Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft

 
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Kompass 02/12
Zehn Jahre Energie für Wettbewerb
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Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Inhalt

 2 Editorial 4 Grußwort von EU-Kommissar Günther H.
­Oettinger 6 Grußwort von Bundeswirtschaftsminister
 Dr. Philipp Rösler 8 Grußwort von Bundesumweltminister
 Peter Altmaier 10 Grußwort von Bundesverbraucher­
 ministerin Ilse Aigner 12 Zehn Jahre bne — Stimmen aus
 Politik, Verbänden und Wissenschaft 14 Energie für die
 Märkte von morgen — die Bilderstrecke 22 Zehn Jahre
 bne — Stimmen aus Politik, Verbänden und Wissenschaft
 24 „Wir brauchen die Großen und die Kleinen“ — Garrelt
 Duin und Robert Busch im Gespräch mit Klaus Stratmann
 27 Einfach umgelegt — Ein Kommentar von Andreas
 Mihm 28 „Europäisches Design statt kommunaler Flicken­
 teppich“ — Dr. Hans-Martin Huber-Ditzel stellt sich den
 Fragen von Dr. Joachim Müller-Soares 32 Zehn Jahre
 bne — Stimmen aus Politik, Verbänden und Wissenschaft
 34 Chronik des Wettbewerbs 40 Impressum
                                                Kompass 02/2012 1
Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
2 Kompass 02/2012
Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Liebe Leserinnen und Leser,

zehn Jahre bne – das heißt zehn Jahre unermüdlicher         Dr. Philipp Rösler, Bundesumweltminister Peter Alt-
Einsatz für eine Idee, die nicht immer populär war: Die     maier und Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner
Schaffung offener und transparenter Energiemärkte,          sind sich einig: Der bne hat die Öffnung der Energie-
damit Verbraucher schnell und reibungslos zu einem          märkte maßgeblich vorangetrieben! Was die relevanten
neuen Energieversorger wechseln können. Was ein-            Behörden, die tonangebenden Verbände, die führenden
fach klingt, ist hochkomplex – und schien in einem jahr-    wissenschaftlichen Einrichtungen und die Fraktionen
hundertealten Monopolumfeld kaum durchsetzbar.              im Bundestag vom bne halten, lesen Sie auf den Sei-
Jedenfalls nicht ohne einen klaren gesetzlichen Rah-        ten 12, 22 und 32. Einhelliges Credo: Ohne den bne gäbe
men und eine strikte Regulierung der Monopolberei-          es den Energiemarkt in seiner heutigen Vielfalt nicht!
che. Auch in Zeiten der Energiewende ist das für den               Die Artikel von Klaus Stratmann, Andreas Mihm
bne unverrückbare Maxime.                                   und Dr. Joachim Müller-Soares auf den Seiten 24, 27
        Von der Politik wurde diese Erkenntnis lange        und 28 machen klar: Gerade in Zeiten, in denen sich
­i gnoriert. Vor zehn Jahren gab es keinen gesetzlich ge-   die Paradigmen der Energie­politik vollständig ändern,
 regelten oder gar diskriminierungsfreien Zugang zur        muss auf die innovative Kraft des Marktes gesetzt wer-
 Hauptschlagader des Energiemarktes – den Netzen. Da        den. Dabei braucht die Energiewende klare gesetzliche
 kämpften unabhängige Energieanbieter noch mit              Vorgaben, effiziente Strukturen und strikte Rollenver-
 Dingen wie Punkt-zu-Punkt-Durchleitungen und so-           teilungen unter d­ iskriminierungsfreien, wettbewerb-
 genannten Single Buyern. Willkürlich geschaffene           lichen Bedingungen – und das auch in den kommenden
 Wechselprämien machten Verbrauchern und unab-              zehn Jahren. Mindestens!
 hängigen Anbietern das Leben schwer. Die Quer­
 subven­t ionierung der verbundenen Vertriebe durch          Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen unserer
 das Netz war tägliche Praxis.                              ­Jubiläumsausgabe!
        Der bne hat sich seit dem ersten Tag seiner
 Gründung für die Abschaffung solcher Absurditäten
 stark gemacht – mit Erfolg: Eine Chronik dieser
 Markt­ö ffnung haben wir ab Seite 34 für Sie zusam-
 mengestellt.
        Welche Bedeutung der 2002 von neun Unter-
nehmen gegründete bne heute hat, wird durch die Gruß-
worte in dieser Publikation verdeutlicht: EU-Kommis-        Robert Busch                Dr. Hans-Martin Huber-Ditzel
sar Günther H. Oettinger, Bundeswirtschaftsminister         bne-Geschäftsführer         Vorsitzender des bne-Vorstandes

                                                                                                     Kompass 02/2012 3
Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Grußwort von Günther H. Oettinger
EU-Kommissar für Energie

Die Öffnung und Integration der europäischen Energiemärkte ist seit mehr als
zehn Jahren in vollem Gang. Vor 1996 — dem Jahr, in dem die Europäische Union
die Energiemarktliberalisierung begann — war das Interesse an der Liberalisie-
rung des Energiemarktes in einigen Mitgliedsländern noch nicht besonders groß.
Die Verbraucher kannten meist nur die Energieversorgung durch ein einziges
­Unternehmen und waren sich der Tragweite und der Vorteile eines freien Energie-
 marktes nicht bewusst. Die Vielfalt an Organisationen und Unternehmen, die
 für die Öffnung des deutschen und grenzüberschreitenden europäischen Energie-
 marktes unverzichtbar ist, musste erst noch geschaffen werden.
 Das europäische Bemühen zur Öffnung des Energiemarktes gab den Anstoß zur
 Gründung des Bundesverbandes Neuer Energieanbieter e. V. im Jahr 2002. Der bne
 stellt ein lebendiges Zeugnis vom deutschen, aber auch europaweiten Ringen um
 einen freien, unverfälschten und grenzüberschreitenden Wettbewerb im Energie-
 sektor dar. Durch die Konkurrenz unter den Energieanbietern konnte eine Viel-
 falt an Preis- und Leistungsangeboten entstehen. Damit sind wir auf dem Weg zu
 unserem Ziel: Die Verbraucher können aus verschiedenen Angeboten dasjenige
 wählen, das ihren Vorstellungen und Bedürfnissen am ehesten entspricht. Seit dem
 Gründungsjahr des bne ist viel passiert. Der bne ist kontinuierlich gewachsen,

4 Kompass 02/2012
Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
so dass seine Mitgliedsunternehmen heute über drei Millionen Haushalts-,
Gewerbe- und Industriekunden mit Strom und Gas versorgen. Der bne hat sich als
Sprachrohr netzunabhängiger Energieversorger für einen fairen Wettbewerb
­etabliert. So hat sich der bne bereits im Vorfeld der Gründung der Bundesnetz-
 agentur im Jahre 2005 für eine nationale Regulierungsbehörde eingesetzt.
 Auch im Bemühen um eine Verringerung der Anzahl der Gasmarktgebiete war er
 erfolgreich. Durch sein ausdauerndes Agieren hat der bne einen bedeutenden
 Teil dazu beigetragen, dass Fortschritte in der Liberalisierung der Energiemärkte
 erzielt worden und die Vorteile für Verbraucher sichtbar sind.
 Die Energiemarktliberalisierung ist aber noch nicht abgeschlossen. Der Euro­
 päische Rat hat sich zum Ziel gesetzt, dass der Binnenmarkt bis 2014 vollständig
 realisiert sein soll. Das dritte Energiepaket zur Liberalisierung des Energie-
 marktes enthält wichtige Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Gleichzeitig
 müssen wir mit der europäischen Energiepolitik auf dem Weg zu den gemein­
 samen Energie- und Klimazielen für 2020 vorankommen. Um die europäische Ener-
 giepolitik erfolgreich umsetzen zu können, werden wir auch in Zukunft auf die
 Unterstützung des bne angewiesen sein.
 Ich setze darum auch weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit mit dem bne für
 einen fairen Wettbewerb in Deutschland und Europa.

Beste Glückwünsche zum 10-jährigen Jubiläum!

