Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI

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Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Klimaänderung und
       Wasserkraft

Fallstudie Kraftwerke Gougra AG

                                                      Foto: Christoph Hurni / flickr.com

     Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft

               Sion und Birmensdorf, August 2011
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
In Kürze …                                                   En bref …
Wie wird sich die Klimaänderung auf die                      Quels effets aura le changement climatique sur les
Wasserverfügbarkeit und die Zuflüsse zu den                  ressources en eau et les apports dans les barrages et
Stauseen auswirken, und was bedeutet das konkret             que signifiera-t-il concrètement pour l'exploitation et
für den Betrieb und die Produktion der Wasserkraft-          la production des sociétés hydroélectriques?
Gesellschaften?
                                                             Cette question a été examinée pour les Forces
Diese Frage wurde am Beispiel der Kraftwerke Gougra          Motrices de la Gougra SA (VS) en se basant sur les
(VS) basierend auf den aktuellsten Klima- und                scénarios climatiques et glaciaires actuels ainsi
Gletscherszenarien und mit Hilfe des hydrologischen          qu'avec le modèle hydrologique PREVAH.
Modells PREVAH untersucht.
                                                             Les résultats montrent une diminution du débit
Die Ergebnisse zeigen, dass der jährliche Abfluss im         annuel moyen de 8% (±4%) pour la période 2021-50
gesamten Einzugsgebiet für den Zeitraum 2021-2050            puis une stagnation pour la période 2070-2099.
um 8% (±4%) ab-nehmen wird und dann bis zum                  Cependant, de grandes différences sont observées
Zeitraum 2070-2099 ziemlich unverändert bleibt.              entre les différents sous bassins versants de la
Dabei wird es in den einzelnen Teileinzugsgebieten –         Gougra, selon leurs altitudes et leurs taux de
je nach Höhenlage und Vergletscherung – zu sehr              glaciation. Pour les zones de haute altitude fortement
grossen     Unterschieden      kommen.      In    den        englacées, les débits annuels augmentent fortement
hochgelegenen       stark     vergletscherten    Teil-       dû à la fonte accrue des glaciers, ce qui a également
einzugsgebieten, nimmt der jährliche Abfluss                 été montré par une étude de Huss et al. (2008). Dans
aufgrund verstärkter Gletscherschmelze stark zu, was         les sous bassins de plus basse altitude et
bereits in einer Studie von Huss et al. (2008) gezeigt       moyennement englacés, comme p.ex. Moiry, après
wurde. In tieferen Lagen und mässig vergletscherte           une augmentation transitoire de durée variable, les
Teil-einzugsgebiete wie z.B Moiry, gehen die                 débits annuels diminuent rapidement dès 2021-50,
Abflussmengen zurück, da der Eisschmelzanteil am             dû à la réduction de la contribution de la fonte des
Gesamtabfluss drastisch abnimmt. In heute                    glaciers au débit total. Par contre, dans les bassins
unvergletscherten Teilgebieten, wie z.B. Lona,               versants non englacés, comme p.ex. Lona, les débits
verändert sich der Jahresabfluss kaum.                       annuels futurs ne se modifient quasiment pas.
Für die KW Gougra AG bedeutet das eine vorläufige
                                                             Pour les Forces Motrices de la Gougra, ces
Zunahme der Produktion in der Zentrale Mottec,
                                                             changements signifient une augmentation sensible
ohne dass eine strukturelle Anpassung der
                                                             mais provisoire de la production électrique à la
Installationen notwendig ist. Durch die Abnahme der
                                                             centrale de Mottec, ne nécessitant toutefois pas
Zuflüsse wird es ab 2021-2050 zu einer
                                                             d'adaptation structurelle des installations. Par la
Produktionsreduktion, und damit auch einer
                                                             suite, la baisse globale des apports dès 2021-50
Ertragsreduktion aller Zentralen kommen. Die
                                                             engendrera une baisse concomitante de la production
zeitliche Verlagerung um 5 bis 8 Wochen der Abfluss-
                                                             cumulée de l'ensemble des centrales et, par
Spitzen wird zu einer Veränderung der energetischen
                                                             conséquent, une diminution de la rentabilité de
Optimierung und der Revisionsperioden führen.
                                                             l'aménagement hydroélectrique. Le pic des apports
                                                             plus précoce (4-6 semaines) conduira à une
                                                             modification de l'optimisation énergétique et des
                                                             périodes de révisions des groupes.

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Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Über das Projekt
Die prognostizierte Klimaänderung wird einen
bedeutenden Einfluss auf Schneedecke und Gletscher,
und somit auf die Wasserressourcen in den
Einzugsgebieten der Wasserkraftwerke haben.
Wie gross diese Änderung in der Wasserverfügbarkeit
für die Wasserkraftproduktion sein wird und wie
genau sich die Zuflüsse zu den Reservoirs zeitlich
(saisonal) und mengenmässig verändern werden, ist
bisher nur in Einzelfällen untersucht worden (Beispiel:
Mauvoisin).
Mit dem Ziel, diesbezüglich für die ganze Schweiz
verbesserte Aussagen machen zu können, hat die
Swiss Electric Research zusammen mit dem
Bundesamt für Energie im 2008 die vorliegende
Studie in Auftrag gegeben. Dabei sollen die
hydrologischen Auswirkungen der Klimaänderung für
die Wasserkraft in der Schweiz räumlich differenziert
unter Einbezug der aktuellsten Vorhersagemodelle
abgeschätzt werden.
Neben einer generellen Analyse der zu erwartenden
hydrologischen Veränderungen in ca. 20 natürlichen
Einzugsgebieten der Schweiz mit unterschiedlichen
topographischen, geologischen und klimatologischen
Voraussetzungen untersucht diese Studie sechs
ausgewählte Fallbeispiele im Detail. In diesen
Fallbeispielen werden für die Zeiträume 2021-50
(nahe Zukunft), resp. 2070-99 (ferne Zukunft) die
lokalen meteorologischen Veränderungen und die
daraus     resultierenden    Änderungen   in    der
Vergletscherung, der Schneedecke und im Abfluss
simuliert. Abschliessend wird von den betroffenen
Kraftwerkbetreibern      die    Bedeutung    dieser
hydrologischen Änderungen für ihre Stromproduktion
abgeschätzt.
Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse der
Fallstudie „KW Gougra AG“ zusammen. Die folgenden
Gruppen haben hierzu beigetragen: Institut für
Atmosphäre      und   Klima      der    ETH    Zürich
(klimatologisches Downscaling), Geographisches
Institut der Uni Zürich (Gletschermodellierung),
Versuchsanstalt für Wasserbau der ETH Zürich
(Gletschermodellierung), Eidg. Forschungsanstalt WSL
(Schneedecken und Abflussmodellierung), sowie KW
Gougra AG / ALPIQ Suisse SA (betriebliche Analysen).

