Kantonsgericht Schwyz - Entscheidsuche.ch

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Kantonsgericht Schwyz

             Urteil vom 6. Oktober 2020
             STK 2019 77

Mitwirkend   Kantonsgerichtsvizepräsidentin lic. iur. Daniela Pérez-Steiner,
             Kantonsrichter lic. iur. Walter Züger, Bettina Krienbühl,
             Pius Schuler und lic. iur. Jeannette Soro,
             Gerichtsschreiberin lic. iur. Antoinette Hürlimann.

In Sachen    A.________,
             Beschuldigte, Berufungsführerin und Anschlussberufungsgegnerin,
             erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt B.________,

             gegen

             1.   Staatsanwaltschaft March, Postfach 162, Rathausplatz 1, 8853 Lachen,
                  Anklagebehörde, Berufungsgegnerin und Anschlussberufungsführerin,
                  vertreten durch Staatsanwalt C.________,
             2.   D.________,
                  Privatklägerin und Berufungsgegnerin,

betreffend   Beschimpfung, Nötigung,
             (Berufung und Anschlussberufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts
             Schwyz vom 11. September 2019, SGO 2019 3);-

             hat die Strafkammer,
Kantonsgericht Schwyz                                                                 2

nachdem sich ergeben:

A.      Am 8. April 2019 erhob die von der Oberstaatsanwaltschaft mit
Verfügung vom 1. September 2017 für zuständig erklärte Staatsanwaltschaft
March (U-act. 13.1.01) gegen A.________ (nachfolgend Beschuldigte) beim
Bezirksgericht Schwyz Anklage wegen Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB,
Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB und Beschimpfung im
Sinne von Art. 177 Abs. 1 StGB. Der Beschuldigten wird, soweit noch
Gegenstand des Berufungsverfahrens, Folgendes vorgeworfen:

        1.      (…) Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB

                (…)

                A.________ bestellte am 22. Juli 2017 um 23:35:28 Uhr via den
                verschlüsselten Internetzugang mit der IP-Adresse xx in
                K.________, E.________platz yy, und am 30. Juli 2017 an nicht
                genauer bestimmbarer Örtlichkeit in Kroatien mit dafür eigens
                erstellten Konti – unter der Vorgabe, D.________ zu sein - u.a. bei
                Zalando in Berlin (Deutschland), bei Ex Libris in Dietikon ZH und
                bei der A2Z Online-Marketing GmbH in Rüthi SG, zehn
                „Missguided BARBIE - Jeans Shorts - ivory denim“, zehn Bücher
                „Kamasutra, Govinda, Kalashatra“ und vier Sex-Spielzeuge
                „Louisiana Lounger“, „FSOG Tighten and Tense“, „Lelo Soraya
                Vibrator – cerise“ und „Exciting vibrating sucker“. Die drei Pakete
                wurden in der Folge am 25. und 27. Juli 2017 und am 3. August
                2017 an den G.________weg zz in Oberarth zu Handen von
                D.________ ausgeliefert.

                In den Tagen vor dem 8. August 2017 verfasste A.________ an
                nicht genauer bestimmbarer Örtlichkeit in der Schweiz ein
                Betreibungsbegehren gegen D.________ unter Vorgabe der nicht
                existierenden Gläubigerin „H.________“ für eine tatsächlich nicht
                bestehende Forderung über gelieferte Waren im Wert von
                CHF 9‘244.20. Mit diesem Begehren wollte sie den bis dahin
                ungetrübten Betreibungsregisterauszug von D.________ belasten.
                Am 9. August 2017 erhielt D.________ daher einen
                Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Arth über die fragliche
                Sache ausgehändigt.

                D.________ war aufgrund dieser Handlungen von A.________
                gezwungen, diverse – zum Teil zeitraubende und bemühende –
                Vorkehrungen zu treffen, um allfällige weitere von den
                Bestellungen und der eingeleiteten Betreibung ausgehende
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                Nachteile (wie Mahnungen, Betreibungen und Pfändungen) für sie
                abzuwenden. Diese Nachteile verursachte A.________ wissentlich
                und willentlich und zwang D.________ zu diversen
                Rückabwicklungen     (Kontaktnahmen,    Richtigstellungen und
                Rücksendungen) und Erklärungen, u.a. gegenüber Zalando, Ex
                Libris, A2Z Online-Marketing GmbH und dem Betreibungsamt Arth,
                um entsprechende Nachteile abzuwenden.

        2.      der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB

                (…)

        3.      der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 Abs. 1 StGB

                (…)

                In den Tagen kurz vor dem 8. August 2017 verfasste A.________
                ein Schreiben, welches sie in einem Couvert an I.________,
                adressierte und der Schweizerischen Post in Goldau als A-Post-
                Sendung übergab. Das Schreiben ging I.________ am 8. August
                2017 in Schwyz zu und er und D.________ nahmen es zu
                Kenntnis. Der Inhalt des Schreibens lautete wie folgt:

                        Sehr geehrter Herr I.________

                        Ich muss Ihnen etwas mitteilen, was Sie allenfalls
                        interessieren könnte. Vorerst möchte ich mich allerdings
                        kurz vorstellen. Ich wohne in der Zentralschweiz und kenne
                        D.________. Nähere Informationen zu meinen Personalien
                        möchte ich nicht bekanntgeben, weil ich befürchte, dass sich
                        dies unter Umständen negativ auf mein Leben auswirken
                        könnte. Nachfolgend schildere ich Ihnen meine Geschichte,
                        welche ich mit D.________ erlebt habe.

                        D.________ und ich hatten einige Dates miteinander. Zu
                        Beginn dachte ich, was für eine tolle Frau sie sei. Sie war
                        charmant, einfühlsam, aufrichtig und hatte stets ein offenes
                        Ohr für mich. Ich verstand mich gut mit ihr. Wir hatten nicht
                        nur    tolle  Gespräche     miteinander     sondern     auch
                        atemberaubenden Sex. Eines Tages merkte ich leider, dass
                        mich D.________ mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt
                        hatte. Sie können sich gar nicht vorstellen, was für
                        verheerende Auswirkungen eine derartige Krankheit haben
                        kann, wenn man sie nicht rechtzeitig entdeckt und
                        behandeln lässt.

                        Als ich über D.________ näher zu recherchieren begann,
                        fand ich heraus, dass sie während der Zeitspanne als wir
                        miteinander Sex hatten, gleichzeitig mit anderen Männern
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                        ihre Lust befriedigte. Diese Tatsache war für mich äusserst
                        verletzend, zumal ich in D.________ zum damaligen
                        Zeitpunkt bereits eine potentielle Partnerin fürs Leben sah.
                        Ich dachte, diese Frau würde es ernst mit mir meinen. Sie
                        sei nicht so wie gewisse andere Frauen. Leider hatte ich
                        mich was ihren Charakter und ihre Ehrlichkeit anbelangt
                        extrem getäuscht. Das Traurige ist, damals als ich das
                        Verhältnis mit D.________ begann, entschied ich mich für
                        sie entgegen aller Warnsignale, welche mir im Familien-,
                        Freundes- und Bekanntenkreis gegeben wurden. Ich dachte,
                        dass ich D.________ kennen würde und ihr blind vertrauen
                        könne. Wenn ich auf die damalige Zeit zurückblicke, denke
                        ich oft, wie ich so naiv sein konnte und mich von einer Frau
                        dermassen täuschen sowie beeinflussen lassen konnte. Im
                        Grunde genommen gab es genügend Anzeichen, dass sie
                        nicht mit offenen Karten spielte, doch ich wollte es einfach
                        nicht wahrhaben. Wie man so schön sagt, blickte ich damals
                        nur noch durch eine rosarote Brille und bemerkte nicht, was
                        D.________ hinter meinem Rücken im wahrsten Sinne des
                        Wortes trieb.

