Job-Polarisierung in informationellen Städten - Ramona Dornstädter, Susanne Finkelmeyer und Niransana Shanmuganathan, Düsseldorf
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Informationelle Städte Job-Polarisierung in informationellen Städten Ramona Dornstädter, Susanne Finkelmeyer und Niransana Shanmuganathan, Düsseldorf rufe und in Nicht-Routineberufe. Unter Job-Polarisierung ist ein Phänomen, welches die Arbeitswelt und somit die ausge- die Nicht-Routineberufe fallen zwei ver- übten Berufe durch Automatisierung und Computerisierung wandelt. Es ist eine schiedene Schichten. Einmal die Berufs- Begleiterscheinung der Wissensgesellschaft. Informationstechnologische Maß- gruppen der höher qualifizierten Kräfte, nahmen führen dazu, dass Routineberufe, meist von der Mittelschicht ausgeübt, wie Wissenschaftler oder Manager, und durch computergesteuerte Programme oder Maschinen ersetzt werden. Die Mittel- im Gegensatz dazu die weniger quali- schicht verteilt sich neu auf die Ober- und Unterschicht, wodurch eine Kluft zwi- fizierten Kräfte, wie Friseure oder Rei- schen den Armen und Reichen sowie Gebildeten und Ungebildeten entsteht. Die nigungskräfte. Die Beschäftigten, die Informationstechnik ermöglicht es Unternehmen, sowohl ausgebildete wie auch Routinearbeiten ausführen, bilden die Mittelschicht. Diese Berufe stellen mo- ungelernte Arbeitskräfte zu ersetzen oder ihre Tätigkeiten zu erleichtern. Es wird notone Arbeitsabläufe dar, die oftmals eine empirische Untersuchung durchgeführt, die vornehmlich die These der Job- durch computergesteuerte Programme Polarisierung auf Städte-Ebene herunterbricht. Dabei werden die Städte Singapur, oder Maschinen ersetzt werden können. London und Düsseldorf und ihr Wandel auf dem Arbeitsmarkt in den letzten zehn Viele Unternehmen setzen auf informati- Jahren analysiert. onstechnologische Maßnahmen, um ein erfolgreiches Geschäftsumfeld mit sehr Job-Polarization in Informational Cities wenig Personal aufzubauen. Die Informa- Job-Polarization is a phenomenon which changes the working environment and tionstechnik ermöglicht es Unternehmen, their professions as a consequence of automation and computerization. Routine viele Tätigkeiten zu ersetzen oder zu er- occupations, which are mostly practiced by the middle class, are replaced by leichtern, hiervon betroffen sind sowohl computer-controlled programs or machines. On the one hand the middle class is qualifizierte wie ungelernte Arbeits- put off to the upper class and on the other hand to the lower class, this is crea- kräfte. ting a gap between the rich and poor and educated and uneducated. Information In gewissen Städten wird massiv auf den technology allows companies to replace skilled and unskilled workers just as well Einsatz von Informations- und Kommu- facilitate their employment. This paper discusses an empirical study, which con- nikationstechnik gesetzt. Castells (1989) centrates on the theory of Job-Polarization on city level. Thereby the cities of Sin- bezeichnet solche Städte als „informatio- gapore, London and Düsseldorf are analyzed by their changes in the labor markets nelle Städte“. Wie verhält es sich mit der in the last ten years. Job-Polarisierung in solchen Städten? Da hier bewusst und mit großem Einsatz mit Automatisierung und Computerisierung Einleitung skills) and falling relative demand in the gearbeitet wird, müsste – theoretisch – ‚middling‘ jobs that have typically required die Job-Polarisierung hier besonders aus- Die Arbeitswelt und die ausgeübten Be- routine manual and cognitive skills (Goos & geprägt ausfallen (Stock, 2011). rufe befinden sich derzeit im Wandel. Manning, 2007, 118). In diesem Artikel soll diskutiert wer- Der Arbeitsmarkt in einer Wissensge- den, inwiefern die neuen Informations- sellschaft weist eine starke Tendenz zur Sie begründen die Umverteilung der Ar- technologien Einfluss am Wegfall der Splittung in Ober- und Unterschicht auf. beitswelt durch den technologischen Mittelschicht haben. Zudem handelt es Dieses Phänomen wird in der Fachlite- Fortschritt. Hinzu kommt die globale sich um eine empirische Untersuchung, ratur als „Job-Polarisation“ bezeichnet Vernetzung, die es ermöglicht Arbeits- die die These der Job-Polarisierung auf (Goos & Manning, 2007; Goos, Manning abläufe zu vereinfachen und/ oder ein- Städte-Ebene herunterbricht. Weitere & Salomons, 2009). Zu den wichtigsten zusparen. Oesch und Rodriguez Menez Forschungsfragen sind: Wie sieht die ak- Studien in diesem Bereich zählt das Werk (2010) spezifizieren Job-Polarisierung als tuelle Arbeitsmarktsituation in den ein- „Lousy and lovely jobs: The rising po- Employment growth in [...] countries has zelnen Städten aus? Welche Berufsgrup- larization of work in Britain“ von Goos taken place both in high-paid professional pen fallen unter diese Rationalisierung? und Manning (2007), das sich auf die and managerial jobs and in low-paid per- Wie sieht es bei den Information Profes- Forschungsarbeit von Autor, Levy und sonal service jobs, whereas employment in sionals aus? Und – ganz wichtig: Gibt es Murnane (2003) und Autor, Katz und average-paid production and office jobs has Besonderheiten der Job-Polarisierung bei