Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen. Evaluation eines Städtewettbewerbs und Analyse dessen Rolle für Klein- und ...

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Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen. Evaluation eines Städtewettbewerbs und Analyse dessen Rolle für Klein- und ...
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Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021
https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021
© Author(s) 2021. This work is distributed under
the Creative Commons Attribution 4.0 License.

                     Regenerierung von Innenstädten unter
                  Schrumpfungsbedingungen. Evaluation eines
                  Städtewettbewerbs und Analyse dessen Rolle
                      für Klein- und Mittelstädte in Sachsen
                         Katrin Schade, Susan Radisch, Marcus Hübscher, and Johannes Ringel
                   Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät,
                                        Universität Leipzig, 04109 Leipzig, Deutschland
                              Correspondence: Katrin Schade (katrin.schade@uni-leipzig.de)

              Received: 19 August 2020 – Revised: 26 March 2021 – Accepted: 19 April 2021 – Published: 31 May 2021

       Kurzfassung. Many East German cities face long-term shrinking processes, which contribute to declining city
       centers. This is particularly noticeable in small and medium-sized cities with low human and financial resources.
       A funding program that helps to regenerate inner cities is the regional city competition „Ab in die Mitte! Die
       City-Offensive Sachsen“ (AMS) in Saxony, organized as a public-private partnership. This study aims to (1)
       research AMS concerning its factors of success and obstacles, (2) analyze its role for small and medium-sized
       cities and, (3) give recommendations to improve AMS. The low-threshold of participation mainly encourages
       small and medium-sized cities to take part. AMS strengthens exchange and knowledge transfer and promotes
       endogenous planning strategies. The city competition offers low funding possibilities; therefore, it can only serve
       as an incentive system. AMS should improve transparency within the evaluation process and, realign its concept
       to future urban development strategies.

1   Regenerierung von Innenstädten unter                           lich größere Handelsketten leisten; zudem sind diese mit ih-
    Schrumpfungsbedingungen                                        ren internationalen Strukturen besser auf Digitalisierung und
                                                                   damit die Gleichzeitigkeit von stationärem und digitalem Ge-
Globale Transformationsprozesse haben entscheidenden               schäft eingestellt als kleine, lokal verankerte Betriebe (Step-
Einfluss auf die Stadtentwicklung. Prozesse wie Klimawan-          per, 2015: 99). Mit der Zunahme von Einzelhandelsketten
del (Klimaanpassungs- und -schutzmaßnahmen, nachhalti-             und dem Rückgang des inhabergeführten Einzelhandels liegt
ge Mobilität), der Einsatz neuer Technologien (Digitalisie-        die Austauschbarkeit europäischer Innenstädte auf der Hand
rung, KI) und sich wandelnde gesellschaftliche Rahmen-             (Kunzmann, 2012: 163). Eine stärkere, veränderte Form der
bedingungen (Konsumverhalten, Work-Life-Balance) erfor-            Nutzungsmischung wird seitens verschiedenster institutio-
dern komplexe und umfassende Anpassungsstrategien der              neller, unternehmerischer, privater wie städtischer Akteure
Städte (Sousa et al., 2020; Rink und Haase, 2018; Dietrich         gefordert (Sperle, 2011: 124).
et al., 2014). Öffentliche Austragungsorte dieser Transfor-           Als seien diese Herausforderungen nicht komplex ge-
mationsprozesse sind insbesondere die Zentren europäischer         nug, gestalten sich die Auswirkungen in Städten unter
Städte. Der Einzelhandel als Leitfunktion der Innenstädte ge-      Schrumpfungsbedingungen noch problematischer. Schrump-
rät zunehmend unter Druck (Korzer et al., 2020: 207). Grün-        fende Klein- und Mittelstädte haben aufgrund räumlicher
de sind unter anderem der immer größer werdende Umsatz-            Disparitäten (ländlich-periphere Räume vs. Verdichtungsräu-
anteil des Onlinehandels und die gleichzeitig erschwerten          me), sozioökonomischer (Abwanderung durch Arbeitsplatz-
Bedingungen für den inhabergeführten, stationären Einzel-          verluste) und soziodemographischer Veränderungen (Demo-
handel. Die hohen Mieten können sich nahezu ausschließ-            graphischer Wandel, starke Suburbanisierungstendenzen und

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dabei fehlender Bezug zur Innenstadt) sowie geringer per-        Damit will diese Studie einerseits einen Beitrag zur Evaluati-
soneller wie finanzieller Ressourcen noch größere Verlus-        on als Methodik leisten, bei der qualitative Methoden bisher
te in den Innenstädten zu verzeichnen (Ries, 2018; Bojarra-      nur partiell zum Einsatz kamen (von Kardorff und Schön-
Becker et al., 2017; BBSR, 2012). Viele dieser Städte befin-     berger, 2020: 140). Andererseits wird die Klein- und Mittel-
den sich in einem Zustand von Existenzsicherung und Kon-         stadtforschung in den Blick genommen, die in den vergange-
solidierung ihres Finanzhaushaltes statt von zukunftsgerich-     nen Jahrzehnten zunächst vernachlässigt wurde und seit ei-
teter, strategischer Stadtplanung. Für eigene Projekte und In-   nigen Jahren eine Renaissance erfährt (Altrock et al., 2020;
vestitionen in die Innenstadtentwicklung fehlen finanzielle      Harfst und Wirth, 2014).
Mittel, dementsprechend stark sind Klein- und Mittelstäd-           Die Studie bedient sich einer mehrstufigen Methodik, wel-
te von Förderinstrumenten abhängig, beispielsweise im Rah-       che neben kartographischen Methoden zu den 450 Projekten
men der Städtebauförderung (Wiesner, 2018: 48). Jedoch ste-      auch 40 qualitative, leitfadengestützte Experteninterviews
hen dem meist hohen administrativen Aufwand einer Be-            einbindet. Außerdem wurden Vor-Ort-Begehungen in Ver-
werbung zur Förderung die knappen personellen Ressour-           bindung mit 19 qualitativen Interviews mit lokalen Akteuren
cen der Städte gegenüber (Schneider et al., 2018: 10). Es be-    durchgeführt. Zunächst wird jedoch in Abschnitt 2 die Si-
darf daher eines kontinuierlichen Monitorings von Förderin-      tuation von Innenstädten in Sachsen beleuchtet. Der Fokus
strumenten in der Stadtentwicklung (ex-post), weil nicht je-     dieser Betrachtung liegt auf Klein- und Mittelstädten, weil
de Förderstrategie (für Klein- und Mittelstädte) wirksam zu      diese Stadtgrößen aktuell am stärksten von Schrumpfungs-
sein scheint (Busch et al., 2018: 276). Ziel muss es sein, be-   prozessen betroffen sind und spezifischen Herausforderun-
stehende Instrumente zu optimieren (Diller, 2018: 296), um       gen obliegen. Außerdem bilden sie die Mehrzahl der teil-
sie auch auf die Bedarfe von Klein- und Mittelstädten zuzu-      nehmenden Städte an AMS. Daran anschließend wird AMS
schneiden.                                                       vorgestellt und in die bestehende Förderkulisse eingeordnet
   Ein Beispiel für eine Fördermaßnahme zur Regenerierung        (Abschnitt 3). Der vierte Abschnitt beleuchtet die gewählte
von Innenstädten, der es gelingt, eine Vielzahl von Klein-       Methodik mit dem Ansatz der Evaluation. Abschnitt 5 be-
und Mittelstädten einzubinden, ist der Wettbewerb „Ab in die     schreibt die Ergebnisse der Studie und diskutiert die Rolle
Mitte! Die City-Offensive Sachsen“ (AMS). Die von einer          von AMS für Klein- und Mittelstädte sowie Erfolgsfakto-
Public-private-Partnership organisierte, in Form eines Städ-     ren und Hemmnisse aus Akteursperspektive. Der letzte Ab-
tewettbewerbs ausgerichtete Initiative spiegelt einerseits die   schnitt fasst die Ergebnisse zusammen und diskutiert inhaltli-
steigende Bedeutung privater Unternehmen in der Stadtent-        che sowie konzeptionelle Handlungsempfehlungen für AMS.
wicklung wider (Kleine-König, 2018: 4). Andererseits för-
dert AMS vor allem Projekte, die Austauschbeziehungen
zwischen Bürgern, Multiplikatoren und Institutionen hervor-      2   Herausforderungen für Innenstädte von Klein- und
bringen (Ab in die Mitte, 2020). Dies entspricht der in dieser       Mittelstädten in Sachsen
Studie verstandenen Form von „Regenerierung“ als Prozess,
die neben einer physisch-materiellen bzw. städtebaulichen        Wachstum und Schrumpfung sind in Deutschland ungleich
Form eine immateriell-kommunikative Ausrichtung nachhal-         verteilt (Abb. 2). Auch wenn sich Schrumpfungs- und
tiger Stadtplanung unter Einbeziehung vielfältiger Akteure       Wachstumsprozesse nicht ausschließlich in eine Ost-West-
verfolgt (Bürkner et al., 2005: 7).                              Logik einordnen lassen, so fallen die ostdeutschen Bundes-
   AMS richtet sich an Städte aller Größenklassen und unter-     länder dennoch durch eine höhere Anzahl an schrumpfenden
stützt Projekte in den Bereichen Einzelhandel, öffentlicher      Regionen und eine zum Teil stärkere Schrumpfungsintensität
Raum sowie Kultur und Freizeit (Ab in die Mitte, 2020).          auf (BBSR, 2015: 6). Außerdem zeigt sich, dass Schrump-
Trotz der Langfristigkeit (seit 2004 ununterbrochen durch-       fungsprozesse bei kleineren Städten stärker ausgeprägt sind,
geführt) und der insgesamt hohen Anzahl teilnehmender Pro-       insbesondere, wenn sie weiter entfernt vom nächstgrößeren
jekte (n = 450) wurde AMS bisher keiner umfassenden wis-         Zentrum liegen (BBSR, 2018). Das Siedlungssystem Ost-
senschaftlichen Untersuchung unterzogen. Ziel des vorlie-        deutschlands ist weiträumiger, Städte unterschiedlicher Grö-
genden Beitrages ist es deshalb, die Fördermaßnahme AMS          ßen sind weiter voneinander entfernt, und Klein- und Mit-
ex-post zu evaluieren. Die Evaluation dient der Beantwor-        telstädte sind in der Regel kleiner als in der alten Bundesre-
tung folgender Forschungsfragen:                                 publik. Aus raumplanerischer Perspektive beginnt Forschung
                                                                 zu ostdeutschen Mittelstädten beispielsweise schon bei Städ-
  – Welche Erfolgsfaktoren und Hemmnisse ergeben sich            ten mit einer Größe von 15 000 Einwohnern und reicht bis
    im Wettbewerbsprozess aus Akteursperspektive?                zu einer Größe von 100 000 Einwohnern, während westdeut-
  – Welche Rolle spielt AMS für die Beteiligung von Klein-       sche Mittelstädte sich zwischen 50 000 und 250 000 Einwoh-
    und Mittelstädten?                                           nern bewegen (Lindner, 2010: 37).
                                                                    Diese Sonderrolle ostdeutscher Städtelandschaften äußert
  – Wie sehen konkrete Handlungsempfehlungen zur Ver-            sich auch auf kleinräumiger Ebene wie den Innenstädten, de-
    besserung des Wettbewerbsprozesses aus?                      ren Herausforderungen zurückzuführen sind auf eine histori-