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Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Allgemeine Datengrundlagen

Für die Fallstudie „KW Gougra AG“ wurden folgende Daten            d) Als Grundlage für die Gletscherentwicklung dient das
verwendet:                                                         World Glacier Inventory: Stand 1973. Dieses wurde als
a) Digitales Geländemodell RIMINI (Arealstatistik,                 initiale Gletscherfläche für die Simulation (1985)
Bundesamt für Statistik) mit einer räumlichen Auflösung            verwendet und dann kontinuierlich mit dem
von 100 m.                                                         Schrumpfmodell von Paul et al. (2007) angepasst (siehe
                                                                   Seite 4). Die Rastergrösse des ursprünglichen
b) Landnutzung – aggregiert in ca. 12 hydrologische
                                                                   Gletscherinventars ist 25 m. Für unsere Modellierung wird
Klassen – mit einer räumlichen Auflösung von 100 m,
                                                                   sie auf 200 m aggregiert.
basierend auf der Areal-Statistik des Bundamts für Statistik
(GEOSTAT), 1992/97.                                                e) Schneemessungen des Interkantonalen Mess- und
                                                                   Informationssystems IMIS, sowie Beobachter-Schneedaten
c) Meteorologische Messungen (Stundenwerte; Zeitraum:
                                                                   des SLF Davos wurden für die Validierung der
1980-2009) der MeteoSchweiz-Stationen, welche für das
                                                                   Schneesimulationen verwendet.
Gougra-Einzugsgebiet relevant sind. Wichtige Stationen
sind Zermatt, Evolène, Montana, Sion und Visp. Für die             f) Abfluss-Messungen der KW Gougra AG für die
hydrologische Modellierung wurden folgende stündlichen             Teileinzugsgebiete Zinal und Turtmann von 2004 – 2008
meteorologischen        Messgrössen         verwendet:             wurden verwendet, um das hydrologische Modell zu
Lufttemperatur, Relative Feuchte, Globalstrahlung,                 verifizieren.
Niederschlag und Windgeschwindigkeit.

       Abb. 1: Karte des Gougra-Einzugsgebiets und Umgebung (links) sowie Teileinzugsgebiete (rechts). Die hydro-
       meteorologischen Messstellen sind gelb markiert (links). Die Wasserfassungen sind mit einem roten Punkt
       gekennzeichnet (rechts). Das Teileinzugsgebiet "Navisence à Mottec" wurde für Vergleichszwecke in weitere
                                                                3
       Teileinzugsgebiete unterteilt.
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Modellierungsstrategie                                            Für die beiden Zukunftsszenarien wurden die
                                                                  Modellparameter       unverändert     wie    bei     der
Die Ergebnisse dieser Fallstudie basieren auf regionalen          Kontrollsimulation beibehalten. Die meteorologischen
Klimamodelldaten des europäischen Projektes ENSEMBLES,            Messwerte der Kontrollperiode wurden stationsweise mit
welche alle vom Emissionsszenario A1B (moderate                   den prognostizierten täglichen Änderungen (Delta change)
Erwärmung) ausgehen. Diese umfassen zehn verschiedene             korrigiert. Somit entstanden zwei neue 30-jährige
Modellketten von Globalen Zirkulationsmodellen (GCM)              Zeitreihen mit ähnlicher Variabilität, wie sie in der
und Regionalen Klimamodellen (RCM) und widerspiegeln              Kontrollperiode beobachtet worden war, aber mit den
die Unsicherheits-Bandbreite der Klimamodelle.                    erwarteten Zukunftstrends.

Um die erwarteten lokalen Klimaänderungen für das                 Bezüglich Vergletscherung wurden für die beiden
Untersuchungsgebiet abzubilden, wurden für alle                   Zukunftsszenarien der Ausgangszustand von 1985 mit
MeteoSchweiz-Messstellen Jahresgänge der Temperatur-              einem Schrumpfmodell von Paul et al. (2007) in 5-Jahres-
und Niederschlagsänderung für die Zeiträume 2021-2050             Schritten kontinuierlich reduziert. Das Modell basiert auf
(nahe Zukunft) und 2070-2099 (ferne Zukunft) relativ zur          der einfachen Annahme, dass die Gleichgewichtslinie
Kontrollperiode 1980-2009 berechnet. Diese statistische           (GWL) entsprechend der Lufttemperaturerhöhung
Down-scaling Methode heisst Delta-change-Ansatz                   ansteigt. Dadurch wird das Akkumulationsgebiet des
(Bosshard et al., 2011).                                          Gletschers kleiner. Es wird im Modell angenommen, dass
                                                                  die Reaktionszeit der Gletscher auf Temperaturänderungen
Für die Abflussberechnung wurde die neue Gitterversion            durchschnittlich 50 Jahre beträgt.
des hydrologischen Modells PREVAH (Viviroli et al., 2009a.)
für das ganze Einzugsgebiet mit regionalisierten Parameter        Die resultierenden Gletscherszenarien für Mitte und Ende
von Viviroli et al. (2009b und 2009c) aufgesetzt. Anhand          des 21. Jahrhunderts wurden mit Gletscherszenarien der
von gemessenen Abflussdaten der KW Gougra AG wurden               VAW verifiziert, welche auf einem Ansatz von Huss,
die Modellparameter optimiert. Danach wurden für die              Farinotti und Bauder basieren.
Kontrollperiode 1980-2009 in täglicher Auflösung folgende         Die Ergebnisse des hydrologischen Modells PREVAH –
hydrologischen      Grössen   berechnet:      Niederschlag,       insbesondere der simulierte natürliche Abfluss aus den
Verdunstung,         Schneewasserwert,        Eis-     und        Teileinzugsgebieten (Tageswerte) – wurde der KW Gougra
Schneeschmelze, Bodenwasserspeicher und Abfluss. Dazu             AG als Input in das Betriebsmodell zur Verfügung gestellt.
wurden die gemessenen meteorologischen Grössen der
nahegelegenen       Meteoschweiz-Stationen      über   das
Einzugsgebiet hinweg interpoliert.