„Durch sein ausdauerndes Agieren hat der bne einen
 bedeutenden Teil dazu beigetragen, dass Fortschritte in
 der Liberalisierung der Energiemärkte erzielt worden
 und die Vorteile für Verbraucher sichtbar sind.“

                                                                       Kompass 02/2012 5
Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Grußwort von Dr. Philipp Rösler
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie

Zehn Jahre Bundesverband Neuer Energieanbieter e. V. — das ist nicht nur ein
­rundes Jubiläum, sondern auch ein guter Grund, gemeinsam an das Erreichte zu
 erinnern und neue Ziele abzustecken.
 Als der Verband im Jahr 2002 gegründet wurde, sah der Energiemarkt in Deutsch-
 land noch grundlegend anders aus. Seither gab es bereits wichtige Veränderun-
 gen: Alte Monopolstrukturen wurden aufgelöst, neue leistungsstarke Energiean-
 bieter sind entstanden. Der bne hat diesen Prozess eng begleitet und sich stets
 für mehr Markt und Wettbewerb engagiert. Für die Politik war er von Anfang an
 ein wichtiger und verlässlicher Gesprächspartner, der nicht nur die Interessen
 seiner Mitgliedsunternehmen, sondern auch die des Wirtschaftsstandorts Deutsch-
 land insgesamt im Blick hatte. Dafür danke ich dem Verband und seinen Mit-
 gliedern sehr herzlich.
 Das Kernanliegen des bne hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Im
 ­G egenteil: Bei der Umsetzung der Energiewende kommt es erst recht
auf ­markt­wirtschaft­liche und wettbewerbliche Strukturen an. Energie muss
  auch in Zukunft bezahlbar bleiben — im Interesse der Unternehmen am
  Standort Deutschland genauso wie im Interesse der über 80 Millionen Men-
  schen in ­u nserem Land. Und man kann es angesichts der verbreiteten
  ­Markt­skepsis nicht oft genug sagen: Ein gut funktionierender Wettbewerb
   ist der beste Beitrag zum ­Verbraucherschutz. Denn die Energieverbraucher
   ­profitieren am meisten von wettbewerbsfreundlichen Strukturen und markt­

„Der bne hat einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines Energiemarktes
 geleistet, indem er immer wieder „den Finger in die Wunde gelegt“ und auf
 Verbesserungspotenzial zugunsten des Marktes und der Verbraucher hinge-
 wiesen hat. Für die nächsten zehn Jahre wünsche ich dem bne, dass er sich
 seine Aktivität bewahrt und weiterhin eine mahnende Stimme bleibt.“

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Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
konformen P ­ reisen. Ich bin dem bne dankbar, dass er diesen Zusammenhang
immer wieder klar ­benennt.
Auch an anderen Stellen haben wir gemeinsam ausgewogene Lösungen für mehr
Wettbewerb und Verbraucherschutz gefunden. Ich erinnere etwa an die neue
Schlichtungsstelle für Verbraucherbeschwerden im Energiebereich, die vor allem
den Dialog zwischen Unternehmen und Kunden fördert. Ein nächster Schritt wird
die geplante Markttransparenzstelle sein, mit der wir die Durchsetzung des Wett-
bewerbsrechts am Energiemarkt entscheidend stärken.
Die Umsetzung der Energiewende bringt zahlreiche weitere Baustellen — etwa
bei der Systemintegration der erneuerbaren Energien, aber auch bei der Gewähr-
leistung ausreichender Erzeugungskapazitäten und funktionsfähiger Märkte.
Über allem steht aktuell die Herausforderung des Netzausbaus. Denn unabhängig
von der Art seiner Erzeugung muss der Strom in jedem Fall dahin transportiert
werden, wo er gebraucht wird. Dafür benötigen wir in den kommenden zehn Jah-
ren in Deutschland mehrere tausend Kilometer neue Stromautobahnen, die auch
neuen Anbietern diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen müssen. An die Stelle
der alten Monopole dürfen keine neuen Engpässe treten — deshalb sind auch
hier marktkonforme Lösungen das oberste Gebot.
Bei allen diesen Zukunftsfragen wird der bne als Stimme für Wettbewerb und
Verbraucherschutz mehr denn je gebraucht. Deshalb gratuliere ich Ihnen nicht nur
zu zehn erfolgreichen Jahren, sondern wünsche Ihnen für Ihre wichtige Arbeit
vor allem auch in Zukunft viel Erfolg und Energie!

Ihr Dr. Philipp Rösler

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Kompass 02/12 Zehn Jahre Energie für Wettbewerb - Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Grußwort von Peter Altmaier
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Seit zehn Jahren steht der Bundesverband Neuer Energieanbieter e. V. für Wett­
bewerb auf den Energiemärkten — mit zunehmendem Erfolg. Als Bundesumwelt-
minister freut mich, dass der bne sich in dieser Zeit stets für die erneuerbaren
Energien engagiert und das EEG unterstützt hat. Dabei hat er zu Recht immer da-
rauf gedrängt, die erneuerbaren Energien frühzeitig in den Markt zu integrieren —
auch das mit Erfolg. Die erfolgreiche Änderung des EEG-Umlagemechanismus mit
der Novelle 2009 geht auch auf eine Initiative des bne zurück. Seither vermarkten
die Übertragungsnetzbetreiber den EEG-Strom vollständig an der Strombörse.
Das war ein großer und wichtiger Schritt für die Marktintegration der erneuerbaren
Energien. Auch die vom bne frühzeitig geforderte und unterstützte Marktprämie
hat uns hier einen wichtigen Schritt weiter gebracht.
All das sind aber nur erste Schritte. Wir brauchen weitere Reformen des EEG.
In Zukunft müssen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Netzausbau

„Seit zehn Jahren steht der bne für Wettbewerb auf den
 Energiemärkten — mit zunehmendem Erfolg. Als Bundes-
 umweltminister freut mich, dass der bne sich in dieser
 Zeit immer für die erneuerbaren Energien engagiert und
 das EEG unterstützt hat. Dabei hat er zu Recht immer
 ­darauf gedrängt, die erneuerbaren Energien frühzeitig in
 den Markt zu integrieren.“

8 Kompass 02/2012
stärker miteinander verzahnen. Darüber reden wir mit den Ländern und zentra-
len Akteuren — darunter selbstverständlich auch der bne — im Rahmen der
­Plattform für erneuerbare Energien.
 Dort wird es auch um die Frage gehen, wie wir das optimierte Zusammenwir-
 ken von erneuerbaren Energien, konventioneller Erzeugung und der Nachfrage
 erreichen. Ich denke, dass das Stromsystem viele Möglichkeiten für mehr
 Flexibilität bereit hält, um gleichzeitig Versorgungssicherheit zu erhalten, die
 erneuerbaren Energien zu integrieren und die Kosten zu minimieren. Jetzt
 geht es darum, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Auch dabei zähle ich auf
 die Unterstützung des bne.
 In diesem Sinne wünsche ich dem bne alles Gute zum zehnjährigen Bestehen
 und weiterhin viel Erfolg beim Einsatz für mehr Wettbewerb und Innovation auf
 den Energiemärkten.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Peter Altmaier

                                                                        Kompass 02/2012 9
Grußwort von Ilse Aigner
Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

In unseren modernen Gesellschaften ist eine sichere Energieversorgung genauso
selbstverständlich wie Wasser und Nahrung. Ohne Energie sind Wachstum und
Wohlstand undenkbar. Doch hinter der Energie, die die meisten Verbraucherinnen
und Verbraucher einfach aus der Steckdose beziehen können, steckt ein kompli-
zierter Markt mit unterschiedlichsten Akteuren. Es ist ein Markt, der sich in den
letzten zehn Jahren radikal verändert hat. 2002 hatten gerade einmal vier Pro-
zent der Verbraucherinnen und Verbraucher den Stromlieferanten gewechselt, ein
Wechsel des Gasanbieters war gar nicht möglich. Heute — auf einem liberalisier-
ten Strom- und Gasmarkt — ist der Lieferantenwechsel einfacher als je zuvor. Die
Prozesse sind automatisiert und ein Wechsel ist innerhalb von drei Wochen mög-
lich. Seit 2006 haben über acht Millionen Stromkunden und fast zwei Millionen Gas-
kunden die Möglichkeiten des Lieferantenwechsels für sich genutzt. Und trotz
einiger Hindernisse: Die Liberalisierung ist eine Erfolgsgeschichte für die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher — aber auch die Energieanbieter!
Einen sicherlich noch stärkeren Einfluss auf den Strommarkt hat die von der
Bundesregierung im September 2010 beschlossene Energiewende. Sie stellt An-

