IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh

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IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh
IRSEER BLÄTTER
         … zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee

Helmut Zäh

Das Kloster Irsee am Vorabend der Säkularisation.
Der letzte Abt Honorius Grieninger und sein Oberamtmann
Marx Fidel von Bannwarth

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IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh
IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee
Für das Schwäbische Bildungszentrum Irsee und die Geschichtswerkstatt Irsee
herausgegeben von Stefan Raueiser und Christian Strobel

Heft 5 / Februar 2021

Helmut Zäh
Das Kloster Irsee am Vorabend der Säkularisation.
Der letzte Abt Honorius Grieninger und sein Oberamtmann
Marx Fidel von Bannwarth

Für den Druck gekürzte Fassung einer Untersuchung des Autors über „Das
Kloster Irsee zwischen Reform und Untergang. Der letzte Abt Honorius
Grieninger und sein Oberamtmann Marx Fidel von Bannwarth“ (2019–2021).

© Grizeto-Verlag. Irsee 2021.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen
Wieder­g abe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Verviel­
fältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet (https://portal.dnb.de) abrufbar.
ISSN 2628-4367

Umschlag
Grundriß et Prospect über die Oekonomiegüter des Herrn August v. Bannwarth zu
Irrsee (Ausschnitt). Kolorierte Federzeichnung, Mitte 19. Jh.; Privatbesitz.
Repro: Volker Koneberg.
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Geleitworte

                       Im August 2019 erhielt das                                Der Kunst- und Kulturpfad der
                       Schwäbische Bildungszentrum                               Marktgemeinde Irsee bietet
                       von Kaufbeurens Oberbürger­                               einen Ortsrundgang mit sechs
                       meister Stefan Bosse und Stadt-                           Kunstwerken und 17 Infotafeln.
                       archivar Dr. Peter Keller einen                           Die letzte Station ist dem „Ober-
                       umfangreichen Buchbestand                                 amtshaus“ am Fuß der Markt-
                       aus dem Besitz des letzten                                straße gewidmet. Der repräsen­
                       Irseer Abtes. Damit kehrte nach                           tative Satteldachbau wurde
Kloster Irsee zurück, was an diesen geschichtsträchti-      1720 als Wohnsitz des höchsten Verwaltungsbeamten
gen Ort gehört, stammen die Bücherschätze doch aus          im ehemaligen Klosterstaat Irsee errichtet.
dem Nachlass von Honorius Grieninger, der in Irsee
zunächst als Bibliothekar und Prior wirkte, bevor er        Der Oberamtmann war im Auftrag des Abtes für alle
1784 zum Abt gewählt wurde.                                 Gerichts-, Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten des
Unmittelbar nach seinem Amtsantritt sorgte sich             Hoheitsgebiets zuständig, das neben Irsee selbst mehr
Honorius Grieninger um die Bewirtschaftung der Irseer       als zwanzig umliegende Dörfer und Weiler umfasste.
Waldgebiete, ließ die Wasserversorgung des ­Klosters        Seinen Dienstsitz hatte er im sogenannten Gerichts-
verbessern und schloss eine Feuerversicherung für           haus, das der Markt Irsee zwischen 2005 und 2009
die Klostergebäude und alle Anwesen des Irseer Herr-        denkmalgerecht sanieren konnte, und in dem sich seit-
schaftsgebiets ab. Wegen der hohen Säuglingssterb-          dem auch unsere Geschichtswerkstatt befindet.
lichkeit ließ er von einem Kaufbeurer Arzt Frauen           Nach der Säkularisation, durch die das Kloster zunächst
zu Hebammen ausbilden. Außerdem führte er eine              in Staatsbesitz überging, erwarb der ehemalige Ober-
Sommer­schule zur Fortbildung von Jugendlichen ein.         amtmann Marx Fidel von Bannwarth (1752–1838) das
1794 erhielt der bis heute bestehende Brunnen vor der       Oberamtshaus mit den umliegenden Stallungen und
Klosterfassade, der den Reichsadler als Hoheitszeichen      Gärten. Er wandelte das Anwesen in einen Hof um, der
trägt, sein Wappen.                                         danach noch in mehreren Generationen bewirtschaftet
Drei Jahre nach der Säkularisation seines Klosters ver-     wurde. Noch heute befindet sich die Hofstelle in Privat­
ließ Abt Honorius Irsee und übersiedelte nach Kauf-         besitz.
beuren. Bei seinem Umzug nahm er auch eine umfang-
reiche Privatbibliothek mit, die nach seinem Tod 1809       Die neue Ausgabe der IRSEER BLÄTTER zur Geschichte
aufgelöst und zerstreut wurde.                              von Markt und Kloster Irsee unterrichtet uns nicht nur
Angeregt durch ein Kooperationsprojekt des Schwäbi-         über den letzten Abt von Kloster Irsee, sondern vor
schen Bildungszentrums mit dem Stadtmuseum Kauf-            allem über Leben und Wirken des Oberamtmanns, der
beuren und der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg         1787 in den Adelsstand erhoben wurde.
zur Wiedersichtbarmachung der ehemaligen Irseer
Klosterbibliothek, entschloss sich die Stadt Kauf­beuren,   Der Markt Irsee hat nach von Bannwarth, der in Salz-
unserer Bezirkseinrichtung über 100 Bände aus der           burg Philosophie und Jura studierte und in seinen letz-
Büchersammlung des letzten Irseer Abtes als Dauer-          ten Berufsjahren in Ulm und München als bayerischer
leihgabe anzuvertrauen.                                     Beamter wirkte, im Jahre 1957 die Straße benannt, an
Ergänzend zur Buchpräsentation zeichnen die vor­            der sich Kindergarten und Schule befinden. Die Wid-
liegenden IRSEER BLÄTTER die Lebensgeschichte von           mung erinnert an eine historische Persönlichkeit, die
Honorius Grieninger nach und machen uns zudem mit           Kloster Irsee auf den Kreistagen des Schwäbischen
der Biographie seines Oberamtmannes bekannt, der            Reichskreises vertrat und in den Bereichen Armen-
sich ebenso wie der Abt um unser heute als Tagungs-,        versorgung, Landschulen sowie Jagd- und Forstwesen
Bildungs- und Kulturzentrum genutztes Kloster Irsee         Reformen durchführte.
verdient gemacht hat.

Martin Sailer                                               Andreas Lieb
Bezirkstagspräsident von Schwaben                           1. Bürgermeister Markt Irsee

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IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh
Abb. 1: Ansicht des Irseer Oberamtshauses mit Nebengebäuden und Garten, darunter Plan des Grundstücks und der dazugehörigen
landwirtschaftlichen Nutzflächen; kolorierte Federzeichnung, Mitte 19. Jh.; Privatbesitz. Repro: Volker Koneberg.

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Helmut Zäh

Das Kloster Irsee am Vorabend der Säkularisation.
Der letzte Abt Honorius Grieninger und sein Oberamtmann
Marx Fidel von Bannwarth

In der Erforschung der Geschichte des Reichsstifts Irsee      verfasste auch der ehemalige Klosterbibliothekar
spielten die letzten beiden Jahrzehnte unter dem Abt          ­Maurus Schleicher eine Geschichtliche Darstellung […]
Honorius Grieninger und die Jahre nach der Säkularisa-         des Reichs Stiftes Irrsee (Abb. 3)4 . Sein gleichfalls im
tion bis zu dessen Tod und der end­gültigen Auflösung          Autograph erhaltenes Werk stellt im Wesentlichen nur
des Klosters bislang allenfalls eine untergeordnete            eine gekürzte deutschsprachige Paraphrase der bei-
Rolle1. Über das Leben und Wirken des Oberamtmanns             den älteren Chroniken von Emer und Grieninger dar
Marx Fidel von Bannwarth, dessen Amtszeit sich mit             und besitzt daher über weite Strecken keinen eigenen
der des Abts nahezu deckt, war – obgleich in Irsee eine        Quellenwert. In enger Anlehnung an seine Vorlage, den
Straße nach ihm benannt wurde – fast überhaupt nichts          zweiten Band der Chronik Grieningers, von dem ihm nur
bekannt. Gleiches gilt für die ebenso ereignis- wie ent-       das Konzept, aber nicht die Reinschrift zur Verfügung
behrungsreichen Jahre während des Ersten und des               stand5 , widmet auch Schleicher den Ereignissen seit
Zweiten Koalitionskriegs. Dabei ist diese Endphase der
Klostergeschichte durchaus gut dokumentiert.
Die wichtigste Quelle ist das zweibändige, von dem
letzten Abt selbst aufgezeichnete Geschichtswerk,
das als Fortsetzung der bis zum Jahr 1709 reichenden
­Chronik des Placidus Emer 2 konzipiert ist. Der umfang-
 reiche zweite Band, von dem sowohl das eigenhändige,
 am 25. Februar 1795 begonnene Konzept als auch die
 ebenfalls autographe Reinschrift überliefert sind,
 umfasst den Zeitraum von der Wahl Grieningers zum
 Abt von Irsee am 20. September 1784 bis zum 16. Mai
 1808, wenige Monate vor seinem Tod in Kaufbeuren
 am 6. Februar 1809 (Abb. 2)3 . Zunächst schreibt Grie-
 ninger wie im ersten Band in lateinischer Sprache und
 berichtet über sich selbst in der dritten Person; doch
 mit der Ankunft französischer Truppen auf Irseer Gebiet
 im Sommer 1796 ändert er seine Darstellungsweise und
 behält diese bis zum Schluss bei. Er schreibt nun auf
 Deutsch, schildert die für sein Kloster wie für ihn selbst
 schicksalhaften Ereignisse um ein Vielfaches ausführ-
 licher und verwendet neben der dritten Person zuneh-
 mend die Ich-Form. Als Grundlage für diesen zweiten
 Band seiner Chronik dienten ihm, wie aus wieder­holten
                                                              Abb. 2: Honorius Grieninger: Chronicon Imperialis Monasterii
 Verweisen im Text hervorgeht, seine verschollenen
                                                              B. V. M. Ursinensis; Beginn der Reinschrift des 2. Teils: Bericht
 Tagebücher, die er wie seine Vorgänger seit seinem           über seine Wahl zum Abt; Autograph, Irsee, um 1795; Staats-
 Amtsantritt als Abt führte. Nach dem Tod Grieningers         und Stadtbibliothek Augsburg, 2° Cod 385c, S. 1.

