KIRCHE IN DER GESELLSCHAFT - gemeinsam neue Wege Engagiert im digitalen Raum - Erzbistum Berlin
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KIRCHE IN DER GESELLSCHAFT 01/2021 gemeinsam neue Wege entdecken Engagiert im Engagiert im Engagiert in der Kirchenasyl digitalen Raum Stadtentwicklung
INHALTSVERZEICHNIS 02 04 08 02 I Vom ersten Spatenstich an Kirche in der (Siemens-)Stadt 04 I Biblisches Engagement Kirchenasyl in Berlin-Neukölln 07 I Schon gewusst? Termine und Hinweise 08 I Das Wichtigste ist Zuhören Kinderarmut: Durch Corona deutlich mehr Beratung 10 I Den Mund aufmachen Kirchliches Engagement gegen Rechtsextremismus 12 I Auf lange Sicht treu Unterstützung und Begleitung von Fundraisingprojekten 14 I Lichterketten und Osterspaziergang Rituale braucht der Mensch 16 I Charlottenburg-Wilmersdorf goes digital Elaine Rudolphi – native digital catholic 18 I Wo zwei oder drei In Leitungsteams wird Verantwortung geteilt und Ehrenamt aufgewertet 20 I Nah am Menschen Ein Standpunkt von Thomas Greiner
12 16 20 Kirche von, in, für Gesellschaft? Die Beziehung zwischen Kirche und Gesellschaft wird die Kindertagesstätte, in die mehrheitlich Kinder von den Katholikinnen und Katholiken im Erzbistum von Familien gehen, die keine Kirchensteuer zahlen? Berlin unterschiedlich gedacht, gefühlt und gelebt. Nimmt die Schule in Trägerschaft des Erzbistums zu- Die einen werden Kirche eher als Kirche in der Gesell- erst die Kinder von katholischen Eltern auf oder eine schaft sehen. Andere sprechen von Kirche und Gesell- Mischung, wie sie den Anteilen der Katholiken in un- schaft, als sei Kirche nicht als Teil, sondern getrennt serer Gesellschaft entspricht? von der Gesellschaft zu denken und zu gestalten. Wieder andere sehen die Kirche eher als einen Kon- Es würde sich lohnen, die pastorale Konstitution trast und ein Gegenüber zur Gesellschaft. des II. Vatikanischen Konzils über „Die Kirche in der Welt von heute“ auf die Wirklichkeit unseres Erz- Diese bewusst oder unbewusst vorgenommenen bistums hin zu lesen. 2.309 Konzilsväter stimmten Setzungen bestimmen Haltungen und Handlungen. damals dafür; 75 dagegen, unter diesen Kardinal Wer die Kirche eher als außerhalb der Gesellschaft Alfred Bengsch. Die Skepsis gegenüber der Gesell- stehend sieht, wird beispielsweise die Kirchensteuer schaft hat historische Gründe. Bei allem berechtigten eher wie einen Vereinsbeitrag werten, der mehr oder Zweifel, dass Kirche von der Gesellschaft gegründet weniger ausschließlich für das innerkirchliche Leben wurde, lebt sie doch in der und für die Gesellschaft. und die Mitglieder der Kirche zu verwenden ist. Wer Communio bedeutet eben auch: allen Menschen ein Bild von einer Kirche in der Gesellschaft und für gönnen, dass Gott in ihnen lebt. die Gesellschaft hat, wird Kirchensteuermittel im- mer zum Wohl der ganzen Gesellschaft einsetzen. Pater Manfred Kollig SSCC Dass diese hier nur holzschnittartig gezeichneten Generalvikar Kirchenbilder sich brisant auswirken, zeigt sich dann, wenn konkrete Fragen anstehen: Verwenden wir die finanziellen Mittel für „den eigenen Kirchturm“ oder Vorwort 01
Kirchenvorstand Stefan Krögers Herz schlägt für die Kirche und für Siemens. Vom ersten Spatenstich an Kirche in der (Siemens-)Stadt Kulturelle Vielfalt und sozialer Frieden sollen herrschen in der Siemensstadt 2.0, so steht’s im Internet. Das Siemens-Gelände liegt zwischen zwei Kirchen: St. Joseph und St. Stephanus. Was könnten Christen, die dort Gottesdienste feiern und ihr Gemeindeleben pflegen, zu diesem Frieden beitragen?, fragt Kirchen- vorstand Stefan Kröger und engagiert sich bei den Planungen zur neuen Siemensstadt von Beginn an mit. Er ist mit Herzblut dabei. Das spürt, wer Stefan Kröger Als Kirchenvorstand der Gemeinde St. Joseph Siemens- zuhört, wenn er über Kirche in der Stadt, in „seiner“ stadt und Mitglied im Verwaltungsausschuss des Pas- Siemensstadt, spricht. Der Leiter des Studiengangs toralen Raums Spandau-Nord/Falkensee wirbt er da- BWL bei der Siemens AG befasst sich ehrenamtlich mit für, den rechten Zeitpunkt nicht zu verschlafen. Vom dem Zukunftsprojekt Siemensstadt 2.0. Und er über- ersten Spatenstich an sollten die Kirchen sich inter- legt, was es für die Kirchen bedeutet, wenn durch den essieren und mitdenken, „also nicht erst aufwachen, Neubau von rund 2.800 Wohneinheiten und den Zu- wenn alles in Sack und Tüten ist wie damals bei der zug von gut 7.000 „Neu-Siemensianern“ das Siemens- Gestaltung des Potsdamer Platzes oder der Hafencity Areal wächst: Damit dieses Stadtquartier ein lebens- Hamburg“. werter Ort wird, „müssen wir Christen uns doch mit unseren Erfahrungen und Ideen einbringen und ja, Auf einem 70 Hektar großen Areal in der Siemensstadt auch mit unserem Glauben“. sollen Arbeiten, Forschen und Wohnen in Einklang ge- bracht werden. Das wollte man schon bei der Grün- 02 Kirche in der (Siemens-)Stadt
dung der Siemensstadt, einer „Stadt in der Stadt“ vor Probleme sensibilisieren und christliche Lösungsan- mehr als einem Jahrhundert: einerseits ein großflächi- sätze einbringen.“ Er denkt an Themen wie Gerech- ger Industriekomplex, andererseits eine nach zeitge- tigkeit, Menschenrechte, Selbstfürsorge, Arbeitsethik, nössischem Verständnis moderne Wohnsiedlung mit Bewahrung der Schöpfung oder künstliche Intelligenz. dreistöckigen Wohnhäusern, begrünten Höfen und locker angelegten Straßen – eine deutliche Absage an Für eine Kirche der Zukunft die Berliner Mietskasernentristesse. Die Siemensstadt 1.0., eine komplette Stadt, wurde innerhalb weniger Jahre errichtet, und das auf uner- „Work-Life-Balance“ heißt das ausgewogene Verhält- schlossenem Terrain. Das Projekt Siemensstadt 2.0 ist nis zwischen beruflichen Anforderungen und privaten auf zehn Jahre angelegt. Da braucht es langen Atem Bedürfnissen heute. In der Siemensstadt 2.0 werden und kundige Mit-Denkerinnen und Mit-Denker, damit neue Produktions- und Forschungseinrichtungen, Visionen Wirklichkeit werden. Büro- und Gewerbeflächen – zum Beispiel für Start- Ups und Softwareentwickler – entstehen. Parallel Stefan Kröger hat neben dem Erzbistum, der Caritas dazu sind Kitas, eine Grundschule, Einkaufsmöglich- und der Ökumene auch die Katholische Hochschule keiten, Spiel- und Sportplätze, eine öffentliche Biblio- für Sozialwesen Berlin ins Boot geholt. Am dortigen thek, Hotels, Restaurants und Grünanlagen geplant. Institut für Religionspädagogik und Pastoral werden Konzepte entwickelt, wie die Präsenz der Kirchen am Christliche Impulse im neuen Kiez neuen Standort aussehen könnte, was sich Neu- wie Stefan Kröger stellt die Frage: „Was haben die Neu- Altbürger von den Christen wünschen und wie der kul- Siemensstädter davon, dass im Norden Spandaus und turelle und soziale Frieden gefördert werden kann. in Falkensee Christen leben?