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Weiter denken, schneller laden Welche Ladeinfrastruktur es für den Erfolg der Elektromobilität in Städten braucht DISKUSSIONSPAPIER
Impressum Weiter denken, schneller laden Welche Ladeinfrastruktur es für den Erfolg der Elektromobilität in Städten braucht DISKUSSIONSPAPIER ERSTELLT IM AUFTRAG VON Agora Verkehrswende Anna-Louisa-Karsch-Str. 2 | 10178 Berlin T +49 (0)30 700 14 35-000 F +49 (0)30 700 14 35-129 www.agora-verkehrswende.de info@agora-verkehrswende.de PROJEKTLEITUNG Kerstin Meyer kerstin.meyer@agora-verkehrswende.de Dr. Urs Maier urs.maier@agora-verkehrswende.de DURCHFÜHRUNG Auftragnehmer. Unter diesem QR-Code steht diese Reiner Lemoine Institut gGmbH Publikation als PDF zum Download Rudower Chaussee 12 | 12489 Berlin zur Verfügung. Autoren: Agora Verkehrswende: Kerstin Meyer, Dr. Urs Maier Reiner Lemoine Institut: Oliver Arnhold, Alexander Windt Lektorat: Eva Berié Satz: Marica Gehlfuß, Agora Verkehrswende Titelbild: picture alliance/dpa, Jan Woitas Bitte zitieren als: Agora Verkehrswende (2020): Weiter denken, schneller laden: Welche Ladeinfrastruktur es für den Erfolg der Version: 1.0 Elektromobilität in Städten braucht, Diskussionspapier. Veröffentlichung: Juli 2020 42-2020-DE www.agora-verkehrswende.de
Vorwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, Am Straßenrand errichtete Ladesäulen können sich zum Beispiel als Hindernis erweisen, wenn es in Zukunft gilt, ein Diskussionspapier zum Thema Ladeinfrastruktur wertvollen öffentlichen Raum anders als für Parkplätze zu in Städten mag in Zeiten der Coronakrise etwas nach nutzen. Die Art der Ladeinfrastruktur für eine hoffentlich rangig erscheinen. Schließlich haben Kommunen gerade rasch wachsende Zahl von Elektroautos hat auch Einfluss mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen: mit auf die Kosten des Stromnetzausbaus. Im Rahmen bleiben Steuerausfällen bei gleichzeitig steigenden Sozialaus sie nur, wenn der Aufbau der Ladeinfrastruktur gesteuert gaben. Es steht außer Frage, was prioritär ist: dass Städte wird. Und da sind die Kommunen gefragt. und Gemeinden gestärkt aus der Krise hervorgehen, nicht geschwächt. Wir hoffen, dass unser Beitrag die Debatte befruchtet und den Verantwortlichen in Städten und Gemeinden Trotzdem: Der Hochlauf der Elektromobilität bleibt eine nützliche Handreichung ist. Nicht zuletzt liegt es unaufschiebbar, sollen die Bekenntnisse zum Klima- in ihrer Hand, mit der richtigen Steuerung die urbane schutz etwas wert sein. E-Fahrzeuge brauchen aber Verkehrswende voranzubringen. Strom, also Ladesäulen. Mit dem „Masterplan Ladeinfra- struktur“ und dem kürzlich verabschiedeten Konjunk- Christian Hochfeld und Kerstin Meyer turprogramm steht jetzt viel Geld dafür zur Verfügung. für das Team von Agora Verkehrswende Es kommt darauf an, dieses Geld richtig zu investieren. Berlin, 14. Juli 2020 Zentrale Ergebnisse Die urbane Verkehrswende erfordert nicht nur eine bedarfsgerechte, sondern auch eine stromnetzdienliche und stadtplanerisch zukunftsfähige Ladeinfrastruktur. Die Planung muss sich schon heute an den Zielen orientieren, weniger Pkw-Verkehr in der Stadt lang- fristig nahezu vollständig auf Elektroantrieb umzustellen. Eine möglichst große Zahl an Ladepunkten zu Hause und am Arbeitsplatz hilft dem gesteuerten, netzdienlichen Laden. Denn bei Fahrzeugen, die zu Hause oder bei der Arbeit längere Zeit parken, kommt es nicht darauf an, wann genau der Strom fließt. So trägt das gesteuerte Laden dazu bei, erneuerbare Energien optimal zu nutzen, Spit- zenlasten im Netz abzufangen und die Kosten für den Verteilnetzausbau zu senken. Je mehr Fahrzeuge privat geladen werden, desto weniger braucht es zusätzliche Lade- punkte im öffentlichen Raum. Öffentlich zugängliche Schnellladehubs haben vergleichsweise den geringsten Platzbedarf. Viele einzelne Ladesäulen mit geringer Leistung würden deutlich mehr Straßenrand benö- tigen und dort längere Standzeiten beim Laden erfordern. Hubs bieten hingegen mehrere Schnell- oder Hochleistungsladesäulen konzentriert an ausgewählten Orten. Der Straßen- rand bleibt frei und kann für andere Zwecke genutzt werden. Städte sollten die Führungsrolle beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für sich beanspruchen – von der Koordination der vielen Akteure bis zur Abstimmung ressortübergreifender Pla- nungsprozesse. Dafür brauchen sie mehr Personal sowie weitere finanzielle Unterstützung durch den Bund. 3
Weiter denken, schneller laden | V orwort 4
Inhalt 1|E inleitung: Für den Erfolg der Elektromobilität braucht es neue Infrastruktur in den Kommunen 7 2|S tatus Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen 9 2.1 Wie der Bund die Ladeinfrastruktur fördert – und welche Rolle die Kommunen dabei spielen 10 2.2 Wie Kommunen bisher Ladeinfrastruktur planen 12 2.3 Was Kommunen tun müssen, um den Hochlauf der Elektromobilität zu begleiten 14 3|R ahmenbedingungen der zukünftigen Ladeinfrastruktur 17 3.1 Der Verkehr wird elektrisch 17 3.2 Der Öffentliche Raum ist knapp 18 4|A uf das Zusammenspiel unterschiedlicher Ladekonzepte kommt es an 21 4.1 Zu Hause laden und am Arbeitsplatz entlastet das Netz und den Öffentlichen Raum 23 4.2 Im Öffentlichen Raum erweist sich eine überschaubare Zahl von Schnellladehubs als vorteilhaft 25 5 | Fazit: Kommunen müssen schnell aktiv steuern 31 6 | Literaturverzeichnis 33 6.1 Übersicht der ausgewerteten Pläne 37 5
Weiter denken, schneller laden | Inhalt 6
1 | Einleitung: Für den Erfolg der Elektromobilität braucht es neue Infrastruktur in den Kommunen Zum Zeitpunkt der Erarbeitung dieses Papiers wird die Argumente für mehr Klimaschutz: Stau, Luftverschmut- öffentliche Debatte weitgehend durch die Corona-Krise zung sowie überfüllte Busse und U-Bahnen, Unfälle und dominiert. Die Reaktionen auf Covid-19 wirken sich auf Flächenkonkurrenz der Verkehrsteilnehmerinnen und unser gesamtes öffentliches Leben aus, selbstverständ- -teilnehmer untereinander. Wie in einem Brennglas lich auch auf den Verkehr in Städten. Die Auswirkungen zeigen sich in der Stadt die Chancen und Risiken der der Corona-bedingten Beschränkungen der Wirtschaft Transformationsaufgabe Verkehrswende. und des öffentlichen Lebens haben zu einem Einbruch der Steuereinnahmen geführt, der die finanziellen Spiel- Neben der beschriebenen Konkurrenz um Verkehrs räume der Kommunen weiter verringert. Im kürzlich flächen erfordern mehr Elektrofahrzeuge auch einen verabschiedeten Konjunkturpaket der Bundesregierung weiteren Ausbau der Stromverteilnetze. Dies ist im ist deswegen folgerichtig auch eine gewisse finanzi- Prinzip kein Problem, selbst eine Vollelektrifizierung des elle Entlastung der Kommunen beschlossen worden. Pkw-Verkehrs ist netzseitig möglich. Allerdings