Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021

Die Seite wird erstellt Stefan-Albert Böhm
 
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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Staatsinstitut für
                                                Frühpädagogik

Bildung, Erziehung und Betreuung
              in Zeiten von Corona
Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung
                                          Stand April 2021

                                            www.ifp.bayern.de
Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

Sehr geehrte Fachkräfte,
Sie alle leisten weiterhin in der Corona­Krise her­   Um diese Fragen geht es:
vorragende Arbeit. Gleichzeitig ist diese Ausnah­
mesituation für Sie – wie für uns alle – nach wie     1. Wie können Sie den Kindern und Familien in
vor sehr verunsichernd. Klare Absprachen im              Corona­Zeiten Sicherheit geben und diese gut
Team zu Schutzmaßnahmen und Abläufen geben               begleiten und welche Kinder und Familien sind
Sicherheit für professionelles Handeln. So kön­          besonders belastet?
nen Sie Kinder und Eltern immer willkommen            2. Wie können Sie Kinderfragen zum Thema „Co­
heißen, gut informieren und beteiligen.                 rona“ feinfühlig beantworten und mit schwieri­
                                                        gen Themen rund um Corona umgehen?
Nicht alle Kinder haben seit Beginn der Corona­       3. Was ist für die verschiedenen Altersgruppen
Pandemie die gleichen Erfahrungen gemacht.               der Kinder im Hinblick auf Partizipation und
Manche Kinder wurden und werden während                  Mitbestimmung wichtig?
der Kita­Schließungen zu Hause betreut, andere        4. Wie kann Eingewöhnung in dieser besonderen
nutzen die Notbetreuung. Eltern wenden sich an           Zeit gestaltet werden?
Sie mit der Sorge, dass ihre Kinder aufgrund der      5. Wie können Kinder für den Übergang in die
Kitaschließungen in ihrer Entwicklung beein­             Schule gestärkt werden – auch in Zeiten von
trächtigt sein könnten oder dass den Kindern das         Corona ?
Lernen in der Kita und somit der Austausch mit        6. Hort und das Lernen zuhause: Lern­ und
anderen Kindern fehlt und brauchen Ihren Rat.            Übungszeiten in Kita und Familie pädagogisch
                                                         gestalten
Mit dieser Handreichung möchten wir Sie bei           7. Wie können Sie das Wiederankommen in der
der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder          Kita gut gestalten?
in Zeiten von Corona unterstützen, damit die Kin­     8. Wie können Sie mit Kindern und Familien in
der Ihre Kita als einen positiven, sicheren und          Kontakt bleiben, sollte Ihre Kita zeitweise nur
angstfreien Ort erleben können – ein Ort, an             Notbetreuung anbieten oder die Kinder z.B.
dem es eine klare Richtschnur gibt, an die sich          wegen Quarantäne­Maßnahmen nicht kom­
alle halten und wo alle an einem Strang ziehen.          men können?

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Handreichung für die Praxis
                                                        der Kindertagesbetreuung

Alle aktuellen Informationen zur Kindertagesbe­         Weiterführende Links und Literatur
treuung in Zeiten der Corona­Pandemie sind der
jeweils gültigen Bayerischen Infektionsschutz­          a Alle aktuellen Hygiene­Vorschriften finden
maßnahmeverordnung (BayIfSMV) sowie dem je­             Sie im Rahmen­Hygieneplan Corona für die Kin­
weiligen Rahmenhygieneplan Corona für die               dertagesbetreuung und für HPTs
Kindertagesbetreuung und HPT zu entnehmen.
                                                        a Auf den Internet­Seiten des Bayerischen
                                                        Familienministeriums finden Sie a alle aktuellen
Informieren Sie ALLE Eltern über die                    Informationen zum Coronavirus für die Kinderta­
aktuellen Corona­Schutzmaßnahmen in                     gesbetreuung. Hilfreich sind auch die a FAQs
Ihrer Kita                                              zum Coronavirus im Zusammenhang mit der Kin­
Stellen Sie sicher, dass alle Eltern die Information    dertagesbetreuung, hier werden häufig gestellte
erreichen, auch Eltern, die nicht gut Deutsch           Fragen beantwortet.
sprechen und sich mit der deutschen Schriftspra­
che schwer tun. Diese Eltern sollten gegebenen­         a Auch das IFP hält für Sie auf seiner Web­
falls zusätzlich vorab telefonisch informiert wer­      seite Infos für Kitas in Zeiten von Corona alle ak­
den. Außerdem eignen sich für alle Eltern große         tuellen Informationen für Sie gebündelt bereit.
laminierte Plakate außen sichtbar an der Ein­
gangstür, die schon von weitem erkennbar sind,          a Das Institut für Hygiene und Öffentliche
als Hinweis und Erinnerung an                           Gesundheit der Universität Bonn gibt Hygiene­
• das Abstand halten                                    Tipps für Kids.
• die Mund­Nasen­Bedeckung
• die Handhygiene.                                      a Die Seite www.infektionsschutz.de gibt
Hier finden Sie a Plakate und Informationen             Antworten auf häufige Fragen und stellt Filme,
zum Infektionsschutz in verschiedenen Sprachen.         Hygienetipps und Materialien zum Download
                                                        zur Verfügung, in Deutsch und vielen weiteren
                                                        Sprachen.

                                                                                                    3
Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

1 | Kindern und Familien in Corona­Zeiten
    Sicherheit geben
Auch Eltern sammeln unterschiedliche Erfahrun­
gen in diesen Zeiten und stehen vor individuellen      Tipps für die Praxis
Herausforderungen, die für die Kita eine Rolle         • Wertschätzende Kommunikation ist jetzt
spielen können. Viele Eltern bringt die fehlende         noch wichtiger. Gute Vorbereitung im Team
Betreuung während der Corona­bedingten                   und klare Absprachen bezüglich der Verän­
Schließung der Kitas und Schulen an die Grenzen          derungen in der Kita können dabei unterstüt­
ihrer Belastbarkeit. Sie stehen möglicherweise           zen, dass alle an einen Strang ziehen und die
unter Anspannung oder sind verunsichert. Man­            Eltern von allen die gleichen Informationen
che Familien trifft die Corona­Krise besonders           erhalten.
hart, z.B. wegen Sorgen um den Arbeitsplatz.           • Nur ein sicheres Team kann Kindern und El­
                                                         tern Sicherheit geben. Zusätzlich können
Der individuelle Blick auf die Familie und das Vor­      Plakate mit den „Hygiene­Regeln“ auch mit
gespräch helfen dem Team, die jeweilige Famili­          Piktogrammen hilfreich sein.
ensituation nachzuvollziehen und im Hinterkopf         • Elterngespräche können alternativ telefo­
zu behalten. Sie können Eltern und ihre Kinder           nisch oder durch den Einsatz von Plexiglas­
am besten unterstützen, wenn Sie den Eltern sig­         wänden geschützt, mit Abstand auch im
nalisieren, dass Sie ihr Kind gerne betreuen, die        Außenbereich der Kita durchgeführt werden.
Eltern in ihrer jeweiligen Situation entlasten und       Nicht vergessen: Im Mittelpunkt steht das
alles daran setzen werden, dem Kind die Rück­            Wohl der Kinder!
kehr in die Kita zu erleichtern, damit es sich dort
wieder rundum wohl fühlen kann.                       kann und mit wem eine engere Zusammenarbeit
                                                      hilfreich sein könnte. Klären Sie im Gespräch mit
Kinder und Eltern willkommen heißen                   den Eltern:
Heißen Sie daher alle Kinder und Eltern willkom­      • ob es in der Familie zu spezifischen Belastun­
men und zeigen Sie jedem Kind, dass Sie sich            gen, Veränderungen, Verlusten oder Konflikten
über sein Kommen freuen. Damit ist ein wohl­            gekommen ist,
überlegtes, professionelles Vorgehen bei der Be­      • wie die Familie mit dieser Situation zurechtge­
grüßung gemeint und eine achtsame Unterstüt­            kommen und umgegangen ist,
zung beim täglichen Kitastart in Corona­Zeiten.       • ob die Familie darüber hinaus Beratungs­ und
                                                        Unterstützungsbedarf hat.
Familien machen unterschiedliche Erfah­
rungen
Familien erleben die Corona­Pandemie unter­
schiedlich. Daher ist es wichtig, darauf zu achten,
mit welchen Erfahrungen vor allem neue Kinder
                                                      !  Jedes Kind ist anders und hat eigene
                                                         Bedürfnisse.
                                                      Wichtig ist, dass jedes Kind individuell die Auf­
in die Einrichtung zurückkommen.                      merksamkeit, die Zeit und die Hilfsmittel (z.B.
                                                      ein Stofftier als Übergangshilfe) bekommt, die es
Auf der Grundlage folgender Informationen kann        zum Ankommen in die Kita­Gemeinschaft und
das Kita­Team überlegen und planen, wie die           den (evtl. veränderten) Kita­Alltag braucht.
Rückkehr der Kinder jeweils gestaltet werden

