JOHANN JOSEPH RÖSLER (1771-1812) - KAPITEL Alena Hönigová - Alena Hönigová
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2. KAPITEL „MAESTRO AL CEMBALO E COMPOSITORE“ IN DER ITALIENISCHEN OPERNGESELLSCHAFT VON GUARDASONI Alena Hönigová JOHANN JOSEPH RÖSLER (1771–1812) Kapitel aus dem Prager Musikleben um 1800 © MgA. Alena Hönigová 2021 https://www.alenahonigova.com
1 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) INHALT 2.1 Maestro ale cembalo e compositore in der Italienischen Operngesellschaft von Guardasoni ......... 2 2.1.1 Im Engagement bei Guardasoni ................................................................................................. 2 2.1.2 Musikstücke für Opern anderer Autoren ................................................................................... 6 2.1.3 Guardasonis geheimer Theaterdichter – Scipione Piattoli......................................................... 8 2.1.4 Pantomimen für den provisorischen Theaterbetrieb im Sommer 1796 .................................. 11 2.1.5 Das Jahr 1797 ........................................................................................................................... 11 Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben ................................................................................. 16 Angrisani, Felice (auch Angrissani, Angressani, Angrizani) ........................................................... 16 Bassi, Luigi ..................................................................................................................................... 16 Campi, Antonia (geb. Miklaszewicówna-Leonowicz) .................................................................... 17 Campi, Gaetano ............................................................................................................................. 18 Cannabich, Augusta Elisabeth (auch Canabich, verheiratet Dewechy) ......................................... 18 Caravoglia-Sandrini, (Maria) Luigia ............................................................................................... 19 Clam-Gallas, Christian Christoph ................................................................................................... 19 Codecasa, Chatillon, Giovanna (auch Chatiglion) .......................................................................... 20 Defranceschi, Carlo Prospero ........................................................................................................ 20 Dolliani, Therese (auch Doliani, Doliagny)..................................................................................... 21 Guardasoni, Domenico .................................................................................................................. 21 Kucharz, Johann Baptist/Jan Křtitel Kuchař................................................................................... 22 Piattoli, Scipione ............................................................................................................................ 23 Ponziani, Felice (auch Ponzani) ..................................................................................................... 23 Strinasachi, Teresa (auch Strina Sacchi, Strinasachi, Strenasachi) ................................................ 24 Zardi, Vincenzo .............................................................................................................................. 24 Die wichtigsten Quellen ........................................................................................................................ 25 Abbildung auf der Titelseite: Nach dem Schattenriss von Rösler, den schon Constant von Wurzbach in seinem Wörterbucheintrag über Rösler erwähnte.1 Röslers Porträt soll laut Wurzbach sehr akkurat gemacht worden sein, und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Biographischen Lexikons (Wien: Hof- und Staatsdruckerei, 1874) war es Eigentum des Wiener Konservatoriums. Das Porträt, samt einer kurzen Biografie, ist im 1892 erschienenen Katalog der Portrait-Sammlung der k. u. k. General-Intendanz der k. k. Hoftheater: zugleich ein biographisches Hilfsbuch auf dem Gebiet von Theater und Musik (Wien: A. W. Künast, 1892, 2. Abt., 4. Gruppe, S. 350) abgebildet. Heute wird eine Fotoreproduktion des Porträts in der Sammlung grafischer Dokumente der Musikabteilung des Nationalmuseums in Prag aufbewahrt (CZ-Pnm, Sig. E 497). 1 WURZBACH, Constant von. „Rösler, Joseph“. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich: ... Sechsundzwanzigster Teil Rhedey … (VI. Folge). Wien: Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, 1874, S. 244. © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 2 2.1 „MAESTRO E COMPOSITORE" IN DER ITALIENISCHEN OPERNGESELLSCHAFT VON GUARADASONI 2.1.1 Im Engagement bei Guardasoni Das genaue Datum, wann Rösler zum Kapellmeister der italienischen Operngesellschaft von Domenico Guardasoni2 wurde, kann nicht mit absoluter Sicherheit bestimmt werden. Es sind keine Personalverträge aus dieser Zeit erhalten geblieben, daher können wir nur auf der Grundlage von Informationen spekulieren, die in Wörterbüchern und in der damaligen Presse erwähnt werden. In der Tagespresse wird Musik nur in Ausnahmefällen erwähnt, und Theatermagazine widmen ihre Aufmerksamkeit eher den Sängern und Schauspielern oder bewerten Dramaturgie, Komponisten oder Dramatiker. Selbst die Namen von Komponisten und Librettisten werden nicht sehr sorgfältig angegeben. Listen von Orchestermitgliedern erscheinen selten. Einer der detailliertesten Berichte über Röslers Leben, der 17 Jahre nach Röslers Tod veröffentlicht wurde, informiert jedoch ziemlich klar über Röslers Engagement bei Guardasoni:3 Im Jahre 1795* hatte er sich als gründlicher Musiker schon so bekannt gemacht, daß er bei dem Ständischen Theater als Kapellmeister angestellt wurde. *[Fußnote:] Nicht im Jahre 1797, wie Dlabacz in seinem Allgemeinen historischen Künstlerlexicon für Böhmen u. s. w. Prag 1815, S. 588 irrig angibt. Wenn anders nicht die falsche Jahrzahl dort nur ein Druckfehler ist. Alle anderen Wörterbücher aus dem 19. Jahrhundert datieren,4 sofern sie das genaue Datum erwähnen, den Beginn von Röslers Anstellung bei Guardasoni auf das Jahr 1795. Ausnahmen sind das Datum 1796, das Hermann Mendel angibt,5 und das erwähnte Jahr 1797, von Dlabač angeführt. GROVE, MGG und CDE geben das Jahr 1797 an. 2 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 21. 3 MB, S. 57. 4 SCHILLING, FÉTIS, MEYER, BERNSDORF, RIEGER, WURZBACH. 5 MENDEL.
3 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) Der dramatische Almanach von Roberto Verti gibt eine Übersicht der europäischen Szenen der italienischen Oper an, meist samt ihren Programmen und Angestellten (im folgenden nur VERTI). 6 Leider ist die Prager Oper im Jahr 1795 nicht angeführt. In der folgenden Saison wird nur die Liste der Sänger aufgezeichnet:7 VERTI (das ganze Jahr 1796 und Anfang 1797 bis Ostern) Prime Donne Teresa Strinasacchi8, Elisabeth Cannabich9 Altre Prime Donne Teresa Doliani10, Caterina Miceli, Teresa Lombardi Secondi parti Giovanna Woibisek, N.N. Primi Tenori Santa Sala, Luigi Benedetti Primi Buffi Luigi Bassi11, Antonio Bertina, N. Canobio Secondi Tenori N. Woibisek, N. Zimer Die Liste der Sänger der italienischen Operngesellschaft von Guardasoni wird im Jahr 1796 auch vom Allgemeinen europäischen Journal veröffentlicht, das 1794–1798 in Brünn publiziert wurde (im folgenden nur AeJ). Dieses vorwiegend kulturelle Magazin, das gelegentlich auch über die interessanten Neuigkeiten aus der Welt der Wissenschaft und Technik informierte, enthielt regelmäßig eine „Übersicht der vorzüglichsten deutschen Bühnen". Es bietet detaillierte Programme einzelner Theaterbühnen. Ausgewählte Aufführungen oder die Gesamtsituation wurden kommentiert. Mit Ausnahme von 1795 ist auch das Geschehen in Prag in dieser Übersicht enthalten. 6 VERTI, Roberto, ed. Un almanacco drammatico: l‘indice de’ teatrali spettacoli 1764–1823. Vol. 2. Pesaro: Fondazione Rossini, 1996. 7 VERTI, 1240/81–82. 8 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 24. 9 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 18. 10 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 21. 11 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 16. © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 4 Italienische Operntruppe des Herrn Guardasoni (Januar 1796)12 Sänger Baglioni, Tenorist Bertini, Bassist Benedetti, erster Tenorist [Luigi] Bassi für Bufforollen Scazi und Miloki, Bassisten Zappi, Tenorist Sängerinnen Mad. Canabich [!], Primma Donna D[emoise]lle. Aninasachi [gemeint Strinasachi], wechselt mit Mad. Canabich [!] ab Mad. Zappi, Seconda Donna Dlle. Volpini und Dlle. Micelli zu dritten Singrollen Aushilfsrollen Herr und Frau Wieser, kleine Singrollen in Chören wie z. B. in Spiegel von Arkadien, vorzüglich aber in Böhmischen Opern. Die Liste der Musiker des Prager Opernorchesters des Gräflich Nostitzschen Theaters wird 1796 im Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag abgedruckt:13 Opernorchester beim Nazionaltheater Kapellmeister: Herr Joseph Kucharz14 Direkteur: Herr Prauptner Violino I: Hr. Kral, Prantner jüng., Javurek Violino II: Hr. Kutschera, Mazanzl, Horzegschy, Schreiber Bratschen: Hr. Pruha, Holzel Violoncello: Hr. Stiastny, ält. Violon: Hr. Eiman, Pitermuß Flauten: Hr. Leutel, Joh. Chauer Oboe: Hr. Neumann, Stadler Klarinet: Hr. Wenzel, Seith Horn: Hr. Schepka, Matiegka Fagot: p. Toman, Heutschl Trompeten: Hr. … [?], Gürtschl Pauker: Hr. Fibich 12 AeJ, 1796, 1. Band, S. 182. 13 Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag. Wien. Schönfeld, 1796, S. 151. 14 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 22.
