Klimawandel als waldbauliche Herausforderung
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Klimawandel als waldbauliche Herausforderung Peter Brang Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (CH)* Harald Bugmann Waldökologie, Institut für Terrestrische Ökosysteme, ETH Zürich (CH) Anton Bürgi Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (CH) Urs Mühlethaler Waldökologie, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft (CH) Andreas Rigling Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (CH) Raphael Schwitter Fachstelle für Gebirgswaldpflege (CH) Climate change as a challenge for silviculture Climate change is about to change many site factors relevant for forest dynamics, and is therefore posing a great challenge for silviculture. We review the options for addressing this challenge and provide recommendations. In general, forest management should aim at increasing the adaptive capacity of the forests, enhancing their resistance to disturbance, and at reducing negative impacts of increased disturbances on forest products and services. The key to coping with climate change lies in enhancing the proportion of tree species adapted to fu- ture climate, and, in response to the uncertainties associated, in promoting the diversity of tree species and provenances. Additionally, fostering diversity in forest structure is likely to reduce risks and secure forest prod- ucts and services. Strategic silvicultural options include mapping the sensitivity of sites and stands to climate change, adapting the target species compositions and choosing an appropriate silvicultural system. At an oper- ational level, silvicultural options to increase tree species diversity include artificial regeneration, tending young stands, regeneration cuts and the reduction of ungulate impact. Other options are the premature final felling of stands and wildfire prevention. As the site conditions are undergoing change, the two cornerstones of close- to-nature silviculture “species selection based on (current) site conditions” and “preference for natural regener- ation”, need revision. A flexible approach to forest management is advocated since the reactions of the forest to climate change cannot be accurately predicted. Keywords: silviculture, global climate change, forest management, adaptive capacity, resistance, tree species doi: 10.3188/szf.2008.0362 * Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, E-Mail brang@wsl.ch A ls Folge des Klimawandels ändern sich wich ren Wirksamkeit und leiten daraus vorläufige, allge tige ökologische Rahmenbedingungen für meine Empfehlungen ab, die für alle Standorte und den Wald. Es ist anzunehmen – und erste Waldbauziele gültig sind. Vor spezifischen Wald Hinweise dafür bestehen bereits (Rigling et al baurezepten für bestimmte Standorte möchten wir 2004) –, dass die erwarteten ausgeprägteren und häu hingegen angesichts der grossen Unsicherheiten figeren Trockenperioden (Frei et al 2007) die Bäume warnen. schwächen, auch wenn sich dies auf mittleren Stand Bezüglich Klimawandel gehen wir von den orten im Zuwachs kaum zeigt (Zingg & Bürgi 2008, Trends aus, die in den heute wahrscheinlichsten Sze in diesem Heft), und sie anfälliger für Schadinsek narien A1 und B2 des Uno-Klimarates (IPCC) bis ins ten wie den Borkenkäfer machen (Engesser et al Jahr 2080 erwartet werden, mit einer mittleren Er 2008, in diesem Heft). Zudem dürften sie die Wald wärmung um 3.4–6.1 °C (IPCC 2007). In der Schweiz brandgefahr erhöhen, und zwar zunehmend auch dürfte die Niederschlagsmenge im Winter um zirka auf der Alpennordseite (Schumacher et al 2006). 20% zunehmen, im Sommer um 5% abnehmen (Frei Auch pathogene Organismen dürften häufiger auf et al 2007). Eine genauere Festlegung des zugrunde treten oder virulenter werden (Engesser et al 2008). gelegten Szenarios ist für waldbauliche Empfehlun Insgesamt besteht ein Trend zu häufigeren und in gen nicht zweckmässig; vielmehr muss der Waldbau tensiveren Störungsereignissen. Umgekehrt dürfte berücksichtigen, dass es unsicher ist, welches Szena die Temperaturerhöhung in den höheren Lagen die rio eintreffen wird. Wuchsbedingungen verbessern (Jolly et al 2005). Wie soll nun der Bewirtschafter waldbaulich mit dem Klimawandel umgehen? In diesem Aufsatz beschreiben wir Handlungsoptionen, bewerten de 362 wissen Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373
