Meik Führing* Risikoberichterstattung über Humanressourcen - Eine empirische Analyse der DAX 30

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Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 2, 2004                                    183

Meik Führing*
Risikoberichterstattung über Humanressourcen –
Eine empirische Analyse der DAX 30**
     Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)
verpflichtet Unternehmen in der Lageberichterstattung auf die Risiken der künftigen
Entwicklung einzugehen. Hierzu gehören auch Risiken von Humanressourcen, die
sich unter anderem aus Fehlentscheidungen bzw. -verhalten des Managements, feh-
lenden Qualifikationen oder unzureichender Unterstützung durch die Funktionen des
HRM ergeben können. Ziel dieses Beitrags ist es, die Risikoberichterstattung über
Humanressourcen der DAX 30 hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu analysieren und zu
bewerten, sowie die empirischen Ergebnisse aus „Personalerperspektive“ kritisch zu
diskutieren. Hierbei geht es vor allem darum, die Besonderheiten der Humanressour-
cen im Unterschied zu anderen Unternehmensressourcen und die damit verbundenen
Herausforderungen/Probleme bei der Risikoberichterstattung herauszuarbeiten. Bei
diesem Beitrag handelt es sich um einen ersten Vorstoß in ein vor allem von Persona-
lerseite bislang vernachlässigtes Themenfeld.

Risk Reporting on Human Resources – an Empirical Analysis
     The ‘Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich’ (Kon-
TraG) obliges companies to report on the risks affecting their future development in
their management reports. The field of human resources is one important risk area
and encompasses for example wrong management decisions, inadequate know-how or
insufficient support of the HRM-function. The aim of the study is to analyse and to
rate the DAX 30s’ risk reporting on human resources regarding their explanatory
power and to discuss the empirical findings from an HR-perspective. The article fo-
cuses in this context on the particularities of human resources in comparison to other
resources and the resulting problems/challenges for the process of risk reporting. This
study is the first approach to this subject area of risk management neglected especially
by the HR profession.

Key words: Risk reporting, HR Risk Management, Management Reports,
           DAX 30, KonTraG

___________________________________________________________________
*    Dipl.-Kfm. Meik Führing, Jg. 1974, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität
     Trier, FB IV – BWL, Schwerpunkt: Arbeit Personal Organisation, D – 54286 Trier.
     E-Mail: fueh4101@uni-trier.de.
**   Artikel eingegangen: 13.10.2003
     revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 4.3.2004.
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      1. Relevanz und Fragestellung
           Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG
      1998) vom 27.4.1998 verpflichtet (vor allem) börsennotierte Unternehmen zur Ein-
      führung eines angemessenen Risikomanagementsystems. Zusammen mit dem Trans-
      parenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) vom 19.7.2002 und dem Corporate Gover-
      nance Kodex vom 26.2.2002 zielen die gesetzlichen Regelungen darauf ab, durch
      mehr Transparenz und Publizität Verhaltensfehlsteuerungen und Schwächen im deut-
      schen System der Corporate Governance zu beheben und die Attraktivität gerade für
      internationale Anleger zu erhöhen (Bundestagsdrucksache 13/9712 1998).
           Neben der Einführung eines Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG wer-
      den Unternehmen dazu verpflichtet, in der (Konzern)Lageberichterstattung „auch auf
      die Risiken der künftigen Entwicklung einzugehen“ (§§ 289 u. 315 HGB). Für diesen
      Abschnitt des Lageberichts wird üblicherweise der Begriff Risikobericht verwendet
      (erstmalig bei Küting/Hütten 1997). Davon zu unterscheiden sind interne Risikobe-
      richte, die eine interne Berichts- und Kommunikationsfunktion erfüllen (Wall 2003;
      ausführlich zu internem Risikoreporting vgl. Erben/Romeike 2003). Die gesetzlichen
      Vorgaben betreffen grundsätzlich sämtliche Unternehmensbereiche (IDW PS 340
      2003), damit auch die Humanressourcen (IDW RS HFA 1 2002; DRS Nr. 5 2001) mit
      den diesbezüglichen Risiken wie Fehlentscheidungen und -verhalten des Manage-
      ments, Bilanzfälschungen, nicht adäquate Qualifikationen, unzureichende Personal-
      planung etc. und führen zu neuen Anforderungen an die HR-Profession in Wissen-
      schaft und Praxis. Hierzu gehört neben der Durchführung des gesamten Risikomana-
      gementprozesses vor allem auch die hier betrachte Abbildung von HR-Risiken im
      Rahmen der Lageberichterstattung.
           Bislang gibt es weder eine fundierte empirische Untersuchung, noch ein fundier-
      tes Konzept zur Risikoberichterstattung über Humanressourcen. Auch hinsichtlich
      anderer Risiken fehlen, abgesehen von Kajüter/Winkler (2003), Kajüter (2001) und
      Fröhling (2000), ebenfalls empirische Untersuchungen zur Aussagekraft der Risikobe-
      richterstattung, die in ihrer Bewertung allerdings auch nicht nach einzelnen Risikoka-
      tegorien differenzieren.
           Ziel dieses Beitrags ist (1) die Analyse und Bewertung der Risikoberichterstattung
      der DAX 30 über Humanressourcen und (2) die kritische Diskussion der Ergebnisse
      aus „Personalerperspektive“ sowie die Skizzierung von Ansatzpunkten für eine Ver-
      besserung der Risikoberichterstattung über Humanressourcen. Ausgehend von den
      allgemeinen zu beachtenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Lageberichterstattung
      (GoL) und den Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) zur Risikoberichter-
      stattung werden spezifische Kriterien zur Berichterstattung über Humanressourcen
      hergeleitet. Anhand dieser Kriterien und Anforderungen werden die Lageberichte der
      Berichtsjahres 2002 der DAX 30-Unternehmen analysiert und bewertet. Anschließend
      werden die gewonnenen Ergebnisse kritisch interpretiert und diskutiert. Dieser Beitrag
      schließt mit Überlegungen zur Verbesserung der derzeitigen Risikoberichterstattung
      über Humanressourcen.
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2. Anforderungen an die Erstellung von Risikoberichten
2.1 Inhalte, Funktionen und Adressaten der Lageberichterstattung
     Grundsätzliches Ziel der Lageberichterstattung ist es, den Adressaten und Anspruchs-
gruppen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen
Lage des Unternehmens zu vermitteln (Abb. 1). Diese übergeordnete Informations-
funktion kann weiter nach Rechenschafts-, Verdichtungs- und Ergänzungsfunktion
differenziert werden (Baetge/Schulze 1998). Weiterhin haben Geschäftsberichte für
Unternehmen eine Marketing- und Public Relations-Funktion und stellen ein wesent-
liches Element und Instrument der Unternehmenskommunikation dar. Gerade als In-
strument der Investor Relations bzw. der Finanzmarktkommunikation kommt dem
Lagebericht, der i.d.R. zusammen mit dem Jahresabschluss und weiteren Informatio-
nen als Geschäftsbericht publiziert wird, eine zentrale Rolle zu (Rodewald 2000). Ziel
der Risikoberichterstattung ist es, entscheidungsrelevante und verlässliche Informationen
bezüglich der Risiken der künftigen Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Als Ziel-
gruppe der Risikoberichterstattung wird in der Gesetzesbegründung zum KonTraG
konkret nur der Aufsichtsrat genannt.
     „Die Regelungen des § 289 Abs. 1 und des § 317 Abs. 1 dienen dazu, den Auf-
sichtsrat umfassender über die Lage des Unternehmens und dessen mögliche Gefähr-
dung zu unterrichten.“ (Bundestagsdrucksache 13/9712 1998, 27)
Abb. 1: Inhalte, Funktionen und Adressaten der Lageberichterstattung

 Inhalte Lagebericht (nach §§ 289 u. 315 HGB)

                                               Geschäftsverlauf und Lage (Abs.1)
 Pflicht-                                 Risiken der künftigen Entwicklung (Abs. 1)
 inhalt

                  Vorgänge besonderer          Voraussichtliche       Forschung und       Zweignieder-
 Soll-           Bedeutung nach Bilanz-         Entwicklung            Entwicklung         lassungen
 inhalt            stichtag (Abs. 2-1)           (Abs. 2-2)             (Abs. 2-3)         (Abs. 2-4)

 Freiwillige          Sozial- und              Umwelt-
 Angaben                                                                  ...                  ...
                    Personalbericht             bericht

 Funktionen Lagebericht
 Rechenschaftsfunktion      Verdichtungsfunktion          Ergänzungsfunktion       Public Relations-Funktion

