Journal of Health Monitoring - Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland - Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie - RKI
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NOVEMBER 2020 GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG DES BUNDES 10 SPECIAL ISSUE GEMEINSAM GETRAGEN VON RKI UND DESTATIS Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie 1
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Journal of Health Monitoring · 2020 5(S10) DOI 10.25646/7167 Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Robert Koch-Institut, Berlin Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie Christa Scheidt-Nave, Benjamin Barnes, Ann-Kristin Beyer, Markus A. Busch, Abstract Ulfert Hapke, Christin Heidemann, Die medizinische Versorgung wird durch die COVID-19-Pandemie vor große Herausforderungen gestellt. Das vorliegende Maren Imhoff, Rebekka Mumm, Scoping Review trägt Hinweise auf bisherige Veränderungen der Versorgungsangebote und der Inanspruchnahme sowie Rebecca Paprott, Henriette Steppuhn, Petra von Berenberg-Gossler, Klaus Kraywinkel mögliche gesundheitliche Folgen für ausgewählte Gruppen chronisch kranker Menschen in Deutschland zusammen. Der Fokus liegt auf Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und psychischen Störungen. Robert Koch-Institut, Berlin Empirische Daten liegen überwiegend für den stationären Bereich vor und zeigen einen deutlichen Rückgang stationärer Abteilung für Epidemiologie und Gesundheits- Behandlungen im März/April 2020 im Bereich der Onkologie und der Kardiologie sowie bei psychischen Störungen. Für monitoring kardiovaskuläre Notfälle wie Herzinfarkt und Schlaganfall wurde ein Rückgang vor allem bei leichteren Fällen beobachtet. Bislang liegen einige Hinweise auf verzögerte Inanspruchnahme, jedoch keine Hinweise auf Beeinträchtigung der Eingereicht: 03.08.2020 Akzeptiert: 02.11.2020 Notfallversorgung durch Anpassung stationärer Versorgungskapazitäten vor. Im ambulanten Bereich kam es für alle Veröffentlicht: 11.11.2020 betrachteten Krankheitsgruppen zu umfassenden Anpassungen der Versorgungsangebote. Die empirische Datenlage ist insgesamt noch sehr begrenzt. Insbesondere liegen kaum Daten zu gesundheitlichen Auswirkungen durch Veränderungen in der Versorgung vor. Es besteht dringender Bedarf für kontinuierliche Begleit- und Evaluationsforschung auf der Basis von Versorgungsdaten und epidemiologischer Daten. CHRONISCHE KRANKHEIT · VERSORGUNG · INANSPRUCHNAHME · GESUNDHEITSFOLGEN · COVID-19-PANDEMIE · DEUTSCHLAND 1. Einleitung Versorgung. So erfolgte ein Ausbau der stationären, vor allem der intensivmedizinischen Behandlungskapazitä- Ab Mitte März 2020 wurden in Deutschland und anderen ten für Patientinnen und Patienten mit COVID-19, ver- Ländern nichtpharmazeutische Interventionsmaßnah- bunden mit der Aufforderung, elektive (aufschiebbare) men (NPI) ergriffen, um die Ausbreitung von Infektionen Operationen an allen Kliniken bis auf Weiteres zu ver- mit SARS-CoV-2 einzudämmen und Überlastungen des schieben [2]. Gesundheitssystems zu vermeiden. Hierzu zählten zum Ergebnisse internationaler Studien weisen darauf hin, einen Maßnahmen zur Reduzierung physischer Kontakte dass die Behandlungszahlen von Menschen mit häufigen und Empfehlungen zum Abstandhalten [1]. Zum anderen nichtübertragbaren Krankheiten in vielen Ländern während gab es Anpassungen in allen Bereichen der medizinischen der COVID-19-Pandemie zumindest vorübergehend Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 2
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS zurückgegangen sind. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. und Wohlbefinden chronisch kranker Menschen hierdurch Einschränkungen der Versorgungsangebote scheinen beeinträchtigt wurden? Auf der Grundlage dieser Bestands- ebenso eine Rolle zu spielen wie eine verminderte Inan- aufnahme soll herausgearbeitet werden, in welchen Berei- spruchnahme durch die Patientinnen und Patienten [3–8]. chen offensichtliche Evidenzlücken bestehen und sich neue Eine jüngste Befragung der Weltgesundheitsorganisation Fragen eröffnen, die eine fortgesetzte und vertiefte Bear- (WHO) von Gesundheitsministerien in 160 Ländern [9] beitung verlangen. macht deutlich, dass Ausmaß und Dauer der Versorgungs- einbrüche in hohem Maße von der Art der Erkrankung, vom 2. Methode Ausmaß des regionalen SARS-CoV-2-Infektionsgeschehens sowie von vorbestehenden Unterschieden in der Versor- Die vorliegende Übersichtsarbeit orientiert sich an den gungs- und Anpassungskapazität der Gesundheitssysteme Zielstellungen und der methodischen Vorgehensweise bestimmt werden. eines „Scoping Reviews“ nach Arksey und O‘Malley [14]. Der vorliegende Beitrag nimmt eine Bestandsaufnahme Diese Form der systematischen Übersichtsarbeit findet zu Veränderungen der Versorgungssituation für Patientin- Verwendung, um einen Überblick zum Wissensstand in nen und Patienten mit ausgewählten nichtübertragbaren komplexen Themenbereichen zu erhalten. Nach Formulie- Krankheiten im Zeitraum zwischen Anfang März und Mitte rung der Fragestellung wird eine systematische Literatur- Juni 2020 in Deutschland vor. Dabei wurde der Fokus auf recherche durchgeführt und eine tabellarische Darstellung Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabe- und Beschreibung der identifizierten Studienarten, zentra- tes mellitus und psychische Störungen gelegt. Alle diese len Konzepte und Ergebnisse erstellt. Erkrankungen erfordern eine kontinuierliche und qualitäts- gesicherte Versorgung, teilweise im Rahmen von struktu- 2.1 Recherchequellen rierten Behandlungsprogrammen (Disease-Manage- ment-Programmen, DMP). Zudem zeigen Studiendaten, Für die Identifizierung relevanter Literatur wurde nach Pub- dass bei Menschen mit Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkran- likationen mit Peer Review (wissenschaftlicher Begutach- kungen und einigen Krebserkrankungen das Risiko für tung) in den Literaturdatenbanken PubMed sowie einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung erhöht „COVID-19_MAP“ gesucht. Um Kommentare involvierter sein kann [10–13]. Folgende Fragen sollten beantwortet Akteure, Graue Literatur (nicht verlagsgebundene Veröf- werden: (1) Wie haben sich Angebot und Inanspruchnahme fentlichungen) und Meinungen von Expertinnen und Exper- von Versorgungsleistungen für diese Gruppen chronisch ten einzubeziehen [15, 16], wurde eine zusätzliche Stich- kranker Menschen in Deutschland nach Einführung von wortsuche in Google und Google Scholar und auf NPI zur Eindämmung von Infektionen mit SARS-CoV-2 Webseiten ausgewählter Organisationen durchgeführt geändert? (2) Gibt es Hinweise darauf, dass Gesundheit sowie Quellenverweise in Literaturlisten berücksichtigt. Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 3