können Die aktuelle Dringlichkeit der Corona-Krise verringert die Stromverteilnetze nicht beliebig schnell eine große jedoch nicht die weiterhin hohe Dringlichkeit des Klima- Zahl neuer Stromverbraucher in Form von Elektrofahr- schutzes. Deshalb ist das hier diskutierte Thema Lade zeugen aufnehmen, weshalb die Netzbetreiber möglichst infrastruktur für die Elektrifizierung des Verkehrs nach genau im Voraus wissen müssen, wo welche Leistung wie vor von höchster Bedeutung, auch wenn andere, benötigt werden wird. In einer Studie zum Verteilnetz- akutere Themen derzeit im Vordergrund stehen. ausbau für die Energiewende konnten Agora Verkehrs- wende, Agora Energiewende und Regulatory Assistance Städte sind für die Verkehrswende ausgesprochen wich- Project (RAP) darstellen, dass ein Ausbau des Strom tig. Sie sind einerseits Vorreiter bei der Elektromobilität, netzes auch bei Vollelektrifizierung möglich ist, und dass denn Analysen zeigen, dass die bisher weltweit ver- gesteuertes Laden einerseits und ein stärkerer Fokus auf kauften Elektroautos überwiegend in Städten gefahren die Mobilitätswende andererseits die Gesamtkosten für werden.1 Gleichzeitig sind Städte die Orte, wo schon den Netzausbau deutlich reduzieren können.2 heute Änderungen im Mobilitätsverhalten leichter mög- lich sind. Es gibt in der Regel ein besseres ÖPNV-Ange- Das Thema Ladeinfrastruktur ist ein entscheidender bot, es gibt Car- und Ridesharing-Möglichkeiten, viele Schnittpunkt für die Themenfelder Energie und Verkehr. Menschen fahren mit dem Rad zur Arbeit. Wegen der Gut geplante Ladeinfrastruktur ist verkehrspolitisch Bevölkerungsdichte gibt es aber auch größeren Hand- sinnvoll und trägt gleichzeitig dazu bei, die Kosten für lungsdruck aus Gründen, die konkreter sind als abstrakte 2 Agora Verkehrswende, Agora Energiewende, Regulatory 1 Wappelhorst; Hall; Nicholas; Lutsey (2020). Assistance Project (RAP) (2019). Zentrale Leitbilder beim Aufbau von Ladeinfrastruktur Tabelle 1 Leitbild Ziel Bedarfsgerecht • Genug Ladepunkte da, wo sie gebraucht werden, verfügbar wenn sie gebraucht werden • Nicht zu viele Ladepunkte Stromnetzdienlich • Ausbaukosten und Ausbauarbeiten minimieren • Strom aus erneuerbaren Energien absorbieren und Steuerbarkeit sicherstellen Stadtplanerisch zukunftsfähig • Raum schaffen und freilassen für Alternativen zum Privat-Pkw Agora Verkehrswende, 2020 7
Weiter denken, schneller laden | 1 | Einleitung den Ausbau der Energienetze zu reduzieren. Ziel dieses Papiers ist es, die Diskussion zu den zentralen Heraus forderungen beim Aufbau von Ladeinfrastruktur im Kontext der urbanen Verkehrswende anzuregen. Die Fra- gestellungen des Papiers sind: Welche Ladeinfrastruktur befördert die urbane Verkehrswende am besten? Welche Art der Ladeinfrastruktur wird gleichzeitig drei ver- schiedenen Kriterien gerecht: bedarfsgerecht, strom- netzdienlich und stadtplanerisch zukunftsfähig zu sein (vgl. Tabelle 1)? Das Thema Elektromobilität betrifft nicht nur Metropolen und Großstädte, auch Mittelstädte und kleinere Gemein- den sind aktiv.3 In einer Befragung der Nationalen Orga- nisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie wurden insgesamt 540 Städte und Gemeinden ab einer Größe von 5.000 Einwohnern untersucht. Über 80 Pro- zent der untersuchten Städte und Gemeinden zeigten sich engagiert beim Thema Elektromobilität.4 Dieses Papier richtet sich an alle Akteure in Städten und Gemeinden, die sich mit dem Thema Ladeinfrastruktur befassen: Darunter sind private Unternehmen, Stadt- werke, Netzbetreiber und Initiativen von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. In erster Linie werden jedoch die kommunale Verwaltung und die Kommunalpolitik angesprochen. Ebenfalls sollen betroffene politische Akteure in Bund und Ländern mit diesem Papier adres- siert werden. Wenngleich die konkreten Situationen in größeren Städten anders sind als in kleineren Städten, so sollen die Thesen dieses Papiers möglichst für alle Akteure von Interesse sein. Sie sollen als Anregung dienen für weitere Überlegungen und Arbeiten zu diesem Thema. 3 Zur Unterscheidung der einzelnen Kategorien (Metropo- len >500.000 Einwohner und mehr, Großstädte zwischen 100.000 und 500.000 Einwohner, Mittelstädte 20.000 bis 100.000 Einwohner, Kleinstädte 5.000–20.000 Einwoh- ner. Vgl. Agora Verkehrswende (2020). 4 Vgl. NOW (2019). 8
2|S tatus Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen Die Frage der Ladeinfrastruktur ist eingebettet in die hersteller ihre europäischen CO2-Vorgaben einhalten grundsätzliche Diskussion um die Antriebe der Zukunft, können, müssen sie 2020 und 2021 zwischen 8 und die sich auch auf kommunaler Ebene abspielt, sei es im 15 Prozent BEV und PHEV verkaufen (vgl. Abbildung 1).6 Gemeinderat oder in der Verwaltung. Vielfach wird argu- Das ist eine Verdreifachung bis Verfünffachung ihrer mentiert, dass hinsichtlich batteriebetriebener Elektro derzeitigen Verkäufe von elektrisch angetriebenen Fahr- autos noch zu viel Unsicherheit bestehe. Es steht die zeugen. Die Pkw-Absatzzahlen des ersten Quartals 2020 Frage im Raum, ob nicht andere alternative Antriebe, wie passen in dieses Bild.7 Damit steht ein deutlicher Anstieg Brennstoffzellenfahrzeuge, Erdgas oder strombasierte des Absatzes von batterieelektrischen Fahrzeugen und Kraftstoffe, letztlich das Rennen machen. Plug-In-Hybriden unmittelbar bevor. In den vergangenen Jahren wurde bei Diskussionen um Sowohl die CO2-Vorgaben für Pkw als auch das Anfang Elektromobilität oft das Argument angeführt, die Techno- Juni 2020 verabschiedete Konjunkturpaket werden logie sei noch nicht marktreif. Dies hat sich grundlegend voraussichtlich darauf hinwirken, dass der Verkauf von gewandelt. Ab dem Jahr 2020 werden Elektrofahrzeuge E-Fahrzeugen in naher Zukunft weiter steigt. (batterieelektrische und Plug-in-Hybride)5 enorme Zuwächse verzeichnen. Damit die deutschen Automobil 6 Agora Verkehrswende (2019a). 5 Im weiteren Text werden die Abkürzungen verwendet: BEV 7 Im ersten Quartal betrug der Anteil von Elektrofahrzeugen (battery electic vehicle) und PHEV (plug-in electric vehicle). bei Daimler 9 %, bei BMW 11 % und bei der VW Group 7 %. Historische Entwicklung des Anteils von BEV und PHEV an den Neuzulassungen der jeweiligen Hersteller sowie eigene Annahmen in den Szenarien für die weitere Entwicklung bis 2021 Abbildung 1 20 18 16 14 12 Marktanteil [%] 10 8 6 4 2 0 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 PHEV+BEV: Daimler PHEV+BEV: BMW PHEV+BEV: VW Agora Verkehrswende 2019a 9