10 Kompass 02/2012
bieter, Politik, Netzbetreiber aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher
vor neue Herausforderungen. Dabei ist klar: Nur mit leistungsfähigen Netzen
auf der einen Seite und innovativen Unternehmen auf der anderen Seite wird es
uns gelingen, die Energiewende zu einer Erfolgsgeschichte für unser ganzes
Land zu machen. Gerade die neuen Energieanbieter sind aufgerufen, die Chancen
der Energiewende für sich zu nutzen.
Ein Jahrhundertvorhaben wie die Energiewende wird aber auch nur dann zu einem
Erfolg, wenn es gleichzeitig gelingt, die Verbraucherinnen und Verbraucher mit-
zunehmen. Die gute Nachricht ist: 89 Prozent der Deutschen halten die Energie-
wende für wichtig oder sehr wichtig! Nun müssen Politik aber auch Energieanbie-
ter gemeinsam dafür Sorgen tragen, dass die Zustimmung weiterhin hoch bleibt.
Ich freue mich, dass viele bne-Mitglieder innovative Unternehmen sind, die enga-
giert die Energiewende voranbringen. Durch die Interessenvertretung im bne spre-
chen sie gemeinsam mit einer Stimme, die in Berlin gehört wird. Der bne ist in den
letzten zehn Jahren zu einem geschätzten Ansprechpartner für die Politik geworden.
Ich wünsche dem bne für die Zukunft alles Gute und dass er auch auf dem weite-
ren Weg die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Blick behält!

Ilse Aigner

„Ich freue mich, dass viele bne-Mitglieder innovative
 ­Unternehmen sind, die engagiert die Energiewende v­ oran-
  ­bringen. Der bne ist in den letzten zehn Jahren zu einem
   geschätzten Ansprechpartner für die Politik geworden.“

                                                                      Kompass 02/2012 11
Der bne ist ein intensiver Verfechter von mehr Markt und
Wettbewerb. Damit leistet er einen elementaren Beitrag
für das Gelingen der Energiewende. Ich wünsche dem bne,
dass er auch in den nächsten 10 Jahren ein starker und
­kreativer Impulsgeber für wettbewerbliche Ideen in der
 Energiewelt ist. Thomas Bareiß MdB, Koordinator für
 Energiepolitik der CDU/CSU-Bundes­tagsfraktion

Neue Energien brauchen (auch) neue Spieler. Neue Energien brauchen (auch)
neue Märkte und Wettbewerb. Der bne hat auf beiden Feldern bisher schon deut-
liche Spuren hinterlassen. Und wird dies in Zukunft hoffentlich weiter und
noch stärker tun. Dr. Felix Christian Matthes, Forschungs-Koordinator Energie-
und Klimapolitik, Öko-Institut e. V.

Der bne analysiert seit zehn Jahren die Veränderungen am Energiemarkt kom­
petent, präzise und schnell. Ich wünsche dem Verband auch für die sicher nicht
einfacher werdenden kommenden Jahre der Energiewende eine konsequente
Fortführung dieser Arbeit. Dr. Annette Loske, Hauptgeschäftsführerin des VIK
­Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e. V.

12 Kompass 02/2012
Viele Ziele der bne-Anfangszeit sind heute erreicht, doch die Regeln für die
Energiewirtschaft werden weiter fortentwickelt. Der bne wird dabei weiterhin
deutlich machen, wenn beabsichtigte Regeln nicht auf Anhieb ausgewogen
sind, da bin ich sicher — und das ist gut so, denn dazu ist er da. Jochen Homann,
Präsident der Bundesnetzagentur

Wir haben den bne vor 10 Jahren gegründet, weil faire Märkte einen starken Anwalt
brauchen. Der bne erfüllt seine Aufgaben mit Bravour: als kompetenter Partner
für Politik und Medien. Gestartet, um starre Märkte aufzubrechen, hat er sich zum
Ideengeber für mehr Wettbewerb entwickelt. Heiko von Tschischwitz, Vorstands­
vorsitzender der LichtBlick AG und Gründungs-Vorstandsvorsitzender des bne

Die Mitgliedsunternehmen des bne spielen eine zentrale
Rolle bei der Stärkung des Wettbewerbs im Energiesektor.
Sie ebnen den Weg in moderne kundenorientierte Energie-
dienstleistungsmärkte. Glückwunsch zum Zehnjährigen und
weiter so! Rolf Hempelmann MdB, Vorsitzender der Ar-
beitsgruppe Energie und energiepolitischer Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion

                                                                       Kompass 02/2012 13
Energie für die
Märkte von morgen
Vielfalt, Effizienz und Fairness — das sind unsere Ziele. Damit die Menschen
ihre Energie von dem Anbieter beziehen können, der zu ihnen passt. Damit das Licht
nicht ausgeht, auch wenn das letzte Atomkraftwerk vom Netz gegangen ist.
Damit Energie für alle bezahlbar bleibt.
16 Kompass 02/2012
Kompass 02/2012 17
Ohne den bne hätte der Wettbewerb eine ganz wesentliche
Stimme weniger. Es ist wichtig, dass der bne als Kontra-
punkt zu den großen Vier und den kommu­nalen Stadtwer-
ken nicht für Besitzstandswahrung, sondern für offene
Märkte e­ intritt. Ich wünsche dem bne, dass er weiter viel
Gehör findet! Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düssel-
dorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Uni-
versität Düsseldorf und Mitglied der Monopolkommission

Die neuen Energieanbieter leben den Wettbewerbsgedanken. Mit ihrer Dynamik
sind sie ein wichtiger Treiber auf den Energiemärkten geworden. Dabei muss der
bne sie gerade bei der Energiewende weiterhin tatkräftig unterstützen. Der ­Wett­-
bewerb braucht beherzte Akteure! Andreas Mundt, Präsident des Bundes­kartellamtes

Ich wünsche dem bne, dass er nicht nur „neu“ sondern auch innovativ ist, und
die Diskussion um die Energiewende konstruktiv mitgestaltet. Wir freuen uns auf
einen bne voll kreativer Energie! Alles Gute für die nächsten 10 Jahre! Hildegard
Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie-
und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW)

22 Kompass 02/2012
Ohne die Arbeit des bne wäre es heute um den Wettbewerb im Energiemarkt
sehr viel schlechter bestellt. Ich wünsche dem bne — vor allem aber den Verbrau-
cherInnen — dass Oligopole in der Energiewirtschaft in 10 Jahren nur noch in
­Geschichtsbüchern zu finden sind. Oliver Krischer MdB, Sprecher für Energie- und
 Ressourceneffizienz der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Ohne den bne sähe die deutsche Energielandschaft anders aus. Kompetente
inhaltliche Politikberatung jenseits von Ideologie und konsequentes Eintreten für
Wettbewerb im deutschen Energiemarkt sind die Alleinstellungsmerkmale des
bne. Auf die geleistete Arbeit der letzten 10 Jahre kann der bne wahrlich stolz
sein. Dr. Henning Borchers, bne-Gründungsgeschäftsführer und Geschäftsführer
der DSE Direkt-Service Energie GmbH

Die Energiemarktliberalisierung wurde in Deutschland
nicht gerade mit offenen Armen empfangen — es war der
bne, der den Wettbewerbern Gehör verschafft hat. Nun
geht es darum, die Liberalisierung mit dem raschen Aus-
bau der erneuerbaren Energien zu harmonisieren. Prof.
Dr. Uwe Leprich, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts
für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) an der Hochschule
für Technik und Wirtschaft Saarbrücken