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Handreichung für die Praxis
                                                    der Kindertagesbetreuung

Studien zu den Auswirkungen der Corona­             • Ein Drittel der Kinder hatte Schwierigkeiten,
Pandemie auf Kinder und Familien                      mit dem Lockdown zurechtzukommen. Kinder
Inzwischen wurde einer Reihe von Studien mit          aus Familien in schwieriger finanzieller Lage
dem Schwerpunkt Familien und Kinder in der Co­        traf die Pandemie im Frühjahr 2020 besonders
rona Pandemie veröffentlicht:                          stark. In konfliktbelasteten Familien, war der
a DJI­Studie: Kind sein in Zeiten von Corona          Anteil der Kinder mit Schwierigkeiten bei der
a Wohlbefinden von Familien in Zeiten von             Bewältigung der Pandemie noch weitaus
    Corona: Eltern mit jungen Kindern am              höher.
    stärksten beeinträchtigt (DIW­Berlin)           • Eltern von Kindern im Kita­ und Grundschulal­
a Kinder, Eltern und ihre Erfahrungen wäh­            ter sowie Eltern mit höherem Bildungsniveau
    rend der Corona­Pandemie (Uni Hildesheim)         erleben einen deutlichen Rückgang ihres
a Familien in der Corona­Zeit: Herausforde­           Wohlbefindens, insbesondere von Kita­ und
    rungen, Erfahrungen und Bedarfe­Ergeb­            Schulschließungen betroffene Mütter und
    nisse einer repräsentativen Elternbefragung       Väter.
    im April und Mai 2020 (BMFSFJ)                  • Die wegbrechende Infrastruktur von Schule
a COPSY Längsschnittstudie: Psychische Ge­            und Kita führt zu Erschöpfung der Eltern. Müt­
    sundheit und Lebensqualität von Kindern           ter und Väter berichten von großen Belastun­
    und Jugendlichen während der COVID­19­            gen und wünschen sich eine stabile und
    Pandemie                                          verlässliche Infrastruktur zurück. Viele Mütter
                                                      beschreiben ihre Situation als Bündel von Er­
Fasst man die Ergebnisse der Studien und Befra­       schöpfung, Schuldgefühlen und Existenzängs­
gungen zu Familien und Kindern in der Corona          ten aufgrund der Mehrfachbelastung durch
Pandemie zusammen, so zeigt sich folgendes Bild:      Homeoffice, Care­Arbeit und Homeschooling.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

• Familien waren und sind unterschiedlich stark     • 71 Prozent der Kinder und Jugendlichen fühl­
  von den Auswirkungen der Corona Beschrän­           ten sich demnach durch die Pandemie äußerst
  kungen betroffen und haben diese Zeit unter­         oder ziemlich belastet.
  schiedlich gut bewältigt. Eine gute Bewältigung   • Vor Corona berichtete eins von drei Kindern
  gelang vor allem dort, wo es günstige Voraus­       von einer niedrigen Lebensqualität, während
  setzungen gerade in der Arbeitssituation und        Corona waren es zwei von drei – doppelt so
  damit auch für die wirtschaftliche Lage der Fa­     viele. Psychische Auffälligkeiten wie Stress
  milien gab, wo Arbeitgeber sich flexibel und        und Depressionen fanden sich bei 31 Prozent
  Väter sich engagiert zeigten und die Kinderbe­      statt zuvor 18 Prozent, vor allem Angststörun­
  treuung zu Hause gut funktionierte.                 gen nahmen zu.
• Verschiedene Leistungen des Staates zur Un­       • Betroffen scheinen vor allem sozial benachtei­
  terstützung der Familien sowie Informations­        ligte Kinder zu sein. Zum Schutz und Erhalt der
  und Beratungsangebote waren nicht allen El­         psychischen Gesundheit von Kindern und Ju­
  tern bekannt. Vielfach konnten Eltern, denen        gendlichen während Krisensituationen werden
  diese Angebote bekannt waren oder wurden,           zielgruppenspezifische und niedrigschwellige
  sich eine künftige Nutzung vorstellen.              Angebote der Prävention und Gesundheitsför­
                                                      derung benötigt.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Handreichung für die Praxis
                                                     der Kindertagesbetreuung

Umgang mit Kindern aus                                Tipps für die Praxis
belasteten Familien                                   Kinder aus vorbelasteten Familien brauchen
Die Ergebnisse der verschiedenen Studien zeigen       besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung,
deutlich, welche Bedeutung zuverlässige Bildung,      zur Sicherung des Kindeswohls, aber vor allem,
Erziehung und Bedeutung in Kindertageseinrich­        um ihnen in der Kita einen Schutzort zu bieten.
tungen und Schulen sowohl für Kinder als auch         Vielleicht haben Kinder im Rahmen der Co­
für ihre Eltern haben, und wie sehr die Schlie­       rona­Pandemie wichtige Familienmitglieder
ßung von Kitas und Schulen Kinder, Jugendliche        oder liebevolle Nachbarn verloren, vielleicht
und Familien belasten.                                sind ihre Eltern durch Kurzarbeit und Existenz­
Während der Schließzeiten half Kindern und Fa­        ängste zusätzlich belastet und können ihrem
milien der regelmäßige Kontakt zu den Fach­           Kind nur wenig Sicherheit geben.
und Lehrkräften sehr, die pandemiebedingten           Hier sind also genaues Beobachten und gutes
Belastungen zu bewältigen.                            Hinhören besonders wichtig. Diese Kinder
                                                      brauchen jetzt ganz besonders den Halt von
Besondere Belastungen erleben Kinder und El­          ihren Bezugspersonen, die ihnen feinfühlig zu­
tern in Familien mit geringem Einkommen, gerin­       hören, ihnen Zuversicht geben und sie spüren
ger Bildung und geringen Deutschkenntnissen.          lassen, dass sie hier in der Kita in Sicherheit
Das sind auch die Kinder und Familien, die weni­      sind.
ger Unterstützung von Fach­ und Lehrkräften er­
halten und keinen Zugang zu Unterstützungs­
und Beratungsangeboten haben.                        Auch Familien, die durch die Corona­Pandemie in
                                                     finanzielle Notlagen geraten und von Arbeitslo­
Genau diese Kinder und Familien sind aber auf­       sigkeit bedroht sind, sollten in den Blick genom­
grund sozialer Isolation, beengter Wohnverhält­      men werden. Die Forschung zeigt eindeutig:
nisse und vielfacher (psychischer) Belastungen       Schon alleine die Sorge um den Arbeitsplatz be­
besonders gefährdet.                                 einträchtigt die elterliche Feinfühligkeit gegen­
                                                     über den Signalen ihres Kleinkindes signifikant.
Ein besonderes Augenmerk sollte auch auf Kin­
der und Jugendliche in Bildungsübergängen ge­        In Kapitel 2 „Kinderfragen zum Thema Corona
legt werden: Kinder vor der Einschulung, Kinder      feinfühlig beantworten und mit schwierigen The­
in den ersten Grundschulklassen und am Über­         men rund um Corona umgehen“ haben wir zu
gang zur weiterführenden Schule, Kinder in den       diesen Themen Hinweise aus dem IFP Online Fa­
5. und 6. Klassen, sowie Jugendliche in den Ab­      milienhandbuch und Links zusammengestellt.
schlussklassen und im Übergang zu Ausbildung
und Beruf benötigen besondere Unterstützung
damit aus Bildungsübergängen keine Bildungsab­
brüche werden oder Zurückstellungen und „Ab­
schulungen“ folgen, die Kindern in ihrer Entwick­
lung nachweislich mehr schaden als nutzen.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