Weiter denken, schneller laden | 2 | Status Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen Demgegenüber ist die zukünftige Entwicklung bei 100.000 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zusätzlich Brennstoffzellen-Pkw – was Kosten und Stückzahlen verfügbar zu machen, davon mindestens ein Drittel betrifft – noch ungewiss. Das heißt nicht, dass es nicht Schnellladesäulen.10 Dabei handelt es sich um die heute schon einige Brennstoffzellenfahrzeuge zu kaufen Gesamtheit aller Ladepunkte, privat, öffentlich und gäbe. Doch von den über 300 Modellen mit alternativen öffentlich zugänglich. Dieses Ziel ist mit dem „Master Antrieben, die bis 2025 neu auf den Markt kommen plan Ladeinfrastruktur“ auf eine Million öffentlich sollen, werden nur circa 15 Modelle Brennstoffzellen- zugänglicher Ladepunkte bis 2030 erhöht worden, die fahrzeuge sein. Alle anderen Fahrzeugmodelle in diesem mit entsprechenden Förderprogrammen bis 2025 incen- Segment sind entweder BEVs oder PHEVs.8 tiviert werden sollen. Dabei sollen zwischen 2020 und 2021 etwa 50.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte Erdgasfahrzeuge machen einen ausgesprochen geringen errichtet werden. Außerdem soll die Automobilindustrie Anteil an der Fahrzeugflotte aus und werden voraus- bis zum Jahr 2022 zusätzlich 15.000 Ladepunkte bei- sichtlich auch in Zukunft nicht mehr als 1 Prozent am steuern. Eine Unterteilung der angestrebten eine Million Fahrzeugbestand stellen. Strombasierte Kraftstoffe sind Ladepunkte in Normal- und Schnellladepunkte ist im aus Sicht von Agora Verkehrswende im Pkw-Verkehr „Masterplan Ladeinfrastruktur“ nicht spezifiziert.11 nicht sinnvoll, sollten aber im Flug- und Schiffsverkehr eingesetzt werden. Darüber hinaus befinden sich die Für den Aufbau der oben beschriebenen Ladeinfrastruk Anlagen, die solche Kraftstoffe produzieren können, noch tur wurden 3,4 Mrd. Euro im Bundeshaushalt bereit- im Pilotstadium. Größere Mengen dieser Kraftstoffe gestellt. Diese stehen für Tank- und Ladeinfrastruktur werden nicht vor 2030 erwartet. sowohl für Pkw als auch für Lkw mit CO2-freien Antrie- ben zur Verfügung.12 Zwischen 2017 und 2020 wurden In den nächsten Jahren bedeutet der Umstieg auf alter- von der Bundesregierung bereits 300 Mio. Euro für den native Antriebe somit den Umstieg auf Elektroautos. Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur Für eine Verminderung der CO2-Emissionen im Verkehr bereitgestellt. Die Bundesregierung macht keine Anga- sind sie essenziell. Ihr Anteil dürfte sich bis 2030 stark ben, ob die 100.000 Ladepunkte bislang erreicht worden erhöhen. Damit die deutschen Klimaschutzziele für den sind und beruft sich auf Datenlücken, da die Zahl der pri- Verkehr erreicht werden, sind im Jahr 2030 circa 7 bis vaten Ladepunkte nicht erfasst werden.13 Die Rahmenbe- 10,5 Millionen elektrisch angetriebener Pkw (batterie dingungen für bisher genehmigte Förderanträge setzt die elektrisch und Plug-in-Hybride) im deutschen Fahr- Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zeugbestand notwendig.9 in Deutschland,14 deren fünfter Förderaufruf zur Errich- tung von Ladeinfrastruktur auf Kundenparkplätzen im Frühjahr 2020 veröffentlicht wurde.15 Ein Förder- 2.1 Wie der Bund die Ladeinfrastruk- programm für private Ladeinfrastruktur ist ebenfalls tur fördert – und welche Rolle die geplant.16 Darüber hinaus beinhaltet auch die Förder- richtlinie „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme“, Kommunen dabei spielen in Kraft seit Januar 2018, die Möglichkeit, für Maßnah- Für Städte, die Ladeinfrastruktur planen, hat die Bundes- men zur Förderung der Elektromobilität Fördermittel in regierung in den vergangenen Jahren mehrere Finanzie- Anspruch zu nehmen, sofern diese zur Reduktion von rungsinstrumente geschaffen. Besonders zu nennen sind Luftschadstoffen und damit von Stickstoffdioxid-Grenz hier die auf dem Koalitionsvertrag aufbauenden Förder- programme, der „Masterplan Ladeinfrastruktur“ und das „Sofortprogramm Saubere Luft“. 10 Koalitionsvertrag (2018). 11 Bundesregierung (2019). Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 12 Bundesregierung (2020). 12. März 2018 gibt das Ziel vor, bis 2020 mindestens 13 Bundesregierung (2020). 14 BMVI (2017). 8 Vgl. Transport & Environment (2019) und eigene Analyse. 15 BMVI (2020). 9 Vgl. Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (2019). 16 Bundesregierung (2019). 10
Agora Verkehrswende | 2 | Status Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen wertüberschreitungen beiträgt.17 Die Modalitäten für die • geeignete Flächen für den Aufbau von Ladeinfra- 3,4 Mrd. Euro im Rahmen des Masterplans für Ladein- struktur an das Bundesverkehrsministerium zu frastruktur werden noch ausgearbeitet. Darüber hinaus melden, um einen bundesweiten Flächenatlas zur können weitere Fördermöglichkeiten seitens der Länder Ladeinfrastruktur zu erstellen. in Anspruch genommen werden. Diese sind jedoch nicht Gegenstand dieser Betrachtung. Kommunen sollen prüfen: • ob geltende Stellplatzverordnungen dahingehend Im „Masterplan Ladeinfrastruktur“ sind zudem eine Reihe überarbeitet werden können, dass die einzuhaltende von Gesetzesvorhaben festgehalten, die die Bundesregie- Anzahl von Stellplätzen geringer ist, wenn Stellplätze rung 2020 auf den Weg bringen will. Darunter fällt unter mit Ladeinfrastruktur angeboten werden; anderem die Überarbeitung der Ladesäulenverordnung • wie sie die Genehmigungsprozesse für neue Lade (LSV) sowie eine noch zu verabschiedende Versorgungs- infrastruktur und den damit zusammenhängenden auflage, die regelt, dass alle Tankstellen in Deutschland Netzausbau beschleunigen können. auch Ladepunkte anbieten sollen. Diese Maßnahmen zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind Möglichkeiten für Kommunen: wichtig und sollten schnell realisiert werden, damit die • Zugang zu einem bundesweites Planungstool für nun vorgesehenen Mittel optimal eingesetzt werden kön- Ladeinfrastruktur (StandortTOOL); nen. Sollte sich die Umsetzung der aufgelisteten Maßnah- • Unterstützung durch Elektromobilitätsmanager; men verzögern, so wird auch der Ladeinfrastrukturauf- • Unterstützung durch die „Nationale Leitstelle Lade bau langsamer voranschreiten, als es erforderlich wäre. infrastruktur”. Der „Masterplan Ladeinfrastruktur“ beinhaltet eine Reihe Sogenannte Elektromobilitätsmanager sollen Kommu- von Aufforderungen der Bundesregierung an die Kom- nen beim Aufbau von Ladeinfrastruktur unterstützen. munen. Einige davon sind unmittelbare Aufforderungen, Darüber hinaus hat der Bund eine „Nationale Leitstelle andere sind Prüfaufträge. Die Tatsache, dass Kommunen in Ladeinfrastruktur” geschaffen, deren Aufgabe es ist, einem Dokument der Bundesregierung so oft und explizit Informationen zu bündeln und regionale Veranstaltungen adressiert werden, deutet auch darauf hin, dass der Bund der Länder bei aktiven Förderaufrufen der Förderricht- auf die Aktivitäten in den Kommunen angewiesen ist, linie