                                                                     Kompass 02/2012 23
„Wir brauchen die Großen
 und die Kleinen“
Die Energiewende ist nicht ohne die kleinen Energieun-    investitionen kann man nicht nach dem Muster
ternehmen zu stemmen, die Netzentgelte müssen ge-         von Bürgerwindparks stemmen. Ich sehe da aber
rechter verteilt werden und die Entwicklung eines neuen   durch­a us auch Chancen für kleinere Unterneh-
Marktdesigns darf Erneuerbare nicht ausnehmen — in        men. Das können und sollen nicht die Großen unter
diesen Punkten sind sich der neue NRW-Wirtschafts-        sich ausmachen.
minister Garrelt Duin (SPD) und bne-Geschäftsführer       Busch: Das Thema Offshore ist aus unserer Sicht
Robert Busch einig. Klaus Stratmann hat sie interviewt.   mit einigen Problemen behaftet. Außerdem braucht
                                                          man für den Ausbau der Offshore-Windkraft noch
Stratmann: Herr Minister, Nordrhein-Westfalen ist die     die Leitungen, die den Windstrom in den Süden und
Heimat großer Energiekonzerne. Setzen Sie bei der         Westen schaffen. Dennoch sehe ich da eine Menge
Energiewende auf die großen Tanker der Branche oder       Chancen für unsere Mitgliedsunternehmen. Und sie
auf die Schnellboote?                                     nehmen diese Chancen auch wahr.
Duin: Wir haben mit Eon und RWE zwei große Konzerne       Duin: Genau. Es gibt eine Reihe wunderbarer Kon­
hier im Land. Jede Meldung über Arbeitsplatzabbau         sortiumsprojekte. Da sind Stadtwerke und ­k leinere,
dort besorgt uns. Die beiden Unternehmen und ihre Mit-    ­un­ab­hängige Unternehmen mit im Boot. Das ist eine
arbeiter liegen uns natürlich am Herzen. Eon und RWE      lebendige Entwicklung. Und das ist auch gut so.
werden auch künftig eine wichtige Funktion haben, weil
wir nicht alles mit den kleineren Unternehmen werden      Mit dem rasanten Ausbau der Erneuerbaren insge-
schaffen können. Zugleich gilt, dass gerade die Kleinen   samt sinkt die Auslastung konventioneller Kraftwerke
Lösungen anbieten, für die die Großen nicht schnell       drastisch, Neuinvestitionen in konventionelle Kraft-
genug sind. Unter dem Strich gilt also: Wir brauchen      werke werden zurückgestellt, obwohl wir dringend
die großen und die kleinen Unternehmen der Branche.       neue Kraftwerke brauchen. Was ist dagegen zu tun?
                                                          Busch: Wir brauchen dringend wettbewerbliche
Manche Aufgaben lassen sich aber nur mit kapital-         ­K apazitätsmechanismen. Das Vorhalten von gesi-
kräftigen Großunternehmen stemmen. Nehmen Sie die          cherter elektrischer Leistung muss honoriert wer­-
Offshore-Windkraft.                                        den – unabhängig davon, ob diese Kapazität durch
Duin: Natürlich ist das eine Herausforderung, der          Gaskraft­w erke, durch zusammengeschaltete de­
sich die großen Konzerne stellen. Solche Milliarden­       zentrale Anlagen oder durch Technologien bereit­

24 Kompass 02/2012
gestellt wird, die wir uns heute noch gar nicht vor­    jeder Marktteilnehmer so viel Geld verdienen kön-
stellen können.                                         nen, dass sich Investitionen lohnen, gleichzeitig muss
                                                        die Stromversorgung sicher, bezahlbar und klima­
Würde es nicht bereits ausreichen, wenn die Strom­      freundlich sein. Es ist eine lohnende Aufgabe, sich mit
erzeuger sich verpflichten würden, geplante Kraft-      diesen Fragen ideologiefrei auseinanderzusetzen.
werksstilllegungen aufzuschieben und die Anlagen        Eine Arbeitsgruppe in meinem Ministerium widmet
als Notfallreserve bereit zu halten? Dann könnte man    sich bereits dem Thema.
es sich ersparen, in langwierigen Prozessen kom­
plizierte Mechanismen zu entwickeln.                    Wann brauchen wir Kapazitätsmechanismen — heute
Busch: Sie spielen auf das Angebot von Eon an. Das      oder in fünf Jahren?
Unternehmen droht damit, im Süden Kraftwerke ab-        Duin: Wir haben schon viel Zeit verloren. Ich glaube
zuschalten und übt so Druck auf die Netzagentur         nicht, dass wir noch weitere fünf Jahre ins Land gehen
aus, die natürlich ein Interesse daran hat, dass die    lassen dürfen. Wir müssen da sehr viel schneller sein.
Kraftwerke in Betrieb bleiben. Das Unternehmen          Es geht um Investitionen mit langem zeitlichem Vorlauf.
will sich seine Bereitschaft, die Anlagen am Netz zu    Busch: Wir brauchen schnell eine Lösung und müssen
behalten, fürstlich honorieren und sich die Vorhal­     jetzt forciert an dem Thema arbeiten. Selbst wenn wir
tekosten erstatten lassen. Diesen Vorschlag halte ich   schon jetzt einen Kapazitätsmarkt erfunden hätten,
für völlig unannehmbar. Das Verfahren ist intrans­      wäre noch kein einziges Kraftwerk gebaut.
parent, wettbewerbsfern und verknappt außerdem
das Angebot auf dem Großhandelsmarkt. Das wie­          Welche Rolle spielen die erneuerbaren Energien in
derum entfaltet eine preistreibende Wirkung für den     einem künftigen Marktdesign?
gesamten Markt. Wesentlich sinnvoller und kosten-       Duin: Wenn ich ein neues Marktdesign entwerfe, darf
günstiger wäre es, einzelne Kraftwerke echten Kapa-     ich dabei jedenfalls die Erneuerbaren nicht ausneh-
zitätsmechanismen zu unterwerfen.                       men. Es ist aus meiner Sicht unhaltbar zu sagen, die
                                                        Grundprinzipien des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
Sehen Sie das auch so, Herr Duin?                       seien unantastbar, alles müsse so bleiben wie es ist. Es
Duin: Die Diskussion ist ja erst am Beginn. Es ist      wird Veränderungen geben, die sich in das gesamte
überzogen, wenn Bundeswirtschaftsminister Philipp       System einfügen müssen.
Rösler (FDP) im Zusammenhang mit der Debatte
über Kapazitätsmärkte schon vor Planwirtschaft warnt.   So versuchen Sie der Frage auszuweichen, wie das
Von solchen Begrifflichkeiten sollten wir uns verab-    EEG kurzfristig und konkret geändert werden muss …
schieden. Es geht um ein neues Marktdesign und um       Duin: Nein, das tue ich nicht. Aus meiner Sicht
die Frage, welche Energieträger und welche Kraft-       sind zwei Elemente unverzichtbar. Die Attraktivität
werke künftig welche Funktion haben. Dabei muss         des E
                                                            ­ igenverbrauchs von EEG-Strom muss gestei-

