NICHTS. Was im Leben wichtig ist - von Janne Teller - Bühnenfassung von Andreas Erdmann nach der deutschen - Stadttheater Bremerhaven
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NICHTS. Was im Leben wichtig ist von Janne Teller Bühnenfassung von Andreas Erdmann nach der deutschen Übersetzung von Sigrid C. Engeler
INHALTSVERZEICHNIS Besetzung 3 HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZUR VORBEREITUNG AUF DEN THEATERBESUCH Inhalt von „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ 4 Die Autorin Janne Teller 5 Interview mit Janne Teller in „Die Zeit“ vom 5. August 2010 6 Die Inszenierung 8 Das Bühnenbild 9 Die wichtigsten Figuren in „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ 10 Nihilismus 13 Nihilismus: Ein Vergleich – Aussagen von Friedrich Nietzsche und Pierre Anthon 14 Was hat Bedeutung? Überlegungen der Expertenklasse zu „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ 15 Gruppenzwang 16 Gruppenzwang bei Initiationsriten 18 PRAKTISCHE ANREGUNGEN FÜR DIE NACHBEREITUNG IM UNTERRICHT Nachgespräch/ Fragen zu dem Theaterbesuch 20 Übung 1: „Bedeutungs- bzw. Assoziationskette“ (Sprach- und Impulsspiel) 21 Übung 2: „Nichts. Was im Leben wichtig ist“- Ein-Satz-Nacherzählung 21 (Sprach- und Konzentrationsspiel) Übung 3: „Ich lege auf den Berg von Bedeutung- Ich packe meinen Koffer“ 22 (Sprach-, Konzentrations- und Gedächtnisspiel) Die Struktur des Berges aus Bedeutung 23 Übung 4: „Gordischer Knoten“ (Problemlösungs- und Bewegungsspiel) 24 Übung 5: „Das Asch-experiment“ (Gruppen-; Rollen- und Wahrnehmungsspiel) 24 Übung 6: „Paranoia“ (Gruppen-, Bewegungs- und Wahrnehmungsspiel) 25 Gespräch über die Übung „Paranoia“ 26 Übung 7: „Das Opfer“ (Gruppen-, Bewegungs- und Wahrnehmungsspiel) 26 Gespräch über die Übung „Das Opfer“ 27 Diskussion 1: Die Definition von Rache 28 Diskussion 2: „Rache-Sprichwörter“ (Kleingruppenarbeit) 29 Abschließende Kreativ- und Schreibaufgabe: „Der Berg aus Bedeutung“ 30 Redaktion: Indra Schiller / JUP! Stadttheater Bremerhaven / Theodor-Heuss-Platz / 27568 Bremerhaven / jup@stadttheaterbremerhaven.de / 0471 – 48 206 269/272 2
„NICHTS. Was im Leben wichtig ist“ - PREMIERE: 24. APRIL 2014 von Janne Teller Bühnenfassung von Andreas Erdmann nach der deutschen Übersetzung von Sigrid C. Engeler BESETZUNG Agnes …………..……………………………………………………………………..………..… Christine Karall Mädchen……………………………………………………………………………………......Amanda da Glória Junge………………………………………….……………..………………………….….Jan-Friedrich Schaper Junge………………………………………………………………………………………...…….Artur Spannagel Inszenierung…………………….………………………………………...…………………….......Tanja Spinger Bühne & Kostüme…………………………………………………...…………………………….......Iris Holstein Musikkomposition.…………………………………………………………...…………………...…...Felix Reisel Theaterpädagogik…………………………………………………….…………..………………….Indra Schiller Regieassistenz…………………………………………………………………...…..….Dagmar von der Trenck Hinweis: Im Sinne einer besseren Lesbarkeit der Texte wurde von uns entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich von den Inhalten unserer Materialmappe gleichermaßen angesprochen fühlen. Fotos: Probenfotos von Indra Schiller Bühnenbild-Modellfoto von Iris Holstein 3
HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZUR VORBEREITUNG AUF DEN THEATERBESUCH INHALT VON „NICHTS. WAS IM LEBEN WICHTIG IST“ Die von Janne Teller geschriebene Geschichte „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ spielt in dem fiktiven dänischen Ort Tæring. Die gesamten Ereignisse liegen bereits acht Jahre zurück und werden in Rückblenden aus der Sicht von der Figur Agnes erzählt. Sie war damals Schülerin der Klasse 7A, die den Mittelpunkt der Handlung in „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ darstellt. Am ersten Schultag nach den Sommerferien verlässt Pierre Anthon die Klasse 7A, setzt sich auf einen Pflaumenbaum vor die Schule und provoziert seine Mitschüler mit der Aussage, dass nichts im Leben eine Bedeutung habe und wenn nichts eine Bedeutung habe, lohne es sich demnach auch nicht, irgendetwas zu tun. Von seinen eigenen nihilistischen Thesen getrieben, fordert er seine ehemaligen Klassenkameraden dazu auf, seinem Beispiel zu folgen. Doch die 7A ist sich einig, dass es doch Dinge im Leben gibt, die eine Bedeutung haben. Das Mädchen Sofie hat die Idee, dass die Klasse doch in einem stillgelegten Sägewerk einen Berg mit Gegenständen auftürmen könne, die Bedeutung haben. Sind es zunächst irgendwelche Gegenstände, die wenig oder gar nichts mit den Schülern der Klasse 7A zu tun haben, gehen die Schüler ziemlich schnell dazu über, auch persönliche Gegenstände mit der entsprechenden persönlichen Bedeutung auf den Berg zu legen. Daraus ergibt sich die Regel, dass derjenige den Nächsten bestimmen darf, der gerade etwas dem Berg „opfern“ musste. Doch das ursprüngliche Ziel, Pierre Anthon davon zu überzeugen, dass es doch Dinge mit Beutung im Leben gibt, gerät schnell in den Hintergrund, da die Schüler zunehmend von persönlichen Rachegedanken gegenüber ihren eigenen Mitschülern getrieben werden. Dies führt zu einer Eskalation von Grausamkeiten und Gewalt innerhalb des Klassenverbandes, bis hin zur Tötung eines Hundes, der Entjungferung von Sofie und dem Abschneiden des Zeigefingers von Jan-Johan. Nach der „Opferung“ des Zeigefingers werden die Eltern der 7A aufmerksam. Der Berg aus Bedeutung wird im Sägewerk entdeckt und die Kinder werden für ihre Vergehen hart bestraft. Doch der Berg löst ein Medieninteresse aus und ein Kunstmuseum aus New York ist sogar bereit, der Klasse den hohen Preis von dreieinhalb Millionen Dollar dafür zu zahlen. So unterliegen die Schüler dem Irrtum, dass sie mit dem Berg doch die Bedeutung gefunden haben. Als sie Pierre Anthon stolz davon berichten, zeigt sich dieser unbeeindruckt und provoziert weiterhin seine ehemalige Klasse. Zusätzlich verebbt das Medieninteresse ziemlich schnell, nachdem der Berg aus Bedeutung verkauft wurde. Pierre Anthon sieht dies als Beweis für die Bedeutungslosigkeit des Berges an und auch die 4
