Kampf gegen Steuerstraftaten - Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen (FIUs) - Ex-post-Folgenabschätzung - europa.eu

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Kampf gegen
Steuerstraftaten –
Zusammenarbeit
  zwischen den
    zentralen
   Meldestellen
     (FIUs)

      Ex-post-
 Folgenabschätzung
Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

    Kampf gegen Steuerstraftaten: Ex-post-
Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den
   zentralen Meldestellen (FIUs - Financial
             Intelligence Units)

                                      Studie
Als Reaktion auf die Veröffentlichung der sogenannten Panama-Papiere hat das
Europäische Parlament am 8. Juni 2016 beschlossen, einen Untersuchungsausschuss
einzusetzen, um mutmaßliche Verstöße gegen das Unionsrecht und Missstände bei
dessen Anwendung im Zusammenhang mit Geldwäsche, Steuervermeidung und
Steuerhinterziehung zu prüfen (PANA-Untersuchungsausschuss). Das Referat Ex-post-
Folgenabschätzungen (IMPT) der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst (GD EPRS)
wurde in einem Beschluss der PANA-Koordinatoren vom 12. Oktober 2016 ersucht, eine
Studie zu folgendem Thema vorzulegen: Kampf gegen Steuerstraftaten: Ex-post-
Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen (FIUs) auf
europäischer und internationaler Ebene.

Die Studie gliedert sich in zwei Teile: (1) eine vom Referat Ex-post-Folgenabschätzungen
der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst intern erstellte einleitende Analyse, die
die FIUs in der EU und den EU-Rechtsrahmen zum Gegenstand hat, und (2) eine extern
erstellte vergleichende Analyse, die sich auf die FIUs in Kanada, Frankreich, der Schweiz
und dem Vereinigten Königreich konzentriert.

Zusammenfassung

Seit Mitte der 1990er Jahre hat die Entwicklung von Strategien zur Bekämpfung der
Geldwäsche auf internationaler Ebene zur Einrichtung zentraler Meldestellen (FIUs) auf
nationaler Ebene geführt. Diese dienen als nationale Zentren für die Entgegennahme und
Analyse von Meldungen verdächtiger Transaktionen. Sie sammeln und analysieren
Daten, anhand deren Verbindungen zwischen verdächtigen finanziellen Transaktionen
und illegalen Aktivitäten hergestellt werden können. Somit handelt es sich bei den FIUs
um wichtige Akteure bei der Verhinderung von Geldwäsche. Des Weiteren ist der
Informationsaustausch     zwischen     den     FIUs    angesichts    der   ausgeprägten
grenzüberschreitenden Dimensionen der Geldwäsche von maßgeblicher Bedeutung, um
sicherzustellen, dass illegale Geldströme ordnungsgemäß aufgedeckt und die
Strafverfolgungsbehörden in der Folge Ermittlungen aufnehmen. In der vorliegenden
Studie soll aufgezeigt werden, wie sich Rolle, Befugnisse und Tätigkeiten der FIUs bei
der Bekämpfung von Finanzkriminalität im Allgemeinen und von Steuerkriminalität im
Besonderen sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene derzeit darstellen.

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Ex-post-Folgenabschätzungen

VERFASSERIN der einleitenden Analyse:
Dr Amandine Scherrer, Referat Ex-post-Folgenabschätzungen

VERFASSER der vergleichenden Analyse:
Dr. Anthony Amicelle (International Centre for Comparative Criminology, Université de
Montréal, Quebec, Kanada) mit Julien Berg (École de Criminologie, Université de
Montréal) und Killian Chaudieu (École des sciences criminelles, Université de Lausanne,
Schweiz)

Die vergleichende Analyse wurde auf Ersuchen des Referats Ex-post-
Folgenabschätzungen der Direktion Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert
innerhalb der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst (GD EPRS) des Europäischen
Parlaments erstellt.

DANKSAGUNGEN
Die Verfasser danken den Beamten der Europäischen Kommission, den Teilnehmern der
FIU-Plattform sowie den Interessenträgern, die für die vorliegende Studie befragt
wurden, für ihre hilfreichen Beiträge.

VERANTWORTLICH
Amandine Scherrer, Referat Ex-post-Folgenabschätzungen
Um Kontakt mit dem Referat aufzunehmen, senden Sie bitte eine E-Mail an EPRS-
ExPostImpactAsessment@ep.europa.eu

ÜBER DEN HERAUSGEBER
Dieses Dokument wurde vom Referat Ex-post-Folgenabschätzungen der Direktion
Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert innerhalb der Generaldirektion
Wissenschaftlicher Dienst (GD EPRS) des Generalsekretariats des Europäischen
Parlaments zusammengestellt. Um Kontakt mit dem Referat aufzunehmen, senden Sie
bitte eine E-Mail an EPRS-ExPostImpactAssessment@ep.europa.eu

SPRACHFASSUNGEN
Original: EN
Dieses Dokument ist auch online über folgende Website abrufbar:
www.europarl.europa.eu/thinktank

HAFTUNGSAUSSCHLUSS UND URHEBERRECHTSSCHUTZ
Dieses Dokument wurde für die Mitglieder und Mitarbeiter des Europäischen
Parlaments erarbeitet und soll ihnen als Hintergrundmaterial für ihre parlamentarische
Arbeit dienen. Die Verantwortung für den Inhalt liegt ausschließlich bei den Verfassern
dieses Dokuments. Die darin vertretenen Auffassungen entsprechen nicht unbedingt
dem offiziellen Standpunkt des Europäischen Parlaments. Nachdruck und Übersetzung –
außer zu kommerziellen Zwecken – mit Quellenangabe sind gestattet, sofern das
Europäische Parlament vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

Redaktionsschluss: März 2017. Brüssel, © Europäische Union, 2017

PE 598.603
ISBN 978-92-846-0701-3
doi:10.2861/2427
QA-02-17-248-EN-N

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Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

                                                  Table of Contents

Liste von Abkürzungen und Akronymen ..................................................................................... 5
List of tables and charts .................................................................................................................... 6
Methodik ............................................................................................................................................ 7

Teil I: Die zentralen Meldestellen in der EU und der geltende EU-Rechtsrahmen .......... 9
Wichtigste Ergebnisse ...................................................................................................................... 9
1. Die FIU im Kontext der internationalen Normen und EU Anforderungen ...................... 10
1.1. Einrichtung von FIUs im Umfeld der Bekämpfung der Geldwäsche .............................. 10
1.2. Grenzen und Möglichkeiten der Bewertung der Zusammenarbeit der FIUs bei der
Bekämpfung von Steuerstraftaten ................................................................................................ 13
2. Strukturen, Ressourcen und Kooperationskanäle der zentralen Meldestellen .................. 16
2.1. Strukturelle Unterschiede ....................................................................................................... 16
2.2. Ressourcen ................................................................................................................................ 18
2.3. Meldungen verdächtiger Transaktionen: verschiedene Quellen und unterschiedliche
Qualität ............................................................................................................................................. 19
2.4. Kooperationskanäle ................................................................................................................. 22
2.5. Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen FIUs .......................................... 23
3. Hauptprobleme bei der Bekämpfung von Steuerstraftaten durch die zentralen
         Meldestellen....................................................................................................................... 25
3.1. Auf nationaler Ebene: Zusammenarbeit zwischen zentralen Meldestellen und
Steuerbehörden ............................................................................................................................... 25
3.2. Zugang zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer .................................... 28
3.3. Steuerbezogene Fälle als Hindernis für die europäische und die internationale
Zusammenarbeit ............................................................................................................................. 30
3.4. Bewertung des Kulturwandels der Branche ........................................................................ 32