    Abb. 2: Darstellung der Modellierungskette von den Klimamodellen (GCM) bis hin zum hydrologischen Modell
    (PREVAH) nach Bosshard und anderen (2010).

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Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Beschreibung des Einzugsgebiets                                     Beschreibung der Kraftwerkanlage
                                                                    Die Anlagen der Gougra SA bestehen aus den beiden
Die Anlagen der Gougra SA im Val d’Anniviers und                    Stauseen Moiry und Turtmann sowie den Kraftwerken
                                                       2
Turtmanntal erschliesssen ein Einzugsgebiet von 252 km .            Navizence, Vissoie, Mottec und Lona. Der Stausee Moiry
Höhenmässig liegt das gesamte Einzugsgebiet zwischen                liegt auf 2250 m.ü.M und hat eine Kapazität von 77 Mio
                                                                       3
1'140 und 4’505m.ü.M. (Weisshorn). Das Teileinzugsgebiet            m . Neben dem natürlichen Einzugsgebiet wird dem
der Turtmänna umfasst eine Fläche von 36.6 km² mit einer            Stausee Moiry das Wasser aus dem Turtmannstausee
                                                                                        )
Vergletscherung von 56 % (Zuber, 2005) und erreicht eine            (Zwischenspeicher sowie zum Teil das Wasser aus der
maximale Höhe von 4'151 m.ü.M (Bishorn). Gletscher wie              Navisence in Mottec zugeleitet. Das Turtmannstaubecken
Glacier de Moiry, Glacier de Zinal, Glacier de Weisshorn,           mit einem Fassungsvermögen von 780'000 m³ trägt über
Glacier de Moming, Turtmann- und Brunegggletscher                   die Sommermonate zu 50% zur Füllung des Moiry Stausees
prägen das alpine Landschaftsbild. Unterhalb der nivalen            bei (mitteres jährliches Volumen von 47 Mio m³).
Höhenstufe sind flachgründige Böden mit einfacher                   Der Höhenunterschied zwischen dem Stausee Moiry und
Vegetation verbreitet, welche eine insgesamt geringe                dem Rhonetal wird in drei Kraftwerksstufen genutzt.
Wasserspeicherkapazität zur Folge haben.                            Zunächst gelangt das Wasser ins Kraftwerk Mottec auf
Der geologische Untergrund ist vielfältig. Nördlich der Linie       1’560m.ü.M, welches mit 69MW die grösste Leistung
Stausee Moiry - Stausee Turtmann dominieren                         erbringt. Das Wasser wird weitergeleitet ins Kraftwerk
Glimmerschiefer sowie Quarzite der penninischen Decken.             Vissoie (1120m.ü.M.; 45MW) und gelangt schliesslich ins
Südlich davon sind es metamorphe Karbonatgesteine                   Kraftwerk Navizence bei Chippis (50MW). Zusammen mit
(Kalkphyllite/ Mergelschiefer), metabasische Gesteine und           dem kleineren Kraftwerk Lona (1MW) resultiert eine
Granite.                                                            Gesamtleistung von 165MW. Die Anlagen sind seit Ende
                                                                    der 1950er Jahre in Betrieb.
Der mittlere Jahresniederschlag beträgt 1030 mm
(Zeitraum 1980-2009). Für das gesamte Einzugsgebiet
                                                      3
gerechnet, ergibt dies ein Volumen von ca. 260 Mio. m
Wasser pro Jahr.
Für unsere hydrologischen Simulationen betrachten wir
insgesamt 12 Teileinzugsgebiete mit zum Teil sehr
unterschiedlicher Vergletscherung. Die grössten Teilein-
                                                 2
zugsgebiete sind die Navisence à Mottec (87.9 km ), die
                              2                 2
Navisence à Vissoie (60.5 km ), Moiry (29.3 km ) und
                              2
Turtmanngletscher (28.1 km ). Das Teileinzugsgebiet
Navisence à Mottec wurde für Vergleichszwecke weiter
unterteilt.

Foto 1: Einzugsgebiet der Gougra AG mit Stausee Moiry.

                                                                    Abb. 3: Karte mit Reservoiren und Zuleitungen der KW
                                                                    Gougra AG.

                                                                5
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Ergebnisse
                                                                       grossen Unterschiede zwischen den Modellen nicht
        Klimaszenarien für die Region                                  alleine durch die natürliche Variabilität erklärt werden
                                                                       und ist als robust zu betrachten.
        An allen Temperatur- und Niederschlagsmess-                     Der Niederschlag weist gemäss den Modell-
        stationen der MeteoSchweiz wurden Jahresgänge des              rechnungen kein deutliches Signal für den Zeitraum
        Klimaänderungssignals       für   Temperatur      und          2021-50 auf. Für den Zeitraum 2070-99 zeigt das
        Niederschlag gemäss 10 GCM-RCM Modellketten für                Modellensemble übereinstimmend eine deutliche
        die Szenarioperioden 2021-2050 (nahe Zukunft) und              Niederschlagsabnahme im Sommer, welche grösser
        2070-2099 (ferne Zukunft) relativ zur Kontrollperiode          als die natürliche Variabilität ist. Im restlichen Jahr ist
        1980-2009 berechnet. Abb. 4 zeigt exemplarisch den             eine leichte Zunahme des Niederschlages zu sehen.
        Jahresgang der Änderungssignale von T und P für die            Diese Zunahme liegt jedoch bei den meisten
        Station Zermatt. Gemäss den verwendeten GCM-RCM                Modellketten noch innerhalb der natürlichen
        Modellketten steigt die Temperatur am stärksten im             Variabilität.
        Sommer und über dem Alpenbogen an. Für den
        Zeitraum 2021-50 liegt der Temperaturanstieg bei 2°C           Für     den   gesamten      Jahresniederschlag    im
        [1-3°C] und für den Zeitraum 2070-99 bei knapp 5°C             Einzugsgebiet Gougra heisst das im Durchschnitt eine
        [2-6.5°C]. Die Unsicherheit der Modellprojektionen ist         leichte Zunahme (+2%±2%) für den Zeitraum 2021-50,
        ebenfalls im Sommer am grössten.                               resp. keine Änderung gegenüber heute (0%±4%) für
                                                                       den Zeitraum 2070-99.
        Die projizierten Veränderungen liegen deutlich
        ausserhalb der natürlichen Variabilität (siehe graue           Ausführliche Angaben zu diesen Klimaszenarien sind
        Fläche    in    Abb.    4).   Das      heisst,   das           verfügbar unter: www.c2sm.ethz.ch/services/CH2011
        Temperaturänderungssignal kann trotz der