Garrelt Duin: „Zugleich gilt, dass gerade
die Kleinen L­ ösungen anbieten, für die
die Großen nicht schnell genug sind. Un-
ter dem Strich gilt also: Wir brauchen
die großen und die kleinen Unternehmen
der Branche.“
                                                                                               Kompass 02/2012 25
Robert Busch: „Übrigens können Verbrau-
cher auch selbst etwas tun. Ein Anbieter­
wechsel kann die nächste Steigerung der
EEG-Umlage l­ässig überkompensieren.“

gert werden, außerdem sollten wir den Neubau von              private Verbraucher und Teile der Wirtschaft diese
EEG-­A nlagen stärker mit dem Bau von Speicher­              ­Belastung akzeptieren.
kapazitäten verbinden.
                                                             Gilt das auch für die Netzentgelte? Teile der strom­-
Einen Riesenfortschritt in Richtung Marktintegration         in­t ensiven Industrie sind ja Ende vergangenen Jahres
werden Sie so nicht erreichen …                              bei den Netzentgelten ebenfalls deutlich entlastet
Busch: Natürlich muss man die Entwicklung eines              worden.
neuen Marktdesigns und die Weiterentwicklung des             Duin: Diese Entscheidung der Bundesregierung ist
EEG in einem großen Zusammenhang sehen. Das ist              zu weit gegangen. Die betroffenen Unternehmen räu-
allerdings die mittelfristige Perspektive. Kurzfristig ist   men hinter vorgehaltener Hand ein, dass die zusätz­
die Direktvermarktung von EEG-Strom der richtige             liche Entlastung bei den Netzentgelten weit über das
Weg. Insofern ist das Marktprämienmodell ein guter           erforderliche Maß hinausgegangen ist. Das müssen
Ansatz. Klar, wir reden über ein sehr junges Modell, das     wir zurück drehen.
in den nächsten Jahren noch fortentwickelt werden            Busch: Die zusätzlichen Entlastungen bei den Netz-
muss. Aber klar ist auch: Der direkt vermarktete Strom       ent­g elten sind ausufernde Privilegien. Da muss nach-
fällt aus dem Umlagesystem heraus und trägt somit zur        gesteuert werden. Bei der EEG-Umlage teile ich die
Senkung der EEG-Umlage bei. Das ist ein guter Weg,           Auffassung von Herrn Duin, dass die Gesellschaft die-
den wir konsequent weiter verfolgen müssen. Denn das         se Kosten grundsätzlich tragen muss – wenn sie die
EEG war für den Einstieg in die Er­neuerbaren gut, jetzt     Energiewende will.
müssen wir eine marktnahe Strategie finden.
                                                             Wie können private Verbraucher angesichts des zu
Zunächst werden wir aber einen kräftigen Anstieg             ­e rwartenden starken Anstiegs der EEG-Umlage ent-
der EEG-Umlage sehen. Sind die zuletzt noch deutlich          lastet werden? Was halten Sie davon, die Strom-
erweiterten Ausnahmen bei der EEG-Umlage für die              steuer für private Verbraucher zu streichen?
Industrie noch vertretbar?                                   Busch: Darüber kann man durchaus nachdenken.
Duin: Das ist eine Last, die auf alle anderen Strom­         Duin: Das ist eine sozialpolitische Debatte. Die Steuer-
verbraucher umverteilt wird. Mir ist völlig klar, dass       senkungsidee halte ich für einen Schnellschuss.
das auf Kritik stößt. Dennoch bin ich überzeugt,             Busch: Übrigens können die privaten Verbraucher auch
dass wir diese Last tragen müssen, wenn wir die In-          selbst etwas tun. Ein Anbieterwechsel kann die nächste
dustrie nicht vergraulen wollen. Es gehört eben              Steigerung der EEG-Umlage lässig überkompensieren.
auch mit zur Wahrheit, dass die Energiewende Geld
kostet. Wenn wir die Energiewende schaffen und               Klaus Stratmann ist Korrespondent des Handelsblattes
gleichzeitig Industriestandort bleiben wollen, müssen        in Berlin.

26 Kompass 02/2012
Einfach umgelegt
Ein Kommentar von Andreas Mihm

Das Umlegen von Kosten einiger auf viele verhält sich      und per Zwangsabgabe finanzierte Energieplan brei-
zum Wettbewerb etwa so wie die Sparanstrengungen           tet sich schnell aus. Er verdrängt Akteure, erschwert
der Athener Regierung zu ihren Sparzusagen oder wie        Marktprozesse, führt zu mehr Regulierung und fall-
der Umwelt- zum Wirtschaftsminister. Wobei auch            weisen Eingriffen, die langfristig denkenden Investo-
Letzterer sich nicht mehr davor scheut, das Risiko des     ren das Geschäft erschweren und verleiden. Schon be-
(Offshore-)Investors zu minimieren, indem er Ver-          darf es einer zusätzlichen, vom Verbraucher gezahlten
braucher für Lieferausfälle im Netz und dadurch be-        Prämie, um die an die EEG-Umlage gewöhnten Öko­
dingte Vermögensschäden des Anlagenbetreibers in          strom-Anbieter langfristig „an den Markt zu bringen“.
Haftung nimmt.                                                    Da ist es nur konsequent, dass lebhaft nach
         Während beim Wirtschaftsminister ordnungs-        weiteren staatlich finanzierten Anreizen gerufen wird,
politische Fehlgriffe noch zu Irritationen führen,         die bequemerweise allesamt auf den Strompreis um-
­haben wir uns das beim Umweltminister längst abge-        legt werden können. Alte Kraftwerke, die wegen der
 wöhnt. Zu dessen Favoriten gehören wahlweise Prä-         durch den Ökostrom bedingten Verschiebung der
 mien zur Einführung neuer oder zum Ausmustern al-        ­Merit Order keinen Gewinn mehr abwerfen, sollen
 ter Gerätschaften wie Kühlschränke, Fernsehgeräte         per Verfügung der Netzagentur weiter für Krisen-
 oder (Elektro-)Autos. Jüngst punktete das Haus Alt-       zeiten am Netz bleiben, selbst wenn den Eigentü-
 maier beim Sanitärgewerbe mit der Idee eines Finanz-      mern die dafür gewährte Prämie nicht reicht. Ande-
 zuschuss’ zur Heizungssanierung. Wobei die Kosten         rerseits will bei ungewissen Aussichten niemand
 letztlich auf die Verbraucher umgelegt werden. Da         in neue Kraftwerke investieren. Schon sind umlage­
 freut sich jeder, der gerade erst ein paar Tausender      finanzierte Prämien im Gespräch für all jene, die
 in eine neue Heizanlage gesteckt hat, dass er sei-        neue Kraftwerke bauen. Ist erst einmal die Erzeu-
 nen Effizienzgewinn gleich sozialisieren darf.            gungsseite durchgeplant, wird die Politik auch Mittel
 Erst recht zeigt sich das bei der Mutter aller Ener­      finden, den Vertrieb zu bändigen. Reicht nicht letzt-
 giekostenumlagen, dem Erneuerbare-Energien-Ge-            lich ein gut kontrolliertes Stadtwerk für die lokale
 setz. Nach dem EEG werden in diesem Jahr mehr           ­Versorgung?
 als 17 Milliarden Euro umverteilt, am Markt vorbei,              So bewegt sich die deutsche Energiepolitik
 ohne Wettbewerb, ohne Risiko für die Erzeuger.            Schritt für Schritt in die falsche Richtung. So hatten
 ­Stimmen die Voraussagen für 2013, wird die Umlage        wir uns die Energiemarktliberalisierung nicht vor­
  auf mehr als 22 Milliarden Euro steigen. Das wäre        gestellt. Die Politik hat sie, der Kalauer muss jetzt
  gut das Doppelte dessen, was der „Solidarbeitrag“        sein, einfach umgelegt.
  auf die Einkommensteuer dem Bund einträgt.
         Steigende Kosten und Ineffizienzen sind         Andreas Mihm ist Wirtschaftskorrespondent der
nur eine Seite der Medaille. Der staatlich gesteuerte    Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin.

                                                                                                Kompass 02/2012 27
„Europäisches Design statt
 kommunaler Flickenteppich“
Ein neues Design für den Erzeugungsmarkt ist ein hervorragendes Mittel, um das volatile
Angebot und die bislang starre Nachfrage einander anzupassen — wenn es europaweit und
wettbewerblich ausgestaltet wird. Kleinteilige, rein national gedachte Lösungen helfen da
nicht weiter. Das er­l äutert der bne-Vorstandsvorsitzende Dr. Hans-Martin Huber-Ditzel im
Interview mit Dr. Joachim Müller-Soares.