Part II: Comparative analysis of Financial Intelligence Units (FIUs) in Canada,
         France, Switzerland and United Kingdom .................................................................. 35
Executive summary ........................................................................................................................ 36
Introduction ..................................................................................................................................... 39
1. National financial intelligence units in practice ..................................................................... 41
1.1. ‘FININT’ – the evolution of priorities ................................................................................... 41
The (re)definition of dirty money ................................................................................................. 42
The (re)definition of FIU identity ................................................................................................. 45
1.2. Questioning reporting practices ............................................................................................ 52
Reporting suspicious transactions ................................................................................................ 53
Typology of suspicious transaction reports ................................................................................ 56
1.3. FININT in Numbers ................................................................................................................ 57
2. Transnational financial intelligence in practice ...................................................................... 70
2.1. European and international communication channels ....................................................... 70
The Egmont Secure Web ................................................................................................................ 71
FIU.NET 74
Other recognised cooperation channels ....................................................................................... 78
2.2. Financial intelligence cooperation in face of obstacles ....................................................... 78

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Ex-post-Folgenabschätzungen

(Lack of) capacity to respond to FIU requests............................................................................. 79
(Lack of) spontaneous dissemination and ‘abusive’ restriction ............................................... 82
2.3. Information sharing in numbers ............................................................................................ 83
Conclusion ....................................................................................................................................... 87
References ........................................................................................................................................ 89

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Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

Liste von Abkürzungen und Akronymen

CAD:         Kanadischer Dollar
CRA:         Canada Revenue Agency (Kanadische Steuerverwaltungsbehörde)
ESW:         Egmont Secure Web
EU:          Europäische Union
FATF:        Financial Action Task Force (Arbeitsgruppe             "Bekämpfung      der
             Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung")
FinCEN:      Financial Crimes Enforcement Network (Finanzermittlungsbehörde),
             Vereinigte Staaten von Amerika
FININT:      Financial Intelligence (Ermittlungen im Finanzbereich)
Fintrac:     Financial Transactions and Reports Analysis Centre of Canada (Zentrum
             zur Untersuchung von Finanztransaktionen und -angaben in Kanada)
FIU:         Financial   Intelligence      Unit   (Zentralstelle    für    Geldwäsche-
             Verdachtsanzeigen)
HoFIUs:      Head of Financial Intelligence Units (Leiter der Zentralstellen für
             Geldwäsche-Verdachtsanzeigen)
ICO:         Information Commissioner's Office (Datenschutzbehörde)
IWF:         Internationaler Währungsfonds
MROS:        Money Laundering Reporting Office Switzerland (Meldestelle für
             Geldwäscherei), Schweiz
NCA:         National Crime       Agency     (Nationales   Kriminalamt),     Vereinigtes
             Königreich
Tracfin:     Traitement du renseignement et action contre les circuits financiers
             clandestins (Geldwäschebehörde), Frankreich
SAR:         Suspicious Activity Report (Meldung verdächtiger Tätigkeiten)
STR:         Suspicious Transaction Report (Meldung verdächtiger Transaktionen)

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Ex-post-Folgenabschätzungen

List of tables and charts
Tabelle 1 – EU-Rechtsrahmen: Die wichtigsten Bestimmungen in Bezug auf die EU-FIUs
........................................................................................................................................................ 13
Table 2 End-users with direct access to the UK FIU database ............................................... 49

Chart 1 Suspicious transactions reported to FIUs ................................................................... 58
Chart 2 Disclosures of FININT to national partners ............................................................... 60
Chart 3 Switzerland’s FIU: suspicious transaction reports by predicate offence ................ 61
Chart 4 Switzerland’s FIU: suspicious transaction reports by reporting entity .................. 63
Chart 5 France’s FIU: suspicious transaction reports by reporting entity ........................... 64
Chart 6 France’s FIU: disclosures of FININT to partners ....................................................... 65
Chart 7 UK FIU: suspicious transactions reports by reporting entity .................................. 67
Chart 8 Canada’s FIU: financial transactions reports ............................................................. 68
Chart 9 Canada’s FIU: disclosures of FININT to partners ..................................................... 68
Chart 10 FIUs in Canada, France, Switzerland and the UK: Inquiries received/sent ........ 83
Chart 11 France’s FIU: information exchanged ....................................................................... 84
Chart 12 UK FIU: information exchanged ................................................................................ 85

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Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

Methodik
Die vorliegende Studie gliedert sich in zwei Teile: (1) eine vom Referat Ex-post-
Folgenabschätzungen der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst intern erstellte
einleitende Analyse zu den zentralen Meldestellen in der EU (EU-FIUs) und dem EU
Rechtsrahmen und (2) eine extern erstellte vergleichende Analyse, die sich auf die FIUs in
Kanada, Frankreich, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich konzentriert.

Ziel der einleitenden Analyse ist es, den EU-Rechtsrahmen für die EU-FIUs und deren
vorhandene Kapazitäten zur Bekämpfung der Steuerkriminalität zu analysieren. Es wird
daher untersucht, inwieweit die auf die FIUs bezogenen Bestimmungen der dritten
Geldwäscherichtlinie – die von den Mitgliedstaaten bis zum 15. Dezember 2007
umzusetzen waren – ordnungsgemäß zur Anwendung kommen. Zwar sind in der Studie
auch die mit der Annahme der vierten Geldwäscherichtlinie im Jahr 2015
vorgenommenen Änderungen berücksichtigt, doch werden keine voreiligen Schlüsse
hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anwendung dieser neuen Vorschriften gezogen, da
die Mitgliedstaaten die vierte Richtlinie erst bis Ende Juni 2017 umsetzen müssen. Der
Untersuchung des EU-Rahmens liegen verschiedene Quellen zugrunde, die für die
Bewertung der Kapazitäten der EU-FIUs zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zum
Informationsaustausch auf EU- und auf internationaler Ebene außerordentlich nützlich
waren.1 In der einleitenden Analyse ist selbstverständlich auch die extern erstellte
vergleichende Analyse berücksichtigt.2

Die vergleichende Analyse hat vier einzelne FIUs zum Gegenstand und untersucht die
Unterschiede und die Probleme, auf die diese im Rahmen der transnationalen
Zusammenarbeit bei Ermittlungen im Finanzbereich stoßen. Mit dieser Stichprobe, in der
FIUs aus zwei EU-Mitgliedstaaten (Frankreich und dem Vereinigten Königreich), eine
FIU eines europäischen Landes mit einem wichtigen Finanzplatz (Schweiz) und eine
nordamerikanische FIU (Kanada) betrachtet werden, soll aufgezeigt werden, wie sich
Rolle, Befugnisse und Tätigkeiten der FIUs bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität
im Allgemeinen und von Steuerstraftaten im Besonderen derzeit darstellen. Die
vergleichende Analyse stützt sich sowohl auf qualitative als auch auf quantitative Daten.
Für ihre Erstellung wurden einerseits Dokumente ausgewertet (offizielle Berichte und
Statistiken der Egmont-Gruppe, der EU, der FATF und der untersuchten FIUs) und
andererseits teilstrukturierte Befragungen von Beamten der FIUs und Europols
durchgeführt.