5 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) Aus der letzten Liste geht hervor, dass Rösler 1796 noch nicht für Guardasoni gearbeitet hat. Wenn wir jedoch die ersten beiden Listen mit Röslers handschriftlichem Katalog (RR) vergleichen, kommen wir zu einem anderen Ergebnis. Hier ein kurzer Auszug aus Röslers Katalog, der relevante Informationen für die Frage nach Röslers damaliger Arbeit enthält. 1796 werden in RR nur Orchesterkompositionen aufgeführt. Überblick über Röslers Kompositionen von 1796 RK 1 Kantate für zwei Stimmen Il Ciclope, Libretto P. Metastasio RK 2 Arie C-Dur „Fedele costante la sposa l’amante”, Libretto S. Piattoli15 RK 3 Arie F-Dur „M’han detto da bambina” für die Oper Prima la musica, poi le parole, Libretto S. Piattoli, Solistin Frau Strinasacchi RK 4 Arie D-Dur „Sento nell’alma mia” für die Oper La capricciosa Correta, Libretto S. Piattoli, Solistin Frau Cannabich RK 5 Arie F-Dur „Ah se un verace Amore”, Libretto S. Piattoli RK 6 Pantomime Il Cornetto magico oder das Zauberhörnchen geschrieben für das Theater Zur eisernen Thüre und erstmals am 28. Juli 1796 aufgeführt RK 7 Pantomime Il sarto Vez Vez oder Die Geburt des Schneiders Wez Wez geschrieben für das Theater Zur eisernen Thüre und erstmals am 24. Juli 1796 aufgeführt RK 8 Oper La sorpresa [La forza dell’Amore ossia Teresia e Claudio, Libretto S. Piattoli] Abgesehen von der Kantate Il Ciclope, zu deren Aufführung keine Daten belegt sind, können die Aufführungen von allen anderen Kompositionen entweder mit Sicherheit nachgewiesen werden (RK 3-7) oder es ist wahrscheinlich, dass sie von der Guardasoni-Operngesellschaft aufgeführt wurden (RK 2, 8). Die Evidenz von den einzelnen Aufführungen konkreter Werke ist im kommentierten Katalog angegeben, der Teil dieser Arbeit ist und nach der Publikation aller Kapitel veröffentlicht wird. Die Opern, für die Rösler die Einlagen komponierte, wurden von Guardasonis Operngesellschaft im Nostitz-Theater aufgeführt, Pantomimen (RK 7, 8) im Theater Zur eisernen Thüre, wo Guardasonis Kompanie im Sommer 1796 vorübergehend auftrat, während das Nostitz-Theater umgebaut wurde. Die Sängerinnen Cannabich und Strinasacchi werden im Jahr 1796 von Verti sowie AeJ als Primadonnen von Guardasonis Ensemble angeführt. Für jede von ihnen schrieb Rösler eine solistische Arie, wie es damals üblich war, wenn man Opern von anderen Komponisten aufführte. Wie diese Praxis konkret funktionierte, können wir auch an den vielen Arien, die Rösler für Guardasonis Vorstellungen komponierte, beobachten. 15 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 23. © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 6 2.1.2 Musikstücke für Opern anderer Autoren Guardasonis Gesellschaft italienischer Virtuosen war nicht sehr umfangreich, so dass einige Szenen mit großer Besetzung nicht für sie geeignet waren (die Aufführungen, in denen nur wenige Sänger die großen Chöre interpretierten, wurden von der Kritik negativ kommentiert16). Manchmal war es auch notwendig, die Oper zu kürzen oder einige Stellen dem regionalen Geschmack oder dem Stil des Ensembles anzupassen. Die zentralen Arien für die Stars des Ensembles wurden oft nach Maß geschrieben. Ich glaube nicht, dass im Fall von Guardasonis Ensemble der Grund dafür war, dass die Solisten sie nicht singen konnten, sondern die Arien nicht ideal für sie sein mussten. Diese Praxis war vielmehr weit verbreitet und wird beispielsweise bei den Aufführungen von Mozarts Opern an verschiedenen Orten oder in einer neuen Besetzung ausführlich dokumentiert. Roberto Verti führt den Kapellmeister in seinen detaillierten Übersichten der europäischen Opernhäuser, die auf Italienisch spielten, immer als Maestro al Cembalo e Compositore an, obwohl Opern anderer Komponisten auf dem Programm standen. Andere Gründe für das Hinzufügen, Streichen oder Kürzen von Musiknummern könnten rein theatralischer Natur sein. Es könnte ein Versuch sein, der Handlung eine schnellere dramatische Wendung zu geben oder umgekehrt Zeit für eine Bühnenaktion zu gewinnen. Sehr oft wurden auch Musiknummern für Opern geschrieben, die in einer anderen Sprache aufgeführt wurden. Guardasoni beispielsweise führte in späteren Jahren mehrere deutsche Singspiele auf Italienisch auf. Das neu geschaffene Libretto war manchmal eher eine Bearbeitung des dramatischen Stoffes als eine Übersetzung. Das gedruckte zweisprachige oder nur deutsche Libretto, das Guardasoni für die Uraufführungen der vorgestellten Werke veröffentlichte, dokumentiert diese Praxis. Daraus folgt, dass das Werk ins Italienische übersetzt wurde und diese neue Bearbeitung dann mit allen Details wieder ins Deutsche rückübersetzt wurde.17 Als Beispiel kann die Oper Telemach Prinz von Ithaka (auch bekannt als Der Königssohn aus Ithaka) des Komponisten Franz Anton Hoffmeister und des Librettisten Emanuel Schikaneder dienen, die im Juni 1795 in Wien am Theater an der Wieden uraufgeführt wurde. Guardasoni führte sie in Prag auf Italienisch zum ersten Mal am 21. Oktober 1797 unter dem Titel Il principe d'Itaca auf.18 Der Autor ihrer italienischen Fassung war Carlo Prospero Defranceschi,19 und wir können die meisten Informationen über ihn (die äußerst rar sind) auf der Titelseite des Librettos 16 TEUBER, S. 422. 17 Carlo Prospero Defranceschi schrieb in der Anleitung des deutschen Librettos, das zur Prager Uraufführung der italienischen Fassung der Oper veröffentlicht wurde: „Zum Behufe der Zuschauer wurde gegenwärtige neue Auflage veranstaltet: Durch die darin vorkommenden Abweichungen von der Original-Ausgabe wollte man aber nicht den so beliebten Verfasser meistern, gegen welchen man gewiß alle gebührende Achtung heget, sondern diesen deutschen Text der italienischen Bearbeitung näher bringen.“ 18 AeJ, 1797, 10. Band, S. 201. 19 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 20.
