehmen, wenn sie die falsche intui-       Teil eines gemeinsamen Systems. Die heuristi-
                               Wim de Neys wollte es genau wissen. Und bat                          tive Antwort geben.«                               sche und die logische Intuition werden parallel
                               13 Versuchspersonen in den Hirnscanner: »Wir                                                                            und gleichzeitig im Gehirn aktiviert. Entsteht
                               wissen, dass eine Region in der Mitte des Stirn-                     Das ist das paradoxe Ergebnis der Studien von      ein Konflikt zwischen Logik und Intuition, er-
                               hirns dafür zuständig ist, Konflikte oder Fehler                     Wim de Neys, über das die Fachwelt so erstaunt     möglicht das Konfliktsignal, einen Prozess ein-
                               zu überwachen und untersuchten seine Rolle.                          ist. Es scheint eine »logische Intuition« zu ge-   zuleiten, in dem über die spontane intuitive
                               Wir gaben den Versuchspersonen also Aufga-                           ben, und sie äußert sich in einem automatisch      Antwort stärker nachgedacht werden kann.«
                               ben wie das Ball-Schläger-Problem, in dem                            generierten Signal im Gehirn. Dieses Signal
                               durch relative Formulierungen ein Konflikt                           bleibt unbewusst, äußert sich aber auch körper-    Wim de Neys hat sein Modell in mehreren Studi-
                               zwischen der intuitiven und der logisch richti-                      lich: »Die Konfliktüberwachungs-Region regu-       en untermauern können. Ein plausibles Modell,
                               gen Lösung auftritt. ›Der Schläger ist ein Euro                      liert auch das autonome Nervensystem. Immer        denn es verbindet die alte Theorie, nach der lo-
                               teurer als der Ball‹ verglichen wir mit leicht                       wenn ein Konflikt entdeckt wird, wird also auch    gisches Denken der höchste Maßstab von Ratio-
                               lösbaren Aufgaben, bei denen dieser Konflikt                         das autonome Nervensystem kurz aktiv. Dann         nalität ist, mit dem neuen Trend, intuitives Den-
                               nicht auftritt. Dort gab es absolute Formulie-                       schwitzt man zum Beispiel ein bisschen stärker,    ken aufzuwerten. Auch Wim de Neys geht da-
                               rungen wie: ›Der Schläger kostet einen Euro‹.                        die Körpertemperatur verändert sich und damit      von aus, dass ein logischer Maßstab fest im Kopf
                               Im Hirnscanner beobachteten wir dann neben                           auch die elektrische Hautleitfähigkeit.«           verankert ist. Der wirkt aber unbewusst und ist
                               der Konfliktüberwachungsregion auch die vor-                                                                            längst nicht allmächtig, kann also intuitive Lö-
                               derste rechte Stirnhirnregion, die beteiligt ist,                    Das Gehirn erzeugt ein Gefühl, das viele ken-      sungen nicht völlig verhindern. Am besten über-
                               wenn ein Vorgang im Gehirn gehemmt wird.                             nen, wenn sie harte logische Nüsse knacken         lebt, wer sowohl logisch als auch intuitiv denkt.

                                                                                                                                                       Psychische Verfassung wirkt sich auf logisches
                                                                                                                                                       Denkvermögen aus
© LaurieSH – istockphoto.com

                                                                                                                                                       Markus Knauff hält die Befunde von Wim de
                                                                                                                                                       Neys für außerordentlich wichtig, weil sie erklä-
                                                                                                                                                       ren, wie der Geist flexibel reagieren kann. Und
                                                                                                                                                       er geht sogar noch einen Schritt weiter.

                                                                                                                                                       • Prämisse 1: In alten Häusern befinden sich
                                                                                                                                                         Spinnen.
                                                                                                                                                       • Prämisse 2: Dies ist ein altes Haus.
                                                                                                                                                       • Frage: Gibt es dort Spinnen?

                                                                                                                                                       Markus Knauff: »Der Effekt war, dass Phobiker
                                                                                                                                                       bei solchen Schlüssen schlechtere Leistungen
                                                                                                                                                       erbringen als Leute, die keine Spinnenphobie ha-
                                                                                                                                                       ben. Die haben mehr logische Fehler gemacht
                                                                                                                                                       und haben länger gebraucht, um Schlüsse vorzu-
                                                                                                                                                       nehmen.«

                                                                                                                                                       • Prämisse 1: Wenn mich niemand mag,
                                                                                                                                                         dann ist mein Leben sinnlos.
                                                                                                                                                       • Prämisse 2: Mich mag niemand.
                                                                                                                                                       • Frage: Macht Ihr Leben noch einen Sinn?

                                                                                                                                                       Markus Knauff: »Die zweite Gruppe von Proban-
                                                                                                                                                       den waren depressive Patienten, und die waren
                                                                                                                                                       bei solchen Schlüssen wiederum besser als nicht
                               Spinnen sind – logischerweise – stets in alten Häusern anzutreffen                                                      depressive Patienten. Es ist kein Widerspruch.

                                  GCM 3 / 2017
Sie können auch lesen