                        Wenn ich könnte würde ich am liebsten die Zeit soweit
                        zurückdrehen, sodass ich niemals ein Verhältnis mit
                        D.________ angefangen hätte. Wegen D.________
                        beendete ich damals eine partnerschaftliche Beziehung, weil
                        ich irgendwie das Gefühl hatte, was ich bis zum damaligen
                        Zeitpunkt in meiner Partnerschaft erlebt habe, könne nicht
                        alles gewesen sein. Leider merkte ich zu spät, dass mir
                        D.________ niemals das hätte geben können, was in einer
                        Partnerschaft wirklich wichtig ist. Nämlich Ehrlichkeit, Treue,
                        Aufrichtigkeit und Vertrautheit. Mein heutiges Leben ist
                        geprägt vom damaligen Ereignis und ich wünschte, ich hätte
                        sämtliche Warnungen früher erkannt.

                        Mit Gruss

                        xx

                Mit diesem Schreiben, in welchem sich A.________ als
                unbekannte (männliche) Person ausgab, die D.________ kennen
                gelernt hatte, unterstellte sie dieser, eine Drittperson mit einer
                Geschlechtskrankheit angesteckt zu haben, gegenüber dieser
                Person charakterlos und unehrlich gewesen zu sein und dass
                D.________ diese Person gezielt getäuscht und beeinflusst habe.
                Durch diese Äusserungen beabsichtigte A.________ D.________
                in der Ehre zu verletzen bzw. in ihrem Ansehen herabzusetzen.
Kantonsgericht Schwyz                                                                    5

Mit Verfügung vom 21. August 2019 dispensierte die Verfahrensleitung des
Bezirksgerichts          Schwyz      L.________     von     der    Teilnahme     an     der
Hauptverhandlung als Privatklägerin und Auskunftsperson (Vi-act. 14).
Anlässlich der Hauptverhandlung vor Schranken des Bezirksgerichts Schwyz
vom 11. September 2019 wurden im Beisein der Beschuldigten die
Privatklägerin          D.________     sowie     J.________       und   I.________      als
Auskunftspersonen befragt (Vi-act. 17, HVP). Die Staatsanwaltschaft
beantragte einen Schuldpruch im Sinne der Anklage und eine Geldstrafe von
120 Tagessätzen zu Fr. 200.00 sowie eine Busse von Fr. 6‘000.00
(ersatzweise 30 Tage Freiheitsstrafe), wobei die Geldstrafe bedingt zu
vollziehen und die Probezeit auf zwei Jahre festzusetzen sei (Vi-act. 18). Die
Privatklägerin D.________ machte eine Schadenersatzforderung von Fr.
1‘712.00 und Genugtuung von Fr. 500.00 geltend (HVP S 24). Die
Verteidigung verlangte, die Beschuldigte sei freizusprechen und die
Zivilforderung der Privatklägerin D.________ sei abzuweisen, unter Kosten-
und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates (Vi-act. 19). Mit Urteil vom
11. September 2019 erkannte das Bezirksgericht wie folgt:

        1.      Die Beschuldigte wird schuldig gesprochen der Beschimpfung
                gemäss Art. 177 Abs. 1 StGB.

        2.      Die Beschuldigte wird freigesprochen

                a)      vom Vorwurf der Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1
                        StGB;
                b)      vom Vorwurf der Nötigung gemäss Art. 181 StGB.

        3.      Für das Vergehen gemäss Ziff. 1 wird die Beschuldigte bestraft mit
                einer Geldstrafe von 32 Tagessätzen zu Fr. 230.00 und einer
                Verbindungsbusse von Fr. 1‘840.00.

        4.      a)      Der Vollzug der Geldstrafe wird gestützt auf Art. 42 Abs. 1
                        StGB aufgeschoben. Die Probezeit wird auf 2 Jahre
                        bestimmt (Art. 44 Abs. 1 StGB).

                b)      Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhafter Nichtbezahlung der
                        Verbindungsbusse wird auf 8 Tage festgesetzt (Art. 106
                        StGB).
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        5.      Die Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin D.________
                eine Genugtuung von Fr. 250.00 zu bezahlen. Im Übrigen wird die
                Zivilforderung von D.________ gestützt auf Art. 126 Abs. 2 auf den
                Zivilweg verwiesen.

        6.      Die Verfahrenskosten, bestehend aus:

                a)      den Untersuchungs- und Anklagekosten von Fr. 7‘919.60;
                b)      den Gerichtskosten von Fr. 3‘000.00 (inkl. Kosten, Gebühren
                        und Auslagen für Redaktion, Ausfertigung und Versand des
                        begründeten Entscheids);

                werden der Beschuldigten zu 4/5 auferlegt (Art. 426 Abs. 1 und 2
                StGB) und im Übrigen auf die Staatskasse genommen.

                Rechnung und Inkasso erfolgten durch die Bezirksgerichtskasse
                Schwyz nach Eintritt der Rechtskraft.

        7.      Die Beschuldigte wird verpflichtet, die Privatklägerin D.________
                für ihre notwendigen Aufwendungen im Verfahren mit Fr. 400.00
                zu entschädigen (Art. 433 Abs. 1 StPO).

        8.      a)      Die Beschuldigte wird für ihre Aufwendungen im
                        vorliegenden Strafverfahren aus der Gerichtskasse mit Fr.
                        1‘600.00 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) entschädigt
                        (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO).

                b)      Die der Beschuldigten gemäss Ziff. 6 auferlegten
                        Verfahrenskosten werden mit der Entschädigung gemäss
                        Ziff. 8 lit. a verrechnet (Art. 442 Abs. 4 StPO).

        9.-10. [Rechtsmittel und Zustellung].

B.      Gegen dieses Urteil meldete die Beschuldigte fristgerecht beim
Bezirksgericht Schwyz Berufung an und erklärte nach Erhalt des begründeten
Urteils innert Frist Berufung beim Kantonsgericht mit folgenden Anträgen (KG-
act. 1 und 3):

        1.      In Aufhebung von Ziff. 1 des angefochtenen Urteils sei die
                Beschuldigte/Berufungsführerin vom Vorwurf der Beschimpfung
                gemäss Art. 177 Abs. 1 StGB freizusprechen.

        2.      In Aufhebung von Ziff. 3 und Ziff. 4 des angefochtenen Urteils sei
                von einer Bestrafung der Beschuldigten/Berufungsführerin
                Umgang zu nehmen.
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        3.      In Aufhebung von Ziff. 5 Satz 1 des angefochtenen Urteils sei von
                einer Genugtuung im Betrage von CHF 250.00 an die
                Privatklägerin          D.________            durch            die
                Beschuldigte/Berufungsführerin abzusehen.

        4.      In Aufhebung von Ziff. 6 des angefochtenen Urteils seien die
                Untersuchungs- und Anklagekosten sowie die erstinstanzlichen
                Gerichtskosten vollumfänglich auf die Staatskasse zu nehmen.

        5.      In Aufhebung von Ziff. 7 des angefochtenen Urteils sei von einer
                Parteientschädigung an die Privatklägerin D.________ durch die
                Beschuldigte/Berufungsführerin abzusehen.

        6.      In Aufhebung von Ziff. 8 des angefochtenen Urteils sei die
                Beschuldigte/Berufungsführerin für ihre Aufwendungen im
                Untersuchungs- und erstinstanzlichen Verfahren durch die
                Gerichtskasse des Bezirksgerichtes Schwyz mit CHF 10‘000.00 zu
                entschädigen.

        7.      Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des
                Staates.

Die Staatsanwaltschaft erklärte mit Eingabe vom 24. Januar 2020 wie folgt
Anschlussberufung (KG-act. 5):

        1.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Urteils sei
                die Beschuldigte schuldig zu sprechen der Beschimpfung im Sinne
                von Art. 177 Abs. 1 StGB und der Nötigung im Sinne von Art. 181
                StGB (evtl. der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB in
                Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB).

        2.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Urteils sei
                die Beschuldigte (lediglich) freizusprechen vom Vorwurf der
                Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB.

        3.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Urteils sei
                die Beschuldigte zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 90 Tages-
                sätzen zu CHF 200.00 sowie mit einer Busse von CHF 4‘500.00
                (ersatzweise 23 Tage Freiheitsstrafe).

        4.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 4b angefochtenen Urteils sei die
                Ersatzfreiheitsstrafe auf 23 Tage festzusetzen.

