Jung stirbt, wen die Götter lieben? - Zur Mortalität deutscher Olympiateilnehmer 1956 bis 2016
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Hauptbeitrag Ger J Exerc Sport Res 2020 · 50:280–296 Lutz Thieme https://doi.org/10.1007/s12662-020-00654-x Hochschule Koblenz, Remagen, Deutschland Eingegangen: 26. September 2019 Angenommen: 6. April 2020 Online publiziert: 29. April 2020 © Der/die Autor(en) 2020 Jung stirbt, wen die Götter lieben? Zur Mortalität deutscher Olympiateilnehmer 1956 bis 2016 Die nachhaltig positiven gesundheit- obwohl derartige Analysen internatio- liegenden Datengrundlage andererseits lichen Wirkungen von Bewegung mit nal durchaus zu finden sind, teilweise schließt sich an. Die gewonnenen ex- moderater Intensität beispielsweise bei überraschende Befunde berichtet wer- plorativen Ergebnisse werden diskutiert breitensportlichen Aktivitäten sind mitt- den (z. B. Becker, Chay, & Swaminathan, bevor der Beitrag mit einer Zusam- lerweile gut belegt (Blair et al., 1995; 2007) und Mortalitätsdaten als schnells- menfassung, die auch die Limitationen Kujala, Kaprio, Sarna, & Koskenvuo, ter und zuverlässigster Indikator für die benennt und einen Ausblick auf weiteren 1998; Turi-Lynch et al., 2019) und wer- Lebensdauer („longevity“; Vaupel, 2010, Forschungsbedarf gibt, schließt. den aktuell weder von Experten noch 536) gelten. Gerade die Unvollständig- im öffentlichen Diskurs ernsthaft be- keit und die Heterogenität zwischen Forschungsstand stritten. Dagegen sind die Erkenntnisse den jeweiligen Erhebungszeiträumen, und die Datenlage zu den langfristigen den Untersuchungsgruppen, den mit Zur Abschätzung langfristiger gesund- gesundheitlichen Folgen von sportlichen der Herkunftsnation verbundenen so- heitlicher Wirkungen von Spitzensport Belastungen, wie sie typischer Weise im zioökonomischen Einflüssen sowie den werden Überlebenszeitanalysen genutzt. Spitzensport auftreten und sich letztlich Anforderungen der Sportarten erweisen Hierbei werden die Überlebenschancen in der Lebenserwartung der Gruppe sich als Hindernisse bei der Entwicklung von Spitzensportlerinnen und Spitzen- der Leistungssportlerinnen und Leis- von Theorieelementen, die Einflüsse von sportlern eines Landes sowie die je- tungssportler niederschlagen, deutlich Spitzensport in ihrer Wechselwirkung weiligen Todesursachen mit denen der schmalerund heterogener. Durchdie me- zu anderen mortalitätsbeeinflussenden vergleichbaren Gesamtpopulation ver- diale Berichterstattung über Todesfälle Faktoren wie beispielsweise Bildung und glichen oder die Überlebenschancen ehemaliger Spitzenathletinnen und -ath- sozialer Status erklären. Die folgende innerhalb verschiedener Teilpopula- leten kann der Eindruck entstehen, dass Untersuchung möchte die vorhandene tionen von Spitzensportlerinnen und diese einem höheren Sterblichkeitsrisiko Datengrundlage erweitern und helfen, Spitzensportlern untersucht. Gängige ausgesetzt sind, als dies für die vergleich- Erkenntnislücken zu reduzieren, indem Vergleichsmaße sind dabei die standar- bare Gesamtbevölkerung der Fall ist. In zunächst der Forschungsstand zur Mor- disierte Mortalitätsrate („standardised Deutschland gewinnen Erkenntnisse zur talität von Spitzensportlern rezipiert mortality ratio“ [SMR]; Bland, 2015, Mortalität von Spitzensportlern vor dem wird. Aus den bisherigen Befunden wer- 349 f.) sowie Überlebenskurven bzw. Hintergrund der Debatte um die gesund- den Thesen1 abgeleitet, die die bisherige -funktionen (Altman, 1999, 368 ff.). Die heitlichen Folgen von Dopingpraktiken Datenlage zusammenfassen. Dem folgt SMR gibt das Verhältnis zwischen den in beiden deutschen Staaten, den Do- die Darstellung der zur Organisation der Sterberisiken einer zu beurteilenden pingopfer-Hilfegesetzen zur Gewährung erhobenen Daten verwendeten statisti- Gruppe mit einer Referenzgruppe als von Hilfeleistungen für DDR-Dopingop- schen Verfahren. Der Vergleich zwischen Faktor oder als Prozentsatz an. Über- fer (Bundestag, 2002a, b, 2016), den Dis- der Beschreibung des Phänomens „Mor- lebenskurven sind die abwärts kumu- kussionen zu deren Missbrauch (Knuth, talität von Spitzensportlerinnen und lierten Häufigkeiten der Überlebenden 2018; Sturmberg, 2018) sowie ange- -sportlern“ mit den neu gewonnenen einer Population im Zeitverlauf (Gaus & sichts der Planungen einer sogenannten Daten einerseits sowie der bislang vor- Muche, 2014, 190 ff.). „Sportlerrente“ (Sturmberg & Freitag, Um Erkenntnisse zu gesundheitlichen 2019) zusätzlich an Bedeutung. Daher ist 1 Wirkungen spitzensportlichen Engage- Da Hypothesen in der Regel bereits den Zu- es erstaunlich, dass bislang nur einzelne sammenhang zwischen Variablen beinhalten, ments zu erhalten, nutzen alle nachfol- Untersuchungen zur Mortalität von Spit- wird der weniger spezifische Begriff der These gend rezipierten Studien die Daten von zensportlern in Deutschland vorliegen, verwendet. Teilnehmerinnen und/oder Teilnehmern 280 German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020
an spezifischen Spitzensportereignissen oden nach den 1950er Jahren feststellen2. (vgl. dazu jüngst Mackay et al. (2019) (Olympische Spiele, Tour de France), Im Gegensatz zu den Ausdauersportlern zum Risiko schottischer Profifußballer, an Ligawettbewerben (National Football und den „mixed sports“ findet sich für an neurodegenerativen Krankheiten zu League, National Baseball League) oder die finnischen Meister im Gewichtheben versterben). sogar nur von Medaillengewinnerinnen der Jahre 1977–1982 eine höhere Mor- Daher wird im vorliegenden Beitrag und -gewinnern bzw. Finalistinnen und talität in den nachfolgenden 12 Jahren, versucht, durch einen Vergleich der bis- Finalisten spitzensportlicher Großereig- verglichen mit der Gesamtbevölkerung. lang vorliegenden Ergebnisse zur Mor- nisse, da damit das Abgrenzungsproblem Als Ursache vermuten die Autoren die talität von Spitzensportlerinnen und -s- zwischen Breiten- und Spitzensport ge- Verwendung von Anabolika (Pärssinen, portlern mit Ergebnissen zur Mortalität löst wird. Teramoto und Bungum (2010) Kujala, Vartiainen, Sarna, & Seppäla, deutscher Olympiateilnehmerinnen und identifizieren in einem entsprechen- 2000). -teilnehmer der Jahre 1956 bis 2016 so- den Review insgesamt 14 Studien, die Die von Teramoto und Bungum wie mit der Gesamtbevölkerung in bei- Teilnehmerinnen und Teilnehmer an (2010) gesammelten Befunde wurden in den Teilen Deutschlands zu ergründen, nationalen oder internationalen Meis- den vergangenen Jahren durch weitere ob sich die deutschen Daten in den bis- terschaften bzw. professioneller Ligen Studien hinsichtlich (I) der Mortalität herigen Forschungsstand einfügen und mit der Gesamtbevölkerung hinsicht- von Spitzensportlerinnen und -sportlern zu diskutieren, worin die Ursachen ab- lich Sterberisiko oder Überlebenschance im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, weichender Datenlagen begründet sein vergleichen. Die Ergebnisse zeigen kon- (II) der Differenz zwischen Sportarten