Kinetik der hämodynamischen Differentialeffekte von Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor) bei Anästhesie-assoziierter Hypotension
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Kinetik der hämodynamischen Differentialeffekte von Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®) bei Anästhesie-assoziierter Hypotension Von der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Medizin (Dr. med.) angenommene Dissertation von Frau Julika Antonia Weyland geboren am 09.10.1992 in Göttingen
Betreuer: Klinik: Priv.-Doz. Dr. med. Ulf Günther Universitätsklinik für Anästhesiologie | Intensivmedizin | Notfallmedizin | Schmerztherapie Klinikum Oldenburg AöR Tag der mündlichen Prüfung: 23.03.2021
Inhaltsverzeichnis: 1 Einleitung 8 1.1. Intraoperative Hypotension 8 1.2. Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®) 10 1.2.1. Wirkmechanismus 10 1.2.2. Wirkungseintritt 12 1.2.3. Einfluss auf Schlagvolumen und peripheren Widerstand 12 1.2.4. Einfluss von Geschlecht und Vormedikation 14 1.2.5. Einfluss einer wiederholten Caf/Theo-Applikation 14 1.3. Hämodynamisches Monitoring 14 1.4. Einleitende Zusammenfassung 16 1.5. Fragestellung 17 2 Methoden 18 2.1. Studiendesign 18 2.2. Studienpopulation 18 2.2.1. Einschlusskriterien 19 2.2.2. Ausschlusskriterien 19 2.3. Durchführung der TIVA 19 2.4. Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®) 20 2.4.1. Dosierung 21 2.4.2. Interventionsgrenze 21 2.5. Hämodynamisches Monitoring 21 2.5.1. Messmethodik 21 2.5.2. Hämodynamische Grundlagen des Monitorings 22 2.5.3. Messzeitpunkte 24 2.6. Studienprotokoll 25 2.7. Auswertung 26 2.7.1. Verkürzung des geplanten Messintervalls 27 2.7.2. Auswirkungen der verkürzten Messintervalle auf die Datensätze 27 2.7.3. Geplante Subgruppenanalyse 28 2.7.4. Studiengröße 28 2.7.5. Datendeskription und Statistik 28
3 Ergebnisse 30 3.1. Patient*innen-Rekrutierung 30 3.2. Patient*innen-Charakteristika 33 3.3. Operationen 37 3.4. Verlauf der hämodynamischen Parameter nach Caf/Theo-Applikation (Caf/Theo_1-G) 37 3.5. Verlauf der SVV nach Caf/Theo-Applikation (Caf/Theo_2-G) 42 3.6. Zeit bis zur 10%igen und maximalen Veränderung nach Caf/Theo-Applikation 42 3.7. Verlauf der hämodynamischen Parameter ohne Caf/Theo-Applikation (Caf/Theo_0-G) 43 3.8. Einfluss des Geschlechts 45 3.9. Einfluss einer β-Blocker Vormedikation 50 3.10. Einfluss einer zweiten Caf/Theo-Applikation (Caf/Theo_1 vs. _2) 55 4 Diskussion 58 4.1. Zusammenfassung der Ergebnisse 58 4.2. Diskussion der Methodik 59 4.2.1. Interventionsgrenze des MAP 60 4.2.2. Berechnung des SVRI 61 4.2.3. Caf/Theo-Dosierung 61 4.2.4. Observationszeitraum 62 4.2.5. Statistische Methoden 62 4.3. Diskussion der Ergebnisse 62 4.3.1. Diskussion der hämodynamischen Effekte 62 4.3.2. Einfluss des Geschlechts 66 4.3.3. Einfluss einer β-Blocker Vormedikation 68 4.3.4. Einfluss einer zweiten Caf/Theo-Applikation 68 4.4. Diskussion der Stärken und Limitationen 69 4.4.1. Allgemeine Stärken und Limitationen 69 4.4.2. Limitationen der Messmethodik 70 4.5. Implikation für die Klinik 74 4.6. Implikation für die weitere Forschung 75 4.7. Schlussfolgerung 75 5 Zusammenfassung/Summary 76
Anhang 80 Literaturverzeichnis 80 Verlauf des SAP, DAP und des SVI (Caf/Theo_1- und Caf/Theo _0-Gruppe) 85 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 88 STROBE Statement 90 Eidesstattliche Versicherung 93 Danksagung 94
Abkürzungsverzeichnis: AAMI American Association for the Advancement of Medical Instrumentation ANOVA Varianzanalyse (Analysis Of Variance) ASA American Society of Anesthesiologists (Scoring System zur Beurteilung des anästhesiologischen und perioperativen Risikos) BHS British Hypertension Society Caf/Theo Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®) Caf/Theo_1 Erste Caf/Theo-Applikation Caf/Theo_2 Zweite Caf/Theo-Applikation Caf/Theo_1-G Gruppe, der ersten Caf/Theo-Applikation Caf/Theo_2-G Gruppe, die eine zweite Caf/Theo-Applikation erhalten hat Caf/Theo_0-G Gruppe, die in den folgenden 30 min nach Einleitung kein Caf/Theo erhal- ten hat cAMP Cyclisches Adenosinmonophosphat cGMP Cyclisches Guanosinmonophosphat CI Herzindex (Cardiac Index) DAP Diastolischer Blutdruck (Diastolic Arterial Pressure) ESH European Society of Hypertension HF Herzfrequenz HZV Herzzeitvolumen IBP Invasiv gemessener Blutdruck (Invasive Blood Pressure) KG Körpergewicht MAP Mittlerer arterieller Blutdruck (Mean Arterial Pressure) MAR Zufällig fehlend (Missing At Random) MD Mittlere Differenz MW Mittelwert NIBP Nicht-invasiv gemessener Blutdruck (Non-Invasive Blood Pressure) iNIBP Intermittierend gemessener NIBP
cNIBP Kontinuierlich gemessener NIBP NMAR Nicht zufällig fehlend (Non Missing At Random) NYHA New York Heart Association (Klassifikation zur Einteilung einer Herzinsuffi- zienz) OP Operation PBW Ideales Körpergewicht (Predicted Body Weight) PDE Phosphodiesterase PDK Periduralkatheter PEEP Positiver endexspiratorischer Druck (Postitve Endexpiratory Pressure) PICCO® Pulse Contour Cardiac Output-System PIP Pränarkotische Phase (Preinduction Period) PR Pulsfrequenz (Pulse Rate) rmANOVA ANOVA mit Messwiederholung (repeated measures ANOVA) SAP Systolischer Blutdruck (Systolic Arterial Pressure) SD Standardabweichung (Standard Deviation) SV Schlagvolumen (Stroke Volume) SVI Schlagvolumenindex (Stroke Volume Index) SVR Systemischer peripherer Widerstand (Systemic Vascular Resistance) SVRI Systemischer peripherer Widerstandsindex (Systemic Vascular Resistance Index) SVV Schlagvolumenvariation (Stroke Volume Variation) TCI Zielwert-orientierte Infusion (Target Controlled Infusion) TIVA Total Intravenöse Anästhesie ZVD Zentraler Venendruck
1 Einleitung Ein arterieller Blutdruckabfall (Hypotension) ist eine der häufigsten Nebenwirkungen einer All- gemeinanästhesie. In Abhängigkeit vom Ausmaß und der Dauer ist dieser mit einer erhöhten postoperativen Morbidität und Mortalität assoziiert (1-6). Ein Drittel der Anästhesie-assoziierten hypotensiven Ereignisse finden vor dem operativen Schnitt statt (7, 8). Die intraoperative Hypo- tension wird durch die verabreichten Medikamente ausgelöst und durch einen möglichen Volu- menmangel durch die präoperative Flüssigkeitskarenz verstärkt. Die Mehrheit der stationären Operationen wird in Deutschland in Allgemeinanästhesie durchge- führt. Dabei wird medikamentös eine Bewusstlosigkeit (Hypnose), eine Schmerzfreiheit (Analgesie) und eine Dämpfung der vegetativen Reflexe erzielt. Zusätzlich wird abhängig von der Operation und der eingesetzten Atemwegshilfe eine Muskelerschlaffung (Relaxation) her- beigeführt. Eine Allgemeinanästhesie wird meist entweder mit Inhalationsanästhetika – häufig in Kombination mit einer intravenösen Opioidgabe – oder als eine total intravenöse Anästhesie (TIVA) durchgeführt. Ein großer Vorteil der TIVA ist die geringere intraoperative Stressantwort (9) und eine geringere Inzidenz von postoperativer Übelkeit und Erbrechen (10-12). Außerdem können die Aufwachzeit (10) und die psychomotorische Erholung (13) verkürzt sein. Die TIVA wird abhängig vom Frischgasfluss als kostengünstiger als die inhalative Anästhesie beschrie- ben (14). Der Nachteil einer TIVA ist, dass es häufig, vor allem im Rahmen der Narkoseeinlei- tung, zu klinisch relevanten Hypotensionen kommt. 