Entwicklungsrisiken erkennen                          An wen kann sich die Kita wenden,
und vorbeugen                                         wenn sie Hilfe und Unterstützung
Kinder reagieren unterschiedlich auf die Verän­
derungen, die die Corona­Pandemie mit sich
                                                      braucht?
bringt. So schaffen es viele Kinder, ihre Bedürf­      Die Corona­Pandemie konfrontiert auch die
nisse zurückzustellen, ihr Verhalten an die neuen     Kitas mit vielfältigen Themen und Herausfor­
Gegebenheiten anzupassen und ­ je nach Ent­           derungen. Von der Planung und Ausgestaltung
wicklungsstand ­ auch ihre Gefühle, z.B. ihre         des Betreuungsangebots unter den sich häufig
Ängste und Sorgen selbst zu regulieren, wenn          ändernden Bedingungen bis hin zu den Sorgen
ihre Bezugspersonen gerade nicht zur Verfügung        und Ängsten der pädagogischen Fachkräfte
stehen. Manche Kinder ziehen sich zurück, spie­       bzgl. ihrer eigenen Gesundheit und Sicherheit
len lieber alleine und versuchen möglichst „brav“     erleben viele Teams diese Zeit als sehr belas­
zu sein. Dies können in Krisen kurzfristig gute Be­   tend. Häufig hat die Zusammenarbeit in den
wältigungsstrategien sein. Rückzug kann aber          Teams darunter gelitten und es kommt ver­
auch ein Alarmsignal sein.                            mehrt zu Konflikten.

Dauert die belastende Situation, z.B. die räumli­     Zur Bewältigung dieser Krise sind kollegiale
che Beengtheit, die fehlenden Frei­ und Bewe­         Netzwerke – z.B. der Erfahrungsaustausch mit
gungsräume, die Trennung von Freunden und             anderen Leitungen vor Ort – sehr hilfreich und
Familienangehörigen oder gar emotionale Ver­          entlastend.
nachlässigung, länger an, kann es zu Verhaltens­
auffälligkeiten kommen, die zum Entwicklungs­          Die Pflege von Kooperationen und Netzwerk­
risiko werden können. Vor allem jüngere Kinder        arbeit im Sozialraum ist ein unverzichtbarer
und Kinder, deren Entwicklung bereits vor der         Bestandteil der pädagogischen Arbeit der
Pandemie gefährdet war, zeigen dann emotio­           Fachkräfte in Kitas, der aktuell in besonderer
nale oder körperliche Symptome oder eine Ver­         Weise eine unterstützende Bedeutung zu­
schlechterung bestehender Auffälligkeiten (z.B.        kommt.
bei ADHS), die auf eine Überforderung hindeu­
ten. Dies kann sich vielfältig äußern, z.B. durch     Auch Fachberatungen leisten einen bedeutsa­
soziale Isolation, emotionalen Rückzug, Depressi­     men Beitrag, in dem sie Kitas in dieser heraus­
vität, Überängstlichkeit, Rückfall in nicht alters­   fordernden Phase unterstützen, beraten und
gerechtes Verhalten, Gleichgültigkeit, Müdigkeit,     begleiten. Aktuell nehmen Fachberaterinnen
Appetitlosigkeit, erhöhte Reizbarkeit, Unruhe         und Fachberater aufgrund der Kontaktbe­
und aggressives Verhalten.                            schränkungen vor allem per Telefon und Mail,
                                                      bzw. über Onlinetools mit den Fachkräften
Achten Sie daher ganz besonders auf Verhaltens­       Kontakt auf.
änderungen bei Kindern, damit sie z.B. durch
Hinzuziehen weiterer Fachdienste Kindern die
Hilfe und den Schutz zukommen lassen können,
den sie brauchen.

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Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Handreichung für die Praxis
                                                      der Kindertagesbetreuung

Mit folgenden Fragen können Sie sich im Kita­         Professionelle Beratung zur Klärung und Bewälti­
Team immer wieder für die Kindperspektive             gung persönlicher oder familienbezogener Pro­
sensibilisieren und ggf. Verhaltensauffälligkeiten     bleme bieten die Erziehungs­ und Familien­
hinterfragen:                                         beratungsstellen. Die Beratungen finden vor Ort,
• Wie geht es unseren Kindern? Wie verhalten          telefonisch oder per Videokonferenzen statt. Die
  sie sich?                                           passende Beratungsstelle vor Ort findet sich auf
• Wie haben Kinder ihre Eltern in der letzten Zeit    der Website www.bke.de.
  erlebt?
• Mussten Kinder ihre Bedürfnisse über lange          Das Elterntelefon richtet sich an Mütter und
  Zeit zurückstellen und „brav sein“?                 Väter, die unkompliziert und anonym Rat suchen.
• Welche Botschaften haben die Kinder empfan­         In ganz Deutschland sind Beraterinnen und Bera­
  gen? Wie sehr fühlen sie sich für das, was pas­     ter unter der kostenlosen Rufnummer 0800 111
  siert ist, verantwortlich? Haben die Kinder         0550 montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr und
  vielleicht (falsche) Schuldgefühle?                 dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr er­
                                                      reichbar.

Wie geht es den Eltern? Wie kommen                    Weiterführende Links und Literatur
Familien zurück in die Kita?
Familien haben und hatten in den vergangenen          a Wunderlich­Knietsch, C. (2020). Perspekti­
Monaten vielfältige Belastungen auszuhalten.          ven der Normalität in der Pandemie. Verfügbar
Dies führt vermehrt zu Spannungen, sozialen und       unter: https://www.nifbe.de/component/the­
psychischen Be­ und Überlastungssituation in          mensammlung?view=item&id=959:perspekti­
den Familien.                                         ven­der­normalitaet­in­der­pandemie&catid=336
                                                      a Schlack, R. et al. (2020). Auswirkungen der
Wie können Sie als Kita darauf reagieren?             COVID­19­Pandemie und der Eindämmungsmaß­
Die Zusammenarbeit mit Familien im Sinne einer        nahmen auf die psychische Gesundheit von Kin­
vertrauensvollen Bildungs­ und Erziehungspart­        dern und Jugendlichen. Journal of Health
nerschaft gehört für Kitas zum pädagogischen          Monitoring, 5 (4), 23­34. Verfügbar unter:
Alltag. Die Fachkräfte sind sehr nah an den Fami­     https://edoc.rki.de/handle/176904/7549
lien dran und wissen in der Regel sehr gut, wer       a Haug­Schnabel, G. (2020). Vorbereiten für
von Armut, beengten Wohnverhältnissen, sozial         die Zeit danach. Kindergarten heute, 5, 10­13.
schwierigen Situationen, Krankheiten bis hin zu       a Auf der Website
Gewaltdynamiken betroffen ist oder ob diese            www.kein­kind­alleine­lassen.de finden sich
vermutet werden. Mit der Rückkehr aller Kinder        Ideen und Projekte von A wie „Arche Berlin" bis
in die Kita, ist sehr wichtig, dass die Fachkräfte    Z wie „Zuper­Q".
sehr aufmerksam hinhören, wie es den Familien
aktuell geht. Berichten Kinder und/oder Eltern
von erheblichen Konflikten und Krisen? Äußern
Eltern selbst Überlastung, Sorgen und Nöte?
Nehmen sie massive Erschöpfung wahr? Den
Fachkräften kommt hier eine wichtige Rolle zu,
Probleme in den Familien zu erkennen und den
Eltern Unterstützung anzubieten bzw. diese zu
initiieren.