Krueger (1998) bezieht. Goos und Man- been declining (Oesch & Rodriguez Menez, informationellen Städten? ning definieren Job-Polarisierung wie 2010, 2). folgt: Die Anfrage nach höher qualifizierten The impact of technology will be to lead to sowie weniger qualifizierten Arbeitskräf- Was heißt „Mittelschicht“? rising relative demand in well-paid skilled ten steigt, während die Berufe mit mitt- jobs (that typically require nonroutine cog- leren Einkommen wegfallen (Acemoglu, Der Verfall der Mittelschicht ist deutlich nitive skills) and low-paid least-skilled jobs 1998). Das Beschäftigungsfeld lässt sich abzusehen, wie im späteren Verlauf die- (that typically require nonroutine manual in zwei Sparten gliedern: in Routinebe- ser Studie gezeigt wird. Einleitend sollte 62(2011)2-3, 95-102 95
Job-Polarisierung geklärt werden, welche Bevölkerungs- Job-Polarisierung ist beispielsweise, dass auch die routine- gruppe die Mittelschicht bildet. Zur Mit- mäßigen analytischen und interaktiven telschicht gehören Personen, die in Bezug auf Gesellschaftsebene Aufgaben im Laufe der Zeit geringer wer- auf Einkommen und Bildung nicht zu den den (Schneider, Seibert, & Wobel, 2010). Reichen, aber auch nicht zu den Armen Die einflussreiche Studie The Skill Con- Ähnlich sieht es in Dänemark aus; Hus- zählen. Das Deutsche Institut für Wirt- tent of Recent Technological Change: An sain (2007) nennt als primäre Ursachen schaftsforschung definiert als mittleres Empirical Exploration (Autor, Levy, & die schnellen Einkommenszuwächse bei Einkommen 70 bis 150 Prozent des Durch- Murnane, 2003) befasst sich mit der Com- schon vorhandenem hohem Einkommen. schnittseinkommens in Deutschland puterisierung und hinterfragt diese im Weitere Untersuchungen zu diesem (Grabka & Frick, 2008, 102). 2005 betrug Zusammenhang mit Job-Polarisierung in Thema wurden von Polavieja (2005), das Medianeinkommen in einem Vier-Per- den Vereinigten Staaten. Außerdem spie- Gong und Keller (2003), Benassi, Cellini sonen-Haushalt etwa 1.844 Euro (Goebel, len bei dieser Untersuchung die neuen und Chirco (1999), Larudee (2009), Kolev Gornig, & Häußermann, 2010, 3). Produktionstechnologien eine wesentli- und Saget (2010), Esteban, Gradín und Laut Goebel et al. (2010) gehören 2009 che Rolle. Computer und Maschinen er- Ray (2007) und Wang (2009) durchge- nur 61,5 Prozent der Deutschen zur Mit- setzen die Tätigkeiten von Arbeitern, die führt, die alle den Einbruch der Mittel- telschicht, während sich im Jahr 2000 Routineaufgaben erledigen. Nicht ersetz- schicht auf die Technologisierung und der Anteil auf 66,5 Prozent belief (Goe- bar hingegen wären diejenigen Nicht- Automatisierung zurückführen. bel, Gornig, & Häußermann, 2010, 4). Routineausführungen, die den Einsatz Es findet eine Umverteilung der Mittel- kognitiver Fähigkeiten und des Körpers schicht statt, die entweder zur Ober- verlangen. Die Autoren konzentrieren Job-Polarisierung auf Städteebene schicht auf- oder zur Unterschicht ab- sich nicht ausschließlich auf die routine- steigt. Angehörige der Mittelschicht mäßigen, manuellen Aufgaben, sondern Die Studie Double dutch: Polarization führen häufig Tätigkeiten aus, die im auch auf den Zuwachs im Bereich des Trends in Amsterdam and Rotterdam Zuge raschen technologischen Wan- gut bezahlten Sektors. Sie verwenden after 1980s von Kloostermann (1996) be- dels entweder wegfallen oder die in die Daten von 1960 bis 1998 (Autor, Levy, & schäftigt sich mit der Polarisierung in den Tätigkeitsprofile der qualifizierten An- Murnane, 2003, 1279). Mit ihren Erkennt- zwei größten Städten der Niederlande. gestellten verlagert werden (Lengfeld nissen wollen die Verfasser aufzeigen, Der Artikel zeigt die stattgefundene Po- & Hirschle, 2008, 6). Dies spiegelt sich dass ihre Studie noch ein fehlendes kon- larisierung auf, jedoch können keine ein- auch in dem Bildungsniveau der Perso- zeptionelles und empirisches Glied der deutigen Faktoren und Gründe dieser nen wider. Es kristallisiert sich eine so- ökonomischen Literatur über technische Polarisierung ausgemacht werden (Kloo- genannte „Bildungsschicht“ heraus, in Änderungen und neue Qualifikationen ist stermann, 1996, 465). Kloostermann stellt der Kinder aus Arbeiterfamilien einen (Autor, Levy, & Murnane, 2003, 1281). Er- fest, dass Mitte der 1980er Jahre ein schlechteren Bildungsstand haben als gebnisse dieser Studie sind, dass eine er- Wendepunkt stattgefunden hat, der den Nachkommen gebildeter Arbeitskräfte höhte Nachfrage nach ausgebildeten Ar- Rückgang im verarbeitenden Gewerbe (Becker & Lauterbach, 2008, 12). Zu be- beitskräften besteht, die sich in der Com- und einen Anstieg im Dienstleistungs- obachten ist, dass einerseits die Zahl der puterwelt auskennen und zurechtfinden. bereich beschreibt. Rotterdam erfüllt ärmeren Haushalte stetig wächst und Goos und Manning (2007) vertreten genau dieses „‘disappearing middle’ or zugleich immer ärmer wird, andererseits genau wie Autor, Levy und Murnane ‘hollowing-out’ scenario“ (Kloostermann, gibt es auch immer mehr Reiche, die im (2003) die Meinung, dass die routiniza- 1996, 474). Für Amsterdam sind die Be- Durchschnitt immer vermögender wer- tion eine bessere Erklärung für die Job- lege