Abb. 4: Jahresgang des Klimaänderungssignals der Temperatur (ΔT, links) und des Niederschlages (ΔP, rechts) an der Station Zermatt
für den Zeitraum 2021-50 (oben) und 2070-99 (unten) in Zukunft relativ zur Kontrollperiode 1980-2009. Die Änderungssignale basieren
auf 10 GCM-RCM Läufen des ENSEMBLES Projekts. Die natürliche Variabilität ist als graues Band dargestellt.
Das graue Band bezeichnet den Bereich von +/- 1 Standardabweichung der natürlichen Variabilität, bestimmt mittels Resampling der
beobachteten Messreihen.
                                                                  6
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Erwartete Veränderung der Gletscher
                                                                                                 1985     2040        2085
 Die Gletscher der Alpen reagieren stark auf                                          2
                                                                  Gletscherfläche (km )          47.3     38.5        24.2
 Änderungen des Klimas. Nach einem                                Eisfreie Fläche (km2)          205.6    214.5       228.7
 zwischenzeitlichen Vorstoss der Gletscher in den                 Gletscherfläche (%)            18.7     15.2        9.6
 1980-er Jahren ist ein allgemeiner Rückgang und                  Eisfreie Fläche (%)            81.3     84.8        90.4
 ein    damit      verbundener      Massenverlust
 beobachtet worden. Im Einzugsgebiet der KW
                                                                  Tabelle 1. Gletscherfläche und eisfrei Fläche (in km² und %)
 Gougra AG wurde 1985 eine Gletscherfläche von                    für die Jahre 1985, 2040 und 2085 für das
          2
 47.3 km beobachtet, was einem Flächenanteil                      Gesamteinzugsgebiet der Gougra.
 von 18.7% entspricht.
 Das Eisvolumen in den Teilgebieten Weisshorn,
                                                                  Huss et al. 2008 schätzen mittels eines glazio-
 Moming und Zinal wurde von der VAW auf 1.45
     3                                                            hydrologischen Modells für drei verschiedene
 km geschätzt (Huss et al, 2008).
                                                                  Klimasszenarien eine starke Abnahme der
 Mit der prognostizierten Klimaerwärmung wird
                                                                  Gletscherflächen und -Volumen in den drei stark
 ein Rückgang der Gletscher erwartet (Huss et al.,
                                                                  vergletscherten Einzugsgebieten Weisshorn,
 2008).
                                                                  Moming und Zinal. Im Vergleich zu 2006
 Unter Annahme des Emissionsszenarios A1B
                                                                  reduziert sich beim mittleren Szenario das
 dürfte sich bis zur Mitte des Zeitraums 2021-50
                                                                  Eisvolumen aller drei Gebiete auf 36 % (0.54
 die vergletscherte Fläche im gesamten
                                                                  km3) bis ins Jahr 2050 und auf 9% (0.15 km3) bis
 Einzugsgebiet Gougra auf gut 15% reduzieren
           2                                                      ins Jahr 2075. Die drei verwendeten
 (38.5 km ). Für den Zeithorizont 2085 berechnet
                                                                  Klimaszenarien basieren auf den Resultaten der
 das Modell der Uni Zürich eine Reduktion auf
                2                                                 Studie von Frei (2007) und wurden als
 9.6% (24.2 km ).
                                                                  kontinuierliche Zeitreihen bis 2100 aufbereitet.

Abb. 5: Veränderung der Gletscherfläche im Einzugsgebiet Gougra: links: Beobachtete Gletscherfläche des World Glacier
Inventory: Stand 1985; mitte: Prognostizierte Gletscherfläche für 2040; rechts: für 2080. Die blauen Flächen sind Gletscher und die
beigen Flächen sind unvergletschertes Gebiet.

                                                            7
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Validierung des hydrologischen Modells                          mit einer Genauigkeit von +/- 5%. Hier gilt zu
                                                                   berücksichtigen,     dass     bereits     beim
    Wie gut kann das hydrologische Modell PREVAH                   Niederschlagsinput ins Modell eine grosse
    die aktuelle hydrologische Situation des Gougra-               Unsicherheit herrscht. Bei der räumlichen
    Gebiets abbilden?                                              Interpolation der wenigen Niederschlags-
    Für den Zeitraum 2004 bis 2008 können wir die                  messstationen gehen wir von einer Unsicherheit
    Modellsimulation      anhand      von     Abfluss-             in der gleichen Grössenordnung aus. Ebenso
    Messungen der KW Gougra AG für das                             besteht bei der Abflussmessung der KW Gougra
    Teileinzugsgebiet Turtmann (Abb. 6) und Zinal                  AG     eine    Unsicherheit     in    derselben
    (Abb. A1 im Anhang) überprüfen. Ausserdem                      Grössenordnung.
    gibt ein Vergleich mit einem Schneeprodukt des                 Ein Vergleich mit einem kürzlich entwickelten
    SLF (Abb. 7) Hinweise über die Güte der                        Schneeprodukte des SLF, das sämtliche
    Schneesimulation.                                              verfügbaren Schneeinformationen seit 1979
    Im grossen und ganzen weist das Modell eine                    optimal räumlich und zeitlich interpoliert,
    gute bis sehr gute Übereinstimmung mit den                     deutet auf eine sehr befriedigende Simulation
    Abflussmessungen auf (Abb. 6). Die saisonalen                  der Schneedecke im Gougra-Gebiet hin. Wir
    Schwankungen            werden          realistisch            können das mit einem Vergleich zwischen dem
    widergegeben. Für das Einzugsgebiet Turtmann                   SLF-Produkt und unserer Simulation für die
    simuliert das Modell die jährliche Abflussmenge                Region Wallis (Teilgebiete oberhalb 1500 m
                                                                   ü.M.) veranschaulichen (Abb 7).

 Abb. 6: Simulierter (rot) und gemessener (schwarz) täglicher natürlicher Abfluss des Teileinzugsgebiets Turtmann.

Abb. 7: Simulierter (schwarz) und beobachteter (farbig) mittlerer Schneewasserwert des Wallis (oberhalb 1‘500 m ü.M.) für den
Zeitraum 1976-2009. (Grün: Interpolation aus 110 SLF-Messstationen, Rot: 133 SLF-Messstationen. Blau 203 SLF-Messstationen.