7 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) lesen, das Guardasoni für die Prager Premiere der italienischen Fassung dieser Oper veröffentlicht hatte.20 IL PRINCIPE D’ITACA. DRAMMA EROICOMICO PER MUSICA. Ridotte dal Tedesco da Carlo Pospero Defranceschi, Licenziato dei’Driti, e Riducitore del Sacrificio interroto, e d’Amore e Psiche. DA RAPPERSENTARSI NEL NOBILISSIMO NUOVO TEATRO DI PRAGA L’ANNO 1797. SOTTO L’IMPRESA, E DIREZIONE DI DOMENICO GUARDASONI -------------- Der Königssohn aus Ithaka Ein große heroisch-komische Oper in 2 Aufzügen verfaßt von Hrn. Emanuel Schikaneder. In Musik gesetzt von Hrn. Franz Ant. Hoffmeister. Mit einigen Veränderungen, nach der italienischen Bearbeitung von C. Defranceschi, Bearbeiter der Opern: Amor und Psyche und Das unterbrochene Opferfest. Aus dem italienischen Teil des Titels erfahren wir, dass Carlo Prospero Defranceschi Anwalt war. Der deutsche Teil enthält die Namen des Komponisten und des Autors des Original-Librettos. Auf Deutsch wird erwähnt, dass Defranceschi bereits zwei Opern arrangiert hat. (Für diese beiden Opern komponierte Rösler einige Musiknummern, die später besprochen werden.) Nur die Titelseite ist zweisprachig, das Libretto selbst ist nur in deutscher Sprache. Von dieser Oper blieb auch das Original-Libretto von Schikaneder erhalten von der Aufführung im selben Jahr in Weimar,21 und daher können wir die beiden Libretti vergleichen. Die Handlungslinie bleibt praktisch unberührt, aber ein Großteil des Textes wird komplett neu gedichtet, was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass der neue italienische Text zu Hoffmeisters Musik passen musste. So musste sich Defranceschi oft neue poetische Bilder für Arien einfallen lassen, die die gleichen Emotionen ausdrücken wie in Schikaneders Original. Eine Reihe von Bühnennotizen wurde ebenfalls geändert.22 20 Praga: Diesbach, 1797. 21 HOFFMEISTER, Franz Anton [und Emanuel Schikaneder]. Telemach Prinz von Ithaka. Weimar: Hoffmann, 1797. [Libretto]. 22 In Defranceschis Bearbeitung ist die Handlung anders in Auftritte geteilt. Kleinere Rollen von Schikaneders Original sind bei Defranceschi oft nur von Chören gesungen (Krieger, Nymphen). Einige von Defranceschis Anweisungen sind detaillierter. (Z. B. bestimmen Schikaneders Bühnennotizen, wer auftritt, bei Defranceschi ist beschrieben, welche Person durch welche Tür eintritt). Einige Szenen bekommen eine neue Theaterwirkung. (In Schikaneders Original befindet sich © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 8 Rösler komponierte für diese Oper die Canzonetta in G-Dur „Quando rido di taluni“ (RK 10). Die Arie für Giovanna Codecasa,23 eine neue Primadonna im Buffo-Genre, wurde im Jahr 1797 geschrieben. Aufgrund der ersten Worte der Arie und der Rollenauswahl, die Codecasa singen konnte, sowie der Analyse des deutschen Librettos (die italienische Fassung ist nicht erhalten), konnte festgestellt werden, dass Rösler hier die Arie von Phetuse aus der 9. Szene des ersten Aktes vertont hat, deren erster Vers in deutscher Übersetzung lautet: Euch, ihr Herr’n mit stolzen Blicken, lacht ein schönes Mädchen aus; Ihr seid leichtlich zu bestricken, kommt nicht aus dem Netz heraus. Diese Praxis erklärt, warum in Vertis Übersichten neben den Namen von Sängern, Schauspielern, Tänzern und dem Maestro al Cembalo e Compositore auch der Name des Dichters (poeta) erwähnt wird, obwohl Opern anderer Librettisten auf dem Programm standen. In Vertis Übersicht vom Personal der Guardasoni-Oper wird als poeta für das Jahr 1797 Defranceschi angeführt.24 2.1.3 Guardasonis geheimer Theaterdichter – Scipione Piattoli Ich glaube, dass Guardasonis „Theaterdichter" im Jahr 1796 Scipione Piattoli (1749−1809) war. Sein Name wird nirgendwo erwähnt, aber dank Röslers thematischem Verzeichnis können wir seine umgedichteten Arien in gedruckten Libretti „versteckt" finden. Rösler vertonte eine Reihe von Piattolis Texten für Opern anderer Autoren, und Piattoli schrieb für Rösler Libretti für seine zwei Opern (La Sorpresa oder La forza del'amore ossia Terezia e Claudio und La Pastorella delle Alpi). Der Grund, warum eine Erwähnung über die Aufführung dieser Opern zum Zeitpunkt ihrer Komposition weder in Prag noch in Italien auffindbar ist, obwohl die erste später häufig genannt wird, könnte die Person von beispielweise Kalypso im 13. Auftritt des 2. Aktes in einer Muschelgrotte, in der Papageien die Szene ergänzen. Kalypso singt ein Solo-Rezitativ mit Arie. In Defrancescis Version werden die Papageien Kalypsos Klagen lebendig und papageienhaft kommentieren. Die Szene ist von Defrancesci wie folgt beschrieben: „Das Theater verwandelt sich in einem Saal. Zwei große Vogelhäuser, wo lebendige Papageien sind, stehen auf beiden Seiten. Calypso sitzt beim [!] Toilette, statt des Spiegels fließt Wasser, aus der andern [!] Seite steht ein Tisch, worauf Kron und Scepter, und ein Königsmantel liegt.“ DEFRANCESCHI, Carlo Prospero. Il principe d’Ithaca ... Praga: Diesbach, 1797, S. 61–63. [Libretto]. HOFFMEISTER, Franz Anton [und Emanuel Schikaneder]. Telemach Prinz von Ithaka. Weimar: Hoffmann, 1797, S. 79–80. [Libretto]. 23 Siehe Register von Persönlichkeiten aus Röslers Leben, S. 20. 24 VERTI, 1286/108.