weniger eindeutig, weil die Gesamt- den (Goebel, Gornig, & Häußermann, Polarisierung ist, und nicht nur der Skill- zahl der gut bezahlten Arbeiter zwischen 2010, 2). Besorgniserregend ist hierbei, Biased Technical Change (SBTC)1 (siehe 1980 und 1992 leicht schrumpft (Klooster- dass immer mehr Menschen von der Mit- hierzu auch Acemoglu, 1998; Card & mann, 1996, 474). Trotzdem bestätigen telschicht in die Unterschicht zu den Ge- DiNardo, 2002) dafür verantwortlich ist. die Ergebnisse grundsätzlich die These ringverdienern zurückfallen. Laut Goe- Ergänzend stellen sie fest, dass zwischen der Job-Polarisierung (Kloostermann, bel, Gornig und Häußermann (2010) ge- 1975 und 1999 für Großbritannien ein be- 1996, 474). hörten im Jahr 2000 noch 19 Prozent zur stimmtes Muster bei der Arbeitsmarkt- Milkman und Dwyer (2002) untersuchen unteren Schicht, während die Zahl neun entwicklung vorliegt. Es besteht ein An- Städte in Kalifornien, etwa San Francisco Jahre später auf fast 22 Prozent gestie- stieg bei sehr gut bezahlten Jobs und und die Bay Area sowie Los Angeles. Das gen ist (Goebel, Gornig, & Häußermann, ebenfalls bei den Niedriglohnbeschäftig- Ergebnis für Los Angeles ist eine U-för- 2010, 4). Der Wegfall der Mittelschicht ten. Goos und Manning kommen zu dem mige Kurve bei der Arbeitsplatzentwick- deutet die Gefahr der Entzweiung der Schluss, dass die Technologie eine starke lung; ganz anders in San Francisco, wo Gesellschaft an: einmal in die Ober- Auswirkung auf den aktuellen Arbeits- eine J-förmige Verteilungsform zu sehen schicht, die einen höheren Lebensstil markt hat. Zwar kann die SBTC einen ist (zu Details siehe Stock, 2011). und Bildungsstand genießt, sowie in die Teil dieser Entwicklung erklären, vor Unterschicht, die arm ist und sich keine allem was in der oberen Hälfte der Job- gute Ausbildung ermöglichen kann. Verteilung geschieht, dies ist aber nicht Arbeitsmarktstruktur Hauptursache für die zunehmende Kluft der einzige Grund der Job-Polarisierung. der Einkommensgruppen ist die Ent- Da kommen die Verfasser wieder auf die In der Berufswelt gibt es viele verschie- wicklung auf dem Arbeitsmarkt, genauer Routinisierung zurück (Goos & Manning, dene Tätigkeiten, die ausgeübt werden die Computerisierung und die Automa- 2007, 132). können. Diese lassen sich, je nach Aus- tisierung, die es möglich machen, Men- Die Job-Polarisierung trifft neben USA legung in drei bis fünf Kategorien glie- schen durch Computer oder Maschinen und UK auch auf kontinentaleuropäische dern. Meist wird zwischen gut, mittel zu ersetzen. Betroffen sind hier größten- Länder zu (Goos, Manning, & Salomons, und schlecht bezahlten Arbeitskräften teils die Routinejobs, welche monotone 2009; Ezcurra, 2009). Diverse Analysen – analog hierzu hoch/gut, mittel und immer gleichwährende Abläufe bein- und Ansätze werden in der Fachliteratur niedrig qualifizierten Arbeitskräften un- halten. Tätigkeiten, die in die Kategorie diskutiert. Die Prognose für Deutschland terschieden (Autor & Dorn, 2009; Autor, Industriearbeit oder Fließbandarbeiten Levy, & Murnane, 2003; Goos & Man- fallen, werden nun kostengünstig und in 1 Die Idee des SBTC wurde verwendet, um die ning, 2007; Goos, Manning, & Salomons, kürzerer Zeit von Maschinen erledigt. Lohnungleichheit zu erklären. 2009; Oesch & Rodriguez Menez, 2010). 96 62(2011)2-3, 95-102
Job-polarisierung Das Okkupationsfeld differenziert sich in gende Fähigkeiten: „flexibility, creativity, Methode Routineaufgaben und Nicht-Routineauf- generalized problem-solving, and com- gaben, wobei die letzteren wiederum in plex communications [and] do not (yet) Job-Polarisierung wurde bisher vornehm- low- und high-skilled Tätigkeiten auf- lend themselves to computerization” lich auf Länderebene untersucht. Was gesplittet werden (Autor & Dorn, 2009; (Autor, Levy, & Murnane, 2003, 1284). aber passiert auf Städteebene? Ist Job- Goos & Manning, 2007; Goos, Manning, Die Nicht-Routineberufe lassen sich in Polarisierung eine Erscheinung, welche & Salomons, 2009). Es gibt aber auch an- zwei verschiedene Okkupationsfelder nur in den Städten mit hohem technolo- dere Gliederungsmöglichkeiten. Ähnlich gliedern: gut bezahlte (high-skilled) und gischen Standard auftritt oder ist dieses wie Autor, Levi und Murnane (2003) teilt schlecht bezahlte (low-skilled) Jobs. Phänomen ein allgemeines Problem? An- Spitz-Oener (2006) die Berufe in fünf so hand einer empirischen Untersuchung genannte Skill-Kategorien ein: Unter die „high-skilled“-Tätigkeiten fal- von drei Städten soll analysiert werden, non-routine analytical tasks such as len meist Berufe, die komplementär zur ob und wie Job-Polarisierung in informa- research, planning or evaluation activities; heutigen Technologie laufen. Sie sind tionellen Städten auftritt. non-routine interactive tasks such as selling, auf den Stand der Technik abgestimmt Unser Ansatz zur Untersuchung der Job- the coordination and delegation of work; und profitieren von dem technologischen Polarisierung benötigt eine Gliederung in routine cognitive tasks such as double-entry Wandel. Aufgrund dessen können Ar- Berufssparten, die nach dem Gehalt ge- bookkeeping and calculating; routine beitsabläufe besser und schneller