könnten. sistente Ergebnisse für Sportarten, die mit aerob bzw. anaerob geprägter Ener- auf vorrangig aerober Energiebereit- giebereitstellung, (III) der Mortalität in Mortalität von Spitzensportler- stellung basieren (Ausdauersportarten) Mannschaftssportarten, (IV) der ver- innen und -sportlern vs. sowie für Sportarten mit einer Mischung muteten Wirkung von Doping, (V) des Gesamtbevölkerung aus aerober und anaerober Energiebe- Vergleichs von Gewinnern und Plat- reitstellung („mixed sports“). Die jeweils zierten sowie (VI) der Unterschiede Über die von Teramoto und Bungum beobachtete Spitzensportpopulation hat zwischen Athletinnen und Athleten an- (2010) angegebenen Befunde hinaus lie- eine höhere Lebenserwartung und eine gereichert. Alle Studien berichten zwar gen mittlerweile weitere Studien vor, die geringere standardisierte Mortalitätsrate Effekte auf die Mortalität der jeweiligen eine geringere Mortalität von Olympia- im Vergleich zur jeweiligen nationalen Untersuchungsgruppe, nur in wenigen teilnehmern im Vergleich zur Gesamtbe- Gesamtbevölkerung. Die Autoren führen Fällen werden jedoch Erklärungen für völkerung ausweisen. So stellen Clarke diesen Effekt auf die positiven kardiovas- die beobachteten Phänomene ad hoc et al. (2012) fest, dass die olympischen kulären Wirkungen der Sportausübung vorgeschlagen. Diese Erklärungsansät- Medaillengewinner der Jahre 1896 bis zurück. ze erschöpfen sich zudem im Verweis 2010 aus neun Ländern durchschnittlich Für Sportarten, die vor allem auf auf positive kardiovaskuläre Wirkungen, 2,8 Jahre länger leben als die vergleichba- anaerober Energiebereitstellung basie- höhere Raten von Herzerkrankungen re Gesamtbevölkerung. Die 233 männ- ren (Kraftsportarten) sowie für Mann- und Suiziden sowie vermutete Doping- lichen kroatischen Olympiamedaillenge- schaftssportarten finden sich differen- folgen. Die ermittelten Befunde werden winner der Jahre 1948 bis 1988 (für Ju- zierte Ergebnisse. Professionelle italie- explorativ miteinander verknüpft, eine goslawien) und von 1992 bis 2016 (für nische Fußballer der ersten drei Ligen theorie- oder modellprüfende Methodo- Kroatien) weisen ebenfalls eine signifi- der Jahre 1960 bis 1996 verfügen über logie findet sich in keinem der Beiträge. kant niedrigere Mortalität (SMR = 0,73; keine Überlebensvorteile gegenüber der Dies dürfte mit den methodologischen p
Zusammenfassung · Abstract für die Athleten (n = 1802; 222 Todesfälle Ger J Exerc Sport Res 2020 · 50:280–296 https://doi.org/10.1007/s12662-020-00654-x bis Studienende) und damit von signifi- © Der/die Autor(en) 2020 kanten Unterschieden zur Gesamtbevöl- kerung. Auch 203 französische Teilneh- L. Thieme mer an den olympischen Ruderwettbe- Jung stirbt, wen die Götter lieben? Zur Mortalität deutscher werben der Jahre 1912 bis 2012 weisen Olympiateilnehmer 1956 bis 2016 sowohl in der Kohorte 1912 bis 1936 (SMR = 0,63) als auch in der Kohorte Zusammenfassung Während moderate sportliche Bewegung Deutschland berücksichtigt. Es zeigt sich, dass 1948 bis 2012 (SMR = 0,40) eine im Ver- die Überlebenswahrscheinlichkeit einer die Mitglieder der deutschen Olympiamann- gleich zu Gesamtbevölkerung signifikant Risikogruppe positiv beeinflusst, sind die schaften bislang eine im Vergleich mit der geringere Mortalität auf (Antero-Jacque- Befunde im Leistungssport international Gesamtbevölkerung höhere Mortalitätsrate min et al., 2014). Vergleichbare Diffe- gemischt. Für Deutschland liegt dazu nur eine aufweisen, es keine höheren Überlebensraten renzen zur Gesamtbevölkerung bestehen Studie zu Fußball-Nationalspielern vor. Daher für die Mitglieder der Olympiamannschaften wurden mit Hilfe der Daten der Mitglieder der alten Bundesrepublik gibt, sich keine auch bei 786 französischen Teilnehmern der deutschen Olympiamannschaften 1956 Differenzen zwischen Sportarten finden an der Tour de France 1947 bis 2012 bis 2016 (n = 6066) Hypothesen zu Effekten lassen, aber steigende olympische Erfolge zu (SMR = 0,59; Marijon et al., 2013). Eine im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, zum höheren Mortalitätsraten führen. Metaanalyse von 10 Studien (Garatachea metabolischen Stoffwechsel, zu Einzel-, Mix- et al., 2014) und Reviews von Kujaw- und Mannschaftssportarten, zu Doping, zum Schlüsselwörter olympischen Erfolg und zum Geschlecht Epidemiologie · Lebensdauer · Spit- ska et al. (2017) sowie Lemez und Ba- getestet und dabei auch die Mitgliedschaft in zensportler · Olympische Spiele · Cox- ker (2015), die alle teilweise bereits bei den Olympiamannschaften der Bundesrepu- Regression Teramoto und Bungum (2010) referier- blik, der DDR sowie dem wiedervereinigten te Studien berücksichtigen, kommen zu vergleichbaren Ergebnissen. Die Daten für die Bundesrepublik Whom the gods love die young? The mortality of German Olympic Deutschland wären mit dem internatio- participants from 1956 to 2016 nalen Forschungsstand vereinbar, wenn gilt: Abstract While moderate exercise has a positive (FRG), the German Democratic Republic influence on the life expectancy of a risk (GDR) and reunited Germany was also (T1) Deutsche Olympiateilnehmerinnen group, there are mixed findings on the impact taken into account. The analysis shows that und -teilnehmer weisen eine niedrigere of competitive sports on health. For Germany, members of the German Olympic teams have Mortalität im Vergleich zur Gesamtbe- there has only been one study on football a higher mortality rate compared to the total völkerung auf. (soccer) players of the national team. Thus, population. Members of the Olympic teams based on the data of the members of the of the former FRG do not show higher survival German Olympic teams from 1956 to 2016 rates than those from the GDR. Furthermore, Sportarten mit aerob bzw. anaerob (n = 6066), different hypotheses were tested, no differences between types of sports can geprägter Energiebereitstellung such as the longevity in comparison to the be found, but there appears to be a positive total population, the effects on athletes’ correlation between Olympic success and In Übereinstimmung mit den bisherigen metabolism, the differences between mortality rates. individual, mixed and team sports, and Befunden stellen Lee-Heidenreich, Lee- the effects of doping, Olympic success Keywords Heidenreich, und Myers (2017) Differen- and gender. Membership in the Olympic Epidemiology · Longevity · Elite athletes · zen im Mortalitätsrisiko der olympischen teams of the Federal Republic of Germany Olympic Games · Cox regression Finalistinnen und Finalisten der Olympi- schen Spiele von 1928 bis 1948 im Hoch- sprung, im Diskuswerfen, im Marathon und im 100-m-Lauf fest. Diskuswerfer (T2) Deutsche Olympiateilnehmerinnen Gesamtbevölkerung. In allen betrachte- weisen das höchste Mortalitätsrisiko auf und -teilnehmer in von anaerobem Stoff- ten 13 Zeitintervallen waren die beob- (zusammenfassend für Ausdauersportler wechsel geprägten Sportarten weisen ein achteten Todesfälle der Nationalspieler