        5.      Unter Kostenfolge für das Berufungsverfahren zulasten der
                beschuldigten Person.
Kantonsgericht Schwyz                                                                      8

Mit Verfügung vom 5. Februar 2020 setzte die Verfahrensleitung des
Kantonsgerichts den Parteien Frist zur Mitteilung an, ob sie mit der
Durchführung            des      schriftlichen    Verfahrens   einverstanden   seien;     bei
Stillschweigen der Beschuldigten und/oder der Privatklägerin D.________
werde zur mündlichen Berufungsverhandlung vorgeladen (KG-act. 6).
Während                 die        Staatsanwaltschaft          selbst      bereits        mit
Anschlussberufungserklärung                 die    Durchführung      der   Berufung      bzw.
Anschlussberufung in einem schriftlichen Verfahren beantragte (KG-act. 5 Ziff.
IV.) und die Privatklägerin D.________ am 20. Februar 2020 mitteilte, sie sei
mit dem schriftlichen Verfahren einverstanden (KG-act. 7), liess sich die
Beschuldigte             nicht     vernehmen.        Nach      erfolgter   Vorladung      zur
Berufungsverhandlung ersuchte mit Schreiben vom 19. Mai 2020 die
Privatklägerin L.________ um „Dispensation vom ganzen Fall“, da sie keine
weiteren Forderungen stelle und für sie die Sache abgeschlossen sei (KG-act.
10). Mit Verfügung vom 20. Mai 2020 wurde die Privatklägerin L.________
von der persönlichen Teilnahme dispensiert und davon Vormerk genommen,
dass sie auf Parteistellung im Berufungsverfahren verzichtet (KG-act. 11).
Anlässlich der Berufungsverhandlung vor Schranken des Kantonsgerichts
stellten die anwesenden Parteien folgende Anträge (vgl. BVP, KG-act. 18):

        Verteidigung

        1.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 1 des angefochtenen Urteils sei
                die    Beschuldigte/Berufungsführerin     vom     Vorwurf     der
                Beschimpfung gemäss Art. 177 Abs. 1 StGB freizusprechen.

        2.      Dispositiv-Ziff. 3 und Ziff. 4 des angefochtenen Urteils sei ersatzlos
                aufzuheben.

        3.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 5 Satz 1 des angefochtenen
                Urteils sei die Zivilforderung der Privatklägerin D.________
                abzuweisen bzw. sei die gesamte Forderung auf den
                Zivilrechtsweg zu verweisen.

        4.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 6 des angefochtenen Urteils
                seien die Untersuchungs- und Anklagekosten sowie die
                erstinstanzlichen Gerichtskosten    vollumfänglich auf   die
                Staatskasse zu nehmen.
Kantonsgericht Schwyz                                                                9

        5.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 7 des angefochtenen Urteils sei
                von einer Parteientschädigung an die Privatklägerin D.________
                durch die Beschuldigte/Berufungsführerin abzusehen.

        6.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 8 des angefochtenen Urteils sei
                die Beschuldigte/Berufungsführerin für ihre Aufwendungen im
                Untersuchungs- und erstinstanzlichen Verfahren durch die
                Gerichtskasse des Bezirksgerichtes Schwyz mit Fr. 10‘000.00 zu
                entschädigen.

        7.      Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des
                Staates.

        Staatsanwaltschaft

        1.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Urteils sei
                die Beschuldigte schuldig zu sprechen der Beschimpfung im Sinne
                von Art. 177 Abs. 1 StGB und der Nötigung im Sinne von Art. 181
                StGB (evtl. der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB in
                Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB).

        2.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Urteils sei
                die    Beschuldigte   freizusprechen       vom    Vorwurf      der
                Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB.

        3.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Urteils sei
                die Beschuldigte zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 90 Tages-
                sätzen zu einem angemessenen Betrag sowie mit einer
                angemessenen Busse.

        4.      In Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 4b des angefochtenen Urteils
                sei die Ersatzfreiheitsstrafe auf 23 Tage festzusetzen.

        5.      Unter Kostenfolge für das Berufungsverfahren zulasten der
                beschuldigten Person.

Die Privatklägerin D.________ verzichtete auf Anträge. Die Verteidigung
beantragte die vollumfängliche Abweisung der Anschlussberufung, unter
Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.
Kantonsgericht Schwyz                                                            10

Das Erkenntnis der Strafkammer des Kantonsgerichts vom 6. Oktober 2020
wurde den Parteien schriftlich zugestellt und ihnen gleichzeitig angezeigt,
dass das Urteil begründet werde.

Auf die Ausführungen der Parteien wird – soweit für die Urteilsbegründung
erforderlich – in den Erwägungen Bezug genommen;-

in Erwägung:

1.      Berufungsgegenstand sind die Vorwürfe der Nötigung im Sinne von
Art. 181 StGB (resp. der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB
i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) und der Beschimpfung im Sinne von Art. 177
Abs. 1 StGB, der Straf- und Vollzugspunkt, die der Privatklägerin D.________
zugesprochene           Genugtuung    von    Fr.   250.00,   die     Kosten-    und
Entschädigungsfolge          und   diesbezüglich   namentlich      die   Höhe   der
Entschädigung der Beschuldigten. Nicht angefochten und damit in Rechtskraft
erwachsen ist hingegen der Freispruch von Vorwurf der Sachbeschädigung
gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB und die Verweisung der Zivilforderung der
Privatklägerin D.________ auf den Zivilweg (den Schadenersatz betreffend
und soweit den Betrag der Genugtuung von Fr. 250.00 übersteigend).

2.      a) In formeller Hinsicht prüfte die Vorinstanz die Verwertbarkeit der
Anfrage und Auskunft betreffend die IP-Adressen, über welche die als
Nötigung angeklagten Bestellungen getätigt worden sein sollen. Die
Vorinstanz         wertete   die   Anfrage   als   blosse    Auskunft     betreffend
Bestandesdaten nach Art. 14 BÜPF und erwog, dass daher eine Anordnung
durch die Staatsanwaltschaft oder eine gerichtliche Bewilligung gemäss Art.
273 StPO nicht erforderlich sei, und bejahte die Verwertbarkeit (angefocht.
Urteil E. 1.1-1.3 mit Hinweis auf BGE 141 IV 108 E. 6.2). Die Frage wurde von
Kantonsgericht Schwyz                                                            11

der Verteidigung in der Berufung (zu Recht) nicht mehr aufgeworfen. Es kann
daher in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO auf die zutreffenden
Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden.

b)      Von der Verteidigung ebenfalls nicht mehr zur Diskussion gestellt wurde
die Frage des hinreichenden Strafantrages betreffend die Beschimpfung. Die
Vorinstanz erachtete den Strafantrag der Privatklägerin D.________ vom
11. August 2017 (U-act. 3.1.02) als genügend. Die Vorinstanz führte
zutreffend aus, es sei nicht erforderlich, dass im Antrag die als Beschimpfung
aufgefassten Passagen einzeln aufzuführen seien, zumal aus ihrer Eingabe
deutlich      genug     hervorgegangen   sei,   dass   sie   die   Bestrafung   der
Beschuldigten wegen Ehrverletzung verlange und im Übrigen das anonyme
Schreiben praktisch ausschliesslich aus ehrenrührigen Behauptungen bestehe
(angefocht. Urteil E. 2.1-2.3). Die Strafkammer des Kantonsgerichts schliesst
sich dieser Auffassung betreffend Strafantrag an (zur Qualifikation siehe
nachfolgende E. 4.b; vgl. auch BGE 131 IV 97, Regeste, wonach die
Aufzählung einzelner Schimpfwörter nicht notwendig ist, wenn unter
Schilderung der Umstände ausgeführt wird, der Antragssteller sei beschimpft
worden) und es kann auf die zitierten Ausführungen im angefochtenen Urteil
verwiesen werden.