                                                                                               9
Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona - Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung Stand April 2021
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

2 | Kinderfragen zum Thema „Corona“
    feinfühlig beantworten und mit schwierigen
    Themen rund um Corona umgehen

Mittlerweile haben die Kinder im familiären Um­     Mit Kindern über die Angst vor Ansteckung
feld, in den Medien, und von Freunden sicher        sprechen
bereits einiges über Corona gehört. Als Einstieg,   Wichtig ist auch, im Gespräch über das Thema
um mit den Kindern in der Kita über Corona ins      „Ansteckung mit Corona“ altersangemessene
Gespräch zu kommen, eignen sich Geschichten         und gute Formulierungen zu finden und den Kin­
sehr gut. Daran lassen sich Erklärungen der Fach­   dern zu erklären, dass es bei einer Ansteckung
kräfte gut anschließen und die Kinder bekom­        meist zu einer baldigen Genesung kommt und
men die Gelegenheit, ihre Fragen zu dem Thema       erkrankte Menschen im Krankenhaus Hilfe be­
zu stellen.                                         kommen, um nach einer Ansteckung mit dem
                                                    Coronavirus wieder gesund zu werden.

!   Das Eingehen auf die Fragen von Kindern
    ist sehr wichtig. Die Kinder sollen wissen,
dass die Fachkräfte zuhören, dass sie nicht al­     !   Schon für uns Erwachsene ist es fast nicht
                                                        möglich, die vielfältigen, verunsichernden In­
leine gelassen werden und dass sie in der Kita      formationen rund um das Thema Coronavirus
auch über schwierige Themen sprechen dürfen.        und Ansteckungsgefahr zu verstehen und richtig
Wenn Kinder nach einem Gespräch aufhören zu         einzuordnen. Für Kinder im Kindergarten­ oder
fragen, sollte man das Thema aber wieder been­      Grundschulalter ist das schier unmöglich. Kinder
den und sich anderen Dingen widmen.                 schnappen aber verschiedene „Informationsfet­
                                                    zen“ auf, die ihr inneres Bild von Gefahr bilden.

    10
Handreichung für die Praxis
                                                      der Kindertagesbetreuung

So haben einige Kinder gehört, dass das Corona­       Weitere Anregungen und Hintergrundinformatio­
virus aus China zu uns gekommen ist. Daraus           nen zum feinfühligen Umgang mit Kindergarten­
können Kinder Fehlschlüsse ziehen, z.B. dass ein      und Grundschulkindern finden Sie in den Bro­
Kind aus der Gruppe, das aus Asien stammt, jetzt      schüren des IFP zur Feinfühligkeit für Eltern und
alle Kinder anstecken wird. Solche Gedankenket­       ErzieherInnen:
ten müssen von den pädagogischen Fachkräften
wahrgenommen und schnellstens kind­ und al­
tersgerecht thematisiert werden, im Idealfall
sogar aufgelöst werden.

Grundschulkinder erleben die jetzige Zeit be­
wusster als kleinere Kinder und kämpfen teil­
weise auch mit Ängsten. Nehmen Sie sich der
Kinder an, die sich sichtlich unsicher fühlen oder
verängstigt wirken. Emotionale Zuwendung hilft
den Kindern, über ihre Sorgen und Nöte im ver­
trauensvollen Dialog zu sprechen.                     a   Feinfühligkeit von Eltern und ErzieherInnen
                                                          – Beziehungen mit Kindern im Alter von 3
Kinderbücher, Geschichten und Informa­                    bis 6 Jahren gestalten
tionen rund um das Thema Corona
a Die Geschichte „Aufregung im Wunder­
wald“ kann in der Beratung von Familien mit jün­
geren Kindern genutzt werden. Es gibt das
Bilderbuch in verschiedenen Sprachen, auf
Deutsch gibt es auch ein Hörbuch.
a In einer kostenlosen Pixi­Geschichte des
Carlsen Verlags erhalten Kinder Antworten auf
viele ihrer Fragen rund um das Thema Corona.

Hilfreich kann es auch sein, einfach aufbereitete
Informationen dazu gemeinsam im Internet oder
Fernsehen (Mediathek) anzusehen und anschlie­         a   Feinfühligkeit von Eltern und PädagogInnen
ßend zu besprechen, z. B.:                                in Schulen und Horten – Beziehungen mit
a Die Seite www.corona4kids.de erklärt das                Kindern im Grundschulalter gestalten
Coronavirus kindgerecht und in vielen verschie­
denen Sprachen, sehr gut für etwas ältere Kinder
geeignet.
a Auch die Stadt Wien hat auf YouTube ein
Erklär­Video für Kinder veröffentlicht.
a Unicef gibt 8 Tipps, wie man mit Kindern
über Corona sprechen soll.

                                                                                               11
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

Umgang mit schwierigen Themen in Zeiten              Sollten Sie als Fachkraft selbst darüber hinaus
von Corona                                           Beratung und Hilfe benötigen, wie Sie das Kind
                                                     und seine Angehörigen in ihrem Trauerprozess
Ein Kind hat einen Angehörigen durch Corona          angemessen unterstützen können, wenden Sie
verloren                                             sich an Trauerbegleiter, Seelsorger bzw. nehmen
Pädagogische Fachkräfte erleben in ihrem Alltag      Supervision in Anspruch.
immer wieder nicht absehbare Geschehnisse, die
sie unvorbereitet treffen und auf die sie trotz­      Grundsätzlich ist zu empfehlen, das Thema
dem angemessen reagieren sollen. Auch wenn es        „Trauer, Abschied und Verlust“ auch ohne konkre­
keine alltägliche Situation ist, so kommt es         ten Anlass immer mal wieder in der Kita mit den
immer wieder vor, dass ein Kind, das die Kita be­    Kindern zu bearbeiten, da als präventive Maß­
sucht, den Verlust eines nahestehenden Angehö­       nahme die Möglichkeit gegeben ist, sich in Ruhe
rigen erleidet und von dessen Tod betroffen ist –     und Gelassenheit diesem Thema zu widmen und
zur Zeit evtl. aufgrund einer Erkrankung mit Co­     nicht erst in einer Art Krisenintervention.
rona. Oft besteht bei den Fachkräften verständli­
cherweise zunächst eine große Unsicherheit, was      Die Eltern haben Existenzängste, die das Kind
Kinder nach dem Tod eines nahestehenden Men­         spürt und in der Kita drüber redet – wie geht
schen brauchen und wie man sie in einer solchen      man damit um?
Situation am besten unterstützen kann. Ob und        Die Kita ist im Rahmen der Bildungs­ und Erzie­
wie ein Kind trauert, hängt von der Beziehung        hungspartnerschaft ohnehin in engem Kontakt
ab, die zu dem verstorbenen Menschen bestand.        mit den Eltern und vermittelt bei Bedarf an ent­
                                                     sprechende Beratungsstellen. Dies kann auch
Die Trauerreaktionen von Kindern sind sehr un­       sehr niederschwellig mittels Auslage entspre­
terschiedlich. Neben der aufmerksamen Beob­          chender Flyer z.B. der regional zuständigen Erzie­
achtung des Kindes sind einfühlsame Gespräche        hungs­ und Familienberatungsstellen erfolgen.
mit dem Kind und den Eltern wichtig, in der Ge­      Das Bundesfamilienministerium weist auf a
fühle jeglicher Art geäußert werden können.          kostenlose und anonyme Hilfsangebote für Fami­
Wichtig ist es, das Kind erzählen zu lassen und es   lien in Belastungssituationen hin und informiert
nicht mit eigenen Fragen in dieser komplexen         über a aktuelle finanzielle Unterstützung für
Gefühlslage zu bedrängen.                            Familien.