aus- staffelt ist. In Analogie zur Untersuchung manual tasks such as machine feeding or geführt werden. Dies stellt einige Anfor- von Milkman und Dwyer (2002) bietet running a machine and non-routine manual derungen an die Personen, die in diesem sich eine Einteilung in zehn Berufsgrup- tasks such as housekeeping or restoring Bereich tätig sind, wie Hunter und Lafkas pen an. Außerdem soll die Studie einen houses (Spitz-Oener, 2006, 239). (2003) zeigen: „computer-driven auto- Zeitraum von zehn Jahren abdecken, um In diesem Artikel wird das drei-gliedrige mation may require those workers who Änderungen in der Berufsstruktur auf Modell näher betrachtet. Die Berufe der use it to possess new skills” (Hunter & dem Arbeitsmarkt sichtbar werden zu Routinebeschäftigungen sind am stärks- Lafkas, 2003, 226). Demnach müssen die lassen. Aufgrund dessen sollten für jede ten von dem Rückgang der Arbeitsplätze Arbeitskräfte fähig sein, die Informa- der drei Städte (Singapur, London, Düs- betroffen. Dies geht aus der These der tions- und Kommunikationstechnologie seldorf) Daten aus den Jahren 1999 und „Routinisierung“ hervor, die wie folgt be- zu bedienen und in ihren Arbeitsalltag 2009 herangezogen werden. Die Daten- schrieben wird: zu integrieren (Spitz-Oener, 2006). Die beschaffung erfolgte per E-Mail, durch ‘Routinization’ [..] suggests that the effect Beschäftigung dieser Kräfte erfordert im Internet- und Telefonrecherche. Zudem of technological progressisto replace Allgemeinen abstrakte, kreative, inter- haben die verschiedenen Mitarbeiter der ‘routine’ labor which tends to be clerical aktive und/oder umfassende personelle Statistischen Ämter unsere Studie erheb- and craft jobs in the middle of the wage Tätigkeiten, die sich vor allem durch pro lich unterstützt. distribution (Goos, Manning, & Salomons, blemlösende Aufgaben, komplexe Kom- Warum wählten wir gerade diese drei 2009, 1). munikation und Manager-Fähigkeiten, Städte? London gilt in der Literatur als Routinetätigkeiten stellen monotone, prä- wie die Leitung, Planung und Kontrolle Weltstadt der ersten Hierarchieebene zise, einfache, meist manuelle Arbeits- von Aktivitäten, auszeichnen. Zudem (Nowag, Perez, & Stuckmann, 2011), Sin- abläufe dar. Zudem fallen auch informa- spielen Eigenschaften wie analytisches gapur wird als Musterbeispiel einer infor- tionslastige sowie kognitive Aufgaben und logisches Denkvermögen eine wich- mationellen Stadt angesehen (Khvesh- in den Routinebeschäftigungsbereich. tige Rolle (Autor & Dorn, 2009, 1; Autor, chanka, Mainka, & Peters, 2011), Düssel- Sie können oftmals durch (Informations-) Levy, & Murnane, 2003, 1280, 1284, dorf ist die Stadt, in der wir derzeit leben. Technologie ersetzt und/oder vereinfacht 1293). Hierzu zählen u.a. Fachpersonal in Von Singapur standen Statistiken mit werden (Autor & Dorn, 2009, 1; Goos & Form von Wissenschaftlern, Information einer Kategorisierung der Berufe schon Manning, 2007, 118). In Bezug auf die Professionals, Medizinern oder Managern zur Verfügung, die dann als Vorlage für Job-Polarisierung fällt der Großteil an Ar- (Goos & Manning, 2007, 118, 120). London und Düsseldorf dienten. Die Glie- beitskräften bei den Routineberufen weg. derung in Singapur besteht aus zehn Be- Hierbei ist das produzierende Gewerbe Zum anderen bilden die weniger bezahl- rufsgruppen, denen die Arbeitskräftezah- mit seinen Manufakturarbeitern, darun- ten Kräfte, wie zum Beispiel Hilfsarbeiter len in den letzten zehn Jahre zugeordnet ter Fertigungsarbeiter und Maschinenbe- beim Bau, Straßenreiniger, Körperpfle- sind. Die zehn Berufsgruppen lauten diener am stärksten beeinträchtigt (Goos gepersonal, Personal-Service-Kräfte oder „Cleaner, Labourer & Related Workers“, & Manning, 2007, 125ff). Zudem zählen Friseure, den Nicht-Routineberufszweig „Working Proprietors“, „Service & Sales sowohl Angestellte in der Industrie als der manuellen Beschäftigungen. Die- Workers”, „Plant & Machine Operators auch im Service, beispielsweise als Buch- ses Arbeitsfeld ist im Gegensatz zu den & Assemblers”, „Agricultural & Fishery halter oder Sekretäre, zu den Betroffenen zuvor beschriebenen kognitiven Tätig- Workers”, „Production Craftsmen & Re- (Autor & Dorn, 2009, 1; Goos, Manning, keiten nicht direkt von der Technologie lated Workers”, „Clerical Workers”, „As- & Salomons, 2009, 9, Oesch & Rodriguez betroffen. Die technologischen Folgen in sociate Professionals & Technicians”, Menez, 2010; Berman, Bound, & Machin, anderen Ökonomiezweigen führen in die- „Professionals” und „Managers & Ad- 1998, 1273). sem Bereich jedoch zu einem Wachstum. ministrators”. Die daraus resultierenden Nicht-Routineaufgaben sind solche, die The nonroutine manual tasks that make Ergebnisse wurden anhand einer zwei- nicht ausreichend programmiert und up many of the most unskilled jobs such ten Tabelle (MOM, 2010) nach dem Pro- durch Maschinen ausgeführt werden as cleaning are not directly affected by Kopf-Einkommen sortiert. können. Diese Aufgaben sind durch vi- technology, but the impact of technology in Die Statistiken von London stammen von suelle und motorische Fähigkeiten ge other parts of the economy is likely to lead der Website des „Office for National Sta- kennz eichnet, wie aus der Studie von to a rise in employment in these unskilled tistics“, die Daten zu den jeweiligen Be- Autor, Levy und Murnane (2003) her- jobs (Goos & Manning, 2007, 118). rufsgruppen, Einkommen sowie deren vorgeht: „The reason is that these tasks Folgende Eigenschaften sind für diese Beschäftigtenzahl bereitstellen. Für die require visual and motor processing ca- Gruppe ausschlaggebend: “...