1.1. Intraoperative Hypotension Die Pathogenese der Anästhesie-assoziierten Hypotension erklärt sich primär durch einen stark verminderten Sympathikotonus. Dies führt zu einem verminderten Herzzeitvolumen (HZV) und einer Abnahme des systemischen Gefäßwiderstandes (SVR; Systemic Vascular Resistance). Der Abfall des HZV, bedingt durch einen Abfall des Schlagvolumens (SV, Stroke Volume) und der Herzfrequenz (HF), beruht darüber hinaus auch auf einer negativ inotropen Wirkung der Anästhetika. Zudem kommt es durch die Reduktion des Sympathikotonus zu einer generellen Vasodilatation mit Abnahme der kardialen Vorlast und negativer Auswirkung auf das SV. Als Folge der direkt proportionalen Abhängigkeit vom SVR und HZV fällt auch der mittlere arterielle Blutdruck (MAP; Mean Arterial Pressure). Es gibt momentan keine allgemein anerkannte Definition der intraoperativen Hypotension. Je nach Definition variiert die Inzidenz einer Hypotension während einer Allgemeinanästhesie zwi- schen 5 und 99 % (15). Eine häufig verwendete Definition stellt ein systolischer Blutdruck (SAP; Systolic Arterial Pressure) unter 80 mmHg oder ein relativer Abfall um mehr als 20 % dar (15). 8
Pathophysiologisch sinnvoller ist es jedoch, den MAP als Definitionsparameter einer Hypotensi- on zu wählen (16, 17). Der arterielle Blutdruck während eines Herzzyklus variiert bekanntermaßen zwischen einem diastolischen Wert (DAP; Diastolic Arterial Pressure), dem minimalen Blutdruck während der Diastole, und einem systolischen Wert, dem maximalen arteriellen Blutdruckwert während der Systole. Der SAP ist vor allem abhängig von der arteriellen Elastance und dem SV. Der MAP lässt sich invasiv aus dem geometrischen Mittel der arteriellen Blutdruckkurve berechnen, nicht- invasiv direkt über die oszillometrische Blutdruckmessung erfassen oder annäherungsweise mit der Formel DAP + ⅓ × (SAP – DAP) berechnen. Subtrahiert man vom MAP den zentralen Ve- nendruck (ZVD), so kann man den Perfusionsdruck abschätzen. Der Perfusionsdruck ist ein indirektes Maß für die Organdurchblutung, welche wesentlich für die Sauerstoffversorgung ver- antwortlich ist. Der MAP ist so eine der wichtigsten klinischen Determinanten für eine ausrei- chende Perfusion der Organsysteme, vor allem derjenigen, die eine kritische Hypoxietoleranz besitzen. Das Aufrechterhalten der Organperfusion ist ein entscheidendes Ziel in jeder Anäs- thesie. Eine in aktuellen Studien häufig genutzte und empfohlene Interventionsgrenze ist ein MAP von 65 mmHg. Studien belegen, dass eine intraoperative Hypotension in Abhängigkeit von ihrem Ausmaß und ihrer Dauer mit einer erhöhten postoperativen Morbidität und 30-Tage sowie 1-Jahres Mortalität assoziiert ist (1-6). Das Unterschreiten eines MAP von 65 mmHg ist mit einer erhöhten Rate an postoperativen akuten Organschäden wie beispielsweise Nierenversagen sowie myokardialen Ischämien assoziiert (7, 8, 12). Denn stark durchblutete Organe wie das Gehirn, die Niere und das Myokard sind besonders abhängig von einer stetigen ausreichenden Durchblutung. Es konnte in Assoziation mit einer intraoperativen Hypotension generell ein erhöhtes Risiko für postoperative zerebrale Ischämien (18), postoperatives Delir (19) und akute Nieren- (20) und Myokardschädigungen aufgezeigt werden (3, 21-24). Die Risiken sind abhängig vom Ausmaß der Hypotension und deren Dauer (25, 26). Je niedriger der Blutdruck, desto kürzer wird dieser ohne Schädigung toleriert (2). Schon kurze hypotensive Phasen tolerieren insbesondere Patient*innen mit vorbestehender arterieller Hypertension und einem Alter über 65 Jahren schlecht. Pro Minute eines MAP < 65 mmHg stieg die Mortalität bei sonst normotensiven Patient*innen um 0,7 % und bei solchen mit vorbestehender Hypertension um 0,9 % (25). In einer Studie von Monk et al. mit 1064 Patient*innen war eine intraoperative Hypotension, hier definiert als ein systolischer Blutdruck < 80 mmHg, mit einem 1,036 Mal erhöhten Mortalitätsri- siko pro hypotensiver Minute assoziiert. In einer aktuellen Metanalyse wurde unter einem MAP < 60 mmHg ab der zweiten Minute eine Assoziation mit Myokard- sowie Nierenschädigungen und ab der fünften Minute mit einer erhöhten Mortalität nachgewiesen (3). 9
1.2. Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®) Einer frühzeitigen Intervention zur Therapie der Anästhesie-assoziierten Hypotension kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Während im angloamerikanischen Raum hierzu bevorzugt der α1-Agonist Phenylephrin oder das indirekte Sympathomimetikum Ephedrin eingesetzt werden, wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz häufig die Wirkstoffkombination Cafedrin/Theodrenalin (Caf/Theo) (Akrinor ; ratiopharm GmbH) verwendet. Caf/Theo wird im- ® mer dann verabreicht, wenn in der Anästhesie oder Notfallmedizin bei einem hypotensiven Zu- stand ein schneller und über einige Minuten andauernder Blutdruckanstieg gewünscht ist. Es wurde schon 1963 in der Bundesrepublik Deutschland als Antihypotonikum zugelassen (27) und wird in der Mehrzahl der deutschen Krankenhäuser genutzt (28). Das Antihypotonikum er- fährt in der Anästhesie und Notfallmedizin auf Grund seiner therapeutischen Breite, seiner Wirkdauer und der Einfachheit der Anwendung eine hohe klinische Akzeptanz. Der langjährige und häufige Einsatz des Medikaments steht jedoch im Kontrast zum derzeitigen Wissen über die Pharmakodynamik und -kinetik von Caf/Theo. Caf/Theo ist eine Medikamentenkombination aus Cafedrin (200 mg) und Theodrenalin (10 mg) im Verhältnis 20:1. Cafedrin ist zusammengesetzt aus Theophyllin und Norephedrin, verbunden über eine Xanthinverbindung, Theodrenalin besteht aus einem Konjugat aus Theophyllin und Noradrenalin. Man nimmt verschiedene Mechanismen an, über die Caf/Theo seine blutdrucksteigernde Wir- kung entwickelt. Diese lassen sich aus den verschiedenen Inhaltsstoffen ableiten und wurden teilweise in experimentellen sowie klinischen Studien nachgewiesen. Der zeitliche Verlauf und die Ausprägung der hämodynamischen Differentialeffekte von Caf/Theo unter klinischen Bedin- gungen wurden bislang jedoch nicht untersucht. 1.2.1. Wirkmechanismus In der Fachinformation von Caf/Theo, aktualisiert 09.2016, wird der Wirkmechanismus wie folgt beschrieben: „Akrinor® führt zu einem zuverlässigen und langanhaltenden Blutdruckanstieg bei praktisch unverändertem peripherem Widerstand und mäßig reduzierter Herzfre- quenz. Die Steigerung des Herzschlag- und Minutenvolumens wird noch durch eine Mobilisierung von Blutreserven aus dem kapazitiven Venensystem gefördert. Der Wirkungsmechanismus beruht im Wesentlichen auf einer Stimulation der β- Rezeptoren.“ (29) Die aktuelle Studienlage zum Wirkmechanismus ist jedoch wesentlich komplexer und teilweise widersprüchlich. Im Folgenden wird ein Überblick über den zurzeit vermuteten Wirkmechanis- mus gegeben. 10