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IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh
Abb. 3: Maurus Schleicher: Geschichtliche Darstellung des Reichs Stiftes Irrsee; Bericht über die Wahl Honorius Grieningers zum Abt;
Autograph, Kaufbeuren, nach 1809; Bayerische Staats­bibliothek, München, Cgm 4956, S. 216 (Ausschnitt).

dem Amtsantritt von Abt Honor, wie er ihn zu nennen                     Grieningers Leben bis zu
pflegt, breiten Raum. Allein für diesen letzten Abschnitt               seiner Wahl zum Abt
der Klostergeschichte bietet die Version Schleichers,
der 1772 Profess abgelegt und alles selbst miterlebt                    Honorius Grieninger wurde am 31. Dezember 6 1741 in
hatte, hin und wieder eigenständige Ergänzungen und                     Immendingen7 (Lk. Tuttlingen) geboren und wie damals
Abweichungen von der Vorlage. Im Hinblick auf das                       üblich bereits am selben Tag um 10 Uhr vormittags von
Leben und die Person Grieningers sind also stets beide                  dem Ortspfarrer Jakob Fischer aus Schwäbisch Gmünd
Chroniken, dessen eigene und die Schleichers, zu ver-                   auf den Namen Joseph getauft 8 . Über seine Eltern Ignaz
gleichen. Hinzu kommt eine reiche Aktenüberlieferung                    und Maria, geb. Miller, ist bislang nichts bekannt. Seine
im Staatsarchiv Augsburg, die allerdings im Rahmen                      Taufpaten waren Jakob Höppler und Maria Schmutz.
dieses Beitrags nur fallweise herangezogen werden                       Sie waren alle in Immendingen ansässig. Seine höhere
konnte.                                                                 Schulbildung erhielt Joseph Grieninger zunächst auf
                                                                        dem Benediktinergymnasium Villingen und anschlie-
                                                                        ßend auf dem seit 1752 von Piaristen geführten Stifts-
                                                                        gymnasium Kempten9. Der Wechsel der Schule stand

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sicherlich damit in Zusammenhang, dass mit Honorius          Seine Mitwirkung bei den Feierlichkeiten zum
Roth von Schreckenstein (1726–1785) ein gebürtiger           1000-jährigen Jubiläum des Stifts Kempten ein Jahr
Immendinger Stiftsherr in Kempten war.                       später bedeutete für ihn sicherlich einen Höhepunkt in
Da das Stift Kempten adeligen Bewerbern vorbehalten          seiner bisherigen Ordenslaufbahn. Während der Fest-
war, musste Grieninger ein anderes Kloster finden, das       woche wurde täglich eine Messe mit einer Predigt auf
ihn als Novizen aufnahm. Es ist durchaus denkbar, dass       das 1000-jährige Stift gefeiert. Den Gottesdienst am
er von Honorius Roth, der 1760 zum Fürstabt von Kemp-        14. Mai 1777 zelebrierte der Irseer Abt Aemilian Mock,
ten gewählt worden war, dabei unterstützt wurde. Als         während der Prior Honorius Grieninger die Fest­predigt
dieser am 4. August 1761 Irsee einen kurzen Besuch           hielt. Wie alle anderen Festreden wurde auch die
abstattete10 , könnte Joseph Grieninger sich in dessen       ­Predigt Grieningers in der zum Jubiläum erschienenen
Gefolge befunden und den Klostereintritt vollzogen            Festschrift abgedruckt und stellt, abgesehen von den
haben. Jedenfalls war die Wahl seines Ordensnamens            bereits erwähnten Disputationsthesen, sein einziges
Honorius gewiss eine Reverenz gegenüber seinem För-           im Druck veröffentlichtes Werk dar 18 . Auch bei dem am
derer Honorius Roth. Im darauffolgenden Jahr legte er         14. November 1779 feierlich begangenen 50-jährigen
am 10. Oktober, dem Tag der Irseer Kirchweihe, feierlich      Profess­jubiläum des Irseer Abtes hielt Grieninger die
Profess ab11 und absolvierte anschließend das Haus-           Festpredigt 19, deren Text allerdings nicht überliefert ist.
studium, nach dessen Abschluss er am 24. Juni 1766 in         Abt Aemilian Mock erlebte noch die 600-Jahr-Feier sei-
Augsburg zum Priester geweiht wurde12 . Eine Universi-        nes Klosters im Oktober 1782 mit, zu der mit P. Fidelis
tät hat er wie die meisten anderen Irseer Konventualen        Wetz (Wez) aus Zwiefalten ein auswärtiger Festprediger
nie besucht. Aus der Zeit seiner Ausbildung am Haus-          eingeladen wurde20 , und starb am 19. August 1784 im
studium sind gedruckte Thesen aus dem kanonischen,            Alter von 71 Jahren21.
bürgerlichen und öffentlichen Recht überliefert, die er
am 30. Juli 1764 unter seinem Lehrer Benedikt Depra
zusammen mit seinen Mitbrüdern Bernhard Miller,              Die Wahl Grieningers zum Abt (1784)
Paul Minichofer – mit dem er zeitlebens eng verbunden
blieb – und Joseph Maria von Landsee sowie den beiden        Als Datum für die Wahl eines neuen Abtes22 legte der
externen Studenten Johann Nepomuk Magg und Anton             Augsburger Fürstbischof Clemens Wenzeslaus von
Braun verteidigte13 .                                        ­Sachsen, der sich bis zur Besetzung Kurtriers durch die
Nach seiner Priesterweihe fungierte P. Honorius unter         Franzosen vorzugsweise in seinem Trierer Hauptbistum
dem seit 1765 amtierenden Abt Aemilian Mock (1712–            aufhielt, den 20. September 1784 fest. Die Leitung der
1784), der aus dem unweit von Grieningers Geburtsort          Wahl übertrug er dem Weihbischof Johann ­Nepomuk
Immendingen gelegenen Sigmaringen stammte, als                August Ungelter von Deisenhausen als seinem Stell-
Novizenmeister, Professor der Philosophie, Mathe­matik        vertreter 23 . Mit zwei Kutschen des Klosters wurden der
und Theologie am Hausstudium sowie als Archivar und           Weihbischof und seine Begleiter, der bischöf­liche Sieg-
Bibliothekar 14 . Zu zwei von ihm am Hausstudium geleite-     ler Anton Coelestin Nigg und der Zeremoniar Johann
ten Disputationen in Mathematik bzw. Philosophie sind         Philipp Löhle, in Augsburg abgeholt. Am Vorabend des
im Druck erschienene Thesen bezeugt 15. Durch seine           Wahltages kamen sie in Irsee an, wie auch die Äbte von
Lehrtätigkeit im Kloster empfahl er sich für eine Aufgabe     Ottobeuren und Füssen, Honorat Göhl und ­Aemilian
außerhalb: Als Graf Franz Anton von Waldburg-Zeil (1714–      Hafner, die als Skrutatoren für die Auszählung der Stim-
1790) von Abt Aemilian einen Hauslehrer erbat, der seine      men verantwortlich waren. Die beiden Äbte brachten
Söhne Clemens Alois (1753–1817) und Sigmund Chris-            jeweils zwei Konventualen mit, die als Zeugen bei der
toph (1754–1814) in Philosophie und Mathematik unter-         Wahl anwesend waren. Der Wahltag begann um 7 Uhr
richten sollte, fiel die Wahl auf Honorius Grieninger, der    morgens mit der Feier eines Offiziums zu Ehren des
am 13. November 1769 nach Schloss Zeil bei Leutkirch          Heiligen Geistes; anschließend begaben sich alle Betei-
abreiste und nach 13-monatigem Aufenthalt Ende 1770           ligte ins Refektorium, wo die Wahl stattfand. Aufgrund
wieder nach Irsee zurückkehrte16 . Seine beiden Schüler       ­seines Amtes als Prior und seines passenden Alters
immatrikulierten sich am 5. Februar 1771 an der Univer-        von 42 Jahren hatte Honorius Grieninger sicherlich die
sität Salzburg und absolvierten dort ein Jurastudium17.        größten Chancen. Allerdings erreichte im ­ersten Wahl-
Nach Grieningers Rückkehr änderte sich zunächst für            gang kein Kandidat die notwendige absolute Mehrheit.
ihn wenig, doch als der greise Prior Placidus Linder am        Von 16 abgegebenen Stimmen entfielen sieben auf
7. Mai 1776 im 77. Lebensjahr verstarb, wurde er dessen        ­Grieninger, vier auf David Gaibinger, je zwei auf Willi-
Nachfolger und rückte damit in der Klosterhierarchie an         bald Schelle und Ulrich Peutinger sowie eine auf Sigis-
die zweite Stelle hinter dem Abt.                               mund Scheffler. In dem dadurch notwendig geworde-

