GMSA info - Offensive des Bundesrates gegen die schweizerische Landwirtschaft - Januar 2018 - Bonvita

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                                                  Janu be
                                                      a
                                                   2018 r

                           Kundenzeitung der Groupe Minoteries SA

Offensive des Bundesrates
gegen die schweizerische Landwirtschaft
GMSA info - Offensive des Bundesrates gegen die schweizerische Landwirtschaft - Januar 2018 - Bonvita
GMSAinfo                                                                                                        Januar 2018

Editorial
                         „Freie Märkte für landwirtschaftliche Produkte führen nicht zu befreiten Bauern, sondern
                         zur Befreiung der Schweiz von ihren Bauern.“ (Zitat von Prof. Dr. Mathias Binswanger)

                         Die in einem Pariser Palais residierende OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
                         Entwicklung), welche von 35 Industrienationen getragen wird, kann sich in den jährlichen Länder-
                         berichten jeweils nicht verkneifen, auch über die schweizerische Agrarwirtschaft ein Urteil anzu-
                         massen. Erwartungsgemäss wird denn auch die Landwirtschaft der Schweiz – neben vielen anderen
                         „gut meinten Empfehlungen“ der Technokraten, die mit den Besonderheiten der Agrarproduktion
                         unseres Landes in keiner Weise vertraut sind und selbstverständlich auch den Verfassungsauftrag
grosszügig ausblenden („Landwirtschaftsartikel“ BV 104) – zerzaust. Die dem neoliberalen Gedankengut verhafteten
Printmedien unseres Landes drucken alsdann ziemlich unkritisch und wenig bis kaum reflektiert die jeweiligen Empfehlungen
ab. Und wie könnte es anders sein, übernehmen nicht wenige unserer Magistraten und Bundesbehörden diese Ratschläge
fast ungefiltert 1:1 und verweisen dann fast genüsslich auf den starken „internationalen Druck“, welcher uns „leider“
geradezu dazu zwinge, die schweizerische Agrarwirtschaft dem freien Spiel der Marktkräfte zu überlassen. Zudem – und dies
entbehrt nicht einer gewissen Ironie – werden die Akteure der schweizerischen Landwirtschaft von rechtsliberalen Kreisen
im Stile von economiesuisse/Avenir Suisse etc. regelmässig als Exoten, Hinterwäldler und Ewiggestrige dargestellt, die nach
Auffassung dieser Organisationen schon längst zur Schlachtbank hätten geführt werden sollen.

Doch so isoliert wie dies dargestellt wird, sind wir nicht. In Norwegen – einem in vieler Hinsicht vergleichbaren Land mit der
Schweiz („Karge Böden, kleine Höfe, hartes Klima“*), mit dem uns zudem auch eine gewisse Wesensverwandtschaft
verbindet – kostet einen Liter Milch im Laden rund CHF 2.--*. (*NZZ, 16.11.2017). Die staatliche Unterstützung der
Bauern in Norwegen ist – notabene ebenfalls durch die OECD erhoben – fast identisch mit derjenigen der Schweizer
Bauern. Nur etwas unterscheidet uns ganz offensichtlich fundamental. Die Norweger stehen fast geschlossen hinter ihrer
agrarischen Wertschöpfungskette, was die Sprecherin des Bauernverbandes dieses Landes wie folgt zusammenfasst:
“... Aber es bestehe ein gesellschaftlicher Grundkonsens, dass man sich eine eigene Landwirtschaft leisten wolle, auch wenn
Norwegen gegenüber effizienter produzierenden Agrarländern strukturelle Nachteile habe.“ (NZZ, 16.11.2017). Wäre es
nicht langsam an der Zeit – was andere Länder auch innerhalb der rigiden und schulmeisterlich auftretenden EU schon längst
begriffen haben – unserer staatlichen Souveränität wieder mehr Raum zu lassen?