                                                             8
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Kraftwerke Gougra AG - DORA 4RI
Erwartete Veränderung der Schneedecke                         meisten Jahren den ganzen Sommer hindurch
                                                                  teilweise schneebedeckt. Für die Zukunft nimmt
    Die erwartete Erwärmung des Klimas wird im                    die Wahrscheinlichkeit für ein komplettes
    Einzugsgebiet Gougra zu einer bedeutenden                     Abschmelzen der Schneedecke im ganzen
    Veränderung der Schneedecke führen. Das                       Einzugsgebiet    markant     zu.   In    einem
    jährliche Schneewasserspeicher-Maximum wird                   durchschnittlichen Jahr wird für den Zeitraum
    sich zwar zeitlich nur geringfügig nach vorne                 2070-99 (je nach Klimamodellkette) eine
    verschieben (~1-2 Wochen für den Zeitraum                     komplette Ausaperung von Mitte Juli bis Ende
    2070-2099).                                                   Oktober     vorausgesagt.   Nach     besonders
    Mengenmässig wird aber eine durchschnittliche                 schneearmen Wintern muss bereits im Zeitraum
    Reduktion des jährlichen Schneewasser-                        2021-50 mit einem komplett schneefreien
    maximums (je nach Klimamodellkette) von 20-                   Einzugsgebiet von Juli bis anfangs Dezember
    50% für den Zeitraum 2021-50, resp. von 50-                   gerechnet werden.
    70% für den Zeitraum 2070-99 erwartet.                        Für den Zeitraum 2021-50 verringert sich der
    Die Streuung des jährlichen maximalen                         Beitrag der Schneeschmelze durchschnittlich um
    Schneewasserwerts zwischen schneearmen und                    gut 50 mm (±40 mm) pro Jahr gegenüber der
    schneereichen Wintern bleibt für den Zeitraum                 Referenzperiode (Abb. Anhang A2); und um
    2021-50 ähnlich gross wie bisher, nimmt dann                  rund 180 mm (±50 mm) pro Jahr für den
    aber für den Zeitraum 2070-99 markant ab. Das                 Zeitraum 2070-99 (Abb. Anhang A3).
    heisst, dass dann auch in seltenen extrem                     Winter ganz ohne Schnee im Einzugsgebiet
    schneereichen       Wintern     keine    grössere             Gougra wird es – gemäss den vorliegenden
    Schneewassermenge als 600 mm zu erwarten                      Simulationen – auch für den Zeitraum 2070-99
    sein wird.                                                    keine geben.
    Zur Zeit ist das Einzugsgebiet Gougra in den

Abb. 8: Berechnete Veränderung in der Klimatologie des Schneewasserwerts (mm) für den Zeitraum 2021-50 (links) und den
Zeitraum 2070-99 (rechts), dargestellt für den Median, das 97.5%-Quantil und das 2.5%-Quantil (oben) und den Mittelwert (unten)
des gesamten Gougra-Einzugsgebiets. Die schwarze Linie entspricht
                                                               9  der Referenz-Simulation für den Zeitraum 1980-2009.
Erwartete Veränderung der Verdunstung                        Auch bezüglich der im Boden gespeicherten
    und Bodenfeuchte                                             Wassermenge gibt es eine grosse Unsicherheit.
                                                                 Doch angesichts der wenig entwickelten Böden
    Eine Änderung des Klimas wird auch                           in diesem alpinen Einzugsgebiet kann von einer
    Auswirkungen auf die Verdunstung und die                     allgemein geringen Bodenwasserspeicherung
    Wasserspeicherung im Boden haben.                            ausgegangen werden.
                                                                 Grundlage für die Berechnung der temporären
    Jährlich verdunsten im Gougra-Einzugsgebiet ca.              Bodenwasserspeicherung im Gougra-Gebiet ist
    25% des gesamten Jahresniederschlags. Diese                  eine angenommene Beziehung zwischen
    Berechnung des Modells PREVAH ist zwar mit                   Landnutzung und Bodenkennwerten.
    grosser Unsicherheit behaftet, weil man immer                Gemäss unseren Ergebnissen dürfte sich die
    noch relativ wenig weiss über die Verdunstung                Bodenwasserspeicherung in Zukunft nur
    in alpinen Einzugsgebieten. Die Grössenordnung               unwesentlich verändern. Bei ein paar
    stimmt aber recht gut mit Angaben des                        Klimamodellketten nimmt sie zu, bei anderen
    hydrologischen Atlas der Schweiz (Tafel 4.1).                eher ab. Eine Zunahme im Bodenwasserspeicher
    Im Vergleich zur Unsicherheit im Modell und                  könnte durch den Gletscherrückgang und der
    zum Anteil an der jährlichen Wasserbilanz sind               damit      verbundenen       Freilegung     des
    die erwarteten Veränderungen in der                          Gletschervorfelds erfolgen. Diese wird aber
    Verdunstung gering. Für den Zeitraum 2021-50                 durch eine leicht erhöhte Austrocknung im
    berechnet das Modell eine Zunahme der                        Sommer kompensiert.
    jährlichen Verdunstung um ca. 8 mm oder 3%;                  Die vorerst fels-dominierten Flächen entwickeln
    für den Zeitraum 2070-99 um ca. 12 mm oder                   sich nur über sehr lange Zeit zu feinkörnigen,
    4%.                                                          speicherfähigen Böden.