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS 2.2 Suchstrategie Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus oder psy- Die Suche umfasste den Zeitraum 01.03. bis 19.06.2020 bezie- chischen Störungen in Deutschland. Ausgeschlossen wur- hungsweise für Google Scholar ab 2020 und fokussierte auf den Beiträge, die sich ausschließlich auf Krebsfrüherken- Beiträge zu Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nungsuntersuchungen oder auf Personen in ambulanter Diabetes mellitus und psychischen Störungen. Für alle vier häuslicher Pflege oder stationärer Langzeitpflege bezogen. betrachteten Themenbereiche wurde die elektronische Litera- turdatenbank PubMed jeweils systematisch mit vier verschie- 2.4 Datenaufbereitung und Ergebnisdarstellung denen Suchabfragen in englischer Sprache durchsucht (die genutzten Suchstrings sind auf Anfrage bei der korrespondie- Eingeschlossene Beiträge wurden nach Krankheitsberei- renden Autorin erhältlich). Um die größtmögliche Kongruenz chen stratifiziert gesichtet und wesentliche Informationen bei der themenspezifischen Suche zu gewährleisten, enthiel- anhand einer vorgegebenen Matrix extrahiert und tabella- ten alle Suchabfragen einen Kern von kombinierten Suchbe- risch festgehalten. Dokumentiert wurden neben der exak- griffen zu SARS-CoV-2 und COVID-19. Dieser Kern wurde mit ten Quellenangabe, verantwortliche Akteure beziehungs- weiteren Kombinationen von Suchbegriffen verknüpft, die für weise Institutionen, wesentliche Inhalte und Ergebnisse die jeweiligen Krankheitsgruppen spezifisch waren. Einfache- des Beitrages sowie der Publikationstyp, wobei zwischen re Kombinationen von Suchbegriffen wurden für die zusätz- empirischen Studien mit eigener Datengrundlage und liche Recherche in Google und Google Scholar verwendet nichtempirischen Studien (zum Beispiel Diskussionsbei- beziehungsweise bei der Recherche auf den Webseiten rele- träge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen) vanter Fachgesellschaften, Berufsverbände und Patientenor- unterschieden wurde. Alle Ergebnisse der Literaturrecher- ganisationen berücksichtigt. Die Literaturrecherchen wurden chen wurden unter Zuordnung zu den eingangs formulier- nach Krankheitsgruppen stratifiziert von jeweils mindestens ten Fragestellungen (Veränderungen in Versorgungsange- einer Person durchgeführt. An der Sichtung und Auswahl der bot und Inanspruchnahme, Auswirkungen auf Gesundheit Literatur waren für jede Krankheitsgruppe jeweils mindestens und Wohlbefinden) in zwei Tabellen zusammengeführt zwei Mitglieder des Autorenteams beteiligt. Im Falle inkonsis- (Tabelle 1 und Tabelle 2). tenter Ergebnisse wurden Abweichungen diskutiert und ein Konsens zwischen den beteiligten Personen erreicht. 3. Ergebnisse 2.3 Einschluss- und Ausschlusskriterien In die vorliegende Bestandsaufnahme gingen insgesamt 62 Publikationen ein, die sich nach Anzahl und Art der Einbezogen wurden alle deutsch- und englischsprachigen Beiträge sehr unterschiedlich auf die Fragestellungen und Beiträge mit Bezug zur gesundheitlichen Versorgung von die Krankheitsbereiche verteilen (Tabelle 1 und Tabelle 2). Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 4
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Insgesamt 40 Publikationen wurden ausschließlich über Rahmenbedingungen, etwa Abrechnungsmodalitäten, die zusätzliche internetbasierte Recherche identifiziert. Die andererseits Empfehlungen von Fachgesellschaften. übrigen 22 Beiträge (darunter alle Beiträge zu Krebserkran- In der Onkologie wurde die Dringlichkeit chirurgischer kungen, 7 von 24 Beiträgen zu Herz-Kreislauf-Erkrankun- Behandlungen von Krebserkrankungen in Leitlinien priori- gen, 2 von 18 zu Diabetes mellitus, 2 von 9 zu psychischen siert (Tabelle 1), um auch bei intensivmedizinischer Res- Störungen) wurden über PubMed gefunden. Ein weiterer, sourcenknappheit notwendige Eingriffe zeitnah zu ermög- kurz nach Ende des Recherchezeitraums erschienener lichen [19, 20]. Um Patientenströme in der Versorgung zu Beitrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) trennen und das Infektionsrisiko für die Betroffenen zu wurde mit aufgenommen, da eine Vorabveröffentlichung senken, sollte gegebenenfalls eine Behandlung in spezia- erster Ergebnisse dieser Analyse noch in diesen Zeitraum lisierten onkologischen Einrichtungen erfolgen [20, 21]. fiel [17, 18]. Außerdem wurde empfohlen, Therapieabläufe abhängig von der individuellen Situation zu modifizieren. Beispiels- 3.1 Veränderungen des Versorgungsangebots weise wurde vorgeschlagen, bei Chemotherapien auf weni- ger toxische Medikamente zurückzugreifen und, wenn In allen betrachteten Krankheitsgruppen kam es zu umfas- möglich, auf Infusionen zu verzichten und auf die Verab- senden Anpassungen des Versorgungsangebots (Tabelle 1). reichung in Tablettenform auszuweichen [20]. Im Bereich Zu unterscheiden sind einerseits Veränderungen von der Strahlentherapie wurde diskutiert, die erforderliche Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse tionstyp* u. Quelle Krebserkrankungen 1 [69] International Society of Geriatric Oncology (beteiligte Anpassungen der Versorgung älterer Menschen mit Krebs in zehn Ländern Einrichtung in Deutschland: Universitätsklinikum Hei- einschließlich Deutschland, u. a.: verstärktes Angebot von Telemedizin, delberg) Aufschub chirurgischer Eingriffe, Infektionsmonitoring, Zutrittsbeschrän- kungen für Begleit- und Besuchspersonen an Versorgungseinrichtungen 1 [91] Nuklearmedizinische Einrichtungen international Empfehlungen und bisherige Erfahrungen mit der Versorgungsanpas- (beteiligte Einrichtungen in Deutschland: Albert-Lud- sung in strahlenmedizinischen Einrichtungen, u. a. Arbeitsorganisation Tabelle 1 wigs-Universität Freiburg, Ludwig-Maximilians-Univer (getrennte Versorgungsteams), Infektionsmonitoring (symptomatisches Publikationen zu Veränderungen im sität München, Universitätsklinikum Essen) Screening), Priorisierung von Patientinnen und Patienten mit progressi- ver Erkrankung, Aussetzen elektiver Studien und Behandlungen Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke 1 [92] Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizini- Hinweis auf die besondere Situation von Krebspatientinnen und -patien- in Deutschland sche Onkologie (DGHO) ten, Empfehlungen u. a. zur Sicherstellung der Versorgung, Infektions- (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) monitoring, Trennung von Patientenströmen a) Veränderungen der Versorgungsangebote * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen Quelle: Eigene Darstellung 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 5