                                                                                                                        7
IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh
Als letzte feierliche Handlung im Zusammenhang mit
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                                                                 digung durch die Untertanen abgehalten. Diese leiste-
                                                                 ten in der auch Ratshaus oder Gerichtshaus genannten
                                                                 Kanzlei (heute Marktstraße 8) dem Abt den Treue- und
                                                                 Gehorsamseid, dessen Bedeutung ihnen zuvor der
                                                                 Oberamtmann in einer langen Ansprache darlegte.
                                                                 Nach der Eidesleistung wandte sich auch der Abt an die
                                                                 Untertanen und versprach ihnen jedweden Beistand
                                                                 und Schutz. Diese Zeremonie wurde an so vielen Tagen
                                                                 wiederholt, bis die Untertanen aller Gemeinden des
                                                                 Irseer Klostergebiets dem neuen Abt gehuldigt hatten.
                                                                 Maurus Schleicher fasst in seiner Klostergeschichte
                                                                 die Abtswahl mit nur wenigen Sätzen zusammen, fügt
                                                                 jedoch eine bemerkenswerte Charakterisierung des
                                                                 Neugewählten hinzu: Ein Mann von grossen Kennt-
                                                                 nissen. Nur im Oekonomischen zu wenig Erfahrung.
                                                                 Doch aber beÿ einer richtigen Leitung und aufrichtigen
                                                                 Rathgebung zur würksamen Thätigkeit entschlossener
                                                                 Mann 26 . Tatsächlich entfaltete Grieninger nach seiner
                                                                 Wahl eine würksame Thätigkeit, wobei, zumindest nach
                                                                 dem Bild, das sowohl seine eigene Chronik als auch die
                                                                 Bearbeitung Schleichers entwerfen, praktische Maß-
Abb. 4: Honorius Grieninger, Öl auf Leinwand, wohl Kaufbeuren,
Georg Alois Gaibler, um 1784; Schwäbisches Bildungszentrum       nahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der
Irsee, Inv.-Nr. 85. Foto: Martin Zurek.                          Mönche und der Untertanen sowie zur Herstellung gesi-
                                                                 cherter Rechtsverhältnisse im Vordergrund standen,
                                                                 während sein Wirken auf geistlichem und kulturellem
nen zweiten Wahlgang setzte sich Grieninger dann mit             Gebiet kaum näher thematisiert wird.
zehn Stimmen durch.
Am Vormittag des folgenden Tages zelebrierte Weih-
bischof Ungelter zusammen mit den Äbten von                      Beginn der Regierung des neuen Abtes.
Ottobeuren und Füssen die feierliche Abtsweihe                   Teilnahme am Seligsprechungsprozess der
Grieningers. Vorausgegangen war eine weitschweifige
                                                                 Crescentia von Kaufbeuren (1785–1790)
und erbauliche Ansprache, die Ungelter im Bischofs-
ornat persönlich an das anwesende Volk richtete 24 .             Die erste von Grieninger eingeführte Neuerung betraf
Wenige Tage danach traf eine Abordnung der Stadt                 die Anschaffung eines geschlossenen, holzsparen-
Kaufbeuren, bestehend aus zwei Mitgliedern des                   den Herdes sowie eines neuen Kochgeschirrs für die
Geheimen Rates und dem Vorsteher der Stadtkanzlei,               Klosterküche, der damals sein Gefährte Paul Minichofer
ein, um Grieninger zu seiner Wahl zu gratulieren und             als Küchenmeister (archimagirus) vorstand: Der Herr
ihm als Geschenk der Stadt 55 Flaschen Burgunder-                Abt verwandte, als die zu Beginn der Regierung
und 24 Flaschen sogenannten Feuerwein, einen durch               üblichen Feierlichkeiten vorüber waren und er frei von
Wärme verbesserten Muskatwein, zu überreichen.                   den sich aus diesem Anlass ergebenden Aufgaben war,
Im Gegenzug lud Grieninger den Kaufbeurer Magis-                 sein ganzes Bemühen besonders darauf, dass der über-
trat zum Essen nach Irsee ein. Daraufhin nahmen der              mäßige Holzverbrauch in der Küche verringert werde.
Bürgermeister und zehn hochrangige Ratsmitglieder                Zu diesem Zweck ließ er im Jahr 1785 in der Küche einen
an einem Festmahl anlässlich der Irseer Kirchweihe am            neuen, geschlossenen Herd errichten, für den geeig-
10. Oktober teil. Darüber hinaus erreichten den neu-             nete Steine aus Waltenhofen, einem Dorf des Fürst-
gewählten Abt zahlreiche Glückwunschschreiben aus                stifts Kempten, und Eisenplatten aus Königsbronn im
den Klöstern vor allem des südwestdeutschen Raumes               Herzogtum Württemberg angeliefert wurden. Ebenso
sowie von geistlichen und weltlichen Würdenträgern.              wurde das für die Zubereitung der Speisen notwendige
An den Absendern lassen sich sowohl die institutio-              Geschirr in Memmingen nicht ohne erheblichen Kosten-
nellen Verbindungen Irsees als auch die persönlichen             aufwand aus Kupfer gegossen 27. Schleicher bemerkt
Beziehungen Grieningers ablesen25.                               dazu, dass die Ersparnis in wenigen Jahren die Anschaf-