Marc Müller

Offensive des Bundesrates gegen
die schweizerische Landwirtschaft
(M.M.) Konrad Adenauer, der erste          79% der Stimmen angenommen                 tion, die ausserhalb unserer Landes-
deutsche Nachkriegs-Bundeskanzler,         wurde – interpretiere.                     grenze geschieht, braucht, damit
der bis 1963 im Amt war und dem            (BV Artikel 104a: „Zur Sicherstellung      wir die Ernährungssicherheit sichern
auch heute noch viel Bewunderung           der Versorgung der Bevölkerung             können. Das ist die Ergänzung zu
entgegen gebracht wird, soll einmal        mit Lebensmitteln schafft der Bund         den 60%. (Selbstversorgungsgrad)
gesagt haben: „Erinnern sie mich           Voraussetzungen für: Litera d grenz-       Es wird nichts gesagt von Freihan-
nicht daran, was ich gestern ge-           überschreitende Handelsbeziehun-           delsabsichten gegenüber der Europä-
sagt habe.“ FDP Bundesrat Johann           gen, die zur nachhaltigen Land- und        ischen Union…“ (Quelle: Schweizer
Schneider-Ammann dürfte diesen             Ernährungswirtschaft beitragen…“).         Bauer, 28.06.2017 unter Hinweis
Satz verinnerlicht haben. Anlässlich       „Gehe ich (NR Rösti), nachdem das          eines Kommentars des Bauernpräsi-
der Debatte im Nationalrat vom             Parlament hier auch den Agrarfrei-         denten Markus Ritter bzw. das Rats-
07.03.2017 befragte Nationalrat und        handel mit der EU abgelehnt hat,           protokoll).
Parteipräsident Albert Rösti den Chef      richtig in der Annahme, dass Litera        Am 01.11.2017, also nur fünf Wo-
des Departementes für Wirtschaft,          d nicht der Weg zum Freihandel mit         chen nach diesem fulminanten, fast
Bildung und Forschung (WBF), wie er        der EU ist? Ja oder Nein?“. Der Chef       präzedenzlosen Abstimmungserfolg,
den am 24.09.2017 zur Volksabstim-         des WBF antwortete: „Wir haben             welcher der schweizerische Bauern-
mung gelangenden Verfassungsarti-          diesen grenzüberschreitenden Handel        verband – und nicht der Bundesrat –
kel – der zwischenzeitlich mit einem       unter Bruchstabe d festgehalten, um        für sich reklamieren konnte, obwohl
überwältigendem Mehr von über              klarzumachen, dass es eine Produk-         die Stimmbürger nicht über den
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ursprünglichen Initiativtext, sondern     Der BR wirft damit den 152’000           NZZ: „Der Schritt Richtung offene
über den auf breiter politischer Front    Beschäftigten, die immerhin noch         Märkte tut der Landwirtschaft zwar
mitgetragenen Gegenvorschlag              52’000 landwirtschaftliche Betriebe      weh, aber bedroht nicht ihre Existenz
befragt wurde, publizierte der BR         bilden – wie auch mehreren Zehn-         per se. Im Gegenteil, er stärkt sie auf
den Bericht „Gesamtschau zur mit-         tausend KMU, die mit der Urproduk-       die Dauer. Der nächste Schritt dorthin
telfristigen Weiterentwicklung der        tion direkt oder indirekt verbunden      ist die Abstimmung am 24.09.2017.“
Agrarpolitik“, welcher die Rahmen-        sind – nicht nur den Fehdehandschuh      Nachdem diese Zweideutigkeiten/
bedingungen für die Agrarpolitik ab       vor die Füsse, sondern startet damit     Widersprüche offensichtlich wurden –
2022 skizziert. Die Zeitung Schweizer     geradezu einen Frontalangriff auf die    man vergleiche hierzu die Aussagen
Bauer vom 04.11.2017 kommentierte         Agrarwirtschaft. Bei der Pressekonfe-    des zuständigen Bundesrates in
diesen Bericht betont nüchtern, fast      renz, an welcher der Bericht vorge-      der parlamentarischen Fragestunde
lapidar aber mit gleichzeitig sichtlich   stellt wurde, hat der WBF-Chef denn      respektive diejenigen im vorgenann-
deprimiertem Unterton: „Die Schwei-       auch gesagt: „Die Landwirtschaft ist     ten Interview, die zudem auch nach
zer Landwirtschaft ist laut BR Johann     heute nicht nur mit hoher finanzieller   einer FDP-Veranstaltung von Gren-
Schneider-Ammann ein Hindernis für        Stützung unterwegs, sie hat auch ei-     chen (24.06.2017) an die Oberfläche
den Abschluss neuer Freihandels-          nen Grenzschutz, der nicht aufrecht-     gespült wurden – sprach die Presse
abkommen. Deshalb will der Gesamt-        erhalten werden kann.“ Das deckt         beschönigend von unterschiedlicher
bundesrat jetzt den Grenzschutz           sich mit einer Interview-Aussage des     „Deutungshoheit“, die jedes Lager für
abbauen.“                                 WBF-Chefs vom 08.07.2017 in der          sich beanspruche. Weniger elegant,
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                                                                                                           mit Nahrungsmitteln in der Schweiz
                                                                                                           ist denn auch im internationalen
                                                                                                           Vergleich rekordhaft tief und dürfte
                                                                                                           noch weiter sinken, wenn keine
                                                                                                           geeigneten Gegenmassnahmen er-
                                                                                                           griffen werden können. Der brillante,
                                                                                                           stets besonnen auftretende und
                                                                                                           seine Vorgänger weit überragende
                                                                                                           Bauernpräsident (Markus Ritter)
                                                                                                           kommentierte den auch verständli-
                                                                                                           cherweise mit einiger Verbitterung
                                                                                                           das gut konzertierte, generalstabs-
                                                                                                           mässig organisierte Täuschungsma-
                                                                                                           növer von Bern in der Samstagsrund-
                                                                                                           schau (04.11.2017) von Radio SRF:
                                                                                                           „Die Strategie, wie sie jetzt vorgelegt
                                                                                                           ist, werden wir nie akzeptieren. Wir
                                                                                                           sind auch nicht bereit, über diese mit
                                                                                                           dem Bundesrat zu diskutieren. Das
                                                                                                           ist etwas, das für den Papierkübel
                                                                                                           gemacht ist.“