anderen Schüler an zu zweifeln, ob sie wirklich die Bedeutung gefunden haben. Aus den Zweifeln entsteht letztlich große Wut darüber, was dem Berg doch schließlich alles geopfert wurde und dass dies alles nicht umsonst gewesen sein könne. Als dann Pierre Anthon den Berg auch noch als „Misthaufen“ bezeichnet und behauptet, dass dieser gar keine wirkliche Bedeutung haben könne, wenn die Klasse ihn sogar verkauft hat, richtet sich die gesamte Wut der 7A nun direkt gegen Pierre Anthon. Die Klasse geht auf Pierre Anthon los, bis dieser schließlich leblos am Boden liegen bleibt. In derselben Nacht brennt das Sägewerk mit dem Berg der Bedeutung und Pierre Anthons Körper nieder. DIE AUTORIN JANNE TELLER Die dänische Schriftstellerin und Essayschreiberin Janne Teller wurde 8. April 1964 in Kopenhagen geboren. Sie studierte Staatswissenschaften und arbeitete von 1988 bis 1995 als Konfliktberaterin für die EU und für die UNO in Dar-es-Salaam, Brüssel, New York und Mosambik. Ab 1995 widmete sie sich ausschließlich der Schriftstellerei. Sie lebt abwechselnd in New York, Kopenhagen und Berlin. Janne Teller wurde für ihr literarisches Schaffen vielfach ausgezeichnet. In ihren Werken, die Romane, Essays und Kurzgeschichten umfassen und die sich sowohl an erwachsene als auch jugendliche Leser richten, geht sie meistens den großen Fragen des Lebens und relevanten gesellschaftlichen Themen nach. Nicht selten löst sie damit heftige Diskussionen aus. So weigerte sich ihr Verlag zunächst, „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ zu veröffentlichen. Auch nach der Publikation hatte der Jugendroman viele Gegner und löste heftigen Widerstand bei Lehrern, Bibliothekaren und Priestern aus. Dennoch wurde Janne Teller 2001 für „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ mit dem Dänischen Kinderbuchpreis ausgezeichnet. Mittlerweile gehört der Roman zu den am häufigsten verwendeten Büchern in den dänischen Abiturprüfungen und wurde in 25 Sprachen übersetzt. Allein in Deutschland wurden bisher über 200.000 Exemplare verkauft. Im Januar 2014 wurde Janne Teller in den Stiftungsrat des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels berufen. WERKLISTE 1999: Odins Insel 2000: Nichts. Was im Leben wichtig ist 2004: Krieg. Stell Dir vor, er wäre hier 2004: Die sieben Leben der Katze 2004: Europa. Alles, was dir fehlt 2008: Komm 5
2013: Afrikanske veje (dt. Übersetzung des Titels: Afrikanische Wege; bisher nicht in deutschsprachiger Übersetzung erschienen) AUSZEICHNUNGEN 2001: Jugendbuchpreis des dänischen Kulturministeriums für „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ 2008: Le Prix Libbylit für „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ 2010: Aufnahme von „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ in die Liste „Die schönsten deutschen Bücher“ in der Kategorie Kinderbücher und Jugendbücher durch die Stiftung Buchkunst 2011: Michael L. Printz Honor Book für „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ Quellen: vgl.: http://www.janneteller.dk/?Deutsch vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Janne_Teller INTERVIEW MIT JANNE TELLER IN „DIE ZEIT“ VOM 5. AUGUST 2010 Am 5. August 2010 führte Janne Teller mit Susanne Gaschke von der Redaktion „Die Zeit“ ein Interview zu ihrem Roman „Nichts. Was im Leben wichtig ist. Im Folgenden sind Ausschnitte des Interviews zusammengestellt. Das gesamte Interview ist zu lesen unter http://www.zeit.de/kultur/literatur/2010-08/janne-teller "LEHRER SAGTEN, DIESES BUCH IST SCHÄDLICH" Die Dänin Janne Teller hat den ungewöhnlichen und hoch umstrittenen Jugendroman "Nichts" geschrieben. Im Interview spricht sie über Nihilismus und sinnlose Konventionen der Erwachsenen VON SUSANNE GASCHKE ZEIT ONLINE: Um Nichts hat es, seit das Buch vor zehn Jahren im dänischen Original erschien, in Skandinavien eine heftige Kontroverse gegeben. Immer wieder wurde von Behörden versucht, das Buch aus dem Schulunterricht herauszuhalten. Zugleich bekam es auch einen Literaturpreis des dänischen Kultusministeriums. Janne Teller: Ja, es ist schon erstaunlich, dass ein Buch heutzutage in Westeuropa derart bekämpft werden kann. Nicht wegen brutaler oder sexistischer oder verhetzender Inhalte, sondern nur wegen der Fragen, die es aufwirft. Es gab in verschiedenen Ländern Schwierigkeiten, nicht nur in Dänemark […]. Die Hauptdebatte fand zwischen Lehrern, Bibliothekarinnen und Pädagogen statt, von denen viele meinten, das Buch mute jungen Lesern zu viel zu. Janne Teller, geboren 1964 in Kopenhagen © Morten Holtum Nielsen ZEIT ONLINE: Es gibt ja auch drastische Szenen darin: Um ihren Mitschüler Pierre Anthon zu überzeugen, dass seine nihilistischen Parolen Unfug sind, beginnt eine siebte Klasse ein seltsames Projekt. Die Schüler häufen einen "Berg aus Bedeutung" an, für den jeder einzelne schlimme Opfer bringen muss. […] 6
Teller: Witzigerweise ist Nichts heute auf vielen Lehrplänen zu finden und wird häufig als Prüfungsstoff verwendet. […] Aber über Jahre gab es erbitterten Widerstand. Manche Lehrer und Bibliothekare sagen: Dieses Buch ist schädlich für junge Leser, weil es ihnen jede positive Einstellung zum Leben raubt. Das sehe ich völlig anders, und glücklicherweise habe ich recht. Junge Leute stellen sich alle fundamentalen Fragen ganz von allein. […] Das, was Pierre Anthon und seine Mitschüler tun, […] ist es doch, die Frage "Hat das Leben überhaupt einen Sinn" in die Frage umzuformen, welchen Sinn es haben sollte.[…] ZEIT ONLINE: Soweit er die Schule und die Langeweile des Außenpostens beschreibt, ist Ihr Roman realistisch. Aber die Tatsache, dass der Schulverweigerer Pierre Anthon von Eltern, Pädagogen und Behörden völlig in Ruhe gelassen wird, erscheint geradezu als Fantasy-Element. Teller: Ich sehe es als eine Art modernes Märchen. Ich will gar nicht mit Wahrscheinlichkeit oder Plausibilität argumentieren: Ich finde am wichtigsten, dass Literatur ihre eigene Logik hat. Weil sie nicht abgebildete Realität ist, kann sie uns Einsichten in unsere eigene Wirklichkeit vermitteln. Wie ein magischer Spiegel. Während ein realistischer Spiegel uns nur die Oberfläche zeigt. ZEIT ONLINE: Es scheint auch recht fantastisch, dass die Kinder so viel darauf geben, was ihr merkwürdiger, nihilistischer Mitschüler meint. Was ist mit diesen Kindern passiert, was haben Sie ihnen beim Schreiben angetan, warum sind sie dermaßen fanatisch? Teller: […] Ich glaube, hier liegt