 Adressaten Lagebericht (derzeitige und potenzielle)
  Financial Community Anteilseigner   Fondsmanager            Aufsichtsrat    Mitarbeiter        Lieferanten
  Fremdkapitalgeber     Finanzanalysten      ...              Kunden       Öffentliche Hand          ...
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           Auch wenn es offensichtlich der Intention des KonTraG entspricht, die Überwa-
      chungsleistung des Aufsichtsrates zu verbessern (Theisen 2003), wird in der Praxis/
      Realität der Aufsichtsrat nicht die wesentliche Zielgruppe darstellen. Den Aufsichtsrats-
      mitgliedern stehen (oder sollten zumindest) wesentlich aussagekräftigere Informations-
      quellen als der Lagebericht zur Verfügung stehen, wie beispielsweise die Berichte des
      Vorstands nach § 90 AktG, die angefordert werden können und deren Inhalte im Rah-
      men des KonTraG explizit um den Bereich der Personalplanung erweitert wurden.
           Dagegen sind andere Anspruchsgruppen auf die Informationen des Lageberichts
      angewiesen. Zu nennen sind neben der „Financial Community“, zu der aktuelle und
      potenzielle Aktionäre sowie Multiplikatoren wie Anlageberater, Finanzanalysten,
      Wertpapierbörsen etc. gehören (Link 1993), auch weitere Stakeholder, wie Mitarbeiter,
      Kunden, Lieferanten oder die Öffentliche Hand. Besonders auf die Informationen des
      Lageberichts sind die Kleinanleger angewiesen, da sie nur sehr begrenzt über entspre-
      chende Ressourcen und/oder Machtpositionen verfügen, um sich weitere, entschei-
      dungsrelevante Informationen zu verschaffen bzw. zu verarbeiten. Aus Sicht der meis-
      ten börsennotierten Unternehmen stellen die Aktionäre offensichtlich die Hauptziel-
      gruppe der Berichterstattung dar – an sie richtet sich üblicherweise der Vorstandsvor-
      sitzende mit seinem Geleitwort zum Geschäftsbericht.
      2.2 Zu berichtende Risiken
          Der Risikobegriff i.S. des KonTraG bezieht sich lediglich auf mögliche negative
      künftige Entwicklungen, die in innerem Zusammenhang mit der Fortführungsprämis-
      se nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB stehen (IDW RS HFA 1 2002; ausführlicher dazu
      Dörner/Bischof 1999; zur möglichen Erweiterung des Risikobegriffs im Zuge der
      EU-Modernisierungsrichtlinie vgl. Kirsch/Scheele 2004). Im Regierungsentwurf des
      Bundesministeriums der Justiz zum KonTraG heißt es:
          „Zu den den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Entwicklungen gehören insbe-
          sondere risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße
          gegen gesetzliche Vorschriften, die sich auf die Vermögens, Finanz- und Ertragslage der
          Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich auswirken.“ (Bundestagsdrucksache 13/9712
          1998, 15)
           Eine weitere Präzisierung, welche konkreten Risiken prinzipiell in Frage kommen,
      wird bewusst nicht vorgenommen. Es wird auf die Berücksichtigung der spezifischen
      Situation (Bestandskraft des Unternehmens, Branche, Unternehmensstruktur und
      -größe etc.) verwiesen (Bundestagsdrucksache 13/9712 1998). Als eine mögliche Risi-
      kokategorisierung werden im DRS Nr. 5 (2001) die folgenden sieben Kategorien un-
      terschieden, ohne dass allerdings erläutert wird, was konkret unter diesen Risiken ver-
      standen wird bzw. welche Beziehungen es zwischen den einzelnen Risiken gibt: (1)
      Umfeld- und Branchenrisiken, (2) unternehmensstrategische Risiken, (3) leistungswirt-
      schaftliche Risiken, (4) Personalrisiken, (5) informationstechnische Risiken, (6) fi-
      nanzwirtschaftliche Risiken und (7) sonstige Risiken. Um der Querschnittsfunktion
      des Personals (Porter 1989) Rechnung zu tragen und die Humanressourcen, insbe-
      sondere das Managementhandeln als einen wesentlichen Ausgangspunkt für spätere
      andere Risiken (z.B. Finanzrisiken) in den Blickpunkt der Betrachtung zu stellen, wird
      in diesem Beitrag ein weites Begriffsverständnis möglicher HR-Risiken zugrunde ge-
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legt (zu Managementfehlern als Hauptursache für Insolvenzen vgl. KfW 2002). Dem-
zufolge umfasst die Analyse der hier untersuchten Risikoberichterstattung über Hu-
manressourcen neben Risiken, die unmittelbar den Personalbereich/die Personalabtei-
lung betreffen, auch Risiken wie Fehlverhalten des Managements, nicht funktionie-
rende Systeme der Unternehmensüberwachung etc., die zum KonTraG, dem
TransPuG und dem Corporate Governance Kodex geführt haben. In einer ursache-
orientierten und auf Früherkennung ausgerichteten Systematik werden in der empiri-
schen Analyse die unterschiedlichen Einzelrisiken den vier folgenden, in innerem Zu-
sammenhang stehenden Kategorien zugeordnet: Verhalten, Kompetenzen, Motivation
und organisatorische Einbettung (zu weiteren Systematiken von HR-Risiken vgl. Kobi
2003, 2001; Wucknitz 2002, 138 f.; Ackermann 1999).
      Um die Aussagekraft des Risikoberichts zu erhöhen und damit den Grundsätzen
der Wesentlichkeit und Klarheit zu entsprechen, hat sich (zumindest in der Literatur)
die Unterscheidung in bestandsgefährdende und sonstige wesentliche Risiken durchgesetzt
(IDW RS HFA 1 2002; Baetge/Schulze 1998). Sonstige wesentliche Risiken gefährden
zwar nicht unmittelbar den Fortbestand des Unternehmens, können sich aber langfris-
tig, oder mit anderen Risiken kumuliert, nachteilig auf die künftige Entwicklung aus-
wirken (IDW RS HFA 1 2002; Ackermann 1999) und sind damit ebenfalls als ent-
scheidungsrelevant für (potenzielle) Adressaten anzusehen, zu kennzeichnen und zu
berichten. Während einige Risiken (vor allem Finanzrisiken) nach anerkannten und
wirtschaftlich vertretbaren Verfahren (DRS Nr. 5-10 2000) relativ genau zu quantifi-
zieren sind, ist dies bei HR-Risiken kaum möglich. Hier bietet sich eine Einteilung in
Risikoklassen (z.B. kleine, mittlere und große Risiken) an (Kobi 1999; Hochrein 1999).
Als sinnvoller zeitlicher Horizont der Berichterstattung kann in Übereinstimmung mit
dem Jahresabschluss ein Zeitraum von zwölf Monaten für bestandsgefährdende und
von 24 Monaten für sonstige wesentliche Risiken angesehen werden, falls nicht bran-
chenspezifische Besonderheiten oder längere Produktionszyklen einen längeren Prog-
nosezeitraum notwendig machen (IDW RS HFA 1 2002; DRS Nr. 5 2001).
      Die Informationen, wie bestimmte Risiken hinsichtlich ihrer Eintrittswahrschein-
lichkeit und des potenziellen Schadens eingeschätzt werden (IDW PS 340 2003), wer-
den nur dann aussagekräftig sein, wenn die jeweiligen Annahmen und Risikopräferen-
zen (Wall 2003), die zu den Einschätzungen führten, ebenfalls erläutert werden.
2.3 Grundsätzliche Anforderungen
     Die gesetzlichen Formulierungen des HGB zur Lageberichterstattung und damit
auch zur Risikoberichterstattung bleiben sehr allgemein und lassen den Unternehmen
einen erheblichen Ermessensspielraum bei der jeweiligen Erstellung der Risikoberich-
te. Gleichwohl gelten auch hier die Grundsätze ordnungsgemäßer Lageberichterstat-
tung (GoL). Auch gibt das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee
(DRSC) mit dem DRS Nr. 5 zur Risikoberichterstattung und den branchenspezifi-
schen Ergänzungen DRS Nr. 5-10 (2000) für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitu-
te und DRS Nr. 5-20 (2001) für Versicherungsunternehmen gewisse Vorgaben und
Orientierungspunkte.
     Die GoL umfassen nach dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) die drei
Grundsätze der Vollständigkeit, Richtigkeit und Klarheit/Übersichtlichkeit (IDW RS
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      HFA 1 2002).1 Die Standards, Stellungnahmen etc. des IDW sind als grundsätzlich
      verbindliche Vorgaben für Abschlussprüfer anzusehen (Leffson 1998).
            Das DRSC, als Herausgeber der DRS, ist vom Bundesministerium der Justiz als
      privates Rechnungslegungsgremium nach § 342 HGB anerkannt. Es gilt damit die
      GoB-Vermutung bei Befolgung dieser Standards, die trotzdem nur den Charakter ei-
      ner Empfehlung haben und keine rechtlichen Konsequenzen bei Nichtbefolgung vor-
      sehen (Biener 1999; kritisch zu Bedeutung und Kompetenzen des DRSC vgl. Ballwie-
      ser 1999).
            Aber auch die Regeln der DRS bleiben letztlich relativ „abstrakt formuliert, um
      den individuellen Erfordernissen der Risikoberichterstattung verschiedener Unter-
      nehmen und verschiedener Branchen gerecht zu werden. Jedes Unternehmen sollte so
      über seine Risiken berichten, wie sie intern im Rahmen des Risikomanagements einge-
      teilt werden.“ (DRS Nr. 5 2001, 9) Eine derartige Vorgehensweise kann als management
      approach bezeichnet werden (Coenenberg 2003, 881). Auch die Standards des DRSC
      bedürfen der Interpretation und Operationalisierung und dienen im günstigsten Fall
      der Mindestabsicherung der Adressaten (Moxter 1998).
      3. Bewertungskriterien und Methodik der empirischen Analyse der
         DAX 30
            In diesem Kapitel werden die grundsätzlichen Anforderungen an die Risiko- bzw.
      Lageberichterstattung für den Bereich der Humanressourcen konkretisiert und opera-
      tionalisiert, wobei die Bewertungskriterien, den GoL folgend, in drei Teilkategorien
      zusammengefasst werden: (1) Vollständigkeit, (2) Richtigkeit/Plausibilität und (3)
      Klarheit/Übersichtlichkeit. Anhand dieser Kriterien, die letztlich nur analytisch zu
      trennen sind, wurden die Risikoberichte der DAX 30 des Berichtsjahres 2002 analy-
      siert und bewertet.
      3.1 Vollständigkeit
           Um dem Grundsatz der Vollständigkeit zu genügen, müssen im Lagebericht „alle
      Angaben enthalten [sein], die für die Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Lage des
      Unternehmens und des Geschäftsverlaufs sowie der Risiken der künftigen Entwick-
      lung erforderlich oder die im Rahmen der besonderen Angabepflichten nach § 289
      Abs. 2 HGB zu machen sind“ (IDW RS HFA 1 2002, 3). Im Rahmen der hier unter-
      suchten Risikoberichterstattung über Humanressourcen werden die Angaben des La-
      geberichts dann als vollständig angesehen, wenn (1) die Humanressourcen in der
      Formulierung der Risikostrategie berücksichtigt werden, (2) auf unterschiedliche HR-
      Risiken eingegangen wird und (3) Angaben zum Umgang mit den jeweiligen Risiken
      gemacht werden.
           Zu 1) Eine positive Bewertung wurde hierbei gegeben, wenn die Humanressour-
      cen eine Rolle in den Risikogrundsätzen, der Risikopolitik oder -philosophie spielen
      und diese mit der Unternehmens- bzw. HR-Strategie verknüpft sind. Ebenfalls wurde