9 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) Scipione Piattoli sein. Von 1794 bis 1800 war er ein politischer Gefangener der Habsburgermonarchie und zuvor eine Persona non grata in Italien. Eine Person mit einem interessanteren Lebensschicksal ist kaum zu finden. Abbé Piattoli, wie er allgemein genannt wurde, war ein katholischer Priester und stammte aus Florenz. Als seine aufklärerischen Ansichten dort untragbar wurden, wanderte er in die polnisch-litauische Union aus und spielte eine wichtige Rolle bei den dortigen Reformbemühungen, die am 3. Mai 1791 in der Verkündigung der ersten europäischen Verfassung gipfelten (Piattoli war einer der Mitverfasser). Während des sogenannten Großen (vierjährigen) Sejm wirkte Guardasoni (1789–1791) auch in Warschau, so ist es sehr wahrscheinlich, dass er Piattoli von dort kannte. Nach der Niederlage des sogenannten Kościuszko-Aufstands durch Russland und Preußen verlor Polen für lange Zeit seine Unabhängigkeit, und die Anhänger der Verfassung mussten emigrieren. Sie trafen sich heimlich in tschechischen Kurorten. Die österreichische Polizei überwachte jedoch die polnischen Revolutionäre, und es gelang im Juli 1794, Piattoli in Karlsbad zu verhaften. Er wurde zuerst in der Festung Josefstadt (Josefov) und von 1795 bis 1800 in Prag inhaftiert.25 Zwei von Piattolis Arien (RK 4, 5) lassen sich beispielsweise in einem Libretto aufspüren, das Guardasoni für die Prager Aufführung der Oper La capricciosa coretta von Vincent Martini Soler (1754–1806) und Lorenzo Da Ponte (1749–1880) veröffentlichte.26 Dieses Libretto wurde in italienischer Sprache publiziert und bietet somit einen interessanten Einblick in die musikalische Funktion der neuen Arien. Wenn wir Guardasonis Libretto mit der Partitur der ursprünglichen Londoner Aufführung von 1795 (damals als La scuola dei maritati bezeichnet) vergleichen, stellen wir fest, dass Isabellas Arie „Sento nell'alma mia“ (RK 4), gesungen von Primadonna Elisabeth Cannabich, zwischen zwei langen Rezitativen eingefügt wurde. Die Largo-Arie „Ah se un verace amore” (RK 5) ersetzte die ursprüngliche schnelle Arie „Sono oppressa e sventurata”.27 Die Aufführung der Oper La sorpresa auf Piattolis Libretto ist nicht belegt, lediglich in späteren Aufzählungen in Wörterbucheinträgen.28 Beim Vergleich des musikalischen Incipits zur Oper 25 JÍLKOVÁ, Lucie. „a nad jejich činy a chováním bedlivé oko míti ...“: Dohled nad cizinci v lázních za neklidných let konce 18. století. Praha: 2010, Kap. 6.3.3.2. Diplomarbeit FF UK, Ústav dějin. Leiterin der Arbeit Daniela Tinková. 26 La Capricciosa coretta. [Praga]: Diesbach, 1796, S. 18, 19, 40. 27 MARTIN Y SOLER, Vicente und Lorenzo DA PONTE. La Capricciosa Coretta [online]. Londra: 1795, S. 207–208, 449–455. [Handschrift der Partitur]. In: IMSLP. (Abruf: 13.05.2019). 28 Zeitgenössischen Quellen zufolge wurde diese Oper in zwei Akten 1798 beim Karneval in Venedig aufgeführt. (Die Prager Aufführung der Oper La Sorpresa und die venezianische Aufführung der Oper La forza dell'amore werden von FÉTIS angeführt. Laut Jiří Mikuláš im Wörterbucheintrag „Rösler, Jan Joseph" im SD, ebenfalls um 1800 in Wien. 1802 wurde die Oper in deutscher Sprache unter dem Titel Therese und Claudio oder Allgewalt der Liebe in Leipzig aufgeführt. Stimmen zu der Ouvertüre, die im Archiv des Prager Konservatoriums aufbewahrt sind (Sig. 7007), legen nahe, dass die Oper 1797 in Prag aufgeführt wurde. Die Aufführung der Oper im Jahr 1797 wird auch durch einen Brief eines bestimmten Federico Lombardi Bianchi bestätigt, der am 29. Juni 1797 aus Dresden an Scipione Piattoli in Prag schrieb. Bianchi teilt © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 10 La sorpresa in Röslers Katalog mit den erhaltenen Stimmen zu der Ouvertüre der Oper La forza dell'amore von 1797, die sich im Archiv des Prager Konservatoriums befinden,29 stellte ich jedoch fest, dass es sich um die gleiche Oper handelt. (Dies erklärt, warum die Oper La forza dell'amore nicht in Röslers Katalog erscheint.) Die Oper wurde 1802 in Leipzig unter dem Titel Therese und Claudio oder Allgewalt der Liebe aufgeführt, wie das gedruckte Libretto auf Deutsch belegt.30 Die Allgemeine musikalische Zeitung veröffentlichte in 1798 eine Arie aus dieser „neuen Oper" mit einem kurzen Kommentar:31 „La forza dell’Amore o sia Tereza e Claudio, in zwei Akten, vom Herrn Musikdirektor, Rösslers in Prag. Wir halten es für Pflicht, das Publikum auf diesen Mann, der bis jetzt sich mehr zurückgezogen als bekannt gemacht hat, so viel bei uns steht, aufmerksam zu machen, da dies meine Arbeit, über welche man freilich aus dieser kleinen Arie noch nicht entscheiden kann, die wir aber, so wie mehrere Arbeiten des trefflichen Künstlers, in Manuscript gesehen haben – eine sichere Probe eines schönen Talents, eines schätzenswerten Fleißes, und eines richtigen Geschmacks ist. Wir behalten es uns vor, zu seiner Zeit mehr über dies treffliche Produkt zu sagen.“ Piattolis Name wird erst im Jahr 1800, d.h. nach seiner Freilassung in der Presse erwähnt. Er erscheint am Ende der kurzen Biografie Röslers, die in AmZ abgedruckt wurde:32 … hat sich durch seine italienische Oper, die er für das Karneval in Venedig 1798, und wozu der rühmlich bekannte Abbate Piat[t]oli ihm den Text ausarbeitete – in Italien seinen Namen gemacht. Piattoli mit, dass die Bezahlung für Röslers Oper bei Herrn Marcolini hinterlegt ist, und fügt seine Meinung zu dieser Oper hinzu. Röslers Musikstil soll Mozarts sehr ähnlich sein, aber er fügt hinzu, dass niemand daran zweifelt, dass das Talent dieses jungen Mannes Großes verspricht. Er ist überzeugt, dass Rösler mit Leichtigkeit komponiert und glaubt, dass seine Musik davon profitieren würde, wenn er seine musikalischen Ideen besser kristallisieren lassen würde. Grundsätzlich wurde Rösler jedoch angeblich zu Mozarts würdigem Schüler getauft. Herr Bianchi hofft, dass die Oper im Winter aufgeführt wird. (Polnische Akademie der Wissenschaften, Wissenschaftszentrum in Rom. Piattoli-Archiv. Inventar-Nr. AR PAN 329A [online]. http://piattoli-archive.eu/. Soweit man es aus den Texten von Arien und Chören ableiten kann, die in der deutschen Übersetzung erhalten geblieben sind, werden zwei Verlobte, Teresia und ein junger Geschäftsmann aus Florenz, Claudio, Opfer von Liebesintrigen. Lord Dorwil ist hoffnungslos in Teresia verliebt, und Claudio zögert zwischen seiner Liebe zu Teresa und Lauretta, der rücksichtslosen Tochter des Schlossverwalters. Die verworrene Handlung, in der die Hauptdarsteller Teresia, Claudia und Lord Dorwil unter den Zweifeln und Nöten der Liebe leiden, hellen die komischen Figuren des „Möchtegern Dichters" Scandarel und des „Möchtegern Philosophen" auf. Aber eine überraschende Lösung bringt Vergebung und Versöhnung. Harte Zeiten werden vergessen und Verlobte sind wieder zusammen, weil die Kraft der Liebe (forza del’amore) groß ist. 29 Archiv des Prager Konservatoriums (CZ-Pk). Sig. 7007. 30 Gesänge zu der Oper: Therese und Claudio oder: Allgewalt der Liebe in zwei Aufzügen: Nach dem Italiänischen und der Musik von Rösler frei bearbeitet. [Leipzig: Verleger unbekannt] 1802. [Deutsches Libretto]. 31 Arie „Gia sento con diletto“. AmZ, 1798, 1. Jg., No. 5. Kommentar zu der Beilage. 32 AmZ, 1800, 2 Jg., No. 29, Sp. 503.
