Keine Rendite mit der Miete - Für eine neue Wohngemeinnützigkeit
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Inhalt 1 Vorwort Steigende Mieten, überlastete Haushalte – 2 die Lage auf dem Wohnungsmarkt Warum wir eine neue 6 Wohngemeinnützigkeit brauchen Zwei Fragen an Inga Jensen 11 „Relevant sind die sozialen und gewinnbeschränkenden Prinzipien“ 12 Die neue Wohngemeinnützigkeit in Stichworten 13 Ein Blick zurück: die alte Wohngemeinnützigkeit Zwei Fragen an Tilman Harlander 15 „Der soziale Wohnungsbau stand in der Tradition der Gemeinnützigkeit“ Beispiel Österreich 16 Die wirtschaftlichen Vorteile der Wohngemeinnützigkeit
Die Wohnungsfrage braucht neue Antworten! In den 1980er Jahren galt die Wohnungsfrage als gelöst. Welch ein Irrtum! Vier Jahrzehnte und zahlreiche Privatisierungen später wissen wir: Das Wohnen ist eine politische Daueraufgabe, die der Markt 1 alleine nicht lösen wird. Die Mieten in zahlreichen Groß- und Universitäts- städten, aber auch in immer mehr Städten mittlerer Größe ziehen seit vielen Jahren an. Menschen werden aus ihren Vierteln verdrängt. Viele Beschäftigte können sich heute keine Wohnung in Arbeitsplatz-Nähe mehr leisten – was zu längeren Wegezeiten führt und klimaschädlichen Pendelverkehr anheizt. In dieser Situation braucht die Wohnungsfrage neue Antworten. Es gibt viele gute wohnungspolitische Instrumente, etwa den öffentli- chen und den sozialen Wohnungsbau. Gemeinsam mit anderen zivil gesellschaftlichen Organisationen schlagen ver.di und die IG BAU vor, ein weiteres Instrument wieder in den Blick zu nehmen, das bis zu seiner Abschaffung 1990 wesentlich zum Aufbau eines breiten bezahlbaren Wohnungsbestands und eines ausreichenden Angebots an Sozialwoh- nungen beigetragen hat: die Wohngemeinnützigkeit. Es gilt, dessen Grundidee wiederaufzunehmen und an die heutige Zeit anzupassen. Für bezahlbaren, guten und klimagerechten Wohnraum. Robert Feiger Frank Werneke
Keine Rendite mit der Miete Steigende Mieten, überlastete Haushalte – die Lage auf dem Wohnungsmarkt 2 S eit den 1980er Jahren haben sich die Bedingungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt beträchtliche Wohnungsbestände privatisiert. Auch Großunterneh- men verkauften ihre Werkswoh- drastisch verändert. Öffentliche nungen, die sie bis dahin zumeist und gemeinnützige Wohnungs nach den Regeln der Gemein unternehmen gerieten ins Hinter- nützigkeit vermieteten. Zugleich treffen. Die frühere Wohngemein- wurden Fördergelder des Sozialen nützigkeit haben CDU/CSU und Wohnungsbaus reduziert, immer FDP 1990 sogar abgeschafft. mehr Sozialwohnungen fielen aus Dies machte die großen gemein der Preisbindung. Zwischen 1986 nützigen Wohnungsbestände für und heute schrumpfte ihre Zahl Privatinvestoren attraktiv: Schon von 3,4 Mio. auf etwa eine Million. seit den 1980er-Jahren haben Tendenz weiter sinkend. Bund, Länder und Kommunen Die Mieten galoppieren davon Entwicklung von Neuvertragsmieten und Inflation 2005–2020 (verkettet, 2005=100) 180 170 Neuvertragsmieten 7 größte Städte 160 Neuvertragsmieten 127 größte Städte Verbraucherpreisindex 150 140 130 120 110 100 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Quelle: Destatis / Bundesbank
Neubau bezahlbarer Wohnungen 3 Im Einzelhandel nehmen in Städten und Regionen mit an- Teilzeit, Minijobs und gespanntem Mietwohnungsmarkt schlechte Stundenlöhne seit den 2000er Jahren vernach- seit vielen Jahren zu. lässigt worden. Für viele profitori- Gleichzeitig explodieren entierte Wohnungsunternehmen die Mieten – und zwar vor haben weder Neubau noch Be- allem dort, wo es beson- zahlbarkeit Priorität. Anders als ders viele Geschäfte gibt: gemeinnützige müssen sie ihre In den Großstädten. Es Überschüsse auch nicht wieder darf nicht sein, dass die vorrangig in (bezahlbaren) Neu- Beschäftigten im Handel bau oder Renovierung stecken. immer weitere Anfahrts- Hinzu kommen steigende Bau- wege haben, weil sie sich und Bodenpreise. Im Ergebnis hält das Wohnen in der Nähe vielerorts das Angebot an bezahl- ihres Arbeitsplatzes nicht barem Wohnraum nicht mit der mehr leisten können!