1 Hierzu gehören: der Abschlussbericht 2013 zum ECOLEF-Projekt (The Economic and Legal
Effectiveness of Anti-Money Laundering and Combating Terrorist Financing Policy, mit Mitteln der
Europäischen Kommission, GD "Inneres" finanziert); ein im Jahr 2015 veröffentlichter Bericht der
OECD: Improving co-operation between tax and anti-money laundering authorities. Access by tax
administrations to information held by financial intelligence units for criminal and civil purposes; ein für
die FIU-Plattform erstellter Bericht (2017): Mapping exercise and gap analysis on FIUs powers and
obstacles for obtaining and exchanging information.
2Amicelle A., Berg J. und Chaudieu K., Comparative analysis of Financial Intelligence Units (FIUs) in
Canada, France, Switzerland and the United Kingdom.

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Ex-post-Folgenabschätzungen

Die gesamte Studie wurde intern von Mitarbeitern des Referats Ex-ante-
Folgenabschätzungen (IMPA) der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst fachlich
begutachtet; die einleitende Analyse wurde darüber hinaus auch Vertretern der FIU-
Plattform zur Stellungnahme vorgelegt.

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Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

 Teil I:      Die zentralen Meldestellen in der EU und der
              geltende EU-Rechtsrahmen
Wichtigste Ergebnisse

Die zentralen Meldestellen der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich
hinsichtlich ihrer Strukturen, Ressourcen und Befugnisse. Diese Unterschiede wirken sich
auf die Art und Weise aus, in der die EU-FIUs Informationen sammeln und analysieren,
und letztlich auch auf ihren Informationsaustausch untereinander:

(1) Auf praktischer Ebene beeinflussen zeitliche Verzögerungen bei der Beantwortung
von Ersuchen die Zusammenarbeit zwischen den FIUs negativ, und Qualität und Inhalt
der Antworten sind nicht unbedingt hilfreich.

(2) Nicht alle EU-FIUs sind befugt, Auskunftsersuchen an Banken und Finanzinstitute zu
richten. Demzufolge kann die Fähigkeit einiger FIUs, Informationen von meldenden
Stellen für ausländische FIUs einzuholen, unter Umständen beeinträchtigt sein.

Im Zusammenhang mit Steuerstraftaten treten spezielle Probleme auf:

(3) Steuerstraftaten wurden erst vor kurzem (in der vierten Geldwäscherichtlinie) als
Vortaten für Geldwäsche anerkannt. Auch wenn in der Richtlinie ausdrücklich
angegeben ist, dass Unterschiede zwischen den Definitionen von Steuerstraftaten in den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften dem Informationsaustausch zwischen den FIUs nicht
entgegenstehen dürfen, kann die FIU-Zusammenarbeit nach wie vor aufgrund der
Tatsache verweigert werden, dass sich die Definition und die Strafbewehrung von
Vortaten für Geldwäsche in den einzelnen Mitgliedstaaten erheblich voneinander
unterscheiden.

(4) In einigen EU-Mitgliedstaaten fehlt für die gegenseitige Amtshilfe zwischen FIU und
Steuerbehörden noch immer eine klare Übereinkunft und/oder Vereinbarung, um die
Einhaltung der Steuervorschriften sicherzustellen.

(5) Nicht alle EU-FIUs haben ausreichenden Zugang zu Informationen über die Inhaber
von Bankkonten und die wirtschaftlichen Eigentümer. Nicht in allen EU-Mitgliedstaaten
existieren zentrale Bankkontenregister. Zwar wird den EU-Mitgliedstaaten in der vierten
Geldwäscherichtlinie nahegelegt, solche Systeme einzurichten, doch ist dies nicht
verpflichtend. Was den Zugang zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer
angeht, so sind nicht alle Mitgliedstaaten bislang der in der vierten Geldwäscherichtlinie
niedergelegten Verpflichtung zur Einrichtung entsprechender Zentralregister
nachgekommen. Derzeit können sich daher nur einige wenige EU-FIUs solche
Informationen beschaffen. Zahlreiche EU-FIUs stimmen darin überein, dass dieses Fehlen
zentraler nationaler Spezialdatenbanken problematisch ist.

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Ex-post-Folgenabschätzungen

1. Die FIU im Kontext der internationalen Normen und EU
   Anforderungen
1.1. Einrichtung von FIUs im Umfeld der Bekämpfung der
    Geldwäsche

Auf internationaler Ebene:

Seit Anfang der 1990er Jahre Strategien zur Bekämpfung der Geldwäsche (anti-money
laundering – AML) auf nationaler Ebene (insbesondere in den USA) entwickelt und auf
internationaler Ebene verbreitet wurden, wurde die Einziehung der Erträge aus
Straftaten in zunehmendem Maße als wichtiges Instrument zur Bekämpfung der
Schwerkriminalität gesehen.3 Wie in einem Bericht des Internationalen Währungsfonds
(IWF) von 2004 über die FIUs4 hervorgehoben wird, stellten die Länder bei der
Entwicklung ihrer Strategien zur Bekämpfung der Geldwäsche fest, dass die
Strafverfolgungsbehörden      nur    begrenzten    Zugang    zu    den    einschlägigen
Finanzinformationen hatten. Folglich "wurde deutlich, dass die Länder das Finanzsystem
in ihre Strategien zur Bekämpfung der Geldwäsche einbeziehen und sich gleichzeitig
darum bemühen mussten, die notwendigen Voraussetzungen für sein wirksames
Funktionieren dauerhaft sicherzustellen"5. Die ersten FIUs wurden in den frühen 1990er
Jahren eingerichtet, da eine Zentralstelle zur Entgegennahme, Analyse und Weitergabe
von Finanzinformationen zur Bekämpfung der Geldwäsche erforderlich geworden war. 6
Die FIUs wurden als spezialisierte Einheiten geschaffen, die sich mit der Analyse
verdächtiger finanzieller Transaktionen befassen, also mit anderen Aufgaben
(Intelligence-Analyse) als die Verfolgung von Straftaten (im Gegensatz zu
Verdachtsfällen).

1995 wurde auf Initiative der FIU der USA (FinCen) die "Egmont-Gruppe" (die eine
Kerngruppe von FIUs umfasst) gegründet; ihr Name ist vom Egmont-Arenberg-Palais in
Brüssel (Belgien) abgeleitet, in dem die erste Sitzung der Gruppe stattfand. Die Egmont-
Gruppe war ursprünglich als internationales und informelles Netzwerk von FIUs zur
Förderung und Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit gedacht, die

3 Siehe: Woodiwiss M., "Transnational organized crime: The strange career of an American
concept", in Beare M. (Hrsg.), Transnational Organized Crime, Ashgate, 2003; Scherrer A., G8 against
transnational organised crime, Ashgate, 2009.
4   IWF, Financial Intelligence Units: An Overview, 2004.
5 "... became clear that the strategy required them to engage the financial system in the effort to
combat laundering while, at the same time, seeking to ensure the retention of the conditions
necessary for its efficient operation.", IWF-Bericht, a.a.O., S. 1, Zitat aus Gilmore W.C., Dirty Money:
The Evolution Of Money-Laundering Counter-Measures, Council of Europe Press, 1999, S. 103.
6 Siehe die vergleichende Analyse in Teil II: Amicelle A., Berg J. und Chaudieu K., Comparative
analysis of Financial Intelligence Units (FIUs) in Canada, France, Switzerland and the United Kingdom. In
dem Aufsatz werden die Entstehung und Weiterentwicklung der FIU eingehend beschrieben (siehe
Abschnitt 1).