In vielen Wäldern dürfte die Klimaänderung im jetzt prognostizierten Ausmass wesentliche Stand ortfaktoren (Bolte & Ibisch 2007) und über sie die Prozesse der Verjüngung, des Wachstums und der Mortalität der Waldbäume verändern. Diese Stand ortsveränderung (Abbildung 1) ist neu und nicht nur für den Wald, sondern auch für die Bewirt schaftenden einschneidend. Denn sowohl im Nicht schutzwald (z.B. Schmider et al 1994) als auch in Schutzwäldern (Frehner et al 2005) sind heute die waldbaulichen Empfehlungen nach als konstant be trachteten Standortseinheiten gegliedert. Mit dem Klimawandel wird sich zudem auch das standort spezifische Vorbild der Waldstruktur verändern, das sich im naturnahen Waldbau teilweise an die ver bliebenen Urwaldreste anlehnt (Brang 2005). Auch diese werden sich wandeln und damit als quasista tische Referenzen verloren gehen. Der Wald und seine Bewirtschaftung müssen sich also an den Klimawandel anpassen. Langfristig wird auf vielen Standorten ein Baumartenwechsel Abb 1 Aronstab- Das Ziel: anpassungsfähige und nötig. Daher ist die Anpassungsfähigkeit (Gunder Buchen-Mischwald störungsresistente Wälder son 2000) der Waldökosysteme wichtig. Diese An (Aro-Fagetum) im passung kann einerseits durch natürliche Prozesse Frühjahr. Der Klima- Der Standort (Klima, Boden, weitere Standort erfolgen, zum Beispiel durch die Verschiebung der wandel dürfte auch faktoren) bestimmt die natürliche Waldgesellschaft Konkurrenz, aber auch durch abiotische oder bioti diesen Standort wärmer und trockener und das Störungsregime (Pickett & White 1985). Da sche Störungen (Wohlgemuth et al 2008, Engesser machen. raus ergibt sich die standortseigene Walddynamik et al 2008, beide in diesem Heft), welche eine An mit den Teilprozessen Verjüngung, Wachstum und passung erzwingen. Andererseits kann im Zuge ge Mortalität. Falls ein Wald aufgrund der natürlichen planter waldbaulicher Eingriffe, vor allem bei der Abläufe die vom Menschen gewünschten Güter und Verjüngung, die Anpassung unterstützt oder gar vor Leistungen nicht in genügendem Ausmass produzie weggenommen werden. Dies ist besonders dann vor ren beziehungsweise erbringen kann, wird waldbau zuziehen, wenn die natürlichen Prozesse die von den lich eingegriffen (Burschel 1994). Menschen erwarteten Leistungen des Waldes gefähr Bei der Lenkung der Waldentwicklung ist den (z.B. den Schutz vor Naturgefahren). Es ist aber immer mit erheblichen Unsicherheiten zu rechnen. auch möglich, die Anpassung hinauszuzögern, in Der Anteil der Schadholzmengen an der gesamten dem man mit waldbaulichen Eingriffen Wälder re Holznutzung im Schweizer Wald, als Indikator für sistenter zu machen versucht, sodass sie Störungs die Steuerbarkeit der Waldentwicklung, lag von 1982 ereignisse ohne wesentliche Veränderung überstehen bis 2006 bei durchschnittlich 27% (Schweizerische (Grimm & Wissel 1997) und so später als geplant ver Forststatistik und schriftliche Mitteilung von Franz jüngt werden können. Das Konzept der «Resilienz» Meier, WSL). Dieser Anteil der Holzmenge wurde also hingegen, d.h. der Fähigkeit, nach einer Störung wie nicht aufgrund der Planung, sondern als Reaktion der in den Ausgangszustand zurückzukehren (Grimm auf Störungen genutzt oder im Wald stehen oder & Wissel 1997), kann auf diesen Fall nicht sinnvoll liegen gelassen. Erhöhte Störungsniveaus treten oft angewendet werden, denn die Rückkehr in den Aus bei starken Abweichungen von der natürlichen gangszustand vor der Störung ist mindestens bezüg Waldentwicklung auf. Beispiele dafür sind die hö lich einiger Waldeigenschaften (z.B. Artengarnitur) here Sturm- und Borkenkäferanfälligkeit von reinen kaum möglich und daher als Ziel unrealistisch. Viel Fichtenbeständen in der Buchenwaldstufe und man mehr sollte sich ein Wald entwickeln, der an das che Misserfolge mit exotischen Baumarten in der Klima der folgenden 50 bis 200 Jahre angepasst ist. Schweiz (Bürgi & Diez 1986, Schwager 1979). Aber Die waldbaulichen Handlungsoptionen als auch in Urwäldern der gemässigten Zone ist mit Reaktion auf die Klimaänderung lassen sich in fünf durchschnittlichen jährlichen Störungsraten von 0.5 Kategorien einteilen (vgl. Millar et al 2007): bis 2.0% der Waldfläche zu rechnen (Runkle 1985). 1) den jetzigen Waldbau unverändert weiterführen, Unplanbare Einflüsse durchkreuzen die Absichten 2) mit waldbaulichen Massnahmen die Klimaände des Bewirtschafters also immer erheblich, und die rung selbst vermindern, Entwicklungen im Ökosystem Wald sind somit nur 3) die Anpassungsfähigkeit des Waldes gegenüber begrenzt steuerbar. Standortsveränderungen erhöhen, Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373 connaissances 363
