Jedem Vogel seinen Familiensitz
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UMWELT Amseln sind Freibrüter. Einheimische Bäume dienen ihnen nicht nur als Neststandorte, sondern auch als Singwarten, wie diesem singenden Männchen. Foto: Mirko Graul / Shutterstock Jedem Vogel seinen Familiensitz Gärtenel In einem vogelfreundlichen Garten spielen der Erhalt sowie für Vög die Bereitstellung von Nistmöglichkeiten eine zentrale Rolle. Unsere Vögel haben allerdings unterschiedliche Ansprüche an ihre Brutplätze. Mit vielfältigen Nistmöglichkeiten und einem reichen Nahrungsangebot kann man eine breite Palette von Vögeln in einen Garten locken. Text: Martina Schybli* Seit einiger Zeit erklingt frühmorgens in gebrütet wird, beim Weibchen. Amseln sind oder Obstspalieren. Gerade Amseln nutzen den Gärten wieder ein Konzert. Es sind die in der Wahl des Neststandortes relativ viel- solche geschützten Plätze gerne als Nest- Amselmännchen, die ihren flötenden Ge- seitig. Beliebt sind Sträucher, Bäume und standort. Bei der Umgebungspflege kann auf sang vortragen. Zusammen mit dem Haus- Kletterpflanzen wie beispielsweise Efeu, aber die Bedürfnisse von Freibrütern Rücksicht rotschwanz und dem Rotkehlchen zählt die auch in Asthaufen oder Holzstapeln wird genommen werden, indem man Sträucher Amsel zu den Frühaufstehern unter den gebrütet. Das Weibchen baut das Nest auf ausserhalb der Brutzeit schneidet und Efeu Siedlungsvögeln. Sie beginnt bereits vor einer festen Unterlage, beispielsweise einer an Bäumen belässt. Tagesanbruch zu singen. Astgabel. Auch sollte die Stelle von oben etwas geschützt und gut versteckt liegen. Da … und was Höhlenbrüter brauchen Worauf Freibrüter Wert legen … das Nest nicht in einer Höhle oder Nische, Es brüten jedoch längst nicht alle Vogel- Was in unseren Ohren lieblich und sorglos sondern relativ frei angelegt wird, zählt man arten frei im Geäst oder auf dem Boden. klingt, ist in Wirklichkeit eine ernste Sache: die Amsel zu den sogenannten Freibrütern. Manche Arten ziehen ihre Brut in einer Der Gesang dient nämlich der Revierver- Zur Förderung von Freibrütern nützt das Höhle auf, unter ihnen beispielsweise der teidigung. Die Männchen machen damit Anbringen von Nistkästen nichts. Sie brau- Star, der Kleiber sowie die Kohl- und Blau- ihre Ansprüche auf ein bestimmtes Gebiet chen Bäume oder Sträucher wie beispiels- meise. Die höhlenbrütenden Arten unter geltend, und sie versuchen, die Weibchen zu weise den Schwarzen Holunder (Sambucus den Singvögeln zimmern die Bruthöhlen bezirzen. Hat sich ein Amselpaar gefunden, nigra) und den Weissdorn (Crataegus sp.). allerdings nicht selbst, sondern nutzen eine so beginnt die Suche nach einem passenden Eine weitere Option sind Fassadenbegrü- alte Spechthöhle oder bereits bestehende Nistplatz. Dabei liegt die Entscheidung, wo nungen mit einheimischen Kletterpflanzen Hohlräume, die beispielsweise durch das 26 5/2021
Abbrechen eines Astes entstanden sind. Erst Achtung Störung 1,5 Metern Höhe einen Katzenabwehrgürtel an älteren Bäumen sind solche Hohlräu- Vögel bei der Jungenaufzucht beobachten um den Stamm zu legen. Bei der Montage me zu finden. Leider werden gerade älte- zu können, ist ein faszinierendes Erleb- sollte der Kasten ferner so platziert wer- re Bäume aus Sicherheitsgründen, wegen nis. Die Brutzeit ist für die Vogeleltern den, dass er im Halbschatten liegt und das Schattenwurfs, um Platz für Überbauungen allerdings eine anstrengende und sensible Einflugloch auf die wetterabgewandte Seite zu gewinnen und aus Gründen des Auf- Phase. Zu starke Störungen können dazu