Eine hilfreiche Brücke zu und für das Kind sind      Ein Kind hat Angst, dass es selbst Corona be­
Geschichten zum Vorlesen und Bilderbücher zu         kommt und die Oma/den Opa ansteckt – wie
diesem Thema – auch um die eigene Hilflosigkeit      können die Ängste ernst genommen werden?
und Sprachlosigkeit zu überwinden. Die Stiftung      Die Ängste von Kindern können auf einen sehr
Lesen hat hierzu a eine Medienauswahl zu­            unterschiedlichen Wissensstand der Kinder über
sammengestellt.                                      das Coronavirus hindeuten. Daher ist wichtig,
                                                     dass sich die Fachkräfte einen aktuellen Über­
Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit        blick verschaffen, was die Kinder über das Coro­
der Begleitung von Kindern in einem Trauerpro­       navirus und insbesondere über die inzwischen
zess finden sich a im Online­Familienhand­           bekannten Ansteckungswege wissen. Hierfür
buch in der Rubrik „Umgang mit Tod und Trauer“       sind die mittlerweile vielfältigen Informationen
diverse Beiträge für Fachkräfte und Eltern.          speziell für Kinder sehr hilfreich:

   12
Handreichung für die Praxis
                                                      der Kindertagesbetreuung

a https://www.stmas.bayern.de/coronavirus­            Sollten sich in der Elternschaft eine Mehrheit an
info/corona­familien­orga.php#Erkl%C3%A4ren           Vertretern sog. Verschwörungstheorien zusam­
a https://www.stiftunglesen.de/aktionen/vor­          mentun und verstärkt diese Meinungen im Kita­
lesen­corona/corona­erklaeren/                        kontext vertreten, zum Beispiel bei Elternveran­
a https://www.corona­und­du.info/#wie­sich­           staltungen, sollte der Trägerbeauftragte mög­
die­corona­zeit­auf­uns­auswirken­kann                lichst sachlich, jedoch klar und deutlich Stellung
a https://www.klick­tipps.net/kinder/the­             beziehen, welche Auflagen die Kindertagesein­
men/detail/n/alles­zum­thema­coronavirus/             richtung aufgrund der jeweils aktuell gültigen
a https://www.aetas­kinderstiftung.de/wp­             Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverord­
content/uploads/2020/05/deutsch_Kindern­Ori­          nung zu erfüllen hat und damit zur Deeskalation
entierung­geben.pdf und viele mehr.                   beitragen. Darüber hinaus kann sich die Leitung
                                                      an die Fachaufsichtsbehörde bzw. Fachberatung
                                                      wenden und um Unterstützung bitten.
 Umgang mit eigenen Ängsten                           Hier finden Sie a grundsätzliche Empfehlun­
 Derzeit besteht immer ein Restrisiko, sich an­       gen zum Umgang mit Verschwörungsanhängern.
 zustecken oder Andere anzustecken. Damit
 umzugehen, ist nicht immer leicht und es er­         Eltern sind wütend und schimpfen wegen
 fordert Zuversicht, ein gegenseitiges Rücksicht­     geschlossener Kitas
 nehmen und viel gegenseitige Unterstützung.          Sollte die Kita aufgrund des hohen Infektionsge­
 Es ist wichtig, dass Sie sich im Team mit den ei­    schehens geschlossen sein, evtl. schon zu wie­
 genen Ängsten auseinander setzen und sich            derholtem Male, ist es verständlich, dass die
 klar werden, welche Maßnahmen Sie in der             Belastung in den betroffenen Familien anhaltend
 Kita einsetzen, um sich und die Kinder vor An­       hoch ist. Die Wut vieler Eltern dürfte ein Ventil
 steckung zu schützen.                                für die hohe psychische bis hin zu finanzieller Be­
                                                      lastung der Familien in den letzten Wochen und
                                                      Monaten sein. In möglichst einfühlsamen Eltern­
                                                      gesprächen erfahren die Fachkräfte die individu­
Querdenker in der Kita – Umgang mit „Stim­            ellen Anliegen und Bedürfnisse der Eltern.
mungsmachern“ und Verschwörungstheorien
Viele Fachportale greifen im Zusammenhang mit
Corona­Theorien das Thema „Fake News“ auf.
Die Fachkräfte könnten die sehr unterschiedli­
chen Meinungen zum Thema Corona zum Anlass
nehmen und die Kinder (ab Kindergartenalter)
für den Umgang mit Informationen sensibilisie­
ren.
a https://www.familienhandbuch.de/aktuel­
les/neue/38147/index.php
a https://act­on.jff.de/fake­news­in­zeiten­
von­corona/
a https://gutes­aufwachsen­mit­medien.de/in­
formieren/article.cfm/key.3515/aus.2

                                                                                                 13
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

3 | Partizipation und Mitbestimmung auch in
    Corona­Zeiten kindgerecht umsetzen
„Demokratische Partizipation heißt in Zeiten von       Die neue, Corona­bedingte Situation in der Kin­
Corona das Gleiche wie vor und nach Corona:            dertageseinrichtung kann aber auch ein Anlass
Denjenigen Stimme und Gehör zu geben, die von          sein, generell mit den Kindern über Kinderrechte
einer Situation betroffen sind, Auseinanderset‐         und Meinungsfreiheit zu reden. Die Kinder ler­
zungsprozesse zuzulassen und ggf. zu moderieren        nen hierbei, dass zwar momentan die Beteili­
und dann gemeinsam Lösungen zu suchen und zu           gungsrechte eingeschränkt sind, dies aber dem
leben.“                                                Infektionsschutz dient. Andere Rechte dagegen,
          (Sturzenhecker, Knauer & Hansen, 2020)       wie z. B. das Recht auf freie Meinungsäußerung,
                                                       bleiben gewahrt.
Dieses Zitat zeigt deutlich, auch in Zeiten von Co­
rona sind die Kinderrechte einzuhalten und müs­
sen die Basis allen pädagogischen Handelns sein.        Tipps aus der Praxis
Es ist Ihre Aufgabe als Fachkraft, sich dafür einzu­    Gemeinsam mit den Kindern können Ideen ge­
setzen, dass Grund­ und Beteiligungsrechte der          sammelt werden, wie das Leben in der Kita
Kinder auch in dieser herausfordernden Situation        unter den vorhandenen Umständen gestaltet
gewahrt bleiben und eingehalten werden. Dort,           werden kann und wie sie daran konkret mit­
wo diese Möglichkeiten durch übergeordnete Er­          wirken können. Machen Sie den Kindern deut­
lasse und Bestimmungen eingeschränkt werden,            lich, wo sie nach wie vor mitbestimmen kön­
ist es besonders wichtig, dass Sie als Fachkraft        nen und dass sie viele Entscheidungen, die sie
den Kindern die Maßnahmen gut erklären und              selbst betreffen, immer noch treffen können.
begründen. Nur dann können die Kinder aktiv bei
der konkreten Umsetzung beteiligt werden.
                                                       Wenn derzeit v. a. die strukturellen Mitwirkungs­
Finden die Kinder aufgrund notwendiger Umor­           möglichkeiten, wie bspw. Kinderkonferenzen,
ganisationen zur Sicherung des Infektionsschut­        stark eingeschränkt sind, können Sie als Fachkraft
zes oft völlig neue Situationen in ihrer Kita vor,     überlegen, welche alternativen Möglichkeiten es
braucht jedes Kind jetzt Erklärungen, um zu ver­       hier gibt. Damit zeigen Sie den Kindern, dass die
stehen, warum diese Entscheidungen getroffen            bisher errungenen Mitspracherechte der Kinder
wurden und welche neuen Regeln jetzt gelten.           nicht aufgrund der Corona­Pandemie abgeschafft
                                                       wurden.
Sie können die Kinder, die bereits länger in der
Kita sind, dabei einbeziehen, so dass diese den
zurückkehrenden Kindern gemeinsam mit Ihnen
die neuen Regeln erklären und zeigen. Geben Sie
dabei den Kindern auch die Möglichkeit, Verbes­
serungsvorschläge zu machen und eigene Ideen
zu einzubringen.