      1   Andere Systematiken der GoL finden sich beispielsweise bei Kirsch/Scheele (2003) oder
          Baetge/Schulze (1998), die teilweise andere Bezeichnungen verwenden bzw. die Grund-
          sätze weiter ausdifferenzieren.
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positiv die Benennung und Zuweisung von Verantwortlichkeiten sowie die Erläute-
rung organisatorischer Aspekte (Überwachungs- und Berichtswesen, Verknüpfung mit
vorhandenen Managementsystemen, etc.) berücksichtigt.
     Zu 2) Unter HR-Risiken wird hier die Gesamtheit der wesentlichen oder be-
standsgefährdenden Risiken verstanden, die sich aus Verhalten (kriminelles Verhal-
ten, Fehlentscheidungen, fahrlässiger Umgang mit sensiblen Informationen, etc.),
Kompetenzen (fehlendes oder nicht adäquates Know-how, Qualifikationen, etc.), Moti-
vation (fehlendes Engagement, mangelnde Loyalität, etc.) und organisatorischer Einbet-
tung (mangelhafte bzw. nicht funktionierende Funktionen des HRM, unzureichende
Corporate Governance, etc.) von Mitarbeitern und Management ergeben können.
Die vier Ebenen, die mögliche Risiken von Humanressourcen systematisieren, sind
nicht unabhängig voneinander. So kann sich z.B. eine mangelhafte Anreizgestaltung
negativ auf die Motivation auswirken, was sich letztlich in einem nicht gewünschten
Verhalten wie Fluktuation äußern kann. Eine sehr gute Bewertung wurde hier ver-
geben für die nähere Erläuterung der Risiken, die Quantifizierung bzw. Einschät-
zung ihrer Bedeutung und die Verdeutlichung der Annahmen, die zu den jeweiligen
Risikoeinschätzungen (falls vorhanden) geführt haben.
     Zu 3) Die Risikohandhabung knüpft direkt an den berichteten Risiken an und
umfasst die verschiedenen Maßnahmen zur Ausschaltung, Verminderung oder Versi-
cherung dieser Risiken (IDW PS 340 2003; Ackermann 1999; Wolf/Runzheimer
2001). Maßnahmen zum Umgang mit HR-Risiken wären beispielsweise eine entspre-
chende Anreizgestaltung zur Mitarbeiterbindung, Implementierung von Wissensma-
nagementsystemen, Aus- und Weiterbildung oder die Schaffung einer so genannten
Risikomanagementkultur (Martin/Bär 2002, 138 ff.; KPMG 1998, 8 ff.), in der Mitar-
beiter mögliche Risiken frühzeitig kommunizieren können, ohne mit negativen Kon-
sequenzen rechnen zu müssen. Sehr gute Bewertungen wurden hier vergeben, wenn
die Maßnahmen der Risikohandhabung in Bezug zu den genannten Risiken standen,
die Maßnahmen angemessen erläutert und die Auswirkungen auf die zukünftige Risi-
kosituation verdeutlicht wurden.
3.2 Richtigkeit/Plausibilität
     Nachdem mit dem Kriterium Vollständigkeit die inhaltlichen Aspekte themati-
siert wurden, geht es in diesem Punkt um die Richtigkeit der publizierten Aussagen.
Eine solche Bewertung ist auf Grundlage der Informationen des Lageberichts aller-
dings für den Leser kaum möglich, daher wird hier im Wesentlichen die Plausibilität
der Berichterstattung beurteilt. Bewertet wird also, wie logisch und nachvollziehbar
die Aussagen sind und vor allem wie konsistent die einzelnen Abschnitte des Ge-
schäftsberichts als Ganzes sind bzw. zu allgemein zugänglichen Informationen (z.B.
Tagespresse) über die Unternehmen (IDW RS HFA 1 2002). So wäre beispielsweise
zu erwarten, dass ein Unternehmen, das die Mitarbeiter als das „wertvollste Kapital“
bezeichnet, auf diesen „zentralen Erfolgsfaktor“ auch in der Risikoberichterstattung
eingeht. In Übereinstimmung mit den Vorgaben des IDW wird hier als konstruierter
Vergleichsmaßstab für die Richtigkeit „die Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentli-
chen Geschäftsführers“ (IDW RS HFA 1 2002, 5) herangezogen.
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      3.3 Klarheit/Übersichtlichkeit
          Dieser Punkt bezieht sich auf die Art und Weise der Darstellung und Präsentati-
      on der Risikoberichte und die Lesefreundlichkeit. Grundsätzlich sind sämtliche Anga-
      ben im Lagebericht „klar, eindeutig und in verständlicher Sprache“ (IDW RS HFA 1
      2002, 5) zu machen. In Übereinstimmung mit IDW RS HFA 1 (2002) wurden bei der
      Bewertung der Risikoberichte die folgenden Aspekte positiv bewertet: klare Struktur
      und Sprache, die Verwendung von Zwischenüberschriften, Hervorhebung zentraler
      Begriffe, die übersichtliche grafische Aufbereitung von Daten, zusammenfassende
      Bewertungen, der angemessene Detaillierungsgrad bedeutsamer Sachverhalte, inter-
      temporäre Vergleichsmöglichkeiten durch Vorjahreszahlen und -kenngrößen.
      3.4 Methodik der Bewertung
            Die Bewertung der einzelnen Aspekte erfolgte ordinalskaliert mit den Noten 1-6
      (von sehr gut bis ungenügend) ohne weitere Abstufungen. Die Bewertung bezieht sich
      immer auf das übergeordnete Ziel der Risikoberichterstattung: die Vermittlung eines
      aussagkräftigen Bildes bezüglich der Risiken der künftigen Entwicklung.
            Die Note 6 (ungenügend) wurde grundsätzlich in allen Kategorien dann vergeben,
      wenn in den untersuchten Abschnitten des Lageberichts kein Hinweis auf den jeweili-
      gen Aspekt zu finden war.2 Berücksichtigt wurden hierbei nur die als „Risikobericht“,
      „Risikomanagement“ o.ä. gekennzeichneten Abschnitte. Dahinter steckt die Überle-
      gung, dass der Leser erwarten kann, in diesem klar gekennzeichneten Bereich die risi-
      korelevanten Informationen zu bekommen, ohne jede Seite der teilweise sehr umfang-
      reichen Geschäftsberichte durchzuarbeiten. In den Fällen, in denen im Risikobericht
      auf andere Abschnitte des Geschäftsberichts verwiesen wurde, wurden diese Ab-
      schnitte zusätzlich bei der Bewertung berücksichtigt. Diese Vorgehensweise entspricht
      auch den DRS, die eine geschlossene Darstellung empfehlen (DRS Nr. 5 2001) und
      der grundsätzlichen Vorgabe des IDW, dass bei der Aufstellung eines Lageberichts
      Angaben im Anhang „nicht von einer Darstellung im Lagebericht [entheben], wenn
      erst durch diese ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Gesamtbild des
      Geschäftsverlaufs und der Lage vermittelt werden kann“ (IDW RS HFA 2002, 4).
            Die Note 5 (mangelhaft) wurde grundsätzlich dann vergeben, wenn lediglich die
      Nennung einzelner Aspekte (z.B. nur „Risiko durch menschliches Versagen“) ohne
      weitere Erklärungen oder Einschätzungen erfolgte.
            Ein Ziel dieses Beitrags ist die Bewertung der Risikoberichterstattung der DAX
      30 über Humanressourcen. Dazu gehört auch, neben der Bewertung der oben darge-
      stellten Einzelkriterien, eine Gesamtbewertung der jeweiligen Risikoberichte. Hierzu
      ist es notwendig, die Einzelkriterien hinsichtlich ihrer Relevanz bezüglich der Vermitt-
      lung eines aussagekräftigen Bildes über die Risiken der künftigen Entwicklung zu ge-
      wichten. Es ergeben sich in diesem Zusammenhang zumindest zwei wesentliche Her-
      ausforderungen bzw. Probleme. Zum einen ist jede Bewertung mit einem Bewer-