PE 598.603                                             10
Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

angesichts der Zunahme der grenzüberschreitenden Finanzströme zu einem
Schlüsselfaktor geworden war.7 Die Gruppe verfasste die erste Definition einer FIU:

      Eine zentrale Meldestelle (FIU) ist eine zentrale nationale Stelle mit der Aufgabe,
      zum Zwecke der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung
      Finanzinformationen entgegenzunehmen (und, soweit zulässig, um solche
      Informationen zu ersuchen), sie zu analysieren und sie an die zuständigen
      Behörden weiterzugeben, die i) mutmaßliche Erträge aus Straftaten und
      potenzielle Terrorismusfinanzierung betreffen oder ii) aufgrund nationaler
      Vorschriften oder Regelungen erforderlich sind.

Das Sekretariat der Egmont-Gruppe befindet sich seit 2008 in Toronto (Kanada); zum
Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes besteht die Gruppe aus 152 Mitgliedern.8

2003 nahm die Arbeitsgruppe "Bekämpfung der Geldwäsche und der
Terrorismus¬finanzierung" (Financial Action Task Force , FATF) – das 1989 eingerichtete
zwischenstaatliche Gremium, das Normen festlegt und eine wirksame Durchführung
rechtlicher, regulatorischer und operativer Maßnahmen zur Bekämpfung von
Geldwäsche fördert – eine überarbeitete Reihe von Empfehlungen zur Geldwäsche an;
erstmals waren ausdrücklich Empfehlungen zur Einrichtung und zur Funktionsweise
von FIUs vorgesehen, die von der oben erwähnten Definition der Egmont-Gruppe
abgeleitet sind:

      (Empfehlung 26): Die Länder sollten eine FIU einrichten, die als nationales
      Zentrum zur Entgegennahme (und, soweit zulässig, zum Abfragen), zur Analyse
      und Weitergabe von Meldungen verdächtiger Transaktionen und anderen
      Informationen bezüglich potenzieller Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung
      dient. Die FIU sollte direkt oder indirekt rechtzeitig Zugang zu den Finanz-,
      Verwaltungs- und Strafverfolgungs¬informationen erhalten, die sie zur
      ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigt, zu denen auch die
      Analyse von Meldungen verdächtiger Transaktionen gehört. 9

Was die Zusammenarbeit angeht, so hat die Egmont-Gruppe seit ihrer Anfangsphase die
Festlegung von Vereinbarungen und Mustern für gemeinsame Absichtserklärungen
zwischen FIUs weltweit ermöglicht.10

7 Egmont Group, Annual report, 2015; Siehe: United State General Accounting Office - GAO,
Statement submitted to the Subcommittee on General Oversight and Investigations, Committee on
Banking and Financial Services, House of Representatives, FinCen's Law enforcement Support,
Regulatory, and International Roles, 1998, GAO/T-GDD-98-83.
8 Egmont-Gruppe website.
9 Financial Action Task Force (FATF), Recommendations, 2003.

10 Neueste Fassung dieser Grundsätze siehe: Egmont Group, Principles for information exchange

between FIUs, Juni 2013, abrufbar auf der Website der Egmont Gruppe.
10 So ausgeführt in Erwägungsgrund 2 des Beschlusses des Rates vom 17. Oktober 2000 über

Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der
Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen (2000/642/JI).

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Ex-post-Folgenabschätzungen

Auf europäischer Ebene:

Die FIUs sind zwar nicht explizit genannt, wurden aber bereits in der ersten und zweiten
Geldwäscherichtlinie der EU aus den Jahren 1991 und 2001 als die Behörden in Betracht
gezogen, die für die Entgegennahme und Analyse von Meldungen verdächtiger
Transaktionen zuständig sein sollten. Seit 2000 bestehen in allen EU-Mitgliedstaaten
FIUs, welche Informationen sammeln und analysieren, damit zum Zwecke der
Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäsche Zusammenhänge zwischen
verdächtigen Finanztransaktionen und zugrunde liegenden kriminellen Tätigkeiten
hergestellt werden können.11

In der ersten Geldwäscherichtlinie12, die 1991 erlassen wurde, wurden Regelungen für
die Meldung verdächtiger Transaktionen festgelegt. Im Aktionsplan zur Bekämpfung der
organisierten Kriminalität, der 1997 vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in
Amsterdam gebilligt wurde, wurde empfohlen, die Zusammenarbeit zwischen den
Kontaktstellen, die nach der genannten ersten Geldwäscherichtlinie für die
Entgegennahme von Meldungen verdächtiger Transaktionen zuständig waren, zu
verbessern. Dies führte zum Erlass des Beschlusses des Rates vom 17. Oktober 2000 über
Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der
Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen. 13 In diesem Beschluss wurden die
Vorschriften für die Organisation der FIU auf der Ebene der Mitgliedstaaten und für die
Zusammenarbeit zwischen ihnen festgelegt. Außerdem wurden spezifische Vorschriften
hinsichtlich gesicherter Meldewege zwischen den EU-FIUs festgelegt, woraufhin in den
Jahren 2007-2008 das FIU.NET mit finanzieller Unterstützung der Europäischen
Kommission eingerichtet wurde.

In der zweiten Geldwäscherichtlinie14, die 2001 erlassen wurde, wird zwar nicht explizit
auf die FIU Bezug genommen, aber es werden die "für die Bekämpfung der Geldwäsche
zuständigen Behörden" genannt und es wird eine weiter gefasste Definition von
Geldwäsche verwendet, bei der zugrunde liegende Straftaten wie etwa Bestechung
berücksichtigt werden und somit das Spektrum von Vortaten erweitert wird.

Mit der 2005 erlassenen dritten Geldwäscherichtlinie 15 wurde das Ziel der Bemühungen
der EU zur Bekämpfung der Geldwäsche ausgedehnt, indem der Geltungsbereich der

11So ausgeführt in Erwägungsgrund 2 des Beschlusses des Rates vom 17. Oktober 2000 über
Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der
Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen (2000/642/JI).
12 Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des
Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche.
13Beschluss des Rates vom 17. Oktober 2000 über Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit
zwischen den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen.
14Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 zur
Änderung der Richtlinie 91/308/EWG des Rates zur Verhinderung der Nutzung des
Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche.
15Richtlinie 2005/60/EG vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems
zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.

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Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

Anforderungen zur Bekämpfung der Geldwäsche auf schwere Straftaten und
Terrorismusfinanzierung ausgeweitet wurde. Darüber hinaus wird darin ausdrücklich
verlangt, dass die Mitgliedstaaten nationale FIUs einrichten.