3.      Der Nötigung nach Art. 181 StGB macht sich strafbar, wer jemanden
durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere
Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen
oder zu dulden.

a)      Vorab rügt die Verteidigung eine Verletzung des Anklageprinzips
betreffend die Vorwürfe im Zusammenhang mit den Paketbestellungen. Sie
führt aus, es werde über die Tatsache hinweggesehen, dass am 22. Juli 2017
eine Bestellung um 23.58 Uhr über eine IP-Adresse in Hergiswil erfolgt sei.
Die Vorinstanz habe es nicht für entscheidend erachtet, dass die Bestellung
Kantonsgericht Schwyz                                                                    12

von Zalando nicht einer IP-Adresse zugeordnet werden könne und
dynamische Adressen wieder an andere Nutzer vergeben würden. Auch
werde bestritten, dass die IP-Adresse in K.________ dynamisch sei. Die
Anklage nenne zudem nur die Bestellung bei Ex Libris vom 22. Juli 2017 um
23.35.28 Uhr, so dass betreffend die Bestellung von Zalando die Ort- und
Zeitangabe fehlen würden (BVP Beilage 3 S. 3).

aa)     Die Anklageschrift bezeichnet gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO
möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen
Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der
Tatausführung. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus
Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und nunmehr in Art. 9 Abs. 1
und Art. 325 StPO festgeschriebenen Anklagegrundsatz bestimmt die
Anklageschrift              den        Gegenstand         des         Gerichtsverfahrens
(Umgrenzungsfunktion). Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz
der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den
Anspruch         auf    rechtliches     Gehör    (Informationsfunktion;    BGer,      Urteil
6B_395/2020 vom 12. Oktober 2020 E. 2.2 mit Hinweisen). Die beschuldigte
Person muss unter dem Gesichtspunkt der Informationsfunktion aus der
Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Das bedingt eine
zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass die betroffene
Person genau weiss, welcher konkreten Handlung sie beschuldigt und wie ihr
Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig
vorbereiten         kann.    Sie      darf   nicht   Gefahr     laufen,   erst   an     der
Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden
(BGer, Urteil 6B_654/2019 vom 12. März 2020 E. 1.3 mit Hinweisen).

bb)     Die Anklage wirft der Beschuldigten vor, am 22. Juli 2017, um
23.35.28 Uhr via den verschlüsselten Internetzugang mit der IP-Adresse xx in
K.________, E.________platz yy, und am 30. Juli 2017 an nicht genauer
bestimmbarer Örtlichkeit in Kroatien unter der Vorgabe, die Privatklägerin
Kantonsgericht Schwyz                                                        13

D.________ zu sein, Waren bei Zalando, Ex Libris und der A2Z Online
Marketing GmbH bestellt zu haben. Laut dem Polizeirapport seien die
Bestellungen bei Ex Libris und Zalando über die IP-Adresse xx vorgenommen
worden, diejenige bei der A2Z Online Marketing GmbH über die IP-Adresse
ww an einem unbekannten Ort in Kroatien (U-act. 8.1.01B S. 11). Weiter ist
aus der Anfrage im CCIS ersichtlich, dass am 22. Juli 2017 eine Bestellung
um 23.58.00 Uhr über das Adressierungselement vv (lautend auf F.________)
und eine um 23.35.28 Uhr über das Adressierungselement xx (lautend auf
N.________) erfolgte. Beide IP-Adressen sind gemäss der CCIS-Anfrage
dynamisch
(U-act. 8.1.06). Die Bestellung bei Ex Libris konnte der IP-Adresse xx
zugeordnet werden (U-act. 8.1.07). Es trifft zu, dass sich der in der Anklage
genannte Zeitpunkt lediglich auf die Bestellung bei Ex Libris bezieht und damit
eine Uhrzeitangabe für die Bestellung bei Zalando fehlt, wie im Übrigen auch
bei der Bestellung bei der A2Z Online-Marketing GmbH. Aufgeführt sind
jedoch für sämtliche Bestellungen das Datum, wobei für die Bestellungen bei
Ex Libris und Zalando jeweils der 22. Juli 2017 genannt wurde. Ausserdem
sind die Paketbestellungen durch den jeweiligen Onlineanbieter und deren
Inhalt weiter spezifiziert. Aus der Anklage geht damit aufgrund der Datierung,
der Angabe der Onlineanbieter und der jeweils bestellten Waren ausreichend
deutlich hervor, welche Bestellungen und damit welche konkreten Handlungen
der Beschuldigten zur Last gelegt werden. Es ist denn auch nicht ersichtlich
und wird von der Verteidigung nicht dargelegt, inwiefern sich die Beschuldigte
bezüglich der gegen sie erhobenen Vorwürfe im Unklaren befand und sich
deswegen nicht ausreichend hätte verteidigen können. Der Umstand
schliesslich, dass die Bestellungen über verschiedene IP-Adressen erfolgten,
spielt im Zusammenhang mit der Umgrenzungsfunktion der Anklage jedenfalls
keine Rolle, zumal es sich – entgegen der Behauptung der Verteidigung – bei
beiden jeweils ohnehin um dynamische Adressen handelte, welche immer
wieder neu vergeben werden. Anzumerken ist, dass seitens der Verteidigung
nie geltend gemacht wurde, F.________ sei in die Geschehnisse involviert
Kantonsgericht Schwyz                                                           14

(vgl. auch nachfolgende E. 3b). Somit erweist sich der Vorwurf der
ungenügenden Anklage bezüglich der Paketbestellungen als unbehelflich.

b)      In sachverhaltlicher Hinsicht macht die Verteidigung geltend, die in
Kroatien erfolgte Bestellung bei der A2Z Online-Marketing GmbH hätte
ebenso J.________, der Bruder von I.________, vornehmen können, da sich
dieser zu jenem Zeitpunkt ebenfalls in Kroatien aufgehalten habe und auch
ein Motiv gegenüber der Privatklägerin D.________ gehabt hätte. Die
Bestellung        über   die   IP-Adresse   von   N.________,   dem   Vater    der
Beschuldigten, hätte ebenfalls ein Dritter tätigen können, da es technisch nicht
schwierig sei, in ein WLAN einzudringen (BVP Beilage 3 S. 3).

aa)     Unbestritten ist, dass sich die Beschuldigte vom 23. Juli bis 4.
August 2017, mithin zum Zeitpunkt der Bestellung, in Kroatien aufhielt
(U-act. 8.1.21 Frage 52). Sodann kann davon ausgegangen werden, dass sich
J.________ zur selben Zeit ebenfalls in Kroatien aufhielt und er dort auch
Kontakt mit der Beschuldigten hatte (HVP S. 6 Fragen 38 und 32-35).
Abgesehen vom Aufenthalt in Kroatien zum tatrelevanten Zeitpunkt fehlen
aber weitere konkrete Hinweise für eine Täterschaft von J.________. Vor
allem ist ein überzeugendes Motiv nicht auszumachen. Es erscheint wenig
realistisch, dass J.________ der Urheber dieser Bestellung gewesen sein soll,
zumal ihm daraus kein Vorteil entstanden wäre und auch nicht einsichtig ist,
weshalb er sich auf diese Weise in das Privatleben seines Bruders
einmischen soll, selbst wenn ihm die Trennung von I.________ und der
Beschuldigten zunächst befremdlich erschien. Was sodann das Eindringen
eines Dritten in das WLAN von N.________ betrifft, käme einzig I.________
selber in Betracht. Er führte aus, das Passwort gekannt zu haben bzw. dieses
sei auf seinem früheren Handy gewesen, auf dem neuen Handy habe er es
aber                                    nicht                                 mehr
(U-act. 8.1.20 Fragen 49-51). Es ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass diese
Aussage plausibel ist, wogegen die Argumentation der Beschuldigten,
Kantonsgericht Schwyz                                                                        15