8
IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh
fungskosten des Herdes übertroffen und sich somit die      maligen) Jesuitenresidenz wurde noch ein Abendes-
Investition gelohnt habe28 .                               sen eingenommen; spät in der Nacht kehrte Grieninger
Wohl bald nach seiner Wahl ließ sich Grieninger por­       zu­sammen mit dem Abt von Ottobeuren, der ebenfalls
trätieren (Abb. 4). Bei dem Bildnis, das in zwei Versio-   in Irsee übernachtete, in sein Kloster zurück. Während
nen, die sich im Schwäbischen Bildungszentrum Irsee        sich die anderen Äbte bei der Teilnahme abwechselten
und im Stadtmuseum Kaufbeuren befinden, überliefert        und der Weihbischof nur höchst selten erschien, war
ist, dürfte es sich um ein Werk des Kaufbeurer Malers      Grieninger als Abt des am nächsten gelegenen Klosters
Georg Alois Gaibler (1751–1813) handeln. Es zeigt ihn      bei allen Sitzungen, die in diesem ersten Jahr bis zum
in halber Figur leicht zur Seite gewendet in einem Ses-    8. Oktober fortgesetzt wurden, zugegen32 . Nach drei
sel vor einem runden Tischchen sitzend. Bekleidet ist      Jahren be­endete die Kommission ihre Untersuchung mit
er mit dem schwarzen Ordensgewand der Benediktiner         der am 1. Oktober 1788 unter größter Geheimhaltung
und einer verzierten, vermutlich samtenen Haube. Er        vorgenommenen Öffnung des Grabes der Crescentia.
trägt ein goldenes, mit roten Zirkonen (Hyazinthen) und    Nun war noch die Reinschrift der Akten anzufertigen,
­Brillanten besetztes Brustkreuz (Pektorale) an einer      womit der Schreiber des bischöflichen Siegelamtes
 ebenfalls goldenen Kette samt dem dazugehörigen           ein ­ganzes Jahr hindurch Tag und Nacht zubrachte 33 .
 Ring 29. In seiner Rechten hält er ein geöffnetes Buch,   Als diese vorlag, kam die Kommission im Juli 1790 ein
 drei weitere Bücher, davon eines aufgeschlagen, sind      letztes Mal zusammen, nun nicht mehr in Kaufbeuren,
 auf dem Tisch platziert. Zu seiner Linken blickt, heute   sondern im Kloster Otto­beuren. Wie Grieninger berich-
 nur noch schwer erkennbar, sein Hund zu ihm auf.          tet, ver­sammelte man sich am 5. Juli und begann mit
 Nachdem das Kloster und seine Untertanen gleich im        der Kollation der Reinschrift, wozu diese vollständig
 ersten Jahr der Regierung Grieningers einen extrem har-   verlesen werden musste. Die Verlesung, für die täg-
 ten und langen Winter zu überstehen hatten30 , wurde      lich je vier Stunden am Vormittag und am Nachmittag
 dem Abt im Sommer eine auswärtige Verpflichtung           angesetzt wurden, dauerte genau 14 Tage, sodass die
 übertragen, die ihn bis 1788 und noch einmal 1790 all-    Reinschrift am 18. Juli durch die Unterschriften und
 jährlich mehrere Monate oder zumindest einige Wochen      Siegel der Mitglieder der Kommission beglaubigt wer-
 in Anspruch nehmen sollte, indem er zusammen mit den      den konnte. Damit hatte die Kommission ihre Tätigkeit
 Vorstehern von fünf weiteren Benediktinerklöstern der     abgeschlossen34 .
 Diözese Augsburg (Ottobeuren, St. Ulrich und Afra in
 Augsburg, Wessobrunn, St. Mang in Füssen, Thierhaup-
 ten) in die neue Kommission für den Seligsprechung­s­
 prozess der Crescentia Höss von Kaufbeuren (Abb. 5)
 berufen wurde31. Nach einer ersten, bereits unmittelbar
 nach dem Tod Crescentias im Jahr 1744 durchgeführten
 Untersuchung, die mit einem ablehnenden Votum des
 damaligen Papstes Benedikt XIV. beschieden worden
 war, hatte der Augsburger Bischof Clemens Wenzeslaus
 1775 den bischöflichen Selig­sprechungsprozess eröff-
 net und mit dessen Leitung den Weihbischof von Ungel-
 ter beauftragt. Anschließend hatten in Kauf­beuren aus-
 gedehnte Zeugen­befragungen stattgefunden; danach
 war eine Reinschrift der Prozessakten erstellt und an
 die Ritenkongregation nach Rom übersandt worden.
 Diese erkannte 1785 die Akten an und Papst Pius VI.
 erteilte die Ermächtigung, den ­apostolischen Selig-
 sprechungsprozess zu beginnen. Das neue Verfahren
 stand wiederum unter der Leitung des Weihbischofs;
 zu neuen Mitgliedern der Kommission, die noch ein-
 mal umfangreiche Zeugenverhöre durchführte, wurden
 die genannten sechs Benediktiner­äbte ernannt. Laut
 dem Bericht Grieningers in seiner Chronik nahm die
 Kommission am 30. Juli 1785 ihre Arbeit auf. Die Eröff-
 nungssitzung begann um 9 Uhr morgens und dauerte          Abb. 5: Crescentia Höss, Öl auf Leinwand, Kaufbeuren, 2. Hälfte
 ohne Unterbrechung bis 7 Uhr abends. In der (ehe­         18. Jh.; Stadtmuseum Kaufbeuren, Inv.-Nr. 5757.

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IRSEER BLÄTTER zur Geschichte von Markt und Kloster Irsee - Helmut Zäh
Obwohl die Ritenkongregation 1793 die Gültigkeit der            und Jura studiert hatte 40 , hatte im Herbst 1782 sein Amt
eingesandten Akten und des Prozesses feststellte und            als Oberamtmann angetreten, also genau zwei Jahre,
Papst Pius VI. 1801 das Vorliegen aller Voraussetzun-           bevor Grieninger zum Abt gewählt wurde. Der eben-
gen für die Seligsprechung bekanntgab, kam das Ver-             falls aus Sigmaringen stammende Abt Aemilian Mock
fahren infolge der Umwälzungen der napoleonischen               hatte ihn zum Nachfolger des am 18. August 1782 mit
Ära zum Erliegen. Deshalb erfolgte die Seligsprechung           30 Jahren verstorbenen Oberamtmanns Ludwig Bene-
der Maria Crescentia Höss erst am 7. Oktober 1900. Am           dikt Thomas Hornstein41 berufen. Hornstein hatte
25. November 2001 wurde sie schließlich von Papst               seinerseits dieses Amt erst am 2. Februar 1780 über-
Johannes Paul II. heiliggesprochen.                             nommen, als der bisherige Oberamtmann Willibald
Nach seiner Teilnahme an dem Seligsprechungsprozess             von Seyfried (1738–1809) als Kanzler an die Zister-
bewies Honorius Grieninger eine besondere Verehrung             zienserabtei Salem gewechselt war 42 . Dessen Tochter,
der Crescentia von Kaufbeuren. Bei der Grundstein-              die am 26. Februar 1765 in Irsee geborene Maria Anna
legung des neuen Pfarrhauses in Rieden 1793 brachte             Walburga 43 , hatte am 23. April 1781 den Oberamtmann
er eine Kapsel mit Crescentia-Reliquien ein35 – obwohl          Hornstein geheiratet 44 . Kaum zwei Monate nach dem
deren Entnahme bei der Öffnung des Grabes den Mit-              Tod ihres ersten Mannes vermählte sich die 17-jährige
gliedern der Kommission unter Androhung der Exkom-              Witwe am 15. Oktober 1782 mit dem neuen Oberamt-
munikation untersagt gewesen war. Als er im Januar              mann Bannwarth 45. Aus ihrer ersten Ehe brachte sie
1801 wohlbehalten zurückkehrte, nachdem er im Juni              eine fünf Monate alte Tochter mit, die jedoch bereits im
des Vorjahres vor den anrückenden französischen                 April des darauffolgenden Jahres starb46 . Ihrem zweiten
Truppen geflohen war, lasen er und sein Begleiter Paul          Ehemann gebar sie zwischen 1783 und 1801 insgesamt
Minichofer am Grab der Crescentia noch die hl. Messe,           14 Kinder, von denen fünf Mädchen und zwei Jungen
bevor sie wieder in Irsee ankamen36 . Bei seiner Über-          das Erwachsenenalter erreichten47. Als Paten fungier-
siedelung nach Kaufbeuren im November 1805 nahm                 ten in der Regel der jeweilige Irseer Abt, der persönlich
Grieninger neben zahlreichen anderen ehemals dem                an der Taufe teilnahm, und eine stets von Maria Ursula
Kloster gehörenden Stücken auch die Briefe der                  Schneider, der Frau des Irseer Kanzleisekretärs, ver-
Crescentia an den Irseer Abt Bernhard Beck und den              tretene auswärtige adelige Dame, wie die Gemahlin
damaligen Prior Meinrad Spieß mit 37.                           des Kemptener Hofmarschalls Leopold Lasser von der
                                                                Halden, Maria Elisabeth, geb. von Hornstein, die allein
                                                                achtmal die Patenschaft übernahm. Ausnahmen waren
Der Oberamtmann Marx Fidel Bannwarth
Während Grieninger auf den Sitzungen des Selig-
sprechungsprozesses – insgesamt sollen es 259 gewesen
sein – weilte, führte in Irsee der Leiter der weltlichen Ver-
waltung des Klosters, der Oberamtmann Bannwarth, in
enger Abstimmung mit dem Abt nach und nach Reformen
im gesamten administrativen Bereich durch. Maurus
Schleicher bringt dies in seiner Bearbeitung der Grienin-
gerschen Chronik sehr treffend zum Ausdruck: Unter-
dessen kamen doch während dieser Zeit und unter seiner
[Grieningers] Regierung sehr nüzliche Verordnungen und
Anstalten durch Betriebsamkeit seines Ersten Rathes und
Oberamtmans Bannwarth zustand 38 . Nun wird auch deut-
lich, dass Schleicher in seiner oben zitierten Charakterisie-
rung Grieningers mit der Formulierung beÿ einer richtigen
Leitung und aufrichtigen Rathgebung auf Bannwarth und
dessen Rolle als Anleiter und Ratgeber des Abtes anspielt.
Auch Grieninger selbst erwähnt in seiner Chronik den
Dominus Praefectus (Herrn Oberamtmann) sehr häufig
und zitiert ausführlich aus dessen zu den Akten gegebe-
nen Berichten über die durchgeführten Maßnahmen.
Der am 6. April 1752 in Sigmaringen geborene Marx               Abb. 6: Marx Fidel von Bannwarth, Lithographie von Willibald von
Fidel Bannwarth (Abb. 6)39, der in Salzburg Philosophie         Bannwarth, um 1820; Privatbesitz. Repro: Volker Koneberg.