11 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) Aus diesem Kommentar geht jedoch nicht hervor, ob der AmZ-Korrespondent die Oper La sorpresa bzw. La forza dell'amore ossia Teresia e Claudio oder die Oper La pastorella delle Alpi meinte, die ebenfalls im Jahr 1798 auf Piattolis Libretto komponiert wurde. 2.1.4 Pantomimen für den provisorischen Theaterbetrieb im Sommer 1796 Röslers Name wird in den Programmen bei keinen seiner Kompositionen, die im Jahr 1796 aufgeführt wurden, erwähnt. Zum ersten Mal erscheint Röslers Name in den Theaterprogrammen, wenn auch ziemlich lakonisch, im Zusammenhang mit den Pantomimen, die er für die provisorisch eingerichtete Bühne im Privathaus Zur eisernen Thüre komponierte. Dem Titel der Pantomime ist der Vermerk „röslerische Musik" zugefügt. Musik zu den Pantomimen ist nicht erhalten geblieben.33 Im Licht dieser Überlegungen wage ich zu sagen, dass, wenn wir uns nicht auf die resolute Behauptung von MB verlassen, dass Rösler bereits im Jahre 1795 bei Guardasoni angestellt gewesen sei, die Zusammenarbeit zwischen Rösler und Guardasoni spätestes ab 1796 nachweisbar ist. Wir können nur spekulieren, welche Art von Vertragsverhältnis zwischen Rösler und Guardasoni bestand und ob Rösler den bisherigen Kapellmeister Johann Kucharz / Jan Kuchař erst während dieses Jahres ersetzte oder ob im Jahre 1796 zwei Kapellmeister gleichzeitig für Guardasoni arbeiteten. Es ist auch möglich, dass der Verfasser des Jahrbuchs der Tonkunst für Wien und Prag einfach keine aktuellen Informationen hatte. Sicher ist jedoch, dass Rösler 1796 für Guardasoni arbeitete. 2.1.5 Das Jahr 1797 In diesem Jahr komponierte Rösler ausschließlich Vokalwerke mit Orchesterbegleitung. Die meisten sind für Guardasonis Opernproduktionen bestimmt, zwei davon für Feierlichkeiten im Nostitz-Theater, die vom Guardasoni-Ensemble aufgeführt wurden. Außerdem eine Arie − ausnahmsweise in deutscher Sprache −, die für ein Benefizkonzert zugunsten von Therese/Teresa Dolliani bestimmt war, einer festangestellten Sängerin des Guardasoni-Ensembles. In diesem Jahr haben selbst die größten 33 AeJ stellt in der Juni-Übersicht vom Prager Theaterprogramm fest: „Den 26. [Juni 1796] L’Incanto Superato, eine italiänische Oper mit Süßmayerischer Musik; und dazu eine Pantomime: der durch Zauberei glückliche Schiffbruch des Harlekins, mit Röslerischer Musik“. (AeJ, 1796, 7. Band, S. 208.) AeJ führt auch die Vorstellung am 3.7.1796 zusammen mit der Oper La Superba corretta, 17.7. zusammen mit der Oper La Capricciosa corretta und am 1.7. mit der Oper La molinara an. In der August-Übersicht erwähnt die AeJ auch die Aufführung der Pantomime zusammen mit der Oper Giacomo e Ninetta am 28.8.1796. (AeJ, 1796, 8. Band, S. 194–195; 9. Band, S. 209.) Juni-Übersicht des Prager Theaterprogramms in AeJ: „Den 24. [Juli 1796] La Molinara, eine italienische Oper mit Musik von Guglielmi [!]; dazu eine neue (seyn sollende) Pantomime, genannt: Die Geburt des Schneiders Wetz, wetz, wetz.“ (AeJ, 1796, 8. Band, S. 194.) Laut SD wurde die Pantomime auch um 1800 in Wien aufgeführt. © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 12 modernen Wörterbücher keinen Zweifel an Röslers Engagement für Guardasoni, vielleicht weil in diesem Jahr Röslers Name in Vertis Almanach erwähnt wird. Es ist jedoch überraschend, dass Rösler nicht einmal in der Theaterzeitschrift AeJ erwähnt wird, in der die meisten Aufführungen von Röslers Musik verzeichnet sind. Es ist verständlich, dass ein umfassender Überblick über die „vorzüglichsten deutschen Bühnen"34 nicht den Komponisten von nur einer oder zwei Arien in einer Oper auflisten kann (obwohl es die wichtigsten Arien der Aufführung waren), sondern nur den Hauptkomponisten des Werks erwähnt. Aber es ist bemerkenswert, dass AeJ Röslers Namen nicht nennt, zum Beispiel bei der Oper Psiche e amore (ursprünglich die deutsche Oper Psyche von Peter von Winter nach einem Libretto von Carl Friedrich Mühler), für die Rösler neun Musiknummern auf Defranceschis Texte komponierte. Verti führt jedoch Röslers Beitrag zu dieser Oper an. Auch der Rezensent einer späteren Leipziger Aufführung,35 wobei Röslers kompositorischer Beitrag einen viel kleineren Teil der gesamten Oper ausmachte, tut dies. Der Schriftsteller AeJ kommentiert die erste Prager Aufführung dieser Oper am 6. September 1797 wie folgt:36 „... zur gleichen feierlichen Absicht [Geburtsfest des Erzherzogs Karl] zum erstenmahle: Amore e Psiche, italienische tragisch-komische Oper, Musik vom Kapellmeister Wintera. Die Oper - mythologischen Inhalts - zeichnet sich durch eine kunstmässige Komposition (der zwar auch manche fremden Arien mit unterschoben sind), durch niedliche Dekorationen, ... und durch den meisterhaften Gesang von Signora Campi aus.“37 Die Oper Amore e Psiche (auch Psyche) ist in den meisten zeitgenössischen und früheren Wörterbüchern in der Aufzählung von Röslers Opern aufgeführt. Rösler ist eindeutig Mitautor, denn in seinem Katalog sind alle neun für diese Oper geschriebenen Vokalkompositionen unter dem Sammeltitel: Pezzi per la Psiché, d. h. [musikalische] Stücke für Psyche verzeichnet. Im Jahr 1797 komponierte Rösler auch seine eigene Oper La pace di Klentsch auf das Libretto von Defranceschi. Leider ist weder Musik noch Libretto dafür erhalten geblieben, aber Verti erwähnt sie in seinem Almanach. Es gibt keine Erwähnung in der AeJ. 34 V roce 1797 jsou zde uvedena divadla v Brně, Krakově, Lembergu, Linci, Praze a Vídni. 35 Kritika provedení opery La scelta dello Sposo od Guglielmiho v roce 1817 v Drážďanech. Rösler pro tuto operu napsal dvě árie, mezi nimi i RK 166. (AmZ, 1817, 19. Jg., No. 10, sl. 180). 36 AeJ, 1797, 9. Band, s. 209. 37 Viz Seznam osobností z Röslerova života, s. 16.