der Fanatisierungsfaktor: die gefährliche Sehnsucht der Kinder, ihre durchstrukturierte Welt und all die Erwartungen, die in sie gesetzt werden, hinter sich zu lassen und Pierre Anthon zu folgen. Ihre eigenen Zweifel, ob irgendetwas Bedeutung hat, fanatisieren sie, ihre Furcht, dass Pierre Anthon Recht haben könnte. Das ist der Grund, warum ihr Projekt dermaßen eskaliert, und warum kein einzelner es zu stoppen versucht: Verglichen mit dem großen, leeren, hoffnungslosen Nichts eines Lebens ohne Sinn ist es ja fast nicht schlimm, einen Finger zu opfern. Eigentlich kämpft jeder gegen den Pierre Anthon in seinem eigenen Kopf. Diese Kinder werden Fanatiker, ihn dort herauszubekommen – wie so viele Erwachsene, die mit ihren religiösen oder anderweitigen Wahrheiten den Zweifel zu überdröhnen versuchen. ZEIT ONLINE: Hat jeder Menschen diesen Pierre Anthon mit dem drohenden Nichts und der Sinnlosigkeit im Kopf? Teller: Auf jeden Fall. Nur nimmt er manchmal viel Raum ein, manchmal wenig. Und uns Erwachsenen gelingt es in der Regel, so viel Lärm zu erzeugen, uns so beschäftigt zu halten, dass wir ihn überhören können, zumindest eine Weile – bis uns irgendwas auf die Füße fällt, das uns erinnert. Dann müssen wir ihm ins Auge blicken, ob wir wollen oder nicht. ZEIT ONLINE: Ist der Roman als Jugendbuch eigentlich richtig eingeordnet? Oder ist es einfach ein Roman, der von jungen Leuten handelt? Teller: Für mich ist es ein Crossover, ein Buch für jugendliche und erwachsene Leser. […] Ursprünglich hatte ich beim Schreiben tatsächlich ein junges Publikum im Blick. […] Im Kopf noch einmal 14 zu sein, hat es mir erlaubt, die großen, existenziellen Fragen mit völlig offenen Augen zu betrachten. Ich musste einsehen, dass ich keine definitiven Antworten hatte, obwohl ich in meinem Erwachsenenleben dauernd so tue. ZEIT ONLINE: Das heißt, das Buch hatte auch für Sie eine klärende Wirkung? Teller: Nichts wurde zu meiner eigenen Sinnsuche. Es war eine außergewöhnliche und sehr anstrengende Erfahrung: Aber ich habe mit dem Pierre Anthon in meinem Kopf Frieden geschlossen. Ich habe keine Angst mehr vor ihm, sondern bin ihm eher dankbar, dass er all die Fenster in meinem dunkel-gefährlich-verlockenden Existenzialistendachboden geöffnet hat. Es mag ja stimmen, dass das Leben keine höhere Bedeutung hat – wenn man die ganz große Perspektive betrachtet. Pierre Anthon hat mir die Augen dafür geöffnet, wie 7
faszinierend und fantastisch das Leben ist – wenn wir es nicht erdrücken und ersticken mit Einschränkungen, die sich aus sinnlosen Konventionen ergeben. Das Gespräch führte Susanne Gaschke DIE INSZENIERUNG Eigentlich ist die Bühnenfassung von „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ für fünf Schauspieler geschrieben. Dabei übernimmt eine Schauspielerin die Rolle der Agnes, die anderen spielen die restlichen Rollen. In der Regel spielt dabei ein männlicher Schauspieler u.a. die Rolle des Pierre Anthon. In der Inszenierung von Tanja Spinger ist dies nicht der Fall. Hier sprechen und spielen alle Schauspieler die Texte von Pierre Anthon, entweder einzeln oder chorisch zusammen. Dies ist darin begründet, dass der Grundansatz der Inszenierung acht Jahre NACH den „Vorfällen in der 7A“ angelegt ist. Im Roman wird erst am Ende durch die Figur Agnes erläutert, dass die Geschichte bereits nun acht Jahre her sei. Tanja Spinger setzt die Inszenierung allerdings genau dort an, indem sie vier junge Erwachsene - ehemalige Schüler der 7A - zeigt, die sich nach acht Jahren wieder treffen. Diese vier Personen erzählen nun die Geschehnisse um den Berg aus Bedeutung rückblickend. Dabei schlüpfen sie alle in die unterschiedlichen Erzählperspektiven der verschiedenen Figuren/Schüler der 7A. Die Texte von Pierre Anthon wirken dadurch wie eine unheimliche Stimme aus der Vergangenheit und wie das schlechte Gewissen, das alle ehemaligen Schüler seit acht Jahren mit sich tragen. Obwohl alle Schauspieler sowohl die Perspektiven von Pierre Anthon als auch der restlichen Schüler der 7A einnehmen, haben sie dennoch jeder eine Grund- bzw. Hauptrolle: - Christine Karall ist Agnes - Amanda da Glória ist Sofie - Jan-Friedrich Schaper ist der fromme Kai - Artur Spannagel ist Jan-Johan Durch den rückblickenden Erzählstil der Inszenierung wird zwar in die einzelnen Szenen hineingesprungen, aber diese nicht 1:1 nachgespielt, wie sie im Roman beschrieben sind, d.h. es werden KEINE Opferungsszenen gezeigt und es wird auch kein realistischer, mit Requisiten angehäufter Berg aus Bedeutung auf der Bühne entstehen. Vielmehr möchte Tanja Spinger mit ihrem Prinzip, die Geschehnisse rückblickend zu erzählen, erreichen, dass sich die Zuschauer selbst vorstellen sollen, wie sich die Ereignisse um die Klasse 7A evtl. hätten abspielen können. Denn das eigene Kopfkino soll beim Zuschauen angeregt werden. Durch das spezielle Bühnenbild allerdings wird dennoch deutlich, dass die Figuren Opfer bringen mussten. 8
DAS BÜHNENBILD Das von Iris Holstein konzipierte Bühnenbild ist eine Raumbühne – fast schon Rauminstallation. Die Zuschauer sitzen mit im Bühnenbild und sind somit Teil der Installation. So bewegen sich die Schauspieler mitunter direkt neben bzw. zwischen den Zuschauern. Dadurch ist die gewohnte Zuschauersituation einer Guckkastenbühne – Zuschauer auf festen Plätzen im Zuschauerraum und die Schauspieler AUF der Bühne - natürlich komplett aufgehoben. Auch gibt das Bühnenbild keine konkrete Räumlichkeit vor, vielmehr ist es ein undefinierbarer Ort, an dem sich die vier Figuren treffen, der aber dennoch Aspekte aufgreift, die unmittelbar mit ihrer Vergangenheit in Zusammenhang stehen. Die Holzpaletten erinnern beispielsweise an das Sägewerk, die Lichtinstallation hingegen an den Pflaumenbaum. Foto des Bühnenbild-Modells von Iris Holstein 9