Caf/Theo steigert die Kontraktionskraft des Herzens durch Norephedrin und Noradrenalin über die β1-Rezeptoren der Kardiomyozyten (30, 31). Die Wirkung an den β1-Rezeptoren konnte durch eine vorherige Betablockade aufgehoben werden. Norephedrin bewirkt vermutlich eine endogene Noradrenalinfreisetzung, was zu einer höheren Noradrenalinkonzentration und - wirkung führt (32). Insgesamt steigt das SV sowie das HZV, wobei die HF relativ stabil zu blei- ben scheint (33, 34). Die Betarezeptor-vermittelte Wirkung von Norephedrin und Noradrenalin an den Kardiomyozyten wird verstärkt durch den nicht-selektiven Phosphodiesterase (PDE)- Inhibitor Theophyllin (32). Es wird vermutet, dass Noradrenalin die kardiale Vorlast und Nachlast durch eine α-adrenerg vermittelte Vasokonstriktion der Gefäße steigert und über die Vorlaststeigerung zu einem er- höhten SV beiträgt. Zur Wirkung von Caf/Theo an α1-Adrenozeptoren finden sich in der Literatur jedoch widersprüchliche Informationen. Geht man von einer Noradrenalinwirkung aus, so hätte diese einerseits einen erhöhten venösen Rückstrom und somit eine Steigerung der Vorlast durch eine Kontraktion der venösen Gefäße zur Folge. Andererseits käme es auch zu einer Zunahme des SVR als Zeichen einer erhöhten arteriellen Vasokonstriktion und somit einer ge- steigerten Nachlast. In klinischen Studien aus den Jahren 1975 und 1984 finden sich sowohl Angaben über eine ausbleibende Steigerung beziehungsweise einen Abfall des SVR (29, 30, 35) sowie über einen leichten Anstieg des SVR (Lachgas-Narkose in Kombination mit Peri- duralanästhesie) nach Caf/Theo-Applikation (36). In einer neueren Studie wurde mittels Pulskonturanalyse und transpulmonaler Thermodilution (PICCO®-System; Pulse Contour Cardi- ac Output-System, Pulsion Medical Systems SE Feldkirchen) 10 min nach Caf/Theo-Applikation in klinisch üblicher Dosierung ein erhöhter SVR nachgewiesen (34). In einer experimentellen Arbeit wurde in Koronararterien des Hausschweins ein α-adrenerger Effekt nachgewiesen, je- doch nur nach Blockade der β-Rezeptoren (31). Es wird vermutet, dass Noradrenalin als Ago- nist und Norephedrin als Partialagonist an den α1-Rezeptoren der Gefäße wirkt und so eine periphere Vasokonstriktion vermittelt. Norephedrin bewirkt eine endogene Noradrenalinfreiset- zung und verursacht somit ebenfalls eine Vasokonstriktion. Als Partialagonist interferiert No- rephedrin jedoch mit dem direkten Effekt von Noradrenalin an den α1-Rezeptoren im Sinne ei- nes kompetitiven Antagonisten (32). Dass eine Vasokonstriktion im Sinne eines erhöhten SVR in einigen Studien nicht nachgewie- sen werden konnte, könnte am vasodilatierenden Effekt des Theophyllins liegen. Theophyllin, ein PDE-Inhibitor, sorgt für einen verlangsamten Abbau von cAMP (cyclisches Adenosinmono- phosphat) sowie cGMP (cyclisches Guanosinmonophosphat), was einerseits die oben be- schriebene positiv inotrope Wirkung unterstützt. Andererseits verhindert ein erhöhtes cGMP die Ausschüttung von Calcium, das für die Einleitung einer Muskelkontraktion benötigt wird (32). Die Muskelkontraktion der glatten Muskulatur der Gefäße erzeugt die Vasokonstriktion. Ein va- 11
sodilatativer Effekt von PDE-Inhibitoren unter Medikation mit α1-Agonisten wurde nachgewiesen (37). Jedoch konnte auch eine periphere Vasokonstriktion nach Gabe von Theodrenalin beo- bachtet werden (35). Der Summeneffekt aus Vasodilatation (Theophyllin) und Vasokonstriktion (Noradrenalin) konnte klinisch noch nicht quantifiziert werden. Der Anstieg des MAP beruht also sehr wahrscheinlich auf einer Steigerung des HZV, sowie möglicherweise auf einem Anstieg des Gefäßwiderstands, wobei die Mehrheit der Studien von einem unveränderten SVR ausgeht. Auch über den Einfluss auf die Herzfrequenz gibt es eine heterogene Datenlage, so wird einer- seits von einem Abfall der Herzfrequenz berichtet (30), andererseits finden sich auch Studien, die einen Anstieg der HF beschreiben (33). Unter klinischen Aspekten wird eine Stabilität der Herzfrequenz im Sinne eines Ausbleibens der mit der Induktion einer TIVA assoziierten Bradykardie beschrieben (34). Zusammenfassend wurde die Veränderung der Herzfrequenz in diesen Studien bisher als nicht klinisch relevant angesehen. Insgesamt liegen widersprüchliche Informationen über die klinische Relevanz der Aktivierung von α1-Rezeptoren vor. Dies gilt auch für die Wirkung von Caf/Theo auf die HF. Zudem fehlen klinische Studien, die den zeitlichen Verlauf der hämodynamischen Effekte mit einer für klini- sche Belange ausreichend hohen zeitlichen Auflösung prospektiv untersucht haben. 1.2.2. Wirkungseintritt Über den Wirkungseintritt und die Wirkstärke von Caf/Theo gibt es sehr unterschiedliche Infor- mationen. In klinischen Studien aus den Jahren 1965-85 wurde ein sofortiger Anstieg des MAP mit einem Maximum nach 2 Minuten und einem Anstieg um 30 % (38), nach einer Minute um 20 % (35), nach weniger als einer Minute um etwas unter 20 % (39) oder nach 2-3 Minuten um circa 25 % (36) gemessen. In neueren, retrospektiven Studien (2008, 2015), die jedoch größere Messintervalle nutzten, wurde das Maximum des MAP erst deutlich später erreicht. Bei zwei retrospektiven Auswertungen von Anästhesie-Protokollen wurde der maximale MAP nach 17,4 ± 9 Minuten (40) beziehungsweise nach 9 ± 4 Minuten (33) erreicht. Genaue Erkenntnisse über den zu erwartenden Zeitraum bis zum Wirkmaximum auf den Blutdruck, vor allem unter derzeitigen klinischen Bedingungen, gibt es bisher nicht. 1.2.3. Einfluss auf Schlagvolumen und peripheren Widerstand Ein Review von 2017 führt den blutdrucksteigernden Wirkmechanismus von Caf/Theo zurück auf eine gesteigerte Inotropie, eine erhöhte Vorlast und ein erhöhtes Schlagvolumen, während der periphere Widerstand als unbeeinflusst darstellt wird (32). In der Aussage über ein gestei- gertes SV beziehungsweise HZV stimmen die meisten Studien überein, wobei die Zeitpunkte 12
