Schwere Anschuldigungen: Zwei extremer - Volksverpetzer

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Schwere Anschuldigungen: Zwei
Fälle      von      extremer
Polizeigewalt bei Klima-Demo
in Wien

Die Klima-Demo und ihre Folgen
Der in München lebende Anselm Schindler ist im Web derzeit der
wohl bekannteste Demonstrations-Teilnehmer – wenn auch aus
unerfreulichen Gründen.

Er nahm als Journalist an der Klima-Demonstration teil, die
vom Bündnis Ende GeländeWagen organisiert wurde. Sie fand in
zeitlicher Nähe zur Fridays for future Demo statt, bei welcher
auch Greta Thunberg eine Rede hielt. In Wien wurde die größte
Klima-Demonstration aller Zeiten erwartet und es nahmen
schlussendlich über 35.000 Menschen teil. An der kleineren
anderen Demonstration, um die es hier geht, nahmen circa 5.000
Menschen teil. Teilnehmende der Fridays for future-
Demonstration sind zum Teil im Anschluss zur Demo Ende
GeländeWagen hinzugestoßen, es gab Überschneidungen bei den
Teilnehmenden. Anselm Schindler nahm eigentlich nur als
Journalist am Rande des Geschehens teil, filmte die Auflösung
einer Sitzblockade und wurde dann plötzlich der prominenteste
Demo-Teilnehmer in Wien. Im Laufe der Demonstration wurde er
dann in Gewahrsam genommen und am Folgemorgen um 7 Uhr
entlassen.

Grundsätzlich dürfen Personen in Österreich nur maximal 24
Stunden zur Identitätsfeststellung inhaftiert werden. Gelingt
es den Behörden in der Zeit nicht die Person eindeutig zu
identifizieren, so muss diese freigelassen werden.

Die Demonstration lief in Anbetracht der Zahl der
Teilnehmenden (35.000) weitestgehend friedlich ab, es gab
lediglich eine Besetzung des Wiener Rings durch den Bau eines
Tripods welcher von zwei Aktivist*innen besetzt wurde. Auch
haben sich zwei weitere Personen von einer Brücke abgeseilt.
In der Pressemeldung der Polizei Wien ist die Rede von 96
festgenommenen Personen, davon 94 Personen wegen
„verwaltungsstrafrechtlichen Übertretungen“ und zwei Personen
wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Die Initiative „RADikal Autofrei“ bzw. „Ende GeländeWagen“
dokumentiert einen Angriff     auf    den   Journalisten   Anselm
Schindler auf diesem Video:

 *Trigger Warnung #Polizeigewalt*
 Auf diesem Video sieht man           nochmal   deutlicher,   wie
 @AnselmSchindler s Kopf beinahe überrollt wird.
 Er stand am Bürgersteig, um journalistische Arbeit zu machen
 und die Aktion auf diese Weise zu unterstützen. (1/2)
 pic.twitter.com/zobclp5u2X

 — Ende GeländeWagen (@RADikalAutofrei) June 4, 2019

hier aus einer anderen Perspektive:

 #Polizeigewalt war bei unserem antikapitalistischen Klima-
 Protest am Freitag kein Einzelfall. Auf diesem Video sieht
 man, wie ⁦@AnselmSchindler⁩ brutal auf dem Boden fixiert wird
 und beinahe ein Polizeiwagen über seinen Kopf rollt.#Wien
 #autofrei #Klimacamp2019 pic.twitter.com/jDiI646QH8
— Ende GeländeWagen (@RADikalAutofrei) June 3, 2019

Scheinhinrichtung                   oder        absurde
anschuldigungen?
Twitter-User bezeichnen das Vorgehen der Polizei Wien als sog.
„Scheinhinrichtung“, die Polizei Wien erklärt in einer
Pressemeldung:

 Die medialen Darstellungen der Ereignisse entbehren teilweise
 dem Grundsatz einer objektiven und faktenbasierten
 Berichterstattung. Insbesondere die Kommentare und Vorwürfe
 des gestern in den Medien veröffentlichten Videos rund um
 eine Festnahme neben einem Polizeibus lassen sich mit diesem
 Grundsatz nicht in Einklang bringen. Betont wird in diesem
 Zusammenhang auch, dass die Unschuldsvermutung nicht nur für
 alle angezeigten Personen, sondern auch für Polizistinnen und
 Polizisten im Dienst gilt.
 Die teils absurden Anschuldigungen gegen die Wiener Polizei,
 die in diversen sozialen Netzwerken kursieren, werden aufs
 Schärfste zurückgewiesen. (Quelle: Presseaussendung Polizei
 Wien)