‘manual’ Erstellung der Graphik wurde die vorge- pabilities that cannot at present be de- tasks requiring, variously, situational ad- gebene Statistikeinteilung von London scribed in terms of a set of programmable aptability, visual and language recogni- an die Vorgabe von Singapur überführt. rules“ (Autor, Levy, & Murnane, 2003, tion, and in person interactions“ (Autor & Die Bezeichnung der einzelnen Gruppen 1283). Diese Tätigkeiten verlangen fol- Dorn, 2009, 1). lautet 2009 wie folgt (die Abweichungen 62(2011)2-3, 95-102 97
Job-Polarisierung von 1998 in Klammer dahinterstehend): Tabelle 1. Berufsgruppen (in Anlehnung an ISCO-88 und Singapore Department of Statistics, 2010b). „Managers and Senior Officials“, „Profes- sional Occupations“, „Associate Profes- Berufsgruppe Exemplarische Berufe sional and Technical Occupations“, „Ad- Gebäude-/Maschinen-/Fahrzeugreiniger, Küchenhilfe, 1 Hilfsarbeiter ministrative and Secretarial Occupations Gärtner, (Hilfs-)Bauarbeiter (Clercial and Secretarial Occupations)“, „Skilled Trades Occupations(Craft and 2 Leiter kleiner Unternehmen Kleingastronomen, Friseure, Imbissbudenbesitzer Related Occupations)”, „Personal Service Dienstleistungsberufe & 3 Kellner, Köche, Verkäufer, Masseure, Kindergärtner Occupations (Personal and Protective Verkäufer Service Occupations)”, „Sales Customer Anlagen- und Service Occupations (Sales Occupa- 4 Monteure, Maschinenführer, LKW-Fahrer tions)”, „Process, Plant and Machine Op- Maschinenbediener eratives (Plant and Machine Operatives)” Fachkräfte in Landwirte, Weinbauer, Tierzüchter, Fischer, Förster, 5 and „Elementary Occupations (Other Oc- Landwirtschaft & Fischerei Jäger, Bergleute cupations)”. Da die Kategorisierungen Handwerks- und verwandte Uhrenmacher, Schmiede, Schneider, Buchdrucker, von Singapur und London große Ähnlich- 6 keit aufwiesen, wurden die Angaben der Berufe Schlosser Arbeitskräfte an die Vorgabe von Singa- Bürokräfte & Telefonisten, Sekretäre, Sprechstundenhilfen, pur angepasst bzw. in diese eingeordnet. 7 kaufmännische Angestellte Verbraucherberater Zu Düsseldorf gibt es im Gegensatz zu London und Singapur nur Informatio- Techniker & gleichrangige Zahntechniker, Bankangestellte, Laboranten, 8 nen zu einzelnen Berufsgruppen bzw. nicht technische Berufe Krankenpfleger Berufsordnungen, ohne Gehälter. Die Wirtschaftsprüfer, Architekten, Bibliothekare, Daten hierfür wurden auf Anfrage für Wissenschaftler & 9 Chemiker, Pharmazeuten, Psychologen, diese Studie vom Statistik-Service West Ingenieure Rechtsanwälte der Bundesagentur für Arbeit erstellt. Die statistische Erhebung zu 1999 und 2009 Leitende umfasst die Anzahl der insgesamt (Teil- 10 Verwaltungsbedienstete & Manager, Unternehmensberater, Geschäftsführer zeit und Vollzeit) sozialversicherungs- Geschäftsleiter pflichtigen Beschäftigten am Arbeits- ort Düsseldorf nach der Berufsordnung. Grundlage dieser statistischen Erhebung Tabelle 1. Berufsgruppen (in Anlehnung an ISCO-88 und Singapore Department of Statistics, 2010b). ist ein Schlüssel zur Klassifizierung der zur Veranschaulichung der einzelnen Be- den Geringverdienern. Ist eine J-Kurve Berufe: Gliederung nach Berufsklassen rufsgruppen dargestellt. ein Indiz dafür, dass die untersuchte für die Statistik der Bundesagentur für Die Berufssparten werden aufsteigend Stadt eine informationelle Stadt ist? Arbeit - Stand September 1988 (Statistik nach Einkommen sortiert, wobei Ein- der Bundesagentur für Arbeit, 2009). Ins- heit eins die am niedrigsten bezahlten gesamt wurden alle 763 Berufsgruppen Jobs darstellt und die zehnte Gruppe die Ergebnisse: Arbeitsmarktentwicklungen der Düsseldorfer Beschäftigungsstatistik höchstbezahlten Arbeitsplätze aufzählt. intellektuell an die Vorlage von Singapur Mit Hilfe von Statistiken aus den Jahren in Singapur, London und Düsseldorf angepasst. Die Berufe wurden mit Hilfe 1999 (für London 1998) und 2009 wur- der vorgegebenen Gliederung und deren den für die drei Städte Graphen erstellt, Singapur dazugehörigen Berufen aus Singapur ver- die die Arbeitsmarktbilanzen (Wachstum Als Prototyp einer informationellen Stadt glichen und dementsprechend zugeord- oder Verlust) der einzelnen Sparten in wurde Singapur ausgewählt, weil sich net. Anschließend wurde die Anzahl der den letzten zehn Jahren darstellen. Um dort eine Wissensgesellschaft zu ent- Arbeitskräfte in den nun neu geglieder- diese zu erhalten, wird die Differenz zwi- wickeln beginnt. Durch politische Pro- ten Beschäftigungssparten für die Jahre schen der Arbeitskräftezahl in den zehn gramme sowie den Aufbau einer digi- 1999 und 2009 separat addiert, damit die Berufsgruppen im Jahr 1999/1998 und talen Infrastruktur versucht der Staat, Gesamtzahl der Arbeitskräfte ermittelt 2009 berechnet. (Die verwendeten