      2   Aus mathematisch-rechnerischen Gründen wurde bei Klarheit/Übersichtlichkeit auch
          dann die Note 6 vergeben, wenn wie beispielsweise bei Altana im gesamten Risikobericht
          kein Hinweis auf den HR-Bereich zu finden ist. Aus inhaltlichen Gründen wäre die Be-
          wertung des Nichts hinsichtlich der Klarheit/Übersichtlichkeit eigentlich nicht möglich.
Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 2, 2004                                        191

tungsspielraum und einem gewissen Maß an Subjektivität verbunden. Dies gilt vor al-
lem für die beiden Kategorien Richtigkeit/Plausibilität und Klarheit/Übersichtlichkeit.
Zum anderen muss eine Entscheidung über die Gewichtung getroffen werden, für die
es keine allgemeingültigen bzw. gesetzlichen Vorgaben gibt. Warum wird dem einen
Kriterium eine Gewichtung von 10 % zugewiesen und nicht von 8 % oder 15 %? Um
diesen beiden Problemen zu begegnen, ist eine pragmatische, plausible und transpa-
rente Vorgehensweise von großer Bedeutung, so dass es zumindest zu möglichst
nachvollziehbaren Ergebnissen kommt.
      Aus diesem Grund werden die Kriterien wie folgt mit 10 bzw. 20 % gewichtet
(s.a. Abb. 3): Die größte Bedeutung wird mit insgesamt 40 % den vier möglichen HR-
Risikobereichen (jeweils 10 %) und damit dem Kern der Risikoberichterstattung i.S.
des KonTraG zugemessen. Mit 20 % wurden die Angaben zur Risikohandhabung und
mit 10 % die Ausführungen zur Risikostrategie gewichtet, denen aus Sicht der Adres-
saten ebenfalls eine gewisse Entscheidungsrelevanz beigemessen werden kann, da
diesbezügliche Angaben, die die eigentliche Risikodarstellung ergänzen, dazu beitra-
gen, die Risikosituation und künftige Lage des Unternehmens besser einschätzen zu
können. Mit 20 % geht die Bewertung der Richtigkeit/Plausibilität und mit 10 % die
Klarheit/Übersichtlichkeit ein.
      Die hier gewählte Vorgehensweise ist vergleichbar mit der Vorgehensweise eines
Wirtschaftsprüfers bei der Bewertung von Lageberichten: Relativ abstrakte Beurtei-
lungsgrundsätze, Hilfskonstrukte und Maßstäbe, z.B. die Sorgfalt eines gewissenhaften
und ordentlichen Geschäftsführers (IDW RS HFA 1 2002), werden angewendet zur
Prüfung/Bewertung von höchst unterschiedlichen und nicht im Detail vergleichbaren
Einzelfällen. In einer derartigen Vorgehensweise liegen Stärken und Schwächen
zugleich. Einerseits ist es möglich, den jeweiligen unternehmensspezifischen Gege-
benheiten Rechnung zu tragen, andererseits ist es kaum möglich, klar definierte und
detaillierte Skalen anzugeben, die in jedem Fall zu objektiven und intersubjektiv ein-
deutigen Einschätzungen führen. Da die einzige Alternative zu diesem Scoring-Modell
die reine Bestandsaufnahme (Anzahl der Seiten, Nennung von HR-Risiken etc.) wäre
und die Ergebnisse einer solchen Vorgehensweise (vgl. z.B. Studie von Koch/Martina
2003 zu Personal und Corporate-Social-Responsibility-Berichten) kaum Aussagen ü-
ber die Qualität der Berichterstattung erlauben würden, wurde hier der Bewertung der
Vorzug gegeben.
      Um in der Gesamtbewertung nicht als mangelhaft oder sogar ungenügend bewer-
tet zu werden, musste mindestens eine 4,2 erzielt werden – ab 4,3 gilt ein Risikobe-
richt als „nicht ausreichend“.
4. Ergebnisse der Auswertung
    Insgesamt berichten die DAX 30 über 177 Risiken, die sich zugeordnet in die
Wertkettensystematik nach Porter (1989)3 wie folgt verteilen (Abb.2): Umfeldrisiken
48 (27,1%), Infrastrukturrisiken (Finanzrisiken, rechtliche Risiken etc.) 46 (26,0%),

3    Anders als bei Porter (1989) wurde für diese Fragestellung zusätzlich die Kategorie Cor-
     porate Governance- und Managementrisiken eingeführt und der Bereich Personalwirt-
     schaft um die Risiken für und durch Personal ergänzt.
192                                                Meik Führing: Risikoberichterstattung über Humanressourcen

      Operationelle Risiken 42 (23,7%), Personal- und Personalwirtschaftsrisiken 11 (6,2%),
      Risiken aus Corporate Governance, Strategie- und Managementrisiken 9 (5,1 %),
      Technologieentwicklungs- und Beschaffungsrisiken jeweils 8 (4,5%), Marketing- und
      Vertriebsrisiken 3 (1,7%) und schließlich Ausgangslogistikrisiken 2 (1,7%).
           Auf die hier im Fokus stehenden Humanressourcen entfallen damit 20 Nennun-
      gen: 11 zu Personal und Personalwirtschaft sowie 9 zu Corporate Governance- und
      Managementrisiken. Auch wenn diese Darstellung keine direkten Aussagen über die
      jeweilige Bedeutung der berichteten Risiken zulässt – dies liegt auch daran, dass nicht
      nur bei den HR-Risiken in den meisten Fällen eine quantitative oder qualitative Risi-
      koeinschätzung fehlt -, zeigen sich doch bestimmte Schwerpunktsetzungen. Mit 48
      Umfeldrisiken und den 46 Infrastrukturrisiken, die bei den DAX 30 im Wesentlichen
      aus Finanzrisiken (Liquiditäts-, Zins- und Währungsrisiken) bestehen, entfällt über die
      Hälfte der Nennungen auf externe Risiken. Aus den Formulierungen in den Risiko-
      berichten wird deutlich, dass die Unternehmen die Ursachen für diese externen Risiken
      Abb. 2: Häufigkeit der berichteten Risiken4