10
nur die Nottaufe des ersten Sohnes von Bannwarth, bei      nur ganz summarisch behandelt. Neben der Demons-
der lediglich Maria Ursula Schneider in Vertretung des     tration der Landeshoheit des Klosters ging es bei der
Abtes Aemilian Mock zugegen war, und die Taufen der        ‚Grenzberichtigung‘ vor allem darum, Streitigkeiten
beiden letzten Kinder, bei denen – vermutlich wegen        mit den Nachbarn beizulegen bzw. sie gar nicht erst
der Kriegszeiten – Abt Honorius, dem insgesamt zwölf-      entstehen zu lassen. Der Ablauf der Inspektionen der
mal diese Aufgabe zukam, der einzige Pate war.             einzelnen Grenzabschnitte war stets derselbe: Eine aus
                                                           Vertretern beider Parteien gebildete Kommission, die
                                                           auf Irseer Seite von dem Oberamtmann geleitet wurde,
Reformmaßnahmen des Oberamtmanns                           beging die Grenze, stellte deren korrekten Verlauf fest
                                                           und notierte fehlende oder schadhafte Grenzsteine, die
unter dem neuen Abt (1785–1787)
                                                           dann zu einem späteren Zeitpunkt erneuert wurden50 .
Als erste Maßnahme leitete Bannwarth im Jahr 1785          Die im ersten Jahr der Regierung Grieningers begonne-
die Neuordnung der Armenversorgung im Irseer Herr-         nen Reformmaßnahmen gingen auch in den Folge­jahren
schaftsgebiet ein. Den Anlass dazu gab nach dem            auf den verschiedensten Gebieten weiter. So wurde
von Grieninger in seiner Chronik zitierten Bericht         1786 mit einer großen Anzahl von aus Tirol importier-
des Oberamtmanns der Beschluss der zuständigen             ten jungen Lärchen in der Waldabteilung Burgwald die
Kreis­viertel­konferenz, im Zuchthaus zu Buchloe, das      Kultivierung einer neuen Holzsorte erprobt. Im Lauf der
von dem Augsburgischen Viertel des Schwäbischen            Zeit erfolgte der Anbau an weiteren Stellen, teils aus
Reichs­kreises, zu dem auch Irsee gehörte, unter-          Samen, teils mit Jungbäumen51. 1792 wurde mit dem
halten wurde48 , ein Arbeitshaus einzurichten, in das      Raps auch auf den Feldern eine neue Nutzpflanze ein-
aus­wärtige Bettler und Vaganten eingeliefert werden       geführt, die wegen ihres hohen Ertrags an Öl und ihrer
konnten. Im Irseer Territorium war daher das Betteln       außerordentlich leichten Vermehrung seitdem dauer-
auf der Straße fortan untersagt. Unterstützung sollten     haft angebaut wurde52 .
nur noch die einheimischen Armen nach dem Grad ihrer       Neben der Einführung einer neuen Holzsorte unternahm
Bedürftigkeit erhalten. Die wöchentlich auszuzahlen-       Honorius Grieninger im Jahr 1786 auch einen wichtigen
den Leistungen sollten aus den Almosen der Unterta-        Schritt zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
nen bestritten werden; falls diese nicht ausreichten,      der Untertanen, insofern als in den Dörfern des Irseer
sollte die Armenkasse des Klosters einspringen. Zur        Herrschaftsgebiets nur noch Frauen als Hebammen
Durchsetzung des Bettelverbots wurden die Soldaten,        tätig sein durften, die eine Ausbildung bei dem Kauf-
die Irsee für das Kreiskontingent zu stellen hatte, auf    beurer Stadtarzt Christoph Jakob Apin53 – der, obwohl
die Dörfer verteilt; fremde Bettler und Vaganten sollten   Protestant, zugleich Irseer Klosterarzt war – besucht
von ihnen aufgegriffen und ausgewiesen oder gegebe-        und nach bestandener Prüfung ihre Approbation erhal-
nenfalls an das Zucht- und Arbeitshaus in Buchloe über-    ten hatten. Auch die beiden in Irsee und Schlingen prak-
stellt werden. Wie Bannwarth in seinem Bericht weiter      tizierenden Wundärzte mussten sich einer Prüfung in
ausführt, zeigte diese Vorgehensweise durchaus die         Geburtshilfe unterziehen. Damit folgte Irsee dem Bei-
gewünschte Wirkung; als jedoch nach dem Ausbruch           spiel des Hochstifts Augsburg, wo seit der Gründung
des Ersten Koalitionskrieges das Irseeische Militär ins    einer Hebammenschule in Dillingen 1778 deren Besuch
Feld ziehen musste, seien die zuvor verschwundenen         für angehende Hebammen obligatorisch war 54 .
Landstreicher und anderes fahrende Volk sofort wieder      Im Jahr 1786 fand zudem statt, was nach Schleicher das
aufgetaucht und es hätten sich in einem Jahr mehr Dieb-    wichtigste Geschäft war, das dem Abt Honor für sein
stähle und Einbrüche ereignet als in den zurückliegen-     Kloster auszuführen vorbehalten zu seÿn scheint, näm-
den acht Jahren zusammen49.                                lich der Verkauf eines stark defizitären Weingutes und
Ebenfalls noch im Jahr 1785 nahm Bannwarth mit             anderer Liegenschaften in Hemigkofen und Nonnen-
der ‚Grenzberichtigung‘, also der Inspektion und teil­     bach (heute: Kressbronn) am Bodensee, die erst 1760
weisen Neumarkierung der Außengrenzen des Irseer           unter dem damaligen Abt Bernhard Beck erworben
Terri­toriums, ein komplexes Vorhaben in Angriff, das      und 1769 durch Zukauf noch erweitert worden waren.
in den folgenden Jahren sukzessive fortgesetzt wurde.      Der Gesamtpreis hatte über 15.000 Gulden betragen.
Dass sowohl der Oberamtmann als auch der Abt die-          Seither war ein Verlust von 25.500 Gulden aufgelaufen,
ser Angelegenheit große Bedeutung beimaßen, erhellt        weshalb es als Erfolg angesehen wurde, dass Grienin-
nicht zuletzt aus den ins Detail gehenden Ausführun-       ger die Besitzungen mit Zustimmung des Konvents an
gen in der Chronik Grieningers, der hier erneut umfang­    den bisherigen Verwalter verkaufte, auch wenn dafür
reiche Auszüge aus den Berichten Bannwarths in sei-        mit 5.000 Gulden nur ein Drittel des ursprünglichen
nen Text eingefügt hat, während Schleicher das Thema       Preises erlöst wurde55.

                                                                                                                11
Auch das Jahr 1787 brachte für die Untertanen weitere         Seethalen und dem angehängten größeren gräflichen
Neuerungen. Die erste betraf den Unterricht an den            Siegel – ist noch in Familienbesitz erhalten. Seit sich
Schulen der Irseer Dörfer, der bislang nur im Winter          Honorius Grieninger 1769/70 mehr als ein Jahr lang
stattgefunden hatte und nun von Grieninger auch auf           auf Schloss Zeil aufgehalten und dort zwei Söhne des
den Sommer, wenngleich nur sonn- und feiertags, aus-          ­Grafen als Hauslehrer unterrichtet hatte, bestanden
gedehnt wurde, wie er in seiner Chronik schreibt: Damit        engere beiderseitige Verbindungen. Zudem studierten
die Kinder der Untertanen, die im Winter die Schulen           die jungen Adeligen anschließend an der Universität
besucht haben, nicht im Sommer wegen des fehlenden             Salzburg, genau zu der Zeit, als auch Bannwarth dort
Unterrichts, das, was sie gelernt haben, vergessen,            immatrikuliert war.
wurde allen Dorfschulmeistern aufgetragen, auch im             Dem Wortlaut der Urkunde zufolge richtete Bannwarth
Sommer, allerdings nur an Sonn- und Feiertagen, zwei           an Graf Franz Anton ein Gesuch um Erhebung in den
Stunden lang die Jugend zu unterrichten, und zwar so,          Adelsstand. Seinem Antrag fügte er mehrere Nach-
dass auch den Älteren je nach ihrem Kenntnisstand die          weise bei: eine Bestätigung seiner Abstammung von
Teilnahme offenstehe. Für diese Sonderaufgabe wurde            bürgerlichen Eltern aus dem Handelsstand in Sigma-
den Schulmeistern ein festgesetztes Honorar aus der            ringen, seine Studienabschlüsse aus Salzburg in Philo­
Landschaftskasse bezahlt 56 .                                  sophie (Magister) und in beiden – dem weltlichen und
Von großer Bedeutung sowohl für die Untertanen als             dem kirchlichen – Rechten mit der Note hervorragend
auch für das Kloster als Grundherr war die Erneuerung          (­eminens) sowie ein höchst belobigendes Zeugnis
der Urbare (Grundbücher), die letztmals 1720 aktuali­          seines Abtes über seine bisherige Tätigkeit als ­Erster
siert worden waren und seither eingetretene Verände-           Rat und Oberamtmann, aus dem in der Urkunde aus-
rungen nicht mehr wiedergaben. Dies hatte bei den              führlich zitiert wird. Demnach vertrat Bannwarth das
Betroffenen zu sehr vielen Verwicklungen geführt               Reichsstift Irsee nach außen auf den Kreistagen des
und dem Kloster Einbußen gebracht. Die Anfertigung             Schwäbi­schen Reichskreises, den Konventen des
der neuen Urbare übertrug Grieninger dem Registra-             Augsburgischen Kreisviertels und bei der Buchloer
tor und Geometer Johann Georg Klang, der sogleich              Zuchthaus­assoziation; in der inneren Verwaltung tat er
in Eggenthal mit der Verzeichnung anfing und seine             sich durch die Einführung sehr nützlicher Maß­nahmen
Arbeit in den nächsten Jahren in den übrigen Dörfern           in den Bereichen Armenversorgung, Land­schulen,
fortsetzte57. Als sehr hilfreich erwies sich hierbei die im    Lehnswesen sowie Jagd- und Forstwesen hervor,
März 1789 erfolgte Einführung von Hausnummern für              selbstredend stets zur gänzlichen Zufriedenheit seiner
alle Gebäude des Irseer Herrschaftgebiets58 .                  Herrschaft. Dies bestätigt die Darstellung in der Chronik
Nach dem Einbau eines Holzsparherdes in der Küche              Grieningers, wonach Bannwarth an dem in Irsee einge-
und der Anpflanzung von Lärchenbäumen belegt die               leiteten Reformprozess maßgeblichen Anteil hatte. Es
von Bannwarth entworfene und von Grieninger am                 versteht sich von selbst, dass bei so viel Lob der Graf
30. Oktober 1787 erlassene Forstordnung in beson-              von Waldburg-Zeil dem Gesuch des Oberamtmanns ent-
derer Weise das Bemühen des Abtes und seines Ober-             sprach und ihm den erblichen Adelstitel mit dem Prädi-
amtmanns um eine zweckmäßige und nachhaltige Nut-              kat Edler von Bannwarth zuerkannte.
zung der Irseer Wälder. Die Ordnung regelte umfassend          Das mit der Nobilitierung verliehene Wappen ist, wie in
den Einschlag von Bau- und Brennholz sowohl für den            solchen Urkunden üblich, in ganzseitiger Deckfarben-
Bedarf des Klosters als auch für den der Untertanen.           malerei wiedergegeben (Abb. 7). Bei dem in die obere
Darüber hinaus enthielt sie auch Vorschriften für die          Rahmenleiste eingefügten kleineren Wappen handelt
Jagd und die Fischerei59.                                      es sich um das des Ausstellers des Adelsbriefs, des
                                                               ­Grafen von Waldburg-Zeil(-Trauchburg). Zu der Abbil-
                                                                dung gehört eine exakte Beschreibung im Text, welche
Die Erhebung des Oberamtmanns                                   die offizielle Blasonierung des quadrierten (viergeteil-
                                                                ten) Wappens darstellt: Im ersten Feld – heraldisch –
in den Adelsstand (1787)
                                                                rechts oben und im vierten links unten in Blau ein aus
Am Ende des Jahres 1787 wurde Bannwarth von Graf                einem grünen Berg hervorsteigender halber aufrechter
Franz Anton von Waldburg-Zeil in den erblichen Adels-           nach links gewendeter weißer Löwe, der in der rechten
stand erhoben. Damit verbunden war die Verleihung               Pranke einen goldenen Fingerring hält; im zweiten und
eines Wappens60 . Die aus diesem Anlass am 27. Dezem-           dritten Feld in Rot ein von rechts nach links aufsteigen-
ber ausgefertigte Urkunde – ein in roten Samt gebunde-          der weißer Querbalken mit drei gelben oder goldenen
nes Pergamentlibell mit den Unterschriften des Grafen           Sternen; über dem Schild zwei blau angelaufene offene
und des Kanzleiverwalters Franz Wunibald Burz von               Turnierhelme; darüber als Kleinodien rechts der halbe