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle in Deutschland Krebserkrankungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 1 [20] Europäischer Klinikverbund Cancer Core Europe (CCE) Erfahrungen von beteiligten Einrichtungen mit der Pandemiesituation (beteiligte Einrichtungen in Deutschland: Deutsches und Empfehlungen zur Anpassung der Versorgung in den Zentren des a) Veränderungen der Versorgungsangebote Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), europäischen Klinikverbunds Cancer Core Europe, u. a. Arbeitsorganisa- Quelle: Eigene Darstellung Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Nationales tion, Krankheitsmanagement, Patientenberatung, Forschung Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)) 2 [51] Nuklearmedizinische Einrichtungen in Deutschland, Umfrage in den Einrichtungen zu den veränderten Versorgungsbedin- Österreich und der Schweiz (beteiligte Einrichtungen in gungen und zu angepassten Versorgungsangeboten/-abläufen in der Deutschland: Universitätsklinikum Essen, Zentrum für Nuklearmedizin, u. a. Arbeitsorganisation, Diagnostik, Therapie Radiologie und Nuklearmedizin Rheinland) 2 [23] European Breast Cancer Research Association of Surgi- Umfrage in Brustkrebszentren weltweit, darunter mehr als 30 Einrich- cal Trialists (EUBREAST) (beteiligte Einrichtungen in tungen in Deutschland, zu Auswirkungen auf die Versorgung und Deutschland: Charité – Universitätsmedizin Berlin; Anpassungen des Krankheitsmanagements, u. a. PCR-Screening vor Auf- Brustzentrum Esslingen (BZE)) nahme, Verkürzung von Strahlen- und systemischer Therapie, Aufschub von Operationen; deutliche Verlängerung des Zeitraums zwischen Diag- nosestellung und Therapiebeginn 1 [19] Thoracic Surgery Outcomes Research Network (ThORN) Empfehlungen zur Priorisierung von Eingriffen (beteiligte Einrichtung in Deutschland: Universität zu Köln) 1 [22] Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) Mün- Empfehlungen für die Radioonkologie, u. a. zu Arbeitsorganisation, chen, Technische Universität (TU) München, Institut für Infektionsmonitoring und Hygiene Strahlenmedizin (IRM) Neuherberg, Deutsches Konsor- tium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Univer- sitätsklinikum Freiburg, Universiätsklinikum Zürich, Medizinische Universiät Innsbruck 1 [48] Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) Erfahrungen zu veränderten Versorgungsbedingungen und Anpassun- gen der Versorgung seit Pandemiebeginn im UKE, u. a. aus den Berei- chen ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, klinische For- schung, Priorisierung von Behandlungen 1 [21] Martini-Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppen- Erfahrungen eines Prostatakrebszentrums zu Anpassungen der Versor- dorf (UKE) gung seit Pandemiebeginn, u. a. Belegung von Intensivbetten, Screening von Patientinnen und Patienten vor operativen Eingriffen * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten PCR = Polymerase-Kettenreaktion Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 6
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle in Deutschland Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 1 [47] Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) Empfehlung zur Reduktion physischer Patientenkontakte, Anpassung der Organisation im Rezeptionsbereich, Etablierung von Telefon- und a) Veränderungen der Versorgungsangebote Videosprechstunden, Entlastung von Versorgungsketten und Kliniken Quelle: Eigene Darstellung 1 [46] Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreis- Empfehlung zur Limitierung direkter Patientenkontakte mit Hilfe von laufforschung e. V. (DGK) Telemedizin bzw. Beschränkung auf jene Patientinnen und Patienten, die wirklich vor Ort gesehen werden müssen 1 [45] Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e. V. Informationen zu Möglichkeiten telemedizinischer Versorgung, kosten- (BNK) freie Nutzung bestimmter zertifizierter Video-Dienstanbieter im April/ Mai 2020 1 [24, 28] Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN) Aufruf zur Aufrechterhaltung der evidenzbasierten Versorgung von Pati- entinnen und Patienten mit zerebrovaskulären Erkrankungen einschließ- lich der leitliniengerechten Sekundärprävention und neurologischen Rehabilitation, Bericht über teilweise vorübergehende Umwandlung von Betten in Stroke Units in Beatmungsbetten, Schlaganfallversorgung fin- de in deutschen Krankenhäusern jedoch ohne Einschränkungen statt 2 [25] Universität Duisburg-Essen, Universitätsklinikum Hei- Umfrage in den CPUs mit dem Ergebnis, dass 97 % der CPUs durch delberg, Universitätsmedizin der Johannes Guten- Bundes- und Landes-Pandemiepläne hinsichtlich struktureller Umvertei- berg-Universität Mainz , 261 zertifizierte Chest Pain lung sowie Modifizierung in der Bettenkapazität betroffen waren; Uni- Units (CPUs) in Deutschland versitätskliniken-Kliniken (+ 4 %) erhöhten, Lehrkrankenhäuser (- 3 %) und andere Krankhausträger (- 9 %) reduzierten CPU-Bettenzahl 1 [27] Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreis- Aufruf lebensbedrohliche Herzerkrankungen nicht zu ignorieren – Not- laufforschung e. V. (DGK) fallversorgung sei gewährleistet 1 [31] Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreis- Einschätzung, dass Notfallversorgung von Patientinnen und Patienten laufforschung e. V. (DGK) akuter Herzerkrankungen aufrechterhalten wurde 1 [26] Alfried Krupp Krankenhaus Essen, Heinrich-Heine-Uni- Einschätzung, dass keine grundlegende Umstrukturierung der notfall- versität Düsseldorf, Ruhr-Universität Bochum medizinischen und akutdiagnostischen Schlaganfallversorgung (ein- schließlich zertifizierter Stroke Units) erfolgte, wenige Schließungen von Stroke Units aufgrund lokaler Ausbrüche stattfanden, rehabilitative Versorgung aufrechterhalten wurde 1 [93] Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) Informationen über Umstellung des Verfahrens zur Anschlussrehabilita- tion auf ein Verfahren der Direkteinweisung durch die Krankenhäuser * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 7