                            Umfeldrisiken (v.a. rechtliche, politische, marktliche Risiken)
                                                                                                         48 (27,1%)

                                                                                       9 (5,1%)
                                                          Risiken
                                                aus Corporate Governance,
                                            Strategie- und Managementrisiken

           46 (26,0%)
                           Infrastrukturrisiken: Finanzrisiken, Rechtsstreitigkeiten, ...
                                                                                              Ge w

           11 (6,2%)                    Personal- und Personalwirtschaftsrisiken
                                                                                                  in n
                                                                                                  spa

             8 (4,5%)
                                          Technologieentwicklungsrisiken
                                                                                                      nne

             8 (4,5%)                          Beschaffungsrisiken

                           Eingangs-       Operatio-    Marketing- Ausgangs- Kunden-
                                                                                                 Gew

                            logistik-        nelle     u. Vertriebs- logistik- dienst-
                                                                                                    inn

                             risiken        Risiken       risiken     risiken  risiken
                                                                                              pan       s
                                                                                                  ne

                                    42 (23,7%)           3 (1,7%) 2 (1,7%)

                             Gesamtanzahl der Nennungen: 177 (100%) berichtete Risiken

      4   In der Auswertung, die zur Abb. 2 führte, wurden nur die Risiken berücksichtigt, die je-
          weils explizt als solche (z.B. Personal-, Mitarbeiter- oder HR-Risiken) bezeichnet wurden.
          In der darauffolgenden detaillierteren und fokussierten Analyse (s. Abb. 3) wurden dage-
          gen auch die Formulierungen der Risikoberichte in die Bewertung einbezogen, in denen
          auch indirekt die Humanressourcen als Risikoelemente enthalten sind, wie beispielsweise
          bei Risiken aus Lieferverzögerungen, Qualitätsmängeln, Haftungsrisiken. Diese Vorge-
          hensweise wurde gewählt, um einerseits einen Überblick über die explizit berichteten Ri-
          siken zu geben, andererseits aber auch der Querschnittsfunktion des Faktors Personal
          Rechnung zu tragen.
Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 2, 2004                                                                                                                                              193

Abb. 3: Bewertung der Risikoberichterstattung der DAX 30 über Humanressourcen
                            Vollständigkeit:
                            Aussagekraft der
                            Berichterstattung über:

                                                                                                      Risiken d. organisatorischen

                                                                                                                                      Risikohandhabung 20%
                                                                              Kompetenzrisiken 10%

                                                                                                      Motivationsrisiken 10%
                                                     Verhaltensrisiken 10%
                              Risikostrategie 10%

                                                                                                      Einbettung 10%
                                                                                                                                                                              Klarheit/
                                                                                                                                                             Richtigkeit/    Übersicht-
                                                                                                                                                             Plausibilität    lichkeit     Gesamt-
DAX 30 (in 2002)                                                                                                                                                20%             10%       bewertung
adidas-Salomon               3                      3                        6                       6                 5             3                            4              2           3,9
Allianz                      6                      4                        6                       6                 4             3                            5              3           4,5
Altana                       6                      6                        6                       6                 6             6                            6              6           6,0
BASF                         6                      6                        4                       5                 5             3                            4              2           4,2
Bayer                        3                      4                        5                       5                 5             3                            3              2           3,6
BMW                          6                      5                        5                       5                 5             4                            4              2           4,4
Commerzbank                  6                      4                        5                       5                 5             4                            4              1           4,2
DaimlerChrysler              3                      6                        3                       6                 4             5                            3              2           4,0
Dt. Bank                     6                      5                        4                       6                 4             4                            5              2           4,5
Dt. Börse                    6                      5                        6                       6                 5             5                            5              2           5,0
Dt. Post                     6                      6                        6                       6                 6             6                            6              6           6,0
Dt. Telekom                  5                      6                        6                       6                 4             4                            4              3           4,6
E.ON                         6                      6                        6                       6                 5             5                            5              3           5,2
Fresenius                    6                      6                        6                       6                 6             6                            6              6           6,0
Henkel                       6                      6                        6                       6                 6             5                            5              4           5,4
HVB                          6                      4                        6                       6                 5             4                            4              2           4,5
Infinion Technologies        6                      6                        6                       6                 6             6                            6              6           6,0
Linde                        2                      5                        5                       5                 4             4                            3              2           3,7
Lufthansa                    6                      4                        6                       6                 6             6                            5              2           5,2
MAN                          6                      6                        6                       6                 5             5                            5              4           5,3
Metro                        2                      5                        5                       5                 5             3                            3              2           3,6
MLP                          3                      4                        5                       4                 5             4                            2              1           3,4
Münchener Rück               3                      4                        4                       4                 4             2                            2              1           2,8
RWE                          6                      6                        6                       6                 5             5                            5              3           5,2
SAP                          4                      6                        3                       4                 5             4                            3              3           3,9
Schering                     6                      6                        6                       6                 6             5                            5              4           5,4
Siemens                      4                      4                        4                       5                 4             3                            3              1           3,4
ThyssenKrupp                 4                      6                        4                       4                 5             4                            3              3           4,0
TUI                          6                      6                        6                       6                 6             6                            6              6           6,0
Volkswagen                   5                      5                        5                       5                 6             4                            3              2           4,2
Durchschnitt                5,0                     5,2                      5,2                     5,5           5,1               4,4                         4,2            2,9          4,6

nicht in ihrem Verantwortungs- oder Einflussgebiet sehen. Hier zeigt sich ein Phäno-
men, das als ein „präventiver self-serving bias“ bezeichnet werden kann: Während Er-
folge, wie positive Kursentwicklung, Umsatzwachstum, etc., also die Entwicklungen,
194                                        Meik Führing: Risikoberichterstattung über Humanressourcen

      die sich positiv auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage auswirken, intern attribu-
      iert werden und Vorstand und Mitarbeitern ausführlich gedankt wird, werden bereits
      im Vorgriff mögliche zukünftige Misserfolge extern attribuiert und eher auf konjunk-
      turelle Entwicklungen als auf strategische Fehlentscheidungen und Missmanagement
      zurückgeführt.
           Bemerkenswert ist auch, dass es bei den gesamten DAX 30 nur 3 Nennungen zu
      möglichen Marketing- und Vertriebsrisiken gibt. Bemerkenswert deshalb, weil nach
      eigenen Angaben für alle Unternehmen die jeweiligen Marken, das Image und die
      Kunden von zentraler Bedeutung sind.
           Als ein wesentliches Ergebnis der Analyse der Risikoberichte der DAX 30-
      Unternehmen lässt sich festhalten, dass 17 Risikoberichte nicht ausreichend dazu bei-
      tragen, die nach § 289 Abs. 1 bzw. § 315 Abs. 1 HGB geforderten aussagekräftigen In-
      formationen zu (HR-)Risiken der künftigen Entwicklung zu vermitteln (Abb. 3).
           Als Gesamtdurchschnittsnote der DAX 30 ergibt sich eine 4,6. Bei 5 Unterneh-
      men (Altana, Deutsche Post, Fresenius, Infineon Technologies, TUI) findet sich in
      den Risikoberichten keinerlei Verweis auf mögliche Risiken oder deren Handhabung.
      Entsprechend wurde ein ungenügend vergeben.
           Aber auch bei den übrigen Risikoberichten zeigen sich erhebliche Mängel. Zum
      einen wurde auf bestimmte Aspekte überhaupt nicht eingegangen und zum anderen
      bleibt es häufig bei der bloßen Nennung eines HR-Risikos. Weiterhin finden sich viel-
      fach allgemeine und austauschbare Formulierungen.
           Im Folgenden wird näher auf die einzelnen untersuchten Kriterien eingegangen.
      4.1 Vollständigkeit
          Risikostrategie
      Abb. 4: Notenverteilung Risikostrategie
      Note                  1         2            3             4             5             6
      Anzahl                -         2            5             3             2             18