Sta- Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, werden kann. tistiken werden im Literaturverzeichnis und diese zu einer „knowledge society“ An Anlehnung an die „International unter „Statistik“ aufgeführt.) (Khveshchanka, Mainka, & Peters, 2011) Standard Classification of Occupations Anhand der Kurvenform wird beurteilt, zu formen. (ISCO-88)” (ILO, 1990) und der Statistik inwieweit die Job-Polarisierung stattge- von Singapur (Singapore Department of funden hat. Eine U-förmige Verteilung In Abbildung 1 ist zu sehen, dass in den Statistics, 2010b) wurden zehn Berufs- bei der Arbeitsplatzentwicklung wäre vergangenen zehn Jahren die mittlere gruppen gebildet (Hoffmeyer-Zlotnik, ein eindeutiges Zeichen zum Beleg die- Einkommensgruppe insgesamt an Per- Hess, & Geis, 2006, 102): (1) Hilfsarbei- ser These in den jeweiligen Städten. Eine sonal verloren hat (Berufsgruppen 3 bis ter, (2) Leiter kleiner Unternehmen, (3) starke Ausprägung an den oberen und 7), während die gut bezahlten Jobs wie Dienstleistungsberufe & Verkäufer, (4) unteren Gehaltsgruppen und eine ge- Techniker & gleichrangige nicht techni- Anlagen- und Maschinenbediener, (5) ringe Ausprägung in der Mitte entspre- sche Berufe (Berufsgruppe 8), Wissen- Fachkräfte in Landwirtschaft & Fischerei, chen einer U-Kurve. Wenn die Verteilung schaftler & Ingenieure (Berufsgruppe 9) (6) Handwerks- und verwandte Berufe, am rechten Randbereich der Kurve (sehr und Leitende Verwaltungsbedienstete & (7) Bürokräfte & kaufmännische Ange- gut qualifizierte Arbeitskräfte) enorm an- Geschäftsleiter (Berufsgruppe 10) immer stellte, (8) Techniker & gleichrangige nicht steigt und im Gegensatz dazu die linke stärker wachsen. Auch die Randgrup- technische Berufe, (9) Wissenschaftler & Seite (weniger Qualifizierte) zwar steigt, pen der Geringverdiener (Berufsgruppen Ingenieure, (10) Leitende Verwaltungs- aber nicht so extrem und die Mitte (wie 1 und 2) haben ein Wachstum zu ver- bedienstete & Geschäftsleiter. Bis auf die schon bei der U-Kurve) weniger wird, so buchen. Beachtet werden sollte jedoch, Klasse 2, die in Singapur eingesetzt wird, spricht man von einer J-förmigen Kurve. dass in dieser Berechnung nur Residents, entspricht die Einteilung der ISCO-88. In Diese hat ausgeprägte Zuwächse in den also Staatsbürger von Singapur, mit ein- Tabelle 1 werden exemplarische Berufe oberen Gruppen, aber nur moderate bei bezogen wurden. Die Non-Residents 98 62(2011)2-3, 95-102
Job-polarisierung Beobachtet man den Arbeitsmarkt von Singapur, so kann festgestellt werden, dass im Laufe der letzten zehn Jahre die Produktion und der Vertrieb von Gütern stark ins Ausland ausgesiedelt wurde. Stattdessen fördert der Staat die Krea- tivbranche. In diesem Stadtstaat werden die drei Kreativindustrien Kunst und Kul- tur, Design und Medien von verschiede- nen Initiativen unterstützt. Im Bereich Medien zielt Singapur darauf ab, ein glo- bales Medienzentrum zu werden (MDA, 2003). Im Jahr 2000 nehmen die „IT- und Softwaredienstleistungen unter den krea- tiven Industrien den ersten Rangplatz im Abbildung 1. Singapur: Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen zwischen Hinblick auf den Mehrwert, die Beschäf- 1999 und 2009. tigtenanzahl und den Exportumfang, ge- Abbildung 1. Singapur: Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen folgt von Werbung, Rundfunk und Ver- zwischen 1999 und 2009. lagswesen, ein“ (Khveshchanka, Mainka, Abbildung 1. Singapur: Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen zwischen 1999 und 2009. & Peters, 2011). Mit Einbeziehen der Non-Residents ergibt sich eine U-förmige Verteilung. Beschrän- ken wir uns nur auf die Residents, ergibt sich eine J-förmige Kurve. Dies ist ein Indiz dafür, dass in Singapur eine beson- dere Art der Job-Polarisierung stattfindet. Auffällig hierbei ist, dass Singapur sich bemüht, gebildete Personen als Staats- bürger zu behalten und diese fördert, während für die Bauarbeiten Gastarbeiter verpflichtet werden, welche nicht in Sin- gapur ansässig werden dürfen. London London ist eine Weltstadt, nicht nur weil hier Finanzzentren zusammenlaufen und Abbildung 2: London. Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen Investitionen getätigt werden, sondern zwischen 1998 und 2009. auch weil Entscheidungen in der Wirt- Abbildung 2: London. Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen zwischen 1998 schaft getroffen werden, die Auswirkun- und 2009. gen auf die ganze Welt haben (Nowag, Perez, & Stuckmann, 2011). Abbildung 2 gibt eine Übersicht des Wandels des Abbildung 2: London. Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen zwischen 1998 Arbeitsmarktes in London von 1998 bis und 2009. 2009 wieder, der sich in den vergange- nen elf Jahren extrem verändert hat. Be- trachtet man die erste Jobgruppe Hilfsar- beiter, kann man einen starken Anstieg beobachten. Berufsgruppen 2 (Leiter kleiner Unternehmen) und 7 (Bürokräfte & kaufmännische Angestellte) haben große Einbußen in ihrer Berufssparte zu ver- buchen. Die mittleren Bereiche (3 bis 6) zeigen keine großen Änderungen. Hier ist der Bestand an Arbeitsplätzen ausgegli- chen, und es sind nur minimale Verluste in der Berufssparte der Dienstleistungsbe- rufe & Verkäufer zu sehen. Abbildung 3: Düsseldorf. Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen Gruppe 8 hat den höchsten Zuwachs zwischen 1999 und 2009. neben den Gruppen 9 und 10. Abbildung 3: Düsseldorf. Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze in den einzelnen Berufsgruppen zwischen In London wird die These bestätigt, dass 1999 und 2009. die besser qualifizierten Arbeitskräfte wurden in die Analyse nicht mit auf- einen begrenzten Zeitraum in Singapur immer mehr gefördert und am Arbeits- genommen, da die meisten von ihnen zu bleiben. Den Gastarbeitern ist es nicht markt unersetzlich geworden sind. Ins- Gastarbeiter aus verschiedenen Ländern erlaubt, ihre Familie nach Singapur zu gesamt gewinnen die hochqualifizierten und nicht in Singapur wohnhaft sind. 75 holen und dort ansässig zu werden. In Berufe. Abbildung 2 ähnelt einer J-Kurve, Prozent dieser Non-Residents gehören den letzten zehn Jahren ist die Zahl der weil die Anzahl der Geringverdiener ver- der unteren Arbeitsklasse an und sind arbeitenden Immigranten um mehr als gleichsweise wenig und die der gut be- z. B. als Bauarbeiter oder Hilfsarbeiter 319.000 gestiegen (Singapore Depart- zahlten Berufstätigen überdurchschnitt- tätig. Sie bekommen die Erlaubnis, für ment of Statistics, 2010a). lich ansteigt. 62(2011)2-3, 95-102 99
Job-Polarisierung Düsseldorf Berufe in den mittleren Einkommens- Information Professionals Als Gegenbeispiel zu der informationel- gebieten (siehe Gruppen 4 und 6) an len Stadt Singapur und der Weltstadt Arbeitskräften verlieren, steigen diese in informationellen Städten London tritt die Stadt Düsseldorf, die im Allgemeinen in den guten sowie in Hauptstadt des deutschen Bundeslan- den schlechter bezahlten Jobs, mit Aus- Welche Rolle spielen Information Profes- des Nordrhein-Westfalen, auf. Im Ver- nahme der niedrigsten Einkommens- sionals in informationellen Städten? Wie gleich zu den anderen beiden Städten klasse. Die Kurve für die Stadt Düs- hoch ist der Anteil der Informationsbe- ist Düsseldorf deutlich kleiner und hat seldorf lässt sich weder als eindeutige rufe am gesamten Arbeitsmarkt? Auf knapp 600.000 Einwohner (Statistische J-Kurve (zu erwartendes Ergebnis bei welche konkreten Berufe verteilt sich Ämter des Bundes und der Länder, einer informationellen Stadt) noch als der jeweilige Arbeitsmarkt der Informa- 2010). Der Wandel des Arbeitsmarktes eindeutige U-Form (deutlicher Beleg für tion Professionals? Wir haben in den of- wird in Abbildung 3 veranschaulicht. Job-Polarisierung) deuten. Klar ist aller- fiziellen Statistiken Angaben sowohl für Wie zu sehen ist, trifft die These der dings, dass auch hier die Wissenschaft- Singapur als auch – allerdings in anderer Job-Polarisation nur ansatzweise auf ler und die Ingenieure mit deutlichen Klassifikation – für Düsseldorf gefunden. die Stadt Düsseldorf zu. Während die Zuwächsen in Erscheinung treten. Da für London keine Zahlen zu erhalten Abbildung 4: Arbeitsbereiche von Information Professionals in Singapur (MOM, 2010). Abbildung 5: Arbeitsbereiche von Information Professionals in Großbritannien (ONS, 2009). 100 62(2011)2-3, 95-102
Job-polarisierung waren, berichten wir zur ersten Einschät- tigt, was 3,83 Prozent des Düsseldorfer zung über den gesamten Arbeitsmarkt in Arbeitsmarktes entspricht. Wie in Abbil- Großbritannien. dung 6 zu sehen ist, setzen sich die In- formation Professionals nach der Klassifi- Singapur kation der Bundesagentur für Arbeit aus Im Jahr 2009 sind in Singapur 99.900 Be- den Klassen „Bibliothekare, Archivare, rufstätige im Bereich Information und Museumsfachleute“, „Datenverarbei- Kommunikation beschäftigt, was ca. fünf tungsfachleute“ und „Publizisten“ zu- Prozent der Berufstätigen im gesamten sammen (Statistik der Bundesagentur für Stadtstaat entspricht (MOM, 2010). Die Arbeit, 2010). Die Anzahl der Datenverar- Arbeitsbereiche, in denen Information beitungsfachleute ist in den letzten zehn Professionals in Singapur tätig sind, sind Jahren von 8.855 auf 11.962 Kräfte ge- vielfältig. Es dominieren allerdings in- wachsen, die Berufe der Gruppe „Biblio- formatiknahe Berufe wie der „Systems thekare, Archivare, Museumsfachleute“ designer and analyst“, „Computer and mussten dagegen in den letzten zehn information systems manager“ und „Ap- Jahren Einbußen verzeichnen (Schrump- Abbildung 6: Arbeitsbereiche von Information plication programmer“, die insgesamt fung von 621 auf 559 Berufstätige). Die Professionals in Düsseldorf (Statistik der Bun- bereits rund die Hälfte der Arbeitsplätze Anzahl der Publizisten ist leicht von desagentur für Arbeit, 2010). von Information Professionals stellen. Bi- 1.153 auf 1.214 gestiegen. Hinzu kommen bliothekare („Library officer“, „Librarian“ in Düsseldorf (in Abbildung 6 nicht aus- und „Library clerk“) sowie Marktforscher gewiesen) knapp 100 Information Profes- zierten. Unsere Ergebnisse legen nahe, („Market research analyst“) kommen sionals, die in Informationsvermittlungs- dass in einer informationellen Stadt die auf ca. 5 Prozent des Arbeitsmarktes für stellen von Unternehmensberatungen Entwicklungen am Arbeitsmarkt einer J- Information und Kommunikation. In Ab- arbeiten (Schätzung auf der Basis von förmigen