des maximalen Anstiegs, ebenso wie die Dosierungen und Messmethoden auch hier leicht vari- ieren (34-36, 38, 39). Zu der Veränderung des peripheren Widerstandes als Folge der Caf/Theo-Applikation ist die Studienlage jedoch sehr heterogen. Es existiert eine ältere Studie, die eine Abnahme des SVR beschreibt (39). In einer anderen wurde eine Steigerung des peripheren Widerstands, mit einem Maximum nach 3 bis 4 Minuten, und ein darauffolgender Abfall des Widerstands unter den Ausgangswert demonstriert (36). Diese Studie wurde jedoch bei Patient*innen mit akutem Myo- kardinfarkt durchgeführt (41). Zwei weitere Studien fanden keine signifikante Änderung des SVR nach Caf/Theo-Applikation (35, 38). Daraus wurde in den meisten neuen Studien abgelei- tet, dass die Wirkung von Caf/Theo auf den Blutdruck vor allem durch den positiv inotropen Effekt an den β1-Rezeptoren entsteht. Pharmakologisch wird Theodrenalin ein peripher vaso- konstriktiver Effekt zugeschrieben und Cafedrin ein vasodilatierender (35). Beide Wirkstoffe enthalten Theophyllin, das als PDE-Inhibitor einerseits über eine gesteigerte cAMP Konzentra- tion positiv inotrop wirken soll, andererseits über eine erhöhte cGMP Konzentration peripher vasodilatierend. Der Summeneffekt von Caf/Theo wird meist als β-adrenerg beschrieben. In einer neueren Studie konnte jedoch mittels transpulmonaler Thermodilution 10 Minuten nach Caf/Theo-Applikation ein um 42 % gesteigerter peripherer Widerstand nachgewiesen werden (34). Die unterschiedlichen Messzeitpunkte und Dosierungen erschweren es, die Ergebnisse zu ver- gleichen und auf die klinische Praxis anzuwenden. Zudem sind einige Studien sehr alt und un- ter heute nicht mehr gebräuchlichen Narkosebedingungen durchgeführt. Es gibt keine aktuelle Studie, welche die hämodynamische Wirkung von Caf/Theo unter klinischen Bedingungen kon- tinuierlich erfasst und somit Rückschlüsse auf die physiologischen Veränderungen, die zu ei- nem Anstieg des Blutdrucks führen, zulässt. Ein weiterer Parameter, der sich als Folge einer Caf/Theo-Applikation auf das SV auswirken kann, ist die Vorlast. Über die Veränderung der Vorlast als Folge einer Caf/Theo-Applikation lassen sich nur sehr wenige Studien finden. In einer klinischen Studie, die einen zweigipfligen Anstieg des Herzindex zeigte, wurde eine verzögert einsetzende Vorlaststeigerung durch Veno- konstriktion postuliert (36). In einer anderen Studie stieg die Vorlast, gemessen als Oxygenator- volumen bei extrakorporaler Zirkulation, nicht signifikant und fiel im Verlauf schnell unter den Ausgangswert ab (42). In einer Untersuchung von Schieffer et al. blieb das enddiastolische Vo- lumen als Maß der Vorlast quasi unverändert (39). Ein Anstieg der Vorlast als Folge einer Caf/Theo-Applikation würde für eine α-adrenerge Wirkung im Sinne einer Venokonstriktion mit Umverteilung des Blutvolumens von peripher nach zentral sprechen. 13
1.2.4. Einfluss von Geschlecht und Vormedikation Zusätzlich zu den oben genannten Wirkmechanismen wurden Faktoren identifiziert, welche die Wirkung von Caf/Theo modifizieren können. Heller et al. zeigte in zwei retrospektiven Auswer- tungen von Anästhesie-Protokollen, dass die Zeit bis zu einem 10%igen Anstieg des MAP durch einen erhöhten Ausgangs-MAP, männliches Geschlecht, eine Herzinsuffizienz sowie eine Vormedikation mit β-Blockern verlangsamt war (33, 40). Die Autor*innen stellen die Theorie auf, dass der geschlechtsabhängige Unterschied auf das höhere intravasale Blutvolumen bei Frauen zurückzuführen sein könnte. In einer Studie von Sternitzke et al. wurde einmalig Propanolol zur β-Rezeptor Blockade vor Caf/Theo-Applikation verabreicht. Durch die Blockade der β-Rezeptoren konnte hier eine ver- minderte kardiovaskuläre Wirkung des Caf/Theo nachgewiesen werden (30). Dies legt einen β- adrenergen Anteil in der Wirkung von Caf/Theo nahe. Da nach anästhesiologischem Standard eine vorbestehende Medikation mit β-Blockern am Operationstag weitergeführt wird, könnte eine solche Interaktion Probleme in der klinischen Praxis mit sich bringen. 1.2.5. Einfluss einer wiederholten Caf/Theo-Applikation In der klinischen Anwendung ist es häufig erforderlich wiederholte Boli zu verabreichen, im Sin- ne einer Dosistitration nach Wirkung. Empirisch wird für Caf/Theo bei wiederholter Applikation ein Wirkverlust postuliert, mit der ebenfalls klinisch-empirischen Empfehlung, nach einer Ampul- le Caf/Theo deswegen das Antihypotonikum zu wechseln. Dies konnte jedoch in der einzigen zu dieser Fragestellung, vor mehr als 50 Jahren, angefertigten Untersuchung, die die repetitive Gabe von Caf/Theo an fünf wachen Proband*innen untersuchte, nicht nachgewiesen werden. Es zeigte sich bei Zweit- und Drittinjektion im Gegenteil der Trend zu einer gesteigerten Wir- kung (38). 1.3. Hämodynamisches Monitoring Systeme zum nicht-invasiven kontinuierlichen hämodynamischen Monitoring werden mit zu- nehmender Häufigkeit in der klinischen Praxis eingesetzt. Einerseits ermöglichen sie eine konti- nuierliche nicht invasive Überwachung des Blutdrucks, die bisher eine Punktion der Arteria ra- dialis nötig machte. Andererseits werden sie auch genutzt, um die transpulmonale Thermodilu- tion zur HZV-Messung zu ersetzen, welche einen zentralen Venenkatheter und einen brachia- len oder femoralen arteriellen Katheter erfordert. Zur hämodynamischen Messung wurde in dieser Studie das ClearSight®-System mit der EV 1000 Clinical Platform (Fa. Edwards Lifesciences Services GmbH) eingesetzt. Das Ziel war eine möglichst hochfrequente Datenaufnahme bei einem möglichst geringen Risiko für die Patient*innen. Auf diese Weise sollte der zeitliche Verlauf des Effekts von Caf/Theo engma- 14
schig erfasst werden. Es wurden der MAP, die Pulsfrequenz (PR; Pulse Rate), der Schlagvolu- menindex (SVI; Stroke Volume Index), der Herzindex (CI; Cardiac Index), der periphere Wider- standsindex (SVRI; Systemic Vascular Resistance Index) sowie die Schlagvolumenvariation (SVV; Stroke Volume Variation) aufgezeichnet. Neben der Aufzeichnung der Basisparameter MAP und PR erlaubte die Messtechnik einen Effekt auf Fluss- und Volumen-bezogene Parame- ter wie die Kontraktilität, abgebildet durch den SVI und CI, wie auch auf die kardiale Vorlast, abgebildet durch die SVV, und auf den peripheren Widerstand zu beurteilen. Die Durchführung einer hochfrequenten Messung der oben genannten hämodynamischen Pa- rameter ist seit einigen Jahren vereinfacht durch die Möglichkeit einer kontinuierlichen nicht- invasiven Messung der Blutdruckkurve und einer Berechnung von Parametern der erweiterten Hämodynamik mit Hilfe der Pulskonturanalyse. Dieser liegt bei dem in dieser Studie verwende- ten ClearSight®-System die Technologie der Volume-Clamp-Methode in Kombination mit der Photoplethysmographie zugrunde. Die individuelle Berechnung der Parameter ist möglich auf der Basis eines Algorithmus, der die biometrischen Daten der Patient*innen miteinbezieht. So werden die Körpergröße, das Gewicht, das Alter und das Geschlecht mit in die Berechnung einbezogen. Das in dieser Studie genutzte ClearSight®-System besteht aus einer Fingerman- schette mit Cuff (Abbildung 1 [1]) und einem photoelektrischen Plethysmographen, einem Herz- niveau Sensor [2], einer Druckregulationseinheit [3] am Handgelenk sowie einer Pumpeinheit [4]. Es wird verbunden mit der EV 1000 Clinical Platform, welche als Rechen- und Bedieneinheit fungiert [5]. Insbesondere während der Narkoseeinleitung kann es innerhalb sehr kurzer Zeit zu starken Veränderungen des Blutdrucks kommen, die in dieser Phase ein engmaschiges Monitoring be- sonders sinnvoll machen. 15