Die Europäische Kommission ist beauftragt, Unterstützung zu leisten, um die
Koordinierung, einschließlich des Informationsaustauschs zwischen den FIUs innerhalb
der Gemeinschaft, zu erleichtern (Artikel 38 der dritten Geldwäscherichtlinie). 2006
richtete die Kommission die Plattform der zentralen Meldestellen der EU ein, die die EU-
FIUs miteinander verbindet und ihre Zusammenarbeit fördert.16

1.2. Grenzen und Möglichkeiten der Bewertung der Zusammenarbeit
    der FIUs bei der Bekämpfung von Steuerstraftaten

Steuerstraftaten werden nicht von allen EU-FIUs unbedingt einheitlich behandelt, da
diese Straftaten in einigen Mitgliedstaaten nicht als Vortaten für die Geldwäsche
angesehen werden. Obgleich in der vierten Geldwäscherichtlinie ausdrücklich auch
"Steuerstraftaten" als Vortaten für Geldwäsche erfasst werden, wird darin keine
Harmonisierung der Definition auf EU-Ebene vorgenommen. Es fehlt eindeutig ein
Konsens über Steuerstraftaten, wie in Abschnitt 3 ausgeführt wird.

Zudem ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes die Umsetzung der neuen
Bestimmungen, die mit der vierten Geldwäscherichtlinie 17 von 2015 eingeführt wurden,
schwer zu beurteilen. In der Tat sind diese Bestimmungen von den Mitgliedstaaten im
Einklang mit Artikel 67 der vierten Richtlinie bis Ende Juni 2017 umzusetzen. Die
nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Bestimmungen der
dritten und der vierten Geldwäscherichtlinie in Bezug auf die FIUs. Wie daraus
hervorgeht, wird in der vierten Richtlinie die Organisation der Zusammenarbeit
zwischen den EU-FIU sehr viel genauer geregelt:

Tabelle 1 – EU-Rechtsrahmen: Die wichtigsten Bestimmungen in Bezug auf die EU-
FIUs

     Dritte Geldwäscherichtlinie (2005)         Zusätzliche Bestimmungen in der vierten
                                          Geldwäscherichtlinie von 2015, bis Juni 2017 umzusetzen

 Jeder Mitgliedstaat richtet eine         Über den Zugang zu Informationen:
 zentrale       Meldestelle      zur      Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die zuständigen
 Bekämpfung der Geldwäsche und            Behörden und die zentralen Meldestellen zeitnah auf die
 der         Terrorismusfinanzierung      Angaben zu den rechtlichen und wirtschaftlichen
 (Artikel 21 Absatz 1).                   Eigentümern zugreifen können (Artikel 30 Absatz 2).
                                          Angaben zu den wirtschaftlichen Eigentümern müssen in

16Die EU-FIU-Plattform hat keinen operationellen Charakter. Sie soll Diskussionen erleichtern und
den Austausch bewährter Verfahren auf EU-Ebene zwischen den FIU ermöglichen. Die Sitzungen
der Plattform finden in der Regel vierteljährlich statt.
17Richtlinie (EU) 2015/849 vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems
zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.

PE 598.603                                         13
Ex-post-Folgenabschätzungen

     Dritte Geldwäscherichtlinie (2005)            Zusätzliche Bestimmungen in der vierten
                                           Geldwäscherichtlinie von 2015, bis Juni 2017 umzusetzen
 Zur Erfüllung ihrer Aufgaben wird        allen Fällen und ohne Einschränkung für die zentralen
 jede nationale zentrale Meldestelle      Meldestellen zugänglich sein (Artikel 30 Absatz 5).
 mit      angemessenen        Mitteln
 ausgestattet (|Artikel 21 Absatz 2).     Über die Zusammenarbeit:
                                          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zentrale
 Die zentralen Meldestellen müssen        Meldestellen unabhängig von ihrem Organisationsstatus
 rechtzeitig Zugang zu den Finanz-,       miteinander        im        größtmöglichen         Umfang
 Verwaltungs-                  und        zusammenarbeiten (Artikel 52), selbst wenn zum
 Strafverfolgungsinformationen            Zeitpunkt des Austauschs die Art der Vortaten, die einen
 erhalten,     die      sie     zur       Zusammenhang aufweisen könnten, nicht feststeht
 ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer          (Artikel 53 Absatz 1). Geht bei einer zentralen Meldestelle
 Aufgaben benötigen (Artikel 21           eine Meldung verdächtiger Transaktionen ein, die einen
 Absatz 3).                               anderen Mitgliedstaat betrifft, so leitet sie diese Meldung
                                          umgehend an die zentrale Meldestelle des betreffenden
 Die        dieser        Richtlinie18    Mitgliedstaats weiter (Artikel 53 Absatz 1). Darüber hinaus
 unterliegenden     Institute     und     sind die zentralen Meldestellen der EU berechtigt,
 Personen müssen die zentrale             sämtliche im Inland verfügbaren Befugnisse zur
 Meldestelle umgehend informieren,        Beantwortung ausländischer Ersuchen zu nutzen (Artikel
 wenn sie den Verdacht haben, dass        53).
 eine       Geldwäsche           oder
 Terrorismusfinanzierung begangen         Wird ein Auskunftsersuchen von einer zentralen
 oder zu begehen versucht wurde           Meldestelle an eine andere zentrale Meldestelle der EU
 oder wird. Sie müssen ferner auf         gerichtet, so erteilt die zentrale Meldestelle, an die das
 Verlangen     alle    erforderlichen     Ersuchen gerichtet ist, zeitnah Antwort. Wenn eine
 Auskünfte erteilen (Artikel 22           zentrale Meldestelle zusätzliche Informationen von einem
 Absatz 1).                               in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Verpflichteten, der in einem
                                          anderen Mitgliedstaat eingetragen ist, einholen möchte, ist
 Die     Mitgliedstaaten     müssen       das Ersuchen an die zentrale Meldestelle des
 vorschreiben, dass ihre Kredit- und      Mitgliedstaats zu richten, in dessen Hoheitsgebiet der
 Finanzinstitute Systeme einrichten,      Verpflichtete niedergelassen ist. Diese zentrale Meldestelle
 die es ihnen ermöglichen, auf            leitet das Ersuchen und die Antworten umgehend weiter
 Anfragen der zentralen Meldestelle       (Artikel 53 Absatz 2).
 gemäß ihrem nationalen Recht
 vollständig und rasch Auskunft zu        Eine zentrale Meldestelle kann den Informationsaustausch
 geben (Artikel 32).                      nur in Ausnahmefällen verweigern, wenn der Austausch
                                          im Widerspruch zu den Grundprinzipien ihres nationalen
                                          Rechts stehen könnte (Artikel 53 Absatz 3).

                                          Beim Austausch von Informationen und Dokumenten
                                          kann     die    übermittelnde      zentrale Meldestelle
                                          Einschränkungen und Bedingungen für die Verwendung
                                          der Informationen festlegen (Artikel 54).

                                          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die ausgetauschten
                                          Informationen nur zu dem Zweck verwendet werden, zu
                                          dem sie verlangt oder zur Verfügung gestellt wurden, und

18Diese Richtlinie gilt für (Artikel 2): Kreditinstitute; Finanzinstitute; Abschlussprüfer, externe
Buchprüfer und Steuerberater; Notare und andere selbstständige Angehörige von Rechtsberufen;
Dienstleister für Trusts und Gesellschaften; Immobilienmakler; andere natürliche oder juristische
Personen, die mit Gütern handeln, sowie Kasinos.