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Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen. Evaluation eines Städtewettbewerbs und Analyse dessen Rolle für Klein- und ...
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                                                                 len Entwicklung des Bundeslandes und den zuvor beschrie-
                                                                 benen Transformationsprozessen herleiten. Sachsen tritt ei-
                                                                 nerseits als ostdeutsches Flächenland mit einer relativ großen
                                                                 Anzahl an Klein- und Mittelstädten und sogar der höchs-
                                                                 ten Bevölkerungsdichte hervor, welche höher als der EU-
                                                                 Durchschnitt ist und sich nahe dem bundesdeutschen Mittel-
                                                                 wert befindet (Sächsische Staatskanzlei, 2020: 5). Anderer-
                                                                 seits ist Sachsen zwischen 1991 und 2018 das Bundesland
                                                                 mit dem viertstärksten Bevölkerungsrückgang (−13, 6 %;
                                                                 Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2020: 6).
                                                                 Dadurch kommt es zu einer hohen Ausprägung und Wahr-
                                                                 nehmung des Funktionsverlustes der Innenstädte. Viele der
                                                                 sächsischen Städte kämpfen mit ähnlichen Herausforderun-
                                                                 gen der Schrumpfung und konkurrieren um Arbeitsplätze
                                                                 und wirtschaftliche Entwicklung in den Innenstädten. Das
                                                                 hat besonderen Einfluss auf die Stadt- sowie Raumentwick-
                                                                 lungspolitik in Sachsen, was dazu führt, dass sich unter-
Abb. 1. Die Bedeutung von Klein- und Mittelstädten in Deutsch-
land. Eigene Darstellung. Datengrundlage: BBSR (2012).           schiedlichste Akteure mit diesen Herausforderungen ausein-
                                                                 andersetzen und Maßnahmen innerhalb von Stadtplanungs-
                                                                 strategien diskutieren.
                                                                    Zur Regenerierung (ostdeutscher) Innenstädte sind zwei
sche, regionsspezifische Entwicklung nach der Wende sowie        Strategien von Bedeutung. Erstens sollten Politik und Stadt-
globale Transformationsprozesse.                                 verwaltung die Innen- vor der Außenentwicklung fördern
   Die Sanierung ostdeutscher Innenstädte seit 1990 verzö-       (Meinel et al., 2013: 4). Zweitens benötigen betroffene Städ-
gerte sich aufgrund von ungeklärten Eigentumsverhältnis-         te innovative Konzepte, die unter Einbeziehung der Bevölke-
sen und fehlendem Eigenkapital der privaten Hausbesitzer.        rung entwickelt werden und sich mit der Frage beschäftigen,
Verstärkt wurden stagnierende innerstädtische Investitionen      wie der Leerstand in der Mitte gefüllt werden kann (ARL,
durch staatliche Förderungen von Neuerschließungen und -         2020: 2). Durch die Einbindung der Bürgerschaft steigt das
bebauungen von Flächen am Stadtrand (Suburbanisierung            Verantwortungsbewusstsein für die eigene Kommune sowie
bzw. Deurbanisierung; von Beyme, 2001: 155–166; Weith            der Qualitätsanspruch und die Motivation zur Entwicklung
und Strauß, 2017: 127–128). Die damit verbundene struktu-        der Innenstadt (Hartwig, 2014: 3). Es ist das Ziel zahlreicher
relle Schwächung von Kernstädten wird in der Wissenschaft        öffentlicher Förderinstrumente, ebendiese Entwicklungspro-
als Donut-Effekt bezeichnet und meint damit eine Verödung        zesse zu initiieren und zu unterstützen (Wiesner, 2018: 54).
der Innenstädte (Michaeli, 2017). Die Bestandsimmobilien         Die Entstehung des Städtewettbewerbs „Ab in die Mitte! Die
in der Innenstadt finden keine Käufer, während am Stadtrand      City-Offensive“ (AM) in Deutschland und dessen besondere
neu gebaut wird (Nagel, 2018: 22). Durch Alterung der in         Rolle im Bundesland Sachsen ist vor dem Hintergrund der
Innenstädten lebenden Bewohner und eine monofunktiona-           beschriebenen, spezifischen Herausforderungen naheliegend
le Siedlungserweiterung mit Ausbildung eigener Subzentren        und verdeutlicht die Rolle der Förderinstrumente in diesem
an den Stadträndern entleeren sich identitätsprägende Innen-     Entwicklungsprozess.
städte, und Handelsflächen werden unattraktiv für Gewerbe-
treibende (Dünkel et al., 2019: 109). Durch den daraus re-
sultierenden Verfall entstehen ein schlechtes Image und ei-      3   Beschreibung und Einordnung des
ne sinkende Bereitschaft potentieller Bewohner, in betroffe-         Städtewettbewerbs AMS
ne Innenstädte zu ziehen. Eine entscheidende Folge dieser
Entwicklung ist, dass die für eine Kernstadt typische Bün-       Wettbewerbsverfahren haben sich seit den 1990er Jahren zu
delung von öffentlichen Einrichtungen, Handel und Gastro-        einem der gängigsten Mittel etabliert, um Ressourcen für
nomie heute in vielen Klein- und Mittelstädten nur noch mi-      die Stadtentwicklung zu verteilen (Taylor et al., 2001: 45).
nimal vorhanden ist. Der Einzelhandel als Impulsgeber für        Neoliberale Logiken und der Wandel vom hierarchisch orga-
lebendige Innenstädte funktioniert nicht mehr in dieser Rol-     nisierten Steuerungsstaat zum „enabling state“ (Gilbert und
le (Mensing, 2019: 192). Dies geht neben Suburbanisierung        Gilbert, 1989) stellen den Kontext dieser Entwicklung dar.
auch auf globale Transformationsprozesse wie die Bedeu-          Trotz der Popularität städtischer Wettbewerbe beobachten
tungszunahme des Onlinehandels zurück (Abschnitt 1; Scha-        Cowley und Joss (2020: 1), dass Wettbewerbsverfahren in
de et al., 2018: 147).                                           der Forschung nicht ausreichend untersucht werden.
   Die besondere Situation der Innenstädte, speziell der            Fördermaßnahmen mit Stadtentwicklungsbezug sind
Klein- und Mittelstädte Sachsens, lässt sich aus der regiona-    durch ihre Vielfalt in Bezug auf Form und Fokus ge-