2 5 3 1 4 Abbildung 1 ClearSight®-System und EV 1000 Clinical Platform; ClearSight®--System: Fingermanschette mit Cuff [1] und photoelektrischem Plethysmographen, Herzniveau Sensor [2], Druckregulationseinheit [3]; EV1000 Clinical Plat- form: Pumpeinheit [4], Rechen- und Bedieneinheit [5] 1.4. Einleitende Zusammenfassung Intraoperative hypotensive Ereignisse sind häufig und erhöhen abhängig von ihrem Ausmaß und der Dauer die peri- und postoperative Morbidität sowie die Mortalität. Zur Therapie der Hypotension wird im deutschsprachigen Raum häufig die Wirkstoffkombination Caf/Theo einge- setzt. Caf/Theo besteht aus 2 Wirkstoffen, die zu verschiedenen aktiven Metaboliten abgebaut werden. Die Datenlage zu den klinisch relevanten Wirkmechanismen als Summe der Effekte der Metaboliten ist heterogen. Obwohl dieses Medikament schon seit 1963 zugelassen ist, be- steht ein deutlicher Mangel an Studien zum hämodynamischen Wirkungsverlauf, sowohl nach einmaliger Applikation von Caf/Theo als auch nach repetitiven Bolusinjektionen. Es existiert 16
bislang keine Studie, die den Verlauf der hämodynamischen Effekte kontinuierlich untersucht hat. Ziel dieser Studie war es, den Effekt von Caf/Theo auf verschiedene hämodynamische Parame- ter (MAP, SAP, DAP, SVRI, CI, SVI, PR, SVV) über einen Zeitraum von 30 min nach einer Bolusinjektion zu beschreiben. Über die rein deskriptive Beschreibung hinaus sollten die Zeiten bis zur 10%igen sowie bis zur maximalen Veränderung ausgewertet werden. Durch die Darstel- lung der hämodynamischen Pharmakodynamik sollte auch auf die Wirkweise rückgeschlossen werden. Als Nebenziel wurde das Zeitintervall bis zum MAP Anstieg über die kritische Grenze von 65 mmHg untersucht. Als weitere klinische Endpunkte sollten der Einfluss des biologischen Geschlechts, einer β-Blocker Vormedikation sowie die Wirkung einer zweiten Applikation be- schrieben werden. Zu diesem Zweck wurde das Design einer prospektiven Observationsstudie im Sinne einer Anwendungsbeobachtung gewählt. 1.5. Fragestellung Haupt-Fragestellung: 1. Wie ist der zeitliche Verlauf des Effektes der Wirkstoffkombination Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®) auf verschiedene hämodynamische Parameter (MAP, SAP, DAP, SVRI, CI, SVI, PR, SVV) nach Bolusapplikation bei Hypotension im Rahmen einer Narkoseeinleitung? Neben-Fragestellungen: 1. Wann sind die 10%igen und die maximalen Veränderungen der hämodynamischen Pa- rameter (MAP, SVRI, CI, SVI, PR, SVV) erreicht? 2. Welche zeitliche Latenz besteht nach der Caf/Theo-Applikation bis zu einem Anstieg des MAP über die klinisch relevante Interventionsgrenze von 65 mmHg? 3. Unterscheiden sich SVRI und CI in Bezug auf die zeitliche Latenz bis zum Erreichen der 10%igen und der maximalen Veränderung? 4. Bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede im Hinblick auf die Änderung der hämo- dynamischen Parameter (MAP, SVRI, CI, SVI, PR)? 5. Besteht ein Einfluss einer vorbestehenden β-Blocker Therapie im Hinblick auf die Ände- rung der hämodynamischen Parameter (MAP, SVRI, CI, SVI, PR)? 17
6. Unterscheidet sich die Wirkung auf die hämodynamischen Parameter (MAP, SVRI, CI, SVI, PR) bei einer erforderlichen Zweitinjektion im Rahmen wiederkehrender Hypotensi- on im Vergleich zur Erstinjektion? 2 Methoden 2.1. Studiendesign Zur Beantwortung der oben aufgeführten Fragestellungen wurde das Design einer prospektiven Observationsstudie gewählt. So konnte die hämodynamische Wirkung unter klinischen Bedin- gungen untersucht und beschrieben werden. Die Ergebnisse können so sehr praxisnah auf die klinischen Alltagssituationen übertragen werden. Im Hinblick auf ähnliche Fragestellungen wur- de in anderen Studien häufig eine retrospektive Auswertung von Narkoseprotokollen genutzt. Im Vergleich zu den retrospektiven und analogen Datenerhebungen war es bei diesem pros- pektiven Design möglich, die Daten kontinuierlich digital und mit hoher Datenqualität aufzu- zeichnen. Außerdem konnten hämodynamische Veränderungen in Folge von Störfaktoren do- kumentiert und von der Auswertung ausgeschlossen werden. Durch die Wahl dieses Designs wurden keine Maßnahmen außerhalb der klinischen Routine an den Patient*innen durchgeführt. Die Durchführung der Studie erfolgte nach Zustimmung durch die medizinische Ethik- Kommission der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Zeichen 2019-022). Die Studie wur- de ins Deutsche Register klinischer Studien aufgenommen (DRKS00017132) und in Überein- stimmung mit der Deklaration von Helsinki durchgeführt. Die Studie wurde in Anlehnung an das STROBE-Statement (Strengthening The Reporting of Observational Studies in Epidemiology), einem Reportingstandard für Observationsstudien, dargestellt (43). 2.2. Studienpopulation Im Rahmen dieser prospektiven Observationsstudie wurden im Jahr 2019 in den Monaten April bis August insgesamt 65 Patient*innen, welche im Rahmen eines operativen Eingriffs eine All- gemeinanästhesie erhielten, untersucht. Es handelte sich hierbei um Patient*innen, die in der Universitätsklinik für Anästhesiologie | Intensivmedizin | Notfallmedizin | Schmerztherapie des Klinikums Oldenburg behandelt wurden. Die Patient*innen wurden anhand des OP-Plans im Krankenhausinformationssystem Medico (Cerner Health Sevices Deutschland) in Bezug auf die Größe und den Zeitpunkt der Operation sowie das geplante Monitoring und den Gesundheits- status gescreent. Im Anschluss an die präoperative anästhesiologische Visite am Vortag der Operation wurden die Patient*innen schriftlich und mündlich über die Studie informiert und das Einverständnis eingeholt. Eine Vergütung erfolgte nicht. 18