“ Er ist überzeugt: Ein friedliches Miteinander wird möglich, „wenn wir auf- Am Projekt Siemensstadt 2.0 seien nicht nur die Gre- einander zugehen, miteinander reden, uns kennen- mien der Gemeinde St. Joseph interessiert, betont Ste- lernen“. Und der Betriebswirt hat eine Vision – ein Be- fan Kröger: „Alle Gemeinden des Pastoralen Raumes gegnungszentrum. Möglichst in der Mitte des neuen Spandau-Nord/Falkensee signalisieren Bereitschaft, Standorts, etwa in der Nähe des Schaltwerk-Hochhau- sich ihren Möglichkeiten entsprechend einzubringen.“ ses. Ein Raum für alle, für Familien und Singles, Mitar- Das habe auch mit der Hoffnung zu tun, so ein Begeg- beitende und Studierende, für Kinder wie für Senioren. nungszentrum könne wie ein Leuchtturm in den ge- In einem offenen Begegnungszentrum können Nach- samten Pastoralen Raum ausstrahlen, neuen Schwung barn sich treffen, miteinander reden, praktische Tipps bringen, um Kirche für die Zukunft fit zu machen. austauschen, Feste feiern, Kultur erleben. Und viel- leicht „selber Spaß finden am Mitgestalten des Kiezes, Der Pfarrer von St. Joseph, Dr. Hans Hausenbiegl, ver- damit es schön wird“, das würde Stefan Kröger freuen. weist in diesem Zusammenhang auf die Enzyklika „Fratelli tutti“ von Papst Franziskus über „Geschwis- Als Träger einer solchen Begegnungsstätte sieht er ne- terlichkeit und soziale Freundschaft“ (2020). Darin for- ben den Kirchen die Wohlfahrtsverbände mit ihren Be- dert der Papst die Christen auf, dorthin zu gehen, wo ratungsangeboten. „Vielleicht könnte sogar eine kleine sie ihre Geschwister treffen – die am Rande wie die in Kita integriert werden.“ „Unbedingt“ gehört für ihn der Mitte der Gesellschaft. ein Raum der Stille, der Kontemplation dazu, „in dem Menschen in der ‚Rushhour des Lebens‘ einmal runter- „Ist doch möglich, dass eine Schwester, ein Bruder schalten dürfen, ihre psychische Widerstandsfähigkeit durch das Handeln und Reden von Christen irgend- stärken und den inneren Akku aufladen können“. wann neugierig wird auf Gott und der Glaube Raum gewinnt“, hofft Stefan Kröger. „Ja, ich habe ein Herz für Neben ihrer hohen Sozialkompetenz sollten die Kir- die Kirche und eins für Siemens“, sagt er und lacht. chen auch Partner im gesellschaftlichen Diskurs sein, wünscht Stefan Kröger sich: „Wir könnten für ethische Juliane Bittner Kirche in der (Siemens-)Stadt 03
Karim gibt gern etwas zurück und teilt Essen an Obdachlose aus. Biblisches Engagement Kirchenasyl in Berlin-Neukölln Die Pfarrei Heilige Drei Könige in Berlin-Neukölln engagiert sich im Kirchenasyl. Dafür erhielt das „Forum Asyl“ der Pfarrei in diesem Jahr den Dreikönigspreis des Diözesanrats der Katholiken. Doch was ist eigentlich Kirchenasyl? Karim, 21 Jahre alt, lächelt etwas verlegen und sagt: hörden ihn nach Afghanistan zurückschicken. Karim „Ich wohne in der Kirche in der Nansenstraße bei Lissy schlug sich nach Deutschland durch und fand Asyl in und Kalle, und ich habe eine nette Familie in der Kirche den Räumen von St. Christophorus am Reuterplatz. gefunden.“ Mit Kalle ist Pallottinerpater Karl Hermann Hier ist er geschützt. Lenz, langjähriger Priester in der Gemeinde St. Chris- tophorus und jetzt in der Pfarrei Heilige Drei Könige Lissy Eichert vom „Forum Asyl“ skizziert die Ursprünge gemeint; mit Lissy die Pastoralreferentin der Pfarrei, des Kirchenasyls: „Wenn jemand verfolgt war und sich Lissy Eichert. Auch sie gehört der Pallottinischen Ge- an einen heiligen Ort retten konnte, hielt das erst ein- meinschaft an. mal die Verfolger ab. Und so konnte geklärt werden, worum es geht und was zu tun ist. In dieser Tradition Karim stammt aus Afghanistan. Mit 14 ist er aus sei- gilt eine Kirche als heiliger Raum, als Schutzort für Ge- nem Heimatland geflüchtet, landete nach anderthalb flüchtete – bis heute.“ Jahren Flucht mit all ihren Schrecken zunächst in Finn- land. Als unbegleiteter Jugendlicher kam er dort in ein Kirchenasyl ist jedoch kein Ersatz für das staatliche Kinderheim. Als er 18 war, wollten die finnischen Be- Asylverfahren, denn die Kirche kann weder einen Auf- 04 Kirchenasyl
Eine Anerkennung dieser Gründe durch das BAMF sei schwierig, weiß Lissy Eichert vom „Forum Asyl“: „Die aktuelle politische Situation sieht so aus, dass die allermeisten Härtefalldossiers abgelehnt wer- den und deswegen die Kirche entscheiden muss: Entlassen wir die Person jetzt aus dem Kirchenasyl oder behalten wir sie solange bei uns, bis die Rück- überstellungsfrist abgelaufen ist. Das heißt: Die Kir- che muss jetzt tapfer sein und sagen: Wir machen’s trotzdem.“ Wird das Kirchenasyl nach den sechs Monaten nicht beendet, verlängert es sich um weitere 12 Monate. Im Höchstfall verbringt ein Schutzsuchender also bis zu 18 Monaten im Kirchenasyl. „18 Monate lang sollte enthaltstitel verleihen noch jemandem zum Asyl in Karim sich nach Möglichkeit nur auf dem Gelände von Deutschland verhelfen. Vielmehr gehe es darum, eine St. Christophorus aufhalten, also nicht alleine zum bereits getroffene Entscheidung über eine Abschie- Arzt gehen oder zum Einkaufen oder mal joggen – er bung nochmal zu überdenken. Dafür werde mit dem darf nichts, nicht mal hier sein. Das ist Lockdown pur, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ver- ein Skandal, gegen den die Kirchenasylbewegung in handelt, „um zu klären, welche humanitären Gründe ganz Deutschland protestiert.“ einer Abschiebungsentscheidung entgegenstehen könnten“, so Michael Haas-Busch vom „Forum Asyl“. Wichtig sei es, in den Monaten der Ausgangssper- re Deutsch zu lernen, sagt Lissy Eichert. Aber ebenso Letzte Chance im Einzelfall wichtig ist die psychotherapeutische Begleitung, „um In vielen Fällen ist nicht die Abschiebung in das Hei- die Fluchtgeschichte professionell zu bearbeiten, zu matland gemeint, sondern zunächst in das europäi- sehen, was Karim den ganzen Tag macht, wie er sich sche Land, in dem die geflüchtete Person zuerst einen fühlt in seinem zwar geschützten aber stark einge- Asylantrag gestellt hat. Teil des sogenannten Dublin- grenzten Raum“. Verfahrens ist es, die Person in dieses Ersteintrittsland zurückzuführen. Humanitäre Gründe, die gegen eine An der Seite der Ungehörten Rückführung sprechen, sind beispielsweise Obdachlo- Viele Schutzsuchende fragen nach Kirchenasyl. Des- sigkeit, Perspektivlosigkeit, Armut, wenn in dem Land halb wünschen sich die Mitglieder vom „Forum Asyl“, Zwangsprostitution, Menschenhandel oder in den dass sich noch mehr Gemeinden dazu bereit erklären. Unterkünften für Geflüchtete menschenunwürdige Oder mehrere Gemeinden sich zusammentun, um Bedingungen herrschen. eine Person oder eine Familie im Kirchenasyl zu unter- stützen. „Eine Gemeinde muss sich nicht alleine um Ist die Abschiebung angeordnet, beginnt eine sechs- alles kümmern“, betont Michael Haas-Busch, „und sie monatige Frist, in der die Person in dieses Ersteintritts- steht auch nicht alleine da. Im Erzbistum Berlin wur- land zurückgeführt werden muss. Verstreicht diese de ein Flüchtlingsfonds eingerichtet; die Kooperation Frist, wird die Bundesrepublik Deutschland zuständig. mit Erzbistum, Caritasverband und Katholischem Büro Um die drohende Abschiebung zu verhindern, wird funktioniert gut.