“ Nachfrage mit. Die Mietpreise Kristina Kroß ist Betriebsrätin in steigen. einer Berliner Filiale eines großen Und zwar kräftig. Nach Anga- Lebensmittel-Einzelhandels ben der Bundesbank kletterten unternehmens. die Neuvertragsmieten in den sieben größten deutschen Städten zwischen 2005 und 2020 durch- Kein gemeinnütziger Woh- schnittlich um über 70 Prozent, nungssektor mehr, immer weniger in den 127 größten deutschen Sozialwohnungen, immer weniger Städten im gleichen Zeitraum um öffentliche Wohnungen: Dies sind über 65 Prozent. Umziehen ist die wichtigsten Gründe dafür, also deutlich teurer geworden, dass die öffentliche Hand heute weshalb viele Haushalte in eigent- einen deutlich geringeren Einfluss lich unpassenden Wohnungen auf die Mietwohnungsmärkte und verbleiben. Die Gesamtmieten Mietpreise hat als noch in den (Neuvertrags- und Bestandsmieten 1980er Jahren. Zugleich ist der zusammen) stiegen zwar weniger
Keine Rendite mit der Miete 4 stark an, gleichwohl stellen sie für aufwenden mussten – üblicher- viele Haushalte eine große Belas- weise gelten 30 Prozent als akzep- tung dar. 2019 lebten nach Anga- tabel. Und: Je kleiner das Einkom- ben des Statistischen Bundesamts men ausfällt, desto mehr Geld fast 14 Prozent der Bevölkerung muss ein Haushalt relativ für die und über 48 Prozent der armuts- Miete aufwenden. Besonders groß gefährdeten Bevölkerung in Haus- sind die Schwierigkeiten von halten, die mehr als 40 Prozent Haushalten mit einem alleiner ihres Einkommens für Wohnkosten ziehenden Elternteil. Wenn das Geld nicht reicht Überlastung durch Wohnkosten nach Wohnstatus 2018 (in Prozent der jeweiligen Gruppe) 25 20 15 10 5 0 Eigentümer*innen Mieter*innen Mieter*innen mit Marktmiete mit ermäßigter Miete Als überlastet gilt hier ein Haushalt, der mehr als 40 Prozent seines Einkommens für Wohnkosten aufwenden muss. Quelle: Destatis / EU-SILC
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Keine Rendite mit der Miete Warum wir eine neue Wohngemeinnützigkeit brauchen 6 D ie Wohnungspolitik steht zu Beginn der 2020er Jahre vor mehreren Herausforderungen: Ein Sie stärkt nicht-renditeorientierte Wohnungsunternehmen – öffent- liche und private gleichermaßen. ausreichendes Angebot an bezahl- Sie erhöht den Neubau in ange- barem Wohnraum und an Sozial- spannten Wohnungsmärkten. wohnungen muss geschaffen Und sie erleichtert die Neugrün- bzw. dauerhaft gesichert werden. dung von Wohnungsgesellschaf- Wohnungsneubau und -bestand ten. Durch sie kann nach und müssen bis 2050 (oder sogar frü- her) weitestgehend klimaneutral werden. Und dabei müssen Wohnkosten bezahlbar bleiben. Die Entwicklung der letzten Seit ich vor etwa acht Jahre verdeutlicht: Ein „Weiter Jahren bei meinen Eltern so“ ist keine Option. Für bezahl- ausgezogen bin, hat sich baren und klimaneutralen Wohn- die Situation für Mie- raum braucht es eine dauerhafte ter*innen in Berlin nur staatliche Förderung, die die verschlechtert. Auszubil- kontinuierliche Schaffung, Moder- dende und junge Beschäf- nisierung und den Erhalt von be- tigte, die keine größeren zahlbarem Wohnraum sicherstellt. finanziellen Rücklagen Eine solche Förderung ist die haben, trifft das besonders neue Wohngemeinnützigkeit. hart. Solange zu wenig bezahlbarer Wohnraum gebaut und die Markt beherrschung der großen Immobilienkonzerne von der Politik getragen wird, kann sich hier nichts zum Guten wenden.“ Julian Diaz arbeitet als Gleisbauer und lebt in Berlin.