13 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) Überblick über Röslers Werk von 1797 RK 9 Stücke für Oper Psiché RK 9.1 Duett C-Dur „Su pargoletto amabile”, Libretto C. P. Defranceschi, Solistinnen Damen Codecasa und Dolliani RK 9.2 Kavatine A-Dur „Colle Grazie e cogli Amori”, Libretto C. P. Defranceschi, Solistin Frau Codecasa RK 9.3 Chor C-Dur „Ecco Amore il roseo strato”, Libretto C. P. Defranceschi RK 9.4 Chor c-Moll „O grande e tremendo”, Libretto C. P. Defranceschi RK 9.5 Chor c-Moll „Chi cinto ancora”, Libretto C. P. Defranceschi RK 9.6 Arie Es-Dur„ Dove andò la tua costanza”, Solistin Frau Dolliani RK 9.7 Arie C-Dur „Viva viva la nostra regina”, (Chor) RK 9.8 Arie G-Dur „Contro i malanni e quai”, Solist Herr Campi38 RK 10 Canzonetta G-Dur „Quanto rido di taluni” für die Oper Il principe d’Itaca, Libretto C. P. Defranceschi, Solistin Frau Codecasa RK 11 Kavatine G-Dur „Salvami salvami il caro amico” für die Oper Il Sacrifizio interrotto, Libretto C. P. Defranceschi, Solist Herr Zardi39 RK 12 Arie C-Dur „Non dobbiam crederle” für die Oper Tutto per amore, Libretto C. P. Defranceschi, Solist Herr Bassi RK 13 Chor C-Dur „Per voi s’avvezzi“ amore, Libretto P. Metastasio, für die Hochzeit des Grafen Clam,40 Solistinnen Damen Campi, Dolliani, Codecasa und Herren Campi, Can[n]obio, Zardi, Angrisani,41 Benedetti, aufgeführt im Nationaltheater RK 14 Oper La pace a Klentsch,42 Libretto C. P. Defranceschi RK 15 Deutsches Lied in B-Dur „Der Tag der mich zu euch geführet“, Libretto C. P. Defranceschi, Solistin Frau Dolliani, für das Benefizkonzert von Frau Dolliani RK 16 Chor C-Dur „Immagine sì bella“, Libretto C. P. Defranceschi, Solistinnen Damen Codecasa, Campi, Dolliani, Herren Can(n)obio, Campi, Angrisani, bei der Gelegenheit des Festes der Ankunft des Erzherzogs Karl in Prag, aufgeführt im Nationaltheater 38 Siehe Register von Persönlichkeiten …, S. 18. 39 Siehe Register von Persönlichkeiten …, S. 24. 40 Siehe Register von Persönlichkeiten …, S. 19. 41 Siehe Register von Persönlichkeiten …, S. 16. 42 Für die einaktige Oper La Pace di Klentsch für fünf Solisten nach einem Libretto von Carlo Prospero Defranceschi sind keine Noten erhalten geblieben. Wir wissen nur, dass sie 1798 von Guardasonis Operntruppe im Prager Theater aufgeführt wurde. (VERTI, 1286/109). © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 14 Übersicht von Verti (vom Frühjahr 1797 bis Ostern 1798) Prima Donna Seria Antonia Campi Prima Donna Buffa Giovanna Chatilon Codecasa Altre Cantanti Luigia Zardi, Giovanna Voitech Primi Mezzi Caratteri Luigi Benedetti, Vincenzo Zardi Primi Buffi Caricati Felice Angrisani, Valerio Voitiech Maestro al Cembalo e Compositore Gio. Giuseppe Rössler [!] Poeta Carlo Prospero de Franceschi Opera Buffa Italiana in Musica – Attori (alfabetico) Uomini Angrisani, Felice, Basso Bassi Luigi, Tenore Campi, Antonio [! Gaetano], Basso Canobio[s], Lorenzo, Basso Codecasa, Luigi, Tenore Zardi, Vincenzo, Tenore Donne Campi, Antonia Codecasa Chatilon, Giovanna Dolliani, Teresa Miceli, Caterina Vojtiech, Giovanna Zardi, Luigia Opere Serie e Buffe Nina pazza per Amore – Paisiello La farfarella nobile – Guglielmi La Molinara – Paisiello Il Marinario Seretto – Cimarosa Il trionfo del bel Sesso – Winter Il Disoluto punito – Mozart [!] Amore, e Psiche – Winter e Rössler Il Sacrifizio interrotto – Hoffmeister Palmira Regina di Persia –Salieri La Clemenza di Tito – Mozzart [!]
15 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) Tutto per Amore – Mussini [!] Pirro – Paesiello Nannerina e Pandolfino - Duttillieu La Pace a Klench – Rössler [!] Liste von Guardasonis Sängern, veröffentlicht im AeJ Sänger Herr Angrissani, Nebenrollen Herr Bassi, mezzo caratteri Herr Benedetti, zweiter Tenorist Herr Bertini, zweiter buffo Herr Cannobio, erster buffo Herr Sante Sala, erster Tenorist Herr Scaccia, Nebenrollen Sängerinnen D[emoise]lle. Cannabich, erste ernsthafte Rollen Dlle. Dolliani, zweite ernsthafte Rollen Mad. Lombardi Bianchi, zweite Rollen Dlle. Micelli, letzte Rollen Dlle. Strinasacchi, erste komische Rollen © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 16 REGISTER VON PERSÖNLICHKEITEN AUS RÖSLERS LEBEN ANGRISANI, FELICE (AUCH ANGRISSANI, ANGRESSANI, ANGRIZANI) (*1760) Italienischer Bassist.43 Seine Gesangskarriere begann in Italien, wo er von 1792 bis 1794 in mehreren italienischen Theatern auftrat.44 In den Jahren 1794–1807 war er am Wiener Hoftheater engagiert,45 in den Jahren 1797–1800 wird er auch als buffo Bass46 in der Guardasoni-Operngesellschaft in Prag angeführt. Zahlreiche Libretti zeugen davon, dass er während seiner späteren Wiener Karriere oft Italien besuchte, auch zusammen mit seinem Bruder, dem Bassisten Carlo Angrisani.47 BASSI, LUIGI (1766 Pesaro in Italien – 1825 Dresden) Bariton, späterer Regisseur. Luigi Bassi war eine der Hauptpersönlichkeiten von Guardasonis Operngesellschaft. Seit seiner Kindheit stand er auf der Bühne (er trat erstmals 1779 in Pesaro auf, dann in Ferrara, Rom, Bologna und Florenz). Bereits 1782 wurde er Mitglied der Prager italienischen Operngesellschaft und arbeitete hier (zunächst unter der Leitung von Bondini, dann von Guardasoni) bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1806. Er nahm auch an den saisonalen Engagements der gesamten Kompanie in Leipzig teil (1783–84, 1786, 1792–93) und wirkte von 1789 bis 1791 mit Guardasoni in Warschau. 1806 trat er in den Dienst von Fürst Joseph Franz Maximilian Lobkowitz, zog nach Wien und trat gelegentlich am Wiener Hoftheater auf. 1814 kehrte er nach Prag zurück und sang bisweilen am Ständetheater unter der Leitung von Carl Maria von Weber (1786–1826) weiter. 1815 übernahm er den Posten des Regisseurs der Italienischen Oper in Dresden, nahm aber auch an einigen Auftritten als Sänger teil. Er blieb auch später als Schauspieler im Theater aktiv. Luigi Bassis Spezialität waren komische Rollen, aber er war auch in ernsthaften Charakterrollen sehr erfolgreich, nicht nur aufgrund seines Gesangs- und Schauspieltalents, sondern auch wegen seines schönen Aussehens. Bassi war der Liebling des Publikums, und seine Natürlichkeit, sein raffinierter Geschmack und ausgezeichnete Nutzung seiner Stimme wurden von Kritikern gelobt. Sein exzellentes schauspielerisches Talent, insbesondere seine fesselnden Fähigkeiten als Komiker und Improvisator 43 Sein älterer Bruder Carlo Angrisani (ca. 1765 Reggio Emilia – 1826) war ebenfalls Bassist. Er trat von 1784 bis 1794 in verschiedenen italienischen Städten auf (SARTORI), von 1794 bis 1806 war er Mitglied der italienischen Hofoper in Wien. Nach seiner Rückkehr nach Italien trat er beispielsweise am Mailänder Scala-Theater oder in Verona und Vicenza auf. In der Saison 1816–1817 gab er sein Debüt am Royal Theatre in London. Von 1825 bis 1826 machte er eine Tournee durch Nordamerika und spielte in dortigen ersten Aufführungen von Don Giovanni und anderen Opern. 44 SARTORI belegt Rollen in Verona, Mestre, Turin, Florenz und Pavia. 45 Katalog der Portrait-Sammlung der k. u. k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater. Wien: A. W. Künast, 1892, 2. Abt., 4. Gruppe, S. 415. 46 Er wird als erster (1797, 1799) oder zweiter Bassist (1798) für komische-Rollen von Verti angeführt. (VERTI, 1286/108, 1335/118, 1388/111). TEUBER (S. 344) listet ihn 1799 als Bassisten für ernsthafte Rollen auf. Im Jahr 1800 erwähnte ihn AmZ nur allgemein in der Liste der Opernsänger (AmZ, 1800, 2. Jg., No. 31, S. 539). Es ist nicht genau klar, wann er nach Wien zurückkehrte, denn für 1801 und 1802 gibt es keine Aufzeichnungen über die Angestellten der Prager Oper. 47 Library of Congress. Albert Schatz Collection [online]. https://www.loc.gov/collections/albert-schatz/. (Abruf: 22.06.2018).