Es wurden ausschließlich volljährige Patient*innen der American Society of Anesthesiologists Risk-Klassifikation (ASA) Risikogruppe I–III ausgewählt. Ausgeschlossen wurden lebensbe- drohlich erkrankte Patient*innen (ASA IV-VI) sowie solche mit stark reduzierter linksventrikulä- rer Pumpfunktion (Ejektionsfraktion < 40 %/NYHA ≥ III (New York Heart Association (Klassifika- tion zur Einteilung einer Herzinsuffizienz)). Außerdem ausgeschlossen wurden Patient*innen zu kardio- sowie thoraxchirurgischen Eingriffen, Sectio caesarea oder Patient*innen mit einer un- zureichenden Perfusion der oberen Extremitäten, bei welchen eine Beeinträchtigung der Volu- me-Clamp-Messmethode zu erwarten war. Zudem wurden Patient*innen von der Studie ausge- schlossen, deren Vorerkrankungen eine Kontraindikation für den Einsatz von Caf/Theo darstell- ten (Mitralstenose, Engwinkelglaukom, unbehandelte Hyperthyreose, Phäochromozytom) oder die eine bekannte Unverträglichkeit gegen das Medikament aufwiesen. Die Dauermedikation mit ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptor-Blockern wurde, wie klinisch üblich, am Tag der Operati- on pausiert. Eine vorbestehende β-Blocker Medikation wurde, wie in aktuellen europäischen Leitlinien empfohlen, bis einschließlich des OP-Tags fortgeführt. 2.2.1. Einschlusskriterien • Risikogruppe ASA I-III • Alter > 18 Jahre • Allgemeinanästhesie durch TIVA • Geplantes erweitertes hämodynamisches Monitoring (kontinuierliche hämodynamische Überwachung mittels Volume-Clamp-Technik) 2.2.2. Ausschlusskriterien • Risikogruppe ASA IV-VI • Stark reduzierte linksventrikuläre Pumpfunktion (Ejektionsfraktion < 40 %/NYHA ≥ III) • Herz-/thoraxchirurgischer Eingriff • Sectio caesarea • Unzureichende Perfusion der oberen Extremitäten • In der Fachinformation zu Caf/Theo angegebene Kontraindikationen (Mitralstenose, Engwinkelglaukom, unbehandelte Hyperthyreose, Phäochromozytom) • Bekannte Unverträglichkeit gegen Caf/Theo 2.3. Durchführung der TIVA Die Allgemeinanästhesie wurde als TIVA nach Klinikstandard mit Remifentanil und Propofol durchgeführt. Die Patient*innen erhielten zur Induktion der Anästhesie 0.35 µg/kg/min Remi- fentanil bis zu einer Gesamtdosis von 1 µg/kg und danach zur Aufrechterhaltung der Narkose bedarfsangepasst 0.2-0.25 µg/kg/min. Außerdem erhielten sie Propofol mittels Target Control- 19
led Infusion (TCI) mit einer initialen Plasmazielkonzentration von 4 µg/ml Plasma. Ab einer Effektkompartimentkonzentration von 2µg/ml und zur Aufrechterhaltung der Narkose wurde bedarfsangepasst Propofol mit einer Plasmazielkonzentration circa 2 µg/ml Plasma verabreicht. Bei einer erforderlichen Muskelrelaxation wurde Rocuronium in einer Intubationsdosis von 0,6- 0,9 mg/kg Körpergewicht (KG) verabreicht. Bei der TCI-Applikation wird Propofol mithilfe einer computergestützten Spritzenpumpe automatisiert gemäß der durch den Anwender vorgegebe- nen Zielkonzentration intravenös appliziert. Die Pumpen errechnen nach einem pharmakokine- tischen Modell kontinuierlich die notwendige Dosierung, um die eingestellte Zielkonzentration zu erreichen und zu erhalten. Dafür werden das Alter und das Gewicht der Patient*innen eingege- ben sowie programmierte pharmakokinetische Daten hinsichtlich der empirisch ermittelten Um- verteilung, Ausscheidung und Elimination genutzt. Die Mehrheit der Patient*innen erhielt eine Intubationsnarkose. Die druckkontrollierte maschi- nelle Beatmung der Patient*innen wurde nach Klinikstandard mit 7 ml/kg Predicted Body Weight (PBW; Idealgewicht) Tidalvolumen und einem positiven endexspiratorischen Druck (PEEP; Po- sitive Endexpiratory Pressure) von 5 cmH20 durchgeführt. Das PBW wurde vom Anästhesie- Datenmanagement-System nach folgender Formel berechnet: für Männer: 50 + 0,91 ∙ ( ö öß ( ) − 152,4) für Frauen: 45,5 + 0,91 ∙ ( ö öß ( ) − 152,4) 2.4. Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®) Caf/Theo wird von der Firma ratiopharm GmbH unter dem Namen Akrinor® vertrieben. Die 2 ml Injektionslösung setzt sich in einem Verhältnis von 20:1 aus der Wirkstoffkombination Cafedrin- hydrochlorid (200mg) und Theodrenalinhydrochlorid (10 mg) zusammen. Cafedrinhydrochlorid ist aus Theophyllin und Norephedrin zusammengesetzt, verbunden über eine Xanthinverbin- dung, Theodrenalin besteht aus einem Konjugat aus Theophyllin und Noradrenalin. In der Lö- sung sind außerdem Natriummetabisulfit (max. 0,4 mg), Ethanol 96 %, Glycerol 85 %, Natriu- macetat-Trihydrat und Essigsäure 99%ig sowie Wasser für Injektionszwecke als Hilfsstoffe ent- halten. Zwei ml Caf/Theo wurden nach Empfehlung in der Fachinformation mit NaCl 0,9 % auf 10 ml aufgezogen und intravenös fraktioniert appliziert (29). Zur Pharmakokinetik von Caf/Theo existieren nur wenige Erkenntnisse. Der Hauptbestandteil Cafedrin wird zu dem Hauptmetaboliten Norephedrin verstoffwechselt, die Plasmahalbwertszeit von Cafedrin beträgt eine Stunde. 20
2.4.1. Dosierung Die Caf/Theo-Applikation wurde nach Klinikstandard gewichtsadaptiert dosiert. Die Patient*innen erhielten 0.8-1 mg Cafedrin pro kg KG. Eine 2 ml Ampulle Caf/Theo enthält 200 mg Cafedrin. Diese wurde wie o.a. mit 8 ml NaCl 0,9%ig auf 10 ml aufgezogen, sodass 0,05 ml der Lösung 1 mg Cafedrin entsprach. In der klinisch üblichen Dosierungsanweisung entsprach die Bolusdosis bei 80 kg KG 3,2-4 ml der Verdünnungs-Lösung. 2.4.2. Interventionsgrenze Der gewichtsadaptierte Caf/Theo-Bolus wurde nach Klinikstandard unverzüglich bei einem Ab- fall des MAP < 65 mmHg appliziert. Fiel der Blutdruck im Verlauf erneut oder weiter ab, wurde innerhalb der ersten 10 Minuten nach Applikation ein Wiederholungs-Bolus gemäß Klinikstan- dard nur bei einem MAP-Abfall auf Werte < 55mmHg appliziert, da nach bisherigen Erkenntnis- sen ein Wirkungseintritt von Caf/Theo erst innerhalb dieses Zeitraums zu erwarten ist und eine hypertensive Reaktion durch vorzeitige Applikation eines Zweitbolus vermieden werden soll. Mehr als 10 Minuten nach Bolusgabe galt wieder die Interventionsgrenze von MAP < 65 mmHg. 2.5. Hämodynamisches Monitoring Zum kontinuierlichen nicht-invasiven Monitoring wurde das ClearSight®-System in Kombination mit der EV1000 Clinical Platform der Firma Edwards Lifesciences genutzt. Dies wurde zur nicht- invasiven kontinuierlichen Blutdruck- und Schlagvolumenmessung entwickelt und im weiteren Verlauf kontinuierlich verbessert. Das Monitoring wird insbesondere genutzt, um Patient*innen bei chirurgischen Eingriffen mit moderatem bis hohem Risiko zu überwachen. Es kann dadurch gegebenenfalls eine invasive kontinuierliche Blutdruckmessung mit Kanülierung einer Arterie ersetzt werden. Zur weiteren klinischen Überwachung wurde im Rahmen des Basismonitorings ein 3-Kanal EKG aufgezeichnet. Ferner wurde zusätzlich der Blutdruck diskontinuierlich oszillometrisch (alle 2,5 min) über eine Oberarmmanschette (NIBP; Non-Invasive Blood Pressure) am kontralatera- len Arm gemessen. 2.5.1. Messmethodik Das ClearSight®-System (Modellnummer: UTC-W10BO) besteht aus einer aufblasbaren Man- schette, die am Mittel- oder Zeigefinger um die Mittelphalanx gelegt wird. Diese ist verbunden mit einer Druckkontrolleinheit, welche am Handgelenk befestigt wird, sowie einem Herzniveau- Drucksensor, der auf Herzniveau der Patient*innen angebracht wird. Die Druckkontrolleinheit ist mit einer Pumpeinheit verbunden. Die EV1000 Clinical Platform wird als Bedieneinheit genutzt und ist wiederum mit den Untereinheiten verbunden. Bei der EV1000 Clinical Platform handelt 21