zeigt. wands für den Unterhalt oft gefällt. Auch führen, dass sich die Vogeleltern über eine Schlupflöcher sowie höhlenartige Nischen gewisse Zeit nicht mehr trauen, die Jungen Nische gesucht in Hausfassaden und unter Dächern gehen zu versorgen, oder im schlimmsten Fall die Nebst Höhlenbrütern, die möglichst ge- anlässlich von Sanierungen zunehmend ver- Brut sogar verlassen. Man sollte daher die schützt und im Dunkeln brüten, und Frei- loren. An modernen Häusern gibt es ausser Vögel möglichst nicht stören und insbe- brütern, die im Gehölz versteckt, aber den den Storenkästen keine solchen Strukturen sondere Nistkästen während der Brutzeit Elementen ausgesetzt brüten, gibt es noch mehr. Wohl deshalb nutzen Meisen und nicht öffnen. eine dritte Gruppe, nämlich die Nischen- Haussperling daher öfters auch Storenkäs- Das Brutgeschehen von Singvögeln oder Halbhöhlenbrüter. Sie nutzen ge- ten zum Brüten. ist zudem durch das Jagdgesetz (Art. 17, schützte, aber nicht komplett umschlossene Wer Höhlenbrüter fördern möchte, kann Abs. 1, Buchstabe b) geschützt. Auch bei Nischen. Beispielsweise nisten sie zwischen Nistkästen aufhängen. Die Grösse des Ein- allfälligen Reklamationen aufgrund von Dachbalken und Hauswand, in Hohlräu- befürchteter Verschmutzung oder Lärm fluglochs wird darüber entscheiden, welche men unter Dachziegeln und in Lücken von darf das Brutgeschäft der Vögel nicht ge- Vogelart die Wohnung beziehen kann: Kohl- Mauern. stört werden. meise und Haussperling können Nistkästen An traditionellen Gebäuden und Gebäu- mit Einfluglöchern von 30 bis 32 Milli- deruinen fanden sich früher zahlreiche Ni- metern Durchmesser nutzen, die kleineren schen. Heutzutage jedoch werden ältere, Blau- und Sumpfmeisen hingegen bevorzu- nischenreiche Gebäude oft saniert – oder gen Löcher mit 26 bis 28 Millimeter Durch- gleich ganz abgerissen, um modernen Bau- messer. Für den deutlich grösseren Star sind ten Platz zu machen. Dadurch verschwinden dagegen Einfluglöcher mit 50 Millimeter lerweise wählt man einen Standort aus, der für Nischenbrüter mögliche Neststandorte. Durchmesser angebracht. Im Optimalfall von uns Menschen nicht allzu stark began- Abhilfe kann teilweise mit Nistkästen ge- kombiniert man in einem Garten Nistkäs- gen wird. Ist dies nicht möglich oder sind schaffen werden, wobei verschiedene Mo- ten mit mehreren Lochgrössen, sodass ver- Beschädigungen zu befürchten, so empfiehlt delle im Handel sind. Je nach Konstruktion schiedene Arten profitieren können. es sich, den Nistkasten eher höher anzubrin- des Gebäudes reicht aber manchmal bereits Nistkästen können an Bäumen oder an gen. Dort, wo viele Katzen leben, empfiehlt eine zirka 20 Millimeter dicke, möglichst in Fassaden montiert werden. Die Idealhöhe es sich, den Kasten nicht direkt entlang des einer Ecke an die Wand geschraubte Platt- liegt zwischen 1,8 und 3 Metern. Optima- Hauptstamms aufzuhängen oder auf zirka form aus Holz. → Der Star ist ein Höhlenbrüter. Nistplätze findet er in älteren Bäumen, beispielsweise wenn Der Buchfink (im Bild ein Weibchen) platziert Äste herausgebrochen sind oder Spechte eine Höhle gemeisselt haben. Höhlenbäume sein Nest gerne in Astgabeln oder auf Ästen. sollten möglichst erhalten werden. Fotos: Marcel Burkhardt Fotos: Detyukov Sergey / Shutterstock 5/2021 27