4) die Resistenz des Waldes gegenüber Störungen er rien sehr anfällig, anfällig, robust. Ob die Störun höhen, gen primär mit dem Klimawandel zu tun haben, 5) die negativen Auswirkungen von Störungen auf spielt dabei keine Rolle. Ein Bestand einer nur we Produkte und Leistungen des Waldes für den Men nig trockenheitsresistenten Baumart auf einem be schen vermindern. reits heute trockenen Standort würde zum Beispiel Die ersten zwei Handlungskategorien verwer als sehr anfällig klassiert. Das Resultat einer Sensiti fen wir von vornherein, die erste, weil sie angesichts vitätsklassierung könnten Karten mit Waldflächen des Ausmasses des Klimawandels unvernünftig sein, die besonders beobachtet werden sollten, auf scheint, die zweite, weil sie, zumindest in einem klei denen ein Baumartenwechsel nötig ist oder die rasch nen Land wie der Schweiz, unwirksam sein dürfte. umgewandelt werden sollten (Riou-Nivert 2007). Die Sensitivitätsklassierung könnte auch die Bedeutung der Waldwirkung einbeziehen. Eine Sensitivitäts Auslegeordnung waldbaulicher klassierung wäre rasch flächendeckend umgesetzt Handlungsoptionen und wirksam, denn wichtige Grundlageninforma tionen – Standorts- und Bestandeskarten – sind vie Der waldbauliche Werkzeugkasten enthält lerorts vorhanden. eine Reihe waldbaulicher Handlungsoptionen (Ta belle 1). Wir unterteilen sie in strategische Optionen Anpassung des Bestockungsziels (z.B. die Anpassung der Bestockungsziele) und in Das Bestockungsziel ist zusammen mit der Be operative Optionen (z.B. Massnahmen der Jung triebsart (Niederwald, schlagweiser und ungleich waldpflege). förmiger Hochwald etc.) und der Verjüngungsform (z.B. Femelschlag) die wichtigste strategische Festle Sensitivitätsklassierung von Beständen gung der Waldbewirtschaftung. Die heutigen Besto und Waldstandorten ckungsziele müssen angesichts des Klimawandels Eine Sensitivitätsklassierung von Beständen überdacht werden. Zentral ist dabei eine bessere und Standorten (Waldgesellschaften) ist eine wich R isikoverteilung (Knoke & Hahn 2007) mit einer tige Grundlage für die waldbauliche Planung. Sie höheren Anzahl Baumarten. bezweckt, mögliche Störungen früh zu erkennen, Die klimatischen Ansprüche von Baumarten indem das Monitoring bei grosser Störungsanfällig lassen sich mit sogenannten Klimahüllen darstellen keit besonders intensiv durchgeführt wird, die wei (Guisan et al 2007, Kölling et al 2007), also reali ter unten beschriebenen Vorsorgemassnahmen rich sierten oder potenziellen Klimabereichen und wei tig zu priorisieren und im Störungsfall rasch handeln teren Standorteigenschaften, beispielsweise der Was zu können (Riou-Nivert 2007). Die Klassierung serspeicherkapazität des Bodens. Daraus kann man könnte grob sein, zum Beispiel mit den drei Katego abschätzen, ob Baumarten wegen des Klimawandels Areale verlieren oder gewinnen dürften. Ein ande rer Ansatz ist die Simulation mit dynamischen Mo Ziele dellen: Mit ihnen können langfristige Gleichge Handlungsoption Förderung Verminderung Erhöhung wichtszustände der Baumartenzusammensetzung der Anpassungs negativer der Resistenz fähigkeit Auswirkungen bei wärmerem Klima abgeleitet werden (Zimmer Strategische Optionen mann & Bugmann 2008, in diesem Heft). Zudem Sensitivitätsklassierung kann die Entwicklung der Waldstruktur und -zusam m k k von Beständen/Standorten mensetzung während des Klimawandels abgeschätzt Anpassung der werden (Bugmann 1997, Lindner et al 2000). Beide m l l Bestockungsziele A nsätze zeigen für den erwarteten Klimawandel er Wahl von Betriebsart und hebliche Verschiebungen in der Verbreitung ein m l Verjüngungsform zelner Arten und in den Mischungen an. Sie weisen Operative Optionen damit auf die Notwendigkeit hin, die Bestockungs Pflanzung/Saat m l ziele anzupassen. Man könnte dabei von eigentli Jungwaldpflege m l chen neuen Baumartenportfolios sprechen. Für die Schweiz haben Zimmermann et al (2006) die Aus Durchforstung m k wirkungen des Klimawandels auf eine Reihe von Verjüngungshiebe m Baumarten untersucht. Demnach sind für die meis Vorzeitige Nutzung k k ten Baumarten starke Arealverschiebungen zu erwar Feuerschneisen, k k ten, wobei sich vor allem die Eichenarten stark aus Reduktion Brandgut breiten dürften. Die Areale vieler anderer Baumarten Reduktion Wildeinfluss k l dürften hingegen stark zurückgehen und sich oft nur Tab 1 Waldbauliche Handlungsoptionen, zugeteilt zu Zielen. Zeitdauer, bis Wirkung ein- noch wenig mit den heutigen Arealen überlappen tritt: k: kurzfristig (< 20 Jahre), m: mittelfristig (20–50 Jahre), l: langfristig (> 50 Jahre). (Zimmermann & Bugmann 2008, in diesem Heft). 364 wissen Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373
Überraschungen können sich auch ergeben, wenn Pathogene auftreten. Weiterhin ist zu beachten, dass das zukünftige Klima unter Umständen heute kein Pendant besitzt (z.B. bezüglich Klimavariabilität); in solchen Fällen lässt sich die Reaktion der Baum arten aufgrund von Analogieschlüssen nicht gut abschätzen. Ein Bestockungsziel ist rasch umgeschrieben, doch seine Umsetzung im Wald dauert viele Jahr zehnte, ausser sie werde durch Störungen in nicht zielkonformen Beständen beschleunigt. Zur Umset zung eines neuen Bestockungsziels sind Verjün gungshiebe, Kunstverjüngung und Jungwaldpflege am wirksamsten. Beim Bestockungsziel ist das Kriterium «stand ortheimisch» noch stärker als bisher zu hinterfragen (Abbildung 3). Schon bis anhin stellte sich die Frage, welcher historische Zustand herangezogen wird, um Abb 2 Traubeneichen-Buchen-Bestand