Juniorprofessuren mit verlässlichem Tenure Track

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MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT, FORSCHUNG UND KUNST

        Juniorprofessuren mit verlässlichem Tenure Track
               Innovatives und richtungsweisendes Karrieremodell
          für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Baden-Württemberg

Attraktive, transparente und planbare Karrierewege sind eine entscheidende Vorausset-
zung, dass Universitäten und ihnen gleichgestellte Hochschulen im Wettbewerb um den
wissenschaftlichen Nachwuchs gegenüber der Wirtschaft, dem öffentlichen Sektor, der
außeruniversitären Forschung und ausländischen Wissenschaftseinrichtungen konkur-
renzfähig bleiben.

Die Einführung der Juniorprofessuren (W 1) war ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Denn die Juniorprofessur bietet dem wissenschaftlichen Nachwuchs in einer viel früheren
Karrierephase umfassende Selbständigkeit in Forschung und Lehre. Sie hat damit nach-
gewiesener Maßen die Attraktivität einer wissenschaftlichen Karriere erhöht. Inzwischen
gibt es bundesweit rund 1.500 Juniorprofessuren, davon 180 in Baden-Württemberg.

Entgegen den ursprünglichen Empfehlungen zur Reform der Karrierewege an den Hoch-
schulen gab es aber für viele Juniorprofessorinnen und -professoren selbst bei hervorra-
genden Leistungen keine Garantie, im Anschluss an die Juniorprofessur eine unbefriste-
te Professur an derselben Hochschule zu erhalten. Juniorprofessuren mit Tenure Track,
die genau dies sicherstellen, wurden bislang nur relativ selten angeboten: auf Grund ei-
nes allgemeinen Stellenvorbehalts musste die Hochschule bereits zum Zeitpunkt der
Ausschreibung eine konkrete Stelle für die anschließende Lebenszeitprofessur hinterle-
gen. Das heißt: die im Hochschulbetrieb üblichen Unwägbarkeiten der aktueller Stellensi-
tuation führten dazu, dass Juniorprofessuren überwiegend ohne Tenure Track angeboten
wurden. Für eine große Zahl an Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern
war die Übernahme auf eine Lebenszeitprofessur damit trotz hervorragender Leistungen
praktisch ausgeschlossen.
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Um dem wissenschaftlichen Nachwuchs mehr Verlässlichkeit zu geben, hat Baden-
Württemberg im vergangen Jahr im Landeshochschulgesetz die Voraussetzung geschaf-
fen, dass W 1-Professuren künftig mit einem verbindlichen Tenure Track ausgeschrieben
werden können, ohne dass eine Haushaltsstelle hinterlegt werden muss: Wer die bei der
Berufung kommunizierten Anforderungen voll erfüllt, erhält im Anschluss an die Junior-
professur eine W 3-Professur. Baden-Württemberg hat damit die im Sommer 2014 veröf-
fentlichten Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu den „Karrierewegen und -zielen an
Universitäten“ als erstes Land umgesetzt.

Diese Verbindlichkeit des Tenure Tracks begründet allerdings keine Übernahmegarantie.
Maßgeblich ist nach wie vor die Evaluierung, mit der das Leistungsprinzip gewahrt und
die Qualität gesichert wird. Eine Tenure-Zusage ohne Stellenvorbehalt setzt daher ein
Qualitätssicherungskonzept voraus, das sicherstellt, dass nur die besten Juniorprofesso-
rinnen und -professoren auf die in Aussicht gestellte W 3-Professur übernommen wer-
den. Ein solches Qualitätssicherungskonzept muss die Hochschule vorlegen, wenn sie
im Wettbewerb um die besten Köpfe aus dem In- und Ausland einen verbindlichen Ten-
ure Track anbieten möchte. Nach der Abstimmung mit dem Wissenschaftsministerium
bietet es der Hochschule die Grundlage, um von einer Ausschreibung der W 3-Professur
abzusehen und das Berufungsverfahren angemessen zu vereinfachen.