vgl. Ruiz, Fiuza-Luces, Garatachea, & Lu- im Vergleich zu aerob geprägten Sport- höher als aus den Daten der Gesamtbe- cia, 2013), was konform zu den Befun- arten höheres Mortalitätsrisiko auf. völkerung zu erwarten war. Je jünger ein den über positive kardiovaskuläre Wir- Spieler bei der Erstberufung in die Natio- kungen ausdauerorientierter Bewegung Mannschaftssportarten nalmannschaft war, desto höher war das (Blair et al., 1995; Last & Weisser, 2015) Risiko, eher als erwartet zu versterben. ist. Derartige Wirkungen sollten auch in Die Befundlage zur Wirkung von Mann- Venkataramani, Gandhavadi, und Jena Deutschland zu beobachten sein, sodass schaftssportarten ist uneinheitlich. Kuss, (2018) untersuchen 3812 Spieler der Na- gelten sollte: Kluttig, und Greiser (2011) vergleichen tional Football League (NFL) der Spiel- alle Deutschen Fußball-Nationalspieler zeiten 1982 bis 1992 und finden keine der Jahre 1908 bis 2006 (n = 812) mit der signifikanten Unterschiede zur Bevölke- 282 German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020
rung (DeKosky, Jaffee, & Bauer, 2018 zur gig vom Herkunftsland, der Gewichts- dem Gewichtheben, dem Ringen und Diskussion der Ergebnisse). Dagegen be- klasse, weiterer Olympiateilnahmen oder dem Skilanglauf angeführt4 . richten Lehman et al. (2012) in Bezug Phasen, in denen die Einnahme anabo- Allerdings können sich derartige Aus- auf eine Kohorte von 3439 NFL-Spie- ler Steroide vermutet wird, im Vergleich sagen nicht auf Mortalitätsstudien stüt- lern der Spielzeiten 1959 bis 1988 von zur Gesamtbevölkerung im Durchschnitt zen, da außer den Studien von Keller einer insgesamt niedrigeren Mortalität gut 19 Jahre länger leben. Lindqvist et al. (2019) im Ringen sowie der Berücksich- bei gleichzeitig deutlich höherem Risi- (2013) wählen eine Kohorte männlicher tigung deutscher Medaillengewinner der ko, an neurodegenerativen Erkrankun- schwedischer Spitzensportler der Sport- Olympischen Spiele 1896 bis 2010 bei gen zu versterben. Bei Spielern der Spiel- arten Kraftdreikampf (Powerlifting), Ge- Clarke et al. (2012) bislang keine deut- zeiten 1937 bis 1975 mit mehr als drei wichtheben sowie der leichtathletischen schen Befunde verfügbar sind und die Spielzeiten ist das Mortalitätsrisiko 40 % Wurfdisziplinen, die Platz 1 bis 10 der beiden international verfügbaren Studien höher als bei Spielern bis zu drei NFL- schwedischen Rangliste der Jahre 1960 keine Wirkung auf das Mortalitätsrisiko Spielzeiten (Williams, 2012). Um Selek- bis 1979 einnahmen (n = 1199), weil sie zeigen. Es soll jedoch in Übereinstim- tionseffekte zu kontrollieren, vergleichen in diesem Zeitraum und in diesen Dis- mung mit der politischen Bewertung die Nguyen et al. (2019) 3419 Spieler, die zwi- ziplinen den Gebrauch anaboler Steroi- These geprüft werden, dass schen 1959 und 1988 ihre letzte NFL- de vermuten. Sie beobachten keine ge- Saison spielten, mit 2708 Spielern der stiegene Mortalität im gesamten Beob- (T4) die Mortalität ostdeutscher Olym- Major League Baseball (MLB), die der achtungszeitraum gegenüber der männ- piateilnehmerinnen und -teilnehmer hö- NFL-Kohorte angepasst wurden. Auch lichen Gesamtbevölkerung, jedoch eine her ist als die der westdeutschen Olym- hier ist das Mortalitätsrisiko für die NFL- deutlich höhere Mortalität im Lebensal- piateilnehmerinnen und -teilnehmer. Kohorte signifikant höher. Dagegen er- ter von 20 bis 50 Jahren. Auch die Selbst- sowie mitteln Lemez, Wattie, und Baker (2018) mordrate der Athleten war im Alter von für MLB-Spieler das höchste Mortalitäts- 30 bis 50 Jahren spürbar erhöht. (T5) die Mortalität deutscher Olympia- risiko unter allen Spielern der ameri- In Deutschland ist die Verwendung teilnehmerinnen und -teilnehmer in den kanischen Major Leagues3 (n = 50.515). von Doping sowohl für die Bundesrepu- Sportarten Leichtathletik, Rudern, Ge- Einen umfassenden Vergleich zwischen blik als auch für die DDR nachgewiesen. wichtheben, Skilanglauf, Biathlon, Rin- afroamerikanischen, Hispanics und wei- Unterschiede werden vor allem in der sys- gen und Eiskunstlauf höher ist als die ßen Spielern der MLB in den Geburten- tematischen, staatlich geplanten und un- der Olympiateilnehmerinnen und -teil- jahrgängen 1905 bis 1966 legt Markowitz terstützten Anwendung in der DDR gese- nehmer in den anderen Disziplinen. (2019) vor. hen, was zur Verabschiedung des ersten Die aktuell uneinheitliche Befundlage und zweiten Dopingopfer-Hilfegesetzes Sieger vs. Platzierte schließt nicht aus, dass Mannschafts- beitrug, das sich auf ehemalige DDR-Ka- sportarten anderen Wirkungen auf das derathletinnen und -athleten beschränkt Bei einem Vergleich der olympischen Mortalitätsrisiko ausüben als Einzel- (Bundestag 2002a, b, 2016). In der Geset- Gold- und Silbermedaillengewinner der sportarten, zumal Hinweise auf Differen- zesbegründung für das erste Dopingop- Jahre 1896 bis 1948 in der Leichtathletik zen in den Persönlichkeitsmerkmalen fer-Hilfegesetz heißt es dazu u. a., dass der stellt Leive (2018) fest, dass die Gold- zwischen Einzel- und Mannschaftss- Einsatz der Dopingmittel in der DDR ab medaillengewinner mehr als ein Jahr portlerinnen und Sportlern vorliegen 1966 vorwiegend bei weiblichen Sport- früher als die Silbermedaillengewinner (Eagleton, McKelvie, & de Man, 2007). lern erfolgte, die Nebenwirkungen seit verstorben sind. Der Autor führt dies Dies führt zu folgender These: Anfang der 70er Jahre, spätestens ab 1975 darauf zurück, dass die Silbermedaillen- bekannt gewesen seien und die Ausset- gewinner im Lebensverlauf einen höher (T3) Deutsche Olympiateilnehmerinnen zung der Applikationen nach den Olym- bezahlten Beruf erreichten und so den und -teilnehmer in Mannschaftssportar- pischen Spielen 1976 zwar angeordnet, verpassten Olympiasieg materiell und ten weisen eine höhere Mortalität im Ver- aber praktisch folgenlos blieb. Betroffen sozial kompensieren konnten. Dem ent- gleich zu den Teilnehmern in den Ein- wären vor allem die Sportarten Leichtath- gegen stehen die Befunde von Becker zelsportarten auf. letik, Rudern, Gewichtheben, Skilang- et al. (2007), die im Zusammenhang lauf, Biathlon und Eiskunstlauf. Explizit mit der Aufnahme in die Baseball Hall Doping wird auf die Langzeitschäden verwiesen, of Fame feststellen, dass aufgenomme- die durch die Verabreichung von Ana- ne und deutlich gescheiterte Spieler Für die männlichen Olympiasieger im bolika und Wachstumshormonen entste- 10 % länger leben als knapp gescheiterte Ringen der Jahre 1896 bis 2016 stellt hen (Bundestag, 2002b). Die Liste der Spieler (vgl. bereits Medvec, Madey, & Keller (2019) fest, dass diese unabhän- Sportarten mit den meisten Aberken- Gilovich, 1995). Auch die Befunde von nungen von olympischen Medaillenge- Kalwij (2018), der die Lebensspanne 3 Neben der MLB und der NFL sind dies die winnen infolge nachgewiesenen Dopings National Basketball Association (NBA) und die wird dann auch von der Leichtathletik, 4 Vgl. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Liste_ National Hockey League (NHL). der_aberkannten_olympischen_Medaillen. German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020 283