bei Osterfingen, Kanton Schaffhausen eine Baumart als standortheimisch zu deklarieren, (Naturwaldreservat Steibruchhau). Bei Analogieschlüssen von solchen Trockenstandorten denn in den letzten 10 000 Jahren waren auf den auf heute noch feuchtere Waldgesellschaften ist Vorsicht geboten. meisten Standorten schon mehrere Baumarten standortheimisch (Burga & Perret 1998). Zudem ist infolge der weit verbreiteten Pflanzungen der letz ten rund 150 Jahre oft unklar, ob eine Provenienz tatsächlich standortheimisch war. Standortheimi sche Baumarten haben in dem Sinn weiterhin ihre Bedeutung, dass autochthone Provenienzen erhal ten werden sollen – wobei diese zum Teil an andere Orte, zum Beispiel um einige Hundert Meter nach oben, verschoben werden müssen. Ein striktes Festhalten an standortheimischen Baumarten schränkt den Spielraum bei der Baumar tenwahl ein. Wenn sich ein Standort verändert, eig nen sich auf ihm auch zunehmend andere Baum arten – einerlei, ob sie vorher heimisch waren oder nicht. Die Baumarten müssen aber standortgerecht sein, d.h., sie müssen sich unter den Standortbedin gungen gut entwickeln und natürlich verjüngen können und sie dürfen den Standort nicht schädi gen. Wo eine Baumart an ihre ökologische Grenze kommt, wie die Föhre im Zentralwallis (Rigling et al Abb 3 Standortheimische Fichtenjungpflanze im trocken-warmen Sommer 2003 in einer 2004), ist nach Alternativen zu suchen, d.h. nach Bestandeslücke bei Ruschein, Kanton Graubünden. anderen Provenienzen oder Baumarten. In diesem Zusammenhang sind auch exoti sche Baumarten ohne Tabus zu bewerten. Für jede Dass Artengemeinschaften als Ganze geogra Baumart, sei sie in der Region heimisch oder nicht, fisch wandern werden, ist unwahrscheinlich. Ge sind die Chancen und Risiken unvoreingenommen wisse Analogieschlüsse von Beständen in heute tro zu beurteilen. Bei Exoten ist vor allem wegen patho cken-warmen Waldgesellschaften oder Regionen genen Pilzen und Insekten besonderer Respekt nö (Abbildung 2) auf solche in feucht-kühlen können tig, und Reinbestände oder erhebliche Anteile am zwar gezogen werden (Mühlethaler 2008), womit Bestockungsziel sind riskant. Diesbezüglich können sich die zu erwartenden Artengemeinschaften und aber auch heimische Baumarten für negative Über Standortverhältnisse schon jetzt näherungsweise raschungen sorgen, wie das Ulmensterben gezeigt untersuchen lassen. Bei solchen Übertragungen ist hat. Schliesslich sollte nicht vergessen gehen, dass aber Vorsicht geboten, gerade für die Übergangs wir in Mitteleuropa mehr waldbauliche Erfahrun phase. Zumindest vorübergehend dürften sich, auf gen mit gewissen Exoten wie der Douglasie haben grund der unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwin als mit wenig häufigen Mischbaumarten wie der Els digkeit der Arten, neue Gemeinschaften bilden. beere. In einer Abwägung kann aber auch ins Ge Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373 connaissances 365
Abb 4 Baumartenviel- wicht fallen, dass exotische Baumarten oft aus Sicht falt: Stieleiche, Esche des Naturschutzes negativ zu bewerten sind (Goss und Salweide auf einer ner & Utschick 2003). Sturmfläche bei Bonfol, Genetische Eigenschaften der Baumarten, be Kanton Jura. sonders die genetische Vielfalt und die phänotypi sche Plastizität als Mass, in dem der Phänotyp eines Organismus durch seinen Genotyp vorherbestimmt ist, gewinnen an Bedeutung. Da die Unsicherheit bezüglich der Klimaentwicklung gross ist, muss in Zukunft stärker auf genetische Vielfalt geachtet werden, zum Beispiel durch Beimischung von Pro venienzen von Standorten mit heute schon wärme kurrenzverhaltens der Baumarten beantwortet. Ein rem oder trockenerem Klima (Ledig & Kitzmiller zelmischungen im Hauptbestand wurden dann emp 1992). Dabei ist allerdings mit Zuwachsverlusten und fohlen, wenn keine Baumart dominiert (Schütz 1990, klimatischen Risiken (Fröste) zu rechnen. Zu beach Von Lüpke 2004; z.B. Buche–Fichte–Tanne oder ten ist zudem, dass ein grosser Teil der genetischen Ahorn–Esche–Kirschbaum), sonst wurden Baumarten Vielfalt bei Bäumen bereits auf Bestandesniveau auf räumlich getrennt. Wo eine dauernde Bestockung tritt (Ståhl & Koski 2000). Es ist also gut möglich, wichtig ist, legt der Grundsatz der Risikoverteilung dass Mischungen aus verschiedenen Provenienzen nun nahe, einzel- und truppweise Mischungen und genetisch gar nicht wesentlich vielfältiger sind als auch vertikale Mischungen (Hauptbestand, Neben Bestände aus einer einzelnen Provenienz. bestand) stärker als bisher zu verwenden. Im Zwei Bei der Wahl der Baumarten sind solche mit felsfall ist die feinere Mischungsart zu wählen und kurzer Umtriebszeit (Produktionszeitraum) bei un eine (heute) konkurrenzschwache Baumart zu erhal sicherer Klimaentwicklung tendenziell zu bevorzu ten. Dabei dürften sich die Konkurrenzverhältnisse gen. Denn falls sich