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 1 [30] Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) Bericht darüber, dass Invasivuntersuchungen und -prozeduren (bspw. Herzkatheter, Stentimplantationen) teilweise erst nach Wartezeit von zwei a) Veränderungen der Versorgungsangebote bis drei Wochen durchgeführt oder dann extrem kurzfristig (am selben Tag) Quelle: Eigene Darstellung angesetzt wurden, Patientinnen und Patienten wurden aufgrund der Aus- lastung in weiter entfernten Kliniken behandelt, niedergelassene Kardiolo- gen übernahmen vermehrt die ambulante Versorgung von Patientinnen und Patienten, die eigentlich stationär überwacht werden müssten Diabetes mellitus 1 [37, 49] Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) Empfehlungen zum Aussetzen von verpflichtenden Patientenschulun- gen und ärztlichen Untersuchungen im Rahmen der Disesase-Manage- ment-Programme (zeitlich befristete Sonderregelung) 1 [38] Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Diabetologische Beschreibung einer Beschränkung der Routineversorgung auf ein not- Schwerpunktpraxis (Expertenbeitrag) wendiges Minimum, um Kapazitäten für COVID-19-Patientinnen und -Patienten ausbauen zu können; Ersatz von Gruppenschulungen für Kinder mit Diabetes und deren Familien im direkten Kontakt durch virtuelle interaktive Schulungen; Ein- zelschulungen und Einzelkonsultationen im direkten Kontakt weiterhin möglich unter Einhaltung der Hygienevorschriften; Einführung bzw. Ausweitung telemedizinischer Versorgung mit Videokonsultation für Kinder mit Diabetes und deren Familien; gelockerte Beschränkungen für eine bestimmte Anzahl an abrechenbaren Sessions pro Patientin/Pati- ent bzw. für bestimmte Patientengruppen 1 [39] Diabetologische Schwerpunktpraxis (Expertenbeitrag) Diskussion von Perspektiven und Chancen der Einführung bzw. Auswei- tung telemedizinischer Angebote für Erwachsene mit Diabetes 1 [40] Zwei universitäre Fachabteilungen für pädiatrische Dia- Diskussion von Perspektiven und Chancen der Einführung bzw. Auswei- betologie, Universität Hannover und Universität Lissa- tung telemedizinischer Angebote für Kinder mit Diabetes und deren bon (Expertenbeitrag) Familien 1 [32] Deutsche Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG) Beschreibung einer Beschränkung in der Routineversorgung auf ein notwen- diges Minimum, um Kapazitäten für COVID-19-Patientinnen und -Patienten ausbauen zu können, sowie einem Aussetzen von persönlichen Gruppen- schulungen für Personen mit Diabetes; Erläuterung von Möglichkeiten und notwendigen Rahmenbedingungen für telemedizinische Angebote 1 [33] Deutsche Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG) Mitteilung der Fachgesellschaft zu Auswirkungen auf die stationären Versorgungsstrukturen in der Diabetologie, Verschiebung der verfügba- ren Kapazitäten bis hin zu Schließungen von Diabetesabteilungen in Kli- niken zugunsten der Versorgung von COVID-19-Betroffenen * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 8
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle in Deutschland Diabetes mellitus (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 1 [42] Praxis für Allgemeinmedizin (Expertenbeitrag) Informationen zur Erweiterung der Abrechnungsmöglichkeiten für Tele- medizin, bestimmte EBM-Ziffern können zusätzlich zur Videosprech- a) Veränderungen der Versorgungsangebote stunde abgerechnet werden Quelle: Eigene Darstellung 1 [43] Praxis für Allgemeinmedizin (Expertenbeitrag) Informationen zur Erweiterung der Abrechnungsmöglichkeiten auch in Privaten Krankenversicherungen durch Sonderregelung bei der Gebüh- renordnung für Ärzte (GOÄ) 1 [34] Internationales Expertenkonsortium Information zur Verschiebung elektiver Eingriffe, z. B. bariatrischer Operationen 1 [35] Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) Information zur Verschiebung elektiver Eingriffe, z. B. Nierentransplan- tationen 1 [94] GKV-Spitzenverband Informationen zur Möglichkeit der Abgabe von Hilfsmitteln bevorzugt per Versand und zur Übermittlung von Rezepten durch die Arztpraxis direkt an den Versandhandel Psychische Störungen 1 [44] Zentrum Psychiatrische Rehabilitation, Universitäre Bericht zu Auswirkungen auf die psychiatrischen Versorgungsstrukturen, Psychiatrische Dienste Bern; Universitätsklinik für Psy- vorübergehenden (Teil-)Schließungen von Versorgungseinrichtungen chiatrie und Psychotherapie, Universität Bern; Departe- und Hilfsangeboten, eingeschränkter Aufnahme in (Tages-)Kliniken und ment Gesundheit, Berner Fachhochschule eingeschränkter Erreichbarkeit von therapeutischen und sonstigen Ansprechpartnerinnen und -partnern 1 [82] Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychothera- Mitteilung der Fachgesellschaft zur Verschiebung von Behandlungen in pie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) psychiatrischen Kliniken und Ersetzung stationärer Angebote durch ambu- lante, um die Versorgung in akuten Krisensituationen sicherzustellen 1 [95] Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung Informationen zur Veränderung der Versorgungsangebote in der Unter- und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) stützung von Selbsthilfegruppen für psychisch Kranke, Selbsthilfekon- taktstellen waren geschlossen und nur telefonisch/per E-Mail erreichbar Gruppentreffen oder persönlicher Austausch waren nicht möglich 1 [96] Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Informationen zum möglichen Wechsel zu Telefon- und Videosprech- stunden sowie Online-Interventionen für die Behandlung und Therapie 1 [50] Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Informationen zum Ausbau bestehender telefonischer Angebote und Aufbau neuer Versorgungsangebote sowie spezifischere lokale Therapie- und Beratungsangebote 1 [97] Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) Stellungnahme der Fachgesellschaft zur Forderung, die Notbetreuung in Kitas und Schulen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankun- gen und von psychisch kranken Eltern bei individuellem Bedarf zu öffnen * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten EBM = Einheitlicher Bewertungsmaßstab, GKV = Gesetzliche Krankenversicherung Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 9