“ nun vom „Forum Asyl“ gemeinsam mit dem Katholi- schen Büro Berlin-Brandenburg ein „Härtefalldossier“ Erzbischof Dr. Heiner Koch unterstützt das Engage- erstellt, in dem Gründe für den humanitären Einzelfall ment von „Forum Asyl“ sowie aller Gemeinden, die dargelegt sind. ihre Räume für das Kirchenasyl öffnen: „Als Kirche haben wir den Auftrag, für den Schutz von Verfolgten Kirchenasyl 05
und Bedrängten zu sorgen. In besonderer Weise gilt dies für Personen, die von Menschenrechtsverletzun- gen bedroht sind oder verfolgt werden. Es ist ein Zeug- nis unseres Glaubens, an der Seite derer zu stehen, die keine Stimme haben.“ „Sehr stolz“ sei er auf das Engagement, mit dem viele Gemeinden im Erzbistum sowie Einzelne Geflüchtete unterstützen. Kerollous Shenouda bei der Ausgabe von Ich lade alle unsere Lebensmittelgutscheinen. Pfarreien ein zu prüfen, ob auch sie sich durch Gewäh- An den Brennpunkten rung von Kirchenasyl oder durch andere Unterstüt- menschlicher Not zung Geflüchteter für eine Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) ist dafür be- kannt, an Brennpunkten menschlicher Not ganz Umsetzung des Evangeliums konkret aus dem Glauben zu leben und zu handeln. einsetzen können. Hilfesuchende können Angebote wie Rechtsbera- tung oder die Betreuung in der Härtefallberatung in Erzbischof Dr. Heiner Koch Anspruch nehmen. Auch in der Covid-19-Krise ist der JRS eine Anlaufstelle für vielfältige Anliegen. Kirchenasyl ist und bleibt – ganz jesuanisch – ein Stein Die Corona-Pandemie stellt viele, gerade ärmere, des Anstoßes, bestätigt Lissy Eichert: „Doch selbst Menschen vor große Herausforderungen. Wenn sie Hardliner, die skeptisch sind, ob wir hier Recht bre- ihre Arbeitsstelle verlieren oder durch Kurzarbeit ih- chen, sagen uns: Grundsätzlich sind wir ja nicht für ren Lebensunterhalt kaum noch bestreiten können, Kirchenasyl, aber für diesen konkreten Fall müssen sind sie auf Hilfe angewiesen. wir mal eine Ausnahme machen. Und das ist doch ein „Als Ausländer habe ich viel in dieser Gesellschaft Gewinn: zu sehen, wir haben ein gute Rechtsordnung, gelernt. Wenn ich etwas brauchte, fand ich immer und trotzdem sind Recht und Gerechtigkeit nicht im- Unterstützung. Daher ist jetzt für mich die Zeit, um mer das Gleiche. Es gibt Situationen, da fallen Men- anderen zu helfen“, sagt Kerollous Shenouda, der schen durchs Raster.“ Initiator der Aktion „JRS hilft”. Karim, der in Finnland auf der Straße leben musste, Er und sein Team kennen schwierige Situationen und möchten mit ihrem ehrenamtlichen Engagement ist dankbar für die Fürsorge, die er erlebt hat, und gibt beim JRS danke sagen für die Aufnahme hier in in gern etwas zurück: „Ich teile Essen für Obdachlose Deutschland und die Unterstützung, die sie erhiel- aus, in der Kirche St. Richard und am Bahnhof Zoo. Ich ten. Im April des letzten Jahres begannen sie mit der mag Leuten helfen und fühle mich sehr gut.“ Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen für beson- ders Bedürftige. Dank der Hilfe des Flüchtlingsfonds Juliane Bittner des Erzbistums Berlin und vielen privaten Spenden konnte das Team bisher für mehr als 115 Familien und 50 Einzelpersonen ein Lichtstrahl in der Not sein. Einzelne Personen unterstützen sie mit Lebensmittel- Jana Gieth von pallotti media® hat Gutscheinen im Wert von 40 € monatlich, Familien bis einen Film zum Thema produziert. zu 120 € monatlich. Helfen auch Sie mit Ihrer Spende! Er ist zu sehen unter: www.erzbistumberlin.de/fluechtlinge Jesuiten-Flüchtlingsdienst „JRS hilft“ IBAN: DE05 3706 0193 6000 4010 20 BIC: GENODED1PAX 06 Kirchenasyl
Schon gewusst? Kita-Zweckverband Mein T_Raum TEO goes digital Die rund 70 katholischen Kitas im Damit Träume wahr werden kön- Erlebnispädagogik digital – kann Erzbistum Berlin sind wichtige und nen, brauchen junge Menschen das funktionieren? Die aktuelle lebendige Orte kirchlichen Lebens. einen Raum, in dem sie sich mit Situation mit geschlossenen Schu- Ein großer Teil der neuen Pfarreien sich selbst auseinandersetzen, die len, dem Verbot von Klassenfahr- wird für bis zu fünf Kitas zustän- Zukunft in den Blick nehmen und ten und beschränkten Gruppengrö- dig sein. Das fordert Haupt- und sich für die nächsten Schritte Ori- ßen macht eine neue Form von TEO Ehrenamtliche zeitlich und fachlich entierung holen können. Solch ein möglich: digital. Anleitung erfolgt heraus, vor allem auch wegen der Umfeld soll das christliche Orien- über den Bildschirm, Durchfüh- stark gewachsenen Anforderungen tierungsjahr „T_Raum“ bieten: Ein rung in der Schule oder zu Hause. an Kita-Träger. Der Aufbau eines ka- Jahr Freiwilligendienst im Christi- Je nach Methode/Zielsetzung/Ziel- tholischen Kita-Zweckverbandes im an-Schreiber-Haus in Alt-Buch- gruppe. Erzbistum Berlin soll die Pfarreien horst wird mit Auslandserfahrun- von Trägeraufgaben entlasten und gen und spirituellen Angeboten Alles eine Frage der Absprache: sicherstellen, dass die pastorale Ein- angereichert. www.teoberlin.de bindung in den Sozialraum der Pfar- ine rei gestärkt wird. Angestrebt wird, im Start für das Orientierungsjahr ist Term Jahr 2023 erste katholische Kitas in der 01.09.2021. Bewerben können den Zweckverband zu übernehmen. sich junge Menschen zwischen 18 Kirchengemeinden mit Kitas in ihrer und 27 Jahren, die für 12 Monate Trägerschaft werden über das wei- – als Bundesfreiwilligendienst – stalten tere Vorgehen konkret informiert ihren persönlichen T_Raum leben Gemeinsam ge en und beim Aufbau eingebunden. möchten, bis zum 15.05.2021. und entscheid 21, 10 bis 17 Uhr Samstag, 17. April 20 Ansprechbar für die „Steuerungs- Seinen Traum ausleben unter: gstag für kirchliche Digitaler Qualifizierun gruppe Kita“ ist Markus Weber: www.mein-t-raum.de bistum Berlin Gremienarbeit im Erz projekte-und- Anmeldung unter: prozesse@erzbistumberlin.de rlin.de/qualifizierung www.dieoezesanrat-be Shalom – Shalom – Jüdische Filmtage Jüdischer Imbiss 23. bis 29. August 2021, jew 23. bis 29. August 2021, 17 und 20 Uhr eils 12 bis 20 Uhr Bürgergarten Stralsund, Bürgergarten Stralsund, Knieperdamm 80b, 18435 Stra Knieperdamm 80b, 18435 Stralsund lsund Gezeigt werden Filme über Koscheres Essen für jedermann . gegenwärtiges jüdisches Leben. Projekt BDKJ Berlin Der Eintritt ist frei. Projekt BDKJ Berlin Termine 07