PE 598.603                                          14
Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

     Dritte Geldwäscherichtlinie (2005)           Zusätzliche Bestimmungen in der vierten
                                           Geldwäscherichtlinie von 2015, bis Juni 2017 umzusetzen
                                          dass für jegliche Weitergabe der Informationen die
                                          vorherige Zustimmung der übermittelnden zentralen
                                          Meldestelle erforderlich ist (Artikel 55 Absatz 1). Eine
                                          Verweigerung der Zustimmung ist angemessen zu
                                          begründen (Artikel 55 Absatz 2).

                                          Unterschiedliche Definitionen von Steuerstraftaten im
                                          jeweiligen nationalen Recht sollten dem nicht
                                          entgegenstehen, dass die zentralen Meldestellen
                                          Informationen austauschen oder einer anderen zentralen
                                          Meldestelle im Einklang mit ihrem nationalen Recht im
                                          größtmöglichen Umfang Hilfe leisten (Artikel 57).

Zusätzlich beschloss die Europäische Kommission – bedingt durch die Terroranschläge
Ende 2015 und die Enthüllungen der "Panama Papers" im April 2016 –, den EU-Rahmen
zur Geldwäschebekämpfung ein weiteres Mal zu überprüfen und neue Änderungen
vorzuschlagen, über die zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes verhandelt wird. 19
Der Beurteilung der Rolle der FIU bei der Bekämpfung von Steuerstraftaten unter
solchen sich rasch verändernden Rahmenbedingungen sind daher offenkundig gewisse
Grenzen gesetzt.

Wie aus der vergleichenden Analyse in Teil II (in der FIUs in Kanada, Frankreich, der
Schweiz und im Vereinigten Königreich verglichen werden) hervorgeht, sollte jedoch im
Zusammenhang mit der Umsetzung der dritten Geldwäscherichtlinie (2005), die bis zum
15. Dezember 2007 zu erfolgen hatte, erwähnt werden, dass in der dritten Richtlinie
Steuerhinterziehung an sich zwar nicht erwähnt wird, "schwere Straftaten" aber im
Geltungsbereich der Geldwäscherichtlinie aufgeführt sind. Letztere werden definiert als
"alle Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden
Maßregel der Sicherung und Besserung im Höchstmaß von mehr als einem Jahr oder —
in Staaten, deren Rechtssystem ein Mindeststrafmaß für Straftaten vorsieht — die mit
einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und
Besserung von mindestens mehr als sechs Monaten belegt werden können" 20 und
schließen daher Steuerstraftaten in einer Reihe von Mitgliedstaaten ein.21
Darüber hinaus gibt es verschiedene Bewertungen zur Umsetzung der dritten
Geldwäscherichtlinie in einzelstaatliches Recht und zu deren Anwendung, in denen
erhebliche Probleme aufgezeigt werden, was die Kapazitäten der FIUs bei der wirksamen

19Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der
Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und
zur Änderung der Richtlinie 2009/101/EG, Straßburg, 5. Juli 2016, COM(2016) 450 final. Zu einer
ersten Bewertung der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission durch den
wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments siehe: Collovà C., Prevention of the use of
the financial system for the purposes of money laundering or terrorist financing, PE 587.354, 2016.
20Richtlinie 2005/60/EG, a.a.O.
21Siehe Abschnitt 1 der vergleichenden Analyse in Teil II: Amicelle A., Berg J. und Chaudieu K.,
Comparative analysis of Financial Intelligence Units (FIUs) in Canada, France, Switzerland and United
Kingdom.

PE 598.603                                         15
Ex-post-Folgenabschätzungen

Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung betrifft. Von diesen
Problemen sind einige besonders relevant für die Bekämpfung von Steuerstraftaten und
die wirksame Zusammenarbeit in diesem Bereich, wie in Abschnitt 3 ausgeführt wird.

2. Strukturen, Ressourcen und Kooperationskanäle der
    zentralen Meldestellen
2.1. Strukturelle Unterschiede

Die aufeinanderfolgenden EU-Geldwäscherichtlinien enthalten keine spezifischen
Bestimmungen darüber, wie die FIUs auf Ebene der Mitgliedstaaten strukturiert und
organisiert sein sollten. In seinem Bericht aus dem Jahr 200422 hat der IWF eine Typologie
zur Klassifizierung der FIUs vorgeschlagen, die seither verwendet wird. Je nachdem, wo
die FIUs in den administrativen Strukturen der Mitgliedstaaten angesiedelt sind, werden
in dem IWF-Bericht vier Typen unterschieden:

           FIU im Bereich Verwaltung
           FIU im Bereich Strafverfolgung
           FIU im Bereich Justiz/Staatsanwaltschaft
           FIU-Mischformen.

In dem im Jahr 2013 veröffentlichten Abschlussbericht über das von der EU finanzierte
"ECOLEF"-Projekt 23(im Folgenden "ECOLEF-Studie") wurde versucht, ein vollständiges
und umfassendes Verzeichnis der FIUs in den damals 27 EU-Mitgliedstaaten zu erstellen
und eine Einstufung nach der IWF-Typologie vorzunehmen.24 Dem Bericht zufolge war
die überwiegende Mehrheit der EU-FIUs entweder dem Bereich Verwaltung oder dem
Bereich Strafverfolgung zuzuordnen; lediglich vier FIUs betrachteten sich selbst als dem
Bereich Justiz zugehörig oder als Mischform. Die ECOLEF-Studie gelangte zu dem
Schluss, dass die Mitgliedstaaten – da nur eine Handvoll FIUs sich als einer anderen
Typologie zugehörig einstuften – weitgehend mit der Typologie übereinstimmten, der
ihre FIUs zugeordnet wurden..25

Bestätigt werden diese Erkenntnisse in einem neueren Bericht für die EU-Plattform für
zentrale Meldestellen (im Folgenden "Bericht für die FIU-Plattform")26, in dem allerdings

22   IWF, Financial Intelligence Units: An Overview, 2004.
23Projekt "Economic and Legal Effectiveness of Anti-Money Laundering and Combating Terrorist
Financing Policy - ECOLEF" (mit Mitteln der Europäischen Kommission finanziert – GD "Inneres",
JLS/2009/ISEC/AG/087), Abschlussbericht, Februar 2013.
24   Ebd., S. 140.
25   S. 143.
26 Mapping exercise and gap analysis on FIUs powers and obstacles for obtaining and exchanging
information, Bericht für die Plattform der zentralen Meldestellen der EU, Dezember 2016
(Federführung: FIU Italien - Unità di Informazione Finanziaria per l'Italia - UIF). Dieser
Bestandsaufnahme liegt eine umfassende Erhebung bei den EU-FIU zugrunde. Anhand der
Ergebnisse der Erhebung sollen Probleme, die bei der Anwendung der EU-Vorschriften zur

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Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

nur drei FIU-Modelle genannt werden: Verwaltung, Strafverfolgung (oder Justiz) und
"Mischform". Die EU-FIU verteilen sich derzeit wie folgt:27
     12 EU-FIUs haben angegeben, dass sie dem Verwaltungstyp zuzuordnen sind
       (diese sind beispielsweise bei den Finanz-, Justiz- oder Innenministerien
       angesiedelt oder in die Zentralbank oder eine Aufsichtsbehörde eingegliedert):
       Belgien, Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Frankreich, Italien,
       Lettland, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien und Spanien;
     11 EU-FIUs haben angegeben, dass sie dem Bereich Strafverfolgung (Polizei
       und/oder Justiz) zuzuordnen sind: Österreich, Estland, Finnland, Deutschland,
       Irland, Litauen, Portugal, die Slowakei, Schweden, Luxemburg und das
       Vereinigte Königreich;
     5 EU-FIUs stufen sich selbst als Mischform ein, da bei ihnen sowohl
       administrative als auch polizeiliche Elemente vertreten sind: Zypern, Dänemark,
       Griechenland, Ungarn und die Niederlande.