Hauptbeitrag US-amerikanischer Medaillengewinner Dopingrisiko für Frauen) in Deutschland antrat. Insgesamt wurden durch Addi- der Olympischen Spiele von 1904 bis gewirkt haben, müsste tion der Olympiamannschaften für den 1948 untersuchte und keine Differenz Zeitraum 1956 bis 2016 insgesamt 8934 zwischen den Gold- und Bronzemedail- (T8) das Verhältnis der Mortalitätsraten deutsche Olympiateilnehmerinnen und lengewinnern, jedoch ein im Vergleich von deutschen Olympiateilnehmerinnen -teilnehmer identifiziert. Reduziert um dazu zwischen 2,4 und 3,9 Jahren kürze- und -teilnehmern dem Verhältnis der an mehreren Olympischen Spielen Teil- res Leben der Silbermedaillengewinner Mortalitätsraten von Frauen und Män- nehmende, ergeben sich 6066 Personen, fand, weisen in Richtung eines höheren nern in der Gesamtbevölkerung entspre- von denen 4023 einmal an Olympischen Mortalitätsrisikos bei verpassten Siegen. chen. Spielen, 1436 an zwei, 442 an drei und Für Deutschland wäre daher zu prü- 165 an vier und mehr Olympischen Spie- fen, ob sich das von Kalwij (2018) beob- Methoden len teilnahmen. Die beobachtete Kohorte achtete Bewältigungsmuster zeigt. Dann von 6066 Olympiateilnehmerinnen- und müsste gelten: Die Daten zu den deutschen Olym- -teilnehmern lässt sich in die Athletin- piateilnehmerinnen und -teilnehmern nen und Athleten differenzieren, die für (T6) Deutsche Silbermedaillengewinne- sind der Website https://www.sports- die DDR bzw. für die BRD in deren rinnen und -gewinner bei Olympischen reference.com/olympics/ entnommen. selbstständiger Mannschaft oder in der Spielen haben eine höhere Mortalität als Die dortigen Angaben wurden mit Wi- gemeinsamen deutschen Mannschaft Gold- und Bronzemedaillengewinnerin- kipedia (z. B. für die westdeutschen bis 1964 antraten, sowie diejenigen, die nen und -gewinner. Teilnehmer an den Olympischen Win- nach der deutschen Wiedervereinigung terspielen 1972 https://de.wikipedia.org/ für Deutschland starteten. Die gewon- Athletinnen vs. Athleten wiki/Olympische_Winterspiele_1972/ nenen 6066 Datensätze enthalten die Teilnehmer_(BR_Deutschland)) sowie Variablen Name, Vorname, Geschlecht, Die Befunde von Coate und Sun (2012) einschlägigen Chroniken Olympischer Geburtsdatum, Sterbedatum, Jahr der für 2099 Olympische Medaillengewin- Spiele bei nicht plausiblen Angaben sowie Olympiateilnahme(n), Sportart, Medail- ner seit 1900 sowie für 302 Finalisten stichprobenartig bei ca. 25 % der Daten- lengewinne, Zuordnung zur BRD, zur der britischen und US-amerikanischen sätze gegengeprüft. Bei Abweichungen DDR bzw. zur Mannschaft des wiederver- Tennis-Meisterschaften seit den 1880er zwischen zwei Quellen erfolgten weitere einigten Deutschlands sowie einige aus Jahren weisen eine Differenz der Mor- Recherchen, beginnend bei den in Wi- diesen Angaben errechenbare Variablen talität zwischen Athletinnen und Athle- kipedia angegebenen Links. Die Fehler- (z. B. Alter bei erster Olympiateilnah- ten auf. Sowohl in einer Teilkohorte der quote der geprüften Datensätze lag unter me, Anzahl der Olympiateilnahmen) vor 1920 Geborenen (n = 421) als auch in 3 % und betraf vorrangig Abweichungen und liegen in SPSS (Version 25, IBM, der Gesamtkohorte findet sich eine 5 bis in den Geburts- und Sterbedaten von Armonk, N.Y.) vor. . Tab. 1 beinhaltet 7 Jahre längere Lebenszeit für die olym- wenigen Tagen. Dennoch kann nicht die deskriptive Beschreibung der Ge- pischen Athletinnen. Dieser Befund wird ausgeschlossen werden, dass einzelne samtzahl der Olympiateilnehmerinnen durch die Tenniskohorte gestützt. Aller- Sterbefälle nicht erfasst wurden. Die und -teilnehmer, differenziert nach der dings werden beide Ergebnisse nicht im Fehlerrate sollte aber eher klein sein und Zugehörigkeit zur jeweiligen Olympia- Verhältnis zur längeren Lebenszeit von zu keiner systematischen Verzerrung mannschaft (OM), die Beschreibung der Frauen gegenüber Männern in der je- zwischen den einzelnen Teilkohorten Verstorbenen und deren Lebensdauer, weiligen Gesamtbevölkerung (zu deren führen. einschließlich des Anteils der Verstorbe- unterschiedlicher Körperwahrnehmung Um die entwickelten Thesen zu testen, nen an den Olympiamannschaften sowie vgl. bereits Boltanski, 1976) betrachtet. wurden die Daten aller Olympiateilneh- des Verhältnisses zwischen Medaillen- Ein spezifischer Nachteil von Athletin- merinnenund -teilnehmerderJahre 1956 gewinnern und verstorbenen Medaillen- nen oder Athleten im Spitzensport wäre bis 2016 genutzt. Von der Verwendung gewinnern. ja nur dann gegeben, wenn sich das Ver- der Daten vor dem zweiten Weltkrieg Es wurden für die Teilkohorten hältnis der Mortalitätsraten aus der Ge- wurde aufgrund der durch diesen sowie Überlebenswahrscheinlichkeiten (ggf. samtbevölkerung im Spitzensport nicht den ersten Weltkrieg hervorgerufenen in mehreren Aggregationsstufen) ermit- wiederfindet. Effekte abgesehen, da diese nicht zu kon- telt und miteinander mittels Wilcoxon- Für Deutschland sollte daher zunächst trollieren sind. Zudem sind die Daten Gehan-Signifikanztest verglichen (Bühl, gelten: zum Tod der Olympiateilnehmerinnen 2019, 823). Zusätzlich werden Unter- und -teilnehmer in der ersten Hälfte des schiede zwischen den Teilkohorten mit (T7) Deutsche Olympiateilnehmerinnen 20. Jahrhunderts lückenhafter und un- dem Kaplan-Meier-Verfahren (Gaus & haben im Vergleich zu deutschen Olym- zuverlässiger als danach. Das Jahr 1952 Muche, 2014, 197 ff.) berechnet und piateilnehmerneine geringere Mortalität. wurden nicht berücksichtigt, da zu den auf signifikante Differenzen mittels Log- Wenn keine geschlechtsspezifischen Spielen in Helsinki (Sommer) und Oslo Rank-Test geprüft, um die Unterschieds- Faktoren im Spitzensport (z. B. höheres (Winter) nur eine westdeutsche Mann- befunde mit einem zweiten Standard- schaft sowie eine Mannschaft der Saar verfahren abzusichern (zur Differenz 284 German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020