           Als positives Beispiel, mit einem gut bewertet, ist hier die Metro AG hervorzuhe-
      ben, die bezüglich der HR-Risikostrategie formuliert:
           „Die METRO Group ist für die Realisierung ihrer strategischen Ziele auf qualifizierte
          Fach- und Führungskräfte angewiesen. Es ist eine dauerhafte Herausforderung, dieses
          Personal in einem intensiven Wettbewerb für den Konzern zu gewinnen und an ihn zu
          binden. Vor allem in Expansionsländern besteht großer Bedarf an qualifiziertem Personal,
          was entsprechende Anstrengungen für unternehmensinterne Qualifikationen erfordert.
          Die auf allen Ebenen des Konzern vorangetriebene Aus- und Weiterbildung für Mitarbei-
          ter sichert die unverzichtbar fachliche Kompetenz des Personals. Personalführung sowie
          Schulungen und Personalentwicklungsmaßnahmen bewirken, dass die Mitarbeiter auf al-
          len Stufen des Unternehmens eine unternehmerische Denk- und Handlungsweise entwi-
          ckeln. Dazu dient auch die Verankerung von variablen, am Geschäftserfolg bemessenen
          Gehaltsbestandteilen bei mindestens drei Führungsebenen. Die direkte Beteiligung am
          Unternehmenserfolg (EVA) steigert die Identifikation der Mitarbeiter mit der METRO
          Group und schärft den Blick für Chancen und Risiken bei allen unternehmerischen Ent-
          scheidungen.“ (Metro 2003, 23)
Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 2, 2004                                    195

    Es fehlen lediglich Hinweise auf die grundsätzlichen Verantwortlichkeiten bzw.
die Organisation des Risikomanagements der Humanressourcen. Als zu wenig aussa-
gekräftig (Note 5) wurden dagegen beispielsweise die folgenden Ausführungen der
Volkswagen AG bewertet.
     „Mit der Gründung der AutoUni strebt Volkswagen neben der fachlichen Entwicklung
     die Bindung von Spitzenkräften an das Unternehmen an.“ (Volkswagen 2003, 40)
     In 18 Fällen wurde das „wertvollste Kapital“ (adidas-Salomon 2003, 108) über-
haupt nicht in der Risikostrategie erwähnt bzw. es gab insgesamt nichts, was als Risi-
kostrategie zu bezeichnen wäre.
Verhaltensrisiken
Abb. 5: Notenverteilung Verhaltensrisiken
Note                   1              2               3    4         5            6
Anzahl                 -              -               1    8         6            15

     21 Unternehmen berichten nicht ausreichend über mögliche Verhaltensrisiken.
Das ist insofern bemerkenswert, als dass zu den Verhaltensrisiken auch mögliche Risi-
ken aus Fehlentscheidungen und Fehlverhalten des Managements etc. gehören, also
die Aspekte, die ein wesentlicher Anlass für das KonTraG waren. Offensichtlich wer-
den hier Risiken, die prinzipiell für jedes Unternehmen relevant sein können, dem Le-
ser bewusst oder unbewusst vorenthalten. Auf mögliche Gründe dafür wird anschlie-
ßend in Kapitel 5 eingegangen.
     Noch am besten schneidet die adidas-Salomon AG ab, die z.B. darauf verweist,
dass „kriminelle Machenschaften [...] zu schwer wiegenden Geschäftsunterbrechun-
gen“ (adidas-Salomon 2003, 88) führen können. Eher den Charakter einer Definition
haben Angaben wie die der Deutschen Börse AG:
     „Das Vertraulichkeitsrisiko umfasst das Risiko des Ausspähens von Daten und des Ein-
     dringens in die Systemlandschaft der Deutsche Börse Systems AG und der Clearstream
     Services S.A..“ (Deutsche Börse 2003, 127)
    Hier erhält der Leser keine aussagekräftigen Informationen darüber, wie gravie-
rend das Vertraulichkeitsrisiko von den Verantwortlichen eingeschätzt wird oder wel-
che Annahmen/Erfahrungen dahinterstehen.
     Kompetenzrisiken
Abb. 6: Notenverteilung Kompetenzrisiken
Note                   1              2               3    4         5            6
Anzahl                 -              -               2    5         7            16

    Bei der Bewertung der Risikoberichterstattung über Risiken aus fehlenden bzw.
nicht adäquaten Kompetenzen ergibt sich eine Durchschnittsnote von 5,2 und nur 7
Unternehmen erhalten die Note befriedigend oder ausreichend. Vergleichsweise aus-
sagekräftig ist der folgende Abschnitt der SAP AG, aber auch hier bleiben die Ausfüh-
rungen letztlich zu oberflächlich bzw. zu allgemein.
196                                       Meik Führing: Risikoberichterstattung über Humanressourcen

          „Angesichts der derzeitigen Lage auf den Arbeitsmärkten geht die SAP davon aus, ihren
          Bedarf an Fach- und Führungskräften in ausreichendem Maße decken zu können. Eine
          unzureichende Verfügbarkeit oder Verteuerung benötigter Personalressourcen könnte die
          Unternehmensentwicklung dennoch beeinträchtigen.“ (SAP 2003, 59)
           Es wäre generell zu erwarten, dass Risiken, die aus fehlenden Kompetenzen i.w.S.
      resultieren, eine besondere Berücksichtigung finden würden. Der vielfach ausgerufene
      war for talents, der prognostizierte Fachkräfte- und Akademikermangel stellt Unterneh-
      men in bestimmten Bereichen bereits heute vor die große Herausforderung, entspre-
      chend qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren und zu binden.
          Motivationsrisiken
      Abb. 7: Notenverteilung Motivationsrisiken
      Note              1            2               3          4             5             6
      Anzahl            -            -               -          4             8             18

            Die Berichterstattung über mögliche Risiken aus fehlender Motivation, mangeln-
      dem Engagement etc. erhält mit der Durchschnittsnote 5,5 die schlechteste Bewertung
      aller Einzelkriterien. 18 Unternehmen ignorieren in ihrer Berichterstattung diesen Ri-
      sikobereich, obwohl z.B. die Allianz AG (ähnliches gilt für die Deutsche Telekom
      2003 und Siemens 2003) an anderer Stelle im Geschäftsbericht die „tief greifende Re-
      strukturierung der Dresdner Bank“ (Allianz 2003, 79) und die damit verbundene Strei-
      chung von Arbeitsplätzen „in großem Umfang (Allianz 2003, 79) berichtet. Es ist
      kaum vorstellbar, dass größere Umstrukturierungen oder Personalabbaumaßnahmen
      keinen negativen Einfluss auf die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter haben wer-
      den.
          Risiken der organisatorischen Einbettung
      Abb. 8: Notenverteilung Risiken der organisatorischen Einbettung
      Note              1            2               3          4             5              6
      Anzahl            -            -               -          7             14             9

           21 Unternehmen benennen zumindest mögliche Risiken aus fehlerhaften Prozes-
      sen des HRM bzw. der Arbeitsorganisation, ohne allerdings eine Einschätzung über
      die Auswirkungen auf die Risikosituation zu geben. Aussagekräftige Angaben finden
      sich nur ansatzweise und sind nicht weiter ausführenswert.
          Risikohandhabung
      Abb. 9: Notenverteilung Risikohandhabung
      Note              1            2               3          4              5             6
      Anzahl            -            1               6          10             7             6

          Im Vergleich zu voranstehenden Kriterien werden für die Darstellung der Risiko-
      handhabung bessere Noten vergeben (Durchschnittsnote 4,4). Nur 13 Unternehmen
      werden diesbezüglich mit nicht ausreichend bewertet. Auch wenn i.d.R. die direkten
Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 2, 2004                                        197

Risiken nicht aussagekräftig dargestellt werden, so scheint es doch für die Unterneh-
men von großer Bedeutung zu sein, im Lagebericht zu kommunizieren, dass sie (wel-
chen Risiken auch immer) angemessen entgegentreten. Demnach wäre die Bezeich-
nung Risikomanagementbericht zutreffender, eine Bezeichnung, die 11 Unternehmen
auch konsequenterweise verwenden.
     Das beste Ergebnis erzielte die Münchener Rück, die in ihrem Risikobericht die
Bedeutung eines ursachebezogenen Risikomanagements betont und mit Hilfe gezielter
Seminare und Informationsveranstaltungen darauf hinarbeitet, einen offenen Umgang
mit Risiken zu erreichen (Münchener Rück 2003, 171). Verbindlich geregelte unter-
nehmensinterne und -externe Verhaltensweisen und „Trennung von Management-
und Kontrollfunktion“ (Münchener Rück, 172) sollen das Risiko doloser Handlungen
reduzieren, Sicherheitsbeauftragte sollen für angemessene Arbeitssicherheit sorgen
usw. Eine Vielzahl der Maßnahmen im Rahmen der Risikohandhabung sind keine
neuen Maßnahmen bzw. erweitern lediglich bestehende Systeme und Konzepte. Sie
werden aber aus der Perspektive des Risikomanagements neu ausgerichtet und ein er-
folgreicher Umgang mit Risiken wird damit ein Teilziel des HRM.
4.2 Richtigkeit/Plausibilität
Abb. 10: Notenverteilung Richtigkeit/Plausibilität
Note                   1               2              3     4            5            6
Anzahl                 -               2              8     6            9            5