Ladeinfrastruktur zu unterstützen. Auch Dialoge damit der Aufbau der Ladeinfrastruktur bundesweit funk- und Workshops mit Stakeholdern sowie kommunalen tioniert. Im Folgenden werden die Aspekte des Master- Entscheidern sind geplant. Zudem wird der Bund die plans, die sich konkret an Kommunen richten, aufgeführt. Rahmenbedingungen für den Bau und Betrieb von Ladeinfrastruktur zur dienstlichen und privaten Nutzung Aufforderung an Kommunen: in der öffentlichen Verwaltung schaffen. Somit können • Möglichkeiten zu schaffen, die Ladeinfrastruktur auf auch Stadtverwaltungen Ladeinfrastruktur schaffen Kundenparkplätzen und kommunalen Liegenschaf- und das Laden von Fahrzeugen ihrer Mitarbeitenden am ten nachts für Anwohner ohne eigenen Parkplatz zur Arbeitsplatz ermöglichen. Verfügung zu stellen; • die Anordnungsmöglichkeiten der Straßenverkehrs- Insgesamt liefert der „Masterplan Ladeinfrastruktur“ ordnung konsequent umzusetzen, sodass Fahrzeu- eine gute Grundlage. Er definiert ein umfangreiches ge, die widerrechtlich vor einer Ladesäule parken, Arbeitsprogramm und dürfte zur Verabschiedung vieler umgehend entfernt werden können, und Bußgelder rechtlicher Regelungen führen, die beim Aufbau von so ausgesprochen werden, dass eine abschreckende Ladeinfrastruktur helfen. Gleichzeitig ermöglicht er Wirkung damit verbunden ist; eine weitreichende finanzielle Förderung des weiteren • eine rechtssichere Beschilderung von Ladesäulen Ladeinfrastrukturaufbaus. Diese finanzielle Förderung sicherzustellen; wird durch die kürzlich gefassten Beschlüsse der Bun- desregierung zum Konjunkturpaket weiter aufgestockt.18 17 BMVI (2019). 18 Vgl. BMF (o. D.): 11
Weiter denken, schneller laden | 2 | Status Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen Damit diese Gelder möglichst effizient und effektiv ein- gestalten wollen. Die Förderung von Ladeinfrastruktur ist gesetzt werden können, ist eine gute Planung seitens der ebenfalls ein Bestandteil der Maßnahmen im Kontext des Förderberechtigten einerseits und der involvierten Ver- „Sofortprogramms Saubere Luft“.21 waltungsebenen andererseits unbedingt vonnöten. Eine intensive Kommunikation über alle politischen Ebenen Die Zehn Green-City-Pläne wurden analysiert hinsicht- sowohl vom Bund zu den Ländern und den Kommunen lich der Frage, ob Ladeinfrastruktur thematisiert wird, ob als auch in umgekehrter Richtung von den Kommunen quantitative Ziele für Ladeinfrastruktur genannt werden über die Länder zum Bund ist notwendig. und wie konkret das Thema Ladeinfrastruktur disku- tiert wird. Hierfür wurden die zehn größten deutschen Städte ausgewählt. Hierbei handelt es sich um Berlin, 2.2 Wie Kommunen bisher Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Ladeinfrastruktur planen Düsseldorf, Leipzig, Dortmund und Essen.22 Außerdem wurden – falls diese Informationen aus den Green- In den letzten Jahren haben 64 Kommunen sogenannte City-Plänen nicht deutlich hervorgingen – auch andere, Green-City-Pläne erstellt. Das Bundesverkehrsminis- zusätzliche Pläne dieser Städte zum Thema Ladeinfra- terium hatte diesen Prozess im Rahmen des „Sofort strukturaufbau herangezogen. programms Saubere Luft“ ins Leben gerufen. Die Erstel- lung dieser Pläne wurde im Kontext der Förderrichtlinie Alle zehn untersuchten Städte behandeln das Thema „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme“ vom Ladeinfrastruktur in Planungsdokumenten, neun in den Bundesverkehrsministerium gefördert. Sie bildeten die Green-City-Plänen, die Stadt Frankfurt behandelt es in Grundlage für die Förderentscheidungen des Ministeri- ihrem Elektromobilitätskonzept. Die Green-City-Pläne ums nach der Förderrichtlinie (seit dem 2. Förderaufruf). sind nur in wenigen Fällen die allein ausschlaggebenden Die Elektrifizierung des Verkehrs ist dabei einer der Pläne für die Standortplanung von Ladeinfrastruktur. Eine fünf vom Ministerium vorgegebenen Schwerpunkte umfangreichere und wesentlich detailliertere Planung für für diesen Förderaufruf. Aus diesem Grund behandeln Ladeinfrastruktur findet häufig außerhalb des Green- alle analysierten Green-City-Pläne auch das Thema City-Plans statt (so beispielsweise in Köln und Frank- Elektrifizierung des Verkehrs. Sie sind somit ein guter furt).23 Sie heißen je nach Stadt jeweils anders und sind Startpunkt für eine überblicksartige Analyse der zu unterschiedlichen Zeiten fertiggestellt worden. Eine Beschäftigung der Kommunen mit dem Thema Lade städteübergreifende Analyse der bestehenden Ladeinf- infrastruktur. rastrukturplanung in Kommunen steht als Erstes vor der Herausforderung, zu identifizieren, in welchen Plänen das Das „Sofortprogramm Saubere Luft“ hat zum Ziel, die Thema Ladeinfrastruktur detailliert behandelt wird. Kommunen dabei zu unterstützen, die Überschreitungen der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) zu minimie- Die Green-City-Pläne werden manchmal auch „Master- ren.19 Gleichzeitig sollen diese Pläne Kommunen dabei pläne Green City“ genannt.24 Die Bezeichnung Master helfen, das Thema der nachhaltigen urbanen Mobilität plan ist für Laien allerdings irreführend, denn der „langfristig und strategisch anzugehen“.20 Aus der Vorlage Green-City-Plan ist bei Weitem nicht der einzige Plan umfassender strategischer Konzeptionen soll hervorge- einer Kommune, der sich mit dem Thema beschäftigt. hen, wie die betroffenen Kommunen kurz-, mittel- und Sämtliche untersuchten Green-City-Pläne verweisen langfristig die Stickstoffdioxid-Belastung reduzieren auf eine Vielfalt anderer Pläne und Planungsdokumente, und nachhaltige Mobilität in ihren Regionen zukünftig die mit ihnen im Zusammenhang stehen. Beispielhaft wären hier zu nennen: Luftreinhaltepläne, Energie- 19 Das Hauptziel der Pläne ist die kurzfristige Verbesserung der Luftqualität. Die Kurzfristigkeit des Zeithorizonts 21 Vgl. Bundesregierung (2017). widerspricht unter Umständen dem Ladeinfrastruktur- 22 Statista (2020b). aufbau, da diese Maßnahme zwar langfristig, nicht aber 23 Vgl. Stadtwerke Köln GmbH (2019) und Frankfurt e-mobil kurzfristig auf die Luftqualität wirkt. (2019). 20 BMVI (o. D.). 24 Vgl. BMVI (o. D.). 12