DIE WICHTIGSTEN FIGUREN IN „NICHTS. WAS IM LEBEN WICHTIG IST“ AGNES Als Haupterzählerin berichtet sie von den Geschehnissen in ihrer Klasse mit acht Jahren Abstand. Zunächst erscheint Agnes freundlich, mitfühlend, aber auch oberflächlich wie ihre Mitschüler. Ihr Traum ist es, später einmal als Modedesignerin zu arbeiten. Als sie allerdings ihre geliebten grünen Sandalen dem Berg opfern muss, zeigt sich ihre Enttäuschung darüber in zunehmender Boshaftigkeit, Herzlosigkeit und Rachegelüsten, die sie dann an Gerda auslässt. Pierre Anthons Entscheidung, nicht mehr zur Schule zu gehen, flößt ihr zwar Angst ein, führt allerdings dazu, dass sie vermehrt über ihr Leben und dessen Bedeutung nachdenkt. Sie entwickelt jedoch nicht die Stärke, sich dem Gruppenzwang ihrer Klasse zu widersetzen. Dennoch kommt sie zu der Erkenntnis, dass die Bedeutungssuche der 7A zunehmend aus dem Ruder läuft. Vergeblich versucht sie, weitere Opferungen bzw. Gewalttaten zu verhindern. Trotzdem rechtfertigt sie die Gewaltanwendungen gegen Pierre Anthon mit der Feststellung, er habe schließlich am allem die Schuld getragen, denn er habe mit seinem Verhalten die Bedeutungssuche ausgelöst. Auch acht Jahre nach den Ereignissen im Sägewerk wird Agnes` Leben immer noch von den damaligen Geschehnissen beeinflusst. PIERRE ANTHON Pierre Anthon ist ebenfalls Schüler der 7A und weigert sich nach den Sommerferien weiterhin zur Schule zu gehen. Er begründet diese Haltung darin, dass nichts im Leben eine Bedeutung habe und es deshalb auch nichts gäbe, für das es sich lohne, irgendetwas zu tun. Er setzt sich auf den Pflaumenbaum vor der Schule und provoziert seine ehemalige Klasse mit seinen nihilistischen Aussagen. Als Reaktion seiner Mitschüler erfolgt der Bau des „Berges aus Bedeutung“. Allerdings lässt er sich davon überhaupt nicht beeindrucken, geschweige denn ändert seine nihilistische Haltung. Im Gegenteil er macht sich sogar über den „Berg aus Bedeutung“ lustig und bezeichnet diesen sogar als „Misthaufen“. Erst als die Gewalt in der klasse eskaliert, verlässt er den Baum. Er zieht die gesamte Wut seiner Mitschüler auf sich und wird von diesen erschlagen. Allerdings wird in Agnes Erzählungen 10
deutlich, dass „Pierre Anthon“ immer noch großen Einfluss auf seine ehemaligen Mitschüler hat. Auch noch acht Jahre nach den folgenschweren Ereignissen. SOFIE Sofie nimmt eine zentrale Rolle im Klassengefüge ein. Sie ist es, die die Idee zum Bau des Berges aus Bedeutung hat. Erst ziemlich spät muss sie etwas opfern. Mitschüler Hans entscheidet, dass Sofie als Gegenleistung/Rache für sein geopfertes gelbes Fahrrad ihre Unschuld geben muss. Obwohl sich Sofie weigert, diese Form der Opferung auszuführen, wird sie von der Klasse dazu gezwungen. Von der Entjungferung (Vergewaltigung) wird sie stark traumatisiert und agiert ab da völlig gefühlskalt und grausam. Sie ist es, die Jan-Johan den Finger abschneidet, als Rache dafür, dass dieser bei ihrer Entjungferung dabei war. Ihr ist der Berg aus Bedeutung am wichtigsten, da sie mit das größte Opfer bringen musste. Sie will nicht akzeptieren, dass ihre Entjungferung umsonst gewesen ein soll. Letztlich führt es dazu, dass Sofie den Verstand verliert und in eine Klinik eingewiesen werden muss. DER FROMME KAI Der fromme Kai ist ein typischer Mitläufer innerhalb der Klasse. Er wirkt sehr angepasst und unscheinbar. Allerdings ist er in fast alle größeren Opferungen in irgendeiner Form involviert, z.B. auf dem Friedhof. Sofie wählt ihn nach ihrer Entjungferung aus, das nächste Opfer zu erbringen. Da Kai von allen immer „der fromme Kai“ genannt wird, wählt Sofie natürlich ein Opfer aus, mit dem sie an Kai Rache nehmen kann. Sie bestimmt, dass Kai den Jesus am Kreuz aus der Kirche in Tæring abliefern soll. Als streng gläubiger Christ gerät der fromme Kai so einen Konflikt mit seiner religiösen Überzeugung. 11
JAN-JOHAN Jan-Johan ist zu Beginn der Geschichte der Anführer der Klasse 7A. Er wird als talentierter Gitarrenspieler beschrieben, der eigene Entscheidungen trifft und seinen Mitschülern Anweisungen erteilt. Sein autoritäres Auftreten wird von der Klasse akzeptiert. Dies ändert sich allerdings schlagartig, als er seinen Zeigefinger opfern muss. Von da an wird aus dem selbstsicheren und talentierten Jan-Johan ein jammernder Junge, der nun als Jan-Johana von der restlichen Klasse verhöhnt wird. Da er den Umstand des abgetrennten Fingers irgendwie seinen Eltern erklären muss, macht er den Bau des Berges aus Bedeutung öffentlich. DIE RESTLICHEN SCHÜLER DER 7A Die restlichen Schüler der 7A treten immer nur kurz in den Fokus der Geschichte und zwar dann, wenn sie an der Reihe sind, etwas für den Berg zu opfern. Ihre figurenspezifischen Eigenschaften stehen immer nur kurz im Mittelpunkt der Handlung und werden durch die Auswirkung ihrer Verluste deutlich. Die Reihenfolge der Opferungen vollzieht sich wie folgt in der 7A: Dennis, Sebastian, Richard, Laura, Agnes, Gerda, Maike, Frederik, Dame Werner, Anna-Li, die kleine Ingrid, Henrik, Ole, Elise, Marie-Ursula, Hussein, Hans, Sofie, der fromme Kai, Rosa, Jan-Johan. 12
NIHILISMUS Pierre Anthon provoziert seine Mitschüler mit nihilistischen Aussagen, doch was ist eigentlich Nihilismus? Nihilismus, der: a) philosophische Anschauung von der Nichtigkeit, Sinnlosigkeit alles Bestehenden, des Seienden b) weltanschauliche Haltung, die alle positiven Zielsetzungen, Ideale, Werte ablehnt; völlige Verneinung aller Normen und Werte Vgl.: http://www.duden.de/rechtschreibung/Nihilismus Nihilismus ist in seiner Bedeutung zum einen theologisch geprägt und meint damit das völlige Nichtvorhandensein von übergeordneten Autoritäten also Göttern. In seiner philosophischen Prägung ist mit Nihilismus zum anderen die Leugnung sämtlicher Autoritäten und Werte gemeint. Nihilismus wird abgeleitet vom lateinischen Wort nihil bzw. nihilim („nichts”). Eine gewisse Prägung des Begriffes gehen auch vom mittellateinischen nichilianista („der an nichts glaubt”) und annihilare („verneinen, vernichten”) aus und zeigt besonders im Falle von nichilianista die theologische Prägung, was jedoch in keinem Kontext zum Atheismus steht. Zeitgeschichtlich ist der Begriff ca. ab dem 19 Jh. bis heute eher auf die Philosophie anstatt auf die Theologie bezogen, wobei in der Philosophie im Hintergrund auch immer eine religiöse Komponente vorhanden ist, denn eine Ablehnung jeglicher Autoritäten und Werte muss zur Folge haben, dass auch Gott bzw. Gottheiten abgelehnt werden. Eine Verwendung nur in Bezug auf die völlige Ablehnung von Werten, Erkenntnissen und Ordnungen ist allerdings zu wenig, der Nihilismus beschreibt eher ein Lebensgefühl und einen Zustand anstatt einer konkreten Position. Dabei haben alle menschlichen Ordnungen wie Werte usw. ihren Sinn und ihre Bedeutsamkeit verloren, so dass der Mensch in eine Art Gleichgültigkeit und Langeweile verfällt. Sein Leben ist geprägt von Leere. Aufgrund dieser Grundstimmung des Nihilismus entstehen ab dem 19. Jh. zahlreiche zumeist philosophische Theorien in Bezug dazu, die von einflussreichen Personen wie F.H. Jacobi (welcher den Begriff Nihilismus auch zum ersten Mal in dieser Form verwendete), C. Brentano, F. Nietzsche sowie M. Heidegger geprägt werden. Er lässt sich im Einzelnen in verschiedene Unterstufen abgrenzen, wie den metaphysischen, moralischen und logischen Nihilismus, welche bei detaillierter Betrachtung unterschiedliche Schwerpunkte setzen. In der heutigen Zeit wird der Begriff in der Wissenschaft aufgrund seiner Deutungsvielfalt eher selten verwendet. Vgl.: http://nihilismus.net/ 13