es sich um einen Monitor, an den auch andere Systeme zum hämodynamischen Monitoring der Firma Edwards Lifesciences angeschlossen werden können. Die Technologie des ClearSight®-Systems basiert auf der Volume-Clamp-Methode. Hierbei werden die Fingerarterien mithilfe eines dynamisch geregelten Manschettendrucks auf die Arte- rienwand auf ein konstantes Volumen (unloaded volume) fixiert. Dieses wird durch einen inte- grierten Photoplethysmographen gemessen und dadurch der Manschettendruck mit einer Fre- quenz von 1000 Hz angepasst (44, 45). Die Fingerarterien unter der Manschette pulsieren nun nicht mehr mit der Pulswelle. Der hochfrequent geregelte Manschettendruck ist so zu jedem Zeitpunkt identisch mit dem Blutdruck. Durch das mit dem Photoplethysmographen gemessene Volumen wird die momentane Pulsdruckwelle abgebildet. Das System rekalibriert sich regel- mäßig (PhysioCal Funktion), um Einflussfaktoren wie Vasodilatation und Vasokonstriktion zu kompensieren. Das Gerät transformiert mathematisch die Finger-Pulswelle zu einer brachialen Pulswelle, um eine Vergleichbarkeit mit dem klinischen Standard der nicht-invasiven Blutdruckmessung am Oberarm zu gewährleisten. Diese Transferfunktion ist erforderlich, da die durch den Herzzyklus und die Windkesselfunktion der Aorta erzeugte Druckwelle sich über das Gefäßsystem bis in die Peripherie ausbreitet und sich ihre Form verändert. Der Blutdruck fällt im Verlauf bis in die Peripherie leicht ab, der Widerstand steigt. Die mathematische Transferfunktion ist empirisch auf der Basis einer großen klinischen Datenmenge entwickelt worden (45). Eine korrekte Messung und Darstellung der hämodynamischen Parameter erfolgt standardmä- ßig auf Herzniveau. Bei einer Messung am Finger, der sich nicht immer auf Herzniveau befin- det, ist daher ein Herzniveau-Sensor notwendig, um die hydrostatischen Druckunterschiede bei einem Abweichen des Messortes vom Herzniveau zu kompensieren. 2.5.2. Hämodynamische Grundlagen des Monitorings Der Perfusionsdruck (PP) gleicht prinzipiell dem Produkt aus Fluss (Q) und Widerstand (R). Im großen Kreislauf errechnet sich der systemische Perfusionsdruck aus der Differenz von MAP (mmHg) minus ZVD (mmHg), der SVR (dyn-s/cm5) repräsentiert den Widerstand und das HZV (l/min) den Fluss. Eine Division durch 80 ist zur Angleichung der verschiedenen Dimensionen notwendig. Vereinfacht dargestellt, unter Vernachlässigung des vergleichsweise niedrigen ZVD, ist der MAP somit direkt proportional zum HZV und dem SVR. Dementsprechend ist das HZV umgekehrt proportional zum SVR und direkt proportional zum MAP. Der systemische Perfusi- onsdruck ist essentiell zur Aufrechterhaltung der Organperfusion. Ziel während jeder Anästhe- sie ist es, die Homöostase zu erhalten und die Perfusion der Organe aufrecht zu erhalten. = ∙ 22
∙ − = ≈ ∙ ≈ 80 Der arterielle Blutdruck (mmHg) wird klinisch beschrieben durch den maximalen Blutdruck wäh- rend der Systole, sowie den minimalen während der Diastole. Der MAP berechnet sich als ge- ometrischer Mittelwert der Pulswelle direkt gemessen mittels Pulswellenkonturanalyse. Der systemische periphere Widerstand (SVR) beschreibt den Gesamtwiderstand des arteriellen Körperkreislaufs, der vor allem durch die Arteriolen erzeugt wird. Dieser bestimmt wesentlich die Nachlast und wird durch die Vasomotorik der Arterien verändert. Der SVR wird aus den Pa- rametern MAP, ZVD und HZV errechnet. Da aufgrund des fehlenden zentralen Venenkatheters in der vorliegenden Untersuchung kein aktueller ZVD bei den Patient*innen gemessen werden konnte, wurde für alle Patient*innen auf der Basis von Voruntersuchungen ein geschätzter ZVD von 8 mmHg angenommen. Der systemische periphere Widerstandsindex (dyne-s-m2/cm5) be- schreibt den SVR bezogen auf die Körperoberfläche (BSA; Body Surface Area). Die BSA wird aus dem Gewicht und der Körpergröße errechnet. ( − ) ∙ 80 = Die hämodynamischen Parameter SV und das daraus abgeleitete HZV (HZV = SV * HF) wer- den mittels Pulswellenkonturanalyse berechnet. Hierbei wird das SV aus dem systolischen In- tegral der Blutdruckkurve und der Nachlast berechnet. Die Nachlast wird auf der Basis eines physiologischen Modells geschätzt, das für die Patient*innen spezifisch die Faktoren Alter, Ge- schlecht, Größe und Gewicht berücksichtigt. Auch das SV wird zum interindividuellen Vergleich auf die BSA bezogen und indiziert als Schlagvolumenindex (ml/b/m2) ausgegeben. Der Herzindex (l/min/m2) repräsentiert das Herzminutenvolumen bezogen auf die BSA. Er be- rechnet sich aus dem SV, der PR, der Körpergröße und dem Gewicht. Die EV1000 Clinical Plat- form ermittelt den CI selbstständig mittels der Pulswellenkonturanalyse. Hierbei wird das ge- messene Zeitintegral des SAP und eine durch das Windkesselmodell berechnete Nachlast ge- nutzt (46). = ∙ = 2 Die Pulsfrequenz (b/min) ist definiert als die Anzahl der arteriell detektierten Pulsschläge pro Minute. Sie ist in den meisten Fällen gleich der im EKG durch den QRS-Komplex delektierten Herzfrequenz. Eine Abweichung der PR von der HF erfolgt nur bei hämodynamisch unwirksa- men elektrischen Erregungen. Die PR wird direkt mit der Volume-Clamp-Methode und der Pho- 23