   14
Handreichung für die Praxis
                                                       der Kindertagesbetreuung

Beobachtung der Kinder und pädagogische
Reflexion sind jetzt besonders wichtig
Jedem Kind muss Partizipation und Mitbestim­           Kinder können auch gezielt in die Umsetzung der
mung ermöglicht werden, wann immer es geht.            Hygienemaßnahmen eingebunden und ihr Be­
Dies gelingt durch eine wertschätzende und wahr­       wusstsein hierfür kann geschärft werden, indem
nehmende Haltung den Kindern gegenüber,                z.B. gemeinsam darauf geachtet wird, sich regel­
indem Sie sich Zeit für die Kinder nehmen, sie auf­    mäßig die Hände zu waschen und einzucremen.
merksam beobachten und, am besten gemeinsam            Damit entwickeln sich auch in Bezug auf den In­
im Team, die Bedürfnisse der Kinder reflektieren.      fektionsschutz ähnliche Routinen wie beispiels­
Kinder sollen ihre persönlichen Erfahrungen aus        weise beim Tisch decken.
der Corona­Zeit thematisieren und ihre Ängste
und Wünsche äußern dürfen, nicht nur im Ge­
spräch, sondern ganzheitlich, z. B. durch Rollen­
spiele, Zeichnungen oder andere Aktivitäten.

                                                                                               15
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

Arbeiten in der festen Gruppe                      Aus einigen Kitas gibt es dazu bereits verschie­
Müssen die Kinder aufgrund des aktuellen Infek­    dene Anregungen:
tionsgeschehens in festen Gruppen betreut wer­     • Hauspost: Die Kinder können Briefkästen bas­
den (siehe auch den a 404. Kita­Newsletter),         teln und an der Tür ihres jeweiligen Gruppen­
so ist Folgendes wichtig: Besprechen Sie mit den     raums anbringen. So können sie sich gegen­
Kindern, warum unter den jetzigen Umständen          seitig Bilder malen oder mit Hilfe der Fach­
vorübergehend keine offene Arbeit möglich ist         kräfte Briefe schreiben. Die Briefkästen werden
und ihre Entscheidungsfreiheit damit einge­          täglich mit den Kindern geleert.
schränkt werden muss und wie die Mitbestim­        • Fensterbotschaften: Mit Fenstermalfarbe kön­
mungs­ und Beteiligungsrechte der Kinder auch        nen sich die Kinder gegenseitig Botschaften an
in der festen Gruppe umgesetzt werden können.        die Fenster malen oder mit Hilfe der pädagogi­
Das Bilden fester Gruppen hält die Anzahl der        schen Fachkraft schreiben. Aus dem Garten,
Kontaktpersonen im Infektionsfall gering und In­     auf dem Hin­ oder auf dem Nachhauseweg
fektionsketten bleiben nachvollziehbar. Sollte       sehen die Kinder dann die Botschaften.
eine Infektion auftreten, erleichtert eine Grup­   • Videos: Innerhalb der Einrichtung können die
penbildung die Entscheidung, nur Teile der Ein­      Gruppen miteinander über Videos kommuni­
richtung zu schließen.                               zieren. Entweder sie schicken sich gegenseitig
                                                     Videobotschaften hin und her oder rufen ei­
Denkbar sind z.B. Abstimmungen in der kleinen        nander mit einem Tablet/Smartphone und
Gruppe oder visuell gestaltete Abstimmungen          einer App mit Videofunktion an.
auf einem Flipchart. Bei einer entsprechenden      • Walkie‐Talkies: Mithilfe dieser Funkgeräte
digitalen Ausstattung und Medienaffinität der          können Kinder raumübergreifend miteinander
Kita können hiermit auch zwischen Kleingruppen       reden und spielen. Die Walkie­Talkies sollten
Abstimmungsprozesse moderiert werden.                jedoch nur unter Beachtung von Hygiene­
Darüber hinaus können die Fachkräfte mit den         regeln, wie z.B. deren regelmäßige Reinigung,
Kindern gemeinsam überlegen, wie die Kinder zu       benutzt werden, da sie nahe ans Gesicht gehal­
ihren Spielkameraden in anderen Gruppen in           ten werden.
Kontakt bleiben können, obwohl sie durch die
Aufteilung in Kleingruppen räumlich voneinander    Weiterführende Links und Literatur
getrennt sind.
                                                   a Sturzenhecker, B., Knauer, R. & Hansen, R.
                                                   (2020). Partizipation in Kitas in Zeiten von
                                                   Corona.
                                                   a Spickschen, L., Meyer, D. & Hilpert, W.
                                                   (2020). Das Coronavirus und die Grundrechte.

   16
Handreichung für die Praxis
                                                     der Kindertagesbetreuung

4 | Eingewöhnung in der Corona­Zeit gestalten

Die Eingewöhnung in eine Kindertageseinrich­         Eine gute Eingewöhnung ist aus entwicklungspsy­
tung stellt für Kinder und Eltern schon in „nor­     chologischer Sicht sehr wichtig. Um eine behut­
malen“ Zeiten eine hochsensible Phase und            same und erfolgreiche Eingewöhnung durch­
meist große Herausforderung dar. Dies wird in        führen zu können, benötigt das Kind ausreichend
Zeiten von Corona und den daraus resultieren­        Zeit. Nur so kann es eine neue sichere Bindung
den Hygienevorschriften noch verstärkt.              zu seiner Bezugsperson aufzubauen. Außerdem
                                                     ist die gemeinsame Gestaltung der Eingewöh­

!
                                                     nung, also von Fachkräften, Eltern und Kindern,
   Laut a aktuellem Rahmenhygieneplan                der Grundstock für eine gelingende Bildungs­und
   kann und sollte auch in Zeiten von Corona die     Erziehungspartnerschaft. Die Eingewöhnung wird
Eingewöhnung neuer Kinder, die sich in der Regel     über einen Zeitraum von mehreren Wochen el­
über zwei bis drei Wochen erstreckt, unbedingt       ternbegleitet, bezugspersonenorientiert und ab­
von Eltern und Beschäftigten gemeinsam durch­        schiedsbewusst durchgeführt:
geführt werden. Nur so können Kinder den Über­       • Elternbegleitet heißt, dass das Kind in Anwe­
gang in die Kindertageseinrichtung erfolgreich         senheit und Begleitung seiner Bezugsperson
bewältigen und eine sichere Bindung zu ihrer           die fremde Umgebung der Kindertageseinrich­
Fachkraft aufbauen. Wichtig ist, dass Eltern           tung und seine Bezugserzieherin kennenlernen
beim Betreten der Kita die Pflicht haben, min­         kann. Mutter oder Vater dienen dem Kind als
destens eine medizinische Maske (oder Masken           sichere emotionale Basis, von der aus es dieses
mit mindestens gleichwertigem genormten                neue Umfeld erkunden kann.
Standard) zu tragen.                                 • Die Bezugserzieherin bzw. der Bezugserzieher
                                                       widmet sich in dieser Eingewöhnungsphase
Bei eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten ist es        ganz dem neuen Kind und versucht, eine ver­
sinnvoll, Gespräche im Freien stattfinden zu las­      trauensvolle Beziehung zu ihm aufzubauen. So
sen oder mediale Möglichkeiten der Kommunika­          kann sie/er selbst zu einer sicheren Basis für
tion, wie beispielsweise Videokonferenzen, zu          das Kind werden.
nutzen.                                              • Es gibt einen klaren Abschied, zu dem bald das
                                                       verinnerlichte Vertrauen auf die Rückkehr des
Auch in Zeiten von Corona steht der Durchfüh­          Elternteils gehört.
rung von Eingewöhnungsprozessen in enger Ab­
stimmung mit den Eltern und unter Beteiligung        Bei der Planung der Eingewöhnungsphase sind
der Eltern nichts im Wege. Eltern dürfen zu die­     individuelle Faktoren zu berücksichtigen, wie z.B.
sem Zwecke die Einrichtungen auch betreten           • das Temperament des Kindes,
und bei der Eingewöhnung dabei sein.                 • das Alter des Kindes,
                                                     • die Erfahrungen mit institutioneller Betreuung,
                                                       die das Kind bereits in der Vergangenheit ge­
                                                       sammelt hat sowie die Frage,
                                                     • ob die Einrichtung bereits durch ein Geschwis­
                                                       terkind bekannt ist.