I.________ könnte an jenem Abend auf die Terrasse der Wohnung an der
E.________strasse gestiegen sein und dort die Bestellungen getätigt haben
(U-act. 8.1.21 Frage 63), zweifelhaft anmutet (vgl. angefocht. Urteil
E. II./1.2.5). Darüber hinaus fehlte es wiederum an einem Motiv; die
Behauptung der Beschuldigten, I.________ habe ihr „eins auswischen“
wollen, da sie kurz vor der O.________prüfung stehe (U-act. 8.1.21 Frage 65),
überzeugt nicht, da nicht ersichtlich ist, weshalb I.________ der Beschuldigten
hätte schaden wollen, da er angibt, er sei es gewesen, welcher die Beziehung
beendet habe (U-act. 10.1.03 Frage 11; die Beschuldigte ihrerseits erklärte, es
sei „gegenseitig“ gewesen, vgl. U-act. 8.1.21 Frage 7) und er auch bereits mit
der Privatklägerin D.________ in einer neuen Partnerschaft lebte. Dass er vor
diesem Hintergrund der Beschuldigten „eins auswischen“ wollte, erscheint
höchst unwahrscheinlich resp. ist vielmehr eine blosse Schutzbehauptung der
Beschuldigten. Es ist somit als erstellt anzusehen, dass die Beschuldigte die
Urheberin aller drei Paketbestellungen ist.

bb)     Die Vorinstanz erachtete es dagegen nicht als zweifelfrei erwiesen, dass
die    Beschuldigte           die   Urheberin     auch   des     Betreibungsbegehrens        ist
(angefocht. Urteil E. II./1.2.8). Es ist zwar richtig, dass diesbezüglich keine
objektiven Beweise wie Daktyspuren, SMS-Briefmarken oder dergleichen
vorhanden sind. Andererseits ist nicht ausser Acht zu lassen, dass Indizien
ebenso zum Schluss führen können, dass eine rechtserhebliche Tatsache
nach      der      allgemeinen        Lebenserfahrung       gegeben      sein    muss.     Der
Indizienbeweis          ist    dem    direkten    Beweis    gleichgestellt      (BGer,    Urteil
6B_804/2017 vom 23. Mai 2018 E. 2.2.3.4 mit Hinweisen). Für die Täterschaft
der     Beschuldigten           spricht   vorab    einmal      der    Umstand,    dass     das
Betreibungsbegehren zeitlich im Anschluss an die ebenfalls der Beschuldigten
zuzuschreibenden              Warenbestellungen      erfolgte.       Ausserdem    wurde     die
Privatklägerin laut den Akten weder davor noch danach je betrieben und die
Vorfälle hörten nach der Anzeige bei der Polizei schlagartig auf. Hinzu kommt
indessen noch ein anderer Aspekt. Laut dem Polizeirapport sei dem
Kantonsgericht Schwyz                                                             16

Betreibungsbegehren der erforderliche Kostenvorschuss von Fr. 73.30 in bar
beigelegt gewesen (U-act. 8.1.01B S. 9). Das Betreibungsamt wird
grundsätzlich erst tätig, wenn die Betreibungskosten entweder vorgeschossen
oder auf Rechnung geleistet wurden. Eine Betreibung namens einer
inexistenten Gläubigerin kann somit nur „funktionieren“, wenn die Kosten im
korrekten Betrag vorab geleistet werden, da eine Rechnungsstellung ja nicht
möglich ist. Um den zutreffenden Betrag zu errechnen, bedarf es der Kenntnis
der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs (GebV SchKG; SR 281.35; ins. Art. 16 GebV SchKG). Über dieses
Wissen verfügen Laien gewöhnlich nicht, die Beschuldigte als Juristin
hingegen schon. Mit anderen Worten stellt das „richtige“ Vorgehen ein
gewichtiges Indiz dafür dar, dass die Beschuldigte die Urheberin des
Betreibungsbegehrens war. Ausserdem gilt auch hier wieder, dass keine
konkreten Hinweise dafür vorliegen, wonach andere Personen als Täter
ernsthaft in Betracht kämen. Schliesslich sagte I.________ aus, die
Beschuldigte habe ihm gegenüber geäussert, dass sie ihr, das heisst der
Privatklägerin D.________, „das Leben zur Hölle machen“ werde und die
Beschuldigte habe ihm auch einmal indirekt angedroht, er könnte bei der
Wohnungssuche Probleme bekommen, wenn er eine offene Betreibung hätte
(U-act. 10.1.03 Frage 19). Die Strafkammer erachtet die Aussage als
glaubhaft, zumal keine Hinweise dafür ersichtlich sind, dass I.________ diese
der Beschuldigten fälschlicherweise unterstellt hätte. In Würdigung all dieser
Umstände ist davon auszugehen, dass die Beschuldigte auch für das
Betreibungsbegehren verantwortlich ist.

c)      In    rechtlicher   Hinsicht   gilt,   dass,   um   dem   gesetzlichen   und
verfassungsmässigen Bestimmtheitsgebot („nullum crimen sine lege“) gerecht
zu werden, die Tatbestandsvariante der „anderen Beschränkung der
Handlungsfreiheit“ in Art. 181 StGB restriktiv auszulegen ist. Nicht jeder noch
so geringfügige Druck auf die Entscheidungsfreiheit eines andern führt zu
einer Bestrafung nach Art. 181 StGB. Das Zwangsmittel der „anderen
Kantonsgericht Schwyz                                                             17

Beschränkung der Handlungsfreiheit“ muss, um tatbestandsmässig zu sein,
das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise
eindeutig überschreiten, wie es für die im Gesetz ausdrücklich genannten
Zwangsmittel der Gewalt und der Androhung ernstlicher Nachteile gilt. Es
muss ihnen mithin eine den gesetzlich genannten Mitteln vergleichbare
Zwangswirkung zukommen. Es führt somit nicht jeder noch so geringfügige
Druck auf die Entscheidungsfreiheit eines andern zu einer Bestrafung nach
Art. 181 StGB (BGE 141 IV 437 E. 3.2.1 mit Hinweis insbesondere auf BGE
129 IV 262 E. 2.1 und 119 IV 301 E. 2.1, je mit Hinweisen).

aa)     Vorab drängen sich einige Bemerkungen zum sog. Stalking und dem
hierfür erforderlichen Inhalt der Anklage auf.

aaa) Laut Bundesgericht soll das Stalking das Phänomen des zwanghaften
Verfolgens und Belästigens einer Person erfassen. Heute gelten als typische
Merkmale         des    Stalking   das    Ausspionieren,   fortwährende   Aufsuchen
physischer Nähe (Verfolgen), Belästigen und Bedrohen eines anderen
Menschen, wobei das fragliche Verhalten mindestens zweimal vorkommen
und beim Opfer starke Furcht hervorrufen muss. Häufig bezweckt es Rache
für empfundenes Unrecht, oder es wird damit Nähe, Liebe und Zuneigung
einer Person, nach einer Trennung auch Kontrolle und Wiederaufnahme einer
Beziehung gesucht. Es kann lange – nicht selten über ein Jahr – andauern
und bei den Opfern gravierende psychische Beeinträchtigungen hervorrufen.
Charakteristisch ist stets, dass viele Einzelhandlungen erst durch ihre
Wiederholung und Kombination zum Stalking werden. In der Schweiz fehlt ein
spezieller Straftatbestand des Stalking, der das belästigende und bedrohende
Verhalten in seiner Gesamtheit unter Strafe stellt. Ein Versuch, Stalking unter
Strafe zu stellen und das Strafgesetzbuch mit einem entsprechenden Artikel
zu ergänzen, ist gescheitert. Der Stände- und der Bundesrat waren der
Ansicht, die beim Stalking typischen Verhaltensweisen seien durch andere
Straftatbestände        ausreichend      abgedeckt.   Dazu   zählen   beispielsweise
Kantonsgericht Schwyz                                                                     18