28 Kompass 02/2012
Müller-Soares: Herr Huber-Ditzel, alle reden von
­K apazitätsmärkten. Sie auch?
Huber-Ditzel: Niemand in der Branche bezweifelt,
dass wir Kapazitätsmärkte brauchen. Über deren Aus-
gestaltung kann man zwar trefflich streiten. Fest steht
aber: Das Abnahme- und Verbrauchsverhalten von
Haushalten und der Industrie ist relativ starr. Wenn
die Sonne mal nicht scheint oder der Wind nicht
weht, muss trotzdem Leistung zur Verfügung stehen.
Das ist die zentrale Herausforderung der Energie­
wende. Mit Kapazitätsmärkten kann man Angebot
und Nachfrage einander anpassen.

Reicht es dazu nicht aus, bestehende Gas- und Kohle-
kraftwerke entsprechend hochzufahren? Das hat in
der Vergangenheit doch auch funktioniert …
Das Problem liegt in der Größenordnung der in den
Markt strömenden erneuerbaren Energien und dem
politischen Ziel, deren Anteil zügig auf 50 bis 80 Pro-
zent hochzuschrauben. Mit der Abhängigkeit von fluk-
tuierendem Strom aus Sonne und Wind wird das The-
ma Kapazitätsmärkte immer wichtiger. Sonst werden
neue Gaskraftwerke erst gebaut, wenn es bereits Ver-
sorgungsengpässe gibt – also zu spät.

Wenn es aber einen Bedarf gibt, dann werden doch
Unternehmen automatisch Kraftwerke bauen, insbeson-
dere flexible G+D-Anlagen, oder?
Wir wissen, dass sich momentan neue Gaskraftwerke
nicht rechnen. Der Gaspreis ist noch relativ hoch,
die Summe aus Strompreis und CO 2-Zertifikatepreis
relativ niedrig.

Was ist denn, wenn die EU in den Markt eingreift und
die CO 2-Zertifikate verknappt? Bei steigendem CO 2-
Preis rechnen sich doch neue Gaskraftwerke, oder?
Durch die Verknappung von Zertifikaten den Preis
zu manipulieren ist zwar eine Möglichkeit. Es wäre
aber wieder ein Eingriff in den Markt, den wir als
bne weit weniger akzeptabel finden als eine Lösung
über Wettbewerb im Markt.

Ihnen wäre also ein politisch bestimmter Kapazitäts-
markt lieber?
Ja. Investitionen in Gaskraftwerke sind langfristig,
die betriebswirtschaftlichen Investitionszeiträume lie-
gen über 20 Jahre, deshalb brauchen wir verlässliche

                                      Kompass 02/2012 29
„Verteilnetzfusionen und -kooperationen auf
 breiter Front würden Synergien h­ eben,
 die Energiewende vereinfachen — und
 letztendlich allen Kunden erhebliche
 Kostenvorteile bescheren.“

Rahmenbedingungen und die sind im Moment nicht            die Stabilität einzusetzen. Immerhin ist der Klima-
gegeben. Kapazitätsmärkte könnten wie eine über­          schutz ein Hauptargument für die Energiewende.
geordnete „fünfte Regelzone“ funktionieren.
                                                          Die Auktionen sollten also so gestaltet werden, dass
Wir haben doch schon vier Regelzonen in Deutsch-          alte CO 2-Schleudern nicht mitmachen?
land. Und Sie wollen noch eine?                           Ja, wobei wir wieder beim Thema CO2 wären. Bei hö-
Nein. Wir sagen nur, dass die Ausschreibungen für         heren Zertifikate-Preisen würde das der Markt regeln,
­Kapazitätsmärkte ähnlich laufen und ebenfalls von        im Moment haben wir aber sehr niedrige CO2-Preise.
 der Bundesnetzagentur organisiert werden könnten.
 Wichtig ist ein Auktionsverfahren unter Wettbewerbs-     Die großen Vier RWE, Eon, EnBW und Vattenfall
 bedingungen – also diskriminierungsfrei. Zudem           ­p ochen darauf, dass deren bestehende Gas- und
 ­müssen möglichst viele Unternehmen an der Auktion        ­K ohlekraftwerke mit einbezogen werden.
  teilnehmen.                                             Verständlicherweise, das würde ich an deren Stelle
                                                          auch. Aber die CO 2-Emissionen einzelner Anlagen müs-
Nur aus Deutschland, oder aus ganz Europa?                sen dabei aus meiner Sicht zwingend berücksichtigt
Aus ganz Europa. Bei der Regelenergie gab es dafür        werden, wenn man es mit dem Klimaschutz ernst meint.
schon Beispiele. Wir hatten im vergangenen Winter,
als es so kalt war, Netzengpässe. Damals hat ein altes    Die großen Vier dominieren auch die Regelzonen.
Ölkraftwerk in Österreich, das noch in Reserve war,       Weil Sie das Thema vorhin schon angesprochen haben:
für die Netzstabilität in Deutschland gesorgt.            Wie viele Regelzonen halten Sie in Deutschland für
                                                          angemessen?
Sollten bestehende Gas- und Kohlekraftwerke in die        Als bne fordern wir seit langem, aus den vier beste-
Auktionen einbezogen werden — oder nur Neubauten?         henden eine einzige bundesweite Regelzone zu ma-
Eine Begrenzung nur auf neue Kraftwerke ist in der        chen. Der Status Quo ist historisch bedingt. Es gab
Praxis schwierig. Zudem gibt es einen wichtigen ener-     vier große Versorgungsunternehmen, die auch die Ver-
giewirtschaftlichen Aspekt: Wir müssen nämlich das        sorgungsnetze betrieben und geregelt haben; daraus
Problem lösen, dass viele Kraftwerksbetreiber nach        resultieren die vier heutigen Regelzonen. Mittlerweile
und nach ihre Kapazitäten abbauen, weil sie sich          sind bei den Übertragungsnetzen teilweise neue Ge-
nicht mehr rechnen. Die Anzahl der konventionellen        sellschafter eingestiegen. Mit denen sollte die Bundes-
Kraftwerke geht in Relation zu der wachsenden er­         regierung nach unserer Meinung über eine einzige
neuerbaren Energieerzeugung zurück. Das verschärft        deutsche Regelzone verhandeln.
das Problem der Netzstabilität.                                  Apropos: Auch im Gasmarkt gibt es noch zu vie-
                                                          le Marktgebiete. Deren Zahl ist seit der Liberalisierung
Sollten alle bestehenden Gas- und Kohlekraftwerke         immerhin von 19 auf zwei reduziert worden, nicht zu-
einbezogen werden?                                        letzt auf ständigen Druck des bne hin. Trotzdem gilt:
Eher nicht. Es stellt sich sicher die Frage, ob es Sinn   Auch beim Gas wäre ein einziges Marktgebiet ideal für
macht, alte Kraftwerke mit hohen CO 2-Emissionen für      den Wettbewerb.