Oliver von Dobrolowski, selbst Polizist und bekannt für seine
Kritik an den eigenen Kolleg*innen, legte dar wieso der Kopf
sich definitiv unter dem Fahrzeug befunden haben muss:

 Mir wäre es lieber, Sie hätten recht.
 Aber schauen Sie auf das Foto: der rechte Beamte hat sein
 linkes Knie (welches im Nacken der Person sitzt) noch hinter
 dem rechten Knie, und dieses befindet sich schon im
 Radkasten…
Deutlich.
 Und      nein:   so     fixiert            man   niemanden.
 pic.twitter.com/33oUgGwjE2

 — Oliver von Dobrowolski (@vonDobrowolski) June 4, 2019

„die quati“ belegt seine Position unter dem Auto ebenfalls:

 kopf war nicht unter dem auto?
 doch. war er. pic.twitter.com/37vvd3ug3d

 — die quati (@KatQuat) June 4, 2019

Die folgen dieses einsatzes
Anselm Schindler reagierte nach seiner Haftentlassung recht
besonnen. Er retweetete Postings der Demo und auch das Video
in dem er selbst am Boden liegend zu sehen ist. Erst am Montag
bilanzierte er das Geschehen vom Freitag wie folgt:

 Die Polizeiwillkür beim Aktionstag vom #Klimacamp2019 in
 #Wien ist kein Ausrutscher sondern Ausdruck des Rechtsrucks.
 Europas Regierungen haben keine effektiven Lösungen für die
 #Klimakrise anzubieten, deshalb reagieren sie auf unsere
 Proteste mit autoritärem Gehabe. (1/2)

 — Anselm Schindler (@AnselmSchindler) June 3, 2019

Gestern Abend, nachdem die Videos viral gingen, schrieb er:

 "Schrei doch, dir glaubt eh keiner" – der Satz eines Beamten
 als er mir den Arm bis zum Anschlag nach hinten dreht.

 Glaube er hat sich getäuscht #WienAutofrei #Polizeigewalt
 #EndeGeländewagen #FFF #ClimateJustice #EndeGelände
— Anselm Schindler (@AnselmSchindler) June 4, 2019

Nicht nur verdrehte man seinen Arm bis zum Anschlag nach
hinten, auch die Handfesseln legte man nach seiner Aussage zu
eng an, was er mit folgendem Foto belegt:

 Eines meiner Handgelenke nach der Festnahme. Frage an die
 Wiener Polizei: Gibt es einen speziellen Grund dafür, die
 Handschellen so eng anzulegen, dass es einem die Hände
 abschnürt? #EndeGeländewagen #WienAutofrei #Polizeigewalt
 #FridaysForFuture pic.twitter.com/XjXM2693CC

 — Anselm Schindler (@AnselmSchindler) June 4, 2019

ein zweiter fall von polizeigewalt
Vor dem jetzt bekannt gewordenen Video gab es bereits ein
anderes Video von der selben Demonstration an einer anderen
Stelle. Auch hier war Florian Klenk vor Ort und filmte die
Situation, in welcher ein Polizist immer wieder zu den (erst
drei, später fünf) fixierenden Polizisten rief: „In die
Nieren! In die Nieren!“

 Was passieren müsste. Sofortige Einvernahme aller Polizisten
 und Passanten durch einen Staatsanwalt zwecks Verhinderung
 von Verabredung. Entscheidung über Anklage binnen dreier
 Monate. Bis dahin Suspendierung aller Beteiligten. Was
 passieren wird: nix pic.twitter.com/ACVqwK8IiD

 — Florian Klenk (@florianklenk) June 1, 2019

Zwei weitere Polizisten drehen dem Vorgang den Rücken zu, sehr
wahrscheinlich um die fixierenden Beamten vor Zugriffen durch
weitere Demonstrationsteilnehmer zu schützen / abzuschirmen.
In den Richtlinien für das Einsatztraining der Polizei sind
Fauststöße zwar als Zwangshandlung vorgesehen, ob sie in
diesem Fall jedoch notwendig waren und dann auch noch in die
Nieren erfolgen sollten, sei dahingestellt. Auch diese Person
wurde bis Samstag früh in Gewahrsam genommen und dann
entlassen. Eine Bestätigung über einen erlittenen
Mittelhandknochenbruch haben wir derzeit nicht vorliegen.