Das Wichtigste ist Zuhören Kinderarmut: Durch Corona deutlich mehr Beratung Martina Nowak arbeitet im Caritas-Beratungszentrum in Berlin-Lichtenberg. Sie berät in der Allgemeinen Sozialen Beratung seit acht Jahren Familien, die von Armut betroffen sind. Aber wie geht es diesen Eltern und Kindern in der Corona-Pandemie eigentlich? F rau Nowak, Sie arbeiten seit 2012 mit Wie viele Familien beraten Sie zurzeit Familien. Sicher haben Sie seitdem auch mit und woher kommen sie? dem Thema Kinderarmut zu tun? Pro Monat habe ich etwa 90 sogenannte „Klientenkon- Ja. Hier in Lichtenberg war seit Beginn meiner Tätig- takte“. Dabei wird aber nicht unterschieden zwischen keit das Thema alleinerziehende Familien ein Schwer- Personen, die zum ersten Mal kommen und denjeni- punkt. Damit ist nicht gemeint, dass Alleinerziehende gen, die mehrfach die Beratung nutzen. Die meisten und ihre Kinder per se arm sind. Aber es besteht ein Familien, die ich berate, kommen aus Lichtenberg oder hohes Risiko, dass diese Kinder Armut erleben, wenn dem Ortsteil Hohenschönhausen. Auch aus Friedrichs- hinzukommt, dass die Eltern arbeitslos sind oder le- hain und Treptow finden einige Menschen in unsere diglich über ein kleines Einkommen verfügen. Damit Beratungsstelle. Insbesondere in Hohenschönhausen hängt oft zusammen, dass die Wohnlage schlecht, die leben viele Familien, die auf das Jobcenter angewiesen Wohnung zu klein ist, dass Freizeitgestaltungsmög- sind. Darunter gibt es viele geflüchtete oder zugewan- lichkeiten nicht finanzierbar sind oder Bildung nicht derte Menschen. Auch die Zahl der Alleinerziehenden bezahlt werden kann. ist in den Hohenschönhausener Hochhaussiedlungen verhältnismäßig hoch. 08 Kinderarmut
Kommen mehr Familien zu Ihnen, seit die wiederum fühlt sich mit der Beschaffung der not- Corona-Pandemie ausgebrochen ist? wendigen Leihgeräte überfordert bzw. ist zu schlecht Ja, durch den ersten Corona-Lockdown sind deutlich mit Technik ausgestattet. Das Dilemma im Land Ber- mehr Familien zu mir in die Beratung gekommen. So lin liegt in der Hauptsache darin, dass die Jobcenter etwa ab Juli 2020 hat sich die Lebenssituation von vie- auf die Lernmittelfreiheit des Berliner Schulsystems len verschlechtert. Es entstehen oftmals ganze „Pro- verweisen, die Schulverwaltung jedoch die Schüler blem-Pakete“ aus Mietschulden, Schulden aus der nicht mit den nötigen Geräten ausstattet. Ich habe Anschaffung eines PCs für Schulkinder oder dadurch, Beihilfen für notwendige Schul-PCs ausschließlich dass der Kindesvater keinen Unterhalt mehr beisteu- über Stiftungsgelder organisieren können – entwe- ert. Das heißt, die Probleme sind durch Corona viel- der über den Nothilfe-Fonds der Caritas Gemein- schichtiger geworden. schaftsstiftung, über das Bonifatiuswerk oder andere Privat-Stiftungen. Wie erleben Sie die Familien, die von Armut betroffen sind, in den letzten Monaten? Inwiefern helfen Sie den Familien Während des ersten Lockdowns habe ich über eine auch auf mentaler Ebene? Kirchengemeinde kurzfristig eine kleine Spenden- Das Wichtigste in meiner Beratung ist es erst einmal, aktion gestartet für von Armut betroffene Familien. zuzuhören. Das schätzen die Familien – auch die Tat- Bei der Auszahlung der Spendengelder habe ich eine sache, dass ich während der Lockdowns weiterhin sehr große Erleichterung erlebt. Die Familien konn- persönlich für sie ansprechbar war. Ich spreche Über- ten dadurch zum Beispiel PCs für das Homeschooling forderung und Erschöpfung bei meinen Gesprächen anschaffen oder ihren Kindern einfach mal ein neues ganz offen an. Wenn ich spüre, eine Depression oder Spielzeug kaufen. Jetzt erlebe ich die Leute müde von eine Angsterkrankung könnte bei jemandem eine Rol- der Belastung und sie fühlen sich sehr hilflos, weil es le spielen, thematisiere ich das. Ich biete ein Gespräch so lange dauert und weil es schwierig ist, Kontakte zu darüber an, wenn die Menschen es möchten. den Ämtern zu halten. Ich helfe dabei, den Kontakt zwischen den Familien und den Behörden aufrechtzu- Was müsste sich für von Armut erhalten. Einige Eltern entwickeln Ängste, ihre Kinder betroffene Familien ändern? weiter in die Schule zu schicken. Sie machen sich gro- Glücklicherweise wird es in der Öffentlichkeit aktuell ße Sorgen um die Gesundheit der Kinder und der Fa- weitestgehend so wahrgenommen, wie es ist: Corona milie. Diese Ängstlichkeit und Unsicherheit überträgt trifft die Schwächsten der Gesellschaft am stärksten. sich merklich auf die Kinder. Sie sind verunsichert, lei- Behörden und Einrichtungen entwickeln Ideen, wie den unter Kopfschmerzen oder Bauchweh, ziehen sich Familien, die von Armut bedroht sind oder in Armut le- zurück oder oder zeigen vermehrt Gereiztheit und Ag- ben, besser erreicht werden können. Behördensprache gressionen. Gerade die Kinder haben viel auf einmal zum Beispiel macht vielen Menschen Angst, weil sie zu bewältigen: Die Ängstlichkeit der Eltern, die be- schwer zu verstehen ist. Die Behörden müssen einen engten Wohnverhältnisse, die Schwierigkeiten in der viel einfacheren Kontakt möglich machen. Es braucht Schule, eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten. mehr wohlwollende Erklärung und Beratung. Woran fehlt es in den Familien und Das Gespräch führte Christina Kölpin bei den Kindern am meisten? Momentan fehlt es den Familien mit schulpflichti- gen Kindern vor allem an technischer Ausrüstung. Martina Nowak, Diplom Leider haben alle Jobcenter die Anträge auf einen Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin Zuschuss für einen Schul-PC abgelehnt, die ich zu- Allgemeine Soziale Beratung sammen mit den Familien gestellt hatte. Auch ein Caritas-Beratungszentrum Widerspruch wurde abgelehnt. Die Jobcenter verwei- Tel. 030 666 34 05-00/-11 sen darauf, dass die Schule zuständig sei. Die Schule asb-fennpfuhl@caritas-berlin.de Kinderarmut 09