In den vergangenen Monaten wurden gemeinsam mit den von den Landesrektorenkonfe-
renzen benannten Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulen mit W 1-Juniorpro-
fessuren (Universitäten, Pädagogische Hochschulen und Kunsthochschulen) die maß-
geblichen Anforderungen an das Qualitätssicherungskonzept entwickelt, die sich an drei
Zielen ausrichten: Transparenz, Verbindlichkeit und höchste Qualität.

Transparenter Karriereweg

Transparentes Verfahren von Anfang an

Voraussetzung für die Zusage eines verbindlichen Tenure Track ist ein mit dem Wissen-
schaftsministerium abgestimmtes Qualitätssicherungskonzept der jeweiligen Hochschule.
Dieses umfasst eine Beschreibung des gesamten Prozesses von der Ausschreibung der
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Juniorprofessur, mit der ein verbindlicher Tenure Track zugesagt werden soll, bis zur
Übernahme auf die W 3-Professur nach einer erfolgreich durchgeführten Evaluierung, die
auf der Grundlage einer entsprechenden Evaluierungssatzung durchgeführt wird. Über
den genauen Verfahrensablauf werden die Juniorprofessorinnen und -professoren be-
reits bei der Berufung schriftlich informiert.

Ausweis der Anforderungen für die W 3-Professur bei Ausschreibung

Um den Karriereweg berechenbar und verlässlich zu gestalten, müssen die zu erfüllen-
den Anforderungen zur anschließenden Berufung auf eine W 3-Professur frühzeitig fest-
stehen. Die besonderen Anforderungen werden daher bereits in der Ausschreibung der
W 1-Professur ausgewiesen; diese Ausschreibung erfolgt auch international. Die Krite-
rien und Maßstäbe der Tenure-Evaluation sind den Juniorprofessorinnen und -
professoren bei der Berufung auch schriftlich bekannt zu machen.

Gleichstellungsstandards

Juniorprofessuren haben sich als erfolgreiches Instrument bewährt, mehr Frauen für eine
wissenschaftliche Karriere zu gewinnen, damit die Bestenauswahl auf eine breitere Basis
zu stellen und den Frauenanteil an den Professuren nachhaltig zu erhöhen. Bestandteil
des Qualitätssicherungskonzepts ist eine Darlegung der Maßnahmen, die gendergerech-
te Auswahl- und Berufungsverfahren sicherstellen.

Zwischenevaluation und Statusberatung

Die Zwischenevaluation nach drei oder vier Jahren verschafft Transparenz und eine Ori-
entierung über den weiteren Karriereweg. Sie stellt auch im Erfolgsfall kein Präjudiz der
Tenure-Entscheidung dar. Sie ist aber ein wichtiger Indikator, der hilft, gegebenenfalls
kritische Punkte zu erkennen und entsprechend nachzubessern. Die Rückmeldung zu
den bisherigen Leistungen und ggf. zu kritischen Bereichen erfolgt auch in schriftlicher
Form. Darüber hinaus soll eine Statusberatung stattfinden, bevor die Tenure-Evaluation
eingeleitet wird.
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Verbindlichkeit der Evaluierungsergebnisse

Evaluation und verkürztes Berufungsverfahren

Die Verbindlichkeit des Tenure Tracks bei positiver Evaluation, der Wegfall der Aus-
schreibung der zu besetzenden W3-Professur und die angemessene Verkürzung des
Berufungsverfahrens werten die Juniorprofessur deutlich auf. Zugleich rückt damit die
Evaluierung bei der Besetzung der W 3-Professur in das Zentrum der Entscheidung. Die
Evaluierung erfolgt nach einer Evaluierungssatzung, die das Verfahren und die Anforde-
rungen transparent ausweist. Die Evaluierungssatzung bestimmt, ob die Einleitung des
Evaluierungsverfahrens eines Antrags der Juniorprofessorin bzw. des Juniorprofessors
bedarf. Fakultät und Hochschulleitung sind grundsätzlich an das Votum der Evaluie-
rungskommission gebunden.