Agora Verkehrswende | 2 | Status Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen und Klimaschutzpläne, Masterpläne Ladeinfrastruktur, eigenes Elektro-Ladeinfrastrukturkonzept im Umfang Flächennutzungspläne, Lärmminderungspläne, Nahver- von über 70 Seiten zu erstellen, behandeln andere Städte kehrsentwicklungspläne, Stadtentwicklungspläne, Ver- das Thema Ausbau der Ladeinfrastruktur in einem kehrsentwicklungskonzepte, Sustainable Urban Mobility ausgesprochen kurzen, deskriptiven Kapitel innerhalb Plans (SUMP), Radverkehrs- oder Fußverkehrsstrategien. eines insgesamt relativ umfangreichen Plans. Auch die Selbstverständlich lassen sich Ziele für Ladeinfrastruk- Analysetiefe schwankt. Es gibt Kommunen, die eine tur auch gut in diesen Plänen verankern. Die erwähnten detaillierte, straßenscharfe Modellierung des zukünfti- Pläne haben normalerweise eine Laufzeit von mehreren gen Ladeinfrastrukturbedarfs vorgelegt haben, andere Jahren. Wenn ein Klimaschutzplan oder ein Verkehrs Kommunen verweisen auf weitere kommunale Pläne. entwicklungsplan gerade erarbeitet wird, so ist es unter Letzteres ergibt sich allerdings auch aus der Tatsache, Umständen sinnvoll, das Thema Ladeinfrastruktur gleich dass einige Städte (zum Beispiel Berlin und Hamburg) in diesem Plan abzuhandeln. bereits auf laufende Initiativen und Förderprogramme verweisen können und vergleichsweise früh mit der Aus der Auswertung der Green-City-Pläne und der Planung von Ladeinfrastruktur begonnen haben.28 Die weiteren Pläne geht hervor, dass alle zehn untersuch- Beschäftigung mit der Elektrifizierung urbaner Ver- ten Städte quantitative Ziele für die angestrebte Zahl an kehre hat in Hamburg schon im Jahr 2008 begonnen.29 Ladepunkten formuliert haben. Der Fokus der unter- Der Masterplan zur Weiterentwicklung der öffentlich suchten Pläne liegt klar auf öffentlicher und öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur Hamburg wurde 2014 zugänglicher Ladeinfrastruktur, einige Städte haben verabschiedet und setzt quantitative Ziele für das Jahr auch Ziele oder Förderprogramme für Ladepunkte im 2016.30 Solche erweiterten Planungen sind vielfach nicht privaten und gewerblichen Raum.25 Einige Unterziele in den Green-City-Masterplänen zu finden, sondern für diese Teilbereiche sind quantifiziert („Schaffung von in anderen Planungsdokumenten (zum Beispiel in Köln, 1.000 öffentlichen Ladepunkten“), andere sind nur quali Hamburg, Berlin oder Stuttgart). Hier bestehen teilweise tativ formuliert („Aufbau von Schnellladeinfrastruktur detaillierte Ausarbeitungen, die den Ladeinfrastruktur- für E-Taxis“).26 Wenn Ziele quantifiziert sind, sind sie bedarf in der Stadt auch geografisch verorten. nicht immer mit einem Zieldatum versehen. Somit ist es nicht möglich, den Erfolg dieser Maßnahmen stadtüber- Der Eindruck, der aus der Analyse der verschiedenen greifend nachträglich zu überprüfen. Dies entspricht Pläne entsteht, ist ein vielfältiger. Wenngleich sich alle einem generellen Bild, das sich auch aus einer Auswer- untersuchten Städte mit der Elektrifizierung des Ver- tung des Bundesverkehrsministeriums ergibt, in der alle kehrs auseinandergesetzt haben, so sind die Pläne, Vor- 64 eingereichten Green-City-Pläne untersucht wurden. gehensweisen und Zielsetzungen sehr unterschiedlich. Hier zeichnet sich eine große Heterogenität ab. Der Planungsstand und die damit verbundenen Zeithorizonte Während die Vergleichsanalyse von 64 Green-City- sind von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Plänen zu der Erkenntnis kommt, dass der Aufbau der Dies gilt auch für verschiedene Maßnahmen innerhalb benötigten Ladeinfrastruktur häufig erst am Anfang einzelner Green-City-Pläne.27 stehe,31 lässt sich dies für die zehn größten Städte so nicht bestätigen. Acht der zehn größten Städte befinden Der Umfang der Auseinandersetzung mit dem Thema sich ein einem Städteranking der Anzahl der öffentlichen Ladeinfrastruktur variiert in den Green-City-Plänen zum Teil stark. Während die Gemeinde Leonberg zum 28 So hat Berlin im Januar 2015 die bundesweit erste europa- Beispiel ihren Green-City-Plan dafür genutzt hat, ein weite Ausschreibung einer kommunalen Ladeinfrastruktur ins Leben gerufen. Vgl. Becker Büttner Held (BBH) (2015). 25 Vgl. Stadtverwaltung Dortmund (o. D.), Landeshauptstadt 29 Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft, Düsseldorf (2018) sowie Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Innovation (2018). Verkehr und Klimaschutz, Berlin (2018). 30 Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft, 26 Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Verkehr und Innovation (o. D.) und Bürgerschaft der Freien (2014) und Landeshauptstadt München (2018). und Hansestadt Hamburg (2014). 27 BMVI (2018). 31 BMVI (2018). 13
Weiter denken, schneller laden | 2 | Status Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen Ladpunkte unter den Top Ten.32 Diese Städte beschäf- 2.3 Was Kommunen tun müssen, um tigen sich fast durchweg schon seit circa zehn Jahren den Hochlauf der Elektromobilität mit dem Thema, da sie vormals Teil einer Modellregion zu begleiten Elektromobilität oder eines Modellprojekts „Schaufenster Elektromobilität“ waren. Die frühe Beschäftigung mit Die Arbeit, die seitens der Städte bereits in das Thema dem Thema hat diesen Städten offensichtlich einen Vor- Elektromobilität hineingeflossen ist, ist nicht zu unter- sprung beim Aufbau von Ladeinfrastruktur verschafft – schätzen. Es gilt dabei, nicht nur planerische Grundlagen es deutet aber auch darauf hin, dass diese Prozesse unter zu beachten, sondern auch wettbewerbliche.34 Viele der Umständen sehr lange dauern. hier betrachteten Ladeinfrastrukturkonzepte sind sehr detailliert und umfangreich. Auch werden oftmals eine Die geförderte Erstellung der Green-City-Pläne war für große Zahl von Ämtern und Abteilungen an der Standort- die Kommunen möglicherweise eine Hilfe, das Thema der findung beteiligt. Dies ist aufwendig und deutet auf die nachhaltigen Mobilität strategisch anzugehen – das ist Komplexität hin, die mit dieser abteilungsübergreifenden sinnvoll. Doch da die Green-City-Pläne in der Regel mit Aufgabe verbunden ist. Um den beteiligten Akteuren vielen anderen, unterschiedlichen Plänen koexistieren, die Aufgabe in Zukunft zu erleichtern, befindet sich sind sie gerade keine Blaupause für die umwelt- und kli- zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Papiers eine neue mafreundliche Weiterentwicklung einer Stadt. Letztlich DIN-Spezifikation in Arbeit, die einen Leitfaden für die sind die Bezeichnungen der Pläne und selbst das Verhält- Vorgehensweise bei der Suchraum- und Standortidenti- nis der Pläne zueinander zweitrangig. Was zählt ist nicht fizierung von Ladeinfrastruktur beinhaltet und die Pro- der Name des Plans, sondern seine rechtliche Bindungs- zessabläufe und die Schnittstellen zwischen den beteilig- wirkung, insbesondere für die Bauleitplanung.33 Die ten Akteuren im Genehmigungsprozess beschreibt.35 planerische Gestaltung einer Transformationsaufgabe wie der Verkehrswende und dem dazugehörigen Aufbau Städte nehmen beim Aufbau von Ladeinfrastruktur und von Ladeinfrastruktur lässt sich nicht einfach durch die bei der Förderung von Elektromobilität unterschiedliche Schaffung eines wie auch immer gearteten neuen Plans Rollen ein. Unter Umständen ist die Kommune über die „ins Leben rufen“ oder vorantreiben. Was