7 Bei immer mehr Sozialwohnungen läuft die Bindung aus Anzahl der Sozialwohnungen 1986–2019 (in Mio.) 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 86 90 06 07 08 09 10 11 12 13 15 16 17 18 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Quelle: Bundestagsdrucksachen 12/2883, 18/11403, 19/3592, 19/27484 nach ein größeres, nicht-profit Zu den Prinzipien gemein orientiertes Wohnungssegment nütziger Wohnungsunternehmen für Haushalte mit niedrigen bis gehört, dass sie sich nicht am mittleren Einkommen entstehen. maximalen Gewinn, sondern am Gemeinnützige Wohnungsunter- Prinzip der Kostendeckung orien- nehmen können und sollen glei- tieren: Die Kaltmieten setzen sich chermaßen Sozialwohnungen wie also nur aus den tatsächlichen auch frei vermietbare Wohnungen laufenden Kosten zusammen, für mittlere Einkommen bereit zum Beispiel für die Finanzierung, stellen. Verwaltung und Instandhaltung.
Keine Rendite mit der Miete 8 Die Ausschüttung von Gewinnen Im Gegenzug erhalten gemein wird begrenzt. Die Überlegung nützige Wohnungsunternehmen dahinter: Gemeinnützige Unter- Steuererleichterungen oder Zu- nehmen sollen sich ganz auf die schüsse. Um ihnen den Bau von Bereitstellung von bezahlbaren bezahlbaren Mietwohnungen zu Wohnungen konzentrieren. Sie erleichtern, bekommen sie zudem sollen nicht den Renditen ihrer Grundstücke von Bund, Ländern Eigentümer*innen oder Aktio- und Kommunen zum Festpreis när*innen dienen. Sie können vorrangig angeboten. Daneben zwar weiterhin Überschüsse er- muss auch die herkömmliche För- wirtschaften. Die aber fließen derung des sozialen Wohnungs- überwiegend nicht aus dem Un- baus erhöht und längerfristig ternehmen ab, sondern werden verstetigt werden. zweckgebunden in den Neubau, Um eine konsequente Einhal- den Ankauf sowie die Modernisie- tung gemeinnütziger Prinzipien rung von Wohnungen investiert. sicherzustellen, werden diese So unterliegen die Wohnungen Wohnungsunternehmen entspre- einer dauerhaften Preisbindung: chend kontrolliert. Als Arbeitgeber Anders als bei herkömmlichen müssen sie eine Vorbildfunktion Sozialwohnungen, bei denen nach einnehmen, indem sie Tarifverträ- 20–30 Jahren die Bindung erlischt, ge anwenden und Tarifverträge gilt hier das Prinzip: Einmal geför- auch bei Auftragnehmer*innen dert – immer sozial gebunden! und deren Subunternehmen zur
Bedingung machen. Zudem ver- 9 pflichten sie sich zu einer verbind- Ein Wohnungsmarkt, lichen Mitbestimmung von Arbeit- auf dem private Vermie- nehmer*innen in Betriebs- und ter*innen und kapital- Aufsichtsräten und einer Beteili- marktorientierte Unter- gung von Mieter*innen in Mieter- nehmen dominieren, räten. braucht ein großes ge- meinwohlorientiertes Seg- ment. Denn nur so kann der Bedarf auch jener Be- völkerungsgruppen ge- deckt werden, die heute kaum mehr eine bezahl bare Wohnung finden. Der frei finanzierte Woh- nungsmarkt ist für deren Probleme blind. Kommu- nale und gemeinnützige Wohnungsunternehmen müssen hier einen Gegen- pol bilden.“ Dr. Melanie Weber-Moritz ist seit 2019 Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbunds
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Zwei Fragen an Inga Jensen „Relevant sind die sozialen und gewinnbeschränkenden Prinzipien“ verbände oder auch Fonds, zu 11 gemeinnützigen Wohnbauträgern werden können, ist in der Diskus- sion – relevant ist, dass sie sich ebenfalls den gewinnbeschrän- kenden und sozialen Prinzipien verpflichten. Ist im Rahmen der neuen Ge meinnützigkeit eine Wieder belebung des Werkswohnungs baus denkbar? Unter den Bedingungen befris- teter und flexibler Arbeitsverhält- nisse ist zu diskutieren, inwiefern dieser heute noch aktuell ist. Inga Jensen ist Wohnungs forscherin und promoviert an der Bauhaus-Universität Weimar Gleichzeitig sind insbesondere die Beschäftigten in prekären Arbeits- verhältnissen auf leistbaren Wohn- zu Fragen der (Re-)Kommunalisie- raum angewiesen. rung von Wohnraum. Sie hat Die Bereitstellung von Werks- an verschiedenen Forschungs wohnungen im Rahmen einer projekten zur neue Wohngemein- neuen Wohngemeinnützigkeit nützigkeit mitgearbeitet. wäre eine Möglichkeit, die Be- schäftigten mit Wohnraum zu ver- Wer könnten die Träger einer sorgen und gleichzeitig die Betrie- neuen Gemeinnützigkeit sein? be in die Pflicht zu nehmen. Um Naheliegend sind zunächst die Arbeitnehmer*innen auch im einmal öffentliche Wohnungs Falle des Ausscheidens aus dem baugesellschaften und Genossen- Betrieb abzusichern, müssten Ver- schaften sowie selbstorganisierte einbarungen mit den Betrieben Wohnprojekte. Inwiefern andere getroffen werden. Akteure, zum Beispiel Sozial
Keine Rendite mit der Miete Die neue Wohngemeinnützigkeit in Stichworten 12 Klassische Elemente der … und auch das gehört Wohngemeinnützigkeit sind: zu einer neuen Wohn gemeinnützigkeit: Gemeinwohl vor Profite: Wohnungsunter Gute Arbeit: Die nehmen beschränken ihre Gewinnausschüttung gemeinnützigen – höhere Erträge fließen wieder in den Neubau Wohnungsunterneh- und den Erhalt. men sind mitbe- stimmt und – ebenso wie ihre Auftragneh- Bezahlbar und sicher wohnen: Wohnungs mer*innen und de- unternehmen stellen bezahlbaren Wohnraum für ren Subunternehmen niedrige bis mittlere Einkommen zur Verfügung; – tarifgebunden. die Mieten beschränken sich auf die tatsächlichen Kosten (Kostendeckungsprinzip). Klimaschutz trifft Mieterschutz: Woh- Förderung: Gemeinnützige Wohnungsbau nungsneubau erfolgt gesellschaften erhalten Steuererleichterungen sozialverträglich mit oder Zuschüsse, und sie werden bei der Vergabe hohen Energieeffizi- öffentlicher Baugrundstücke bevorzugt. enz-Standards, Be- standswohnungen werden sozialver- Trägerneutralität: Gemeinnützig können träglich energetisch staatliche, kommunale, genossenschaftliche saniert. oder private Wohnungsunternehmen sein. Einmal gemeinnützig, immer gemeinnützig: Gemeinnützigkeit bleibt dauerhaft bestehen; gemeinnützige Unternehmen dürfen Wohnungen allenfalls an andere gemeinnützige Unternehmen verkaufen.