     Die Bewertungen hinsichtlich des Kriteriums Richtigkeit/Plausibilität fallen bes-
ser aus als bei dem Kriterium Vollständigkeit. Gleichwohl erreichen nur 10 Unter-
nehmen hierbei ein gutes bzw. befriedigendes Ergebnis. In vielen Fällen bleiben die
Aussagen so allgemein, nichtssagend und ohne weiteres auf andere Unternehmen ü-
bertragbar, dass die Angaben zumindest nicht offensichtlich unrichtig/unplausibel er-
scheinen. Ein typischer Satz dafür ist der folgende:
     „Im Zuge unserer geschäftlichen Aktivitäten sind wir einer Reihe von Risiken ausgesetzt,
     die untrennbar mit unserem unternehmerischen Handeln verbunden sind.“ (E.ON 2003,
     38)
     Auffällig sind dagegen Inkonsistenzen zwischen den Angaben im Risikobericht
und anderen Abschnitten des Geschäftsberichts. So ergibt sich beispielsweise für die
Deutsche Bank auch deshalb nur ein mangelhaft, da im Risikobericht in keiner Weise
auf die möglichen negativen Folgen (Imageschaden, Strafzahlungen etc.) aus dem be-
reits bei der Erstellung des Geschäftsberichts drohenden Verfahren gegen die Vor-
standssprecher Josef Ackermann im Zusammenhang mit der Mannesmann-Affaire
(Bönisch/Dohmen 2003) und Rolf Breuer aufgrund offenherziger Einschätzungen
zur finanziellen Lage des Medienmoguls Kirch eingegangen wird.
4.3 Klarheit/Übersichtlichkeit
Abb. 11: Notenverteilung Klarheit/Übersichtlichkeit
Note                   1              2               3     4            5            6
Anzahl                 4              12              6     3            -            5
198                                        Meik Führing: Risikoberichterstattung über Humanressourcen

           Mit Abstand die besten Benotungen erhalten die Risikoberichte hinsichtlich des
      Kriteriums Klarheit/Übersichtlichkeit, 16 Unternehmen erzielen eine gute bzw. sehr
      gute Bewertung. Auch wenn es in einzelnen Fällen noch Verbesserungspotenziale
      gibt, ist das durchschnittliche Niveau als durchaus zufriedenstellend und überzeugend
      zu bewerten. Aufgrund des auffälligen Kontrasts vor allem zu den nicht genügend
      aussagekräftigen Inhalten (s. Vollständigkeit) drängt sich der Verdacht auf, dass ver-
      sucht wird, fehlende oder mangelhafte Inhalte durch ein ansprechendes Layout zu ka-
      schieren bzw. zu kompensieren.
      4.4 Zusammenfassende Bewertung der Analyse
           Auch im fünften Jahr nach Inkrafttreten des KonTraG trägt der überwiegende Teil
      der Risikoberichte der DAX 30 nicht ausreichend dazu bei, aussagekräftige Informatio-
      nen zu Risiken der künftigen Entwicklung zu vermitteln. Dies gilt insbesondere für die
      hier näher untersuchten HR-Risiken. Eine wesentliche Zielsetzung des KonTraG, näm-
      lich „eine intensive Kommunikation [...] mit den Marktteilnehmern über Unterneh-
      menspolitik und -entwicklung sowie mehr Transparenz und Publizität in allen Berei-
      chen“ (Bundestagsdrucksache 13/9712 1998, 11) zu erreichen und damit die Erwar-
      tungslücke zu verringern, wird damit (noch) nicht erfüllt. In verschiedenen Fällen ist da-
      her kaum nachvollziehbar, warum die Testate der Wirtschaftsprüfer nicht eingeschränkt
      wurden (zu Einschränkungen von Bestätigungsvermerken vgl. IDW PS 400 2003).
           Im Vergleich zu den Vorjahren sind eindeutige Verbesserungen hinsichtlich der
      Aussagekraft zu beobachten, die sich aber im Wesentlichen auf die Berichterstattung
      über finanzielle Risiken (Liquiditäts-, Zins- oder Währungsänderungsrisiken etc.) be-
      ziehen. Trotzdem zeichnet sich eine zunehmend systematische Auseinandersetzung
      auch mit anderen Risikokategorien ab. Dieser Entwicklung in der Praxis entspricht,
      dass auch in der Literatur zunehmend auf operationale Risiken (z.B. Hölscher/Elfgen
      2002; van den Brink 2001; Brösel/Rothe 2003), dazu werden zumeist die HR-Risiken
      gezählt, eingegangen wird. Allerdings sind die Humanressourcen noch als ein im We-
      sentlichen unerschlossenes Risikogebiet einzuordnen, was als ein wesentlicher Grund
      für die spärliche und mangelhafte Risikoberichterstattung über Humanressourcen an-
      gesehen werden kann. Bislang dominieren in Wissenschaft und Praxis Vertreter aus
      dem „Dunstkreis“ Controlling das Themenfeld Risikomanagement, die es aus einer
      „Controlling-Perspektive“ strukturieren und behandeln. Controlling-Perspektive
      meint hier pointiert eine zahlenorientierte, technokratisch-mechanistische Sichtwei-
      se, die von klaren Ursache-Wirkungszusammenhängen, der Messbarkeit und Steuer-
      barkeit betrieblicher Entscheidungen und Prozesse ausgeht. Ausdruck dieser Sicht-
      weise sind beispielsweise Risikochecklisten (Seidel 2002; Bihr/Deyle 2000), die eine
      einfache Steuerung und Machbarkeit suggerieren. Die derzeitige Situation lässt sich
      plakativ wie folgt beschreiben: Die „Entdeckung des Menschen“ im Rahmen des Ri-
      sikomanagements hat für „die Controller“ gerade erst begonnen, aber es ist wohl
      davon auszugehen, dass versucht wird, mit den bekannten Instrumenten und einer
      mechanistischen Sichtweise nun auch Risiken von Humanressourcen zu erfassen
      und zu managen. Es erscheint daher angebracht, die „Personalerperspektive“ einzu-
      bringen, d.h. eine sozialwissenschaftliche Sichtweise, um die Besonderheiten der
Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 2, 2004                                                             199

Humanressourcen im Unterschied zu anderen Unternehmensressourcen deutlich zu
machen.
5. Besonderheiten der Humanressourcen und Konsequenzen für die
   Risikoberichterstattung
      Die Humanressourcen, oder das Personal, nehmen eine Sonderrolle ein, da sie als
einzige Ressource zugleich Objekt- und Subjektcharakter haben (Neuberger 1997, 19
ff.; kritisch zur Betrachtung des Personals als Ressource vgl. Martin 2003) und damit
eine zentrale Rolle bei der Transformation der gesamten Unternehmensressourcen in
Wettbewerbsvorteile spielen (Freiling 2001; Ridder et al. 2001). Einerseits stellen sie
selbst eine Ressource im strategischen Vermögen (Nolte/Bergmann 1998) dar, ande-
rerseits disponieren sie über sich und die Erschließung, Entwicklung und Verknüp-
fung von anderen Ressourcen (z.B. finanziellen, physischen, technologischen und or-
ganisationalen Ressourcen, in der Systematik nach Hofer/Schendel 1978).
      Im Gegensatz zu anderen Ressourcen verfolgen die Humanressourcen eigene In-
teressen, sie agieren und reagieren. Die daraus resultierenden Probleme und Heraus-
forderungen werden im Folgenden anhand des Prozesses der Risikoberichterstattung
verdeutlicht (Abb. 12).
Abb. 12: Besonderheiten der Humanressourcen und Risikoberichterstattung

                                  Kausale                 Soziale               Eigen-
                                 Ambiguität             Komplexität           interessen

                                                           erzeugt
                                    Intransparenzen,                        Eigenhandeln
                                 Informationsprobleme                       der Subjekte
                                                         ermöglichen

           Corporate
          Governance,
                                                                                                      Interne
          Management
                                                                                                  Risikoberichte
                                         Abbildung        Risiko-
         Betriebliche Prozesse                          management-               Aufbereitung          Konsistenz
                                                          system
                                                                                                    Externe
                                                                                                 Risikoberichte

                                                                          Interne und externe
                                                                       Folgen und Konsequenzen
200                                      Meik Führing: Risikoberichterstattung über Humanressourcen