NIHILISMUS: EIN VERGLEICH – AUSSAGEN VON FRIEDRICH NIETZSCHE UND PIERRE ANTHON Nietzsche: „Der philosophische Nihilist ist der Überzeugung, dass alles Geschehen sinnlos und umsonst ist.“ Pierre Anthon: „Nichts bedeutet irgendetwas. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun.“ Nietzsche: „In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Tiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der ,Weltgeschichte‘: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Tiere mussten sterben.“ Pierre Anthon: „Die Erde ist vier Milliarden sechshundert Millionen Jahre alt, aber ihr werdet höchstens hundert. Nietzsche: „Es fehlt das Ziel; es fehlt die Antwort auf das ,Warum‘ ?“ Piere Anthon: „Das Leben ist die Mühe überhaupt nicht wert.“ Nietzsche: „Die Arbeit ist eine Schmach, weil das Dasein keinen Wert an sich hat.“ Pierre Anthon: „Falls ihr achtzig werdet, habt ihr dreißig Lebensjahre verschlafen, habt ihr neun Jahre die Schule besucht und Hausaufgaben gemacht und knapp vierzehn Jahre lang gearbeitet.“ Nietzsche: „Der Selbstmord der Moral ist ihre eigene letzte moralische Forderung.“ Pierre Anthon: „Das Beste, was wir für die Zukunft der Erde tun können, ist sterben.“ 14
Nietzsche: „Die Eitelkeit ist die Höflichkeits-Maske des Stolzen.“ Pierre Anthon: „Und du wirst feststellen, dass der Ruhm und die große Welt außerhalb von dir sind, dass aber innen nichts ist und dass es auch so bleiben wird, egal was du tust.“ Vgl.: Roschmann, Achim: Janne Teller Nichts. Was im Leben wichtig ist, Unterrichtsmodell, Schöningh Verlag, 2012, S.95 f. WAS HAT BEDEUTUNG? ÜBERLEGUNGEN DER EXPERTENKLASSE ZU „NICHTS. WAS IM LEBEN WICHTIG IST“ 10. KLASSE LLOYD GYMNASIUM BREMERHAVEN Der Expertenklasse wurde die Aufgabe gestellt, zu benennen, was für sie persönlich von Bedeutung ist und was sie auf einen Berg aus Bedeutung legen würden, wenn es diesen gäbe. Fast alle Schüler nannten zuerst Begriffe, die eben nicht materieller Natur sind wie Familie, Freunde oder der Glaube. Sofern sie zusätzlich eine materielle Sache nannten, standen diese allerdings in den meisten Fällen mit den immateriellen Dingen in enger Verbindung, indem diese Gegenstände für persönliche Erinnerungen bzw. Verbindungen zu Familienmitgliedern oder geliebten Menschen stehen. immaterielle Dinge von persönlicher materielle Dinge von persönlicher Bedeutung: Bedeutung: - Bilder von früher (mehrfach genannt) - Familie (mehrfach genannt), die eigene - Keramikteller (zur Geburt bekommen) Mutter, der eigene Bruder - Musik-CDs - Freunde (mehrfach genannt) - Kette von der Oma (mehrfach genannt) - Religion/Glaube (mehrfach genannt) - Münze vom verstorbenen Großvater - Liebe - eigenes Bett - die eigene Würde - Kette (Geschenk der Brüder zur Konfirmation) - das Leben - Armband (Geschenk der Tante/des Bruders; - Erinnerungen (mehrfach genannt) mehrfach genannt) - Stofftier (Geschenk zur Geburt; mehrfach genannt) 15
GRUPPENZWANG Die 7A unterliegt ihrem Gruppenzwang. Jeder hat Angst davor, als nächstes ein Opfer bringen zu müssen. Dagegen stehen aber auch die starken Rachegelüste, die man nach der Opferung jemand anderem gegenüber ausleben darf. Die Klasse gerät in einen Strudel aus Zwang, Angst und Rache, aber niemand lehnt sich dagegen auf, denn niemand will als Feigling dastehen und schließlich ist das gemeinschaftliche Ziel, Piere Anthon umzustimmen. Doch was ist Gruppenzwang und wie entsteht er? Und muss dieser immer negativ sein oder kann ein Zwang auch positiv wirken? Wenn die Gruppe Druck macht Der so genannte Konformitätsdruck oder auch Gruppenzwang wirkt meist unbewusst, d.h. die beeinflusste Person und auch die beeinflussende Gruppe ist sich der Wirkung der Mehrheit auf den Einzelnen oft gar nicht bewusst und bemerkt dies gar nicht. Als Mitglied einer Gruppe hat man oft das Gefühl, - dass die Gruppe etwas von einem erwartet, - dass ein bestimmtes Verhalten zulässig oder unzulässig ist, - dass von der Gruppe Druck auf das eigene Verhalten ausgeübt wird. Diese wahrgenommenen Erwartungen von der Gruppe an ihre Mitglieder sind oft unausgesprochen und können als ein teils bewusstes und teils unbewusstes Regelwerk bezeichnet werden. Jede Gruppe hat solche Spielregeln. Diese sind in einem gewissen Maße notwendig und selbstverständlich, damit das Zusammenarbeiten und -leben in der Gruppe überhaupt funktioniert. Ein Beispiel hierfür sind Kommunikationsregeln: Man beleidigt den Anderen nicht und lässt ihn ausreden. Sich gewissen Regeln einer Gruppe anzupassen, kann also auch sinnvoll sein, um bspw. eine Aufgabe effizient zu lösen. Problematisch kann es dann werden, wenn eine Person sich der Meinung und den Verhaltenserwartungen einer Gruppe anpasst, obwohl sie eigentlich anders handeln möchte. In der wissenschaftlichen Forschung hat man unterschiedliche Gründe ermittelt, warum Menschen sich dem Urteil einer Gruppe anpassen. - Ich vertraue dem Urteil der Gruppe, weil ich es selbst nicht besser weiß. Wenn eine Person unsicher ist und z. B. nicht über das nötige Hintergrundwissen, die relevanten Informationen zu einem Thema verfügt, passt sie sich dem Urteil der Gruppe an. Sie vertraut dem Urteil der Gruppe mehr als dem eigenen und möchte keinen Fehler machen. Dieser Einfluss der Gruppe auf das Urteilen einer Einzelperson wird daher informativer Einfluss genannt.