Abb. 9: Berechnete Veränderung in der Klimatologie der durchschnittlichen Verdunstung (mm/Tag; oben) und Bodenwasser-
speicherung (mm; unten) für den Zeitraum 2021-50 (links) und den Zeitraum 2070-99 (rechts) gemittelt über das gesamte Gougra-
Einzugsgebiets. Die schwarze Linie entspricht der Referenz-Simulation für den Zeitraum 1980-2009.
                                                              10
Auswirkungen auf den natürlichen                               abnehmen. Die hohe Spannweite zeigt die
    Wasser-Abfluss des gesamten Gougra-                            Unsicherheit, welche durch die Fortpflanzung
    Gebietes                                                       der 10 Klimaszenarien im hydrologischen System
                                                                   entsteht.
                                                                   In extrem wasserreichen Jahren werden die
    Als Gesamtergebnis der sich verändernden
                                                                   hohen Abflüsse im Sommer für den Zeitraum
    Teilkomponenten der Wasserbilanz (Gletscher,
                                                                   2021-50 wahrscheinlich ähnlich hoch bleiben
    Schnee,         Bodenwasserspeicher            und
                                                                   wie bisher. Für den Zeitraum 2070-99 sind die
    Verdunstung) resultieren die in Abbildung 10
                                                                   verschiedenen Modellketten diesbezüglich
    dargestellten Jahresabflussganglinien für das
                                                                   widersprüchlich.
    gesamte Gougra-Einzugsgebiet.
                                                                   Eine grosse Unsicherheit besteht auch bei den
    Für den Zeitraum 2021-50 werden sich in einem
                                                                   Abflussberechnungen für die Herbst- und
    durchschnittlichen Jahr die höchsten Abflüsse
                                                                   Wintermonate. Hier weichen die verschiedenen
    um ca. 20% reduzieren. Das Abflussmaximum
                                                                   Modellketten stark von einander ab. Eindeutig
    wird auch ca. 1.5 Monate früher eintreffen als
                                                                   ist aber der Trend zu bedeutend höheren
    bisher; d.h. anfangs Juni anstatt Mitte Juli. Diese
                                                                   Abflüssen in diesen Jahreszeiten, wo künftig die
    zeitliche und mengenmässige Veränderung der
                                                                   Akkumulation der Schneedecke später beginnen
    durchschnittlichen höchsten Abflüsse wird sich
                                                                   und vermehrt Niederschlag in flüssigen Form
    für den Zeitraum 2070-99 noch weiter
                                                                   vorkommen dürfte
    verstärken.
                                                                   In Jahren mit besonderer Wasserknappheit
    Die gesamte jährliche Abflussmenge wird für
                                                                   dürften sich die niedrigsten Abflüsse gegenüber
    beide Zeiträume (2021-50, resp. 2070-99) in
                                                                   der heutigen Situation nur geringfügig
    einem Normaljahr (je nach Klimamodellkette)
                                                                   verändern. Der Jahresverlauf des 2.5%-Quantils
    gegenüber der Referenzperiode um 8% (±4%)
                                                                   bleibt ziemlich ähnlich wie bei der
                                                                   Referenzperiode.

Abb. 10: Berechnete Veränderung in der Klimatologie des natürlichen Abflusses (mm/Tag) für den Zeitraum 2021-50 (links) und
den Zeitraum 2070-99 (rechts), dargestellt für den Median, das 97.5%-Quantil und das 2.5%-Quantil (oben) und den Mittelwert
(unten) des gesamten Gougra-Einzugsgebiets. Die schwarze Linie11 entspricht der Referenz-Simulation für den Zeitraum 1980-2009.
Auswirkungen auf den natürlichen                                Gletscherflächen in der ersten Hälfte des
 Abfluss in Teileinzugsgebieten der                              Jahrhunderts stark. Hier ist nach einem kurzen
 Gougra                                                          zwischenzeitlichen Anstieg eine generelle
                                                                 Abnahme des natürlichen Abflusses zu
 Wenn auch die natürliche Jahresabflussmenge                     beobachten (-5% bis -38% im Vergleich zur
 über das gesamte Einzugsgebiet der Gougra                       Referenzperiode für den Zeitraum 2021-2050).
 hinweg nur wenig ändert (siehe vorheriges                       Die     verschiedenen      Modellketten      sind
 Kapitel), so sind die Unterschiede innerhalb des                diesbezüglich übereinstimmend.
 Gebiets doch sehr gross.                                        Schliesslich gibt es stark         vergletscherte
 In Teileinzugsgebiete, welche heute bereits                     Teileinzugsgebiete, wie z.B Turtmannstausee
 unvergletschert sind, wie Lona, Barneusa,                       oder Glacier de Moming (Unterteilung
 Torrent du Moulin, Torrent du Moulin 2, Fang,                   Navisence à Mottec). Für den Turtmannstausee
 Navisence à Vissoie, Frilitälli, Bluomatttälli (Abb.            ist mit einem bis zu 17% kleineren Jahresabfluss
 1, s. 4), verändert sich der Jahresabfluss nur                  zu rechnen (Periode 2070-2099). Höher
 unwesentlich. Die prognostizierten Änderungen                   gelegene Gebiete wie Glacier de Moming sind
 sind hier kleiner als die Unsicherheit zwischen                 heute z.T. noch wenig schmelzaktiv. Durch die
 den Modellketten (Abb. 11 und Tabelle A1 im                     erwartete Erwärmung nimmt dort die Schnee-
 Anhang). Eindeutig ist aber die zeitliche                       und Eisschmelze im Verlauf des Jahrhunderts zu.
 Vorverschiebung des Schneeschmelze-Peaks um                     Daraus resultiert ein stark erhöhter natürlicher
 2-4 Wochen bis gegen Ende des Jahrhunderts.                     Abfluss. Für den Glacier de Moming zum Beispiel
 Ebenfalls bei allen Modellketten überein-                       wird eine Zunahme des Jahresabflusses von 16%
 stimmend ist der stark erhöhte Abfluss im                       für den Zeitraum 2021-50, resp. 35% für den
 Herbst und Winter.                                              Zeitraum 2070-99 vorausgesagt.
 In     leicht    bis    mässig       vergletscherte             Die berechneten Veränderungen des Jahres-
 Teileinzugsgebiete wie Moiry, Brändjitälli, oder                abflusses sind für einige der Teileinzugsgebiete
 Glacier de Weisshorn (Unterteilung von                          in der Tabelle A1 im Anhang zusammengefasst.
 Navisence à Mottec) reduzieren sich die

    Teileinzugsgebiet Navizence                   Teileinzugsgebiet Moiry               Teileinzugsgebiet Glacier de Moming
    à Vissoie (unvergletschert)                                                         (Eisschmelzeanteil nimmt zu)

Abb. 11: Berechnete Veränderung in der Klimatologie des natürlichen Abflusses (mm/Tag) für den Zeitraum 2021-50 (oben) und
den Zeitraum 2070-99 (unten), dargestellt für den Mittelwert der Teileinzugsgebiete Navizence à Vissoie (links), Moiry (mitte) und
Glacier de Moming (rechts). Die schwarze Linie entspricht der Referenz-Simulation für den Zeitraum 1980-2009.