Tab. 1 Deskriptive Beschreibung der zentralen Daten zum Stichtag 30.06.2019 Alle Mitglieder OM 1956 bis Mitglieder OM 1992 bis Mitglieder OM BRD 1956 bis Mitglieder OM DDR 1956 bis 2016 2016a 1988 1988 Alle Weibl Männl Alle Weibl Männl Alle Weibl Männl Alle Weibl Männl N 6066 1959 4107 2325 981 1344 2107 478 1629 1634 500 1134 Verstorbene (V) und deren Lebensdauer (LD) NV 400 37 363 7 1 6 275 21 254 118 15 103 Anteil NV in % 6,59 1,89 8,84 0,30 0,10 0,45 13,05 4,39 15,59 7,22 3,00 9,08 Min. LD (Mo- 234 234 293 234 234 317 282 282 293 341 584 341 nate) Max. LD (Mo- 1118 1088 1118 584 234 584 1104 1088 1104 1118 1088 1104 nate) MW LD (Mo- 788,0 740,6 792,8 405,3 234,0 433,8 803,7 770,3 806,4 774,1 757,7 780,1 nate) Sta.AW LD 183,1 222,7 178,3 129,7 – 115,6 178,6 244,3 172,5 171,0 120,1 173,6 (Monate) Medaillengewinner (VMG) und verstorbene Medaillengewinner (VMG) NMG 2071 715 1356 685 285 400 611 130 481 775 300 475 VMG 138 18 120 2 0 2 89 9 80 47 9 38 Anteil VMG in 6,66 2,52 8,85 0,29 0 0,50 14,57 6,92 16,63 6,06 3,00 8,00 % a Die Zuordnung zu den jeweiligen Teilen Deutschlands erfolgte bei der erstmaligen Olympiateilnahme 1956 bis 1964 anhand des Landesteils, für den die Athletinnen und Athleten bei den innerdeutschen Olympiaqualifikationswettkämpfen antraten und von 1968 bis 1988 anhand der Mannschaftslisten der beiden selbstständigen Olympiamannschaften. Bei erstmaliger Olympiateilnahme ab 1992 erfolgte die Zuordnung zum wiedervereinigten Deutschland zwischen Wilcoxon-Gehan und Log- der Gesamtbevölkerung verschiedener zwischen interessierenden Gruppen mit- Rank Martinez & Naranjo, 2010). Mit Länder aus offiziellen und historischen tels Wilcoxon-Gehan-Signifikanztest der Hilfe von Cox-Regressionen wird an- Quellen und konstruiert aus diesen u. a. Überlebenswahrscheinlichkeiten sowie schließend untersucht, welche der im Mortalitätsraten und Sterbetafeln („life anhand des Kaplan-Meier-Schätzer mit Datensatz enthaltenen Variablen wie tables“; zur Methodik Wilmoth, An- Log-Rank-Test. Um im Rahmen des ver- stark das relative Sterberisiko (Hazard- dreev, Jdanov, Glei, & Riffe, 2019), die fügbaren Datensatzes nach Hinweisen Ratio) beeinflussen (Gaus & Muche, den Standard für versicherungsmathe- auf Ursachen für detektierte Unterschie- 2014, 384 ff.; Schumacher & Schmoor, matische Berechnungen darstellen. Der de zu suchen, werden Cox-Regressionen 2002, 90 ff.; Zwiener, Blettner, & Hom- Vergleich zwischen den Daten für die gerechnet und interpretiert. Entlang mel, 2011). Die verwendeten Verfahren Gesamtbevölkerung und die der Olym- dieses Vorgehens wird nach Befunden sind Standardprozeduren der medizini- piateilnehmerinnen und -teilnehmer gesucht, die die aus dem Forschungsstand schen Statistik (z. B. Altman, 1999, 365 ff.; erfolgt anhand der jeweiligen standardi- abgeleiteten Thesen prüfen. Bland, 2015, 251 ff.; Klein & Moesch- sierten Mortalitätsraten („standardised berger, 2003, 295 ff.; Ziegler, Lange, & mortality ratio“ [SMR]). Ergebnisse Bender, 2004). Die Analysestrategie besteht damit Die für den Vergleich mit der Ge- im Aggregieren der Mortalitätsraten Standardisierte Mortalitätsrate samtbevölkerung notwendigen Daten der deutschen Olympiateilnehmerinnen deutscher Olympiateilnehmer stammen aus der Human Mortality und -teilnehmer für Vergleiche mit der Database (HMD), einem Kooperations- Gesamtbevölkerung6, in der Testung Von den insgesamt 6066 deutschen projekt, an dem u. a. das Max-Planck- auf Unterschiede der Lebensspannen Teilnehmerinnen und -teilnehmern an Institut für Demografie Rostock und die Olympischen Spielen der Jahre 1956 bis University of California, Berkeley, maß- 6 Am aussagekräftigsten wären Sterbetafeln 2016 starben bis zum Stichtag 01.07.2019 geblich beteiligt sind und dessen Daten analog zur den Sterbetafeln der Gesamtbe- genau 400. Für den Vergleich mit der bis zum Geburts- bzw. Sterbejahr 2017 völkerung, also Sterbewahrscheinlichkeitenfür Gesamtbevölkerung wurden aus den Ge- sich unter www.mortality.org finden5. jedes Lebensalter im betreffenden Kalenderjahr. burtsjahren der Olympiateilnehmenden HMD vereint Geburts- und Sterbedaten Derartige SterbetafelnliefernaberinderGruppe der Olympiateilnehmerinnen und -teilnehmer keine Aussage, da es nur geringe Besetzungen die jeweiligen zeitraum- und altersgruppenspe- 5 Daher kann bei Vergleichen mit der Ge- pro Lebensjahr und ggf. gar keine Todesfälle zifischen Risikogruppen eine vertretbare Größe samtbevölkerung auch nur der Zeitraum bis gibt. Daher wurden mehrere Lebensalter und bei genügend hohen Sterbefällen erreicht einschließlich 2017 betrachtet werden. mehrere Kalenderjahre solange aggregiert, bis haben. German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020 285
Hauptbeitrag Tab. 2 Altersgruppen- und zeitraumspezifische SMR differenziert nach alter Bundesrepublik Im Altersbereich der 35- bis 64- und ehemaliger DDR Jährigen liegt das Sterberisiko in den Zeitraum/ Olympiamannschaft BRD bezogen Olympiamannschaft DDR bezogen Perioden 1956 bis 1974 sowie 1975 bis Alters- auf Bevölkerung Westdeutschland auf Bevölkerung Ostdeutschland 1994 unterhalb der Gesamtbevölkerung gruppe Beobachtete Erwartete SMR Beobachtete Erwartete SMR (SMRw35–64;56–74 = 62 %; SMRw35–64;75–94 = Todesfälle Todesfälle Todesfälle Todesfälle 99 %), ist für die jüngste Periode jedoch 1956–1974 doppeltsohoch(SMRw35–64;96–2017 = 203 %; 15–34 10 7,48 1,34 0 5,43 – . Tab. 2, Spalte 4, Zeilen 4, 8 und 12), was 35–64 5 8,04 0,62 2 3,49 0,57 ausschließlich auf die Männer zurück- 65+ 2 0,71 2,80 Keine Risikogruppe zuführen ist. Bei den 65-Jährigen und 1975–1994 Älteren sinkt hingegen das Sterberisiko im Zeitverlauf. Das im Zeitraum 1956 15–34 13 5,86 2,22 9 5,77 1,56 bis 1974 noch knapp dreifache Risiko 35–64 40 40,44 0,99 21 34,36 0,61 für die westdeutschen Olympiateilneh- 65+ 18 12,84 1,40 2 2,49 0,80 mer (SMRw65+;56–74 = 280 %) halbiert sich 1995–2017 (SMRw65+;75–94 = 140 %) und übersteigt 15–34 4 0,37 10,71 1 0,35 2,86 das Risiko der Gesamtbevölkerung im 35–64 96 47,26 2,03 63 47,61 1,32 jüngsten Zeitraum nur noch in gerin- 65+ 271 239,57 1,13 103 152,29 0,68 gem Maße (SMRw65+;95–17 = 113 %; vgl. a Lesebeispiel: In den Jahren 1956 bis 1974 sind in der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen 10 . Tab. 2, Spalte 4, Zeilen 4, 9 und 13). Personen gestorben. Bei einer Mortalitätsrate wie in der westdeutschen Gesamtbevölkerung wären 7,48 Todesfälle zu erwarten gewesen Ostdeutsche Olympia- teilnehmende Für die ostdeutschen Olympiateilneh- die Größe der jeweiligen Risikogruppe und damit kein Vergleich zur jeweiligen merinnen und -teilnehmer wurden im („exposure group“) sowie die beobach- Gesamtbevölkerung erfolgen kann. Vergleich zur Bevölkerung in der DDR teten Todesfälle (Sterbetafeln) ab 1956 bzw. den ostdeutschen Bundesländern für jedes Alter gebildet. Die beobachtete Westdeutsche Olympia- für die Altersgruppe der 15- bis 34-Jähri- Anzahl der Sterbefälle der deutschen teilnehmende gen ebenfalls erhöhte Mortalitätsrisiken Olympiateilnehmerinnen und -teilneh- Vergleicht man die Olympiateilneh- ermittelt, die jedoch in beiden Fällen mer wurde mit den aus der Mortali- merinnen und -teilnehmer, die die maßgeblich von den Männern induziert tätsrate der Gesamtbevölkerung und Bundesrepublik Deutschland in den wurden, aber mit SMRo15–34;75–94 = 156 % aus der Größe der Gruppe der Olym- gemeinsamen deutschen Olympiamann- und SMRo15–34;95–17 = 286 % unterhalb piateilnehmenden („exposure group“) schaften 1956 bis 1964 und/oder in den der Werte der Olympiateilnehmenden errechneten erwarteten Todesfälle ins selbstständigen Mannschaften 1968 bis aus den alten Bundesländern lagen. Verhältnis gesetzt und so die Mortalitäts- 1988 vertraten, mit der Bevölkerung auf 35- bis 64-Jährige ostdeutsche Olym- rate (SMR) ermittelt. Da bei gegebener dem Gebiet der westdeutschen Bundes- pioniken weisen in den frühen Peri- Größe der Risikogruppe und der zu länder, so ist in der