- Ich möchte, dass die anderen mich anerkennen und sympathisch finden. Menschen haben das Bedürfnis, Anerkennung von ihren Mitmenschen zur erlangen. Sie möchten schlicht und einfach gemocht und sympathisch gefunden werden. Das Äußern einer abweichenden Meinung in einer Gruppe birgt die Gefahr, dass Gruppenmitglieder darauf mit Zurückweisung und Kritik reagieren. Die Person erwartet eine negative Sanktion. Das Äußern einer konformen Meinung hingegen führt zu einer positiven Bewertung durch die Mitglieder. Ziel der Einzelperson ist die Vermeidung von Ablehnung und die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft. Denkbar sind zudem positive Sanktionen von der Gruppe wie bspw. Lob, Anerkennung, ein beschleunigter sozialer oder beruflicher Aufstieg. Dieser Einfluss der Gruppe auf das Urteilen der Einzelperson wird normativer Einfluss genannt. Was also tun, wenn man sich nicht traut, in gewissen Gruppen seine Meinung zu äußern? Forscher haben herausgefunden, dass die Anwesenheit von Verbündeten hilft, dem Einfluss der Gruppe zu widerstehen. War beim Asch-Experiment (s. u.) eine zweite Person im Raum, die ebenfalls die korrekte Antwort gab, war die Anzahl derjenigen, die sich konform verhielten, sehr viel geringer. Wenn man also erwartet, in einer Situation von einer Gruppe Druck gemacht zu bekommen, sollte man sich wenn möglich einen Verbündeten zur Seite stellen. Oft ist es zudem so, dass selbst, wenn man eine kritische Meinung äußert, dies nicht automatisch bedeuten muss, von der Gruppe zurückgewiesen zu werden. Oft sind die erwarteten Konsequenzen und Befürchtungen im Kopf sehr viel drastischer als die tatsächlichen Folgen. Vgl.: http://www.bpb.de/lernen/unterrichten/grafstat/46342/m-02-09-wenn-die- gruppe-druck-macht Das Konformitätsexperiment – so entsteht Gruppenzwang Schauen Sie sich diese vier Linien genau an. Frage: Welche Linie ist genau so lang wie Linie X – Linie A, B oder C? Klingt einfach – ist es aber nicht. Denn Ihre Antwort hängt davon ab, ob Sie sie alleine geben oder andere Leute bereits vor ihnen eine Antwort gegeben haben. Das fand der US- Psychologe Solomon Asch in seinem Konformitätsexperiment bereits im Jahr 1951 heraus. Er ließ eine Versuchsperson einen Raum betreten, in dem bereits eine Gruppe saß. Der Versuchsperson sagte Asch, dass es sich bei dieser Gruppe um andere freiwillige Teilnehmer handele. Allerdings hatte Asch die gesamte Gruppe vorher eingeweiht, sie waren seine Komplizen. Dann zeigte Asch allen obiges Bild. Jetzt sollten die Teilnehmer schätzen, welche der drei Vergleichslinien dieselbe Länge wie Linie X hat – was bei genauem Hinsehen nicht allzu schwer fällt. Zunächst sollten die Vertrauten von Asch ihre wahre Einschätzung in der Gruppe äußern. In diesem Fall gab die Versuchsperson fast immer die richtige Antwort. Zwölf Mal stimmte die Gruppe jedoch falsch ab – natürlich absichtlich. Und was passierte? Das Gruppenurteil beeinflusste die Versuchsperson erheblich. Durchschnittlich passte sie sich in jedem dritten Fall der Mehrheit an. So entsteht Gruppenzwang. Vgl.: http://www.alltagsforschung.de/das- konformitatsexperiment-so-entsteht-gruppenzwang/ 17
GRUPPENZWANG BEI INITIATIONSRITEN Der vorherrschende Gruppenzwang bzw. Druck innerhalb der Klasse 7A in „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ muss zwar innerhalb der Handlung als fiktional betrachtet werden. Dennoch ist die von Janne Teller beschriebene Gewalt innerhalb einer Klasse von Jugendlichen während der Phase der Adoleszenz gar nicht so abwegig. Denn gerade in Klassenverbänden entsteht leider häufig ein Gruppenzwang, der über Mobbing weit hinaus geht. Dabei spielen Initiationsriten häufig eine größere Rolle. Musste Janne Teller sich zunächst häufig den Vorwürfen stellen, sie würde mit ihrem Roman Jugendliche überhaupt erst dazu animieren, sich gegenseitig Gewalt anzutun, wird in dem folgenden Focus-Artikel leider nur zu deutlich, dass Teller eher eine dunkel verwurzelte Seite der Menschheit allgemein beschreibt, die sich in der Realität durchaus noch abscheulicher zeigen kann als in ihrem Roman beschrieben. Der Artikel ist gekürzt. Ungekürzt ist er unter http://www.focus.de/wissen/mensch/psychologie/tid- 17212/initiationsriten-die-gesetze-der-meute_aid_479223.html zu lesen. Initiationsriten: Die Gesetze der Meute Entwürdigende Mutproben und Aufnahmerituale wie bei den Gebirgsjägern sind nichts Singuläres. Ethnologen erkennen in den Initiationsriten eine Konstante der Menschheitsgeschichte. Die Aufgabe, die den jungen Soldaten angeblich gestellt wurde, klingt wie eine Anfängerübung für Kandidaten im Dschungelcamp: Rollmöpse und rohe Schweineleber essen, das alles mit viel Alkohol runterspülen – an sich noch nicht besonders eklig. Aber die ranghöheren Soldaten hatten einen fiesen Trick auf Lager: Zu alldem servierten sie frische Hefe. Diese sorgt, vor allem in Verbindung mit Alkohol, dafür, dass man sich sehr schnell und sehr heftig übergeben muss. (…) „Diese Prüfungen tragen die typischen Merkmale eines Initiationsritus“, erklärt Sabine Doering- Manteuffel. „Das ist nichts Singuläres und geschieht nicht nur bei den Gebirgsjägern, nicht einmal nur in der Bundeswehr und in Studentenverbindungen, bei denen solche Aufnahmerituale bekannt sind“, sagt die Professorin für Europäische Volkskunde an der Universität Augsburg. „Bei Initiationsriten handelt es sich um eine anthropologische Konstante. Wir finden sie in fast allen Gesellschaften, auch in 18
Stammeskulturen.“ Ursprünglich markiert ein Initiationsritus den Übergang vom Kindes- ins Erwachsenenalter. In den Stammeskulturen stehen die dabei verlangten Mutproben in unmittelbarem Zusammenhang mit überlebenswichtigen Fähigkeiten, zum Beispiel der Jagd. Nach einem solchen Ritus zählt der junge Stammesangehörige als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft und übernimmt Rechte und Pflichten, die er zuvor nicht hatte.(…) Nach dem Ritual gehören sie einer Gemeinschaft Gleicher unter Gleichen an.“ Vor allem in männlichen Gruppen ist das Hauptmerkmal immer das Thema, Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Ekel oder Scham zu überwinden.(…) Verschiedene Faktoren begünstigen ein solches System, etwa die strenge Hierarchie, das starke Eingebundensein innerhalb der Gruppe. (…) Berühmte psychologische Experimente beweisen, dass nur extrem wenige Menschen in der Lage sind, sich einem solchen Zwang zu widersetzen.