            Voraussetzung für eine aussagekräftige Risikoberichterstattung über Humanres-
      sourcen ist die Kenntnis über Folgen und Wirkungen der Interaktionen des Personals
      und deren Bedeutung für wirtschaftliche Erfolgsgrößen. Ohne die Kenntnis über Ur-
      sache-Wirkungszusammenhänge der Transformation des vertraglich gebundenen abs-
      trakten Arbeitsvermögens im Arbeitsprozess zur Arbeitsleistung (Neuberger 1997),
      d.h. über die Umsetzung des Potenzials in „rentengenerierende Handlungen“ (Kaiser
      2001), wird es kaum möglich sein, angemessen über HR-Risiken zu berichten. Gerade
      der Personalbereich ist aber durch komplexe, nicht eindeutige und nur schwer beob-
      achtbare Wirkungszusammenhänge zu charakterisieren, d.h. durch das Wechselspiel
      zwischen sozialer Komplexität und kausaler Ambiguität sowie den daraus resultieren-
      den Informationsproblemen und Intransparenzen (Coff 1997; Grant 1991). Für das
      Risikomanagement der Humanressourcen bedeutet dies, dass es mit großen Schwie-
      rigkeiten verbunden ist, die Risikosituation zutreffend im Risikomanagementsystem
      abzubilden. So wird es zum einen beispielsweise bei teamorientierten Arbeits- und
      Entscheidungsprozessen (Barney 2002) schwierig sein abzuschätzen, welche Mitarbei-
      ter künftig wie zur Teamleistung beitragen, welche Qualifikationen benötigt werden,
      und wie sich eine mögliche Fluktuation auf die Gesamtleistung auswirken wird bzw.
      welche Gründe in Einzelfällen überhaupt zu unerwünschter Fluktuation führen (soziale
      Komplexität). Zum anderen wird es aufgrund kausaler Ambiguität kaum möglich sein,
      eindeutig die HRM-Praktiken zu bestimmen, die die Arbeitsleistung positiv wie nega-
      tiv beeinflussen, da i.d.R. eine Vielzahl von Praktiken und Instrumenten miteinander
      verknüpft werden und erst im Zusammenspiel wirken (Wright et al. 1994; Kaiser
      2001). Es ist daher in einer Einzelbetrachtung zumeist nicht absehbar, wie sich be-
      stimmte Formen der Arbeitsorganisation, Anreizgestaltung oder Personalführung z.B.
      auf die Fluktuationsneigung und den aus einer Fluktuation resultierenden Schaden
      einzelner Schlüsselpersonen bzw. ganzer Gruppen von Schlüsselpersonen („Herden-
      verhalten“) auswirken.
            Zu den daraus resultierenden Informationsproblemen und Intransparenzen
      kommt das den jeweiligen Eigeninteressen folgende Eigenhandeln der Subjekte (Neuber-
      ger 1997). Mitarbeiter versuchen, sich der unmittelbaren ökonomischen Verwertung
      zu entziehen (Ridder et al. 2001, 23), indem sie bestehende Intransparenzen nutzen,
      Informationsasymmetrien aufbauen und sich so einer Bewertung, mit entsprechenden
      Konsequenzen, als Risikofaktor verweigern. Damit verbunden sind „management dilem-
      mas“ (Coff 1997), wie adverse selection, moral hazard oder shirking. Hinzu kommt,
      dass z.B. der Vorstand, der nach dem KonTraG die Verantwortung für das Risikoma-
      nagement hat, sich selbst und seine möglichen Handlungen (strategische Fehlent-
      scheidungen, Bilanzfälschungen etc.) als mögliche Risiken einschätzen und öffentlich
      in den Risikoberichten dokumentieren müsste, was kaum zu erwarten ist.
            Die vorangehenden Argumente weisen auf die Begrenzungen und Probleme bei
      der Analyse und Bewertung von HR-Risiken hin und deuten das an, was eine Risiko-
      berichterstattung über Humanressourcen nicht leisten können wird. Aus Sicht der (po-
      tenziellen) Anleger ergibt sich daraus eine grundsätzlich unbefriedigende Situation, da
      sie sich kein eindeutiges und umfassendes Bild der HR-Risikosituation des Unterneh-
      mens machen können. Ähnliches gilt für die Unternehmensführung, deren Hand-
      lungs- und Entscheidungsspielräume aufgrund der Intransparenzen etc. eingeschränkt
Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 2, 2004                                  201

sind. Hinsichtlich der Wettbewerbsposition und der Sicherung bestehender Wettbe-
werbsvorteile sind diese Besonderheiten der Humanressourcen und die daraus resul-
tierenden Konsequenzen/Limitationen für das Risikomanagement nicht nur negativ
zu sehen (in der Abbildung durch den Januskopf angedeutet), denn sie schützen
gleichzeitig vor einer Imitation erfolgreicher HRM-Praktiken bzw. dem Abwerben be-
stimmter Schlüsselpersonen durch die Konkurrenz (Barney 1991). Selbst wenn es den
Unternehmen möglich wäre, Risiken im HR-Bereich und damit Angriffspunkte und
Schwachstellen zu benennen, sollten sie dies nicht unbedingt auch tun, zumal dann
auch die Gefahr einer selbsterfüllenden Prognose (Küting/Hütten 1997) bestehen
würde. Insofern sagen die schlechten Ergebnisse der vorliegenden Analyse noch
nichts über die Qualität des nach § 91 Abs.2 AktG einzurichtenden Überwachungssys-
tems aus. Möglicherweise wurde zwar ein angemessenes Risikomanagement und eine
angemessene interne Revision (Bundestagsdrucksache 13/9712 1998) implementiert,
deren Strukturen und Ergebnisse aber nicht entsprechend im Rahmen der Lagebe-
richterstattung kommuniziert. Umgekehrt setzt eine angemessene Risikoberichterstat-
tung ein funktionierendes Risikomanagementsystem voraus, wenn die Angaben wahr-
heitsgemäß sind. Eine solche Diskrepanz zwischen dem, was kommuniziert wird, und
dem, was tatsächlich vorhanden ist, lässt sich mit Hilfe des resource-based view erklä-
ren, der in den wertvollen, einzigartigen und unternehmensspezifischen Ressourcen
und den daraus resultierenden (Kern)Kompetenzen die Quelle für Wettbewerbsvortei-
le sieht (vgl. Barney 2002, Freiling und die historischen Beiträge von Penrose
1959/1980 und Wernerfelt 1984).
      Die Formulierung der Risikoberichte kann damit aus ressourcenorientierter
Sichtweise als eine Gratwanderung angesehen werden: zwischen der Entsprechung der
gesetzlichen Anforderungen und dem berechtigten Interesse der Anleger auf der einen
Seite und dem Schutz des tacit knowledge, des impliziten Wissens (Nolte/Bergmann
1998) auf der anderen Seite. Die zentrale Frage in diesem Zusammenhang, an der das
grundsätzliche Dilemma des resource-based view deutlich wird, lautet: Welche Infor-
mationen können und sollen nach außen kommuniziert werden, ohne damit beste-
hende oder künftige Wettbewerbsvorteile zu gefährden? Im Rahmen der Risikobe-
richterstattung spielt neben dem Aspekt des Könnens damit der Aspekt des Wollens
eine wichtige Rolle. Grundsätzlich wird es aus ressourcenorientierter Perspektive
sinnvoll sein, nur so viel wie notwendig der die Risikosituation des Unternehmens
betreffenden Informationen zu kommunizieren. Ausmaß und die Intensität der
Kommunikation diesbezüglicher Informationen werden dabei vor allem von der je-
weiligen Machtposition der Informationsnachfrager bzw. deren Bedeutung für das
Unternehmen abhängig sein. Großanleger und institutionelle Anleger, die über eine
starke Verhandlungsmacht verfügen, werden i.d.R. individuelle Informationen auf An-
frage bekommen bzw. verfügen über Ressourcen (Analysten, Informationssysteme
etc.), um zusätzliche risikorelevante Informationen zu bekommen. Dagegen fehlt ge-
rade den nicht organisierten Kleinanlegern das Drohpotenzial, wesentliche, über die
Angaben im Lagebericht hinausgehenden Informationen einzufordern. Auch sind die
Kosten der Informationsbeschaffung auf anderen Wegen (z.B. eigene Recherchen)
vergleichsweise hoch. Somit ergibt sich aufgrund der typischen Macht- und Informa-
tionsverteilung eine relativ stabile Situation. Die besser informierten Großanleger
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