Serie «Gärten für Vögel» (ur) Die Grüne Branche kann viel un- ternehmen, damit sich Vögel in unseren Gärten wohlfühlen. Vor allem benötigen sie Nahrung sowie geschützte Nist- und Schlafplätze. Eine Serie von Artikeln in lo- ser Reihenfolge setzt sich mit verschiede- nen Aspekten rund um den vogelfreund- lichen Garten auseinander. Gärtner und Gartenbauer finden darin nützliche Tipps zur Gestaltung und Bepflanzung von Grünanlagen. Diese können sie auch in die Beratung von Hausbesitzern und Ver- antwortlichen für öffentliche Grünräume einbringen. Der Artikel in der nächsten Ausgabe von g’plus thematisiert, wie mit Wildpflan- Traditionelle Gebäude weisen oft zahlreiche Nischen auf. Diese sind attraktiv für Hausrotschwanz, zen generell die Artenvielfalt im Garten Grauschnäpper und Bachstelze. Illustration: Verena Meierhans / Schweizerische Vogelwarte gefördert werden kann. Die Beiträge zur Artikelserie sind im Web gesammelt un- ter: www.gplus.ch → Dossiers → Gärten für Vögel Zu guter Letzt: Hängt man im Garten und am Gebäude verschiedene Nistkasten- typen (Nischenbrüterkasten sowie Höh- lenbrüterkästen mit unterschiedlichen Lochgrössen) auf, so kann man mehreren Vogelarten Brutplätze anbieten. Neben dem Familiensitz brauchen die Vögel aber auch ein ausreichendes, verlässliches und viel- fältiges Nahrungsangebot in der Nähe des Nests. Kohlmeiseneltern bringen alle zwei bis drei Minuten eine Futterportion ans Nest, fliegen über die ganze Brutzeit gesehen also über 2000 Mal ans Nest. Wenn die Nahrung nur spärlich vorhanden ist und von weit hergebracht werden muss, vergrös- Links: Für Blaumeisen empfehlen sich Nistkästen mit einer Lochgrösse von 26 bis 28 Millimeter. sert dies den elterlichen Aufwand. Damit Foto: David Johnstone-Wright / Shutterstock verkleinert sich die Überlebenschance der Rechts: Nistkästen für Nischenbrüter wie den Hausrotschwanz können beispielsweise unter Nestlinge, weil die Eltern lange weg blei- vorstehenden Dächern platziert werden (Modell der Vogelwarte). Foto: Schweizerische Vogelwarte ben und weniger Futterportionen bringen. Da die meisten Singvögel ihre Jungen mit Insekten füttern, sind naturnahe Gärten, welche die Insektenvielfalt fördern, eine Theorie und Praxis deren tierischen Untermietern genutzt. So wichtige Voraussetzung für das Gedeihen Wer Nistkästen aufhängt, sollte einige Din- können sich beispielsweise Hummeln, Hor- der Jungen. Gleichzeitig wird mit dem na- ge bedenken: Erstens gibt es nie eine abso- nissen und Siebenschläfer ansiedeln. Auch turnahen Garten das Angebot an Nistmög- lute Garantie, dass das Angebot auch ange- sie brauchen Hohlräume und sollten daher lichkeiten für die Freibrüter erhöht. nommen wird. Mit einem klug gewählten toleriert werden. Standort kann man die Aussichten auf Er- Mindestens ebenso wichtig wie die Ins- folg erhöhen. Vögel urteilen jedoch manch- tallation von Nistkästen ist zudem der Er- * Martina Schybli ist Tierärztin und ausgebildete mal nach anderen, für uns nicht unbedingt halt von bestehenden natürlichen Höhlen, Feldornithologin. Sie arbeitet bei der Schweizeri- erkennbaren Kriterien, und können ver- also von alten Bäumen und solchen mit schen Vogelwarte als Mediensprecherin. meintlich passende Standorte als ungeeignet Spechtlöchern. Davon profitieren nicht nur Detaillierte Informationen zu Lochdurchmes- empfinden. höhlenbrütende Vögel, sondern auch un- sern sowie zu Bau und Installation von Nistkästen finden sich in den Merkblättern der Schweizerischen Weiter werden Nistkästen nicht immer zählige Insekten sowie Fledermäuse, von Vogelwarte: www.vogelwarte.ch → Ratgeber → von der gewünschten Zielart, sondern von denen einige Arten ihre Jungen in Baum- Nisthilfen einer anderen Vogelart oder sogar von an- höhlen aufziehen. Im Signet: Ein Stieglitz / Foto: Stefan Rieben 28 5/2021
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