Verletzungen der Geheim- oder Privatsphäre (Art. 179 ff. StGB) und Drohung
(Art. 180 StGB) sowie gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung unter
gewissen Voraussetzungen auch Nötigung (Art. 181 StGB). Anders als beim
Tatbestand des Stalking, wie ihn andere Rechtsordnungen kennen, sind bei
der Nötigung die einzelnen Tathandlungen und nicht das Gesamtverhalten der
beschuldigten Person zu beurteilen. Vorausgesetzt wird, dass eine einzelne
nötigende Handlung das Opfer zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen
zwingt. Der damit bezeichnete Erfolg muss als Resultat eines näher
bestimmten nötigenden Verhaltens feststehen. Die Berufung auf die
Gesamtheit mehrerer Handlungen genügt hierfür nicht. Jedoch sind die
einzelnen Tathandlungen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände,
namentlich der Vorgeschichte der fraglichen Handlungen, zu würdigen.
Kommt es während längerer Zeit zu einer Vielzahl von Belästigungen,
kumulieren sich deren Einwirkungen. Ist eine gewisse Intensität erreicht, kann
jede einzelne Handlung, die für sich alleine den Anforderungen von Art. 181
StGB noch nicht genügen würde, geeignet sein, die Handlungsfreiheit der
betroffenen Person in dem Mass einzuschränken, dass ihr eine mit Gewalt
oder Drohung vergleichbare Zwangswirkung zukommt (zit. BGE 141 IV 437 E.
3.2.2 mit Hinweisen; vgl. auch angefocht. Urteil E. II./1.3.2). In formeller
Hinsicht (Anklageprinzip) ist daher stets zu prüfen, inwiefern einzelne
Handlungen derart angeklagt sind, dass sie für sich allein oder aufgrund ihrer
Vorgeschichte kumuliert über eine längere Dauer mit anderen Handlungen
eine hinreichend bestimmte Nötigungsintensität aufweisen (vgl. BSK StGB II-
Delnon/Rüdy,            3. A., N 27 zu      Art. 181 StGB). Das         heisst,    für eine
stalkingtypische          Nötigung    ist   erforderlich,   dass      der   Anklage      die
entsprechenden Umstände und die Vorgeschichte der einzelnen Handlungen
zu entnehmen sind (vgl. KGer, Urteil STK 2017 66 vom 19. Juni 2018 E. 3b).

bbb) Die vorliegende Anklage (soweit noch in der Berufung zu behandeln)
schildert verschiedene Einzelhandlungen, so drei Warenbestellungen namens
der     Privatklägerin,      das     Betreibungsbegehren      einer     nicht     existenten
Kantonsgericht Schwyz                                                                   19

Gläubigerin und die Zusendung eines anonymen Schreibens an I.________.
Demgegenüber fehlen aber weitere Umstände, nämlich die (langjährige)
Beziehung zwischen der Beschuldigten und I.________, die Trennung des
Paares, welche von I.________ ausgegangen sein soll, der Umstand, dass
I.________ eine neue Beziehung mit der Privatklägerin D.________ einging
etc. Ebenfalls nicht in der Anklage enthalten sind die zur „Vorgeschichte“
zählenden Facebooknachrichten und die Freundschaftsanfrage und die
Zusendung des Fotos auf dem Boot der Eltern von I.________ (dazu
angefocht. Urteil. E. II./1.2.4 und II./1.2.6). Mit anderen Worten umschreibt die
Anklage eine stalkingtypische Vorgeschichte gerade nicht zu den fraglichen
Handlungen. Damit sind die Vorwürfe, wie sie in der Anklage formuliert sind,
als Einzelhandlungen zu würdigen, insbesondere muss jede Handlung für sich
die für die Erfüllung des Nötigungstatbestandes erforderliche Intensität
aufweisen. Ähnliches gilt in Bezug auf die den Nötigungsversuch, wie von der
Staatsanwaltschaft in der Berufung zur Diskussion gestellt. Denn diesfalls
müsste aus der Anklage selbst hervorgehen, welchen Erfolg resp. welches
Ziel die Beschuldigte mit ihrem Vorgehen anstrebte und dass ihr dies eben
gerade nicht gelang, wie etwa – stalkingtypisch – die Wiederaufnahme der
Beziehung oder die neue Beziehung zwischen I.________ und der
Privatklägerin auseinanderzubringen. Daraus folgt, dass eine Würdigung der
angeklagten Handlungen unter dem Aspekt des Versuchs bereits an der
fehlenden entsprechenden Umschreibung in der Anklage scheitert und
deshalb nicht weiter darauf einzugehen ist.

bb)     Wie erwähnt, erfordert der Tatbestand der Nötigung eine Beschränkung
der Handlungsfreiheit, welche eine gewisse Intensität aufweisen muss. Die
Anklage hält hierzu fest, die Privatklägerin sei gezwungen gewesen, diverse,
zum Teil zeitraubende und bemühende Vorkehrungen zu treffen, um weitere
Nachteile       (wie      Mahnungen,      Betreibungen     und   Pfändungen)     für   sie
abzuwenden.             Die   Beschuldigte    habe   die   Privatklägerin   zu   diversen
Rückabwicklungen              gezwungen      (Kontaktnahmen,     Richtigstellungen     und
Kantonsgericht Schwyz                                                             20

Rücksendungen). Was die Warenbestellungen anbelangt, trifft es zwar zu,
dass die Privatklägerin Rückabwicklungshandlungen vornehmen musste,
welche durchaus mühsam gewesen sein können. Allerdings handelt es sich
hierbei um Inkonvenienzen, welche nicht derart aussergewöhnlich und
zeitraubend sind, dass das „normale“ Leben dadurch erheblich eingeschränkt
gewesen wäre oder gar nicht mehr hätte stattfinden können. Mit anderen
Worten vermag der „Zwang zur Rückabwicklung“ von drei Falschbestellungen
innert zehn Tagen nicht das erforderliche Mass an nicht mehr zu tolerierender
Beeinflussung zu erreichen. Etwas anderes ergibt sich aus der Anklage
jedenfalls nicht. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer vorbringt, die
Beschuldigte habe damit Angst und Stress bei der Privatklägerin auslösen
wollen (BVP S. 10), hätte dies in der Anklage umschrieben werden müssen
und wie auch die Gründe, weshalb die Beschuldigte diese negativen
Empfindungen bei der Privatklägerin              bewirken wollte. Der von der
Staatsanwaltschaft erstinstanzlich zitierte Entscheid des Obergerichts ZH
erweist sich schliesslich bezüglich der Warenbestellungen denn auch nur
bedingt als einschlägig, da dort einerseits eine stalkingtypische (Vor-
)Geschichte angeklagt war und andererseits der dortigen Beschuldigten eine
deutlich höhere Anzahl Falschbestellungen, welche sich zudem über einen
Zeitraum von mehreren Monate erstreckten, vorgeworfen wurden (vgl. OG ZH,
Urteil SB120366-O vom 5. April 2013 E. IV./2.2).

cc)     Anders verhält es sich bezüglich des Betreibungsbegehrens. Hier wird in
der Anklage zusätzlich zur (auch für diese Handlung geltenden) erzwungenen
Abwendung von Nachteilen angeführt, dass die Beschuldigte mit dem
Betreibungsbegehren den bis anhin ungetrübten Betreibungsregisterauszug
von D.________ belasten wollte. Damit wurden Umstände, welche die
Intensität einer potentiell nötigenden Handlung charakterisieren, aber ebenso
ein Nötigungserfolg, nämlich die Belastung des bis zu jenem Zeitpunkt
ungetrübten         Betreibungsregisterauszugs    der   Privatklägerin   mit   einem
(ungerechtfertigten) Eintrag und den daraus resultierenden Folgen, in der
Kantonsgericht Schwyz                                                               21