                                                           12
Diskussion

Natürliche Variabilität versus                                Standartabweichung ca. 50 mm. Das heisst, die
prognostizierte Veränderung                                   Klimamodellketten-bedingte Unsicherheit ist 4 mal
                                                              kleiner als die natürliche Variabilität.
                                                              Eine weitere Unsicherheit liegt im Modell zur
Das Abflussgeschehen im Einzugsgebiet der Gougra
                                                              Berechnung der zukünftigen Gletscherentwicklung.
unterliegt     einer     beträchtlichen    natürlichen
                                                              Das hier verwendete Schrumpfmodell der Uni Zürich
Variabilität. Mit unserer Betrachtung von 30-jährigen
                                                              ist grundsätzlich für eine grosse Skala (z.B. ganze
Zeiträumen können wir dieser natürlichen
                                                              Schweiz) und längere Zeithorizonte geeignet. Für den
hydrologischen Bandbreite grösstenteils Rechnung
                                                              Zeitraum 2021-50 dürfte mit diesem Modell der
tragen, indem wir z.B. die Standardabweichung der
                                                              Gletscherrückgang etwas zu rasch simuliert werden.
Schlüsselgrössen (jährliche Schnee- und Eisschmelze,
                                                              Wir haben überprüft, wie stark sich eine leichte
jährliche     Verdunstungs-     und     Abflussmenge)
                                                              Änderung der Gletscherfläche auf den simulierten
betrachten. Für den Jahresabfluss zum Beispiel
                                                              Abfluss auswirkt. Dabei erwies sich der simulierte
beträgt die Standardabweichung 200 mm.
                                                              Gesamtabfluss nicht sehr sensitiv auf kleine
Eine Grundannahme unserer Studie ist, dass die
                                                              Änderungen der Gletscherfläche.
Variabilität in den täglichen meteorologischen
                                                              Und schliesslich entsteht auch durch das
Inputgrössen für alle drei Zeiträume (Referenz, nahe
                                                              hydrologische Modell            selbst eine gewisse
Zukunft, ferne Zukunft) gleich bleibt. Unsere
                                                              Unsicherheit. Die Verifikation mit Abflussdaten in
Modellierung ergibt, dass sich auch die resultierende
                                                              den Teileinzugsgebieten (1980-2009) attestiert dem
Variabilität im Jahresabfluss für die nahe und ferne
                                                              Modell im grossen und ganzen eine gute Leistung.
Zukunft kaum verändern wird. Sie nimmt marginal
                                                              Der Vergleich mit dem SLF-Schneeprodukt, das eine
zu.
                                                              Art „Integral“ der beobachteten Schneewasserwerte
Die prognostizierten Änderungen des natürlichen
                                                              oberhalb von 1‘500 m ü.M. für die Region Wallis
Jahresabfluss im gesamten Gebiet ist (bis zum Ende
                                                              darstellt, fällt ebenfalls positiv aus.
des Jahrhunderts) weniger als halb so gross wie die
natürliche Variabilität, die wir heute schon erleben.         Ein Vergleich der Jahresabflüsse mit den Ergebnissen
Das heisst, dass die durchschnittlichen Verhältnisse          der VAW für das Zinalgebiet (Huss et al. 2008) zeigte,
Ende des Jahrhunderts bereits heute in extremen               dass die Resultate konsistent sind. Es gilt zu
Jahren beobachtet werden können.                              berücksichtigen,     dass    die  beiden     Studien
                                                              unterschiedliche Klimaszenarien und Kontroll-
                                                              perioden und z.T. unterschiedliche Teilgebiet
Wie plausibel, resp. unsicher sind die                        betrachten und darum zu (quantitativ) leicht
Abfluss-Prognosen?                                            unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
                                                               Die Aussagen des hydrologischen Modells im Bezug
Die berechneten Veränderungen im natürlichen                  auf die jahreszeitlichen Veränderungen, vor allem im
Abfluss des Gougras-Einzugsgebiets sind mit                   Frühling / Sommer und längerfristig auch im Sommer
verschiedenen Unsicherheiten entlang der ganzen               / Herbst können als robust angesehen werden.
Modellkette verbunden:
Eine erste beträchtliche Unsicherheit liegt in der
Wahl des Emissionsszenarios. Diese Unsicherheit ist
nicht quantifizierbar.
Eine zweite Unsicherheit entsteht durch die globale
und regionale Klimamodellierung. Diese können wir
abschätzen, indem wir für unsere Zielgrössen die
Standardabweichung      der    10    verschiedenen
Modellketten berechnen. Für den mittleren
Jahresabfluss im Gougra-Einzugsgebiet ist die

                                                         13
erwarten sind. Diese könnten zu häufigerem
Auswirkungen auf den Betrieb                                         Abwärtsleiten bei den Wasserfassungen führen.
                                                                 •   Das Maximum der Spitzenabflüsse soll ab 2021-2050
                                                                     früher in der Saison eintreffen und dann abnehmen,
Die Resultate des Modelles PREVAH, für die                           was eine Anpassung der Betriebsweisungen
Teileinzugsgebiete Navizence, Moiry und Moming, deuten               verursachen wird, damit mögliches Einleiten
auf folgende betriebliche Auswirkungen für das Kraftwerk             vermieden werden kann.
Gougra:                                                          •   Im Allgemeinen sind im Herbst und Winter höhere
•   Die Entwicklung des jährlichen Wasservolumens zeigt              Zuflüsse zu erwarten im Hinblick auf den Anstieg der
    in einer ersten Phase eine Zunahme der Wasserzufuhr              Schneefallgrenze      und    die    Zunahme      der
    in dem Staubecken Moiry. Diese Zunahme wird aber                 Niederschlagsmengen in diesen Perioden. Jedoch soll
    von kurzer Dauer und wenig spürbar sein. Mit dieser              dies zu keiner Investition zur Steigerung der
    Perspektive zeigt sich, dass das Volumen des Stausees            Installationskapazitäten führen, da die globalen
    und      die    aktuelle    Turbinenkapazität   nicht            Mengen der Zuflüsse und der Spitzenabflüsse in
    unterdimensioniert sind.                                         Zukunft abnehmen werden und damit die
                                                                     Ertragsfähigkeit des Wasserkraftwerkes.
•   Die modellierte Zunahme der Abflüsse aus dem
    Teileinzugsgebiet Moming lässt vermuten, dass das            •   Eine erneute Überprüfung der Restwassermengen
    gleiche für die Einzugsgebiete Weisshorn und Zinal               abwärts der Wasserfassungen soll in Zusammenhang
    gilt. Diese Feststellung würde zugunsten des Projekts            mit dem neuen Bundesgesetz über den Schutz der
    "Adduktion Zinal" sprechen, welches zum Ziel hat das             Gewässer (GSchG 1991) und der Abnahme der
    Wasser dieser Teileinzugsgebieten mit neuen                      Gewässerabflüsse (Q347) verglichen mit dem bis
    Fassungen direkt in den Stausee Moiry zu leiten, und             heute beobachtetem vergangenem Durchschnitt
    auf der Stufe Moiry-Mottec zu nutzen.                            unternommen                               werden.