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle in Deutschland Krebserkrankungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 2 [18] Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO) Analyse von Versichertendaten zur Veränderung der Behandlungszahlen im Untersuchungszeitraum 2020 (Kalenderwochen 12 bis 14, 16.03. bis 05.04.2020) b) Veränderungen in der Inanspruchnahme von gegenüber dem Vorjahreszeitraum: Versorgungsangeboten Stationäre Behandlungszahlen mit Hauptdiagnose „Neubildungen“: Rückgang Quelle: Eigene Darstellung um 22 % Operative Eingriffe (sieben ausgewählte Diagnosen): Rückgang von Ersteingrif- fen bei Darm- und Lungenkrebs um 22 % bzw. 20 %, bei anderen Diagnosen (u. a. Brustkrebs, Prostatakrebs) deutlich geringere Rückgänge (< 10 %) oder sogar Zunahmen; deutlicher Rückgang bei Zweiteingriffen (Brust- und Darm- krebs) um > 70 % 1 [20] Europäischer Klinikverbund Cancer Core Europe Diskussion zur rückläufigen Anzahl der in europäische Krebszentren des Klinik- (CCE) (beteiligte Einrichtungen in Deutschland: verbunds „Cancer Core Europe“ aufgenommenen Krebspatientinnen und -pati- Deutsches Konsortium für Translationale Krebs- enten, die Anfang April 2020 bei 70 % bis 80 % des erwarteten Volumens lag forschung (DKTK), Deutsches Krebsforschungs- zentrum (DKFZ), Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)) 2 [51] Nuklearmedizinische Einrichtungen in Deutsch- Umfrage in den Einrichtungen zum Rückgang des Anteils ambulanter Patientin- land, Österreich und der Schweiz (beteiligte Ein- nen und Patienten; kein Rückgang bei Therapie bösartiger Neubildungen richtungen in Deutschland: Universitätsklinikum Essen, Zentrum für Radiologie und Nuklearmedi- zin Rheinland) 2 [23] European Breast Cancer Research Association of Umfrage in Brustkrebszentren weltweit, darunter mehr als 30 Einrichtungen in Surgical Trialists (EUBREAST) (beteiligte Einrich- Deutschland; u. a. Zunahme genetischer Diagnostik vor einer möglichen neoad- tungen in Deutschland: Charité – Universitäts- juvanten Behandlung (Behandlung zur Verkleinerung eines Tumors vor einem medizin Berlin; Brustzentrum Esslingen (BZE)) operativen Eingriff) 1 [21] Martini-Klinik am Universitätsklinikum Ham- Diskussion von Erfahrungen der Klinik zur Absage von Operationen patienten- burg-Eppendorf (UKE) seitig und seitens Einrichtung, vorübergehend leichter Rückgang bei Einweisun- gen Herz-Kreislauf-Erkrankungen 2 [51] Nuklearmedizinische Einrichtungen in Deutsch- Umfrage in den Einrichtungen zeigt einen Rückgang von durchgeführten Myo- land, Österreich und der Schweiz (beteiligte Ein- kard-Szintigraphien bei ambulant behandelten Patientinnen und Patienten mit richtungen in Deutschland: Universitätsklinikum größeren Unterschieden bei Krankenhäusern als in Praxen (Befragung 14.04 bis Essen, Zentrum für Radiologie und Nuklearmedi- 20.04.2020 zu Veränderungen in den letzten drei Wochen) zin Rheinland) 1 [31] Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- Bericht über einen bundesweiten Rückgang von Herzoperationen um 60 %, ein- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) schließlich dringlicherer Indikationen (innerhalb von 30 Tagen durchzuführen) * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 10
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle in Deutschland Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 2 [17, 18] Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO) Analyse von Versichertendaten ergab einen Rückgang stationärer Behandlun- gen in Kalenderwochen 12 bis 14 des Jahres 2020 im Vergleich zu 2019 für akute b) Veränderungen in der Inanspruchnahme von Herzinfarkte insgesamt (- 31 %), Herzinfarkte ohne EKG-Veränderungen Versorgungsangeboten (NSTEMI, - 33 %), Herzinfarkte mit EKG-Veränderungen (STEMI, - 26 %), chronisch Quelle: Eigene Darstellung ischämische Herzkrankheit (- 50 %), Schlaganfälle (- 19 %), transitorische ischämi- sche Attacke (TIA, - 39 %), Herzinsuffizienz (- 43 %), Aortendissektionen oder rupturierte Aortenaneurysmen (- 1 %), nicht-rupturierte Aortenaneurysmen (- 53 %) 2 [54] DAK-Gesundheit Analyse von Versichertendaten ergab einen Rückgang von Hospitalisierungen wegen Herzinfarkt um 25 % im Monat März des Jahres 2020 vs. 2018 und 2019 2 [52] Hamburger Asklepios-Kliniken Analyse von stationären Daten ausgewählter Kliniken zeigte einen Rückgang von Hospitalisierungen wegen Herzinfarkt um 39 % im Zeitraum Ende März bis Ende April des Jahres 2020 vs. 2019 2 [55] Universitätsklinikum Ulm Analyse von stationären Daten zeigte einen Rückgang von Herzinfarkten ohne EKG-Veränderungen (NSTEMI) im Zeitraum 21.03. bis 20.04. des Jahres 2020 im Vergleich zu 2017 bis 2019 mit Inzidenzratenverhältnis (IRR) von 0,46 (95 %-KI; 0,27 – 0,78), keine Veränderungen bezüglich Herzinfarkten mit EKG-Veränderungen (STEMI), instabiler Angina pectoris, Herzrhythmusstörun- gen und präklinischem Herzstillstand 2 [53] Helios-Klinikverbund Analyse von stationären Daten ausgewählter Kliniken zeigte einen Rückgang von Notfall-Aufnahmen wegen Herzinsuffizienz um 22 % bis 28 %, wegen Herz- rhythmusstörungen um 13 % bis 27 % sowie diesbezüglicher interventioneller Behandlungen um 15 % bis 27 % im Zeitraum März/April des Jahres 2020 im Vergleich zu 2019 2 [56] Universität Mannheim, Universitätsklinikum Analyse von stationären Daten ausgewählter Kliniken zeigte einen Rückgang Erlangen, Universitätsklinikum Dresden, Univer- von Hospitalisierungen wegen TIA in drei von vier universitären Stroke Units sität Freiburg um 43 % bis 85 % und von Schlaganfall um 38 % bis 46 % in zwei von vier Zen tren im Zeitraum Kalenderwoche 1 bis 15 des Jahres 2020 im Vergleich zu 2019 2 [26] Neurovaskuläres Netz Ruhr (NVNR) Analyse von stationären Daten ausgewählter Kliniken zeigte einen Rückgang (27 Stroke Units, 9 neuro-interventionelle von Notaufnahmebesuchen wegen TIA und leichten Schlaganfällen in der frü- Zentren) hen Pandemiephase, in einigen Zentren Rückgang von Schlaganfallbehandlun- gen mit Reperfusionstherapie 2 [26] Alfried Krupp Krankenhaus Essen Analyse von stationären Daten zeigte einen Rückgang von Krankenhausaufnah- men wegen TIA um 45 % im Zeitraum vom 16.03. bis 19.04.2020 im Vergleich zu Zeitraum vom 10.02. bis 15.03.2020, kein Rückgang wegen ischämischer Schlaganfälle/intrazerebraler Hämorrhagien * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten EKG = Elektrokardiogramm, TIA = transitorische ischämische Attacke Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 11