17 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) sowie seine gute Gesangstechnik sorgten dafür, dass er vom Publikum auch in einer Zeit, in der seine Stimme an Stärke und Farbe verlor, dauerhaft beliebt war. Bassi trat als erster Don Giovanni bei der Prager Uraufführung der Oper 1787 unter der Leitung Mozarts in die Weltgeschichte der Oper ein. Er spielte jedoch auch Graf Almaviva bei der Uraufführung von Figaros Hochzeit in Prag ein Jahr zuvor und trat auch als Leporello in der Oper Don Giovanni oder Guglielmo in Così fan tutte auf. Er wurde berühmt in der Rolle des Axur in Salieris gleichnamiger Oper oder in der Rolle des Königs Theodor in der Oper König Theodor zu Venedig von Giovanni Paisiello.48 CAMPI, ANTONIA (GEB. MIKLASZEWICÓWNA-LEONOWICZ) (1773 Lublin, Polen – 1822 München) Sopran. Einer der größten Stars der Prager italienischen Oper von Guardasoni. Sie trat dem Ensemble während Guardasonis Amtszeit in Warschau bei, wo sie bereits Hofsängerin des polnischen Königs war. 1791 zog sie mit Guardasonis Operngesellschaft nach Prag. Hier heiratete sie den Bassisten Gaetano Campi, ebenfalls ständiges Mitglied des Ensembles. Zuerst wechselte sie die Rolle der Primadonna mit der berühmten Margarethe Danzi ab, später wurde sie die erste Solistin des Ensembles für die Koloraturrolle der opera seria. 1801 wurde sie die führende Interpretin des Theaters an der Wien und ab 1804 der Wiener Hofoper. Außerdem wurde sie oft eingeladen, auf anderen Bühnen aufzutreten, und sie organisierte Konzerttourneen. Sie war eine hoch angesehene Darstellerin von Mozarts Figuren (Königin der Nacht in der Zauberflöte, Donna Anna in der Oper Don Giovanni, Fiordiligi in Così fan tutte). Ihre bewegliche Stimme von außergewöhnlichem Umfang und ihre brillante Technik stießen auf große Bewunderung. Trotz gelegentlicher Kritik an einer gewissen schauspielerischen Starrheit und übermäßiger Ornamentierung49 galt sie als eine der größten Sängerinnen ihrer Zeit. Ihr Name wurde im Jahr 1859 zusammen mit 21 bedeutenden Persönlichkeiten der damaligen Theaterkunst auf dem Vorhang des Neustädter Theaters in Prag eingetragen.50 48 SD, GROVE, TEUBER. 49 AmZ, 1800, 2. Jg., No. 31, Sp. 537–538. 50 SD, TEUBER. © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 18 CAMPI, GAETANO (1760 Meiland – 1826) Bassist, dessen Karriere ab 1782 durch eine Reihe von Opernlibretti aus italienischen Produktionen belegt ist.51 Er arbeitete von 1788 bis 1799 für die Operngesellschaft von Guardasoni. Seine Domäne waren die komischen Rollen alter Männer, Sonderlinge und Pedanten. Bei der Prager Uraufführung von Mozarts Oper La clemenza di Tito im Jahr 1791 sang er die Rolle des Publius. CANNABICH, AUGUSTA ELISABETH (AUCH CANABICH, VERHEIRATET DEWECHY) (1774 Mannheim – 1805) Sängerin und Pianistin. Tochter des berühmten Mannheimer Kapellmeisters Christian Cannabich, Schwester seines Nachfolgers auf dem Posten des Musikdirektors der königlichen Hofkapelle in München Carl Cannabich (1771−1806), jüngere Schwester der schönen Mozart-Studentin Rosa Cannabich (später verheiratet mit Schulz), der Mozart eine Klaviersonate gewidmet hat, Schwägerin der Sopranistin Josephine Cannabich geb. Woralek (1781–1830). 1793 erhielt sie vom bayerischen Kurfürsten Karl Theodor, als Hofsängerin am Münchner Hof, ein Stipendium für ein Studium in Italien. In Prag arbeitete sie 1796 und Anfang 1797 an der italienischen Oper von Guardasoni, aber vielleicht begann ihr Engagement hier früher. In Prag heiratete sie den Anwalt Jakob Dewechy.52 Im Jahr 1800 wurde sie in AmZ in der Liste der besten böhmischen Sängerinnen genannt, gleich nach der berühmten Sängerin Josepha Duschek / Josefína Dušková, und es wurde angegeben, dass sie auch meisterhaft Klavier spielte.53 Elisabeth Cannabich wird oft mit ihrer Schwester Rosa oder Schwägerin Josepha verwechselt.54 Alle drei waren Sängerinnen und Pianistinnen. Rösler meint zweifellos Elisabeth Cannabich in seinem Katalog. (1796 wird ihr vollständiger Name von Verti55 angegeben, in AeJ56 wird sie als Demoiselle Can(n)abich oder Dlle. Elise Can(n)abich erwähnt.) Josepha heiratete erst 1798; zu der Zeit, als Rösler seine Arien für die Sängerin Cannabich schrieb, hieß Josepha noch Woralek. 51 SARTORI. 52 Beck, Rudolf L. Geschichte Und Genealogie Der Hofmusikerfamilie Cannabich 1707-1806 [online]. Archiv für Musikwissenschaft, Vol. 34, No. 4, 1977, S. 298–309. In JSTOR: www.jstor.org/stable/930662. (Abruf: 30.06.2019). 53 „Sie ist zwar keine Böhmin von Geburt, aber, da sie hier in der Oper so allgemein gefallen hat, und nun die Gattin eines Böhmen ist, so darf sie Böhmen immer sein nennen.“ Über den Zustand der Musik in Böhmen. AmZ, 1800, 2. Jg., No. 30, Sp. 513. 54 Josephine Ca(n)nabich, auch Josepha, geb. Woralek (1781 Brün − 1830 Altdorf bei Nürnberg) war Sopranistin, Pianistin und Schauspielerin. 1798 heiratete sie den Direktor der königlichen Hofkapelle in München Carl Cannabich (1771−1806, Sohn des berühmten Mannheimer Kapellmeisters Christian Cannabich) und 1800−1817 arbeitete sie als Opern- und Konzertsängerin in München. 1807 verließ sie das Theater aus gesundheitlichen Gründen und kehrte 1810 als Schauspielerin dorthin zurück. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete sie den Grafen Isenburg-Birstein. „Cannabich, Josepha“. In: Weber-Gesamtausgabe [online]. http://weber-gesamtausgabe.de/A000261. (Abruf: 30.05.2018). 55 VERTI, 1240/80. 56 In der Märzübersicht der Aufführungen im Nostitz-Theater wurde eine Benefizvorstellung für Demoiselle Elise Cannabich am 17. März aufgeführt. (AeJ, 1797, 5. Band, S. 201.)