Ulrich Höckner vertritt seine Pfarrei im Diözesanrat und leitet die AG „Gegen Rechtsextremismus“. Den Mund aufmachen! Kirchliches Engagement gegen Rechtsextremismus in Brandenburg und Vorpommern „Der Widerstand gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus ist für uns Pflicht und Auftrag“ heißt es in einem Grundlagenbeschluss der Vollversammlung des Diözesanrats vom September 2020. Als Christinnen und Christen müsse die Würde jedes einzelnen Menschen im Zentrum des Denkens und Handelns stehen. Dafür machen sich auch Ulrich Höckner und Sabine Arend stark. Ulrich Höckner engagiert sich seit vielen Jahren Einheimischen und Geflüchteten, um Ängste und Vor- gegen rechtsextreme Strukturen. Er lebt in einem urteile abzubauen, denn Gott kennt keine Ausländer.“ kleinen Dorf in der Nähe von Anklam in Vor- Höckner vertritt seine Pfarrei im Diözesanrat und leitet pommern und leitet hauptberuflich ein Caritas- dort die AG „Gegen Rechtsextremismus“. Er kritisiert, Regionalzentrum: „Das Problem Rechtsextremismus dass in den letzten Jahren immer häufiger herabwür- ist nicht nur die Sache von Polizei oder Verfassungs- digende Sprüche, Beleidigungen in den Parlamenten schutz und lässt sich nicht durch Debatten in den Par- und in der klassischen Mittelschicht geäußert werden: lamenten lösen, sondern wir selbst, als Kirche, müssen „Ich möchte, dass die Menschen in meiner Heimat uns engagieren. Daher sind wir vor Ort in die politisch- wissen, dass wir als Kirche aus christlicher Überzeu- sozialen Netzwerke der Region gegen Rechtsextremis- gung an der Seite der Schwachen und Ausgegrenzten mus eingebunden und versuchen auch immer wieder, stehen, dass die Würde eines jeden Menschen zu ach- mit einzelnen Demokratie-Projekten Zeichen zu set- ten und zu schützen ist. Anderen Menschen zu helfen zen. Wir schaffen z. B. Begegnungsmöglichkeiten von ist doch der Kern unserer christlichen Botschaft.“ 10 Gegen Rechtsextremismus
Gemeinden im Erzbistum Berlin vor. Am Weltflücht- lingstag, dem 20. Juni 2021, bietet die AG an, vor Ort Sonntagsgottesdienste mitzugestalten. Zum einen ist sie dabei, eine Predigtvorlage zu erarbeiten und zur Ver- fügung zu stellen. Zum anderen können Gemeinden gleich den Prediger und ein anschließendes Gespräch „buchen“. Immer angepasst an die gelebte Praxis vor Sabine Arend arbeitet in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Ort. Für Arend sind solche Formate der richtige Weg: „Das christliche Menschenbild ist wichtiger Kompass Gut vernetzte katholische Gemeinden können in ihren und Leitfaden für unser konkretes Denken und Han- Dörfern, Städten und Kiezen zu Ansprechpartnern für an- deln. Es kann uns immer wieder stärken auf unserem dere zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure wer- Weg, uns für ein tolerantes und respektvolles Mitein- den. Die Bündnisarbeit hat gerade im ländlichen Raum ander in unserer Gesellschaft einzusetzen. Machen Sie eine große Bedeutung, um entsprechende Mitstreiterin- in Ihren Gemeinden Ihre Pfarrer auf das Angebot auf- nen und Mitstreiter zu finden und zu stärken. Einerseits merksam, organisieren Sie Predigtgespräche nach dem müsse man sich über das Vorgehen und die Taktiken Gottesdienst. Kommen Sie miteinander ins Gespräch, von Rechtsextremen gut informieren, andererseits dürfe kommen Sie mit uns ins Gespräch. Laden Sie uns ein!“ man darüber nicht den Mut und die Zuversicht verlieren. „Es geht auch darum, bei menschenfeindlichen und ras- Marcel Hoyer sistischen Äußerungen im Alltag den Mund aufzuma- chen und zu widersprechen“, findet Höckner. Informiert und engagiert Strahlkraft von Glaubenszeugen gegen Rechtsextremismus Im Pastoralkonzept des Pastoralen Raums Fürsten- berg-Neuruppin wird das ehemalige Konzentrations- In der AG „Gegen Rechtsextremismus“ des lager Ravensbrück nicht nur als ein Ort schlimmster Diözesanrats erlebt man eine spannende Mi- Verbrechen, sondern auch als ein Ort besonderer schung aus persönlichem Engagement und christlicher Glaubenszeugnisse erwähnt. Aber kann fachlicher Expertise. Mitglieder der Vollver- das heutige Engagement gegen Rechtsextremismus sammlung des Diözesanrats, Mitarbeitende hier ein historisches Fundament finden? Dr. Sabine aus dem Erzbischöflichen Ordinariat und aus Arend vertritt den Pastoralen Raum im Diözesanrat der Caritas arbeiten genauso mit wie externe und leitet im Hauptberuf die museologische Samm- Kooperationspartnerinnen und -partner. Ziel lung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Sie der AG-Mitglieder ist es, für die Gefahren des sagt: „Erinnern und Gedenken können dazu anregen, Rechtsextremismus auf unterschiedlichen Ebe- über menschenverachtende Ideologien und Praktiken nen zu sensibilisieren und mögliche Gegenstra- wie Antisemitismus oder Rassismus in der Gegen- tegien zu entwickeln. Regelmäßig konzipiert wart nachzudenken.“ Menschen wie die Ordensobere und berät die AG Vorlagen für die Vollversamm- Sr. Marie Elisabeth von der Heiligen Eucharistie (Élise lung des Diözesanrats oder plant konkrete Pro- Rivet), die jüdischen Kindern und Verfolgten in der NS- jekte wie Predigtreihen, Demo-Teilnahmen und Zeit in den Klöstern ihrer Gemeinschaft Schutz bot, Fortbildungsveranstaltungen. Dabei steht die können als Glaubenszeuginnen in Wort und Tat bis Rückbindung an die Pfarreien, Gemeinden und in die Gegenwart ausstrahlen. Zentraler Bezugspunkt katholischen Verbände im Fokus der AG. seien die universellen Menschenrechte. Interessierte für eine Mitarbeit in der AG Die AG „Gegen Rechtsextremismus“ des Diözesanrats „Gegen Rechtsextremismus“ können bereitet gerade unter dem Titel „Klar Position bezie- sich gern melden hen für Menschenrechte“ ein neues Angebot für die dioezesanrat@erzbistumberlin.de Gegen Rechtsextremismus 11
Auf lange Sicht treu Unterstützung und Begleitung von Fundraisingprojekten Das Fundraising wird im Erzbistum Berlin fest in der Struktur verankert. Davon profitieren zuallererst die Pfarreien und Gemeinden, denn Uta Bolze unterstützt sie tatkräftig bei ihren Vorhaben, wenn es darum geht, Menschen für ein gutes Projekt zu begeistern. Wenn die kleinste katholische Gemeinde im Erzbistum gen, und ab Mai dieses Jahres ist das Fundraising fest Berlin die Idee zur Errichtung eines neuen Gemeinde- in der Struktur des Erzbischöflichen Ordinariats veran- und Begegnungszentrums hat, dann ist auch Uta Bol- kert. Aber dreht sich denn eigentlich alles immer nur ze zur Stelle, um das Projekt zu unterstützen und zu ums Geld? Die Mutter zweier Kinder lacht: „Zum The- begleiten. Denn hier geht es nicht nur um Steine und ma Fundraising hat jeder eigene Bilder im Kopf. Und Beton, sondern vor allem auch darum, wie dieses neue natürlich hat das immer irgendwie mit Geld zu tun – Haus mit Leben gefüllt werden kann, welche Impulse in etwas anderes zu behaupten wäre Quatsch. Aber die Gesellschaft getragen werden. Und damit das Erfolg Fundraising bedeutet für mich sehr viel mehr.