12
Schwaben‘ beschlossen worden, die am 1. Juli 1787
                                                                  ihre Arbeit aufgenommen hatte. Vorreiter war auch
                                                                  hier ähnlich wie bei der Hebammen­ausbildung das
                                                                  Hochstift Augsburg, für das Bischof Clemens Wenzes-
                                                                  laus 1786 eine Gebäudebrandversicherung ins Leben
                                                                  gerufen hatte. Irsee hatte zunächst eine abwartende
                                                                  Haltung eingenommen, doch nach dem ersten Brand
                                                                  in Kaufbeuren im März 1788 trat es binnen eines
                                                                  Monats der Versicherung bei. Die Beitrittserklärung
                                                                  traf gerade noch rechtzeitig in Ochsenhausen ein, damit
                                                                  ein Bauer in Ketter­schwang, dessen Hof am 24. April
                                                                  1788 abbrannte, seinen Schaden ersetzt bekam. Das
                                                                  Kloster und die diesem unmittelbar gehörenden Bauten
                                                                  wie Pfarrhöfe und Zehentstadel wurden mit insgesamt
                                                                  40.000 Gulden versichert, alle übrigen Gebäude auf
                                                                  dem Irseer Territorium mit zusammen 107.825 Gulden,
                                                                  eine viel zu niedrige Summe, die deshalb Mitte 1789 auf
                                                                  212.000 Gulden erhöht und damit nahezu verdoppelt
                                                                  wurde 63 . Die Vergabe von Hausnummern in allen Irseer
                                                                  Dörfern im Zuge der Anfertigung der neuen Urbare
                                                                  erleichterte ganz wesentlich auch die Erfassung der
                                                                  Gebäude für die Aufnahme in die Brandversicherung 64 .
                                                                  Das Jahr 1789, als in Frankreich die Revolution aus-
                                                                  brach, verlief in Irsee ausgesprochen ruhig. Am 2. Mai
                                                                  legte der Abt auf dem Gut Röhrwang den Grundstein
                                                                  – mit eingeschlossenen Reliquien – zu einem sehr kost-
                                                                  spieligen neuen Pferdestall. Zugleich wollte er zur Ver-
Abb. 7: Wappen der Edlen von Bannwarth, Deckfarbenmalerei         besserung der Wasserversorgung des Hofes von einer
auf Pergament; Adelsbrief für Marx Fidel von Bannwarth, Schloss
Zeil, 27. Dezember 1787; Privatbesitz. Repro: Volker Koneberg.
                                                                  Quelle auf dem Gebiet von Holzstetten, einer zum Stift
                                                                  Kempten gehörenden Gruppe von Weilern, eine Lei-
                                                                  tung nach Röhrwang legen lassen, doch wäre dieses
weiße Löwe, links ein ausgebreitetes rotes (!) Pfauen-            Vorhaben fast am Widerstand der dortigen Bewohner
rad mit den drei goldenen Sternen; das Laubwerk auf               gescheitert. Erst nach einer Ortsbesichtigung und dank
den Seiten rechts weiß und blau, links weiß und rot.              einer Intervention des Kemptener Fürstabts konnte
                                                                  die Wasserleitung, wenngleich mit hohem Kostenauf-
                                                                  wand, fertiggestellt werden 65. Nachdem bereits 1785
Weitere Reformen.                                                 in Lauchdorf ein Zehntstadel errichtet worden war 66 ,
                                                                  war dies die erste größere Baumaßnahme in der Amts-
Baumaßnahmen des Abtes (1788–1794)
                                                                  zeit von Abt Honorius. Stets handelte es sich um reine
Im Jahr 1788 ereignete sich am 15. März in Kauf­beuren            Nutz­bauten. Dies gilt auch für sein nächstes Vorhaben,
ein Brand, der sich gefährlich auszubreiten drohte, weil          einen 1790 erbauten Ziegelstadel (Ziegelhütte) in der
die örtlichen Feuerspritzen aufgrund mangelnder War-              Nähe des Gutes Bickenried 67.
tung nicht einsatzfähig waren. Als die Nachricht nach             1792 konnte ein schon seit langem gehegter Plan des
Irsee gedrungen war, stellte man sofort die eigene                Abtes verwirklicht werden, nämlich den Konvent mit
Spritze zur Verfügung, mit deren Hilfe das Feuer glück-           besserem Wasser zu versorgen. Dazu wurde von zwei
lich gelöscht werden konnte 61. Ende des Jahres kam               am Schlachtbühl (heute: Schlachtbichel) entspringen-
die Irseer Feuerspritze, die noch nicht aus Kaufbeuren            den Quellen, Kohlstatt und Hohler Stein genannt, eine
zurückgebracht worden war, ein zweites Mal zum Ein-               hölzerne Wasserleitung bis ins Kloster gelegt. Wegen
satz, als am 18. Dezember das Pfarrhaus von St. ­Martin           der großen Entfernung mussten für die benötigten
niederbrannte 62 . Am 14. Februar des Vor­jahres war              Deicheln rund 800 Bäume gefällt werden und die Bau­
auf dem Kreiskonvent in Ulm eine unter Führung des                kosten waren entsprechend hoch. Die neue Leitung
­Klosters Ochsenhausen stehende ‚Brandschadens­                   lieferte nun sauberes Wasser in das Haus im äußeren
 versicherungsanstalt verschiedener Reichsabteien in              Garten zum Baden, in die Küche, ins Refektorium und