19 HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) CARAVOGLIA-SANDRINI, (MARIA) LUIGIA (1782 oder 1781 – 1869 Dresden) Die Sopranistin und spätere Professorin für Gesang am Prager Konservatorium war der Liebling des Prager Publikums. Sie war die Tochter der international bekannten Sängerin Maria Eleonora Balconi- Caravoglia (1760–1821). Sie sang schon als Kind öffentlich und als sie 1802 Guardasonis Ensemble beitrat, hatte sie schon viele Erfahrungen von den norditalienischen Bühnen hinter sich. In Prag heiratete sie den Oboenvirtuosen Paolo Sandrini. Als die italienische Oper nach Guardasonis Tod 1807 aufgelöst wurde, wurde sie Mitglied der Deutschen Oper im Ständetheater. 1808 gelangte sie an die Dresdner Hofoper, wo sie viele Jahre unter der Leitung von Kapellmeister Morlacchi arbeitete. Sie trat auch oft im Konzert auf und besuchte später mehrmals Prag. 1832 kehrte sie nach Prag zurück und unterrichtete dort am Konservatorium bis 1835. Die Begeisterung des Publikums und der Kritiker wurde durch ihre reine Intonation, die außergewöhnliche Bravour, mit der sie die Koloraturen sang, und ihr dramatisches Talent hervorgerufen. Obwohl sie hinkte, wurde dieses Handicap nie als Mangel erwähnt, der ihre Bühnenauftritte weniger fesselnd gemacht hätte. Zu ihren berühmten Rollen gehörten Susanna in Figaros Hochzeit, Julia in Spontinis Le Vestale und Didone in C. G. Reissigers Oper Didone abbandonata, die sie 1824 unter der Leitung von C. M. von Weber sang. Ferdinando Paër schrieb für sie die Rolle der Sofia in der Oper Sargino (1804).57 CLAM-GALLAS, CHRISTIAN CHRISTOPH (1771 Prag – 1838 Prag) Böhmischer Adliger, Kunstmäzen, Oberster Marschall des Böhmischen Königreichs, Vorsitzender der Gesellschaft der Kirchenfreunde für Kirchenmusik in Böhmen und Mitbegründer des Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Böhmen. Graf Clam-Gallas war vielseitig künstlerisch begabt, unter anderem spielte er ausgezeichnet Klavier. 1797 heiratete er die Gräfin Josephine Clary-Aldringen, ebenfalls eine ausgezeichnete Pianistin und Sängerin. In ihrem Prager Palast hatten sie ein privates Theater, wo Oper und Schauspiel aufgeführt wurden. Hier fanden oft auch Musikgesellschaften, Akademien und Konzerte statt. Von 1812 bis 1827 wurden hier wohltätige Aufführungen zugunsten des Krankeninstitutes der barmherzigen Brüder und der Nonnen vom Orden der heiligen Elisabeth veranstaltet. Die Hauptorganisatoren waren Gräfin Schlick, Graf Friedrich Clam-Gallas (Graf Christians Bruder) und Gräfin Josephine Clam-Gallas (Gattin des Grafen Christian). Bei den Produktionen halfen auch professionelle Künstler, darunter der berühmte Regisseur des Ständetheaters Carl Liebich, Nachfolger von Domenico Guardasoni. Die Schauspieler und Interpreten gehörten oft zu den Hochadelskreisen, wie beispielweise die hervorragende Sopranistin Marie Aloisie oder Louise Auersperg (geb. Clam-Gallas, Schwester des Grafen Christian). Alle Kosten wurden von Graf Clam- Gallas getragen. 57 Vgl. JONÁŠOVÁ, Milada und Jitka LUDVOVÁ. „Caravoglia, Maria Luigia“. In: Hudební divadlo v českých zemích. Osobnosti 19. století, J. Ludvová, Hrsg., Praha: Divadelní ústav – Academia, 2006, S. 91–92. © MgA. Alena Hönigová 2020 https://www.alenahonigova.com
HÖNIGOVÁ, Alena: Johann Joseph Rösler (1771–1812) 20 Die Familie Clam-Gallas veranstaltete auch Konzerte und Theateraufführungen auf ihren angestammten Gütern in Bad Liebwerda (Libverda), Reichenberg (Liberec) und Friedland (Frýdlant).58 CODECASA, CHATILLON, GIOVANNA (AUCH CHATIGLION) (Sie trat 1790–1815 auf.) Sopran. Nach dem Abgang von Teresa Strinasacchi im Juli 1797 wurde sie zur Primadonna im komischen Genre von Guardasonis Operngesellschaft.59 Seit 1790 belegen gedruckte Libretti aus Korfu, Monza, Bergamo, Sanpierdarena, Mailand, Verona, Mestre, Neapel (1792–1796) und Florenz ihre reiche Karriere. Nach ihrem Engagement in Prag trat sie erneut in Italien auf (Mailand, Venedig, Triest, Modena).60 DEFRANCESCHI, CARLO PROSPERO (schaffte ca. 1796–1800) Über Defranceschis Leben ist sehr wenig bekannt. In Prag arbeitete er mit Guardasoni an der Übersetzung und Bearbeitung mehrerer deutscher Opern ins Italienische. Laut der Titelseite seines Librettos zur Oper Il principe d'Itaca61 von 1797 (eine Bearbeitung des Librettos Der Königssohn aus Ithaka von Schikaneder, das 1795 in Wien mit der Musik von Franz Anton Hoffmeister aufgeführt wurde) war er Jurastudent und hatte für Guardasoni bereits die Opern Amor e Psiche (von dem Komponisten Peter von Winter und dem Librettisten Carl Friedrich Müchler) und Il sacrifizio interrotto (Das unterbrochene Opferfest, Musik von Peter von Winter, Libretto von Franz Xaver Huber) bearbeitet. Verti gibt ihn als Theaterdichter der Prager Guardasoni-Operngesellschaft im Jahr 1797 an. 1798 ging er nach Wien,62 wo er mit Ferdinand Paër (Il morto vivo, 1799) und Antonio Salieri zusammenarbeitete. Für Salieri schrieb er Libretti für die Opern Falstaff, ossia Le tre burle (nach der Komödie Die lustigen Weiber von Windsor von Shakespeare, Uraufführung 1799 in Wien), Angiolina (nach Epicoena von Johnson, Wien 1800) und Cesare in Farmacusa (nach Plutarch, Wien 1800).63 58 Vgl. SVOBODA, Milan und Koll. Kristián Kryštof hrabě Clam-Gallas: Stručná biografie. Liberec: Technická univerzita v Liberci, 2012. 59 Sie debütierte in Prag in Paisiellos Oper Nina, la pazza per Amore zusammen mit dem Tenor Vincenzo Zardi am 5. Juli 1797. (AeJ, 1797, 8. Band, S. 206.) In 1797–1798 als prima donna buffa der Prager Guardasoni-Operngesellschaft bei VERTI angeführt. (VERTI, 1286/108, 1335/117). 60 SARTORI. Eine Reihe von Libretti auch online. In: Library of Congress. Albert Schatz Collection. https://www.loc.gov/search/?fa=contributor:codecasa,+giovanna/. (Abruf: 24.06.2019). 61 Il principe d’ Itaca. Praga: Diesbach, 1797. 62 Defranceschis Briefe vom Januar, Juni und Juli 1798 an Baron de Puteani und Piattoli. Polnische Akademie der Wissenschaften, Wissenschaftszentrum in Rom. Piattoli Archiv. Inventar-Nr. AR PAN 330A, 330B, 330C [online]. http://piattoli-archive.eu). (Abruf: 24.06.2019). 63 BAUMAN, Thomas. „Defranceschi, Carlo Prospero“. In: GROVE. https://www.oxfordmusiconline.com/grovemusic/view/10.1093/gmo/9781561592630.001.0001/omo-9781561592630- e-5000005167. (Abruf: 24.06.2019).
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