Anklage hinreichend umschrieben. Es ist somit zu prüfen, ob das fragliche
Betreibungsbegehren namens einer nicht existenten Gläubigerin resp. für eine
nicht bestehende Forderung (vgl. Anklage) die erforderliche Intensität erreicht.
Bekanntlich sind eine Betreibung und das Androhen einer solchen
grundsätzlich           zulässig.   Eine   unzulässige   Nötigung   liegt   nach   der
Rechtsprechung aber vor, wenn die Betreibung rechtsmissbräuchlich erfolgt
(BGer, Urteil 6B_979 vom 21. März 2019 E. 1.2.5 mit Hinweis auf Urteile
6B_1100/2018 vom 17. Dezember 2018 E. 3.3; 6B_1188/2017 vom 5. Juni
2018 E. 3.1 und 6B_153/2017 vom 28. November 2017 E. 3.1). Die
Rechtsmissbräuchlichkeit einer nicht bestehenden Forderung seitens einer
erfundenen Gläubigerin ist fraglos zu bejahen. Indem die Privatklägerin, deren
Betreibungsregisterauszug bislang ungetrübt war, auf einmal mit einem
Eintrag und den möglichen damit verbundenen Konsequenzen konfrontiert
war, wurde ein nicht mehr zu duldendes Mass an Beeinflussung erreicht.
Nach Art. 8a Abs. 3 SchKG geben die Ämter Dritten von einer Betreibung
keine Kenntnis, wenn (lit. d) der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei
Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch
gestellt hat, sofern der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt
angesetzten Frist von 20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig
ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79-84) eingeleitet
wurde; wird dieser Nachweis nachträglich erbracht oder wird die Betreibung
fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht. Das bedeutet nur,
dass unter den genannten Umständen, d.h. erst nach Ablauf der zitierten
Fristen Dritten keine Einsicht in eine bestimmte Betreibung gewährt wird,
indessen ist damit keine eigentliche „Löschung“ des Eintrags verbunden. Aus
dem beschränkten, erst nach Fristablauf greifenden Einsichtsrecht kann
jedenfalls nicht abgeleitet werden, das fragliche Betreibungsbegehren erreiche
die erforderliche Nötigungsintensität nicht.
Kantonsgericht Schwyz                                                                        22

dd)     Nach dem Gesagten ist der objektive Tatbestand der Nötigung
hinsichtlich des Betreibungsbegehrens erfüllt, nicht aber betreffend die
Warenbestellungen.

d)      In subjektiver Hinsicht verlangt Art. 181 StGB, dass der Täter mit
Vorsatz handelt, d.h. dass er, im Bewusstsein um die Unrechtmässigkeit
seines Verhaltens, sein Opfer zu einem bestimmten Verhalten zwingen will;
Eventualvorsatz genügt (BGer, Urteil 6B_1037/2019 vom 24. Juni 2019
E. 2.3.3 mit Hinweis u.a. auf BGE 120 IV 17 E. 2c). Die Beschuldigte wusste
um die Rechtsmissbräuchlichkeit eines Betreibungsbegehrens namens einer
erfundenen Gläubigerin für eine nicht existente Forderung und sie zielte
wissentlich        und     willentlich   darauf    ab,    die    Privatklägerin    mit    einem
ungerechtfertigten Eintrag im Betreibungsregister in Schwierigkeiten zu
bringen, und dass diese Vorkehrungen treffen musste, um allfällige Nachteile
abzuwenden,              die   ihr   infolge      der    Betreibung      selbst     und     des
Betreibungsregistereintrags              entstanden.       Der     subjektive      Tatbestand
hinsichtlich des Betreibungsbegehrens ist folglich zu bejahen.

e)      Demzufolge ist die Beschuldigte, das Betreibungsbegehren vom
August 2017 betreffend die Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB schuldig zu
sprechen. Damit die Anklage erschöpfend behandelt ist, hat zusätzlich
hinsichtlich der Warenbestellungen vom Juli 2017 ein Freispruch zu ergehen.
Denn wegen der zeitlichen Distanz zwischen den Bestellungen einerseits und
dem Betreibungsbegehren andererseits sowie der Verschiedenartigkeit beider
Handlungen,             kann   offenkundig     nicht     mehr    von   einem      einheitlichen
Tatentschluss und damit von einer Tateinheit ausgegangen werden (BGE 142
IV 378 E. 1.3; vgl. auch BGer, Urteil 6B_1081/2018 vom 10. September 2019
E. 4). Das bedeutet, dass richtigerweise betreffend Nötigung eine Tatmehrheit
anzuklagen gewesen wäre, zumal aus der Anklage nicht ersichtlich ist, dass
die Staatsanwaltschaft von einer Alternativanklage oder von einer Art
„Dauerdelikt“ in dem Sinn ausgeht, als der Beschuldigten ausdrücklich
Kantonsgericht Schwyz                                                                 23

vorgeworfen würde, den Druck auf die Privatklägerin mittels der inkriminierten
Handlungen quasi aufrechterhalten zu wollen.

4.      Nach Art. 177 Abs. 1 StGB macht sich der Beschimpfung schuldig, wer
jemanden in anderer Weise – als durch üble Nachrede oder Verleumdung –
durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeit in seiner Ehre angreift.

a)      Die Beschuldigte bestreitet, den anonymen Brief an I.________ erstellt
und versandt zu haben. Die Verteidigung führt hierzu aus, die Daktyspuren
und die Briefmarkenbestellung per SMS würden zwar gegen die Beschuldigte
sprechen. Diese könne sich die Spuren und die Bestellung über ihr Handy
nicht erklären. Die Daktyspuren würden lediglich belegen, dass sie den
Umschlag in der Hand gehabt hätte. Das Natel könne auch von einer anderen
Person benutzt worden sein. Eine solche Vorgehensweise wäre denn auch
sehr naiv gewesen, denn für die Beschuldigte als intelligente Frau wäre es ein
Einfaches gewesen, den Briefumschlag mit Handschuhen anzufassen und
eine selbstklebende Briefmarke zu benützen (BVP Beilage 1 S. 4).

Unbestritten            ist,    dass    die   auf    dem     Briefumschlag    gesicherte
Fingerabdruckspur der Beschuldigten zuzuordnen ist (U-act. 8.1.29). Folgte
man der Behauptung der Beschuldigten, sie habe mit dem Brief „nichts zu
tun“, müsste der fragliche Umschlag zuvor in ihren Händen gewesen sein und
dann von jemand anderem (von wem?) für den Versand des Schreibens
benützt worden sein. Dazu, wie dies konkret hätte zustande kommen sollen,
äussert sich die Beschuldigte nicht. Es sind auch keine objektiven Hinweise
ersichtlich, welche die Theorie der Beschuldigten nur ansatzweise stützen
würden. Was die SMS-Briefmarke anbelangt, vermochte die Beschuldigte
nicht zu erklären, wer ihr Handy benützt haben könnte resp. ob es ihr in der
fraglichen Zeit einmal abhandengekommen wäre oder sie es jemanden zur
Benützung überlassen hätte. Dass jemand das Handy der Beschuldigten
behändigt         und          die   Briefmarke     damit   kaufte,   erscheint   höchst
Kantonsgericht Schwyz                                                         24

unwahrscheinlich. Die Aussagen der Beschuldigte sind mit anderen Worten
nicht glaubhaft. Das Argument, ein derartiges Vorgehen sei naiv resp. die
Beschuldigte wäre geschickter vorgegangen, vermag vor diesem Hintergrund
nicht zu überzeugen bzw. keine ernsthaften Zweifel an der Täterschaft der
Beschuldigten aufkommen zu lassen. Es ist somit als erstellt anzusehen, dass
die Beschuldigte die Urheberin des Briefes ist.

b)      Die Verteidigung kritisiert die Würdigung der Vorinstanz hinsichtlich der
im Brief behaupteten Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit. Sie macht
geltend, der Vorwurf einer Geschlechtskrankheit an sich sei nicht ehrenrührig.
Dies sei laut BGE 98 IV 90 nur der Fall, wenn es sich um eine selbst
verschuldete Geschlechtskrankheit handle. Zudem sei der Vorwurf der
Ansteckung nicht beleidigend, da nichts zur Schwere oder Art der Krankheit
gesagt und auch nicht von einer bewussten oder fahrlässigen Ansteckung die
Rede sei, mithin handle es sich nicht direkt oder indirekt um einen Vorwurf
einer strafbaren Handlung im Sinne etwa von Art. 123 StGB. Weiter werde in
dem Schreiben von einem lockeren sexuellen Verhältnis berichtet („einige
Dates“). Es sei zumindest nach den heutigen Wertvorstellungen nicht
ehrenrührig, zu behaupten, in einer dermassen ungefestigten Beziehung Sex
mit anderen Personen zu haben. Schliesslich greife der Vorwurf, „Leider hatte
ich mich was ihren Charakter und Ehrlichkeit anbelangt extrem getäuscht“
nicht die Ehre an, denn die Täuschung werde nicht näher konkretisiert. Soweit
damit das sexuelle Verhalten der Privatklägerin gemeint sei, nämlich insofern
als sie sexuelle Kontakte während der geschilderten „lockeren Beziehung“ mit
anderen Personen gepflegt haben solle, könne dies nach heutigen
Wertvorstellungen nicht strafbar sein (BVP Beilage 1 S. 4 f.).