herausstellen sollte, dass eine längerfristig verändern; jetzt noch oft zurückblei Baumart die eintretenden Belastungen nicht gut ver bende Baumarten wie die Eiche könnten zum Bei trägt, ist bei kurzer Umtriebszeit eine Umstellung spiel bei häufigerem Trockenstress heute dominan auf andere Baumarten rascher und mit kleineren ten wie der Buche ebenbürtig werden. ökonomischen Verlusten möglich. Bis eine Baumart durch eine andere vollstän Das Bestockungsziel ist auch mit der Frage der dig ersetzt ist, dauert es grundsätzlich eine Umtriebs Mischungsart verknüpft: Sollen Baumarten in einem zeit, d.h. bei den heute verwendeten Baumarten in Bestand einzeln, truppweise (5–20 Aren) oder horst der Regel über 100 Jahre. Dieser Prozess kann aber weise (20–50 Aren) gemischt werden? Oder reicht durch Störungen, die Nutzung einer unerwünsch die Mischung in ganzen Landschaftskammern? Bis ten Baumart vor Erreichen ihrer Umtriebszeit und jetzt wurde diese Frage vor allem aufgrund des Kon durch die Mischungsregulierung bei Jungwald 366 wissen Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373
nisse im Femelschlagsystem erleichtert es, für Baum arten mit unterschiedlichen Ansprüchen Nischen zu schaffen und so die Baumartenvielfalt zu fördern (Abbildung 4). Im Dauerwald ist es zudem auch schwieriger, schon jetzt ökologische Nischen für tro ckenstressresistente Baumarten und Provenienzen zu schaffen und zu deren Erhaltung die natürliche Selektion zu nutzen. Der Unterschied zwischen den Betriebsarten alleine ist aber nicht ausschlaggebend. Er muss zu sammen mit anderen, zum Beispiel ökonomischen Unterschieden bewertet werden. Dabei ist zu beach ten, dass bei jedem System infolge von Störungen zunehmend grössere Freiflächen entstehen dürften. Die Erfahrung zeigt, dass solche im Dauerwald sel tener vorkommen, auch wenn dies bisher in wissen schaftlichen Studien nicht überzeugend quantifi ziert werden konnte (Dobbertin et al 2002, Dvorák et al 2001). So könnte die kleinflächige Struktur diversität im Dauerwald die Ausbreitung von Patho genen behindern. Zudem wird im Dauerwald räum lich gut verteilt die Verjüngung in Wartestellung unter Schirm oder in kleinen Lücken gefördert (Abbildung 5), was die Geschwindigkeit der Wieder bewaldung nach einer Störung erhöht. Solche Vor verjüngungen sind auch im Femelschlag möglich. Die Wiederbewaldung grosser Kahlflächen nach Störungen bietet die Gelegenheit, innere Wald ränder anzulegen und so die Sturmgefährdung zu vermindern. Möglich ist das auch bei geplanter Ver jüngung durch sogenannte Freihiebe. Kunstverjüngung Aus den Vorteilen der Naturverjüngung – ge Abb 5 Tannen pflege und Durchforstungen beschleunigt werden. ringe Begründungskosten, weniger Wildverbiss, verjüngung unter Konkrete Hinweise für die mögliche Geschwindig keine Wurzeldeformationen – wurde in den letzten Schirm. Unterägeri, keit von Baumartenwechseln geben die Veränderun zwei Jahrzehnten beinahe ein Zwang zur Naturver Kanton Zug. gen zwischen dem ersten und dem zweiten Landes jüngung. In der Schweiz bestehen zwar aufgrund des forstinventar: In der Region Mittelland nahm zum naturnahen Waldbaus und der ausgeprägten Höhen Beispiel in dieser Zeit der Volumenanteil der Föhre gradienten gute Voraussetzungen, durch Naturver um 11% ab und derjenige des Bergahorns und der jüngung eine grosse Baumartenvielfalt zu erreichen. Esche um 22% zu, bei Anteilen unter 5% (Brassel & Wir können aber nicht davon ausgehen, dass die Brändli 1999). Baumarten über die natürliche Verbreitung mit dem Klimawandel Schritt halten können. Die Bei Wahl von Betriebsart und Verjüngungsform mischung von Baumarten und Provenienzen von Von strategischer Bedeutung ist der Entscheid, wärmeren Standorten zur Naturverjüngung ist des ob der Wald im Femelschlagsystem oder im Dauer halb eine wichtige waldbauliche Handlungsoption, waldbetrieb (mit den Unterformen Plenterwald, mit der sich die Anpassung beschleunigen und die Gruppenplenter- und Gebirgsplenterwald) bewirt Diversität erhöhen lässt. schaftet wird. Der Dauerwald begünstigt Schatten- und Halbschattenbaumarten wie Buche, Tanne und Jungwaldpflege Fichte, da diese sich auch mit wenig Licht verjüngen Die Jungwaldpflege ist die letzte Gelegenheit, können, sei es in kleinen Bestandeslücken oder un die Baumartenzusammensetzung eines Bestandes ter Schirm (Schütz 1992, 1999a, Von Lüpke 2004). noch stark zu verändern. Wegen der starken Ratio Sollen lichtbedürftige Baumarten erhalten oder ge nalisierung der Jungwaldpflege (Ammann 2005) fördert werden, sind meist wiederholte Pflegeein spielt im Jungwald zunehmend die natürliche Selek griffe nötig, zum Beispiel zugunsten von Eichen. Die tion: Die konkurrenzstarken Baumarten setzen sich grössere Amplitude der Licht- und Wasserverhält durch, die anderen fallen aus (Abbildung 6; Von Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373 connaissances 367