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Abb. 2. Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden in Deutschland, Wanderungssaldo 2011–2016. Eigene Darstellung, Daten-
grundlage: BBSR (2018).

kennzeichnet. Das Ringen um den Austragungsort der              mente der klassischen Städtebauförderung in Deutschland er-
Olympischen Spiele gilt hierbei als höchster Preis im inter-    fuhren bereits eine wissenschaftliche Begleitung, während
nationalen Wettbewerb (Gold und Gold, 2008: 300). Auch          andere Programme meist weniger Betrachtung erfahren (sie-
auf anderen Ebenen werden unterschiedlichste Formate            he z.B. Blume et al., 2004).
durchgeführt, wie beispielsweise die „Kulturhauptstadt             Der Wettbewerb „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ in
Europas“ der Europäischen Union (Bıçakçı, 2012). In             Deutschland steht im Kontrast zu den genannten klassischen
Deutschland bestehen nationale Programme wie „Aktive            Programmen. Er entstand 1999 in Nordrhein-Westfalen und
Stadt- und Ortsteilzentren“, „Stadtumbau“ oder „Städ-           wurde kurz darauf auch in Hessen und Niedersachsen (2003),
tebaulicher Denkmalschutz“ (Böhme et al., 2018: 218),           Sachsen (2004) sowie Berlin (2005) aufgegriffen (Ferger-
deren Ziel der Abbau räumlicher Disparitäten ist (Wiesner,      Heiter und Mandac, 2011: 302). Übergeordnetes Ziel von
2018: 39–57). Diese nationalen Programme stellen das            „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ ist es, die Attraktivität
endogene Potenzial und die Selbstmotivation der Regionen        der Innenstädte in Deutschland zu erhöhen, um Erlebnisqua-
in den Fokus. Auf regionaler Ebene sind zum Beispiel die        lität und Verweildauer zu steigern. Die konkrete Ausgestal-
„Regionale“ in Nordrhein-Westfalen (MHKBG, 2021) und            tung von „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ ist in den je-
„Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ zu nennen.                weiligen Bundesländern unterschiedlich. In Sachsen sind die
   So unterschiedlich diese Programme sind, folgen sie den-     Hauptsponsoren das Sächsische Staatsministerium für Wirt-
noch der Antragslogik. Städte oder Gemeinden formulieren        schaft, Arbeit und Verkehr sowie seit 2020 das Sächsische
einen Antrag und erhalten anschließend ggf. Finanzhilfen.       Staatsministerium für Regionalentwicklung, die drei säch-
Wie viele erfolgreiche Bewerbungen es gibt bzw. welchen         sischen Industrie- und Handelskammern (sIHK), die säch-
Umfang die Unterstützungen haben, hängt dabei sehr stark        sischen Volksbanken Raiffeisenbanken, die Edeka Grund-
ab von den Spezifika des jeweiligen Wettbewerbs. Die Ele-       stücksgesellschaft Nordbayern-Sachsen-Thüringen, die MK

Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021                                                     https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021
Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen. Evaluation eines Städtewettbewerbs und Analyse dessen Rolle für Klein- und ...
K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen                                             237

Illumination Handels GmbH sowie die w3work – Agentur             4    Methodik
für Online Marketing. Der Wettbewerb wird unter einem
jährlich wechselnden Motto ausgerufen und durch den so-          Die Evaluation als Methode ist in der Stadtentwicklung stark
genannten Initiativkreis organisiert. Dieser besteht aus Spon-   verankert, vor allem bei der Beurteilung der Effekte von För-
soren und Unterstützern, darunter der Freistaat Sachsen, die     derprogrammen (Bornhorst, 2014: 796). Grundsätzlich wird
sIHK und diverse sächsische Unternehmen, die neben Preis-        unter Evaluation sowohl der Prozess als auch das Resultat
geldern auch Sachpreise einbringen. Daneben unterstützen         einer Bewertung verstanden (von Kardorff und Schönber-
Hochschuleinrichtungen mit begleitender Forschung (Uni-          ger, 2020: 139). Die Herausforderung ist hierbei, dass Evalu-
versität Leipzig, HTWK Leipzig, TU Bergakademie Frei-            ierende unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden
berg). Zudem organisiert der Initiativkreis den Ablauf des ge-   müssen. Plausibilität wird zwar als grundlegende Maxime
samten Wettbewerbs, inklusive Eröffnungs- und Abschluss-         verwendet, um Reliabilität und Validität zu wahren. Der Be-
veranstaltung nebst Workshops für teilnehmende oder in-          griff an sich ist jedoch in diesem Kontext noch nicht wei-
teressierte Städte. Teilnahmeberechtigt sind Städte und Ge-      ter definiert und führt zu Intransparenz (Kleinoscheg, 2020:
meinden im Freistaat Sachsen. Auch private und institutio-       372). Es verwundert deshalb nicht, dass Evaluationen zum
nelle Gemeinschaften können Projektinitiatoren und -träger       Teil als „rudimentär“ (Jacoby, 2009: 1) gelten und mit me-
sein, was dem Netzwerkgedanken von AMS entspricht. Ei-           thodischen Schwächen behaftet sind. Da es keine standardi-
ne Zustimmung bzw. Mitwirkung der Stadt muss allerdings          sierte Herangehensweise für Evaluationen gibt, erscheint die
nachgewiesen werden. Die eingereichten Beiträge werden           Herleitung und Begründung der Methodenwahl im Einzelfall
von einer Expertenjury mit Vertretern aus Wissenschaft,          umso wichtiger (von Kardorff und Schönberger, 2020: 140).
Wirtschaft und Politik bewertet. Das Preisgeld (EUR 110 000         Die hier vorgestellte Evaluation basiert auf einer zwei-
für 2019) und die Sachpreise (z.B. Technik und Hardware für      stufigen Herangehensweise. Ziel ist es, Fallstudien für die
städtische Außenbeleuchtung) werden unter mehreren Preis-        tieferführende Untersuchung zu ermitteln, die eine möglichst
trägern aufgeteilt (Ab in die Mitte, 2020).                      große Bandbreite an Projektthemen im Wettbewerb abbilden,
   Bislang wurde „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ in        um so Erfolgsfaktoren und Hemmnisse abzuleiten.
den jeweiligen Bundesländern mit unterschiedlichem Aus-             Arbeitsbaustein I ist durch eine quantitative, auf sekundär-
maß wissenschaftlich begleitet und analysiert. So bestehen       statistischen Daten basierenden Analyse gekennzeichnet.
einerseits wissenschaftliche Beiträge, welche den Stellen-
                                                                     – Aus der Gesamtheit von 450 Teilnahmen an AMS zwi-
wert des Städtewettbewerbs zur Förderung des Stadtmar-
                                                                       schen 2004 und 2018 wurden zunächst die 80 Projekte
ketings und der Innenstadt hervorheben (siehe z.B. Hauff,
                                                                       ausgewählt, deren Umsetzung entweder ganz oder teil-
2003: 43; Kuron, 2002: 28; Strubel, 2019: 224). Anderer-
                                                                       weise erfolgte.
seits wurden Fallstudien erarbeitet, die konkrete Teilnehmer-
projekte analysieren und diese hinsichtlich unterschiedlicher        – Im nächsten Schritt wurden diese nach dem Umset-
Aspekte evaluieren (z.B. Einberger, 2015; Slawinski, 2011).            zungsgrad und der Verfügbarkeit der Ansprechpartner
Der Städtewettbewerb in Sachsen wurde diesbezüglich nur in             sortiert. Betrachtet wurde hierbei nur der Zeitraum von
Ausschnitten kurz nach seiner Entstehung beleuchtet (Weid-             2004 bis 2010. Dies hat einerseits den Grund, dass mög-
ner und Dornbusch, 2006). Seitdem mangelt es an einer um-              lichst vollständig umgesetzte Projekte analysiert wer-
fassenden Gesamtbetrachtung.                                           den sollen. Damit wird dem Ansatz einer summativen
   Als Herausforderung für ein Monitoring von Förderin-                Ex-post-Untersuchung gefolgt (Wiechmann und Beier,
strumenten mit Stadtentwicklungsbezug wird beschrieben,                2004: 388). Andererseits steht die Nachhaltigkeit die-
dass aufgrund der heterogenen Ausgangslage und komple-                 ser Projekte im Mittelpunkt, sodass eine gewisse zeit-
xen Prozesse bisher kaum gemeinsame Grundverständnis-                  liche Distanz zwischen Projektende und Zeitpunkt der
se bestehen. Jedoch nimmt die Bedeutung der Projekte-                  Befragung eingehalten werden muss. Darüber hinaus
valuation wegen knapper werdender finanzieller Mittel zu               wurden maximal zwei Projekte pro Stadt berücksichtigt,
(Göddecke-Stellmann, 2007: 99). Auch in der Bundesregie-               um möglichst viele unterschiedliche Standorte betrach-
rung steigt das Bewusstsein für vergleichbare Monitoringan-            ten zu können.
sätze (BMVBS, 2011). Die Erfassung von Effekten öffentli-
cher Förderung ist jedoch komplex, da sie schwer zu isolie-          – Mit den aus der Auswahl resultierenden 40 Projek-
ren sind bzw. unscharf zwischen Anstoß-, Kausalitäts- und              ten wurde je ein kurzes Telefoninterview (ca. 30 min)
Mitnahmeeffekten unterschieden werden kann (Lessat et al.,             mit beteiligten Akteuren der Stadtverwaltungen geführt.
1996: 5). Aus diesem Grund wählt die vorliegende Untersu-              Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, kam dabei
chung einen sowohl quantitativen als auch qualitativen Zu-             ein Interviewleitfaden zum Einsatz (Helfferich, 2011:
gang, um aus Akteursperspektive Wirkungsketten zu identi-              40), der unter anderem die Aspekte Projektausrichtung,
fizieren und AMS zu evaluieren.                                        kooperierende Partner, akquirierte Mittel, Funktionali-
                                                                       tät sowie touristische Effekte beinhaltet. Basierend auf
                                                                       den Aussagen der Akteure wird die Intensität der Pro-