30 Kompass 02/2012
Wieso gibt es eigentlich eine Primär-, Sekundär- und      Apropos Flickenteppich: Stört Sie die hohe Zahl
Minutenreserve innerhalb der Regelzonen?                 ­k ommunaler Verteilnetze?
Es geht darum, die 50 Hertz Netzfrequenz konstant         Ja, und noch mehr stört mich die hohe Zahl der Aus-
zu halten. Daher gibt es die verschiedenen abgestuf-      nahmen bei der Regulierung. Die Zahlen sprechen
ten Vorhaltungen von Regelenergie: die Primär-,           für sich: 794 der 869 Stromverteilnetzbetreiber sind
Sekundär- und Minutenreserve. Man kann in jedem           von vielen Bereichen der Regulierung ausgenom-
Segment an Ausschreibungen der Bundesnetzagen-            men, weil sie weniger als 100.000 Kunden haben. Das
tur teilnehmen, wenn man die Kriterien erfüllt.           ist Folge der De-minimis-Regel, die Brüssel nicht
                                                          ­zuletzt auf deutschen Druck in die EU-Richtlinie auf-
Wie funktioniert das in der Praxis?                        genommen hat. Halten wir fest: Mehr als 90 Pro-
 Der Besitzer eines Kraftwerksparks muss bestimm-          zent der Stadtwerke müssen kaum Transparenzregeln
 te Kriterien erfüllen. Dann kann er an den von der        befolgen und der Bundesnetzagentur auch so gut
 Bundesnetzagentur überwachten Ausschreibun-               wie nichts über ihre individuellen Netzausbaupläne
 gen teilnehmen. Im Prinzip funktioniert das wie           oder über ihre Netzmodernisierung berichten. Das
 folgt: Werden Mengen nachgefragt, gebe ich ein            macht die bundesweite Koordination des Netz­
 Angebot ab. Wenn ich dann den Zuschlag bekomme,           ausbaus sicher nicht einfacher, um es diplomatisch
 muss ich diese Leistung vorhalten, bis sie vom           zu formulieren. Anders gesagt: Diese Regel ist
 Übertragungsnetzbetreiber abgerufen wird. Dann           ein Unding. Eine alte bne-Forderung lautet daher:
 muss ich mein Kraftwerk laufen lassen; die geleis-       Die Bundesregierung muss die De-minimis-Regel
 tete Arbeit wird separat vergütet. Es gibt verschie­     so schnell wie möglich reformieren – oder ganz
 dene Anbieter für Regelenergie im Markt, die alle         ­a bschaffen. Übrigens wäre die Energiewende mit
 ­g ewinnorientiert agieren. Letztendlich werden die        ­weniger Netzbetreibern wesentlich einfacher zu
  Übertragungsnetzbetreiber stets den günstigsten        ­stemmen.
­Anbieter auswählen.
                                                         Wie viele Netzbetreiber braucht Deutschland?
Die Stadtwerke fordern auch einen Kapazitätsmarkt.       Mit Sicherheit nicht 869 Verteilnetzbetreiber allein
Wo liegen die Unterschiede zu Ihren Vorstellungen?       im Strombereich. Maximal 50 Betreiber reichen
Die Energiewende ist vielfältig und geht dezentral       völlig, lieber wären mir sogar nur 30 Betreiber. Fusio-
vonstatten. Jedes der fast 900 Stadtwerke setzt sich     nen, Übernahmen und Kooperationen auf breiter
zwar mit dem Thema Energiewende auseinander,             Front würden Synergien heben, den Betrieb effizien-
aber leider sehr unkoordiniert. Das Vorantreiben der     ter machen, die Energiewende vereinfachen – und
Energiewende mit so vielen nicht aufeinander abge-       letztendlich allen Kunden erhebliche Kostenvorteile
stimmten Stadtwerken ist natürlich schwierig. Wir for-   bescheren.
dern statt diesem Flickenteppich eine gesamteuro­
päische Betrachtungsweise, übrigens nicht nur für        Dr. Joachim Müller-Soares ist Herausgeber
Kapazitätsmärkte, sondern auch für die Bereiche          und Chef­redakteur des Wirtschaftsmagazins
Netzausbau und Netzstabilität.                           BIZZ energy today.

                                                                                                Kompass 02/2012 31
Der bne hat den Energiemarkt lebendiger gemacht — Ver-
braucher profitieren von individuelleren Produkten. Doch
das Ziel „Wettbewerb“ ist noch nicht überall im Energie-
markt angekommen. Die nächsten zehn Jahre gilt es
weitere Meilensteine zu erreichen. Gerd Billen, Vorstand
des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e. V. (vzbv)

Der angestrebte Umbau des Energiesystems braucht einen leistungsfähigen, auf
Wettbewerb ausgerichteten und europäischen Ordnungsrahmen. Gerade auch der
bne kann und muss wichtige Beiträge hierfür liefern. Prof. Marc Oliver Bettzüge,
geschäftsführender Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Univer-
sität zu Köln (EWI)

Mehr Wettbewerb in der Energieerzeugung ist gut. Da haben VKU und bne die
gleiche Stoßrichtung. Auch Wettbewerb bei Verbänden kann nicht schaden. Daher
Glückwunsch zu zehn Jahren bne und ich bin mir sicher, dass der bne weiter
an Bedeutung gewinnen wird. Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Ver-
bandes kommunaler Unternehmen e. V. (VKU)

32 Kompass 02/2012
Der bne ist ein solider Ansprechpartner für die Belange moderner konventio­neller
und regenerativer Energien. Ideenvielfalt, technikoffenes Denken, ein ­gesunder
Bezug zum Wettbewerb und das entschlossene Eintreten für mehr Marktwirtschaft
mögen den bne auch die kommenden 10 Jahre leiten. Klaus Breil MdB, energie­
politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion

Ohne den bne würde der Wettbewerb weniger gut funktionieren. Der bne hat
sich stets konsequent, nimmermüde und ohne faule Kompromisse zu einem dis-
kriminierungsfreien Wettbewerb im Energiemarkt bekannt; seine unabhängige
Stimme ist aus der energiepolitischen Diskussion nicht wegzudenken. Weiter so!
Dr. Jan Haizmann, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Gas- und Strom-
händler e. V. (EFET Deutschland)

Der Energiemarkt ist seit der Liberalisierung im Umbruch.
Der bne hat in den vergangenen 10 Jahren wichtige Im­
pulse geliefert, damit aus dem Umbruch ein Aufbruch wird —
für mehr Wettbewerb, neue Akteure und den Ausbau
erneuer­barer Energien. Glückwunsch! Dietmar Schütz, Präsi-
dent des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e. V. (BEE)

                                                                     Kompass 02/2012 33
10 Jahre Energie für
Wettbewerb — eine Chronik
1998                                                       Die Grundlage des verhandelten Netzzugangs sind
Formale Öffnung der Energiemärkte durch Umsetzung          ­s ogenannte „Verbändevereinbarungen“; es exis­
der ersten EU-Energiebinnenmarktrichtlinien. Am             tieren keinerlei gesetzliche oder behördliche Rege-
29. April 1998 tritt das erste „Gesetz zur Neuregelung      lungen.
des Energiewirtschaftsrechts“ (EnWG) in Kraft: In
Deutschland werden damit die formalen Voraus­setzun­       2000
gen dafür geschaffen, dass Verbraucher ihren Energie-      Brüssel droht Deutschland mit einem Vertragsverlet-
lieferanten frei wählen können. Die Absprachen über        zungsverfahren. Daraufhin unterzeichnen verschiede-
Vertriebsgebiete in den sogenannten Demarkations-          ne Wirtschaftsverbände auf Wunsch der Bundesregie-
verträgen werden verboten und erste ­Wettbewerbs­unter-    rung auch eine Verbändevereinbarung Gas. Deren
nehmen gegründet. Die Regierung unter­lässt aber not-      wenige Regeln gelten nur für industrielle Verbraucher
wendige gesetzliche Rahmenbedingungen zur Ausgestal-       und sind zudem wettbewerbsfeindlich.
tung des Netzzugangs für Dritte. Sie setzt stattdessen –   Die Folge: Die Netznutzung für dritte Gaslieferanten
übrigens als einziges EU-Mitglied – auf den „verhan-       ist praktisch unmöglich; an einen Gasgroßhandel
delten Netzzugang“ für die Öffnung des Strommarktes.       ist nicht zu denken.
Für den Gassektor wird im EnWG nicht einmal ein            Aufgrund der unerträglichen Wettbewerbsbedingun-
Netzzugangsmodell erwähnt. Die Bundesregierung             gen auf dem Strom- und Gasmarkt gründen die Un­
unterschätzt die Macht der ehemaligen Monopole;            ternehmen best energy GmbH, LichtBlick – die Zu-
bedeutende Wettbewerbshindernisse sind die Folge:          kunft der Energie GmbH und Yello Strom GmbH im
Netzbetreiber                                              September die Initiative Pro Wettbewerb, um netz­
• legen Nutzungsentgelte nach Gutdünken fest,              unabhän­g igen Anbietern eine Stimme zu verlei-
• erheben Wechselprämien,                                  hen. Die Hauptforderungen: Erlass von Netzzugangs-
• s ubventionieren offen ihren Vertrieb mit               verordnungen, Ermöglichung einer diskriminie-
   Einnahmen aus dem Netz.                                 rungsfreien Netznutzung, gleiche Netzentgelte für