(…) „Die Hauptfunktion solcher Initiationsriten besteht darin, dass sie eine starke Identifikation mit der Gruppe ermöglichen“, erklärt Ethnologin Doering-Manteuffel. „Besonders stark funktioniert dies bei Randgruppen, die sich selbst als Elite begreifen“, ergänzt Heyne. (…) In französischen Elite-Gymnasien, Universitäten und vor allem den Grandes Ecoles, die als Kaderschmieden gelten, gibt es seit der Zeit Napoleons die „Bizutage“, ein Ritual, bei dem Neulinge brutal traktiert werden. Details gelangten an die Öffentlichkeit, als Ségolène Royal, damals Unterministerin, die „Bizutage“ 1997 verbieten ließ. Seit 1998 ist sie ins französische Strafgesetzbuch aufgenommen als „eine Vielzahl von erniedrigenden und traumatisierenden Riten in einem Ausbildungs- oder Hochschulmilieu“. Die Initiationsrituale an französischen Elite-Bildungseinrichtungen überschritten bis in die jüngste Vergangenheit häufig die Grenze zur Demütigung und Misshandlung. Neulinge wurden zum Beispiel gezwungen, nackt auf allen Vieren Hundekot zu essen, oder ihnen wurde eine Mischung aus Rotwein, Urin und Erbrochenem eingeflößt. Jean-Claude Delarue, der die Website sos- bizutage.com betreibt, erklärt, dass den Opfern häufig ihre Mobiltelefone abgenommen würden, sodass sie, selbst wenn sie an einem bestimmten Punkt Hilfe rufen wollten, es nicht mehr könnten.(…) Dass solche Initiationsriten immer schlimmer werden, stellt auch der Psychotherapeut Jürgen Raithel in einer wissenschaftliche Arbeit fest: „Neue Formen von Mutproben sind eher der Versuch, in einer reizüberfluteten und reizgesättigten, aber auch reizdesensibilisierten Gesellschaft dennoch neue Reize zu finden, die dem Charakter einer Mutprobe weiterhin entsprechen.“ Dem stimmt Psychologin Heyne zu: „Die Reizschwelle wird beständig angehoben. Noch vor zwanzig Jahren wäre eine Sendung wie das Dschungelcamp undenkbar gewesen. Heute schockt so was niemanden. Die Gesellschaft passt sich erstaunlich schnell an.“ 19
PRAKTISCHE ANREGUNGEN FÜR DIE NACHBEREITUNG IM UNTERRICHT NACHGESPRÄCH / FRAGEN ZU DEM THEATERBESUCH Unterhaltet euch im Klassenverband über die gesehene Theateraufführung von „Nichts. Was im Leben wichtig ist“. Nehmt dabei evtl. folgende Fragen zu Hilfe: 1. Was waren die Unterschiede zwischen der Romanfassung (sofern bekannt bzw. gelesen) und der Theaterinszenierung? 2. War es komisch, dass die gesamte 7A nur von vier Schauspielern dargerstellt wurde? Überlegt euch Gründe, warum dies bewusst so gemacht wurde. 3. Wie empfindet ihr die Figur Pierre Anthon und seine nihilistischen Aussagen? Diskutiert in dem Zusammenhang auch, warum Pierre Anthon von allen Schauspielern gemeinsam dargestellt wurde und was die übergeordnete Aussage dahinter sein könnte? Wen bzw. was versinnbildlicht eigentlich Pierre Anthon? 4. Was war besonders an der Inszenierung bzw. was waren eure Erwartungen daran? Wurden diese erfüllt und wenn nicht, warum nicht bzw. was hättet ihr euch anders gewünscht? 5. Ihr habt in einer Raumbühne gesessen. Was war besonders an dem Bühnenbild bzw. der Raumsituation? 6. Welche Gedanken gingen euch durch den Kopf, nachdem ihr das Stück gesehen hattet? 7. Warum gerät die 7A in solch einen Strudel des Gruppenzwangs? Warum stoppt diesen keiner eher? 8. Könnt ihr euch vorstellen, dass so etwas wie mit der 7A im echten Leben auch passieren könnte? Und wenn ja, warum? 9. Wenn es „Pierre Anthon“ wirklich gäbe, was würdet ihr ihm sagen, was wirklich im Leben von Bedeutung ist, anstatt einen Berg anzuhäufen? 20
ÜBUNG 1: „BEDEUTUNGS- BZW. ASSOZIATIONSKETTE“ (SPRACH- UND IMPULSSPIEL) In „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ wird ständig die Frage gestellt, was eigentlich Bedeutung hat und welche Bedeutung auf die nächste folgt? Im vorangegangenen Gespräch sollte sich im Anschluss darüber unterhalten werden, was eigentlich Bedeutung haben könnte. Im folgenden praktischen Spiel wird dies nun aufgegriffen: Im Kreis werden sich nun Begriffe mit einem Ball „zugeworfen“. Jede Weitergabe des Balls soll verknüpft sein mit der ersten Assoziation, die man aus dem vorangegangenen (zugeworfenen) Begriff ableitet. Dabei geht es aber immer um die erste Assoziation des aktuellen Fängers. Die Gruppe stellt diese Assoziation nicht in Frage und es geht immer weiter in der Assoziationskette. Wichtig ist dabei, dass die Begriffe vom Werfer klar an den Fänger gesendet werden, indem der jeweilige Begriff laut und deutlich ausgesprochen wird. Beispiel: Baum -> Blatt -> Stift -> malen -> bunt -> Farbe -> rot-> Liebe usw. Nicht jeder wird die Farbe Rot mit Liebe assoziieren. Möglich wäre beispielsweise auch „rot“ mit „blau“ oder „Herz“ in Verbindung zu bringen, denn es geht um Assoziation des Einzelnen, nicht um Logik der gesamten „Assoziationskette“! ÜBUNG 2: „NICHTS. WAS IM LEBEN WICHTIG IST“- EIN-SATZ-NACHERZÄHLUNG (SPRACH- UND KONZENTRATIONSSPIEL) Bei der „Ein-Satz-Nacherzählung“ geht es darum, dass die gesamte Klasse „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ zusammen nacherzählt. Dazu stellen sich alle in einen großen Kreis, mit dem Rücken zur Kreismitte und dann wird reihum das Theaterstück nacherzählt. Dabei ist es wichtig, dass wirklich jede Person nur einen Satz sagt. Die gesamte Gruppe muss zusammenarbeiten. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass sich zugehört wird, denn die nacherzählten Sätze sollen: 1. einen Sinn ergeben 2. das Gesehene wirklich nacherzählen 3. sich NICHT wiederholen Wenn alle im Kreis einen Satz gesagt haben und die Geschichte noch nicht zu Ende nacherzählt ist, geht es der Reihe nach weiter. 21
Beispiel: Es konnte folgendermaßen begonnen werden: „Die Geschichte spielt in dem dänischen Ort Tæring.“ (erster Schüler) „Sie handelt von der Klasse 7A.“ (nächster Schüler) „Nach den Sommerferien beschließt Pierre Anthon, nicht mehr zur Schule zu gehen.“ (nächster Schüler) usw. ÜBUNG 3: „ICH LEGE AUF DEN BERG AUS BEDEUTUNG - ICH PACKE MEINEN KOFFER“ (SPRACH-, KONZENTRATIONS- UND GEDÄCHTNISSPIEL) In dem Stück „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ muss jeder aus der Klasse etwas für den Berg aus Bedeutung opfern. Versucht euch zu erinnern, was dies alles für Dinge gewesen sind und versucht euch evtl. auch an die Reihenfolge zu erinnern – also wer legte wann was auf den Berg. Das Spiel wird reihum im Kreis gespielt. Jede Person legt etwas auf den Berg. Wichtig ist, dass nicht nur gesagt wird, was auf den Berg gelegt wird, sondern diese Sache auch spielerisch/gestisch dargestellt wird. Die vorangegangenen Sachen müssen natürlich der Reihenfolge entsprechend „eingepackt“ werden. Dazu muss immer folgender Text gesagt werden: Text: erste Person: Ich lege auf den Berg aus Bedeutung meine „Dungeons & Dragons Bücher“ (gestisch darstellen) nächste Person: Ich lege auf den Berg aus Bedeutung meine „Dungeons & Dragons Bücher“ (gestisch darstellen) und eine Angelrute (gestisch darstellen) nächste Person: Ich lege auf den Berg aus Bedeutung meine „Dungeons & Dragons Bücher“ (gestisch darstellen), eine Angelrute (gestisch darstellen) und einen schwarzen Fußball (gestisch darstellen) usw. Falls sich nicht mehr an die genaue Reihenfolge der Dinge erinnert werden kann, kann die Grafik auf der folgenden Seite zur Hilfe genommen werden: Alternativ ist es aber natürlich auch möglich, das Spiel mit selbst ausgedachten „Bedeutungsdingen“ zu spielen, die man auf den Berg aus Bedeutung legen würde. 22