https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021                                                      Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021
238                                    K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen

      jekteffekte in fünf Stufen bewertet. Aus der Bewertung       Teilnehmerstädte. Noch nicht oder selten teilnehmende
      der vier Einzeleffekte (1. städtebauliche/funktionale Ef-    Kommunen werden hingegen vernachlässigt oder sind unter-
      fekte, 2. Folgeinvestitionen, 3. Kooperation der Projekt-    repräsentiert, obwohl von Interesse ist, was mögliche Hemm-
      partner, 4. Touristische Effekte) ergibt sich jeweils eine   nisse für eine Nicht-Teilnahme sind. Dementsprechend kann
      Bewertung des Gesamteffekts. Letzterem gegenüberge-          die Studie nur den Anspruch erheben, aus Teilnehmerper-
      stellt wird der eingeschätzte Gesamtumfang des Projek-       spektive die Faktoren für Erfolg bzw. Misserfolg im Wett-
      tes, um die erzielten Effekte besser einordnen zu kön-       bewerb abzubilden. Andererseits wurden mit Hilfe der qua-
      nen. Abbildung 3 visualisiert diese Ergebnisse mithil-       litativen Interviews die Perspektiven von Projektteilnehmern
      fe einer Entscheidungsmatrix, welche sich aus den vier       untersucht. Die so generierten Erzählungen sind dementspre-
      Einzelkriterien zusammensetzt. In dieser Matrix haben        chend stark subjektiv gefärbt, was zu Verzerrungen in der
      solche Projekte erfolgreich abgeschnitten, die im Ver-       Bewertung der jeweiligen AMS-Projekte führen kann. Das
      gleich zu ihrem Umfang einen großen Gesamteffekt er-         Ziel dieser Studie ist jedoch die Analyse ebendieser inter-
      zielen konnten.                                              nen Sichtweisen, um Erfolgsfaktoren und Hemmnisse in der
                                                                   Teilnahme am AMS-Wettbewerb nachzuvollziehen. Höhere
  In Arbeitsbaustein II findet eine weitere Filterung der 40       Objektivität und Vergleichbarkeit wurde nach Möglichkeit
ausgewählten Projekte statt.
                                                                   mit dem Führen von mindestens zwei Interviews mit unter-
  – Dabei werden zunächst die vier Projekte selektiert, de-        schiedlichen Akteuren je Stadt angestrebt.
    nen in den vier genannten Kriterien (Abb. 3) jeweils die
    größten Effekte zugeschrieben werden.                          5     Akteursperspektiven: Ergebnisse der Kartierung
                                                                         und qualitativen Interviews
  – Anschließend werden drei Projekte ausgewählt, die im
    Vergleich die größten Gesamteffekte erzielen.                  Auf Basis der Entscheidungsmatrix und der qualitativen In-
  – Zuletzt erfolgt eine Auswahl von drei Projekten, bei de-       haltsanalyse beschreibt dieser Abschnitt die räumliche Ver-
    nen interne Konflikte bestehen und die deshalb zu kei-         teilung aller AMS-Projekte im Zeitraum von 2004 bis 2018
    ner erfolgreichen Umsetzung führten.                           und die Rolle von AMS für Klein- und Mittelstädte (5.1) so-
                                                                   wie Erfolgsfaktoren (5.2) und Hemmnisse (5.3) des Städte-
Für diese zehn Projekte erfolgt eine tiefergehende qualitative     wettbewerbs aus Akteursperspektive.
Untersuchung mit Vor-Ort-Begehungen und mehreren leitfa-
dengestützten Interviews mit lokalen Akteuren. Je nach Ver-
                                                                   5.1    Räumliche Verteilung und Rolle von AMS für Klein-
fügbarkeit der Ansprechpartner wurden vor Ort ein bis drei
                                                                          und Mittelstädte
weiterführende Interviews mit beteiligten Vereinen, Privat-
personen oder weiteren involvierten Mitarbeitern der Stadt         Wie in Abb. 4 erkennbar, beteiligen sich zwischen 2004 und
geführt (insgesamt 19 Interviews). Die Methode des Exper-          2018 Städte aller Größenklassen an AMS. Die Größe der
teninterviews (Hernández Sempieri et al., 2010: 418) ermög-        Teilnehmer reicht dabei von Großstädten mit über 500 000
licht es hierbei, Erzählanreize mit Hilfe von Schlüsselfragen      Einwohnern bis hin zu Gemeinden mit unter 5000 Einwoh-
zu setzen (Gill et al., 2008: 291), ohne dabei das eigentliche     nern. Somit lassen die Wettbewerbsmodalitäten grundsätz-
Ziel der Befragung aus den Augen zu verlieren. Gleichzeitig        lich eine Beteiligung jeden Stadttyps zu. Auffällig ist je-
gewährleisten die offenen Leitfragen dem Interviewer, fle-         doch, dass 84 % aller teilnehmenden Kommunen Klein- und
xibel auf Aspekte einzugehen, welche möglicherweise noch           Mittelstädte sind, wobei diese lediglich 37 % aller politisch
nicht vor dem Interview beachtet wurden (Helfferich, 2011:         selbstständigen Gemeinden in Sachsen darstellen (Statisti-
179). Das methodische Ziel ist es, Meinungen, Erfahrungen          sches Landesamt des Freistaates Sachsen, 2020). Darüber
und Denklogiken nachzuzeichnen (Flick, 2004). Die Aus-             hinaus lassen sich regionale Unterschiede bezüglich der Häu-
wertung des Arbeitsbausteins II erfolgt in Form einer qua-         figkeiten der Teilnahmen identifizieren. Zwar gibt es grund-
litativen Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) mittels MAXQDA,          sätzlich Teilnehmer in jeder Region Sachsens. Die höchste
bei welchem unter Einbezug von Codes ein Kategoriensys-            räumliche Konzentration lässt sich jedoch in Südwestsach-
tem aufgebaut wird (Gläser und Laudel, 2010: 197).                 sen ausmachen (vgl. Abb. 4). Der direkte Vergleich zwischen
   Mit dieser Herangehensweise sollen Erfolgsfaktoren und          dem Anteil an allen sächsischen Gemeinden und dem An-
Hemmnisse aus Akteursperspektive herausgefiltert werden            teil an Teilnehmerstädten an AMS zeigt zudem, dass die Re-
und damit ein Beitrag für die zukünftige Ausgestaltung des         gion Leipzig-Nordsachsen und Dresden-Oberes Elbtal hö-
Wettbewerbs AMS geleistet werden. Gleichzeitig können              here Teilnahmequoten erzielen, als ihr Anteil an Gemein-
mithilfe der Erkenntnisse aus den Interviews Rückschlüsse          den in Sachsen beträgt. Obwohl Ostsachsen 26,3 % aller
auf die Rolle von AMS für sächsische Klein- und Mittelstäd-        sächsischen Gemeinden stellt, umfasst die Region lediglich
te gezogen werden.                                                 15,4 % aller AMS-Städte (vgl. Tab. 1). Die Annahme, dass
   Die vorgestellte Methodik ist aus mindestens zwei Grün-         eine hohe Teilnahmequote an AMS mit der Intensität der
den limitiert. Einerseits konzentriert sie sich lediglich auf      Schrumpfungsprozesse in den jeweiligen Regionen zusam-

Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021                                                       https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021
K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen                                             239

Abb. 3. Ausschnitt der Entscheidungsmatrix. Eigene Darstellung.

menhängt, kann dabei nicht bestätigt werden. So weisen die        gung dieser Stadttypen bei AMS lässt darauf schließen, dass
Oberlausitz und Südwestsachsen einen vergleichbaren Be-           die Wettbewerbsbedingungen von Vorteil für Klein- und Mit-
völkerungsrückgang und gleichzeitig unterschiedliche Teil-        telstädte sind. Kleinere Städte verfügen i. d. R. über enge
nahmeintensitäten an AMS auf.                                     Netzwerke und direkte Kontakte unter städtischen Akteuren,
  Die Bedeutung von AMS ist je nach Stadtgröße verschie-          was die Abstimmung im Wettbewerb, in den einzelnen Pro-
den, wenngleich alle Stadttypen sich beteiligen. Besonders        jektphasen, von der Initiierung bis zur Umsetzung erleichtert
Klein- und Mittelstädte profitieren von dieser Form des Wett-     (Franke et al., 2020: 28). Zudem bleiben die Ausstrahlungs-
bewerbs. Im Allgemeinen nehmen die Befragten in diesen            effekte in Großstädten im Vergleich geringer, was insbeson-
Städten es als schwieriger wahr, Erfolge in städtebaulichen       dere auf den geringen finanziellen Spielraum der Förderung
Wettbewerben zu verzeichnen. Die dennoch hohe Beteili-            und den Umfang der Projekte im Vergleich anderer großstäd-

https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021                                                      Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021
240                                     K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen

Tabelle 1. Regionen in Sachsen und ihre Anteile an sächsischen Gemeinden und Projektbeteiligungen bei AMS. Eigene Berechnung. Da-
tengrundlage: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (2020) und Ab in die Mitte Sachsen (AMS) (2020).

 Regionen                Einwohner     Bevölkerungs-   Fläche    Bevölker-      Anzahl   Anteil an allen   Teilnehmer-   Anteil an AMS
                             [EW]        entwicklung   [km2 ]   ungsdichte   Gemeinden      Gemeinden      städte AMS      Teilnehmer-
                                      1990–2015 [%]             [EW/km2 ]                 Sachsens [%]                      städten [%]
 Südwestsachsen           1 436 445           −21,6     6528          220          183             43,7            59             45,4
 Leipzig-Nordsachsen      1 043 293            −5,4     3978          262           61             14,6            27             20,8
 Dresden-Oberes Elbtal    1 042 425            −3,5     3437          303           65             15,5            24             18,5
 Ostsachsen                 553 663           −25,1     4507          123          110             26,3            20             15,4

tischer Projekte zurückzuführen ist. Dementsprechend ist die          sind ein verlässlicher Partner“. Somit profitieren die Städ-
mediale und gesellschaftliche Anerkennung des Wettbewerb-             te von der Teilnahme am Wettbewerb, während gleichzei-
serfolgs in Klein- und Mittelstädten vergleichsweise höher            tig AMS von motivierten Städten gestärkt wird. Die Orga-
einzuschätzen und führt zur Motivation einer Wiederbewer-             nisation von AMS als Public-private-Partnership scheint zu
bung bei AMS (Lobeck et al., 2009: 269).                              dieser Bindung entscheidend beizutragen, wenn Städte sich
                                                                      als Partner bezeichnen. Die vielfältigen Akteure von AMS
                                                                      selbst ermöglichen eine breite Kommunikation auf Augen-
5.2   Erfolgsfaktoren                                                 höhe. Dies steht im Gegensatz zur Hierarchie, die nationale
Die Erkenntnisse über Erfolgsfaktoren von AMS beziehen                Förderprogramme mit sich bringen, und trägt zu einer posi-
sich in erster Linie auf Argumente für die Teilnahmemotiva-           tiven Kommunikation der Städte über den Wettbewerb bei.
tion. Zunächst bietet die Teilnahme an AMS einen finanziel-           Das ist ein Hinweis auf gelingende Governance zwischen
len Anreiz, denn einige Städte können ihre Projekte nur mit-          AMS und den städtischen Akteuren (Nuñes, 2017; Hospers,
hilfe von Preisgeldern realisieren. Die Finanzmittel können,          2017). Es entsteht aber auch eine Verbindung der Städte, da
gemessen an dem zum Teil hohen Aufwand, in den Phasen                 der Wettbewerb die Kommunikation der Städte untereinan-
der Projektinitiierung (Akteursansprache), Projektentwick-            der ermöglicht. Die durch das Jahr vom Initiativkreis organi-
lung (Einbettung in Stadtplanungsstrategien, konzeptioneller          sierten Veranstaltungen sind eine intensiv genutzte Plattform
Rahmen, Kooperationen) und Projektumsetzung eher mit ei-              für sowohl teilnehmende als auch lediglich interessierte Städ-
ner Aufwandsentschädigung verglichen werden. Dafür kön-               te. Die Städte tauschen sich über aktuelle Herausforderungen
nen mehrere Städte Preisgelder gewinnen, was die Beteili-             aus und erhalten Hilfestellungen bei der Bewältigung der An-
gung wiederum attraktiver macht. Zudem können Preisgelder             forderungen an die AMS-Teilnahme. Die Mehrheit der eva-
aus AMS mit Städtebaufördermitteln kombiniert werden, um              luierten Städte steht vor ähnlichen Herausforderungen und
beispielsweise ein Anschlussprojekt zu finanzieren. In diesen         sieht durch AMS die Möglichkeit, voneinander zu lernen und
Fällen hält sich auch der Aufwand für AMS in Grenzen, da              zu profitieren. Ein Stadtvertreter einer Mittelstadt erklärte,
ein Grundkonzept bereits vorliegt. Nicht selten gelingt da-           er sei „sehr interessiert (daran), was andere Städte einrei-
durch sowohl die städtebauliche Sanierung als auch die In-            chen, weil im Endeffekt kämpfen wir um dasselbe Problem
vestition in weiche Standortfaktoren wie die Wiederbelebung           und es gibt kein größeres Lob, als wenn man abgekupfert
eines Geschäftes in der Innenstadt.                                   wird, weil’s eine gute Idee ist“. Die Aussage verdeutlicht,
   Neben der Ansprache weicher Standortfaktoren erreicht              wie bedeutend die Ausführung eines offenen bzw. transpa-
AMS auch eine Bindung der teilnehmenden Städte an den                 renten Wettbewerbes ist. Diese Ausrichtung von AMS ent-
Wettbewerb. Dafür spricht laut einiger Interviewpartner die           spricht damit einer endogenen Planungsstrategie auf regio-
Rolle von AMS bei der Identitätsbildung der Städte. Al-               naler Ebene (Gärtner und Brandt, 2020: 256; Kamleithner,
leinstellungsmerkmale können kreativ entwickelt, etabliert            2009: 38; Foißner, 2000: 300).
und möglicherweise in Folgeprojekten weiterverfolgt wer-                 Aufgrund der Verschneidungsmöglichkeiten mit anderen
den. Die Bindung der Akteure an AMS lässt sich womög-                 Förderprojekten können Projektideen innerhalb bereits vor-
lich durch den emotionalen Charakter eines Städtewettbe-              handener Themenfelder entwickelt und auf das jeweilige
werbs, den Vergleich der Städte untereinander und den damit           Wettbewerbsthema von AMS abgestimmt werden. Der Bür-
im Zusammenhang stehenden Ehrgeiz erklären. Viele teil-               germeister einer Kleinstadt erklärt, dass es die Projektideen
nehmende Städte fühlen sich sogar gegenüber AMS verant-               häufig sogar schon vor der Themenauslobung durch AMS
wortlich und nehmen regelmäßig daran teil, um den Wettbe-             gegeben hat, aber „AMS war der Impuls, eine richtige Aufga-
werb zu stärken. Ein Stadtvertreter einer Mittelstadt in Sach-        benstellung draus zu machen“. Zu dieser Möglichkeit, Pro-
sen äußerte: „(. . . ) und deshalb jedes Jahr die Beteiligung,        jekte „aus der Schublade“ zu nutzen, trägt auch die breite the-
um einfach auch zu zeigen, um mal was zurückzugeben die-              matische Ausrichtung von AMS bei. Dies ermöglicht einer-
sem Wettbewerb, dieser Initiative (AMS), und zu sagen: Wir            seits, dass sich zahlreiche Städte mit unterschiedlichen und

Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021                                                           https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021
K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen                                            241

Abb. 4. Teilnehmende Städte und Gemeinden am Wettbewerb AMS in Sachsen. Eigene Darstellung.

kreativen Projektideen beteiligen. Andererseits gewährleis-      5.3   Hemmnisse und Kritik
tet es, dass Städte ihre Projektskizzen für AMS auf konkrete
lokale Handlungsbedarfe anpassen. Diese Aussage verdeut-
                                                                 Abgesehen von den identifizierten Erfolgsfaktoren werden
licht auch, dass die Anforderungen zur Teilnahme an AMS
                                                                 von den Befragten auch Kritikpunkte angesprochen. Die
durchaus niedrigschwellig und umsetzbar sind, was von vie-
                                                                 meisten Projekte können allein durch die Preisgelder nicht
len Interviewpartnern bestätigt wird. Ein weiterer Erfolgsfak-
                                                                 finanziert werden und es sind häufig noch weitere Förder-
tor der Wettbewerbsbeteiligung sind städtebauliche Begleit-
                                                                 gelder für eine Umsetzung notwendig. Dies zeigt, dass die
effekte, die sich zum Beispiel auf die Belebung der unmittel-
                                                                 nicht nur mögliche, sondern teilweise zwingende Verschnei-
baren Nachbarschaft oder das Profitieren von Nutzungsüber-
                                                                 dung mit anderen Fördermöglichkeiten auch Risiken birgt.
schneidungen und Synergieeffekten beziehen. Ein Ansprech-
                                                                 AMS ist deshalb als ein anreizgebendes Förderinstrument zu
partner eines Kulturvereins einer Mittelstadt in Sachsen (vgl.
                                                                 betrachten, welches eher den Prozess der Ideenfindung un-
Abb. 5) kann sich erinnern: „Als wir letztes Jahr das Open-
                                                                 terstützt und eine erste Phase der Projektumsetzung mit För-
Air hier hatten, das war eine schöne Geschichte! Da hab’
                                                                 dergeldern initiiert. In dieser Phase obliegt es den Städten,
ich dann die Leute vom Management und von der Band ins
                                                                 weitere Fördermittel zu akquirieren und so die Nachhaltig-
Hotel gefahren und da saß der ganze Biergarten noch voll
                                                                 keit der Projekte zu garantieren.
nach dem Konzert (. . . )“. Diese Aussage verweist auf die
                                                                    In der Projektumsetzungsphase ergeben sich für einige In-
Funktion von AMS zur Regenerierung von Innenstädten, im
                                                                 terviewpartner Interessenkonflikte, die sich zum einen zwi-
Sinne einer zweiseitigen, d.h. materiellen (städtebaulichen)
                                                                 schen der Bevölkerung und der Stadt und zum anderen auch
und immateriellen (funktionalen) Verbesserung (Bürkner et
                                                                 zwischen am Projekt beteiligten Akteuren ergeben. Ein An-
al., 2005: 7), und stellt damit eine wertvolle Ergänzung zur
                                                                 sprechpartner eines beteiligten Vereins beschreibt die man-
Städtebauförderung dar.
                                                                 gelnde kommunale Unterstützung als Hürde, welche den Er-
                                                                 folg des betreffenden Projektes maßgeblich beeinträchtigt
                                                                 hat. Interessanterweise ergeben sich zwischen AMS und den
                                                                 Städten sowie bei den Städten untereinander Verbesserungen

https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021                                                        Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021
242                                     K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen

Abb. 5. Ehemalige Bastion und umgestaltete Kulturbastion vor und nach Wettbewerbsbeteiligung an AMS. Fotografien: Uwe Narkunat
(links) und Marcus Hübscher (rechts).

hinsichtlich der Kommunikation und Bindung, während es           men (Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen 2020).
innerhalb der Städte zu Interessenkonflikten kommt. Diese        Das würde bedeuten, zukünftig auch Kleinstadt-spezifische
Konflikte könnten auf mögliche Ungleichgewichte der Part-        Themen anzusprechen, da diese Städte aufgrund ihrer Größe
ner zurückzuführen sein, welche auf hierarchischen Struktu-      in aller Regel nicht über eine zu regenerierende Innenstadt
ren beruhen (Bernt, 2009: 762). Das wurde in dieser Studie       verfügen. Im Rahmen der theoretischen Ansätze um Quar-
nicht näher untersucht, bietet aber einen interessanten An-      tiersforschung und „Place-Konzepte“ (Vogelpohl, 2014) soll-
knüpfungspunkt für weitere Forschung.                            te sich die Frage nach einer neuen Betrachtungsweise gestellt
                                                                 werden – von einer reinen Zentrums- hin zu einer Quartiers-
                                                                 betrachtung und somit einer möglichen Erweiterung der för-
6     Handlungsempfehlungen und
                                                                 derbaren Stadträume, wie es die Neue Leipzig Charta 2020
      Schlussfolgerungen: Ideen für den zukünftigen
                                                                 aufgreift (Eurocities 2020). Diese Überlegung wird im Rah-
      Wettbewerb
                                                                 men konzeptioneller Ansätze (Abschnitt 6.2) noch einmal
                                                                 aufgegriffen.
Basierend auf den beschriebenen Erkenntnissen in Ab-
                                                                    Aktuell findet AMS jährlich statt. Es ist zu prüfen, inwie-
schnitt 5 beinhaltet dieser Abschnitt inhaltliche Handlungs-
                                                                 fern ein zweijähriger Wettbewerbsrhythmus zu besseren Ide-
empfehlungen (Abschnitt 6.1) und konzeptionelle Ansätze
                                                                 en führt, da Projekte tiefer durchdacht und eingebettet wer-
(Abschnitt 6.2) für die zukünftige Wettbewerbsgestaltung.
                                                                 den können und darüber hinaus mehr Zeit zur Interaktion
                                                                 innerhalb der Städte, mit anderen Städten und dem AMS-
6.1    Inhaltliche Handlungsempfehlungen für AMS                 Initiativkreis besteht. In diesem Zusammenhang ist die Rolle
                                                                 der Initiative als Prozessbegleiter zu stärken. Dies kann durch
Eines der übergeordneten Ziele von AMS ist es, möglichst         eine Intensivierung der Workshops (Häufigkeit in verschie-
hohe Teilnehmerzahlen zu generieren. Hierbei zeigte die          denen Wettbewerbsphasen) geschehen, was zwar mit einem
räumliche Analyse im vorangestellten Abschnitt, dass die         höheren Aufwand für alle beteiligten Akteure verknüpft wä-
sächsischen Regionen mit unterschiedlicher Intensität an         re, jedoch auch den kommunikativen Charakter des Wettbe-
AMS teilnehmen. So ist zunächst die Frage zu stellen, wes-       werbs stärken könnte. Städte könnten sich so nicht nur über
halb derart ausgeprägte regionale Ungleichheiten in Bezug        fertiggestellte Konzepte austauschen, sondern auch über den
auf die Teilnahme bestehen. Anschließend müssen Strategi-        Prozess der Ideenfindung. Ebendiese Funktion von AMS als
en zur besseren Ansprache von Regionen entwickelt werden,        Impulsgeber und Bindeglied kann noch deutlicher herausge-
welche bisher weniger aktiv im Wettbewerb waren. Dies ist        arbeitet und als Marketingansatz eingesetzt werden.
insbesondere im Fall der Oberlausitz relevant, da die Region        Bislang ist AMS so ausgestaltet, dass die reine Projektidee
seit 1990 mehr als ein Viertel seiner Einwohner verloren hat     bewertet wird. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine
und damit stärker als alle anderen Teile Sachsens von Ab-        Realisierung der eingereichten Vorhaben nach dem Wettbe-
wanderung betroffen ist.                                         werb den jeweiligen Städten überlassen ist und eine Nicht-
   Kleinere Gemeinden bis 5000 Einwohner bilden zwar             Umsetzung entsprechend nicht sanktioniert wird. Es findet
62 % aller Regionen in Sachsen, stellen jedoch nur 13 % al-      lediglich ein regelmäßiger Austausch zwischen einem Initia-
ler Teilnehmerstädte in AMS dar. Der Wettbewerb muss sich        tivkreismitglied und der jeweiligen Stadt statt, um einer zeit-
deshalb grundsätzlich die Frage stellen, ob er auch für klei-    nahen Umsetzung Nachdruck zu verleihen und ggf. Unter-
nere Gemeinden attraktiver werden sollte, da diese immer-        stützung bei auftretenden Problemen zu leisten. Indem eine
hin über ein Viertel der sächsischen Bevölkerung einneh-

Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021                                                      https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021
K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen                                            243

Tabelle 2. Anzahl der Preisträger und umgesetzter AMS-Projekte   cher bereits durch den Teilnahmeprozess Beziehungen zwi-
im Zeitraum 2004–2017. Eigene Berechnung, Datengrundlage:        schen Städten entstehen. Dieser Austausch sollte jedoch über
IHK zu Leipzig (2017).                                           den Wettbewerb hinaus gestärkt werden. Die Kommunika-
                                                                 tion ist nicht nur in der Phase der Projektinitiierung wert-
   AMS-Projekte                Anzahl      Anteil an allen       voll, sondern auch in der Umsetzungsphase. Daraus könnten
                                        AMS-Projekten [%]        interkommunale Kooperationen entstehen, welche zwischen
   Gesamt                        424                             Klein- und Mittelstädten bisher wenig Beachtung finden. De-
   davon Preisträger             139                   33        ren Verstetigung, in Form einer Kooperation von gleich star-
   davon umgesetzt                77                  18,5       ken „Kleinen“, sollte unterstützt werden (Ries, 2018: 35).
   davon teilweise umgesetzt      74                  17,5       Zur Förderung kleinerer Städte und Regionen sind weiterfüh-
   davon nicht umgesetzt         273                    64       rende Netzwerke auch hinsichtlich gemeinsamer Projekte im
                                                                 Sinne einer Regional Governance interessant, beispielswei-
                                                                 se bei der gemeinsamen Einbindung von Akteuren aus zwei
stärkere Verbindlichkeit von Städten in Bezug auf die Umset-     Städten bzw. angrenzenden Regionen (Knipperts, 2017: 13).
zung bei einer Teilnahme an AMS eingefordert wird, könn-         Aus Sicht von AMS müsste dazu eine konzeptionelle An-
te die Anzahl tatsächlich umgesetzter Projekte noch erhöht       passung der Wettbewerbsbestimmungen erfolgen, da bisher
werden. Im Zeitraum zwischen 2004 und 2017 wurden von            keine Kooperationen zwischen Städten bzw. Städten und Re-
insgesamt 424 eingereichten Projekten 74 teilweise (17,5 %)      gionen gefördert werden können.
und 77 vollständig (18,5 %) umgesetzt (Tab. 2). In der Sum-         Hinsichtlich der Kreativität der Projekte bietet AMS den
me entspricht dies einem Anteil von 36 %, was knapp über         Rahmen für ein „out of the box“-Denken (Proaktiver Tea-
der tatsächlichen Förderquote von 32,8 % liegt. Dies zeigt,      meinsatz und „out of the box“ – Denken) (Boyd und Gold-
dass ein kleinerer Anteil von Teilnehmern die jeweiligen         berg, 2019: 17). Damit ist die Möglichkeit verbunden, krea-
Projekte umsetzt, obwohl sie nicht finanziell gefördert wer-     tive Projekte umzusetzen, die in der strategischen Stadtpla-
den konnten. Taylor et al. (2001: 61) beobachten, wie für        nung kaum vorgesehen sind. Die Empfehlung zum „proakti-
einige Teilnehmer eine erfolglose Teilnahme an einem sol-        ven“ Teameinsatz bzw. „bottom-up“-Ansatz (Freiling, 2019:
chen Wettbewerb gleichzeitig negative Auswirkungen haben         30) bezieht sich zum Beispiel auf neue Potenziale wie die In-
kann, wie bspw. Resignation oder Schuldzuweisungen un-           spiration durch neue Akteure und die Motivation dieser, sich
tereinander. Umso wichtiger ist es deshalb, die Perspektive      aktiv zu beteiligen und dadurch kreativer zu denken und mit-
dieser Städte stärker in den Blick zu nehmen, was Potenzial      gestalten zu können (Eigeninitiative). Diesbezüglich scheint
für weitere Forschung bietet.                                    es ratsam, die Stadtbevölkerung an der Projektgestaltung teil-
   Einige Interviewpartner äußerten Kritik an der intranspa-     haben zu lassen (Partizipation der Stadtbevölkerung). Viele
renten Auswahl von Preisträgern. Die Transparenz und Ver-        Städte arbeiten bereits eng mit der Bevölkerung zusammen,
ständlichkeit des Wettbewerbsprozesses sind daher zu erhö-       indem sie zum Beispiel kreative Workshops anbieten oder
hen. Die genauen Vorstellungen über die einzureichenden          Online-Umfragen durchführen. Auch Schulklassen wurden
Projektbeiträge sollten knapp und übersichtlich formuliert       vor allem in Kleinstädten mit in die Ideenentwicklung einge-
und den Städten öffentlich zugänglich zur Verfügung ge-          bunden. In Teilen könnte die vielfältige Akteurseinbindung
stellt werden. Für AMS kann dies beispielsweise durch ei-        von AMS noch deutlicher eingefordert werden.
ne Checkliste mit konkreten Projektanforderungen auf der            Der Projektgedanke bei AMS birgt Chancen im Sinne ei-
Homepage erreicht werden. Daraus sollte erkennbar werden,        ner schnellen Umsetzbarkeit. Gleichzeitig ergeben sich aber
worauf insbesondere bei der Ideenfindung geachtet werden         auch Risiken, beispielsweise durch eine fehlende Einbettung
soll, wie zum Beispiel der Bezug zu Stadtplanungsstrategi-       in lokale Stadtplanungsstrategien (Prozessprojekte) (BMI,
en, der Anspruch von Kreativität und Nachhaltigkeit sowie        2020: 14). Eine bloße Reaktion auf globale Transformations-
der Realitätsbezug hinsichtlich der Finanzierung.                prozesse (z.B. Digitalisierung in Form von Apps für den lo-
                                                                 kalen Einzelhandel) ist nicht immer hilfreich. Was nützen lo-
6.2   Konzeptionelle Ansätze
                                                                 kale Handels-Apps, wenn der lokale Handel vor Ort kaum
                                                                 noch existent ist? Die lokalen Strukturen, Anforderungen
Im folgenden Teil werden konzeptionelle Ansätze für AMS          und Bedürfnisse vor Ort zu kennen und sich mit ihnen aus-
diskutiert und auf Übertragbarkeit geprüft (ein Bezug zur        einanderzusetzen, ist ebenso wichtig. Um zukünftig positive
Abb. 6 wird mit Schlagwörtern der Handlungsempfehlungen          Effekte für Innenstädte zu erzielen, ist es ratsam, langfris-
jeweils in Klammern im Fließtext hergestellt). Für teilneh-      tige Strategien zur regelmäßigen Teilnahme am Wettbewerb
mende Städte bietet AMS eine Förderung, die durch zwei           AMS zu formulieren und als Stadt nicht nur projektbezogen,
Mechanismen Wirksamkeit erzielt. So werden erstens her-          sondern konzeptionell zu denken. Eine Möglichkeit ist die
ausragende Projektideen dotiert, wodurch deren Umsetzung         Einbettung von Projektideen in Stadtentwicklungskonzepte.
gefördert wird. Zweitens ist AMS auch als Kommunika-             In der Ideenfindungsphase sollte stets die Frage beantwortet
tionsplattform (Gedankenaustausch) zu verstehen, bei wel-        werden, wie die eigene Stadt auch nach der Wettbewerbsbe-

https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021                                                      Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021
244                                  K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen

Abb. 6. Handlungsempfehlungen für Städte und Gemeinden zur Teilnahme an AMS. Eigene Darstellung.