In der Organisation des Tenure-Prozesses, der unter anderem die Evaluation und das
angemessen verkürzte Berufungsverfahren umfasst, sind ein oder mehrere Evaluie-
rungsgremien vorzusehen, von denen zumindest eines die Mindestanforderungen an die
Besetzung von Berufungskommissionen laut Landeshochschulgesetz erfüllt. Bezüglich
des Einbezugs externer Expertise in den Evaluierungsprozess gelten die weiter unten
aufgeführten höhere Ansprüche.

Haushaltsrechtliche Flexibilität

Die Abwehr auswärtiger Rufe oder die Flexibilisierung des Emeritierungsalters macht die
Personalplanung der Hochschulen zu einer komplexen Herausforderung. Damit Junior-
professuren im größeren Maße mit vertretbarem Risiko für die Hochschulleitung mit ver-
bindlichem Tenure Track ausgeschrieben werden können, bedarf es daher einer haus-
haltsrechtlichen Flexibilität bei der Stellenbewirtschaftung.

Baden-Württemberg hat daher in das Staatshaushaltsgesetz die Option aufgenommen,
für erfolgreich evaluierte Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren zusätzliche W 3-
Stellen für jeweils bis zu sechs Jahre zu schaffen. Auf diese Weise bleibt die W 3-
Lebenszeitprofessur für Kandidaten und Hochschule auch dann gesichert, wenn die Zeit
bis zum Freiwerden der regulären W 3-Stelle überbrückt werden muss.
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Höchste Qualitätsstandards

Höchste Leistung in allen Aufgabenbereichen

Die Übernahme auf die W 3-Professur auf Lebenszeit setzt voraus, dass die Juniorpro-
fessorin bzw. der Juniorprofessor in der Evaluierung eine überdurchschnittliche Bewäh-
rung in ihren Aufgaben der Juniorprofessur nachweisen. Gegenstand der Evaluierung
sind daher alle Aufgabenbereiche einer Juniorprofessur: Forschung, Lehre und Selbst-
verwaltung. Zur Evaluation der Lehre gehört ein hochschulöffentlicher Vortrag.

Verantwortung des Rektorats

Die Juniorprofessur mit verbindlichem Tenure Track ist ein Karrieremodell, das für die
qualitative und strategische Fortentwicklung der Hochschule von maßgeblicher Bedeu-
tung ist. Um unabhängig von den Einzelfällen einen einrichtungsweiten Standard und
Bewertungsmaßstab sicherzustellen, trägt das Rektorat für das gesamte Verfahren be-
sondere Verantwortung. Die Mitglieder der Evaluierungsgremien werden daher vom Rek-
torat bestellt. Die Evaluierungssatzung kann bestimmen, dass das maßgebliche Evaluie-
rungsgremium durch ein Mitglied des Rektorats geleitet wird; in jedem Fall wird die Ver-
tretung des Rektorats in diesem Evaluierungsgremium sichergestellt.

Befangenheitsregelung

Die Gewährleistung einer unbefangenen Evaluation, deren Ausgang über die Berufung
auf eine W 3-Professur entscheidet, ist im Falle der Juniorprofessuren mit Tenure Track
eine besondere Herausforderung für die Hochschule. Denn die zu berufenden Juniorpro-
fessorinnen und -professoren gehören schon seit mehreren Jahren zum Kollegium.

Bei der Evaluation der Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren ist daher zu jedem
Zeitpunkt sicherzustellen, dass keine Personen beteiligt sind, die wegen Befangenheit
auszuschließen sind. Die Befangenheitsregelungen sind hochschulöffentlich zu machen
und allen Mitgliedern in den Evaluierungsgremien schriftlich vorzulegen.
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Externe Expertise

Maßstab für die Evaluation der wissenschaftlichen Leistung sind die Beiträge zur natio-
nalen und internationalen Fachdiskussion. An die Evaluierung sind daher in geeigneter
Weise auch externe Mitglieder zu beteiligen, davon auch Vertreterinnen bzw. Vertreter
ausländischer Hochschulen oder international anerkannter ausländischer Forschungsein-
richtungen. Die Beteiligung kann über die Mitgliedschaft in den Evaluierungsgremien
(mind. drei auswärtige Mitglieder, davon mind. ein internationales Mitglied) oder durch
Gutachten (mind. zwei Gutachten aus dem Ausland) realisiert werden.
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