Abb 6 Buchendickung Lüpke 2004). Ohne Jungwaldpflege sind trocken Durchforstungen sind vor allem in jüngeren Bestän auf einer Lothar-Sturm- heitsresistentere Baumarten unter einem heute noch den wirksam, bei Laubbäumen wie der Buche aber fläche bei Diessen kühl-feuchten Klima benachteiligt, so zum Beispiel auch noch später. Bei wenig Niederschlag lässt sich hofen, Kanton Thur- die Eiche gegenüber der Buche (Mühlethaler et al mit Durchforstungen oder einer Reduktion der gau. Die Entwicklung 2008, Otto 2008). Die Jungwaldpflege wird daher Kraut- und Strauchschicht allenfalls auch Trocken eines Buchenrein bestandes ist auch mit zur Erhaltung solcher Baumarten und der Baum stress vermindern (Allen & Breshears 1998). Pflegeeingriffen kaum artenvielfalt insgesamt wieder wichtiger. Allfällige mehr zu verhindern. Zusatzaufwendungen in der Jungwaldpflege zuguns Verjüngungshiebe ten einer grösseren Baumartenvielfalt sind die Ver Über die Gestaltung der ökologischen Be sicherung für den Fall, dass eine Baumart ausfällt. dingungen kann die Baumartenzusammensetzung in der Verjüngung – vor allem im Femelschlag Durchforstung system – stark beeinflusst werden. Bisher geschah Mit Durchforstungen lassen sich, allerdings dies vorwiegend über eine Steuerung der Lichtver in geringerem Ausmass als mit der Jungwaldpflege, hältnisse. In Zukunft sollte auch vermehrt die konkurrenzschwächere Baumarten erhalten. Auch Wasserversorgung durch Grösse und Exposition von lässt sich der Produktionszeitraum erheblich verkür Hieben gesteuert werden: Die Konkurrenzkraft tro zen (Hein 2007), was beispielsweise die Störungsan ckenheitsresistenter Baumarten könnte so erhöht fälligkeit der Bestände gegenüber Sturm reduziert. werden. Eichen dürften zum Beispiel gegenüber Ihr Haupteffekt im Zusammenhang mit dem Klima Buchen konkurrenzfähiger sein auf einer Schlag wandel ist aber eine gewisse Erhöhung der individu fläche, die an einem nach Südost statt nach Ost ellen Störungsresistenz gegenüber Sturm und Schnee oder Nordost gerichteten Schlagrand liegt. Dabei last und die Verbesserung der Vitalität der Bäume. sind Vitalitätsprobleme an Schlagrändern zu beach 368 wissen Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373
ten. Zudem könnte die Bauma rtendiversität durch Massnahmenbewertung vielfältige Hiebsarten und Expositionen der Schlag flächen erhöht werden. Im Gebirgswald sind hier Von den oben beschriebenen Massnahmen a llerdings die Einschränkungen grösser, da auf wirken viele erst langfristig. Es dauert viele Jahr grossen Schlagflächen starke Vegetationskonkurrenz zehnte, die Störungsresistenz des Waldes zu erhö und teilweise auch oberflächliche Austrocknung die hen; etwas kürzer, seine Anpassungsfähigkeit an ein Verjüngung erschweren können. verändertes Klima zu erhöhen. Am raschesten ist es Mit den Verjüngungshieben geht es also heute möglich, negative Auswirkungen der Klimaände viel mehr als in der Vergangenheit darum, nicht nur rung zu begrenzen (Tabelle 1). Der Wald ist also wie eine Verjüngung zu erhalten, sondern die Baum ein träger Ozeandampfer, der seinen Kurs erst lange artenzusammensetzung gezielt zu lenken, um den nach der ersten Drehung am Steuerrad merklich än Jungwald an das Klima anzupassen und langfristig dert. Daher sind die meisten Massnahmen ange auch die Störungsresistenz der Wälder zu verbessern. sichts der grossen Unsicherheiten nicht dringlich; Ungeschickte Verjüngungshiebe können aber auch einige Jahre früher oder später sind nicht entschei die heutige Baumartenzusammensetzung für die dend. Wir raten daher von sofortigen Änderungen nächste Baumgeneration zementieren. der waldbaulichen Praxis ab, wenn diese nur wegen des Klimas erfolgen würden. Angesichts des Aus Vorzeitige Nutzung masses der erwarteten Klimaänderung und von Bei stark gefährdeten Beständen, beispiels deren Folgen für den Wald und seine Produkte und weise Fichtenreinbeständen auf trockenen Schotter Leistungen ist es aber wichtig, jetzt Strategien für böden im Mittelland, sind eine vorzeitige Nutzung einen an den Klimawandel angepassten Waldbau zu derselben und ein anschliessender Baumartenwech era rbeiten und diese danach auch umzusetzen. sel zu prüfen. Eine solches Vorgehen verhindert die Kurzfristig wirksam sind eine Sensitivitäts Holzentwertung durch Störungen. klassierung der Bestände und Standorte sowie die vorzeitige Nutzung stark gefährdeter Bestände. Der Feuerschneisen und Reduktion Schwerpunkt der übrigen Massnahmen liegt bei sol des Brandguts chen, welche die Baumartenzusammensetzung än Auf der Alpennordseite besteht erst wenig Er dern: Die Anpassung des Bestockungsziels, Kunst fahrung mit waldbaulichen Massnahmen zur Re verjüngung, Jungwaldpflege, Verjüngungshiebe und duktion der Brandgefahr wie Feuerschneisen, Baum die Reduktion des Wildeinflusses sind alle darauf artenwahl und dergleichen. Wie