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle in Deutschland Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 2 [57] Charité – Universitätsmedizin Berlin Analyse von stationären Daten zeigte einen Rückgang stationärer Akutbehand- lungen wegen neurovaskulärer Notfälle bzw. wegen chronischem Subduralhä- b) Veränderungen in der Inanspruchnahme von matom im Zeitraum 01.02. bis 15.04. des Jahres 2020 im Vergleich zu 2019 Versorgungsangeboten 1 [61] NDR-Anfrage bei Kassenärztlichen und Kassen- Bericht über einen Rückgang der Termine in kardiologischen Facharztpraxen in Quelle: Eigene Darstellung zahnärztlichen Vereinigungen und Berufs der frühen Pandemiephase um 30 % bis 50 % verbänden 1 [64] Deutsche Herzstiftung e. V. (DHS) Information über möglicherweise verunsicherte Patientinnen und Patienten, die Herzmedikamente wie ACE-Hemmer und Sartane absetzen 1 [27, 63] Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- Aufruf, bei typischen Herzschmerzen, Luftnot oder Engegefühl im Brustbereich und Kreislaufforschung e. V. (DGK) und Deut- umgehend medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen sche Herzstiftung e. V. (DHS) 1 [28] Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) Aufruf, bei typischen Schlaganfallsymptomen umgehend medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen Diabetes mellitus 1 [33] Deutsche Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG) Mitteilung der Fachgesellschaft zu rückläufigen Patientenzahlen in Praxen, Ambulanzen und Notaufnahmen 1 [62] Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) Diskussion zum Rückgang der Inanspruchnahme von Praxisleistungen auf Basis von Abrechnungsdaten der bayerischen Praxen, insbesondere bei Fachärztinnen und Fachärzten (je nach Fachbereich 25 % bis 70 %) und bezüg- lich Früherkennungsleistung bei Hausärztinnen und Hausärzten (- 80 %) 1 [41] Deutsche Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG) Empfehlungen der Fachgesellschaft zum Diabetesmanagement inkl. therapeuti- scher Ziele bei erwachsenen COVID-19-Betroffenen mit Diabetes sowie zur engmaschigen Betreuung, wenn möglich telefonisch oder telemedizinisch; Emp- fehlungen zum Umgang mit Diabetesmedikamenten bei COVID-19-Erkrankung 1 [36] Internationales Expertenkonsortium Empfehlungen des Expertenkonsortiums zur Untersuchung aller COVID-19- Betroffenen auf unbekannten Diabetes, zum Diabetesmanagement inkl. thera- peutischer Ziele bei erwachsenen COVID-19-Betroffenen mit Diabetes sowie zur engmaschigen Betreuung von COVID-19-Betroffenen (bei mildem Verlauf) mit Schwangerschaftsdiabetes, Typ-1-Diabetes und Begleiterkrankungen Abhängig vom Schweregrad der COVID-19-Erkrankung Empfehlung zur intensi- ven Überwachung von Menschen mit Diabetes Bei schweren COVID-19-Verläufen bei Menschen mit Diabetes Wechsel der ora- len Medikation auf Insulinbehandlung Verschiebung elektiver Eingriffe, z. B. metabolischer Operationen * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten COVID-19 = Coronavirus-Krankheit-2019 Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 12
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 1 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu Veränderungen im tionstyp* Versorgungsgeschehen für chronisch Kranke u. Quelle in Deutschland Psychische Störungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 2 [66] Universität Mannheim Analyse von Daten des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit zur Inan- spruchnahme des Notdienstes für Menschen in psychischen Krisen, Rückgang b) Veränderungen in der Inanspruchnahme von der Inanspruchnahme um 27 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum Versorgungsangeboten 2 [65] Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO) Analyse von Versichertendaten zum Rückgang der stationären Aufnahmen bei Quelle: Eigene Darstellung Psychischen und Verhaltensstörungen um 49 % 1 [67] Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psy- Mitteilung der Fachgesellschaft zum Zuwachs an Patientinnen und Patienten chotherapie, Psychosomatik und Nervenheil aus der stationären und teilstationären Versorgung in Ambulanzen kunde e. V. (DGPPN) * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse tionstyp* u. Quelle Krebserkrankungen 1 [69] International Society of Geriatric Oncology Diskussion von Belastungen durch Zutrittsbeschränkungen für Begleit- und (beteiligte Einrichtung in Deutschland: Universi- Besuchspersonen an Versorgungseinrichtungen tätsklinikum Heidelberg) 1 [20] Europäischer Klinikverbund Cancer Core Europe Diskussion von Ursachen zu Besorgnis und Verunsicherung bei Krebspatientin- (CCE) (beteiligte Einrichtungen in Deutschland: nen und -patienten, vor allem bezüglich Ansteckung, schwerer COVID-19-Ver- Deutsches Konsortium für Translationale Krebs- läufe aufgrund von Immunsuppression, Einschränkungen des Versorgungsan- forschung (DKTK), Deutsches Krebsforschungs- gebots; Beratungsangebote (z. B. Krebsinformationsdienst) werden stark zentrum (DKFZ), Nationales Centrum für nachgefragt Tumorerkrankungen (NCT)) 2 [68] Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (Arbeitsgemein- Umfrage bei medizinischem Personal, Patientinnen und Patienten; beide Grup- schaft Prävention und Integrative Onkologie pen leiden unter Einschränkungen (v. a. Kontaktbeschränkungen) allgemein (PRiO)) und befürchten Einschränkungen notwendiger Therapien mit negativen Folgen Tabelle 2 für die Gesundheit; Ärztinnen und Ärzte befürchten mentale oder physische Publikationen zu gesundheitlichen Auswirkungen Langzeitfolgen für sich selbst, berichten erhöhten Zeitaufwand für die Bera- von Veränderungen im Versorgungsgeschehen tung; Patientinnen und Patienten nehmen die hohe Belastung der Ärztinnen und Ärzte wahr für chronisch Kranke in Deutschland * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten Quelle: Eigene Darstellung COVID-19 = Coronavirus-Krankheit-2019 Fortsetzung nächste Seite Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 13