Verteilung folgen – und nicht, bildung 4 sind die Arbeitsbereiche von Noack, Reher & Schiefer, 2009). Die Infor- wie sonst, der U-Form. Information Professionals mit deren rela- mation Professionals in Düsseldorf sind Wenn man die drei Städte in Bezug auf tiven Häufigkeiten aufgeführt. Auffällig fast ausschließlich der Berufsgruppe 9 die Arbeitskräfte im Bereich Information ist hierbei, dass der größte Teil (85 Pro- Wissenschaftler & Ingenieure zuzuordnen. und Kommunikation vergleicht, fällt auf, zent) der Information Professionals unter dass Düsseldorf nur 3,83 Prozent Infor- die Berufsgruppe 9 (Wissenschaftler & mation Professionals beschäftigt. In Sin- Ingenieure) fällt. Die übrigen 15 Prozent Fazit gapur und in Großbritannien entfallen der Information Professionals sind in Be- jeweils rund fünf Prozent des Gesamt- rufsgruppe 10 (Leitende Verwaltungsbe- Aus den diskutierten Studien und unse- arbeitsmarktes auf Information Profes- dienstete & Geschäftsleiter), Berufsgruppe ren Untersuchungen geht hervor, dass sionals. In beiden Städten und auch im 8 (Techniker & gleichrangige nicht tech- sich der technologische Wandel auf den Vereinigten Königreich wird der Teilar- nische Berufe) und Berufsgruppe 7 (Büro- Arbeitsmarkt niederschlägt. Computer beitsmarkt der Informationsberufe von kräfte & kaufmännische Angestellte) tätig. sowie Automatisierungsprozesse und die informatiknahen Tätigkeiten dominiert, globale Vernetzung des Internets werden während bibliothekarische Berufe unge- Großbritannien immer besser und fortschrittlicher. In- fähr fünf Prozent ausmachen. Daten zu London sind nicht verfügbar, zwischen sind sie aus dem Arbeitsalltag Es besteht weiterhin Forschungsbedarf deshalb beziehen wir uns hier auf ganz vieler Routine- und (hoch qualifizierter) auf dem Gebiet der Job-Polarisierung Großbritannien. Rund 1,5 Mio. Arbeits- Nicht-Routineberufe nicht mehr wegzu- kräfte sind im Jahr 2009 im Bereich denken. Während die vormaligen Routi- auf Städteebene. Gründe, warum die Be- „Information and Communication“ be- nearbeiten heutzutage von computer- schäftigtenzahlen in den einzelnen Städ- schäftigt, was 5 Prozent des gesamten gesteuerten Maschinen übernommen ten gestiegen oder gefallen sind, müssen Arbeitsmarktes in Großbritannien aus- werden, kommt es bei den Nicht-Routi- herausgearbeitet werden. Die Rolle der macht. In Großbritannien steigt die An- netätigkeiten zu neuen Herausforderun- Information Professionals in informati- zahl der Beschäftigten, die im Bereich gen im Umgang mit der IKT-Branche. Es onellen Städten (die alle im Bereich der „Information and Communication“ lie- kommt zu einer Umverteilung auf dem prosperierenden „lovely jobs“ angesie- gen. Laut der Angaben des „Office for Arbeitsmarkt. Unsere Studie zeigt, dass delt sind) bedarf eingehender Analysen. National Statistics“ gewinnt die Informa- die Polarisierung der Jobs auch auf Städ- Auch gilt es, unsere These der J-förmi- tionssparte 182.000 Beschäftigte (Mes- teebene stattfindet. In den drei unter- gen Verteilung bei informationellen Städ- sungen zwischen März 1998 bis März suchten Städten Singapur, London und ten intensiver zu analysieren. 2010). Wenn man Abbildung 5 betrach- Düsseldorf verringert sich das Berufsfeld tet, sieht man, wie vielfältig die Einsatz- der Routinearbeiter. Besonders in den möglichkeiten von Information Professio- großen und bedeutenden Städten Singa- Literatur nals in der Berufswelt sind. Die größten pur und London sind die Top-Verdiener Gruppen sind dabei „Software professi- – Manager und Berufsgruppen in Wissen- Acemoglu, D. (1998). Changes in unemployment and wage inequality: An alternative theory and onals“ mit 23 Prozent und „Information schaft, Technik und Medizin (WTM) – in some evidence. NBER Working Paper No. 6658. and communication technology mana- den letzten zehn Jahren sehr stark ge- Cambridge, MA: National Bureau of Economic Re- gers“ mit 20 Prozent. Die Gruppen der wachsen sowie in Düsseldorf die WTM- search. Bibliothekare und Archivare („Library as- Professionals. Diese sehr gut qualifizier- Autor, D.H., Levy, F., & Murnane, R.T. (2003). The skill sistants & clerks“, „Librarians“ und „Ar- ten Arbeitskräfte bewerkstelligen Nicht- content of recent technological change. An empiri- chivists“) machen 5 Prozent der Arbeits- Routinetätigkeiten, die meist den Einsatz cal exploration. The Quarterly Journal of Economics, 118(4), 1279-1333. kräfte aus, die im Bereich „Information & und einen professionellen Umgang mit Communication“ tätig sind. Technik voraussetzen. Die Anzahl der Ar- Autor, D.H., & Dorn, D. (2009). This job is ‚getting old.‘ Measuring changes in job opportunities using beitnehmer in den unteren Einkommens- occupational age structure. IZA Discussion Paper No. Düsseldorf gruppen besonders in Singapur und Lon- 3970. Bonn: Institut zur Zukunft der Arbeit. Im Jahr 2009 sind knapp 14.000 Informa- don ist zudem angestiegen, wenn auch Autor, D.H., Katz, L.F., & Krueger, A.B. (1998). Compu- tion Professionals in Düsseldorf beschäf- nicht so stark wie die der höher Qualifi- ting inequality. Have computers changed the labor 62(2011)2-3, 95-102 101
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