34 Kompass 02/2012
V. l. n. r.: Dr. Henning Borchers, Gründungsgeschäftsführer des bne; bne-Arbeitskreis 2004:
Dr. ­H enning Borchers, Robert Busch, Dr. Sabine Trusiewytsch; bne-Vorstand 2004: Andreas Müller,
Thomas Spinnen, Heiko von Tschischwitz, Dr. Gerd Gies, Christian Hagmann, Robert Busch;
bne-Fachtagung 2004: Birgit Ortlieb, Almut Stollberg, Norbert Theihs; bne Arbeitskreis 2005:
Lisa Thümann, Annette ­S olzin, Dr. Henning Borchers, Lothar Kriebel

alle Marktteilnehmer, Einrichtung einer Regulie­                          vitäten: Durchsetzung und Kontrolle wettbewerb­
rungsbehörde.                                                             licher Prinzipien im Marktgeschehen – insbesondere
                                                                          bei Netzzugang und Netznutzung.
2001
Die Task Force Netzzugang wird im April 2001 vom                          2003
damaligen Bundeswirtschaftsminister Werner Müller                         Weitere Neufassungen der Verbändevereinbarung Gas
eingerichtet. Hintergrund: Die Beschwerden über                           mit entfernungsabhängigen Netznutzungsentgelten
­B ehinderungen sowohl beim Netzzugang als auch                           ändern nichts an den fehlenden Rahmenbedingungen
 beim Lieferantenwechsel häufen sich. Aufgabe der                         für wirksamen Wettbewerb. Der bne klagt gegen die
 Task Force ist es, Defizite beim Netzzugang aufzu­                       Verbändevereinbarung, das Landgericht Berlin gibt
 spüren und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Um                          dem bne Recht: Die Verbändevereinbarung ist eine
 die Sachkompetenz zu erhöhen, sind neben vier                            unzulässige Kartellabsprache – das ist der Anfang vom
 ­B eamten aus dem Bundeswirtschaftsministerium                           Ende des verhandelten Netzzugangs.
  fünf Experten aus der Energiewirtschaft in der                          Die EU erlässt im Juni das zweite Energiebinnenmarkt­
  Task Force tätig. Gemeinsam erarbeiten sie einen                        paket, um die unvollständige Öffnung der Energie-
  „Best-Practice-Katalog“, der Verhaltensregeln für                       märkte zu korrigieren. Ziel ist die vollständige Markt-
  einen schnellen und unkomplizierten Wechsel                             öffnung mit freier Anbieterwahl für alle Verbraucher
  des Stromlieferanten aufzeigt.                                          in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten. Schwerpunkte: Die
                                                                          Einführung des geregelten Netzzugangs und die Ein-
2002                                                                      richtung einer nationalen Regulierungsbehörde, von
 Die Notwendigkeit einer weiteren Professionali­                          der die Entgeltbildung und weitere Netzzugangsbe-
 sierung und Bündelung der Interessen neuer Markt-                        dingungen reguliert werden. Erste Vorschriften zur
 teilnehmer wird erkannt. Am 25. September 2002                           Trennung von Netz und Vertrieb bei integrierten
 gründen neun Unternehmen den Bundesverband                               ­Energieversorgern sollen den diskriminierungsfreien
 Neuer Energieanbieter e. V. (bne): ares-energie-                          Netzzugang für Dritte sicherstellen.
direkt GmbH, best energy GmbH, BMR-Service
GmbH, Electrabel Deutschland AG, LichtBlick –                             2004
die Zukunft der Energie GmbH, Rätia Energie AG,                           Strom-Wechselquote Haushaltskunden zwischen 1998
Riva Energie AG, unit energy stromvertrieb GmbH                           und 2004: Insgesamt 5 %
und Yello Strom GmbH. Die Ziele: Konstruktive                             Das schreibt die Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihrem
­Mitarbeit bei der Entwicklung eines wettbewerb­                          ersten Jahresbericht aus dem Jahr 2005. Für den Gas-
 lichen Ordnungsrahmens. Schwerpunkt der Akti­                            markt trifft die BNetzA keine Aussage.

                                                                                                                Kompass 02/2012 35
V. l. n. r.: bne-Arbeitskreis 2006 u. a. mit Andreas Jahn, Dr. Jochen Starke, Dr. Bernd Kiefer;
                                  bne 2006: Dirk Heinze, Andreas Jahn, Florimond Dijkinga; „Wir sind fünf!“ - das bne-Jubiläum:
                                  Ingo Kahle, Dr. Herbert Ungerer, Matthias Kurth, Hartmut Schauerte; bne-Fachtagung 2007:
                                  Christian Thole, Dr. Heiko Lohmann, Ralf Becker, Dr. Dirk Flandrich

2005                                                           netzunabhängige Gaslieferanten de facto ermöglicht.
Hartes Ringen um die Umsetzung des EU-Binnen-                  Hintergrund ist ein von bne und der Nuon GmbH ein-
marktpakets ins deutsche Recht – gegen die Wider-              gereichtes Missbrauchsverfahren gegen die Fortschrei-
stände der alten Energiewirtschaft und mit einer               bung des wegeabhängigen Netzzugangsmodells der
­z ögerlichen Haltung der Politik. Die Ergebnisse:             Netzbetreiber. Die Umstellung auf das Zweivertrags-
 • Zweites Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)                     modell zieht sich noch bis zum 1. Oktober 2007 hin.
 • Die BNetzA wird erstmals mit der Regulierung               Unter diesen Netzzugangsbedingungen kann endlich
   der Netzentgelte und des Netzzugangs im Energie-            auch der Gasgroßhandel an der Energiehandelsbörse
   bereich beauftragt.                                         European Energy Exchange AG (EEX) eingeführt wer-
• Erlass der                                                   den (Start für das erste Marktgebiet am 1. Juli 2007).
    – Strom- und Gasnetzzugangsverordnungen
    – Strom- und Gasnetzanschlussverordnungen                  Wechselquote Haushaltskunden 2006
    – Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen                    Strom: 2,55 % , Gas: 0,04 %*
    – Grundversorgungsverordnungen
                                                               2007
Wechselquote Haushaltskunden 2005                              Durch die BNetzA-Festlegung der bundesweit standar-
Strom: 2,22 %, Gas: 0,01 %*                                    disierten Prozesse und Formate im Gasmarkt (­ GeLi Gas)
                                                               werden erstmals Marktrollen und Pflichten der Markt­
2006                                                           teilnehmer klar definiert. Umsetzungstermin nach
Erste Preisblätter der Netzbetreiber werden durch              Entwicklung und Implementierung der Datenformate
die BNetzA genehmigt.                                          ist der 1. August 2008.
Mit der Festlegung bundesweit standardisierter Pro-            Mit dem Erlass der Verordnung zum Anschluss von
zesse für den Wechsel des Stromanbieters (GPKE)                Kraftwerken an das Stromnetz (KraftNAV ) wird der An-
sorgt die BNetzA dafür, dass große Zahlen von Wech-            schluss neuer Kraftwerke an das Stromnetz vereinfacht.
selvorgängen problemlos zu bewältigen sind: Erst-              Die bis dato herrschende Preiskontrolle durch die
mals werden Regeln für einen automatisierten elek­             Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt), die bis da-
tronischen Datenaustausch definiert, elektronische             hin die Allgemeinen Tarifpreise reguliert hat, wird ab-
Datenformate vorgegeben und Fristen klar geregelt.             geschafft – allerdings durch die bis heute umstrittene
In Kraft tritt diese Festlegung am 1. August 2007 –            Missbrauchskontrolle im neuen § 29 des Gesetzes
nachdem die entsprechenden Datenformate entwi-                 ­g egen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ersetzt.
ckelt und implementiert worden sind.
Durchsetzung des sogenannten Zweivertragsmodells               Wechselquote Haushaltskunden 2007
im Gasmarkt: Erst damit wird der Gasnetzzugang für             Strom: 6,4 %, Gas: 1,23 %*

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