Ein Blick zurück: die alte Wohngemeinnützigkeit D er gemeinnützige Wohnungs- bau entstand im 19. Jahrhun- dert vor dem Hintergrund der große Bestände von vergleichs- weise hoher Wohnqualität. Die hohe Nachfrage nach Wohnraum 13 Industrialisierung und der Ver in den Städten konnte allerdings elendung in den Städten. Mehr, noch nicht befriedigt werden. In besserer und bezahlbarer Wohn- der Bundesrepublik trug der ge- raum sollte, so die Idee, ohne meinnützige Wohnungsbau dann primäres Profitinteresse geschaffen – Hand in Hand mit dem sozialen werden. Eine staatliche Förderung Wohnungsbau – entscheidend gab es zunächst nicht. Sie wurde zum Aufbau eines breiten Grund- überwiegend im Laufe des 20. stocks an bezahlbarem Wohn- Jahrhunderts eingeführt. raum bei. Auch Großunternehmen In der Weimarer Republik schuf nutzten ihn, um Beschäftigten der gemeinnützige Wohnungsbau Werkswohnungen anzubieten. Alte Wohngemeinnützigkeit trug zu hohen Neubauzahlen bei Baufertigstellungen je 10.000 Einwohner*innen, 1949–2019 (bis 1990 West) 120 100 80 60 40 20 0 1985 1988 2003 2006 2015 2018 1949 1952 1955 1958 1961 1964 1967 1970 1973 1976 1979 1982 1991 1994 1997 2000 2009 2012 Quelle: Destatis
Keine Rendite mit der Miete 14 1949 bis 1990 bauten gemeinnüt- zige Wohnungsunternehmen fast Ohne die frühere Wohn- 22 Prozent aller Wohnungen, gemeinnützigkeit hätte nicht-gemeinnützige hingegen die Bundesrepublik die nur knapp zehn Prozent. Bei den Wohnungsnot nach dem Sozialwohnungen war der Unter- Krieg nicht bewältigen schied mit 58 gegenüber knapp können. Sie half, Investi neun Prozent noch deutlicher. tionen mit staatlicher In den 1980er Jahren ging man Förderung zielgenau und (fälschlicherweise) davon aus, dass effizient einzusetzen und die zukünftigen Wohnbedarfe ge- damit die rein gewinn deckt seien. Auch wurde der steu- orientierte Investitions erbefreite gemeinnützige Sektor tätigkeit zu kompensieren. von profitorientierten Privaten als Gemeinnützige Woh- unliebsame Konkurrenz betrach- nungsunternehmen haben tet. 1990 hat die damalige viele Millionen Wohnun- schwarz-gelbe Bundesregierung gen erstellt. Die Mieten die Wohngemeinnützigkeit dann hielten sie dauerhaft auf im Zuge des Trends zu Deregulie- niedrigem Niveau. Das rung und Privatisierung abge- kann und sollte uns heute schafft. Die Wohnungsbestände in ein Vorbild sein.“ Ostdeutschland wurden also nicht Hans-Otto Kraus war bei mehreren mehr in das westdeutsche Modell gemeinwohlorientierten der Gemeinnützigkeit überführt. Wohnungsunternehmen in Führungspositionen tätig, zuletzt bis 2017 als Technischer Geschäfts- führer der GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München.
Zwei Fragen an Tilman Harlander „Der soziale Wohnungsbau stand in der Tradition der Gemeinnützigkeit“ im Zusammenwirken aller abge- 15 baut werden könne. Mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz von 1950 wurde daher der Vorrang aufgegeben, den die Gemein nützigen bei der Vergabe öffentli- cher Mittel noch in den 1920er Jahren hatten. Nun galt das Prin- zip der Gleichberechtigung von Gemeinnützigen, freien Woh- nungsunternehmen und Einzel- personen. Die Zustimmung von SPD und Gemeinnützigen dazu war freilich auch ein Zugeständnis an die damals regierende christ- lich-liberale Koalition. T ilman Harlander ist em. Profes- sor für Architektur- und Wohn- soziologie an der Universität Stutt- Weshalb waren es dennoch besonders gemeinnützige gart. Von 1989 bis 1997 war er Wohnungsunternehmen, Vorsitzender des Aufsichtsrats der die sozialen Wohnungsbau Aachener Gemeinnützigen Woh- betrieben? nungsgesellschaft. Der dem Gemeinwohl dienen- de soziale Wohnungsbau stand Die Gemeinnützigkeit trug bis ganz in der Tradition der Gemein- 1990 erheblich zur Bezahlbar nützigkeit. Das unterschied sie keit von Wohnraum bei. Wes von den primär auf private Ge- halb gab es daneben dennoch winne zielenden freien Woh- sozialen Wohnungsbau? nungsunternehmen. Erleichtert Man war nach 1949 der Über- wurde das Engagement der Ge- zeugung, dass das immense Aus- meinnützigen durch die Steuer maß der Kriegsschäden und privilegien. Wohnungsversorgungsdefizite nur