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Tabelle 2 Fortsetzung Publika Beteiligte Institutionen Inhalte/Ergebnisse Publikationen zu gesundheitlichen Auswirkungen tionstyp* von Veränderungen im Versorgungsgeschehen u. Quelle für chronisch Kranke in Deutschland Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Recherchezeitraum 01.03.2020 bis 19.06.2020) 1 [61] Bundesverband Niedergelassener Kardiologen Bericht darüber, dass kardiologische Patientinnen und Patienten, die kürzlich (BNK) Termine abgesagt hätten, nun als Notfälle angemeldet würden Quelle: Eigene Darstellung 2 [55] Universität Ulm Analyse von stationären Daten zeigte eine Zunahme der durchschnittlichen Konzentration von hochsensitivem TnT (hs-TnT) bei Herzinfarktpatientinnen und -patienten mit EKG-Veränderungen (STEMI) im Zeitraum 21.03. – 20.04. des Jahres 2020 im Vergleich zu 2017 bis 2019 1 [31] Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- Bericht über eine Zunahme von Patientinnen und Patienten mit Komplikatio- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) nen, die typischerweise nach unbehandeltem Herzinfarkt auftreten 2 [57] Charité – Universitätsmedizin Berlin Analyse von stationären Daten ergab, dass der Anteil von Patientinnen und Patienten mit chronischem Subduralhämatom im Zeitraum 01.02. bis 15.04. des Jahres 2020 im Vergleich zu 2019 mit schwereren Symptomen bei Aufnah- me höher war und die Prognose im stationären Verlauf schlechter ausfiel Diabetes mellitus 1 [73] Deutsche Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG) Mitteilung der Fachgesellschaft zur Gefahr der Stigmatisierung von Menschen mit Diabetes durch Ausschluss von der Arbeit, in Schulen und in der Öffent- lichkeit 1 [71] diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe e. V. Mitteilung der Organisation zur Verunsicherung von Diabetespatientinnen und -patienten und Wunsch nach Krankschreibung, obwohl keine akute Erkrankung vorliegt; Sorge um Mangel an Diabetesmedikamenten 1 [60] Institut Arbeit und Technik, Westfälische Hoch- Pressemitteilung zur Angst von Menschen mit Diabetes, sich in hausärztlichen schule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen Praxen mit COVID-19 anzustecken 1 [72] diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe e. V. Pressemitteilung zur Verunsicherung von Menschen mit insulinbehandeltem Diabetes, insbesondere im Zusammenhang mit der Nutzung von Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung und Insulinpumpen * 1 nicht empirische Studien, z. B. Diskussionsbeiträge, Empfehlungen, Informationen und Mitteilungen 2 empirische Studien, z. B. Umfragen, Analysen von Versichertendaten oder stationären Daten EKG = Elektrokardiogramm, COVID-19 = Coronavirus-Krankheit-2019, TnT = Troponin T Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 14
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Strahlendosis auf weniger Termine zu verteilen, um die Auch im Diabetesbereich erfogte eine Einschränkung Kontaktmöglichkeiten zu reduzieren und eine kürzere der Routineversorgung, um Kapazitäten für COVID-19- Behandlungsdauer zu erreichen [22, 23]. Patientinnen und -Patienten ausbauen zu können [32, 33], Auch für Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf- einschließlich der Verschiebung elektiver Eingriffe (z. B. von Erkrankungen kam es im Rahmen der pandemiebedingten Nierentransplantationen und bariatrischen Operationen) Anpassungen zu Umstrukturierungen der stationären Ver- [34–36]. Zudem waren für die Versorgung von Menschen sorgungskapazitäten. So wurden Krankenhausbetten der mit Herzinsuffizienz oder Diabetes besonders die Ände- Spezialstationen zur Akutversorgung von Schlaganfällen rungen im Rahmen der DMP-Anforderungen-Richtlinie (Stroke Units) oder von Patientinnen und Patienten mit aku- durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschus- ten Brustschmerzen (Chest Pain Units) teilweise in Inten- ses (G-BA) von Bedeutung. So konnten zur Vermeidung sivbetten umgewandelt [24, 25]. Nach Aussagen der Fach- einer SARS-CoV-2-Ansteckung in den strukturierten gesellschaften konnte die Versorgung von akuten Behandlunsgprogrammen sonst verpflichtende Patienten- kardiovaskulären Erkrankungen bislang jedoch vollständig schulungen, die in der Regel als Gruppenschulung durch- gewährleistet werden [26–28]. Zudem konnten Verlegungen geführt werden, sowie ärztliche Dokumentationen von in Rehabilitationskliniken durch vereinfachte Bewilligungs- Untersuchungen für das erste bis dritte Quartal 2020 verfahren für rehabilitative Anschlussheilbehandlungen ausgesetzt werden [37]. Um weiterhin die Schulung von beschleunigt werden [26, 29]. Seitens der ärztlichen Berufs- Menschen mit Diabetes zu gewährleisten, wurden Video- verbände wurde jedoch berichtet, dass invasive Untersu- schulungen als sinnvoll erachtet [32, 38–41] und von eini- chungen und Prozeduren (beispielsweise Herzkatheterun- gen Krankenversicherungen honoriert [42, 43]. Unter Ein- tersuchungen und Stentimplantationen) teilweise erst nach haltung der Hygienevorschriften waren Einzelschulungen einer Wartezeit von zwei bis drei Wochen durchgeführt wur- und -konsultationen möglich [38]. den und dass Patientinnen und Patienten vermehrt weiter Stationäre Aufnahmen in psychiatrische (Tages-)Klini- entfernte Kliniken aufsuchen mussten [30]. Niedergelassene ken oder Entzugseinrichtungen wurden eingeschränkt und Kardiologinnen und Kardiologen hätten außerdem häufiger Behandlungstermine verschoben. Um die Versorgung in die Versorgung von Patientinnen und Patienten übernom- akuten Krisensituationen sicherzustellen, wurden statio- men, die eigentlich stationär hätten überwacht werden müs- näre Angebote durch ambulante ersetzt. Für Menschen, sen [30]. Nach Aussage der Deutschen Gesellschaft für Kar- die einen hohen Unterstützungsbedarf hinsichtlich ihrer diologie (DGK) wurden infolge der Aufforderung zur Lebensführung benötigen, Probleme bei der Versorgung Verschiebung elektiver Operationen zudem insgesamt mit notwendigen Medikamenten haben oder über keine deutlich weniger Herzoperationen durchgeführt, darunter ausreichende soziale Unterstützung verfügen, konnten auch elektive Eingriffe von höherer Dringlichkeit, die inner- aufsuchende Angebote und Behandlungsformen genutzt halb von 30 Tagen durchgeführt werden sollten [31]. werden [44]. Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 15