Altersgruppe der oden eine gegenüber der ostdeutschen verzeichnenden Todesfälle jahresweise 15- bis 34-Jährigen eine erhöhte und Gesamtbevölkerung verringerte Mor- Kombinationen ohne Risikogruppe bzw. bis zur jüngsten Zeitperiode (1995 bis talitätsrate auf (SMRo35–64;56–74 = 57 %; Todesfälle häufiger zu beobachten wa- 2017) steigende standardisierte Mortali- SMRo35–64;75–94 = 61 %), die jedoch im ren, erfolgte eine sukzessive Ausweitung tätsrate gegenüber der Gesamtbevölke- Zeitraum von 1995 bis 2017 deutlich sowohl der Zeitperiode als auch der rung zu erkennen. Statt der erwarteten über dem Wert in der Gesamtbevöl- Altersgruppen. Das Aggregieren zu drei gut sieben Todesfälle wurden im Zeit- kerung lag (SMRo35–64;95–17 = 132 %; vgl. Zeitperioden (1956 bis 1974, 1975 bis raum 1956 bis 1974 zehn Todesfälle . Tab. 2, Spalte 7). In der Altersgrup- 1994 und 1995 bis 2017) und vier Al- (SMRw15–34;56–74 = 134 %), 1975 bis 1994 pe der 65-Jährigen und Älteren liegen tersgruppen (0–14 Jahre, 15–34 Jahren, statt knapp sechs erwarteten 13 Todes- sowohl im Zeitraum 1975 bis 1994 35–64 Jahre, ab 65 Jahren) erbrachte fälle (SMRw15–34;75–94 = 222 %) und 1995 als auch 1995 bis 2017 die Mortali- aussagekräftige Werte, wobei kürzere bis 2017 statt knapp 0,4 vier Todesfälle tätsraten unter denen der Gesamtbe- Zeitperioden und Altersgruppen mit beobachtet. Rechnerisch führt dies zu völkerung (SMRo65+;75–94 = 80 % bzw. geringerer Spannweite bei Bedarf und einer SMRw15–34;95-17 von 1071 % (vgl. SMRo65+;95–17 = 68 %; . Tab. 2, Spalte 7, Verfügbarkeit zusätzliche Evidenz lie- Spalten 2, 3 und 4 in . Tab. 27). Zeilen 9 und 13). fern. Die Altersklasse 0–14 Jahre wurde dabei nicht betrachtet, da die Olympia- Deutsche Teilnehmende ab 1992 teilnahme einen Tod vor dem Erreichen 7 In . Tab. 2 sind die SMR aus Platzgründen als Bei den Olympiateilnehmerinnen und des 14. Lebensjahres de facto ausschließt Quotient und nicht als Prozentsatz angegeben. -teilnehmern, die ihre ersten Olympi- 286 German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020
entsteht statt der in . Abb. 1 darge- 300% 277,79% stellten 3 × 3-Felder-Matrix eine Matrix aus acht Altersgruppen und sechs Zeit- 250% intervallen. Die daraus resultierenden Regressionsgeraden steigen für die bei- 200% 152,99% 182,72% den Altersgruppen der 15- bis 24- sowie 144,75% der 25- bis 34-Jährigen im Zeitverlauf, 150% sinken aber für die sechs nachfolgenden 128,78% Altersbereiche. 100% 76,45% Dies deutet darauf hin, dass sich für 95,27% die jüngeren Altersgruppen das Mortali- 50% 84,21% 60,81% tätsrisiko der Athletinnen und Athleten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 0% intertemporär negativ entwickelt, wäh- 1956-1974 1975-1994 1995-2017 rend es in den höheren Altersgruppen 15-34 35-64 65+ in Richtung Gesamtbevölkerung kon- vergiert. Allerdings erreichen in der Abb. 1 8 Entwicklung der standardisierten Mortalitätsraten (SMR) nach Altersgruppen und Zeitperi- 8 × 6-Felder-Matrix aus Altersgruppen oden und Zeitintervallen von den besetzten 36 Feldern nur sieben SMR-Werte von kleiner 1 bzw. 100 %, sodass auch im schen Spiele in einer Mannschaft des westdeutschen und ostdeutschen Olym- Zeitverlauf sinkende Regressionsgera- wiedervereinten Deutschlands erleb- piateilnehmerinnen und -teilnehmer den in den älteren Altersgruppen nur ten (n = 2325), sind bis einschließlich bezogen auf die jeweilige Bevölkerung in Richtung einer Normalisierung des 30.06.2019 nur 7 Todesfälle zu beklagen. der beiden deutschen Staaten bzw. der Mortalitätsrisikos weisen. Die deutlichen Dennoch ist die SMR im Vergleich mit west- und ostdeutschen Bundesländer. Nachteile beim Sterberisiko für olympi- der Gesamtbevölkerung leicht erhöht Wirft man vor dem Hintergrund von sche Athletinnen und Athleten bleiben (SMRG15–34;95–17 = 119 %)8. Für den Al- These T1 einen Blick auf die Gesamtko- jedoch bestehen. tersbereich von 35 bis 64 deutet sich horte der deutschen Olympiateilnehme- Alles in allem widerspricht eine Viel- eine geringere Mortalitätsrate als in der rinnen und -teilnehmer 1956 bis 2016 zahl von SMR und deren intertemporale Gesamtbevölkerung an. Aufgrund des aus Ost und West und vergleicht diese Entwicklung der These T1, sodass diese in manchen Altersgruppen und Zeiträu- mit der Gesamtbevölkerung, so finden zurückgewiesen werden muss. men geringen Umfangs der Risikogrup- sich in den drei betrachteten Zeiträu- pensowie derhohenBevölkerungszahlen men steigende standardisierte Mortali- Anaerob vs. aerob geprägte mit entsprechend hoher Zahl an Todes- tätsraten für die Altersbereiche der 15- Sportarten fällen, ergeben sich geringe Konfidenzin- bis 34-Jährigen und der 35- bis 64-Jähri- tervalle für die Sterbewahrscheinlichkeit gen und eine abnehmende Rate bei den Die verschiedenen olympischen Sport- und in Folge dessen auch für die Zahl 65-Jährigen und Älteren (. Abb. 1). arten beanspruchen die metabolischen der erwarteten Todesfälle sowie für die Die Ergebnisse entsprechend . Abb. 1 Stoffwechselprozesse in unterschiedli- SMR der Risikogruppe. Zufallsereignisse werden maßgeblich durch die Mortalität chen Relationen (Kenney, Wilmpore, & haben in der Risikogruppe daher auch in den ost- und westdeutschen Olympia- Costill, 2015). Daher wird nach Auffäl- eine stärkere Bedeutung für die SMR mannschaften geprägt. Dagegen hat das ligkeiten zwischen den verschiedenen als in der Gesamtbevölkerung. . Tab. 2 Risiko für die Olympiateilnehmenden Sportarten gesucht, die geeignet sind, enthält die Gesamtübersicht über die al- nach der Wiedervereinigung bislang nur T2 zu falsifizieren. Als Prototypen an- ters- und zeitraumspezifischen SMR der einen geringen Einfluss auf die Gesamt- aerob geprägter Sportarten sollen dabei entwicklung. Ausweislich . Tab. 2 und die leichtathletischen Wurfdisziplinen . Abb. 1 scheint es im Zeitverlauf zu (n = 186; 18 Sterbefälle) und Gewicht- 8 Bei den sieben zu beklagenden Todesfäl- einem Anstieg der SMR in den jüngeren heben (n = 79; 9 Sterbefälle) gelten. len handelt es sich in zwei Fällen um eine Krebserkrankung, in zwei Fällen um plötzlichen Altersbereichen gekommen zu sein. Als aerob geprägte Sportarten werden Herztod und um einen Verkehrsunfall während Um dies genauer zu prüfen, wurden Skilanglauf (n = 123; 11 Sterbefälle) und der Trainertätigkeit bei Olympischen Spielen. zusätzlich spannweitengleiche Alters- Rudern (n = 542; 24 Sterbefälle) klassifi- ZudemstarbeineSnowborderinbeieinerBrand- gruppen der 15- bis 24-Jährigen, der 25- ziert. katastrophe einer Gletscherbahn. In einem Fall bis 34-Jährigen usw. bis zu den über 84- Die SMR zwischen beiden Grup- wird als Todesursache lediglich „lange schwere Krankheit“ genannt. Hätten sich statt der beob- Jährigen und Zeitintervalle für die Jahre pen betragen SMRaerob = 153 % bzw. achteten sieben Todesfällen nur sechs ereignet, 1956 bis 1964, 1965 bis 1974 usw. bis zum ergäbe sich eine SMRG15–34;95-17 = 102 %. Intervall 2005 bis 2017 gebildet. Damit German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020 287