allerdings in Stadtwerke auch selbst Anbieterin oder Betreiberin von den Plänen vielfach deutlich wird: Das Thema Ladeinf- Ladeinfrastruktur. In rechtlicher Hinsicht ist die Kom- rastruktur in Städten bedarf einer strategischen Planung mune in erster Linie eine Genehmigungsbehörde. Sie ist und einer abteilungsübergreifenden Abstimmung. auf Grundlage des Wege- und Straßenrechts zuständig für die Genehmigung der Ladeinfrastruktur im öffent- lichen Raum.36 Somit ermöglicht sie den Aufbau von Ladeinfrastruktur, wenn es Akteure gibt, die sich aktiv um die Errichtung von Ladepunkten an bestimmten Stel- len bemühen. Diese Rolle ist für die Inbetriebnahme von Ladepunkten unverzichtbar und steht notwendigerweise im Vordergrund. Doch nun tritt der Aufbau von Ladeinfrastruktur in eine entscheidende Phase. Während in den ersten Jahren vor allem eine Sicherung des diskriminierungs- 32 Hierbei handelt es sich um München, Hamburg, Berlin, freien Zugangs sowie die Klärung grundsätzlicher und Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig, Köln und Essen. Nicht in der Top Ten des BDEW-Ladesäulenregisters vom April 2020 sind Dortmund und Frankfurt, sie gehören ebenfalls zu den 34 Vgl. Monopolkommission (2019). zehn größten Städten. Stattdessen sind Regensburg und 35 Vgl. DIN SPEC 91433. Dresden in der Top Ten. Vgl. BDEW Bundesverband der 36 Deutsches Institut für Urbanistik (2015) und NOW (2019). Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (o. D.) sowie Statista Eine Sondernutzungserlaubnis ist nur für öffentliche (2020b). Ladeinfrastruktur notwendig, nicht aber im privaten und 33 Deutsches Institut für Urbanistik (2015). öffentlich zugänglichen Raum. 14
Agora Verkehrswende | 2 | Status Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen eichrechtlicher Fragen im Vordergrund stand, entsteht im Blick haben und die Errichtung von Ladeinfrastruktur ab 2020 aufgrund der europäischen Flottengrenzwerte gezielt anreizen und steuern. für die CO2-Emissionen von neu zugelassenen Pkw beim Thema Elektromobilität eine hohe Dynamik – enorme Eine solche Koordination der Aktivitäten aller Akteurs- Zuwächse bei den Zulassungszahlen sind zu erwarten. gruppen wird jedoch dadurch erschwert, dass Stadtver- waltungen nicht immer die Informationen über geplante Gleichzeitig ist durch den „Masterplan Ladeinfrastruk- Investitionen in Ladeinfrastruktur auf privaten Flächen tur“ und das Konjunkturprogramm nun eine finanziell haben, unter anderem aus Gründen des Datenschutzes. umfangreiche Förderung von Ladesäulen und Ladepunk- Eine Verankerung von Vorgaben zur Errichtung von ten möglich. Der Abruf dieser Gelder erfolgt dezentral. Ladeinfrastruktur in Bebauungsplänen könnte hier Zwar müssen die Anträge vom Bundesverkehrsministe- Abhilfe schaffen und dazu führen, dass Kommunen diese rium beziehungsweise der „Nationale Leitstelle Lade Informationen erhalten.40 infrastruktur” genehmigt werden, doch welche Akteure sich um finanzielle Förderung bemühen, unterliegt nicht Die erweiterte Rolle der Kommunen besteht darin, alle der Kontrolle der Kommune. beteiligten Akteursgruppen zusammenzubringen und mit ihnen eine gemeinsame Vision für die Elektromobi- Viele privatwirtschaftliche Akteure haben bereits mit lität in ihrer Stadt zu entwickeln. Sonst ist ein gezielter dem Aufbau von Ladeinfrastruktur begonnen bezie- und koordinierter Aufbau von Ladeinfrastruktur nicht hungsweise zugesagt, schnell weitere Ladepunkte zu zu erwarten. Ein unkoordinierter Aufbau von Ladein- errichten. Im öffentlich zugänglichen Bereich sind dies frastruktur jedoch wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Automobilindustrie und vor allem der Einzelhandel weder bedarfsgerecht sein, noch die Kosten des Strom- sowie die Energiewirtschaft. Die Automobilindustrie netzausbaus geringhalten können, noch wird er stadt- plant die Errichtung von 100.000 Ladepunkten auf ihren planerisch zukunftsfähig sein. Eine optimale Ladeinfra Betriebsgeländen.37 Seitens des Einzelhandels haben viele struktur, die auch in Zukunft noch sinnvoll ist, gelingt Supermärkte, Baumärkte und Möbelhäuser in den letzten nur mit städtischer Koordination und Steuerung. Jahren mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur begonnen und weitere Planungen sind im Gange. Unter den Anbie- tern von Ladeinfrastruktur auf Kundenparkplätzen sind derzeit Lidl, Kaufland, REWE, Metro, Aldi Süd, EDEKA, Ikea, Hornbach und Bauhaus.38 Weitere Investitions- vorhaben dieser Art dürften durch einen bundesweiten Förderaufruf noch beschleunigt werden. Damit die städtische Ladeinfrastruktur den Übergang in die zweite Phase schaffen kann, müssen Städte ihre Rolle um den Aspekt der gezielten und aktiven Steuerung erweitern. Städte sollten beim Aufbau von Ladeinfra- struktur als Gestalter auftreten. Es reicht nicht aus, auf Basis eines Ladeinfrastrukturkonzepts an bestimmten Stellen im öffentlichen Raum Genehmigungen für Ladesäulen zu erteilen und sie an anderen Stellen zu ver- weigern.39 Zusätzlich dazu müssen Städte das Gesamtbild 37 Vgl. Bundesregierung (2019). 40 Diese Empfehlung wird gestützt von der Begleitforschung 38 Vgl. Autobild (2020); Auto, Motor und Sport (2020); Elektromobilität. Sie weist darauf hin, dass Verankerung in Frankfurter Rundschau (2019). Chargemap.org (o. D.). bestehende Strategien und Instrumente wie Bebauungs- 39 Vgl. zum Beispiel zu diesem Thema die Bestimmungen der pläne, Verkehrsentwicklungspläne oder Stellplatzsatzungen Stadt Essen: Stadt Essen (o. D.). besonders wichtig ist. Vgl. NOW (2019). 15
Weiter denken, schneller laden | 2 | Status Quo der Ladeinfrastruktur in den Kommunen 16
3|R ahmenbedingungen der zukünftigen Ladeinfrastruktur 3.1 Der Verkehr wird elektrisch Im Beyond-2-Degree-Szenario, welches dem Erreichen der Pariser Klimaziele entspricht, haben im Jahr 2050 Die Analyse der Green-City-Pläne und der Masterpläne alle verkauften Pkw einen alternativen Antrieb, wobei Ladeinfrastruktur hat gezeigt, dass die meisten Kom- rein batterieelektrische Fahrzeuge etwa zwei Drittel der munen vom Status quo ausgehen und darauf aufbauend Verkäufe ausmachen.43 den Ladeinfrastrukturbedarf für die nächsten Jahre planen. Dabei mussten sie vor allem in den vergangenen Bundesweit wurden für das Erreichen der Klimaschutz- Jahren häufig erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich ziele im Verkehr 7 bis 10,5 Millionen elektrisch ange- der Flottendurchdringung mit E-Fahrzeugen in ihre triebener Pkw im Jahr 2030 ermittelt.44 Doch selbst diese Überlegungen einbeziehen. Bezogen auf einen langfris- Zahl entspricht nur einem Sechstel bis einem Viertel der tigen Zeithorizont nehmen diese Unsicherheiten jedoch derzeitigen Pkw-Flotte von 47 Millionen Fahrzeugen. Bis ab. Die Trends deuten darauf