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS Fachgesellschaften und Berufsverbände empfahlen, tele- Darmkrebs) sank um mehr als 70 % [18]. Eine Befragung medizinische Versorgungsangebote für Patientinnen und von nuklearmedizinischen Abteilungen und Praxen zu dia- Patienten auszubauen und Videosprechstunden zu eta gnostischen und therapeutischen Prozeduren im Krebs- blieren [20, 45–48]. Für den Bereich der psychischen Erkran- und Herz-Kreislauf-Bereich vorwiegend aus Deutschland kungen beispielsweise betraf dies sowohl die reguläre ergab zudem einen Rückgang der tumordiagnostischen psychotherapeutische Behandlung als auch Instrumente Verfahren zwischen 14 % und 58 % (je nach Untersuchung). der Krisenintervention, für die körperlichen Erkrankungen Die Zahl der durchgeführten strahlentherapeutischen vor allem Nachsorge- und Kontrolltermine, aber zum Bei- Verfahren bei bösartigen Tumorerkrankungen blieb dage- spiel auch Tumorkonferenzen. Ermöglicht wurden diese gen stabil [51]. Für den Bereich der Herz-Kreislauf-Erkran- Umstellungen auch durch die Erweiterung der Abrech- kungen zeigte die gleiche Untersuchung einen Rückgang nungsmöglichkeiten für Telemedizin und Videosprechstun- von Myokard-Szintigrafien ambulant behandelter Patien- Die Zahl der stationären den [49]. Bestimmte zertifizierte Video-Dienstanbieter tinnen und Patienten, der in Krankenhäusern stärker aus- Behandlungen von Personen konnten in den Monaten April/Mai zudem kostenfrei fiel als in radiologischen Praxen [51]. mit Krebserkrankungen, genutzt werden [45]. In der Psychiatrie wurden neue Ver- Krankenhausaufnahmen wegen eines akuten Hirnin- Herz-Kreislauf-Erkrankungen sorgungsangebote wie telepsychiatrische Krisendienste, farkts, Myokardinfarkts oder einer Herzinsuffizienz im spezielle Krisen-Hotlines oder weitere lokale Versorgungs- März/April 2020 lagen nach Analysen von AOK-Versicher- und psychischen Störungen angebote eingerichtet [50]. tendaten deutlich niedriger als im entsprechenden Vorjah- ist in Deutschland im März/ reszeitraum [17]. In einer vertieften Analyse war diese April 2020 im Vergleich zum 3.2 Veränderungen im Versorgungsgeschehen und in der Abnahme besonders deutlich für leichtere Fälle von Herz- Vorjahreszeitraum stark Inanspruchnahme und Hirninfarkten [18]. Dies galt ebenso für die Aufnahme gesunken. von Patientinnen und Patienten mit einem Aneurysma der Die Häufigkeit stationärer Aufnahmen bei Krebserkrankun- Bauchschlagader (Aortenaneurysma) [18]. Übereinstim- gen von AOK-Versicherten ging im Zeitraum von Mitte mend mit den Ergebnissen des WIdO wurde für die frühe März bis Anfang April (Kalenderwochen 12 bis 14) gegen- Pandemiephase eine Abnahme von Herzinfarktbehandlun- über dem entsprechenden Vorjahreszeitraum deutlich gen sowie ein Rückgang von Akutbehandlungen wegen zurück (Tabelle 1) [17]. Bei den operativen Eingriffen im Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen auf Basis onkologischen Bereich war das Bild uneinheitlich: Für eini- von Daten der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) ge Krebsdiagnosen (insbesondere Darm- und Lungenkrebs) beziehungsweise zweier Klinikverbünde berichtet [52–54]. sank die Zahl der Ersteingriffe um rund 20 %, während An einer süddeutschen Universitätsklinik wurden im März/ für andere Diagnosen keine deutlichen Rückgänge oder April 2020 deutlich weniger Aufnahmen wegen leichterer sogar Anstiege (Brust- und Gebärmutterhalskrebs) zu ver- akuter Herzinfarkte, die keine infarkttypischen Veränderun- zeichnen waren. Die Zahl der Zweiteingriffe (Brust- und gen im EKG hatten (NSTEMI), als im Vergleichszeitraum Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 16
Journal of Health Monitoring Versorgung von chronisch Kranken in Deutschland – Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie FOCUS 2017 bis 2019 beobachtet [55]. Die Anzahl der aufgenom- Kontaktbeschränkungen zu einer Abnahme stationärer menen Patientinnen und Patienten, die einen schwereren Behandlungen um 49 % im Vergleich zum Vorjahr gekom- akuten Herzinfarkt mit infarkttypischen Veränderungen im men ist [65]. Das Zentralinstitut für psychische Gesundheit EKG hatten (STEMI), veränderte sich dagegen nicht. Auch in Mannheim verzeichnete eine gesunkene Inanspruch- für Patientinnen und Patienten mit leichteren Schlaganfäl- nahme des Notdienstes für Menschen in psychischen Kri- len sowie mit Durchblutungsstörungen des Gehirns, die sen um 27 %, vor allem bei affektiven Störungen [66]. Ande- mit vorübergehenden neurologischen Ausfallerscheinun- rerseits meldete die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie gen (Transitorische ischämische Attacke, TIA) einhergehen, und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde wurden wiederholt weniger Notfallbehandlungen als in den e. V. (DGPPN), dass die 450 psychiatrischen Ambulanzen Vorjahren beobachtet. Dies zeigen Analysen der Daten von in Deutschland einen Zuwachs an Patientinnen und Pati- 36 Schlaganfall-Zentren der Region Ruhr [26] und von meh- enten aus der stationären und teilstationären Versorgung Die Versorgungssituation von reren universitären Stroke-Units [56] sowie vom Alfried beobachteten [67]. Personen mit chronischen Krupp Krankenhaus Essen [26]. Darüber hinaus war auch körperlichen und psychischen an der Charité Berlin während der frühen Pandemiephase 3.3 Gesundheitliche Auswirkungen der veränderten Erkrankungen muss ein Rückgang neurovaskulärer Notfälle zu beobachten [57]. Versorgungssituation Seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen und der fortlaufend weiter analysiert Berufsverbände wurde eine Verringerung der Konsultatio- Zu den gesundheitlichen Auswirkungen der beobachteten werden, vor allem im Hinblick nen in onkologischen und kardiologischen Facharztpraxen Veränderungen in Versorgungsangebot und Inanspruch- auf gesundheitliche Folgen. berichtet, ähnlich war die Situation in der Endokrinologie nahme liegen bisher wenige empirische Daten vor. Es über- und Diabetologie [32, 33, 58–62]. Viele Fachgesellschaften, wiegen Stellungnahmen zu befürchteten Folgen verzöger- aber auch Patientenorganisationen riefen Patientinnen und ter Diagnostik und Therapie sowie Ergebnisse aus Patienten auf, die Behandlung ihrer chronischen Erkran- Befragungen von Patientinnen und Patienten sowie von kung nicht aus Sorge vor Ansteckungen zu vernachlässigen Ärztinnen und Ärzten (Tabelle 2). und zum Beispiel Nachsorge- und Behandlungstermine Von einer Krebserkrankung betroffene Menschen äußer- wahrzunehmen [27, 28, 36, 63]. Auch vor einem selbststän- ten häufig Sorgen hinsichtlich unzureichender oder verzö- digen Absetzen von Medikamenten wie ACE-Hemmern zur gerter Therapieangebote. Auch eine mögliche Ansteckung Bluthochdruckbehandlung, die zwischenzeitlich in den Ver- und das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs vor dem dacht geraten waren, das Risiko für schwere COVID-19- Hintergrund einer krebs- beziehungsweise therapiebeding- Verläufe zu erhöhen, wurde gewarnt [64]. ten Immunsuppression sorgten für Verunsicherung [20, 68]. Die Analyse von AOK-Versichertendaten durch das Zutrittsbeschränkungen für Besuchs- und Begleitpersonen WIdO zeigt, dass es in dem Bereich der Psychischen und im stationären und ambulanten Bereich wurden als belas- Verhaltensstörungen während der Phase verstärkter tend bewertet [68, 69]. Im Bereich der onkologischen Journal of Health Monitoring 2020 5(S10) 17
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