“ Es hat hat, müssen Kontakte geknüpft, Fürsprecher gefunden für sie keinen Selbstzweck, und Kirche habe einen be- und Fördermittel beantragt werden. Um das Ganze auf sonderen Auftrag, nämlich Beziehungen herzustellen professionelle Beine zu stellen, startete Müncheberg im und in der Zivilgesellschaft zu wirken. April 2017 als eines von fünf Modellprojekten im Bereich Fundraising, und Uta Bolze begleitet die Fundraising- Am besten im Team Entwicklung im Erzbistum Berlin seither mit. Im Fund- Welche Projekte benötigen Unterstützung, wie kommu- raising ist die Betriebswirtin schon lange unterwegs, niziert man diese Projekte, was sind die Zielgruppen? – zunächst ehrenamtlich im Förderverein eines Hospizes, das sind ihrer Ansicht nach die grundsätzlichen Fragen, später im Deutschen Hospiz- und Palliativverband, für die gestellt werden müssen. Der nächste Schritt ist dann den sie die Gründung einer Stiftung zur Unterstützung die Überlegung, was genau gebraucht wird: Zeit, Geld, schwerkranker und sterbender Menschen und ihrer An- Kontakte? Im kirchlichen Bereich steht die Fundraiserin gehörigen in Deutschland initiierte. Die neue Stelle zur vor einer besonderen Herausforderung: Sie muss auch Begleitung der fünf Modellprojekte war ihr wie auf den dem Argument begegnen, dass es für kirchliche Projekte Leib geschneidert. Inzwischen sind vier Jahre vergan- doch eigentlich die Kirchensteuer gäbe. „Aber unabhän- 12 Fundraising
gig von der finanziellen Unterstützung eines Projektes hat Fundraising auch immer etwas damit zu tun, Men- schen für ein Projekt zu begeistern, und das kann man über Kirchensteuermittel gar nicht steuern“, gibt sie zu bedenken. Zu ihren Aufgaben gehört es, Gemeinden, Pfarreien, Orte kirchlichen Lebens zu unterstützen, die Projek- te planen, bei denen klar ist, dass die Kirchensteuer- Projekte teilen mittel nicht ausreichen werden. Dann analysiert die Herzliche Einladung an die Gemeinden, von 49-Jährige gemeinsam mit allen Beteiligten den Be- ihren Aktionen vor Ort zu berichten, um einen darf und schaut sich an, wer in die Planungen bereits gegenseitigen Austausch zu ermöglichen. eingebunden ist und wer ggf. noch dazukommen soll- te, damit alles reibungslos funktionieren kann. Das Senden Sie Infos über Ihre laufenden geht ihrer Erfahrung nach nur in einem festen Team. Projekte deshalb gern an Und wenn es sogar irgendwann eine Fundraising uta.bolze@erzbistumberlin.de AG gäbe, die das Ganze zukunftsfähig und tragfähig macht, wäre aus ihrer Sicht ein wichtiges Ziel erreicht. Als einen weiteren Faktor für gelingendes Fundraising Ihr erklärtes Ziel ist es, beim Fundraising ein stabiles benennt sie auch die enge Zusammenarbeit mit den Niveau zu erreichen, damit zukunftsfähige Planung Menschen, die in der gemeindlichen Öffentlichkeits- möglich sei. Dazu gehöre eine regelmäßige und ver- arbeit unterwegs sind. Denn Fundraising geht nicht lässliche Kommunikation mit den Mitgliedern, aber ohne Öffentlichkeitsarbeit. Hier kann sie auch ganz auch mit den anderen Akteuren im Sozialraum – um praktisch unterstützen mit Materialien und Vorlagen, sie gut einzubinden, damit eine langfristige Spender- sei es bei Kollektenaufrufen in verschiedenen Medien, bindung entstehen kann. sei es bei der Erstellung von Flyern oder Spenderbrie- fen, nicht zuletzt bei Online-Spenden oder mit spezi- Und eins ist Uta Bolze bei der intensiven Begleitung in fischen Fortbildungsangeboten. Müncheberg sehr deutlich geworden: Wenn ein Pro- jekt gelingen soll, geht es weit über Fragen wie „Wel- Kommunikation auf Knopfdruck che Stiftungen, welche Fördermittel können in An- Ein weiteres Instrument, mit dem sie das Fundraising spruch genommen werden?“ hinaus. „Denn so wie ich in den Pfarreien gezielt unterstützen und vereinfa- es verstehe, bedeutet Fundraising ernsthaft betrieben, chen kann, ist die Fundraisingdatenbank. Mit ihr kön- auch Organisationsentwicklung. Weil sich die Haltung nen die Verwaltungsabläufe abgedeckt, eingehende verändert, weil sich die Perspektive verändert. Und Spenden richtig verbucht und Zuwendungsbestäti- das müssen wir verinnerlichen.“ gungen erstellt werden. Profitiert hat davon z.B. die Gemeinde St. Christophorus aus der Pfarrei Hl. Drei Wenn Sie am Ende des Magazins ein Spendenprojekt Könige, die sehr viele soziale Projekte realisiert. Möch- finden, das Sie unterstützen können, dann hat te die Gemeinde wissen, wie viel Geld für die Speisung auch hier Uta Bolze den Impuls gesetzt. der Obdachlosen zur Verfügung steht, dann kann man das taggenau sehen. Und es ist möglich, die Spende- Martina Richter rinnen und Spender direkt anzuschreiben, um über das jeweilige Projekt aktuell zu berichten. „Man kann Uta Bolze, Referentin für ganz schnell, sozusagen auf Knopfdruck, Kommunika- Fundraising-Entwicklung tion auslösen. Das ist ein immenser Vorteil gegenüber Tel. 030 326 84-117 vielen einzelnen Exceltabellen oder anderen Hilfsmit- uta.bolze@erzbistumberlin.de teln“, fasst die Fundraiserin zufrieden zusammen. www.erzbistumberlin.de/fundraising Fundraising 13
Lichterketten und Osterspaziergang Rituale braucht der Mensch. Sagt Prälat Stefan Dybowski Ob Einschulungsfeier oder Abschlussball, Trauung oder Beerdigung – Rituale begleiten den Lebenslauf. Andere kommen alle Jahre wieder, wie die Geburts- tagsfeier oder der Hochzeitstag. Darüber hinaus gibt es Gemeinschaftsrituale: das Beisammensein ums Osterfeuer oder Lichter in den Fenstern als Zeichen des Mitgefühls. Auch der Alltag ist voller Rituale: die morgendliche Jogging- runde, Fußball-Gucken mit den Kollegen, die Gute-Nacht-Geschichte fürs Kind. Brauchen wir Rituale und wenn ja, Rituale sind also mehr als liebgewonnene Gewohnhei- wozu eigentlich, Herr Prälat? ten. Rituale haben eine Botschaft, die mir sagt, dass Ja, der Mensch braucht sie. Dazu möchte ich zunächst ich für den anderen etwas ganz Besonderes bin. Nach erklären, was für mich ein Ritual ist: Der französische einer solchen Botschaft sehnen sich alle. Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry hat es meister- haft in der Begegnung des kleinen Prinzen mit dem Nach dem gewaltsamen Tod eines Mädchens Fuchs beschrieben. Es geht um ein wichtiges Thema: waren am Fundort Plüschtiere aufgereiht. Der kleine Prinz will Freunde finden. Und der Fuchs Noch vor 20 Jahren hätte man sich mit Trauer- gibt ihm den Rat: „Du musst mich dir vertraut ma- schmuck und Gottesdienst begnügt. chen.“ Er beschreibt auch, wie das geht, zum Beispiel Können sich Rituale wandeln? immer zur gleichen Zeit zu kommen. „Dann kann ich Natürlich können sich Rituale wandeln, sie müssen mich darauf freuen, werde ganz aufgeregt sein und er- sich sogar wandeln. Ein schönes Beispiel dafür sind Ein- fahren, wie teuer das Glück ist.“ schlafrituale. Für einen Fünfjährigen kann es ein tolles 14 Rituale