hin, dass der Stadtverkehr zur Klimaneutralität des Verkehrs im Jahr 2050 müssen der Zukunft nahezu komplett elektrisch sein wird. Neben entweder die restlichen Pkw ebenfalls einen elektrischen dem Personenverkehr wird auch der Lieferverkehr Antrieb haben, die Zahl der Pkw deutlich zurückgehen stärker elektrifiziert werden, hinzu kommen Taxis und oder eine Kombination aus diesen Entwicklungen reali- Busse, insbesondere wenn sie in mit Luftverschmut- siert werden.45 zung stark belasteten Städten fahren. Selbstverständlich ist Elektrifizierung nicht der einzige Zukunftstrend im Wenn im Jahr 2050 nahezu alle Fahrzeuge in der Stadt Verkehr, Digitalisierung und Elektrifizierung wirken elektrisch sein werden, so stellt das die Ladeinfrastruk- zusammen. Sharing-Angebote wie Ride- und Carsharing tur vor ungleich größere Herausforderungen als die sind ohne Digitalisierung nicht vorstellbar und setzen vergleichsweise geringen E-Auto-Anteile heute. Selbst bereits heute vielfach auf elektrische Antriebe. Auch wenn gleichzeitig die Zahl der Pkw in der Stadt insge- Leihtretroller sind heute schon elektrisch und im stati- samt ebenfalls zurückginge, so überstiege der Bedarf onslosen Bikesharing sind ebenfalls Pedelecs im Ange- an Ladepunkten dennoch die derzeitigen Planungen bot. Die Trends Elektrifizierung, Automatisierung und deutlich. Gleichzeitig wird eine derartige Menge an Sharing werden sich in Zukunft gegenseitig ergänzen Elektrofahrzeugen einen deutlichen Ausbau der Verteil- und verstärken.41 netze erfordern.46 Aus der Differenz zwischen der Zahl und Art der heute bestehenden und für die nächsten In der Klimadiskussion ist es üblich, vom Klimaschutz- Jahre geplanten Ladepunkte und einem Maximalszena- ziel in einem bestimmten Jahr ausgehend die konkrete rio, in dem alle Fahrzeuge elektrisch fahren, lassen sich notwendige Treibhausgasminderungsmenge zu ermit- wichtige Schlüsse für den Aufbau und die Gestaltung der teln. Nur so ist es möglich, die Wirksamkeit der geplanten Ladeinfrastruktur und der Verteilnetze ziehen. Maßnahmen zu quantifizieren sowie mögliche Lücken frühzeitig zu entdecken. Dies gilt insbesondere für Maß- Die Ladeinfrastruktur der Zukunft muss für eine sehr nahmen, die eine gewisse Vorlaufzeit haben, bis sie ihre viel weitgehendere Elektrifizierung ausgelegt sein, als volle Wirkung entfalten. Der Klimaschutzplan 2050 der das heute der Fall ist. Daraus ergibt sich aber schon jetzt Bundesregierung vom November 2016 spricht von einem dringender Handlungsbedarf, denn eine Ladeinfrastruk- weltweit „vollständigen Umstieg auf ein Wirtschaften tur, die dafür geeignet ist, braucht an allen Standorten ohne Treibhausgasemissionen“ im Laufe des Jahrhun- (privat, öffentlich und öffentlich zugänglich) viel mehr derts; für Deutschland wird das Ziel einer „weitgehen- Ladekapazitäten als die Ladeinfrastruktur von heute. den Treibhausgasneutralität bis 2050“ genannt. Dies impliziert, dass die Emissionen des Verkehrs auf Null sinken müssen.42 Die Internationale Energieagentur (IEA) errechnet aus den weltweiten Klimazielen die korres- 43 Öko-Institut (2019). pondierenden Raten von Pkw mit elektrischem Antrieb. 44 Vgl. Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (2019). 45 Zur Diskussion um strombasierte Kraftstoffe siehe Kapitel 2. 41 D’Agostino (2017). 46 Vgl. Agora Verkehrswende, Agora Energiewende, Regula- 42 Agora Verkehrswende (2017). tory Assistance Project (RAP) (2019b). 17
Weiter denken, schneller laden | 3 | Rahmenbedingungen der zukünftigen Ladeinfrastruktur 3.2 Der Öffentliche Raum ist knapp pflichtig sind. Allerdings erfordert eine Verringerung von Parkplätzen einen abgestimmten Plan und eine gute Werden Autos mit Strom aufgeladen, stehen sie an einem Kommunikation.50 Viele Städte wissen nicht, wie viele Ort – sie parken. Diese Standzeit kann je nach Ladeleis- Parkplätze in ihrer Stadt vorhanden sind. Gleichzeitig ist tung und Energiemenge kürzer oder länger ausfallen. Parken am Straßenrand in deutschen Städten kostenlos Insbesondere beim Laden am Straßenrand überschnei- oder sehr günstig. Der Deutsche Städtetag fordert deshalb den sich die Themen Parken und Ladeinfrastruktur. die Möglichkeit, für das Anwohnerparken eine Jahres- gebühr von bis zu 200 Euro zu erheben.51 Seit Mai 2020 Parken ist in vielen Städten heute ein konfliktreiches haben nun die Länder die Möglichkeit, diesen Gebühren- Thema. Autofahrerinnen und Autofahrer benötigen rahmen für die Kommunen anzupassen, oder im besten Parkplätze im öffentlichen Raum, sofern sie über keinen Fall die Entscheidung über die Gebührenhöhe an die privaten Stellplatz verfügen, beim Arbeitgeber parken, Kommunen weiter zu geben. ein kostenpflichtiges Parkhaus nutzen oder den Park- platz eines Einzelhandelsunternehmens in Anspruch Städte wie Paris oder Amsterdam sind hier Vorreiter. nehmen. Parkraum am Straßenrand gehört zum Bild Dort wird systematisch die Zahl der Parkplätze im heutiger Städte. Die Zahl der in Deutschland gemeldeten öffentlichen Raum verringert.52 Dadurch reduziert sich Pkw stieg in den letzten zehn Jahren stetig.47 In den Stra- auch die Zahl der Pkw. Diese Städte profitieren nicht ßen vieler Städte wird der Platz knapp, die Konkurrenz nur von einer sinkenden Belastung durch Luftschad- um die Nutzung des öffentlichen Raums wird größer. stoffe und Lärm, sie erhalten auch hochwertige Flächen Hiervon zeugen deutschlandweit zahlreiche Initiativen, im öffentlichen Raum für andere Nutzungen. Neben die sich vehement etwa mit „Volksentscheiden“ für mehr Infrastruktur für den Mobilitätsverbund sind das ins- und sicherere Radwege einsetzen. besondere: mehr Grün und attraktivere Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität – auch für lokale Geschäfte, Cafés Aber auch die Stadtverwaltungen erkennen einen Hand- und Restaurants. lungsbedarf. Sie müssen bei einer steigenden Zahl von Pkw in Städten dafür sorgen, dass der Verkehr reibungs Beim Thema Parkraummanagement herrscht bei weitem los funktioniert, und sind gleichzeitig gefordert, den keine Einigkeit – es gehört zu den umstrittensten ver- Anforderungen der Luftreinhaltung zu genügen und kehrspolitischen Themen. Doch die Konflikte um öffent- insgesamt die Aufenthaltsqualität in ihrer Stadt zu erhö- lichen Raum in der Stadt sind bereits da und werden sich hen.48 Während ein Auto so viel Platz verbraucht wie durch andere Trends wie zunehmenden Lieferverkehr zehn Fahrräder,49 fehlt es an öffentlichem Raum für breite weiter verschärfen. Parkraummanagement ist – genau und komfortable Wegeinfrastruktur für den Mobilitäts- wie Elektrifizierung – ein Schritt zur Förderung eines verbund, also für die Verkehrsmittel des öffentlichen nachhaltigen Stadtverkehrs. Der Stadtverkehr der Verkehrs, für Rad- und Fußverkehr und für kollaborative Zukunft nutzt öffentlichen Raum anders. Mobilität wie Car-, Ride- und Bikesharing. Das Laden am Straßenrand kann Teil dieses Parkraum- Eine Entspannung der Verkehrsbelastung in Städten managements sein. Es für die Verkehrswende sinnvoll, kann über eine steuernde Parkraumbewirtschaftung wenn die Zahl der Parkplätze insgesamt verringert wird erreicht werden. Durch die Menge und Art der Park und die verbleibenden Parkplätze dadurch aufgewertet raumbereitstellung kann in erheblichem Maß auf die werden, dass dort das Aufladen von Elektrofahrzeugen Zielwahl und die Verkehrsmittelwahl Einfluss genommen möglich ist. Hier spielt die Bepreisung eine Rolle. Um den werden. Kostenlose Parkplätze induzieren motorisierten Wert des Parkplatzes vor dem Ladepunkt angemessen Individualverkehr. Hingegen werden andere Verkehrs- zu bepreisen, sollte Parken über den Ladevorgang hinaus mittel attraktiver, wenn Parkplätze fehlen oder kosten- 50 Agora Verkehrswende (2019b). 