Hauptbeitrag SMRanaerob = 79 %9. Die Berechnung der ligen Olympiateilnahme11, die Unter- Einzelleistungen, die typischer Weise bei Überlebenswahrscheinlichkeit mit Hilfe scheidung zwischen DDR, BRD und Staffeln oder bei Mannschaftswertungen der Wilcoxon-Gehan-Statistik (Gehan, Gesamtdeutschland, die Differenzie- vorliegen, hinausgehen. Entsprechend 1965) erbringt keine signifikanten Unter- rung zwischen Einzelsportarten, Mixed- dieses Kriteriums wurden als olympi- schiede im direkten Vergleich zwischen Sportarten und Mannschaftssportarten, sche Mannschafssportarten Basketball, den jeweiligen Sportarten sowie im Ge- die Anzahl derOlympiateilnahmensowie Beach-Volleyball, Bobsport, Curling, samtvergleich (p >0,05)10 . Verbindet man die Anzahl der gewonnenen Medaillen12 Fußball, Handball, Hockey, Eishockey, Wurf und Gewichtheben zur Klasse „an- neben der Unterscheidung zwischen Segeln, Volleyball und Wasserball klas- aerobe Sportarten“ und vergleicht diese den einzelnen als aerob bzw. anaerob sifiziert (n = 3099; 222 Sterbefälle). Die mit der Gruppe aus Skilanglauf und klassifizierten Sportarten als mögliche Sportarten Badminton, Eiskunstlauf, Rudern als aerobe Sportarten, so ergibt Risikofaktoren in eine Cox-Regression Kanurennsport, Radsport, Rennrodeln, sich ebenfalls kein signifikanter Unter- (Einschlussverfahren) ein, so erweist rhythmische Sportgymnastik, Rudern, schied. Zu gleichen Ergebnissen führt sich lediglich das Geschlecht mit einem Synchronschwimmen, Tennis, Tisch- das Kaplan-Meier-Verfahren. Mit Hilfe Hazard-Ratio von HRG = 4,3913 (p < 0,01) tennis, Trampolin und Wasserspringen des Log-Rank-Tests lassen sich ebenso sowie die Differenzierung zwischen Ein- (n = 1445; 77 Sterbefälle) vereinen so- keine Unterschiede zwischen den als zel- und Mixsportarten14 (HRM = 2,57; wohl Einzel- als auch Mannschaftss- anaerob bzw. aerob klassifizierten Sport- p 0,05). Dies gilt auch send, nicht jedoch die Art der ausgeübten Skisport, Biathlon, Bogenschießen, Bo- für einen Vergleich zwischen den leicht- Sportarten (. Tab. 3). xen, Eisschnelllauf, Fechten, Freestyle, athletischen Wurfdisziplinen und den Ersetzt man die Differenzierung zwi- Gewichtheben, Golf, Judo, Leichtath- anderen Disziplinen der Leichtathletik schen den betrachteten vier Sportarten letik, moderner Fünfkampf, nordische (n = 759; 63 Sterbefälle). Als Ergebnis bzw. Disziplinen durch die Unterschei- Kombination, Reiten, Ringen, Schwim- einer Cox-Regression wäre demzufolge dung zwischen aeroben (Skilanglauf, Ru- men, Short-Track, Skeleton, Skilanglauf, zu erwarten, dass die Differenzierung dern) und anaeroben Sportarten (leicht- Skispringen, Snowboarding, Sportschie- zwischen aeroben und anaeroben Sport- athletischer Wurf, Gewichtheben), so ist ßen, Taekwondo, Triathlon und Turnen arten keinen Beitrag zur Erklärung der der metabolische Status ebenfalls kein (n = 1522; 101 Sterbefall) im Sinne dieser Gesamtüberlebenszeit der Olympiateil- signifikanter Risikofaktor. Analyse Einzelsportarten. Bezogen auf nehmerinnen und -teilnehmer in den Da keinerlei Hinweise gefunden wer- die Gesamtkohorte ergeben sich stan- leichtathletischen Wurfdisziplinen, dem denkonnten, die die These T2 stützenund dardisierte Mortalitätsraten von 109 % Gewichtheben, dem Skilanglauf und die vorliegenden Befunde T2 widerspre- in den Mannschafts-, 81 % in den Mix- dem Rudern (n = 930; 62 Sterbefälle) chen, muss T2 zurückgewiesen werden. und 100 % in den Einzelsportarten.15 liefert. Weder zusammengefasst über alle drei Fügt man daher Geschlecht, Alter Einzel- vs. Mannschaftssportarten Sportartenkategorien, noch im paarwei- bei erstmaliger Olympiateilnahme, die sen Vergleich finden sich signifikante Un- Unterscheidung zwischen Sommer- und Mannschaftssportarten zeichnen sich terschiede in den jeweiligen Überlebens- Winterspielen, das Jahr der erstma- gegenüber Einzelsportarten durch eine funktionen oder nach dem Kaplan-Mei- Interaktion der beteiligten Sportlerin- er-Verfahren (p >0,05). Auch eine Cox- 9 Bei Bildung der 95 %-Konfidenzinterval- nen und Sportler aus, die wesentlich Regression16 mit den oben genannten le für die erwarteten Todesfälle ergeben über eine additive Verknüpfung von möglichen Risikofaktoren erbringt keine sich überschneidende obere und unte- Hinweise auf ein erhöhtes Risikopoten- re Grenzen für die aeroben Sportarten zial einer der gebildeten Sportartenkate- von 144 % < SMRaerob < 54 % sowie von 11 Mit dem Jahr der ersten Olympiateilnahme gorien (. Tab. 4). T3 muss daher zurück- 278 % < SMRanaerob < 105 % für die anaeroben Sportarten. und dem Alter bei erstmaliger Olympiateilnah- gewiesen werden. 10 Bei den verwendeten Daten handelt es sich me wird auch das Geburtsjahr determiniert, sodass dieses nicht als Kovariable berücksichtigt um Vollerhebungen bezüglich der an den Start wird. gegangenen Gruppen sowie der in diesen 12 Gruppen aufgetretenen Todesfälle. Dennoch DieVerwendungderAnzahldergewonnenen werden die p-Werte berichtet, da das Ereignis Gold-, Silber- und Bronzemedaillen als separate „Tot eines Individuums aus einem Kollektiv“ Variablen verändern das Ergebnis nicht. 13 15 Bei Beachtung des 95 %-Konfidenzintervalls als eine Stichprobe verstanden wird, die die Dies bedeutet inhaltlich, dass Athleten der „Realisierung einer konkreten Wirklichkeit aus betrachteten Gruppe ein auf 439 % erhöhtes für die erwarteten Todesfälle ergeben sich einer unendlichen Vielzahl potenziell möglicher Hazard-Risiko gegenüber Athletinnen aufwei- Spannen von 96 % < SMRMannschaft < 125 %, Wirklichkeiten“ (Behnke, 2005; =–3 f.) darstellt. sen. Allerdings ist das 95 %-Konfidenzintervall 68 % < SMRMix < 100 % bzw. 84 % < SMREinzel < Ausführliche Hinweise zur Entscheidung, unter mit 1,57 (untere Grenze)bis 10,43 (obere Grenze) 124 %. welchen Umständen bei Vollerhebungen die p- recht breit. 16 Die Cox-Regression in diesem Abschnitt 14 Werte berichtet werden sollen finden sich bei Vgl. zur Differenzierung zwischen unterscheidet sich von der im Abschn. 4.2 Behnke (2005) sowie Broscheid und Gschwend Mannschafts-, Mix- und Einzelsportarten vorgenommenen Cox-Regression durch deren (2005). Abschn. 4.3. Bezug auf alle 6066 Beobachtungsfälle. 288 German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020