                                                                                               17
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

Weitere Maßnahmen während der                         Weiterführende Links und Literatur
Eingewöhnung seitens der Eltern
Alle Hygienevorschriften im Rahmen von Corona         a Becker­Stoll, F., Niesel, R., & Wertfein, M.
gelten auch für Eltern, wenn sie sich in einer Kin­   (2020). Handbuch Kinder in den ersten drei Jah‐
dertageseinrichtung aufhalten. Darüber hinaus         ren. Herder: Freiburg im Breisgau.
empfehlen wir, dass die Kindertageseinrichtun­        a Beller, E. K. (2002). Eingewöhnung in die
gen während der Eingewöhnungsphase die an­            Krippe. Ein Modell zur Unterstützung der aktiven
wesenden Eltern und Kinder sowie Datum und            Auseinandersetzung aller Beteiligten mit Verän­
Uhrzeit dokumentieren.                                derungsstress. Frühe Kindheit (2), 9­14.
                                                      a Winner, A. & Erndt­Doll, E. (2009). Anfang
                                                      gut? Alles besser! Ein Modell für die Eingewöh‐
                                                      nung in Kinderkrippen und anderen Kindertages‐
                                                      einrichtungen für Kinder. Berlin & Weimar: verlag
                                                      das netz.
                                                      a Spindler, A. & Radan, J. (2017). Gemeinsam
                                                      den Übergang gestalten. Kindergarten heute, 4,
                                                      18­21.

   18
Handreichung für die Praxis
                                                      der Kindertagesbetreuung

5| Kinder für den Übergang in die Schule stärken

Für Kinder und Familien ist das letzte Kindergar­
tenjahr und der Eintritt des Kindes in die Schule
ein sehr wichtiger Übergang, an den hohe Erwar­
                                                      !    Sie als Fachkraft haben eine besonders
                                                           wichtige Rolle als Bildungspartner der Kin­
                                                      der, indem Sie die kindlichen Bildungsprozesse
tungen bestehen. Kindertageseinrichtungen und         beobachten, offene Fragen oder Anregungen
Grundschulen haben vielfältige Rituale und Prak­      stellen, mit den Kindern in längere Dialoge kom­
tiken entwickelt, um gemeinsam mit der Familie        men und bei Problemen oder Fragen gemeinsam
jedes Vorschulkind darin zu bestärken, die neuen      nach Lösungen suchen. Widmen Sie der gemein­
Herausforderungen gut zu bewältigen und sich          samen Dokumentation von Projekten oder Expe­
auf den Schulstart zu freuen.                         rimenten viel Aufmerksamkeit und stärken Sie so
                                                      die sprachlichen und kognitiven aber auch fein­
Viele bewährte Strategien in der Übergangsbe­         motorischen Kompetenzen der Kinder.
gleitung können unter den Vorgaben in der Co­
rona­Pandemie nicht mehr wie bisher durch­
geführt werden, wie z.B. Schul­ oder Unterrichts­     Tipp aus der Praxis: Intensivieren
besuche, gruppenübergreifende Aktionen der            Sie ganzheitliche und alltagsinte‐
Vorschulkinder, Abschiedsfeste oder auch tradi­
                                                      grierte Bildungsangebote im ganz
tionelle Elternabende. Auch die speziellen Vor­
schulaktivitäten sind über einen längeren
                                                      normalen Gruppenalltag
Zeitraum ausgefallen und es ist auch nicht klar,      Dabei ist es sinnvoll, Aktivitäten in Kleingrup­
wann gruppenübergreifende Aktivitäten wieder          pen zu verstärken und diese eng zu begleiten
möglich sein werden.                                  – wie beispielsweise Projektarbeit, dialogi­
                                                      sches Vorlesen oder naturwissenschaftliche
Eltern haben möglicherweise Befürchtungen,            Experimente. Genauso sinnvoll ist es, den Vor­
dass ihre Kinder aufgrund der wiederholten Kita­      schulkindern im Einrichtungsalltag besondere
schließungen nicht gut genug auf die Schule vor­      Aufgaben zu geben, die sie herausfordern und
bereitet sind und setzen sich, die Kinder und         ihr Selbstwert­ und Verantwortungsgefühl für
vielleicht auch die Kita unter Druck. Die Kita        die Gruppe stärken.
sollte sich jetzt in enger Abstimmung mit den Fa­
milien der Kinder und den aufnehmenden
Grundschulen auf die Aktivitäten konzentrieren,
die sich als besonders wirksam in der Schulvor­
bereitung erwiesen haben. Vielleicht entdecken
Sie dadurch auch Dinge, die Sie in Ihre zukünftige
Praxis der Schulvorbereitung übernehmen wollen.

                                                                                                19
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

Führen Sie den Vorkurs Deutsch 240 in                 Intensivieren Sie die Bildungspartnerschaft
Kooperation mit den für Ihre Einrichtung              mit den Eltern der Vorschulkinder
zuständigen Grundschulen fort                         Momentan ist ihre Rolle als Bildungspartnerin
Laut aktuellem Rahmenhygieneplan können An­           der Eltern besonders wichtig, denn es geht
gebote zur sprachlichen Bildung, wie zum Bei­         darum, die Schulvorbereitung und die Über­
spiel die Vorkurse Deutsch, oder andere Förder­       gangsbegleitung eng mit den Familien der Kinder
angebote, zum Beispiel heilpädagogische oder          abzustimmen. Es ist jetzt noch wichtiger als
medizinisch­therapeutische, in Abstimmung aller       sonst, Kinder besonders in den Blick zu nehmen,
Beteiligten und unter Wahrung des Infektions­         die wenig Bildungsanregung in ihren Familien er­
schutzes durchgeführt werden. Die Förderung           fahren oder deren Familiensprache nicht
sollte nach Möglichkeit so durchgeführt werden,       Deutsch ist.
dass die Maßgaben zur Betreuung der Kinder
durch einen festen Personenstamm eingehalten          Eltern und Vorschulkinder brauchen jetzt
werden.                                               viel Ermutigung und Unterstützung
                                                      Kinder sind möglicherweise sehr enttäuscht, dass
Auch in der Notbetreuung kann unter Einhaltung        viele Vorschulaktivitäten und Rituale nun wegfal­
der Hygienevorgaben so gut als möglich die            len und haben vielleicht auch Ängste, was den
Durchführung der Vorkurse Deutsch gewährleis­         Übergang in die Schule betrifft. Besprechen Sie
tet werden, unter folgenden Bedingungen:              mit den Kindern den Übergang und die Einschu­
• Zu bilden sind feste Vorkursgruppen im Sinne        lung und versuchen Sie, ihnen so viel Sicherheit
  der Empfehlungen zur Gruppenbildung in der          wie möglich zu geben. Ermutigen Sie Kinder,
  Vorkurs­Handreichung, Modul A.                      Ängste und negative Gefühle zu benennen und
• Grundsätzlich ist die Kita als Standort auch für    sprechen Sie feinfühlig darüber. So fühlen sich
  den schulischen Vorkursanteil vorzuziehen. Je       Kinder wahrgenommen und können Strategien
  nachdem, ob der schulische Vorkursanteil in         entwickeln, um mit diesen Gefühlen umzugehen,
  der Kita bzw. in der Grundschule stattfindet, ist   ihre Bedürfnisse zu äußern und Fragen zu stellen.
  der Rahmenhygieneplan der Kita bzw. der
  Schule zu beachten. Darüber hinaus sind Inzi­
  denzwerte vor Ort und die Vorgaben der zu­
  ständigen Kreisverwaltungsbehörden zu
  berücksichtigen.
                                                      !    Versuchen Sie, gerade jetzt eine noch en­
                                                           gere Kommunikation mit den Eltern der Vor­
                                                      schulkinder herzustellen und sprechen Sie
• Die Kooperation Kita und Grundschule bei der        regelmäßig mit ihnen. Richten Sie in den Gesprä­
  Planung, Organisation und Durchführung der          chen einen Blick auf die Ressourcen in der Fami­
  Vorkurse sollte im Rahmen der Empfehlungen          lie und des Kindes und geben Sie den Eltern
  in der Vorkurs­Handreichung, Modul A fortge­        Selbstvertrauen, dass sie miteinander, trotz ver­
  setzt werden. Für die hierfür notwendigen Ab­       änderter Rahmenbedingungen, diesen Übergang
  sprachen sind Video­ oder Telefonkonferenzen        gut bewältigen werden. Dabei kann es die Eltern
  anstelle von Präsenztreffen vorzuziehen.             entlasten, wenn Sie ihnen erklären, dass nicht
• Das bayernweite Fortbildungsangebot zum Vor­        nur das letzte Jahr im Kindergarten für die Vor­
  kurs Deutsch für neue Vorkurspädagog/innen          schulkinder wichtig ist, sondern dass in der ge­
  wird – voraussichtlich ab März/April 2021 – in      samten Zeit die Kompetenzen des Kindes
  allen Regierungsbezirken digital in Form von        ganzheitlich durch das Spiel in der Kindergruppe
  Videokonferenzen fortgeführt.                       gestärkt wurden.