aa)     Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Äusserung ehrverletzend ist, ist
nicht der Sinn massgebend, den ihr die betroffene Person gibt, sondern
derjenige, welchen ihr der unbefangene durchschnittliche Dritte unter den
gesamten konkreten Umständen beilegt (Abo Youssef, in: Graf, Annotierter
Kantonsgericht Schwyz                                                           25

Kommentar StGB, N 9 Vorbemerkungen zu Art. 173 ff. StGB). Die sittliche
Ehre ist auch bei Vorwürfen berührt, welche gesellschaftlich verpönte
Verhaltensweisen im Sexualbereich betreffen, insbesondere Ehebruch (BGE
98                                         IV                                  86)
oder die Betätigung als Hure (BGE 92 IV 115) oder die Aussage, man pflege
Kontakt zu Zuhältern und Prostituierten oder sei selber in solchen Geschäften
aktiv. Die Strafbarkeit der vorgeworfenen Handlung ist nicht Bedingung. Auch
der Vorwurf, jemand habe eine Geschlechtskrankheit, ist ehrverletzend
(BGE 98 IV 90, 93), ferner der Vorhalt, jemand habe gelogen (BSK StGB II-
Riklin, 4. A., N 22 Vor Art. 173 StGB). Die Bestimmung des Inhalts einer
Äusserung ist Tatfrage, die Ermittlung des Sinns, den ein unbefangener
Adressat den Äusserungen beimisst, Rechtsfrage (Abo Joussef, a.a.O., N 9
Vorbemerkungen zu Art. 173 ff. StGB).

bb)     In Bezug auf die rechtliche Würdigung der Aussage „Eines Tages
merkte ich leider, dass mich D.________ mit einer Geschlechtskrankheit
angesteckt hatte“ ist Folgendes anzuführen: Es trifft zu, dass es das
Bundesgericht im Entscheid 98 IV 90 als strafbar bezeichnete zu behaupten,
eine Drittperson leide an einer selbst verschuldeten Geschlechtskrankheit (E.
3a). Indessen handelte es sich dort lediglich um eine beispielhafte Aufzählung
im Sinne eines obiter dictums, aus welcher sich aber nicht ableiten lässt, das
Bundesgericht habe die Behauptung einer nicht selbst verschuldeten
Geschlechtskrankheit         oder    die        Aussage,   jemand     habe     eine
Geschlechtskrankheit ohne Angabe, ob selbstverschuldet oder nicht, als nicht
strafbar erachtet. Ausserdem impliziert die Behauptung, jemand leide an einer
Geschlechtskrankheit – abgesehen von den im vorliegenden Zusammenhang
nicht interessierenden Fällen als Folge einer Bluttransfusion –, ein Stück weit
stets     ein     gewisses   „Selbstverschulden“,     da   unter   Umständen   der
unterschwellige Vorwurf enthalten sein kann, die betroffene Person habe beim
Geschlechtsverkehr keine Schutzvorkehrungen getroffen und sei deshalb an
der Ansteckung „selber schuld“. Damit erweist sich das Selbstverschulden
Kantonsgericht Schwyz                                                        26

nicht als geeignetes Abgrenzungskriterium für die Frage der Strafbarkeit und
kann deshalb nicht massgebend sein. So oder so ist aber davon auszugehen,
dass die Behauptung, jemand leide an einer Geschlechtskrankheit von einem
unbefangenen Durchschnittsempfänger auch heute noch als verletzend
erachtet wird, mithin nicht gesagt werden kann, nach den aktuellen
Wertvorstellungen sei dies nicht ehrenrührig. Davon zeugt auch die zitierte
Lehrstelle im Basler Kommentar. Nicht entscheidend ist sodann, ob die
Ansteckung fahrlässig oder gar (eventual-)vorsätzlich erfolgte, da für die
Ehrverletzung nicht massgebend ist, ob das jemandem unterstellte Verhalten
strafbar ist. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist die Aussage daher als
strafbarer Ehreingriff zu werten (vgl. angefocht. Urteil E. II./3.3.2).

cc)     Sodann ist die Verteidigung der Auffassung, es sei nicht strafbar,
jemanden, der in einer „lockeren Beziehung“ lebe, der sexuellen Untreue zu
bezichtigen. In sachverhaltlicher Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass zwar
die Rede von „einige(n) Dates“ ist, aber auch davon, dass sie (D.________)
„stets ein offenes Ohr für mich hatte“ und dass ausgeführt wird, die angeblich
schreibende Person (bzw. die Beschuldigte) habe in D.________ „zum
damaligen Zeitpunkt“ bereits eine potentielle Partnerin fürs Leben“ gesehen.
Dies ist in rechtlicher Hinsicht vom Sinn her doch eher so zu verstehen, dass
der Eindruck erweckt werden soll, wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, es
handle sich nicht bloss um eine lose und/oder ausschliesslich sexuelle
Beziehung (angefocht. Urteil E. II./3.3.2). Selbst wenn man von einer weniger
festen Beziehung ausgeht, dürfte sexuelle Untreue, wie der Vorinstanz
zuzustimmen ist, auch nach heutigen Wertmassstäben und nach einem
durchschnittlichen Empfinden nicht einfach als „normal“ eingestuft werden
(angefocht. Urteil, a.a.O.). Würdigt man die Behauptung der sexuellen
Untreue in diesem Kontext, muss sie doch so verstanden werden, dass der
Privatklägerin auf diese Weise ein Verhalten unterstellt wird, welches als
unehrlich und „nicht in Ordnung“ angesehen wird, weshalb die Ehrenrührigkeit
zu bejahen ist.
Kantonsgericht Schwyz                                                                             27

dd)     Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Verteidigung, wenn sie
vorbringt, die Aussage „Leider hatte ich mich was ihren Charakter und
Ehrlichkeit anbelangt extrem getäuscht“ sei mangels Spezifizierung der
Täuschung nicht unehrenhaft. Eine solche Spezifizierung ist für die
strafrechtliche          Relevanz    nicht    erforderlich.      Indem    im      Schreiben       der
Privatklägerin Ehrlichkeit und gute Charaktereigenschaften abgesprochen
werden, ohne die Gründe hierfür konkret zu nennen, ist ihr Ruf, ein ehrbarer
Mensch zu sein, bereits betroffen. Der Vorwurf mag gar schwerer wiegen,
wenn nicht konkret aufgezeigt wird, weshalb jemand nach der eigenen
Einschätzung unehrlich oder charakterlos sein soll. Die Aussage ist ebenfalls
als klar ehrenrührig einzustufen.

c)      Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die
Erfüllung des objektiven Tatbestandes bejahte. In subjektiver Hinsicht ist
Vorsatz bzw. Eventualvorsatz erforderlich (Abo Youssef, a.a.O., N 6 zu Art.
177     StGB).          Die    Strafkammer      stimmt     der    Vorinstanz      zu,      dass   die
Ehrenrührigkeit der Aussagen (Geschlechtskrankheit, sexuelle Untreue,
unehrliches         und        täuschendes      Verhalten)       offensichtlich     ist     und   die
Beschuldigte somit wissen musste, dass sie damit die Ehre der Privatklägerin
verletzte (angefocht. Urteil E. II./3.3.3). Dabei spielt es allerdings keine Rolle,
ob     die     Beschuldigte         eine     juristische     Ausbildung      hat,         zumal   ein
Durchschnittsempfinden massgeblich ist. Zutreffend erscheint auch, dass die
Beschuldigte damit rechnen konnte resp. dies so beabsichtigt haben dürfte,
dass I.________ den Brief der Privatklägerin D.________ zeigt. Damit ist von
wissentlichem            und    willentlichem     Vorgehen        und    mithin     von      Vorsatz
auszugehen, weshalb auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist.

d)      Nach dem Gesagten ist der Schuldspruch wegen Beschimpfung im
Sinne von Art. 177 StGB zu bestätigen.
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