wirksam solche ausgerichtet. Die Baumart ist der Schlüssel zur Stö Massnahmen im Vergleich zu organisatorischen und rungsresistenz von Wäldern und zu ihrer Anpas legislativen Massnahmen (Conedera et al 2004) sind, sungsfähigkeit. Auch die Wahl der Betriebsart und ist vorerst in den bereits heute gefährdeten Regio Verjüngungsform ist diesbezüglich wichtig. nen der Schweiz (Alpensüdseite, Wallis) weiter zu Solange nicht klar ist, wie neue standortspe erproben. Dabei könnte ein Nutzungskonflikt zwi zifische Bestockungsziele aussehen, sind die wald schen Naturschutz und anderen Waldleistungen ent baulichen Massnahmen flächendeckend auf die stehen, denn das Belassen von Totholz, insbeson generelle Förderung der Baumarten- und Proveni dere nach Flächenwürfen, erhöht die Brandgefährdung enzvielfalt auszurichten (Abbildung 3; K noke & (Buwal 2000). Hahn 2007, Knoke et al 2008, Von Lüpke 2004). Dies erhöht die Fähigkeit des Waldes, sich selbst an die Reduktion des Wildeinflusses Klimaerwärmung anzupassen. Konkret sollten nur Für die Änderung der Baumartenzusammen in geringen Anteilen vorhandene Baumarten bei Ein setzung ist die Verjüngungsphase sehr wichtig. Die griffen der Jungwaldpflege gefördert werden, beson gewünschte Selektion zugunsten trockenheitstole ders wenn sie sich schwer natürlich verjüngen, eher ranter Baumarten und höherer Vielfalt widerspricht trockenheitsresistent sind und ohne Eingriff durch oft der Selektion durch das Schalenwild, zum Bei konkurrenzstarke Baumarten ausgeschaltet würden. spiel bei der Weisstanne und bei den Eichen- und Förderungswürdig sind zum Beispiel auf Standorten Edellaubholzarten. Künftig dürften mehr Anstren mit schlechter bis mittlerer Wasserversorgung Wald gungen zum Schutz der Verjüngungen oder zur Re föhre, Douglasie, Trauben-, Stiel- und Flaumeiche, gelung der Wildtierdichte nötig werden, weil mehr Spitzahorn und Feldahorn, Mehlbeere, Elsbeere, gepflanzt werden wird und weil gepflanzte Bäume Feldulme, Kirschbaum, Birke, Esche, Winterlinde, oft häufiger verbissen werden als natürlich verjüngte Aspe, Edelkastanie und Nussbaum. Es scheint uns (Reimoser & Gossow 1996). Häufigere, flächige Stö aber zurzeit gefährlich, diese und weitere Baumar rungsereignisse könnten das Äsungsangebot und da ten generell zu empfehlen. Solche Empfehlungen mit auch die Wildlebensräume verbessern, sie kön müssten standortspezifisch sein, wozu es noch ver nen aber auch zu Populationszunahmen führen. tiefter Studien und experimenteller Forschungsar beiten bedarf. Im Gebirgswald muss das Ziel sein, Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373 connaissances 369
Abb 7 Trupppflanzung mit Douglasie auf einer Windwurffläche bei Bülach, Kanton Zürich. Naturverjüngung wird für eine vielfältige B aumartenmischung sorgen. die Vorherrschaft der Fichte zu reduzieren. Dazu sind weise ( Dobbertin 2002), zumindest für Tieflagen alle anderen standortgerechten Baumarten zu för wälder. Die Schneebruchgefahr (Rottmann 1985) ist dern, insbesondere an den oberen Grenzen ihrer Hö in den relativ stark durchforsteten Wäldern der henverbreitung. Schweiz eher gering. Die Bestandesstruktur spielt Auch Ergänzungspflanzungen (Abbildung 7) zwar bezüglich Störungsresistenz eine Rolle, dürfte sind zur Erhöhung der Baumartenvielfalt geeignet. aber gegenüber der Baumartenzusammensetzung Die Naturverjüngung heute konkurrenzschwäche sekundär sein. Allerdings sind im Gebirgswald (und rer Baumarten wie auch ihr Einbringen über Kunst hier besonders im Schutzwald) stark strukturierte verjüngung dürften am besten gelingen, wenn für Bestände aus drei Gründen wichtig: Erstens ist der die jungen Bäume Verhältnisse geschaffen werden, Spielraum bei der Baumartenwahl oft von Natur aus unter denen sie heute schon konkurrenzfähig sind. klein, zweitens sind Schneelasten ein bedeutender Darunter fallen beispielsweise grössere Jungwald Störungsfaktor, und drittens ist nach einer Störung flächen mit trocken-warmen Bedingungen, wie sie die Schutzwirkung rasch wieder zu sichern. Dabei vor allem nach Störungen entstehen. hilft räumlich gut verteilte Vorverjüngung, welche Diese Bewertung der Handlungsoptionen ist weiterhin mit strukturierenden Eingriffen gefördert überwiegend identisch mit Bewertungen aus der werden sollte (Frehner et al 2005). Forstpraxis (Stocker et al 2007, Schmider 2007, Andere Massnahmen haben unserer Meinung Kantonsforstamt St. Gallen 2008). Gegenüber den nach eher Versuchscharakter und sollten daher vor Empfehlungen von Stocker et al (2007) besteht eine erst punktuell in Experimenten mit wissenschaftli erste Differenz bei Kahlflächen, die wir zur Erhö cher Begleitung geprüft werden. Dazu gehört zum hung der Baumartenvielfalt nutzen würden. Eine Beispiel, in Verjüngungen aus heute standortheimi weitere Differenz betrifft die Bedeutung der Natur schen Baumarten Provenienzen von trockeneren