   20
Handreichung für die Praxis
                                                     der Kindertagesbetreuung

Hier einige Fragen, die Sie im Gespräch mit den      Unsicherheiten bezüglich der Schulfähig­
Eltern und den Vorschulkindern klären können:        keit des Kindes
• Welche Wünsche und Bedürfnisse hat das Kind        Einige pädagogische Fachkräfte berichten von
  in Bezug auf den Übergang in die Schule?           ihren Sorgen hinsichtlich der Entwicklung der
• Welche Kompetenzen und Interessen hat das          (Vorschul­)Kinder, wenn diese aufgrund der Kita­
  Kind, und wie können diese in der Kita und zu      Schließungen die Kita lange Zeit nicht besuchen
  Hause am besten gestärkt werden?                   konnten. Insbesondere Vorschulkinder oder an­
• Wo wünschen sich das Kind und/oder die             gehende Vorschulkinder würden Defizite in wich­
  Eltern Unterstützung oder Förderung?               tigen Bildungsbereichen wie „Sprache,
• Welche Rituale können für den Übergang in die      Mathematisches Verständnis, soziale Beziehun­
  Schule in der Familie und der Einrichtung etab­    gen und auch Emotionalität“ entwickeln. Auch
  liert werden?                                      Eltern wenden sich an die Fachkräfte mit ihren
                                                     Sorgen, da sie Entwicklungsdefizite oder gar Ent­
Versuchen Sie insbesondere die für den Über­         wicklungsprobleme befürchten.
gang zentralen Basiskompetenzen und vor allem
die Sprachkompetenzen der Kinder mit anderen         Sollen Vorschulkinder wegen „Corona“ zurück­
Familiensprachen in den Blick zu nehmen. Hin­        gestellt werden oder Grundschulkinder ein
weise dazu finden Sie auch auf der a Qualifizie­     Schuljahr wiederholen?
rungsplattform Fachlich Fit des IFP.                 Eltern und auch Fachkräfte sind verunsichert,
                                                     und überlegen, ob Vorschulkinder besser zurück­
                                                     gestellt werden sollten, weil durch die Kita­ und
 Tipp für Eltern                                     Schulschließungen viele Bildungsangebote für
 Ermutigen Sie Eltern, kreative Wege zur Über­       Vorschulkinder nicht durchgeführt werden konn­
 gangsbegleitung in der Familie auszuprobie­         ten/können.
 ren, z. B. regelmäßige Schulwegspaziergänge
 mit dem Kind, gemeinsames Schule­Spielen            Aus fachlicher Sicht ist dies jedoch keine gute
 zuhause oder das gemeinsame Gestalten eines         Idee, Kinder pauschal bzw. vorsorglich zurückzu­
 Übergangsbuchs und viele andere Möglichkei­         stellen oder Schulklassen wiederholen zu lassen.
 ten können für das Kind und seine Familie eine      Die aktuelle pädagogische und entwicklungspsy­
 schöne und stärkende Erfahrung trotz schwie­        chologische Forschung zeigt deutlich: Ein zusätz­
 riger Umstände sein.                                liches Kita­Jahr oder gar die Wiederholung eines
                                                     Schuljahres garantiert kein Aufholen von Wis­
                                                     senslücken oder Entwicklungsdefiziten – ganz im
                                                     Gegenteil, wie wir an der Sprachentwicklung von
                                                     Kindern sehen können, die vom Schulbeginn zu­
                                                     rückgestellt werden. Allein die Tatsache, dass ein
                                                     sechsjähriges Kind ein Jahr länger den Kindergar­
                                                     ten besucht, wo es ggf. auch keine altersgemä­
                                                     ßen Spielkameraden mehr hat, ist keine Garantie
                                                     für eine gute Entwicklung und ist der Sprachent­
                                                     wicklung und der sozialen und emotionalen Ent­
                                                     wicklung eher abträglich als zuträglich.

                                                                                               21
Bildung, Erziehung und Betreuung
in Zeiten von Corona

Aus entwicklungspsychologischer und früh­           Weiterführende Links und Literatur
pädagogischer Sicht ist daher zu empfehlen:
Jedes Kind ist anders. Daher sollte die Situation   a     Staatsministerium für Familie, Arbeit und
eines jeden Kindes individuell betrachtet werden    Soziales & Staatsministerium für Unterricht und
und jedes einzelne Kind in seiner Entwicklung gut   Kultus (2016). Vorkurs Deutsch in Bayern. Eine
zu beobachten und mit den Eltern zu sprechen        Handreichung für die Praxis. Modul A, Modul B,
um gemeinsam die bestmögliche Unterstützung         Modul C. Abruf unter:
für das Kind vorzunehmen.                           https://www.ifp.bayern.de/projekte/professio­
                                                    nalisierung/vorkurs_deutsch.php
Eine pauschalisierte Forderung nach Zurückstel­     a Video des Goethe­Instituts: Wie Kinder
lungen wird den individuellen Bedürfnissen und      Sprache entdecken
Kompetenzen der Kinder nicht gerecht. Wenn          a Zum Anhören – nicht nur für Eltern: Pod­
Unsicherheiten darüber bestehen, ob ein Kind        cast „Ganzschoenfamilie“ #5 EXTRA „Vorschule
zurückgestellt werden soll, empfiehlt sich immer    zuhause – Worauf kommt es an?“
ein gemeinsames Gespräch mit den Eltern und         a Spindler, A. & Radan, J. (2017). Von der Kita
ggf. der (künftigen) Lehrkraft und/oder entspre­    in die Grundschule. Kindergarten heute, 4, 10­14.
chenden Beratungsstellen.                           a Spindler, A. & Radan, J. (2017). Gemeinsam
                                                    den Übergang gestalten. Kindergarten heute, 4,
                                                    18­21.

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