                                                                                                                       13
ins Brauhaus 68 . Zum Abschluss der Erneuerung der          schaftsgebiet. Allerdings dauerte ihr Aufenthalt nicht
Wasserversorgung wurde 1794 der Brunnen im Kloster­         lange, da sie bald von den Österreichern wieder zurück-
hof, der bereits auf der ältesten Ansicht des Klosters      gedrängt wurden. Irsee hatte von nun an bis zum vor-
in Carl Stengels ‚Monasteriologia‘ von 1619 deutlich        läufigen Ende des Krieges nach dem Frieden von Campo
erkennbar ist, umfassend renoviert. Als Material für        Formio (17. Oktober 1797) umfangreiche Lieferungen
das neue Becken dienten Steine aus Roßhaupten69.            an Lebensmitteln und Pferdefutter zum Unterhalt der
Der wegen des bekrönenden Reichsadlers später so            in der Region stationierten österreichischen Einheiten
genannte Reichsbrunnen wurde im Zuge der 1974–1981          zu leisten. Weitere Belastungen entstanden durch Trup-
durchgeführten Sanierung der Klostergebäude abge-           pendurchzüge und vorübergehende Einquartierungen
baut und 1989–1992 durch eine Kopie ersetzt, bei der        von Offizieren und Mannschaften. In dieser Situation
als einziges Originalteil das Kapitell der Säule wieder-    entfaltete der Oberamtmann von Bannwarth eine rast-
verwendet wurde70 . Wie das Original weist auch das         lose Tätigkeit, um die Auswirkungen auf das Kloster
neue Becken das Abtswappen Grieningers, die Initialen       und dessen Untertanen, so gut es ging, zu begrenzen.
HAMU (Honorius Abbas Monasterii Ursinensis) und die         Auf dem gescheiterten Friedenskongress von Rastatt
Jahreszahl 1794 auf (Abb. 12).                              wurde erstmals die Aufhebung der Klöster diskutiert.
1794 ließ Grieninger nicht nur den Brunnen im Kloster-      Mit dem Wiederbeginn des Krieges im Februar 1799
hof, sondern auch das äußere Tor erneuern und zudem         mussten die Lieferungen zur Versorgung der österrei-
im westlichen Teil des Klosterareals eine Remise für        chischen Soldaten in noch größerem Umfang wieder
Kutschen, Schlitten, Wagen und andere Gerätschaften         aufgenommen werden. Als Mitte des Jahres 1800 die
von Grund auf neu bauen. Darin wurden auch Schlafkam-       Franzosen erneut nach Schwaben vorstießen und sich
mern für die Stallknechte und die Kutscher sowie eine       nun dauerhaft festsetzen konnten, verschärfte sich die
Werkstatt für den Sattler und den Wagner eingerichtet 71.   Lage auch für Irsee erheblich. Zu den nochmals gestei-
                                                            gerten Versorgungslieferungen, die nun von den fran-
                                                            zösischen Kommandeuren angeordnet wurden, kamen
Irsee im Ersten und Zweiten Koalitionskrieg                 monatelange Einquartierungen von Truppenverbänden
(1796–1801)                                                 in Irsee und den zum Kloster gehörenden Dörfern hinzu.
                                                            Neben dem Oberamtmann trugen auch der Großkeller
Der 1792 zwischen dem revolutionären Frankreich und
einer Koalition unter österreichischer Führung ausge-
brochene Krieg wirkte sich auf Irsee zunächst vor allem
in Form einer stetig zunehmenden Abgabenlast aus. Die
an das Reich und den Kaiser abzuführenden Beiträge zu
den Kriegskosten, die zu einem Drittel vom Kloster und
zu zwei Dritteln von den Bewohnern der Irseer Dörfer
aufgebracht werden mussten, betrugen im Jahr 1795
mehr als 30.000 Gulden. Doch als im Juni 1796 eine
französische Armee unter General Jean-Victor Moreau
bei Kehl den Rhein überquerte und nach Schwaben
vordrang, änderte sich die Lage grundlegend. Damit
schließt Grieninger den lateinischen Teil seiner Chronik
und leitet zu der deutschsprachigen Fortsetzung über,
die den Titel trägt: Kurze Übersicht was das R[eichs]
Stift Yrrsee und dessen Unterthanen von Französisch-
und Kaiserlichen Truppen nach der Zeit des Einfalls in
Schwaben bis zum endlichen Friedens Schluss erlitten
haben (Abb. 8)72 . Im Rahmen des vorliegenden Beitrags
ist es nicht möglich, die von Grieninger sehr ausführlich
beschriebenen Kriegsereignisse mit Bezug auf Irsee im
Detail nachzuzeichnen. Daher können an dieser Stelle
nur die Hauptpunkte in wenigen Sätzen grob skizziert
                                                            Abb. 8: Honorius Grieninger: Chronicon Imperialis ­Monasterii
werden.
                                                            B. V. M. Ursinensis; Reinschrift des 2. Teils: Beginn des
Auf ihrem Vorstoß nach Schwaben im Sommer 1796              deutsch­sprachigen Teils; Autograph, Irsee, um 1796; Staats-
erreichten französische Truppen auch das Irseer Herr-       und Stadtbibliothek Augsburg, 2° Cod 385c, S. 97.

14
(Klosterökonom) Willibald Schelle und der junge Kon-          zelebrieren; die Festpredigt auf den Verstorbenen hielt
ventuale Ildephons Ochs mit dazu bei, dass Irsee ver-         der Spitalmeister und Prälat des Memminger Kreuzher-
gleichsweise unbeschadet durch diese schwierige Zeit          renklosters David Laber 73 .
kam. Der Abt Honorius Grieninger hingegen hatte, wie          Nur eine Woche später, am 26. August 1802, ver­
zahlreiche andere Prälaten auch, im Mai 1800 vor den          loren das Kloster und die Herrschaft Irsee ihre Unab-
heranrückenden Franzosen die Flucht ergriffen und             hängigkeit und es begann deren Eingliederung in das
war mit seinem Gefährten Paul Minichofer über Wesso­          Kurfürsten­tum Bayern. An diesem Tag erschien der in
brunn, Polling, Benediktbeuern und Tegernsee nach             Irsee wohlbekannte Friedrich Wilhelm von Hertling, der
St. Ulrich am Pillersee in Tirol geflohen, von wo er erst     vom Stadtpfleger von Mindelheim zum Generalkommis-
im Februar 1801 zurückkehrte.                                 sar für die neu-bayerischen schwäbischen Gebiete auf-
Mit dem Abzug der französischen Truppen aus                   gestiegen war, in Begleitung von Maximilian Emanuel
­Schwaben im April 1801 war der Zweite Koalitionskrieg        von Lerchenfeld (1778–1843), dem späteren bayeri-
 endgültig vorbei. Grieninger geht in seiner ­Chronik an      schen Finanzminister, und übergab dem Abt ein Schrei-
 dieser Stelle wieder zu einer deutlich strafferen Darstel-   ben von Kurfürst Max IV. Joseph. Zugleich ver­kündete
 lungsweise über. Die von ihm im Folgenden geschilderte       er die provisorische, das heißt militärische, Inbesitz-
 Aufhebung des Reichsstifts Irsee und die anschließen-        nahme durch eine in Kürze eintreffende Abteilung von
 den Ereignisse können hier nun wieder ausführlicher          20–25 Infanteristen. An der weltlichen Verwaltung des
 wiedergegeben werden.                                        Klosters ändere sich vorerst nichts. Am 2. September
                                                              kam der bayerische Oberstleutnant und nachmalige
                                                              General­major Maximilian Graf von Spreti (1766–1819)
Säkularisation und Auflösung von K­ loster                    mit einem Hauptmann nach Irsee, um für den nächsten
                                                              Tag die Ankunft von 40 Mann Infanterie anzukündigen.
und Herrschaft Irsee. Bannwarth als
                                                              Diese Einheit blieb nur bis zum 9. September und wurde
­bayerischer Administrator (1802–1803)
                                                              tags darauf durch einen anderen Verband, der lediglich
Als das Kurfürstentum Bayern Anfang 1802 zuerst die           15 Mann umfasste, unter dem Kommando eines Feld-
landständischen Klöster der Bettelorden aufhob, dar-          webels ersetzt. Angesichts dieser Entwicklung wurde
unter die mit Irsee enger verbundenen Konvente der            für den 8. November eine Konferenz der betroffenen
Kapuziner in Türkheim und der Unbeschuhten Karme-             Klöster nach Roggenburg einberufen, an der neben
liten in Schongau, stand für Grieninger endgültig fest,       dem Gastgeber die Äbte von Elchingen, Irsee, Ursberg
dass auch die Aufhebung seines Klosters nur noch eine         und des Ulmer Wengenklosters mit ihren Oberamt­
Frage der Zeit war. In diese Phase des Wartens auf die        leuten sowie der Prior und der Kanzler von Ottobeuren
unmittelbar bevorstehende Säkularisation fiel im Som-         teilnahmen. Es wurde beschlossen, zwei Prälaten mit
mer ein Anlass, der ihm Gelegenheit gab, zum letzten          ihren obersten Beamten nach München zum Kurfürsten
Mal als Abt eines reichsunmittelbaren Klosters öffent-        zu schicken, dem sie eine Bittschrift übergeben sollten.
lich aufzutreten. Am 17. Juli erhielt er die Nachricht        Dies brachte jedoch keinerlei Erfolg; vielmehr war die
vom Ableben des seit 1767 amtierenden Reichspräla-            vollständige Übernahme durch den bayerischen Staat
ten von Ottobeuren Honorat Göhl. Zugleich erging an           nicht mehr abzuwenden 74 .
ihn die Bitte, die am 19. Juli stattfindende Beisetzung       In Irsee begann die Zivilbesitznahme am 29. Novem-
vorzunehmen. Da aufgrund der politischen Lage Eile            ber. Durchgeführt wurde sie von dem Landrichter von
geboten war, erfolgte schon am 23. Juli die Wahl eines        Türkheim Alois von Predl (1765–1818), der noch einen
Nach­folgers. Sie stand unter der Leitung des bischöf-        Aktuar (Kanzleischreiber) mitbrachte. Nachdem man
lichen Offizials und Domherrn Nicolas von Palmer; als         das Mittagsmahl eingenommen hatte, ließ er das Irseer
Skrutatoren fungierten Grieninger und der Füssener            Kanzleipersonal, den Oberamtmann, den Kanzleirat,
Abt Aemilian Hafner, der diese Aufgabe bereits 1784           den Sekretär und den Forstaufseher, die zuvor vom
bei der Wahl Grieningers übernommen hatte. Am Tag             Abt von ihren bisherigen Pflichten entbunden wurden
darauf fuhren die beiden mit dem Neugewählten, dem            waren, den Treueeid auf den bayerischen Kurfürsten
bisherigen Prior Paulus Alt, zu dem Augsburger Bischof        ablegen. Anschließend musste alles in den vier Kassen
Clemens Wenzeslaus in dessen Sommerresidenz nach              des ­Klosters (Abtei, Priorat, Großkellerei und Küchen­
(Markt-)Oberdorf, wo der neue Abt am 25. Juli die             meisterei) vorhandene Geld säuberlich getrennt in eine
Weihe empfing. Am 18. August begab sich Grieninger            eiserne Truhe gelegt werden, die von Predl versiegelt
ein letztes Mal nach Ottobeuren, um zum Abschluss             wurde. Am nächsten Tag wurden auch die Bediensteten
der Trauerfeierlichkeiten für Abt Honorat Göhl ein fei-       des Klosters auf den Kurfürsten vereidigt. Alle Schränke
erliches Seelenamt, den sogenannten Dreißigsten, zu           der Kanzlei, die Bibliothek, das Museum mathematicum,