Vgl.: Roschmann, Achim: Janne Teller Nichts. Was im Leben wichtig ist, Unterrichtsmodell, Schöningh Verlag, 2012, S53. 23
ÜBUNG 4: „GORDISCHER KNOTEN“ (PROBLEMLÖSUNGS- UND BEWEGUNGSSPIEL) Die Klassengemeinschaft der 7A wird am Ende von „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ völlig zerstört und der Gruppenzwang bestimmt die Handlungen der einzelnen Schüler. Im folgenden Spiel muss aber die gesamte Gruppe/Klasse zusammenarbeiten, denn das gemeinschaftliche Ziel soll die Auflösung des „Gordischen Knotens“ sein. Aber nicht mit Gewalt, sondern mit einer POSITIVEN Gruppendynamik! Spielverlauf: Die Gruppe steht in einem engen Kreis. Dann strecken alle MitspielerInnen die Arme nach vorne in die Mitte des Kreises. Auf Kommando schließen alle die Augen, gehen auf die Mitte zu und fassen mit jeder Hand (genau) eine andere Hand und möglichst nicht die des Nachbarn. Wenn jede Person mit seinen zwei Händen, jeweils zwei andere Hände gegriffen hat, dürfen die Augen wieder geöffnet werden. Gemeinsam soll die Gruppe nun versuchen, den entstandenen Knoten, ohne die Hände loslassen zu müssen, zu entwirren. ÜBUNG 5: „DAS ASCH-EXPERIMENT“ (GRUPPEN-, ROLLEN- UND WAHRNEHMUNGSSPIEL) Wie auf Seite 15 erläutert, gibt es ein Experiment zum Gruppenzwang, das „Asch-Experiment“, welches der Psychologe Solomon Asch bereits 1951 durchführte. Man kann dieses Experiment auch einmalig als Theaterübung anwenden. Dazu ist es natürlich Vorraussetzung, dass der Klasse vorab das Experiment NICHT bekannt ist oder erklärt wurde. Spielverlauf: Die Testsituation wird nachgestellt. Dazu verlassen ca. fünf „Testpersonen“ den Raum. Dann wird der restlichen Klasse das Asch-Experiment erklärt. Ein Schüler übernimmt die Rolle des Versuchsleiters, 24
die restliche Klasse sind wissenschaftliche Experten. Dann werden einzeln die Testpersonen in den Raum gelassen. Der Versuchsleiter könnte sie mit folgendem Text empfangen: „Guten Tag, ich danke Ihnen, dass Sie bereit sind, an unserem Experiment zur Wahrnehmungsleistung teilzunehmen. Mit Ihrer Teilnahme leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur psychologischen und medizinischen Forschung. Ich zeige Ihnen gleich jeweils zwei Karten mit Linien. Auf der Standardkarte finden Sie eine Linie, auf der Vergleichskarte drei Linien. Sie müssen entscheiden, welche der Linien der Linie auf der Standardkarte entspricht. Ich werde Sie der Reihe nach befragen. Geben Sie mir bitte dann Ihre Antwort." Dann sollen die anderen wissenschaftlichen Experten ihre Meinung dazu äußern. Natürlich muss vorab besprochen werden, wer nun die richtigen, wer bewusst die falsche Antworten gibt und wer evtl. vorgibt, sich nicht sicher zu sein. Diejenigen, die vermehrt mit Absicht die falsche Antwort geben, um die „Testpersonen“ zu beeinflussen, müssen von der Anzahl her erstens die meisten sein und zweitens ihre Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Aussage am stärksten spielen. Lassen sich die „Testpersonen“ durch einen vorgegeben Gruppenzwang beeinflussen? Findet es heraus und macht euer eigenes „Asch-Experiment“ und redet im Anschluss in der gesamten Gruppe darüber. Wie fühlten sich die unwissenden „Testpersonen“? Wie schwierig war es für die wissenschaftlichen Experten, bewusst die falsche Antwort zu geben, um den „Testpersonen“ ihre Meinung aufzuzwingen? ÜBUNG 6: „PARANOIA“ (GRUPPEN-, BEWEGUNGS-UND WAHRNEHMUNGSSPIEL) In „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ wird man Zeuge, wie aus einem einstigen Klassenverband durch eine negative Gruppendynamik alle zu Einzelkämpfern werden und die Angst vorherrscht, welcher Klassenkamerad wohl nun ein Opfer von einem anderen einfordern wird und wem man überhaupt noch trauen kann. Die folgende Spielaufgabe behandelt diese Thematik, wobei vorher deutlich klar gemacht werden muss, dass es sich um ein Spiel handelt und hier NICHT evtl. echte persönliche Abneigungen verhandelt werden sollen! Spielverlauf: Jeder Spieler sucht sich eine Person aus, die er besonders mag und der so nah wie möglich sein möchte und eine Person, der er so fern wie möglich sein möchte bzw. bei der sogar gespielt werden soll, dass man Angst vor dieser Person hat. Die Entscheidungen, wem man so nah bzw. so fern wie möglich sein möchte, behält jeder für sich. So weiß man auch nicht von den anderen Mitspielern, ob man evtl. von jemanden gemocht wird oder jemand vor einer Person Angst hat bzw. jemandem so fern 25
wie möglich sein möchte. Dann wird diejenige Person verfolgt, die man mag bzw. Abstand zu der Person gehalten, vor der man sich fürchtet. Nach der Halbzeit werden nach der Ansage des Spielleiters die Rollen genau vertauscht; indem nun jeder Spieler vor der Person Angst hat, die man eben noch am meisten mochte und der man am nächsten sein wollte und umgekehrt. GESPRÄCH ÜBER DIE ÜBUNG „PARANOIA“ Diese Übung geht bewusst darauf ein, dass die Gruppe verunsichert wird und jeder Einzelne sich bewusst mit der Thematik auseinander setzen muss, wo Zu- und wo Abneigung vorhanden ist. Gleichzeitig spürt man natürlich auch, von wem man evtl. gemieden oder verfolgt wird. Was macht dieser Zustand mit der Gesamtgruppe? Gibt es evtl. einen Favoriten, den alle verfolgen oder umgekehrt jemanden, den alle meiden? Wie fühlt es sich an, jemanden meiden zu müssen oder von jemanden gemieden zu werden? Fühlt man sich dadurch automatisch von der Gruppe verstoßen? ÜBUNG 7: „DAS OPFER“ (GRUPPEN-, BEWEGUNGS-UND WAHRNEHMUNGSSPIEL) Da sich das folgende Spiel mit Gruppendruck auseinander setzt, ist es erneut wichtig, vorab deutlich zu machen, dass es sich um ein Spiel handelt. Hier sollen und dürfen keine persönlichen Befindlichkeiten verhandelt werden! Für die Übung „Das Opfer“ gehen nun alle Schüler durch den Raum. Dabei ist es wichtig, dass der Raum gleichmäßig ausgefüllt wird, jeder für sich geht, aufeinander geachtet wird, damit man sich nicht umrennt und dass nicht miteinander gesprochen wird. Spielverlauf: Die Schüler sollen nonverbal ein Opfer unter sich ermitteln. Dies erfolgt lediglich über Blickkontaktaufnahme untereinander, jegliche verbale Kommunikation ist untersagt. Entscheidet man sich für ein Opfer, wird diese Person verfolgt und mittels Blicken untereinander sollte versucht werden, die anderen Mitspieler dazu zu bewegen, dieses Opfer ebenfalls zu verfolgen. Nimmt das von der Gruppe festgelegte Opfer seine Verfolger wahr, muss es versuchen, diesen zu entkommen. Eine andere Variante ist, dass das zunächst ausgewählte Opfer versucht, die Meinung von sich abzuwenden, indem es jemand anderes als sein persönliches Opfer verfolgt und versucht, die anderen Klassenkameraden davon zu überzeugen, jene Person als Opfer zu betrachten. Die Übung endet, wenn sich die gesamte Gruppe auf ein Opfer geeinigt hat und dieses konsequent verfolgt wird, indem der Verfolgerkreis um jene Person immer enger gezogen wird und dadurch das Opfer keinerlei Möglichkeit mehr findet, zu entkommen. 26
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