Tab. 3 Cox-Regression (n = 930 bei 62 Sterbefällen) zur Bestimmung des Risikoeinflusses aerober bzw. anaerober Sportarten (Regressionskoeffizi- ent B, zugehöriger Standardfehler SE, Prüfgröße Wald, Freiheitsgrad df, p-Wert des zugehörigen Tests, untere und obere Grenze des 95 % Konfidenzin- tervalls für das relative Risiko, wenn die entsprechende Variable um eine Einheit erhöht wird) B SE Wald Df Signifi- Exp(B) 95 % Konfidenzintervall für kanz Exp(B) Untere Obere Geschlecht 1,479 0,489 9,169 1 0,002 4,390 1,685 11,436 Alter bei erstmaliger Olympiateilnahme –0,007 0,042 0,026 1 0,873 0,993 0,915 1,079 Olympische Sommer- oder Winterspiele 0,242 0,388 0,391 1 0,532 1,274 0,596 2,725 Anzahl an Teilnahmen –0,034 0,171 0,039 1 0,843 0,967 0,691 1,352 Anzahl an Medaillen 0,419 0,220 3,628 1 0,057 1,520 0,988 2,338 Einzel-, Mix- oder Mannschaftssportarten 0,945 0,442 4,578 1 0,032 2,573 1,083 6,116 Deutschland nach Wiedervereinigung – – 3,943 2 0,139 – – – BRD 1,028 1,163 0,782 1 0,376 2,797 0,286 27,317 DDR 0,505 1,157 0,191 1 0,662 1,657 0,172 15,985 Jahr der erstmaligen Olympiateilnahme –0,020 0,019 1,083 1 0,298 0,981 0,945 1,017 Aerob (Skilanglauf, Rudern) vs. anaerobe –0,139 0,420 0,110 1 0,740 0,870 0,382 1,980 (Wurf, Gewichtheben) Sportarten Tab. 4 Cox-Regression (n = 6066 bei 400 Sterbefällen) zur Bestimmung des Risikoeinflusses von Einzel-, Mix- und Mannschaftssportarten B SE Wald Df Signifi- Exp(B) 95 % Konfidenzintervall für kanz Exp(B) Untere Obere Geschlecht 0,781 0,178 19,302 1 0,000 2,183 1,541 3,093 Alter bei erstmaliger Olympiateilnahme 0,017 0,009 3,226 1 0,072 1,017 0,998 1,036 Olympische Sommer- oder Winterspiele –0,160 0,126 1,615 1 0,204 0,852 0,666 1,090 Anzahl an Teilnahmen –0,047 0,081 0,332 1 0,564 0,954 0,815 1,118 Anzahl an Medaillen 0,199 0,060 10,999 1 0,001 1,220 1,085 1,372 Mannschaftssportarten – – 0,705 2 0,703 – – – Einzelsportarten 0,095 0,125 0,576 1 0,448 1,099 0,861 1,404 Mixsportarten 0,020 0,158 0,016 1 0,899 1,020 0,749 1,390 Deutschland nach Wiedervereinigung – – 16,055 2 0,000 – – – BRD 0,495 0,447 1,227 1 0,268 1,641 0,683 3,943 DDR 0,052 0,449 0,014 1 0,907 1,054 0,437 2,540 Jahr der erstmaligen Olympiateilnahme –0,028 0,007 14,785 1 0,000 0,973 0,959 0,987 Ostdeutsche vs. westdeutsche der Kaplan-Meier-Methode (p
Hauptbeitrag Abb. 2 9 Kaplan-Meier- Kurve für die deutschen Olympiateilnehmer mer der ehemaligen DDR und der al- erwarteten und den tatsächlichen Todes- (n = 124; 11 Sterbefälle), Leichtathle- ten Bundesrepublik ein, so ergibt sich fällen deutet auf einen Überlebensvorteil tik (n = 943; 79 Sterbefälle), Eiskunst- für die bundesdeutschen Olympioniken der DDR-Olympioniken hin. Deren SMR lauf (n = 119; 4 Sterbefälle), Rudern ein um 55 % erhöhtes Hazard-Ratio. Be- liegt differenziert nach drei Zeiträumen (n = 542; 24 Sterbefälle) und Gewichthe- dingt durch die Extraktion von 2325 Ath- und drei Alterskohorten stets unterhalb ben (n = 79; 9 Sterbefälle)18 mit der Sum- letinnen und Athleten mit erstmaliger der SMR der westdeutschen Olympiateil- me aller anderen Sportarten (n = 3772; Olympiateilnahme für das wiederverein- nehmerinnen und -teilnehmer (. Tab. 5, 255 Sterbefälle) verglichen. Die SMR der te Deutschland und deren bislang gerin- Spalte 5). In fünf der acht zu betrachten- einzelnen mutmaßlich dopingbelasteten ger Anzahl an Sterbefällen verringert sich den Fälle17 liegt die obere Grenze des Sportarten verglichen mit den bislang das 95 %-Konfidenzintervall deutlich auf 95 %-Konfidenzintervalls der SMR für weniger auffälligen Sportarten enthält 124 % bis 192 %. Das Sterberisiko ist dem- die ostdeutschen Olympiateilnehmerin- . Tab. 6. nach für die westdeutschen Athletinnen nen und -teilnehmer unterhalb der un- Hinsichtlich der Überlebenswahr- und Athleten im Vergleich zu den Ost- teren Grenze des 95 %-Konfidenzinter- scheinlichkeit ergeben sich lediglich deutschen signifikant erhöht. valls der westdeutschen Teilnehmerin- signifikante Unterschiede zwischen Ge- Führt man die Cox-Regression se- nen und Teilnehmer (. Tab. 5, Spalte 7). wichtheben und Schwimmen (p
Tab. 5 Mannschafts- und altersgruppenspezifische SMR Betrachtungszeitraum/ Mannschafts- Bis 30.06.2019 beobachtete Erwartete To- SMR SMR untere SMR obere Geburtenjahrgänge zugehörigkeita Todesfälleb desfälle Grenzec Grenze 1956–1974 15–34 (1922–1959) BRD 244 195,32 1,25 1,10 1,44 DDR 112 160,68 0,70 0,60 0,80 35–64 (1892–1939) BRD 165 142,85 1,16 1,01 1,33 DDR 59 81,15 0,73 0,64 0,84 65 und älter (bis 1909) BRD/DDR Keine DDR-Risikogruppe 1975–1994 15–34 (1941–1979) BRD 100 86,78 1,15 0,96 1,45 DDR 59 72,22 0,82 0,68 1,03 35–64 (1911–1959) BRD 259 204,84 1,26 1,12 1,45 DDR 112 166,16 0,68 0,60 0,77 65 und älter (bis 1929) BRD 67 64,67 1,04 0,91 1,21 DDR 14 16,33 0,86 0,75 1,00 1995–2017 15–34 (1961–2002)d BRD 12 10,03 1,20 0,65 2,19 DDR 5 6,97 0,72 0,39 1,32 35–64 (1931–1992) BRD 196 164,67 1,19 1,04 1,39 DDR 101 132,33 0,76 0,67 0,89 65 und älter (bis 1952) BRD 238 194,37 1,22 1,09 1,41 DDR 90 133,63 0,67 0,60 0,77 a Die Mannschaftszugehörigkeit „BRD“ umfasst die Olympioniken, die zum Zeitpunkt ihrer ersten Olympiateilnahme die Staatsbürgerschaft der BRD innehatten und für die gemeinsame deutsche Mannschaft (1956–1964) oder für die Mannschaft der Bundesrepublik (1968–1988) antraten. Entsprechendes gilt für die Mannschaftszugehörigkeit „DDR“ b Lesebeispiel: Die Geburtenjahrgänge 1922 bis 1959 waren in den Jahren 1956 bis 1974 zwischen 15 und 34 Jahre alt. Bis zum 30.06.2019 verstarben von den westdeutschen Olympiateilnehmern dieser Jahrgänge 243. Bezogen auf die Risikogruppe der Olympiateilnehmer aus der BRD und der DDR wären 194,82 Todesfälle zu erwarten gewesen c Basierend auf dem 95 %-Konfidenzintervall der erwarteten Todesfälle d Auf Grund der geringen Zahl der Todesfälle wurde hier das empirische Konfidenzintervall berechnet (Bosch, 2000, 53 ff.) Tab. 6 SMR von als dopingbelastet geltenden Sportarten in Bezug auf weniger auffällige Sportarten Schwimmen Biathlon Skilanglauf Leichtathletik Eiskunstlauf Rudern Gewichtheben Erwartete Todesfälle 26,43 5,12 8,47 66,80 7,92 35,05 5,42 Beobachtete Todesfälle 14 4 11 79 4 24 9 SMR 0,53 0,78 1,30 1,18 0,51 0,68 1,66 SMR untere Grenze 0,47 0,70 1,16 1,06 0,45 0,61 1,49 SMR obere Grenze 0,60 0,88 1,47 1,34 0,57 0,78 1,88 weiteren Risikofaktor hinzu, ist mit kei- brauch bezog, beizubehalten. Wenn ein winner danach kategorisiert, welche ner einzelnen Sportart ein signifikanter Dopinggebrauch zu einer geringeren Medaillen sie errungen hatten19. Zudem Risikoauf- oder -abschlag verbunden. Überlebensrate führen sollte, würde das wurde die höchste Medaillenkategorie Zum gleichen Ergebnis gelangt man, Ergebnis nicht für einen unterschiedli- festgehalten. Zusätzlich zum Vergleich wenn man die dopingbelasteten Sport- chen Dopinggebrauch in den bislang im zwischen den Medaillengewinnerinnen arten als Gruppe in die Cox-Regression Fokus stehenden Sportarten gegenüber und -gewinnern wurden auch die Athle- aufnimmt (. Tab. 7). anderen Sportarten sprechen. tinnen und Athleten ohne Medaillenge- Der Hinweis aus einer ggf. unter- schiedlichen Überlebensfunktion für Medaillenspezifische Mortalität 19 Die Gruppen bestanden demnach aus den die Sportart Gewichtheben reicht je- Gewinnern von Goldmedaillen, von Gold- doch nicht aus, um die These T5, die Um eine medaillenspezifische Mortali- und Silbermedaillen, von Gold-, Silber- und sich ja auf eine Gruppe von Sportar- tät zu identifizieren, wurden zunächst Bronzemedaillen usw. bis hin zur Gruppe derer, ten mit einem vermuteten Dopingge- alle Medaillengewinnerinnen und -ge- die keine Medaille gewannen. German Journal of Exercise and Sport Research 2 · 2020 291
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