47 Statista (2020a). 51 Deutscher Städtetag (2020). 48 Agora Verkehrswende (2019b). 52 Gemeente Amsterdam (o. D.a) sowie Gemeente Amsterdam 49 Agora Verkehrswende (2018). (o. D.b). 18
Agora Verkehrswende | 3 | Rahmenbedingungen der zukünftigen Ladeinfrastruktur mehr kosten. Nur so, und wenn verbotenerweise dort geparkte Verbrenner-Pkw abgeschleppt werden, lässt sich eine gute Auslastung des Ladepunktes und damit eine effiziente Nutzung dieses öffentlichen Raums errei- chen. Die Tatsache, dass es keine einheitliche Beschilde- rung von Ladesäulen gibt, trägt zusätzlich zur Verwirrung bei. Kommunen haben nach dem Elektromobilitätsgesetz viele Freiheiten bei der Gewährung von Privilegien für Elektrofahrzeuge. Leider führt die Abwesenheit von einheitlichen, bundesweiten Vorgaben dazu, dass sie auch hinsichtlich der Beschilderung hier jeweils eigene Lösungen finden mussten.53 Zu beachten ist aber auch, dass dort, wo ein Ladepunkt am Straßenrand besteht, eine andere Nutzung des Stra- ßenrands durch einen verbreiterten oder neu angelegten Radweg, einen verbreiterten Fußweg, eine Busspur oder eine für eine Straßenbahntrasse notwendige Fahrbahn- verschiebung weniger wahrscheinlich werden. Zumin- dest würden die Investitionen in die Ladevorrichtung sich rückwirkend als Fehlinvestition herausstellen. Rechtsverbindliche Verträge zur Überlassung des Raums zum Zwecke der Errichtung von Ladeinfrastruktur haben häufig eine lange Laufzeit. Die Laufzeit dieser vertraglichen Vereinbarungen kann – abhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung – bis zu 20 Jahren betragen.54 Um sich als Stadt die Gestaltungsmöglichkeiten für eine Förderung der urbanen Verkehrswende zu erhalten, ist es empfehlenswert, bereits bei der Planung von Ladein- frastruktur zu berücksichtigen, wie sie den zukünftigen Bedarfen entsprechen kann, die nicht nur durch die Elektrifizierung entstehen, sondern auch durch die Ver- änderung der Nutzung des öffentlichen Raums. 53 ADAC (2019). 54 Vgl. Monopolkommission (2019). 19
Weiter denken, schneller laden | 3 | Rahmenbedingungen der zukünftigen Ladeinfrastruktur 20
4|A uf das Zusammenspiel unterschiedlicher Ladekonzepte kommt es an Für die Ladeinfrastrukturplanung ist die Aufteilung in private Laden der Anwendungsfälle 1–3 relevant (siehe Normal-, Schnell- und HPC-Ladepunkte (high-power- Tabelle 2). Bei einer hohen Bevölkerungsdichte und charging) von Bedeutung. Im „Masterplan Ladeinfra- vielen Mehrparteienhäusern gewinnt das öffentlich struktur“ des Bundesverkehrsministeriums wurden zugängliche Laden der Anwendungsfälle 4–7 an Bedeu- sieben Anwendungsfälle für das Laden definiert, die die tung (siehe Tabelle 3). Orte, an denen E-Fahrzeuge geladen werden, in Gruppen zusammenfassen.55 Je nach Anwendungsfall kann die Die Anzahl und elektrische Leistung von Ladepunkten typische Ladeleistung zwischen 11–22 kW (Normal hat zusammen mit der typischen Lade- beziehungs- laden), bis 50 kW (Schnellladen) und 150 kW (HPC-Laden weise Aufenthaltszeit an einzelnen Standorten einen bzw. Hochleistungsladen) sowie die Ladezeit variieren. starken Einfluss auf das Potenzial zum netzdienlichen Wie attraktiv die einzelnen Anwendungsfälle für die Laden und damit auch auf die möglichen Kosten des Nutzenden sind, hängt auch von der jeweiligen Raum- Verteilnetzausbaus (siehe Kasten). Gemeinsam mit der und Wohnstruktur ab. Beispielsweise ist bei geringer Mobilitätswende ermöglicht netzdienliches Laden einen Bevölkerungsdichte und hohem Eigenheimanteil das kostengünstigeren Ausbau der Stromverteilnetze und hat Auswirkungen auf die optimale Ladeinfrastruktur 55 Bundesregierung (2019). einer Stadt. Netzdienliches Laden Die Energiewende in Stromverteilnetzen steht vor zwei großen Herausforderungen: Erstens entstehen Leistungsspitzen aufgrund wetterbedingt hoher Einspeisungen von Strom aus Sonnen- und Windkraft- anlagen. Und zweitens verursachen Wärmepumpen und Elektromobilität bei hohen Gleichzeitigkeiten und Leistungsaufnahmen steigende Lastspitzen. Im Ergebnis erhöht sich der sogenannte netzausle- gungsrelevante Fall. Aus Sicht der herkömmlichen Netzplanung sorgen die drei Treiber – Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien, Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge – dafür, dass Stromver- teilnetze ausgebaut werden müssen. In einer Studie zum Verteilnetzausbau für die Energiewende konnten Agora Verkehrswende, Agora Energiewende und Regulatory Assistance Project (RAP) darstel- len, wie weitgehend netzdienliche Ladesteuerung von Elektrofahrzeugen Lastspitzen verringert und folglich den Netzausbaubedarf vermindert.56 Für netzdienliches Laden müssen Ladevorgänge zeitlich verschoben werden können. Es ist also wichtig, wie lange ein Fahrzeug an das Stromnetz angeschlossen ist und mit welcher Leistung es geladen wer- den kann. Je nach Charakter des sogenannten Versorgungsauftrages des Verteilnetzes kann es sinnvoll sein, mit hohen Ladeleistungen Einspeisespitzen zu glätten, indem zum Beispiel bei viel Windstrom im Netz viel Strom in kurzer Zeit in Fahrzeuge geladen wird. Es kann nicht nur darum gehen, die Ladeleis- tung niedrig zu halten, um Lastspitzen zu verringern. Erzeugungsspitzen müssen ebenso adressiert werden. Öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur ist überwiegend weniger gut geeignet für netzdienliches Laden als private Ladeinfrastruktur. Das liegt daran, dass an Ladepunkten in der Öffentlichkeit im all- gemeinen kürzer geladen wird und auch daran, dass diese Standzeiten im Sinne der Verfügbarkeit von freien Ladeplätzen nur zum Laden – und nicht zum einfachen Parken – genutzt werden sollten. 56 Agora Verkehrswende, Agora Energiewende, Regulatory Assistance Project (RAP) (2019b). 21
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