                                                                                                           Doch noch ist nicht aller Tage Abend.
                                                                                                           Im vierten Quartal 2018 dürfte eine
                                                                                                           Vernehmlassung zur Agrarpolitik
                                                                                                           (AP22+) durchgeführt werden. Die
                                                                                                           entsprechende Botschaft soll dem
                                                                                                           Parlament im Sommer 2019 unter-
                                                                                                           breitet werden, damit die Gesetzes-
                                                                                                           und Verordnungsanpassungen – so
                                                                                                           das Drehbuch des Bundesrates – zu
                                                                                                           Beginn des Jahres 2022 in Kraft
                                                                                                           gesetzt werden können.
                                                                                                           Wenn man der ganzen Angelegen-
                                                                                                           heit ein positives Element abgewin-
                                                                                                           nen will, dann ist es sicherlich der
                                                                                                           zeitliche Ablauf. Ende 2019 stehen
                                                                                                           wir vor den Wahlen des eidgenössi-
                                                                                                           schen Parlamentes. Ausser den leider
                                                                                                           immer noch erstarkenden Neolibera-
             aber auf den Punkt gebracht, sollte        Ernährungsrundlage und damit die                   len, die keine anderen Werte kennen
             man vielmehr sagen: Die Initianten         Versorgung nicht noch stärker an das               wie alles und jedes dem freien Spiel
             der Ernährungsinitiative wurden von        Ausland zu delegieren. Nach wieder-                der Märkte überlassen zu wollen und
             denjenigen Kreisen, die den Gegen-         holten, sich immer wieder neu entfa-               einigen fehlgeleiteten unbelehrbaren
             vorschlag durchzusetzen wussten,           chenden Freihandelsdiskussionen und                Orthodoxen des gegenüberliegen-
             schlicht und einfach „über den Tisch       dem permanenten verbalen Trom-                     den politischen Spektrums wird sich
             gezogen“, weil bis zum Zeitpunkt des       melfeuer von elitären rechtsliberalen              das Gros der Bevölkerung für die
             Rückzugs der ursprünglichen Formu-         Wirtschaftskreisen gegen den Agrar-                Erhaltung der schweizerischen Land-
             lierung zugunsten der Gegenvorlage         standort Schweiz, hatten es die Bau-               wirtschaft und damit für die entspre-
             (Jahreswende 2016/2017) von wei-           ern verständlicherweise schlichtweg                chenden Volksvertreter aussprechen.
             teren Grenzöffnungen nie die Rede          satt, weiterhin mit diesen unsicheren              Damit ist die Wahrscheinlichkeit
             war. Denn nicht Litera d des Artikels      Rahmenbedingungen konfrontiert zu                  gross, diesen überbordenden Frei-
             104 BV stand im Zentrum der Ab-            sein. Einige Hoffnung wurde damit                  handelsphantasien, die auf verschlun-
             stimmungsvorlage, sondern vielmehr         in eine weitere Verstärkung des                    genen Pfaden immer wieder Eingang
             die Sorge der Landwirtschaft, eine         Verfassungsartikels (BV 104) gesetzt,              in das „Palais fédéral“ finden, Einhalt
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             Nahrungsmittelproduktion schwei-           der das eigentliche Fundament der                  gebieten zu können.
             zerischer Provenienz auch inskünftig       schweizerischen Agrarproduktion
             aufrecht erhalten zu können, um die        bildet. Der Selbstversorgungsgrad

                                      Groupe Minoteries SA, Route des Moulins 31, 1523 Granges-près-Marnand, minoteries.ch
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