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die Küsterei (Sakristei) und das Archiv wurden versie-       er ein kurfürstliches Dekret, mit dem ihm eine Stelle als
gelt. Zudem nahm der Landrichter in der Abtei ein Ver-       Rat am neu zu errichtenden Oberappellationsgericht in
zeichnis der Pektoralien (Brustkreuze), Ringe und Ketten     Ulm zugesichert wurde. Jedoch musste er zumindest
des Prälaten auf. Die nächsten Tage brachte man mit der      noch so lange in seinem Amt als Administrator des
Inventarisierung der gesamten beweglichen Habe des           Klosters verbleiben, bis dessen Auflösung durch die
Klosters zu. Erfasst werden mussten die Getreide­vorräte,    Verpachtung der Liegenschaften und die Versteigerung
die Gerätschaften in der Küche, dem Brauhaus, der Küfe-      der Mobilien abgeschlossen war. Zu deren Vorbereitung
rei, der Kellerei und den Stallungen samt dem Vieh- und      begannen dazu ernannte Schäzmänner am 24. Februar
Pferdebestand sowie alle Kutschen und Wagen. Das-            mit der Bewertung des Tierbestands und der beweg­
selbe geschah in den beiden Gutshöfen Bickenried und         lichen Güter im Kloster sowie in Bickenried und Röhr-
Röhrwang sowie mit den Lagerbeständen in den Zehent-         wang. Ebenso wurden die Frondienste der Untertanen
stadeln. Zudem musste der Kustos das Kirchensilber und       und die sogenannten Seefuhren der Wirte, das heißt die
die Paramente verzeichnen. Der Abt, der Großkeller und       Transporte von den Weingütern am Bodensee, in Geld
der Küchenmeister hatten unterdessen eine Übersicht          umgerechnet. Zur Durchführung der Verpachtungen und
über die Einnahmen und Ausgaben der letzten zehn             Versteigerungen trafen am 7. März der Landesdirektions-
Jahre sowie eine aktuelle Aufstellung der Aktiva und Pas-    rat Joseph von Schilcher aus Ulm und der Rentamtsver-
siva anzufertigen. Als dies alles am 10. Dezember fertig     walter Johann Michael Leixl aus Illertissen ein. Nachdem
war, besichtigte von Predl die Zellen der Konventualen;      zuerst die Ablösung der Frondienste erfolgt war, wurden
jeder Mönch musste angeben, welche Gegenstände sein          das Bräuhaus an den bisherigen Klosterbraumeister und
Privat­eigentum waren und welche dem Kloster gehör-          der Ziegelstadel an den Ziegler verpachtet. Danach war
ten. Am Tag darauf wurde ein Inventar der Ausstattung        die Verteilung der Äcker und Wiesen des Klosters an der
der Abtei aufgenommen. Dabei wurde auch die Kasse            Reihe. Dazu mussten alle Gemeindemitglieder von Irsee
der Rosenkranzbruderschaft geprüft; ihre Verwaltung          auf der Kanzlei erscheinen und jeder erhielt einen Jau-
beließ von Predl weiterhin in den Händen des Abtes.          chert (Tagwerk) zur Pacht. Am 11. und 12. März fand die
Am Ende seines fast dreiwöchigen Aufenthalts öffnete         Verpachtung der Höfe Bickenried und Röhrwang statt.
er noch einmal die versiegelte Geldtruhe, um die für die     Die Gärten des Klosters pachtete der Gärtner; die Nutz-
vier Kassen des Klosters zuständigen Patres mit einem        nießung der Obstbäume wurde den Mönchen überlas-
Handgeld für dringende Ausgaben zu versehen. Vor sei-        sen. Am 14. begannen die Versteigerungen. Als Erstes
ner Abreise am 16. Dezember rief er alle Konventualen        wurde der gesamte Tierbestand, bis auf zwei Pferde, die
in der Abtei zusammen und stellte ihnen den bisherigen       die Konventualen behalten durften, ver­äußert, ebenso
Oberamtmann von Bannwarth als neuen Administrator            die Wagen und die Geschirre. Schon am Tag darauf reiste
des Klosters vor. Die Rechnungsbücher der Abtei, der         der Landesdirektionsrat von Schilcher wieder ab und
Großkellerei und der Küchenmeisterei sowie die Kata-         übertrug die weiteren Versteigerungen dem Rentamts-
loge der Bibliothek ließ er in das Archiv bringen, das       verwalter Leixl, der aber wegen anderer Geschäfte nur
anschließend wieder versiegelt wurde. Nachdem er ein         zwei Tage später Irsee ebenfalls verließ und die Fortset-
letztes Mal zu Mittag gegessen hatte, fuhr man ihn mit       zung der Verkäufe an den Administrator von Bannwarth
einem Irseer Wagen nach Hause 75.                            delegierte76 .
Die von Predl ausgefertigten Inventare und Protokolle        Bei diesem gingen am 23. März drei Reskripte der
wurden an die Landesdirektion in Schwaben mit Sitz in        Landes­direktion ein. Das erste betraf die Bedienste-
Ulm eingesandt. Von dieser für die Verwaltung der an         ten des Klosters, die mit sofortiger Wirkung aus dem
Bayern übergegangenen Gebiete neu eingerichteten Mit-        Dienst entlassen wurden. Ihnen wurde eine jährliche
telbehörde erhielt man am 9. Januar 1803 ein Re­skript       Pension zuerkannt, die sich nach der Höhe ihrer bis-
(Bescheid), das neue Fassionen [Erklärungen], und            herigen Bezüge richtete. Die Naturalleistungen, die sie
genauere Verzeichniße über alle Zweige der Revenüen          bislang empfingen, wurden abgeschafft. In dem zwei-
[Einkünfte] des Klosters und der Landschaft sollen ver-      ten Reskript wurde die vorläufige Pension des Abts auf
fertiget, und eingeschikt werden. Damit der Adminis­         5 Gulden pro Tag festgesetzt. Laut dem dritten Reskript
trator von Bannwarth und der Großkeller Schelle diese        erhielten die Konventualen vorläufig 1 Gulden Kostgeld
Aufgabe erledigen konnten, mussten ihnen von Predl die       täglich. Es wurde ihnen erlaubt, in der Klostergemein-
benötigten Unterlagen, die sich im versiegelten Archiv       schaft zu verbleiben und ihre geistlichen Funktionen
befanden, herausgegeben werden. Als die neuen Auf-           weiter auszuüben. Zugleich wurde aber jedem freige-
stellungen am 8. Februar fertig waren, wurden sie per        stellt, das Kloster zu verlassen. Dies musste jedoch
Eilboten nach Ulm geschickt. Noch während Bannwarth          bei der Landesdirektion beantragt werden, der auch
mit dieser verdrüsslichen Arbeith beschäftigt war, erhielt   der neue Aufenthaltsort und die künftige Tätigkeit mit-

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