toplethysmographie als Pulswellenanzahl gemessen. Sie dient als Grundlage für die Berech- nung des HZV und des CI und somit auch des SVR. Die Schlagvolumenvariation (%) beschreibt die vom Beatmungszyklus abhängige Variabilität der Blutmenge, die pro Herzschlag aus dem linken Ventrikel in die Aorta ausgeworfen wird. Die SVV ist ein Parameter zur Charakterisierung der Volumenreagibilität und gibt so Aufschluss über die Vorlast und den Volumenstatus. Als Vorlastparameter sinkt die SVV bei zunehmendem enddiastolischem Volumen des linken Ventrikels in Folge einer venösen Vasokonstriktion mit erhöhtem Rückstrom zum Herzen oder einer Volumengabe bei einem Volumendefizit. Das Schlagvolumen kann hierbei aus der Pulswelle errechnet werden. Die Schlagvolumenvariation wird aus der Differenz der maximalen systolischen Fläche der Pulswelle bei Inspiration und der minimalen Fläche bei Exspiration berechnet. Die SVV Messung setzt eine kontinuierliche me- chanische Beatmung mit ausreichendem Tidalvolumen (7-8 ml/kg PBW) voraus und wird durch Herzrhythmusstörungen gestört. 2.5.3. Messzeitpunkte Nach mindestens 5 Minuten in ruhiger Rückenlage auf dem Operationstisch wurden bei den Patient*innen sämtliche Parameter in der pränarkotischen Phase (PIP; Preinduction Period), als Ausgangswert vor der Narkoseeinleitung, gemessen und ab dann kontinuierlich aufgezeichnet. Der Beginn der Narkoseeinleitung, hier definiert durch den Start der Propofol-TCI-Pumpe, sowie der Zeitpunkt der Intubation wurden in der Messung markiert und dokumentiert. Die Daten wur- den kontinuierlich aufgenommen und zur weiteren statistischen Auswertung, über jeweils 20 Sekunden gemittelt, elektronisch gespeichert. Es wurde nach geltendem Klinikstandard vorgegangen. Bei einem Absinken des MAP nach Induktion der Anästhesie unter 65 mmHg wurde Caf/Theo appliziert und die hämodynamischen Parameter für mindestens 30 Minuten nach Applikation aufgenommen. War keine Caf/Theo- Applikation erforderlich, wurde die Messung für denselben Zeitraum nach dem Start des Propo- fol-Perfusors aufgezeichnet. Kam es nach Caf/Theo-Applikation vor dem innerhalb der ersten 10 Minuten erwarteten Wirkeintritt zu einem weiteren Absinken des MAP unter 55 mmHg, wur- de aus Gründen der Patient*innensicherheit wie klinisch üblich eine zweite Dosis Caf/Theo inji- ziert. Im Anschluss an das Wirkungszeitfenster von 10 Minuten wurde erneut Caf/Theo appli- ziert, wenn die Grenze von 65 mmHg wieder unterschritten wurde. Waren wiederholte Applika- tionen erforderlich, wurde die Messung jeweils weitere 30 Minuten ab dem Applikationszeit- punkt fortgeführt. Alle Applikationszeitpunkte wurden im elektronischen Protokoll markiert und der Zeitpunkt dokumentiert. Kam es im Rahmen einer Lagerung oder einer anderen Intervention zu interferierenden hämo- dynamischen Veränderungen, die nicht im Zusammenhang mit der Caf/Theo-Applikation stan- 24
den, so wurden Ursache und Zeitpunkt ebenfalls dokumentiert und ggf. die Messung abgebro- chen. 2.6. Studienprotokoll Spätestens am Tag vor der Operation (OP) wurden die Patient*innen im Hinblick auf die Ein- und Ausschlusskriterien überprüft und über die Studie mündlich sowie schriftlich informiert. Nach Aufklärung und Einwilligung wurden die biometrischen Parameter wie das Geschlecht, die Körpergröße, das Gewicht und das Alter sowie eine kardiovaskulär relevante Vormedikation dokumentiert. Außerdem wurde die Art der OP und die Fachrichtung festgehalten. Am Tag der OP erhielten die Patient*innen bei Abruf in den OP-Trakt zur perioperativen Ba- sisanalgesie 10/5 mg Oxycodon/Naloxon (Targin®) sowie 100 mg Diclofenac (Voltaren®) retard per os, soweit keine Kontraindikationen vorlagen. Nach Ankunft im OP-Trakt wurde das Ba- sismonitoring bestehend aus einer Dreikanal-Elektrokardiographie, einer NIBP-Messung und einem Pulsoximeter sowie das ClearSight®-System in Kombination mit dem EV1000 angelegt. Zudem wurde mindestens eine periphere Venenverweilkanüle angelegt. Es wurden die Patient*innennummer, Alter, Gewicht, Körpergröße, Geschlecht sowie der antizipierte ZDV (8 mmHg) in die EV1000 Clinical Platform eingegeben. Nach mindestens 5 Minuten in ruhiger Rü- ckenlage wurden die hämodynamischen Parameter MAP, SAP, DAP, SVRI, CI, SVI sowie die PR als pränarkotischer Wert dokumentiert. Nach Abschluss der Vorbereitungen wurden die Patient*innen präoxygeniert und es begann die Einleitung der Allgemeinanästhesie. Diese erfolgte mittels TIVA über eine periphere Venenver- weilkanüle. Zur Induktion der Anästhesie erhielten die Patient*innen wie unter 2.3 beschrieben Remifentanil, Propofol als TCI sowie bei Bedarf Rocuronium. Mit Beginn der Narkoseeinleitung fand eine kontinuierliche Messung und 20 sekündliche Doku- mentation der hämodynamischen Paramater MAP, SAP, DAP, SVRI, CI, SVI, PR und SVV über insgesamt 30 Minuten statt. Kam es nach der Induktion der Anästhesie zu einer Hypotension mit einem Abfall des MAPs auf < 65 mmHg wurde Caf/Theo appliziert und der Zeitpunkt exakt dokumentiert. Wie in der Fachinformation beschrieben wurde Caf/Theo mit 8 ml NaCl 0,9%ig auf 10 ml verdünnt. Es wurden gewichtsbezogen 0,008-0,01 ml/kg KG Caf/Theo beziehungs- weise 0,8-1mg/kg KG Cafedrin verabreicht. Die Dokumentation der oben genannten Parameter wurde für 30 Minuten fortgeführt. Im Falle einer erneuten oder anhaltenden Hypotension wurde eine erneute Dosis Caf/Theo in der gleichen Dosierung verabreicht, der Zeitpunkt dokumentiert und die Dokumentation der Parameter für weitere 30 Minuten fortgeführt. Bei Narkoseeinleitung und zum Zeitpunkt der ersten Caf/Theo-Applikation wurde die bisher ver- abreichte Infusionsmenge (Jonosteril Infusionslösung; Fresenius Kabi Deutschland GmbH) do- 25
kumentiert. Das Tidalvolumen wurde wie klinisch üblich auf 7 ml/kg PBW eingestellt. Während der Messung wurde auf etwaige Herzrhythmusstörungen geachtet und diese wurden dokumen- tiert. Die SVV wurde nicht ausgewertet, wenn Rhythmusstörungen auftraten. Zudem wurde dokumentiert, in welchem zeitlichen Abstand zur Caf/Theo-Applikation die Intuba- tion vorgenommen wurde und wie groß der Zeitraum zwischen der Narkoseeinleitung und der Caf/Theo-Applikation war. • Anschluss des Basismonitorings und des ClearSight®-Systems Ankunft im • Dokumentation und Eingabe der biometrischen Parameter in die EV1000 Clinical Platform OP • Dokumentation der Werte in der pränarkotischen Phase nach 5 Minuten ruhigem Liegen PIP • Einleitung der Allgemeinanästhesie als TIVA • Beginn der kontinuierlichen Messung Induktion • Im Verlauf: • MAP < 65mmHg --> Caf/Theo-Applikation (Caf/Theo_1) und Dokumentation der Werte über 30 min MAP • MAP > 65mmHg --> Dokumentation der Werte über 30 min • MAP < 55mmHg --> erneute Caf/Theo-Applikation und Start einer neuen Messung (Caf/Theo_2) (30 min) • MAP > 55mmHg --> weiterhin Dokumentation der Messung < 10 min • MAP < 65mmHg --> erneut Caf/Theo-Applikation und Start einer neuen Messung (30 min) > 10 min • MAP > 65mmHg --> weiterhin Dokumentation der Messung nach Caf/Theo_1 • Beendigung der Messung 30 min nach Narkoseeinleitung bzw 30 min nach der letzten Caf/Theo- Applikation OP Abbildung 2 Studienablauf; PIP (pränarkotische Phase), MAP (mittlerer arterieller Druck), Caf/Theo (Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®), Caf/Theo_1/2 (erste/zweite Caf/Theo-Applikation), OP (Operation) 2.7. Auswertung Durch das Messgerät wurden die kontinuierlich gemessenen Daten in 20 Sekunden Intervallen gemittelt dokumentiert und in Form einer Excel-Tabelle zur weiteren Verarbeitung ausgegeben. Mit einem USB-Speichermedium konnten die Daten von dem Gerät auf einen Computer über- tragen werden. 26
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