Keine Rendite mit der Miete Beispiel Österreich Die wirtschaftlichen Vorteile der Wohngemeinnützigkeit 16 Ö sterreich hat einen großen gemeinnützigen Sektor. Er umfasst heute etwa 17 Prozent aller Mietwohnungen. Er ge währleistet nicht nur bezahlbare Mieten, sondern hat auch aller Wohngebäude, 30 Prozent gesamtwirtschaftliche Vorteile. aller Wohnungen und 41 Prozent 2,30 € 1,2 Mrd. € Die durchschnittliche* Miete Die Haushalte in gemeinnützi- gemeinnütziger Wohnungs gen Mietwohnungen sparen unternehmen ist 2,30 Euro je hierdurch etwa 1,2 Milliarden Quadratmeter günstiger als Euro Miete pro Jahr – Geld, die durchschnittliche* Miete das sie für Nicht-Wohn- gewinnorientierter Wohnungs- Konsum verwenden können. unternehmen. 1,5 % 640–980 Mio. € Dank der niedrigeren Miete Durch diesen Zusatzkonsum können alle Haushalte in ge- sowie durch höhere Wohn- meinnützigen Mietwohnungen bau-Investitionen erhöht der mehr Geld ausgeben, beson- gemeinnützige Sektor am ders profitieren aber die mit Wohnungsmarkt das Brutto den geringsten Einkommen: inlandsprodukt Österreichs um Die ärmsten 40 Prozent der 640 bis 980 Millionen Euro. Haushalte konsumieren dank der Mietersparnis 1,5 Prozent mehr pro Jahr. *B ereinigt um Unterschiede in Größe, Ausstattung und Lage. Quelle: Klien / Streicher (2021).
Weiterführende Literatur n D eutscher Gewerkschaftsbund (2021): Bezahlbar ist die halbe Miete. Gewerkschaftliche Positionen für eine soziale und nachhaltige Wohnungspolitik. Broschüre, Berlin. im Web n H olm, Andrej / Horlitz, Sabine / Jensen, Inga (2017): Neue Wohngemeinnützigkeit. Voraussetzungen, Modelle und erwartete Effekte. Studie, Berlin. im Web n Industriegewerkschaft Bauen – Agrar – Umwelt (2021): Wohnen. Positionspapier, Frankfurt/Main. im Web n K lien, Michael / Streicher, Gerhard (2021): Ökonomische Wirkungen des gemeinnützigen Wohnbaus. Studie, Wien. n K uhnert, Jan / Leps, Olof (2017): Neue Wohngemeinnützigkeit. Wege zu langfristig preiswertem und zukunftsgerechtem Wohnraum. Studie, Wiesbaden. n V ereinte Dienstleistungsgewerkschaft (2019): Gutes Wohnen für alle. Für eine soziale Wohnungspolitik. Broschüre, Berlin. im Web Herausgeber Gestaltung und Satz ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft VH-7 Medienküche GmbH, 70372 Stuttgart Bundesvorstand, Ressort 1 www.vh7.de Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin Karikaturen IG BAU – Industriegewerkschaft Reinhard Alff, Dortmund Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesvorstand OIof-Palme-Str. 19, 60439 Frankfurt am Main Fotos Karl-Marx-Höfe: Shutterstock.com Verantwortlich Inga Jensen: verve-Photography, Frauke Witzler Robert Feiger, Frank Werneke Foto Tilman Harlander: Privat Bearbeitung Druck Jonathan Diesselhorst (IG BAU) IG BAU – Hausdruckerei Dr. Patrick Schreiner (ver.di) Bundesvorstand – Vorstandsbereich Tobias Wark (IG BAU) Stellvertretender Bundesvorsitzender Kontakt Finanzen – Forst und Agrar wirtschaftspolitik@verdi.de, www.wipo.verdi.de Servicebereich Dienste kontakt@igbau.de, www.igbau.de Olof-Palme-Str. 19, 60439 Frankfurt/M. Juni 2021 W-3834-02-0421
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