verjüngung. Diese schränkt die Vielfalt der Prove Standorten einzubringen oder exotische Baumarten nienzen und Baumarten ein – genau wie die aus wie Zedernarten zu verwenden, bei denen noch we schliessliche Kunstverjüngung. Daher befürworten nig Erfahrung besteht. wir Ergänzungspflanzungen mit entsprechenden Die erwarteten Standortveränderungen dür Massnahmen zum Schutz der Pflanzen vor Wildver fen keinesfalls dazu verleiten, den Wert der Stand biss respektive mit gezielter Wildregulierung. Eine ortkenntnisse und der Standortkartierungen gering dritte Differenz betrifft die Bedeutung von Eingrif zu schätzen. Im Gegenteil, diese werden noch wich fen, welche die Kronenlänge der Bäume erhalten tiger! Es dürfte noch viele Jahre dauern, bis die Kar oder vergrössern und damit deren Vitalität und Stö tierungen klimabedingt überarbeitet werden können. rungsresistenz verbessern sollen. Wir sind eher skep Sowohl Femelschlag- als auch Dauerwälder tisch, was die Wirksamkeit solcher Eingriffe betrifft, haben Vor- und Nachteile. Bezüglich Klimawandel denn dazu gibt es wenige wissenschaftliche Hin spricht die etwas höhere Störungsresistenz für 370 wissen Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373
ngleichförmige Wälder, die leichter mögliche Er u Waldbau wird heute von manchen Bewirt höhung der Baumartenvielfalt für den Femel schaftern dezidiert als Kunst angesehen. Dies ist dem schlag. Mit dem Klimawandel lässt sich eine Um Erkenntnisgewinn abträglich, denn damit wird stellung vom Femelschlag zum Dauerwald oder Waldbau letztlich zur Geschmacksfrage. Unseres Er umgekehrt zurzeit nicht überzeugend begründen. In achtens sollte Waldbau vermehrt zu einer rational beiden Fällen gilt es, in den nächsten Jahrzehnten begründeten, effizient umgesetzten und so gut do die Reaktion des Waldes auf Eingriffe sehr auf kumentierten Technik werden, dass auch die Gene merksam zu verfolgen. Das starre Festhalten an wald rationen nach uns aus der heutigen Waldbehand baulichen Traditionen dürfte hingegen risikoreich lung lernen können. n sein. Es ist eher angezeigt, die Eingriffe zu diversifi Eingereicht: 18. April 2008, akzeptiert (mit Review): 8. August 2008 zieren. 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Past änderung stellt die Bewirtschafter vor eine grosse and future rapid environmental changes: The spatial and Herausforderung, weil sie am standörtlichen Funda evolutionary responses of terrestrial biota. Berlin: Sprin- ment des Waldbaus rüttelt. Das Ausmass und die Ge ger. pp. 441–453. schwindigkeit des Klimawandels sind aber unsicher. BURGA CA, PERRET R (1998) Vegetation und Klima der Schweiz In dieser Situation tritt neben die traditionellen seit dem jüngeren Eiszeitalter. Thun: Ott. 805 p. Waldbauziele mit festgelegten Bestandesstrukturen BÜRGI A, DIEZ C (1986) Übersicht über den Exotenanbau in ein neues Ziel: Der Wald soll in diesem Verände der Schweiz aufgrund einer Umfrage vom Herbst/Winter 1984/85. Schweiz Z Forstwes 137: 833–851. rungsprozess möglichst anpassungsfähig sein, ohne BURSCHEL P (1994) Holzproduktion als ökologische Rechtfer- dass Einbrüche bei seinen Produkten und Leistun tigung des Forstberufes: Eine kritische Betrachtung der gen entstehen. Dazu ist in erster Linie die Risikover Waldfunktionen. Allg Forst Z Waldwirtschaft Umweltvor- teilung durch Baumartenvielfalt, in zweiter Linie die sorge 49: 622–631. Strukturvielfalt der Schlüssel. BUWAL (2000) Entscheidungshilfe bei Sturmschäden im Wald. Angesichts der Unsicherheiten müssen die Bern: Bundesamt Umwelt, Wald Landschaft, Vollzug Um- Bewirtschafter bereit sein, Neues zu lernen. Sie welt. 100 p. CONEDERA M ET AL (2004) La gestione degli incendi boschivi müssen gut beobachten, wie die Wälder auf eintre in Canton Ticino: tentativo di una sintesi storica. Schweiz tende Belastungen reagieren, und die bisherige Pra Z Forstwes 155: 263–277. doi: 10.3188/szf.2004.0263 xis revidieren, falls neues Wissen oder neue Erfah DOBBERTIN M (2002) Influence of stand structure and site fac- rungen dies nahelegen. Sie sollten auch Neues tors on wind damage comparing the storms Vivian and ausprobieren, ihr Handeln gut dokumentieren und Lothar. For Snow Landsc Res 77: 187–205. aus den Resultaten lernen. Das ist mit adaptivem Ma DOBBERTIN M, SEIFERT H, SCHWYZER A (2002) Ausmass der nagement gemeint (Spittlehouse & Stewart 2003). Sturmschäden. Wald Holz 83 (1): 39–42. Hilfreich ist dabei das Prinzip des Opportunismus, DVORÁK L, BACHMANN P, MANDALLAZ D (2001) Sturmschäden in ungleichförmigen Beständen. Schweiz Z Forstwes 152: auch eines der Kennzeichen des naturnahen Wald 445–452. doi: 10.3188/szf.2001.0445 baus (Schütz 1999b): Entwickelt sich ein Wald an ders als geplant, wird das Ziel angepasst. Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 10: 362–373 connaissances 371
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