teiligung von einem Projekt profitieren (Realitätsbezug) und      lung. Eine von Suburbanisierungsprozessen bestimmte Stadt
ein Weitblick diesbezüglich entwickelt werden kann.               mit einem Zuzug neuer Bewohner befindet sich in der Re-
   Identitätsstiftende Projekte können von großer Bedeutung       gel in einer Findungsphase; alte Identitäten und neue Le-
für die Innenstadtentwicklung sein und werden im internatio-      bensrealitäten stehen sich mitunter konträr gegenüber. Der
nalen Diskurs als „city branding“ oder innerhalb von „Narra-      enge Fokus von AMS auf Innenstädte und die damit ver-
tiven der Stadtentwicklung“ diskutiert (Identitäten) (Evans,      bundene Schaffung einer gemeinsamen Identität schränken
2003; Dastgerdi und De Luca, 2019; Willinger, 2019: 104).         die Handlungsspielräume und beteiligten Akteure ein. Da-
Solche Projekte wurden auch in AMS in einigen, meist              her ist von Projektinitiierungen mit dem reinen Gedanken
Klein- und Mittelstädten initiiert. Durch die Teilnahme an        der Schaffung gemeinsamer Identitäten eher abzuraten. Da-
AMS werden Alleinstellungsmerkmale entworfen, in deren            mit ist auch ein Hinweis auf die Fokussierung des Wettbe-
Kontext Folgeprojekte entwickelt werden können. Die Su-           werbs AMS verbunden. Zukünftig könnte über den engen
che nach einer gemeinsamen Identität birgt jedoch auch Un-        Rahmen der Innenstadt hinausgedacht werden, die durch ih-
sicherheiten, insbesondere in Hinblick auf die räumliche La-      re vielfältigen Nutzungsanforderungen und zum Teil dichte
ge und entsprechende Konsequenzen für die Stadtentwick-           Bebauung nicht immer über den Platz und die Ausstattung

Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021                                                      https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021
K. Schade et al.: Regenerierung von Innenstädten unter Schrumpfungsbedingungen                                                        245

im Sinne von Freiflächen verfügt, den Städte im Suburbani-               Deutschland – eine Bestandsaufnahme, Band 10, Selbst-
sierungsprozess benötigen. Gemeinsame Projekte in diesen                 verlag des BBSR, Bonn, Deutschland, online aufrufbar:
Stadtteilen können zur Schaffung gesellschaftlichen Zusam-               https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/
menhalts beitragen. Bei AMS werden entsprechende Projek-                 analysen-bau-stadt-raum/ausgaben/Bd10.html (zuletzt abgeru-
te in anderen Stadtteilen ohnehin bereits in die Projektbegut-           fen: 20 Mai 2021), 2012.
                                                                       BBSR (Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschnung): Wach-
achtung aufgenommen. Aber auch die Belebung der Innen-
                                                                         sen oder Schrumpfen?, BBSR-Analysen KOMPAKT 12/2015,
städte wird, gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwick-               Bonn, Deutschland, online aufrufbar: https://www.bbsr.bund.
lungen (Corona-Pandemie, Zuwanderung), einer besonderen                  de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/analysen-kompakt/2015/DL_
Anstrengung bedürfen. Das betrifft häufiger die weichen als              12_2015.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen:
harten Standortfaktoren, denn die städtebauliche Situation               20 Mai 2021), 2015.
der Innenstädte hat sich seit Initiierung von Förderinstrumen-         BBSR (Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschnung):
ten wie AMS in Sachsen und anderen Regionen deutlich er-                 Wachsen und Schrumpfen von Städten und Gemeinden im
holt. Letztlich erscheint das Denken in Quartieren, die die              bundesweiten Vergleich, online aufrufbar: https://www.bbsr.
Innenstadt einschließen und deren besondere Funktion als                 bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/
Treffpunkt der vielfältigen Stadtgesellschaft über alle Quar-            deutschland/gemeinden/wachsend-schrumpfend-gemeinden/
tiere hinweg berücksichtigen, vor diesem Hintergrund zu-                 begleitinformation.pdf?_blob=publicationFile&v=8          (zuletzt
                                                                         abgerufen: 20 Mai 2021), Bonn, Deutschland, 2018.
künftiger Stadtplanungsstrategien und -instrumente im Sinne
                                                                       Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hrsg.):
der Neuen Leipzig Charta 2020 mit dem Fokus auf Gemein-                  Vielfalt der Einheit. Wo Deutschland nach 30 Jahren
wohl auch für andere Förderinstrumente sinnvoll (Eurocities,             zusammengewachsen ist. Berlin, online aufrufbar: https:
2020).                                                                   //www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Neue-Laender/
                                                                         studie-vielfalt-der-einheit.pdf?__blob=publicationFile&v=6
                                                                         (zuletzt abgerufen: 26 Mai 2021), 2020.
Datenverfügbarkeit. Das der Studie zugrundeliegende Interview-         Bernt, M.: Partnerships of Demolition: The Governance of Urban
material kann beim korrespondierenden Autor Katrin Schade auf            Renewal in East Germany’s Shrinking Cities, Int. J. Urban Re-
Anfrage eingesehen werden.                                               gional, 33, 754–769, 2009.
                                                                       Bıçakçı, A. B.: Branding the city through culture: Istanbul, Euro-
                                                                         pean Capital of Culture 2010, International Journal of Human
Autorenmitwirkung. KS, SR und JR haben die Studie konzipiert.            Sciences, 9, 1–14, online aufrufbar: https://j-humansciences.
SR führte die empirische Untersuchung durch. Die Auswertung              com/ojs/index.php/IJHS/article/view/2065 (zuletzt abgerufen:
übernahm SR mit Unterstützung von KS und MH. Das Manuskript              20 Mai 2021), 2012.
wurde von KS, SR und MH verfasst mit Beiträgen von JR.                 Blume, L., Geppert, K., und Gornig, M.: Anstoßwirkungen öffent-
                                                                         licher Mittel in der Städtebauförderung. Kurzexpertise im Auf-
                                                                         trag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, DIW
Interessenkonflikt. Die Autor*innen erklären, dass kein Interes-         Berlin: Politikberatung Kompakt 2, Berlin, Deutschland, on-
senkonflikt besteht.                                                     line aufrufbar: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/
                                                                         diw_01.c.42608.de/diwkompakt_2004-002.pdf (zuletzt abgeru-
                                                                         fen: 20 Mai 2021), 2004.
                                                                       BMI (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat)
Begutachtung. This paper was edited by Nadine Marquardt and
                                                                         (2020): Städtebauförderung 2020. Informationen zu den För-
reviewed by three anonymous referees.
                                                                         derprogrammen, online aufrufbar: https://www.bmi.bund.
                                                                         de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/bauen/
                                                                         staedtebaufoerde-rung-2020.pdf?blob=publicationFile&v=2
Literatur                                                                (zuletzt abgerufen: 4 March 2021), 2020.
                                                                       BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
Ab in die Mitte Sachsen: https://www.abindiemitte-sachsen.de/, zu-       wicklung): Evaluierung der Städtebauförderung. Kommunale
  letzt abgerufen: 8 Mai 2020.                                           Arbeitshilfe, Berlin, Deutschland, 52 Seiten, online aufrufbar:
Altrock, U., Kurth. D., Kunze, R., Schmidt, H., und Schmitt, G.          https://www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/SharedDocs/
  (Hrsg.): Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch         Publikationen/StBauF/EvaluierungArbeitshilfe.pdf?blob=
  Stadterneuerung, Springer VS Verlag, Wiesbaden, Deutschland,           publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen: 20 Mai 2021), 2011.
  https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3, 2020.                     Bojarra-Becker, E., Franke, T., und zur Nedden, M.: Herausforde-
ARL (Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-                        rungen von Klein- und Mittelstädten. Fokus: Schrumpfung und
  Gemeinschaft): Zukunft der (Stadt-)Zentren ohne Handel?                Peripherisierung. Herausgeber: Deutsches Institut für Urbanis-
  Neue Impulse und Nutzungen für Zentren mit Zukunft. Posi-              tik (difu), Berlin, Deutschland, 1–39, online aufrufbar: https:
  tionspapier aus der ARL 116, Hannover, Deutschland, online             //repository.difu.de/jspui/handle/difu/240280 (zuletzt abgerufen:
  aufrufbar:     https://shop.arl-net.de/media/direct/pdf/pospapier/     20 Mai 2021), 2017.
  pospapier_116.pdf (zuletzt abgerufen: 20 Mai 2021), 2020.            Boyd, D. und Goldenberg, J.: Die Kreativität versteckt sich Inside
BBSR (Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschnung):                    the box, in: Inside the Box, Herausgeber: Boyd, D. und Golden-
  Analysen Bau.Stadt.Raum: Klein- und Mittelstädte in

https://doi.org/10.5194/gh-76-233-2021                                                              Geogr. Helv., 76, 233–248, 2021
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