Folgen für die polizisten
Es   ist   unklar,   welche   Folgen   diese   Angriffe   auf   die
Demonstranten für die Polizisten haben werden. Zunächst einmal
muss man die Polizisten anzeigen und identifizieren. In
Österreich gibt es jedoch keine Kennzeichnungspflicht für
Polizisten: „Für die österreichische Polizei besteht keine
Kennzeichnungspflicht. Polizeibeamte sind verpflichtet, auf
Wunsch ihren Dienstausweis zu zeigen oder ihre Dienstnummer
offenzulegen, sofern sie dies nicht bei der Erfüllung ihrer
aktuellen Aufgabe behindert.“ (Quelle: Kennzeichnungspflicht,
Wikipedia).

Zumindest das zweite Video wurde mittlerweile an das Referat
für besondere Ermittlungen weitergeleitet Der prügelnde Beamte
wurde mit sofortiger Wirkung in den Innendienst versetzt. Da
dieses Referat aber selbst Teil der Polizei Wien ist,
bearbeiten nun Arbeitskollegen der Polizisten diesen Vorfall.
Eine ähnliche Problematik gibt es auch in Deutschland, wobei
manche Bundesländer bereits fortschrittlicher waren oder nun
neue Bestrebungen unternehmen, um unabhängige Instanzen zu
implementieren.       Forderungen      nach    unabhängigen
Beschwerdestellen gibt es schon seit vielen Jahren, Amnesty
International beispielsweise verweist auf das Beispiel der
USA: dort gibt es unabhängige Polizeibeschwerdestellen, welche
ermitteln und eigenständig Zeug*innen vorladen dürfen. Die
Zeitung ‚Die Zeit‘ schrieb am 07. Juli 2014:

 Oder, analog zum Datenschutzbeauftragen, einen für die
 Polizei – der könnte neben konkreten Ermittlungen zu
einzelnen Fällen auch Empfehlungen für strukturelle
 Veränderungen geben. In Rheinland-Pfalz soll dieses Modell
 nun erprobt werden.

 In Hamburg gab es eine von der Polizei unabhängige
 Beschwerdestelle, die durchaus erfolgreich arbeitete. Bis im
 Jahr 2001 die rechtspopulistische Partei Rechtsstaatlicher
 Offensive an die Macht kam und der Innensenator Ronald Schill
 die Kommission auflöste. (Quelle: Zeit.de)

Das Austrian Center for Law Enforcement Sciences gelangt in
seiner Studie zur Gewalt durch Exekutivbeamte zu dem Ergebnis,
dass Misshandlungen durch Exekutivbeamte selten vor Gericht
landen. Sie werden in den meisten Fällen spätestens durch die
Staatsanwaltschaft eingestellt. (Studie des ACLE)

Update 06.06.2019
Die Polizei Wien verkündet auf twitter, dass es bei einem der
beiden Videos „tatsächlich“ so aussähe als läge der Kopf unter
dem Polizeibulli. In Anbetracht der Aussage von Freitag, dass
es sich um absurde Anschuldigungen handle, stellt sich
durchaus die Frage, mit welcher Begründung diese Aussage
verfasst wurde. Zunächst einmal pauschal alles zu dementieren
und zurückzuweisen, wirkt nicht sehr professionell und
vertrauenerweckend.

 Diese Videoperspektive zeigt tatsächlich eine gefährliche
 Situation. Unabhängig von der bereits eingeleiteten
 strafrechtlichen Überprüfung wird dieser Vorfall im Zuge
 einer Evaluierung in die Einsatztaktik und das
 Einsatztraining einfließen. https://t.co/FBSPV9AL4g

 — POLIZEI WIEN (@LPDWien) June 5, 2019
polizisten als gewalttäter
Regisseur Stefan Lukacs veröffentlichte 2018 mit den Film
‚Cops‘ bereits seinen zweiten Film zum Thema Gewaltexzesse
bei (österreichischen) Polizeibeamten. In Deutschland
zeichnete man den Spielfilm mit insgesamt drei Preisen aus.
Der erste Teil ‚VOID‘ ist mittlerweile fester Bestandteil der
Polizeiausbildung.

Martha Krumpeck, Teil der Fridays for Future-Bewegung zeigte
sich ebenfalls entsetzt:

 Wir sind im Übrigen zutiefst schockiert über das Vorgehen der
 österreichischen Polizei gegen gewaltfrei protestierende (und
 blockierende) Menschen und fordern eine umgehende, lückenlose
 Aufklärung sämtlicher Fälle. Unser Mitgefühl gilt den Opfern.

Es sollte im Interesse der österreichischen Polizei sein,
beide Fälle möglichst schnell und umfassend aufzuklären. Ein
weiterer Vertrauensverlust in die Institution sollte dringend
vermieden werden.

Artikelbild: Screenshots twitter.com

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