Der Bericht für die FIU-Plattform gibt allerdings zu bedenken, dass "die Festlegung
dieser verschiedenen institutionellen Typen der herkömmlichen Struktur entspricht und
dass die Verteilung der EU-FIUs auf die einzelnen Typen in gewisser Weise willkürlich
ist. Auch innerhalb der jeweiligen Kategorie behält jede einzelne FIU ihre
charakteristischen Besonderheiten bei".28 Bereits in der ECOLEF-Studie war darauf
hingewiesen worden, dass entscheidende Aspekte (etwa der Hintergrund der FIU-
Mitarbeiter, die Aufgabenverteilung oder der Zugang zu Datenbanken) nicht
notwendigerweise mit dem FIU-Typ korrelieren.29

Dieser Aspekt wird in der vergleichenden Analyse (Teil II der vorliegenden Studie)
bestätigt, in der betont wird, dass zwischen FIUs desselben Typs große Unterschiede
bestehen, unter anderem was die Arten der bei ihnen eingehenden Meldungen oder
ihren Zugang zu den verschiedenen nationalen Datenbanken angeht.30 Auch die
gemeinhin geltende Annahme, wonach "Strafverfolgungs"-FIUs besseren Zugang zu
polizeilichen und ermittlungs¬dienstlichen Informationen haben, hat sich im Falle der
vier untersuchten FIUs nicht bestätigt.31 Wie in Abschnitt 3.1 und mit Blick auf
Steuerstraftaten weiter analysiert wird, spielen andere Elemente – etwa das
Funktionieren der Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden in der Praxis – bei der

Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung auftreten, und mögliche Lösungen
bzw. Gegenmaßnahmen aufgezeigt werden. Sämtliche Informationen und Daten, die in diese
Bestandsaufnahme eingeflossen sind, wurden durchgehend vertraulich und anonym behandelt.
Der Bericht enthält demzufolge keine Angaben zu einzelnen FIU.
27 Ebd., S. 5-7.

28  In dem Bericht wird in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass ein wichtiges
organisatorisches Element – neben dem "Status" einer FIU – ihre Einbettung in größere
Organisationen ist, da sich dies auf ihre Autonomie auswirkt. Siehe: Mapping exercise and gap
analysis on FIUs powers and obstacles for obtaining and exchanging information, a.a.O.
29 Siehe: ECOLEF-Studie, a.a.O., S. 162.

30 Siehe unsere vergleichende Analyse (Teil II): Amicelle A., Berg J. und Chaudieu K., Comparative
analysis of Financial Intelligence Units (FIUs) in Canada, France, Switzerland and United Kingdom,
Abschnitt 1.1.
31 Ebd.

PE 598.603                                       17
Ex-post-Folgenabschätzungen

Bewertung der Fähigkeit der FIUs, ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, eine
größere Rolle.

2.2. Ressourcen

Was die personellen Ressourcen angeht, so variiert gemäß dem Bericht für die FIU-
Plattform die Zahl der Mitarbeiter, die speziell mit den FIU-Kernaufgaben (d. h.
Entgegennahme      von     Meldungen       verdächtiger   Transaktionen,    Analysen,
Informationsweitergabe und internationale Zusammenarbeit) befasst sind, zwischen den
Mitgliedstaaten erheblich: zwischen fünf (in Irland) und 289 Beschäftigten (in
Deutschland).32 Auch die Prozentzahlen der mit diesen Kernaufgaben befassten FIU-
Mitarbeiter gehen weit auseinander: Sie liegen zwischen 33 % (in Malta) und 100 % (im
Vereinigten Königreich).

FIUs können indessen auch andere Aufgaben wahrnehmen, etwa die Ausarbeitung von
Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche, die Herausgabe von Leitlinien für
die meldenden Stellen zur Gestaltung der Meldungen, die Überwachung der meldenden
Stellen und Vorschläge für Sanktionen bei der Feststellung von Unregelmäßigkeiten
während der Überwachung/Kontrollen. 33 Diese Mitarbeiterzahlen dürfen jedoch nicht zu
stark vereinfachten Schlüssen führen: Wie in dem Bericht für die FIU-Plattform angeregt
wird, sollte nämlich die Angemessenheit der verfügbaren personellen Ressourcen vor
dem Hintergrund der jeweiligen Arbeitsbelastung der FIU, insbesondere dem
Meldeaufkommen,        der    Art    der    durchgeführten     Analysen      und    der
Informationsweitergabe und des Umfangs des internationalen Austauschs bewertet
werden.34 So sind beispielsweise in Deutschland im Jahr 2014 ca. 24 000 Meldungen
verdächtiger Transaktionen eingegangen. 35 Irland hat demgegenüber im Jahr 2012 etwa
12 400 Verdachtsmeldungen erhalten.36

Beim Haushaltsvolumen können die Zahlen dem Bericht für die FIU-Plattform zufolge
extrem weit auseinanderliegen: zwischen 600 000 EUR und mehr als 14 Mio. EUR pro
Jahr.37 Auch hier gilt allerdings, dass diese Unterschiede nicht unbedingt hilfreich sind,
um zu bewerten, ob die Finanzausstattung der FIU ausreicht, damit diese die ihnen
zugewiesenen Aufgaben erfüllen können. Aussagekräftiger sind in diesem

32 Für Kanada, Frankreich, die Schweiz und das Vereinigte Königreich werden in der
vergleichenden Analyse folgende Zahlen genannt: 350 Mitarbeiter (Kanada); 150 Mitarbeiter
(Frankreich); 20 Mitarbeiter (Schweiz); 150 Mitarbeiter (Vereinigtes Königreich). Siehe: Amicelle A.,
Berg J. und Chaudieu K., Comparative analysis of Financial Intelligence Units (FIUs) in Canada, France,
Switzerland and United Kingdom (Einleitung).
33   Siehe hierzu: ECOLEF-Studie, a.a.O., S. 149.
34 Mapping exercise and gap analysis on FIUs powers and obstacles for obtaining and exchanging
information, a.a.O., S. 12.
35Siehe: Financial Intelligence Unit (FIU) Deutschland - Jahresbericht 2014.
36Siehe: Department of Justice and Equality of Ireland, Anti-Money Laundering Compliance Unit,
Statistikbericht, 2012.
37 Mapping exercise and gap analysis on FIUs powers and obstacles for obtaining and exchanging
information, a.a.O., S. 13.