•   Die Prognose der täglichen Entwicklung der
    hydrologischen Zuflüsse könnte bedeuten, dass zu
    gewissen Perioden (über das Jahr), erhöhte Spitzen zu

                                                            14
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

                                                             -    Für     den    Gesamtabfluss      im    Gougra-
Basierend auf den aktuellsten Klimavorhersagen der                Einzugsgebiet bedeutet dies eine markante
ETH Zürich und den jüngsten Gletscherszenarien der                zeitliche Veränderung der Jahres-Ganglinie mit
Universität Zürich wurden für das Einzugsgebiet der               einem um 5 bis 8 Wochen früheren Abfluss-
KW Gougra AG die hydrologischen Veränderungen                     Maximum       (ungefähr in       der    gleichen
für die Zeiträume 2021-50 (nahe Zukunft) und 2070-                Grössenordnung wie heute) und einer
99 (ferne Zukunft) berechnet. Dabei wurde mit                     verlängerten abflussarmen Periode.
PREVAH ein Modell verwendet, das seit fast 10                -    Für den Zeitraum bis zum Ende des
Jahren in vergletscherten und Schnee-beeinflussten                Jahrhunderts sagt das Modell eine leichte
Gebieten getestet worden ist und sich bewährt hat.                Abnahme des Jahresabflusses voraus (8%±4%).
Der Vergleich mit Abflussdaten der KW Gougra AG,                  Dieses Änderungssignal ist kleiner als die
mit Schneeprodukten des SLF attestiert dem Modell                 natürliche Variabilität zwischen den Jahren, die
eine gute bis sehr gute Performance.                              wir bereits heute beobachten.
Auch wenn die in diesem Gebiet prognostizierte               Abschliessend wurden die Auswirkungen auf den
Änderung des Niederschlags und der Gletscher noch            Betrieb qualitativ vom Kraftwerkbetreiber grob
mit grossen Unsicherheiten verbunden ist, können             beurteilt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Klima-
trotzdem klare Aussagen gemacht werden, wie sich             bedingte Änderung keine strukturelle Anpassung
die Hydrologie verändern wird:                               der Installationen hervorrufen wird. Global
 -   Die Mächtigkeit der Schneedecke wird sich in            betrachtet ist ab 2021-2050 wegen der
     dieser Zeit sehr stark (bis Ende des                    abnehmenden Zuflüsse mit einer Abnahme der
     Jahrhunderts um über die Hälfte) verringern.            Ertragsfähigkeit der Kraftwerke zu rechnen. Die in
     Die Schneeschmelze wird um mehrere Wochen               Zukunft zunehmenden Abflüsse, aus stark
     vorverschoben und fällt kürzer aus als bisher.          vergletscherten hoch gelegenen Teileinzugsgebieten
 -   Die Gletscher-Schmelze wird (besonders in               wie Glacier de Moming, würden für eine direkte
     erhöhten Lagen) intensiver, aber die                    Fassung des Wassers und die Zuleitung in den
     schmelzende Gletscherfläche wird gleichzeitig           Stausee Moiry sprechen, wo es zusätzlich auf der
     kleiner. Daraus resultiert für das gesamte              Stufe Moiry-Mottec verwertet werden kann.
     Einzugsgebiet eine leichte Abnahme des
     Gletscher-Schmelzabflusses.
 -   Bezüglich           Verdunstung              und
     Bodenwasserspeicherung         werden        nur
     unwesentliche Änderungen erwartet.

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Literatur

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ungauged mesoscale catchments of Switzerland – Part II: Parameter regionalisation and flood estimation
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A. Schleiss

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Anhang

Abb. A1: Simulierter (rot) und gemessener (schwarz) täglicher natürlicher Abfluss des Teileinzugsgebiets Zinal.

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Abb. A2: Veränderung des durchschnittlichen jährlichen Niederschlages (P-kor), Verdunstung (EREA), Gesamtabfluss (RGES),
Gletscherschmelze (GLAC) und Schneeschmelze (P-SME) für den Zeithorizont 2021-50 (farbige Linien) im Vergleich zur
Referenzperiode 1980-2009 (schwarze Linie). Die farbigen Linien entsprechen 10 Simulationen mit demselben hydrologischen
Modell (PREVAH), aber 10 verschiedenen Klimamodellketten.

Abb. A3: Veränderung des durchschnittlichen jährlichen Niederschlags (P-kor), Verdunstung (EREA), Gesamtabfluss (RGES),
Gletscherschmelze (GLAC) und Schneeschmelze (P-SME) für den Zeithorizont 2070-99 (farbige Linien) im Vergleich zur
Referenzperiode 1980-2009 (schwarze Linie). Die farbigen Linien entsprechen 10 Simulationen mit demselben hydrologischen
Modell (PREVAH), aber 10 verschiedenen Klimamodellketten.
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Tabelle A1:         Veränderung des natürlichen Jahresabflusses in ausgewählten Teileinzugsgebieten der Gougra gegenüber
                    Referenzperiode 1980-2009.

Teileinzugsgebiet             Moiry Glacier Weisshorn Glacier Moming     Lona      Turtmann Navisence à Vissoie
Fläche (km2)                    28.68              5.84             4.24      5.96        28     57.68
Änderung 2021-50 (mm)               -61                -653                 286          -18      -221         15
Änderung 2021-50 (%)             -5.5%               -38.8%               16.2%       -2.1%     -13.8%       2.2%
Unsicherheit (=Std.abw.)          4.9%                 3.4%               10.6%        2.4%       8.5%       3.0%

Änderung 2070-99 (mm)             -127                 -696                 632          -60      -280         -16
Änderung 2070-99 (%)            -11.5%               -41.3%               35.8%       -6.9%     -17.4%      -2.4%
Unsicherheit (=Std.abw.)          4.2%                 3.2%               15.2%        4.7%       6.2%       5.3%

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