Ritual sein, wenn sich seine Mutter oder der Vater jeden Genau diese Frage nehme ich als Impuls: die Botschaft Abend zu ihm ans Bett setzt und eine Gute-Nacht-Ge- vom Leben mit allen Sinnen zu verkünden. Menschen schichte vorliest. Einen 15-Jährigen werden Sie damit warten auf Botschaften, die das Leben positiv verän- wohl kaum begeistern können. Aber auch ein 15-Jähri- dern. Wie gut, dass wir für diese Botschaften nicht ger ist empfänglich für Rituale, wenn Sie Interesse zei- nur das Hören haben, sondern uns viele andere Sinne gen für seine Lebenswelten und zum Beispiel mit ihm zur Verfügung stehen, mit denen wir diese großartige samstags zum Fußballspiel ins Stadion gehen. Botschaft auch wirklich erlebbar machen können. Und Rituale ändern sich mit den Zeiten, in denen wir Ich denke da an die katholische Eheschließung. Bei leben. Vor Jahrzehnten sahen Rituale anders aus als diesem Ritus reichen sich Mann und Frau die Hand, heute. Das wird eine der großen Aufgaben für jede und ich darf als Priester die Stola wie ein Band um die Religion sein: Die Rituale, mit denen sie ihre Botschaft Hände der Eheleute legen. Gesagt wird dabei nur we- verkündet, müssen in die Lebenswelt der Menschen nig. Doch später erzählen mir die Eheleute, dass die- passen. Andernfalls können sie ganz schnell leer und ser Moment für sie den tiefsten Eindruck hinterlassen damit langweilig und uninteressant werden. hat. Hier haben sie sich „verbunden“ gefühlt. Der Berliner Bestatter Eric Wrede berichtet, Ähnliche Erfahrungen mache ich bei der Krankensal- dass sich während der Pandemie die Presse- bung. Nachdem ich die Stirn und die Hände des Kran- anfragen bei ihm häuften, „weil man glaubt, ken mit Öl gesalbt habe, lege ich schweigend meine dass ich eine Ahnung vom Trauern und vom Hände um die Hände des Kranken. Oft schließen die Sterben habe“.* Woran mag es liegen, dass die Kranken dabei die Augen, doch sie sind hellwach. Alle Kirche an „Ritualekompetenz“ einbüßt? Kommunikation erfolgt jetzt über die Berührung. Und Ich gehe davon aus, dass ein Bestatter viel Ahnung von der Kranke darf erfahren, was das Evangelium verkün- Trauern und vom Sterben haben sollte. Das ist ja sein det: Gottes Nähe, Wärme und Zuwendung. Arbeitsfeld. Ich vermute, dass diese Frage von der Tat- sache ausgeht, dass immer mehr Menschen für die gro- Haben Sie ein Lieblingsritual? ßen Ereignisse des Lebens andere Sinndeuter suchen. Eines der schönsten Rituale ist für mich ein gemein- Warum das so ist? Wer beispielsweise schlechte Erfah- schaftliches Essen. Jesus hat am Abend vor seinem rungen mit Vertretern der Kirche oder mit lieblos ge- Leiden mit seinen Jüngern Abendmahl gehalten. Seit feierten Gottesdiensten gemacht hat, wird kaum eine 2.000 Jahren feiert die Kirche dieses Ritual, diese Litur- kirchliche Eheschließung oder Bestattung wollen. gie. Und sie erinnert dabei an den, der sein Leben hin- gegeben hat. „Für dich!“ – das war seine Botschaft. Im Ich nehme die Frage nach dem Verlust der „Rituale- Moment hat man den Eindruck, dass viele Menschen kompetenz“ sehr ernst. Wann bin ich denn kompetent (auch viele Christen) diese Botschaft in der Kirche in Sachen Rituale? Wenn ich eine Feier so gestalte, dass nicht mehr wiederfinden. Unsere Gottesdienste wer- sie „auf den Leib geschneidert ist“? Oder geht es um den leerer. Ja, vielleicht zeigt sich darin unsere „Ritua- eine Botschaft, die tatsächlich die Seele der Menschen lekompetenz“, dass wir die Botschaften, die in unseren erreicht und ihnen Hoffnung geben kann? Ritualen enthalten sind, wieder erlebbar machen – mit allen Sinnen, und nicht nur im Gottesdienst, sondern Was könnten wir tun, um die großartige im alltäglichen Leben. Botschaft vom Leben mit allen Sinnen zu verkünden? Das Gespräch führte Juliane Bittner * Berliner Zeitung 16./17.01.2021, Magazin S. 5 Rituale 15
Elaine Rudolphi ermutigt Menschen, neue Kommunikationswege auszuprobieren und bietet ihre Unterstützung an. Charlottenburg-Wilmersdorf goes digital Elaine Rudolphi – native digital catholic Können nur Ausnahmetalente die Kirche in Zeiten der Pandemie retten? Und darüber hinaus? Glaube, digitales Leben und Naturbegabung für Religion, hervorragende Ausbildung und kommunikative Fähigkeiten – die Formel für moderne Kirchengemeinden der Zukunft? Vorreiterin ist Elaine Rudolphi. Wer ist sie? Ein Besuch bei ihr zu Hause. Schwarzgefleckte Schneereste liegen in der Schiller- um: Bücherregale selbstverständlich und darin viele straße vor der St.-Thomas-Kirche. Daneben ein schlich- Exemplare der Bibel. Ich erinnere mich, dass sie sag- ter Altbau. Über dem Klingelschild „Seelsorge“ der te: „Wer Christus verstehen will, muss die Bibel lesen.“ französischsprachigen Gemeinde ist ein frisches Klin- Offensichtlich liest sie alle erschienenen Ausgaben. gelschild angebracht. Die neue Bewohnerin des Hau- https://erzaehlmirvondeinemglauben.podigee.io/ ses heißt Elaine Rudolphi. Ich klingele beherzt. Kaum 5-elaine-rudolphi zwei Sekunden später ertönt eine fröhliche Stimme, die mich hineinbittet. Und da steht sie vor mir – sie Der Kaffee steht dampfend vor mir, und schon schießt hat wache helle Augen eine warme Stimme – und bie- sie los, plaudert offen aus ihrem Leben. Von ihrem tet mir einen Kaffee an. Natürlich aus einer Siebträger- Nomadendasein während der Ausbildung und später maschine. Ein wahrer Genussmensch, denke ich. Wäh- im Beruf: Berlin, Frankfurt, Dublin, Paris, Brüssel … Von rend sie für Nachschub in Sachen Koffein sorgt, sehe ihrem Elternhaus: keine Kirchgänger im klassischen ich mich in ihrem hell eingerichteten Berliner Zimmer Sinne. Sie spricht von ihrer Neugier, zunächst einer kind- 16 native digital catholic