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Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den FIU

Zusammenhang Angaben zur budgetären Unabhängigkeit der FIU. Wie sowohl in der
ECOLEF-Studie als auch in dem Bericht für die FIU-Plattform dargelegt wird, erhöht die
Budgetunabhängigkeit die Fähigkeit der FIU, die für ihre funktionellen Anforderungen
erforderlichen Beträge eigenständig zu verwalten. Weniger als die Hälfte der EU-FIUs
haben im Rahmen des Berichts für die FIU-Plattform angegeben, dass sie über einen
eigenen Haushalt verfügen, das heißt über Mittel, die speziell (und ausschließlich) ihnen
für die Deckung ihrer Ausgaben zugewiesen und von ihnen unabhängig verwaltet
werden. Die Mehrzahl der EU-FIUs hat angegeben, dass ihr Haushalt Teil des
Haushaltsplans einer größeren Einrichtung ist.38 In der ECOLEF-Studie wird darauf
hingewiesen, dass diese Abhängigkeit, insbesondere in Zeiten von Mittelkürzungen, zu
Problemen führen kann39

In dem Bericht für die FIU-Plattform wird festgestellt, dass die verfügbaren finanziellen,
personellen und technischen Mittel im Großen und Ganzen für ausreichend erachtet
werden, um den derzeitigen Bedarf der EU-FIUs zu decken. Es wird jedoch auch
hervorgehoben, dass EU-weit vonseiten der FIU-Mitarbeiter Bedenken laut werden, ob
die FIUs auch weiterhin in der Lage sein werden, mit den im Zuge der Umsetzung der
vierten Geldwäscherichtlinie erwarteten Entwicklungen Schritt zu halten, wenn die
verfügbaren Mittel nicht wesentlich aufgestockt werden. In dem Bericht wird
insbesondere darauf hingewiesen, dass die FIUs gemäß der vierten Geldwäscherichtlinie
künftig auf verfügbare nationale Kräfte zurückgreifen müssen, um ausländische
Anfragen zu beantworten und Verdachtsmeldungen, die einen anderen Mitgliedstaat
betreffen, an die betreffenden ausländischen Partner weiterzuleiten, was das
Tätigkeitsspektrum weiter ausdehnt, obwohl die Arbeitsbelastung bereits kontinuierlich
zunimmt; zu nennen sind hier insbesondere die Zahl der eingehenden
Verdachtsanzeigen, die zwischen den Partner-FIUs ausgetauschten Informationen und
die mit den verschiedenen Formen der innerstaatlichen Zusammenarbeit verbundenen
Erfordernisse.40

2.3. Meldungen verdächtiger Transaktionen: verschiedene Quellen
    und unterschiedliche Qualität

Die Tätigkeiten der FIU basieren auf Informationen über verdächtige finanzielle
Transaktionen. Gemäß der dritten Geldwäscherichtlinie nehmen alle FIUs ausgefüllte
Meldungen verdächtiger Transaktionen vonseiten meldepflichtiger Einrichtungen
entgegen.41

38Ebd., S. 12.
39ECOLEF-Studie, a.a.O., S. 146.
40 Mapping exercise and gap analysis on FIUs powers and obstacles for obtaining and exchanging

information, a.a.O., S. 25.
41 Verpflichtete im Sinne des Artikels 2 der dritten Geldwäscherichtlinie sind: Kreditinstitute;
Finanzinstitute; Abschlussprüfer, externe Buchprüfer und Steuerberater; Notare und andere
selbstständige Angehörige von Rechtsberufen; Dienstleister für Trusts und Gesellschaften;
Immobilienmakler; andere natürliche oder juristische Personen, die mit Gütern handeln, sowie
Kasinos.

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Ex-post-Folgenabschätzungen

Wenn man Quantität und Qualität der Meldungen der Verpflichteten betrachtet, treten
verschiedene Probleme auf. In unserer vergleichenden Analyse (Teil II dieser Studie)
wird im Einzelnen erläutert, wie das Meldeverfahren in der Praxis funktioniert.
Analysiert wird darin ferner die Herkunft der Verdachtsmeldungen, die die FIUs in den
vier untersuchten Ländern (Kanada, Frankreich, Schweiz und Vereinigtes Königreich)
entgegennehmen, wobei Folgendes festgestellt wird:42

        Erstens: Der Großteil der Meldungen verdächtiger Transaktionen/Tätigkeiten an
         die FIUs stammt von Finanzinstituten. Nur ein geringer Anteil der
         Verdachtsmeldungen stammt von Angehörigen der Rechtsberufe und von
         Wirtschaftsprüfern.
        Zweitens: Die Anzahl der eingehenden Verdachtsmeldungen korreliert nicht
         zwangsläufig mit der Größe des betreffenden nationalen Finanzmarkts. Als
         Beispiel wird in dem Papier die Schweiz genannt, die immer wieder aufgrund
         des zu geringen Meldeaufkommens in der Kritik steht.
        Drittens: Für die Finanzinstitute ist die Vermeidung eines Rufschadens ein
         zentraler Faktor bei der Erfüllung ihrer Meldepflichten: Dies kann entweder zu
         ausufernden Meldungen oder zu einer zu geringen Zahl von Meldungen führen.
         Hier besteht die Herausforderung darin zu wissen, wo die Grenze zwischen
         defensivem Meldeverhalten (zur Vermeidung von Kritik aufgrund einer
         Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche) und
         erkenntnisrelevantem Meldeverhalten zu ziehen ist.

Trotz erheblicher methodischer Einschränkungen wurde versucht zu quantifizieren, wie
hoch der Gesamtanteil der an die FIUs gerichteten Verdachtsmeldungen war, die von
den FIUs analysiert und im Anschluss an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet
wurden und die schließlich tatsächlich zu einer strafrechtlichen Verfolgung geführt
haben, um eine durchschnittliche "Effizienzquote" für diese Art der Meldepflicht zu
bestimmen. In dem Bericht über die Kosten des Verzichts auf EU-politisches Handeln
("Cost of non-Europe") im Bereich der organisierten Kriminalität, den der
Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments 2016 veröffentlicht hat, wurden
beispielsweise die EU-Mitgliedstaaten betrachtet, für die vergleichbare Daten vorlagen
(Belgien, die Tschechische Republik, Estland, Deutschland, Lettland, Litauen,
Luxemburg, Rumänien, die Slowakei und Slowenien); auf der Grundlage der
EUROSTAT-Daten aus dem Jahr 2013 wurde dabei festgestellt, dass von der Gesamtzahl
der Meldungen verdächtiger Transaktionen, die in diesen Mitgliedstaaten ausgefüllt und
den jeweiligen FIUs übermittelt wurden, 29 % in der Folge an Strafverfolgungsbehörden
weitergeleitet wurden und dass davon wiederum 54 % zu einem Gerichtsverfahren
geführt haben. Somit haben etwa 16 % aller eingereichten Verdachtsmeldungen

42Siehe unsere vergleichende Analyse (Teil II): Amicelle A., Berg J. und Chaudieu K., Comparative
analysis of Financial Intelligence Units (FIUs) in Canada, France, Switzerland and United Kingdom
(Abschnitte 1.2 und 1.3).

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