lichen. Aber sehr stark auf Glauben konzentriert. Wa- Hier in ihrem Arbeitszimmer entstehen Projekte wie rum, wieso, woher? Heute sagt sie dazu, dass sie eine • das meditative online-Abendgebet, das jeden Tag Naturbegabung für Religion hat. Ihr intellektuelles ab 19 Uhr gestreamt wird – mit eigens Hinterfragen wird von den Jesuiten ernst genommen. eingespielter Musik. Wichtig dabei war: Man wollte sie nicht „ködern“, son- • kreative Hybridangebote wie „Beten mit Stift dern trat in eine Kommunikation auf Augenhöhe. und Farbe“. • die Unterstützung für „Funkturmkatholiken Das ist weiterhin der Grundsatz von Elaines Arbeit hier unterwegs“. im Pastoralen Raum Charlottenburg-Wilmersdorf: „Wenn man mit Menschen Aber auch Projekte für Menschen, die und gerade mit Jugendlichen weniger internetaffin sind, wie „Bei An- in Kontakt treten, sie für den ruf: Impuls“ – eine Telefonaktion. Glauben begeistern will, darf man sie nicht irgendwie drän- Der Umgang mit der digitalen Welt ist gen. Dann laufen sie weg.“ vielen noch neu in den Gemeinden. Als Das hätte sie genauso ge- „native digital catholic“ unterstützt macht. Ist zum Glück nicht Elaine Ideen und Projekte. „Ich suche passiert. Sie studierte Theolo- Menschen mit Talenten, die sich ein- gie aus Leidenschaft. bringen. Ich will nicht deren Unterstüt- zung, sondern ich unterstütze sie bei ihren Ideen und Bei Idee: Unterstützung Projekten. Ein bisschen wie ein Talentscout.“ So wie Aber das ist ja nur eine Seite von Elaine Rudolphi. Ich der Podcast von Marcus Bartelt. Hier mal ein Thema darf ihr Arbeitszimmer besichtigen. Jedem YouTuber anregen, da mal einen Interviewpartner vorschlagen. würde gleich das Herz stehen bleiben. Ich sehe pro- Never say no, ist Elaines Devise. Denn das Internet hat fessionelle, digitale Ausrüstung überall in dem aufge- etwas Anarchisches und lebt auch vom Unperfekten. räumten und strukturierten Arbeitsraum: iMac, iPad, Sie ermutigt Menschen, einfach mal was auszuprobie- Fotokamera, Filmkamera, Fotolampen und selbst ein ren und sei es noch so verrückt. Greenscreen stehen für alle Art von digitaler Kommuni- kation zur Verfügung. Elaine ist ja nicht nur native Theo- Alleinstehende im Blick login, sondern auch digital native. Sie selbst bezeichnet Einer großen Herausforderung will sie sich in Zukunft sich als Nerd. Da muss ich ihr widersprechen. Sie ist ja stellen: die stillen Mitglieder der Gemeinde erreichen, kein Mensch, der sich nur auf eine Sache ausschließlich die vielen Singles zwischen 25 und 65. Davon gibt es konzentriert und schlimmstenfalls im sozialen Leben tausende im Pastoralen Raum Charlottenburg-Wil- auf dem Abstellgleis steht. Ganz im Gegenteil! Sie ist mersdorf. Was bewegt die Menschen, welche Fragen mit all diesen digitalen Erfindungen unserer Zeit ein- haben sie? Welche Erwartungen an die Kirche? fach großgeworden, nutzt kreativ die Möglichkeiten, um Glauben aktiv in den digitalen Lebensraum zu brin- Beim Verabschieden entdecke ich Elaines Cello und gen. Kommunikation – wie auch immer, an welchen Or- frage nach. Sogleich sprudelt sie von einer – na sowas! ten auch immer. Das ist ihre Leidenschaft. – analogen Idee: Jazzmusik-Gottesdienste in St. Cani- sius. Ein idealer Rahmen für Künstler in Nach-Pande- „Menschen in Kontakt bringen mit Gott“ ist ihr Ziel. Heu- miezeiten. te gestalten die Menschen nicht nur ihr Wohnzimmer, sondern auch ihre digitalen Lebensräume. Es ist eine di- Und sogleich fragt sie mich, ob ich nicht Jazzmusiker gitale, aber nicht weniger reale Welt, erklärt Elaine ihren kenne. Kenne ich. Networking at it’s best. Sie wird es Standpunkt. Die Kirche sollte sich zu einer „Geh-hin-Kir- sicher auch streamen. che“ entwickeln. Das heißt, sie muss verstärkt in der di- gitalen Lebenswelt aktiv werden, um zu verstehen, was Carmen d’Avis die Menschen bewegt, was sie von der Kirche erwarten. native digital catholic 17
Wo zwei oder drei In Leitungsteams wird Verantwortung geteilt und Ehrenamt aufgewertet Sieben Leitungsteams sind in der Entwicklungsphase gebildet worden, in denen sich zwei oder drei Personen die Leitung der Pastoralen Räume geteilt haben. Neben dem jeweiligen Pfarrer haben haupt- oder ehrenamtliche Laien gemeinsam Verantwortung für die Entwicklungsphase übernommen. Markus Papenfuß und Christopher Maaß haben sich im letzten halben Jahr auf den Weg gemacht und fünf dieser Teams nach ihren Erfahrungen gefragt. Wir stellen Ihnen hier die wichtigsten Ergebnisse vor, kommentiert von Markus Papenfuß. Vorteile durch die geteilte Leitung: Leitung innerhalb des Entlastung, Austausch, Leitungsteams Hier wurden unterschiedliche Erfahrungen Aufwertung des Ehrenamts gemacht: Innerhalb des Teams war Arbeit auf In allen Gesprächen wurde herausgestellt, dass gleicher Augenhöhe Voraussetzung, in der der Austausch untereinander und auf Augenhöhe Außenwahrnehmung wurde größtenteils der immens wichtig ist – nicht nur in der praktischen Pfarrer als Leiter des Teams wahrgenommen. Arbeit, sondern auch auf der formalen Ebene. Da musste sich das Team erst in die eigene Die Pfarrer haben es durchaus auch erleichternd Leitungsrolle finden. empfunden, Verantwortung teilen zu können, Konflikte miteinander im Austausch zu lösen, einfach gemeinsam unterwegs zu sein. Vor einer Wahrnehmung der besonderen Herausforderung stand das Team Leitungsteams als Einheit mit den zwei Ehrenamtlichen: Die hohe Zeit- und In Sitzungen der Gremien im Pastoralen Verantwortungsübertragung ist für sie nicht un- Prozess wurde das Team schnell als Einheit kompliziert, denn es spielt sich alles in der Freizeit wahrgenommen. Auf Bistumsebene war es an- ab. Hier muss das Zeitmanagement generell viel fänglich ein Lernprozess, beispielsweise nicht nur stärker in den Blick rücken, um Ehrenamtlichen die Leitenden Pfarrer, sondern das gesamte eine Beteiligung überhaupt zu ermöglichen. Team anzuschreiben. Das ist auch eine wichtige Form der Anerkennung: dass alle zeitgleich und gleichberechtigt informiert werden. Rollen und Aufgabenverteilung innerhalb der Teams – im Vorfeld nicht abgesprochen – resultierend aus Situation Rollen haben sich verändert Die Rolle des Pfarrers hat sich verändert: oder Zeitpunkt der Leitungsanfrage Das Handeln im Team überträgt sich auf das Die Rollen wurden in allen Teams zunächst als Handeln als Vorgesetzter. Das Rollenverhältnis problematisch empfunden. Wir als Katholiken zwischen Haupt- und Ehrenamt, Priester und Laie sind einfach die Pfarrerrolle gewohnt – er ist unser wird neu sortiert, haupt- und ehrenamtliche Laien erster Ansprechpartner. Und das führte anfänglich erfahren eine Aufwertung ihrer Arbeit. auch zu Spannungen, wenn der Pfarrer Entschei- Problematisch bei den Zweierteams ist, dass der dungen nicht allein trifft. Die Laien mussten sich Pfarrer auch gleichzeitig der Dienstvorgesetzte ist. ihre neue Position in der Pfarrei erst erkämpfen, Das greift im Leitungsteam dann nicht – weil es niemand gewohnt war, auf sie zuzugehen da mussten sich alle erst hineinfinden. in bestimmten Entscheidungsfragen. 18 Leitungsteams
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