Konjunkturausblick Niedersachsen - Fixed Income & Macro Research, Sector Strategy - NORD/LB
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
1 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Inhalt Weltwirtschaft zwischen politischen Risiken und Hoffnung 2 Deutschland: Signale für Bodenbildung mehren sich – Politik bleibt gefordert 4 Inflation, EZB-Geldpolitik und Zinsentwicklung 8 BIP-Entwicklung 2018 12 Ausblick 2019 und 2020 13 Verarbeitendes Gewerbe 13 Exporte 16 Bauhauptgewerbe 17 Dienstleistungsgewerbe 18 Arbeitsmarkt 19 Fazit: Niedersachsens Wirtschaft – Stabiler als erwartet 20 Ansprechpartner 21 Wichtige Hinweise 22
2 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Einleitung: Weltwirtschaft zwischen politischen Risiken und Hoffnung Analyst: Christian Lips, Chefvolkswirt Nach dem Abschwung – Linderung der größten Risiken verbessert Sentiment Die Weltwirtschaft hat im Jahr 2019 spürbar an Dynamik eingebüßt. Die konjunkturelle Ent- wicklung und die Kapitalmärkte waren dabei wie erwartet Spielball der großen Krisenthe- men Handelskrieg und Brexit. Im 21. Jahrhundert muss man sich offenbar daran gewöhnen, dass schon ein einziger Tweet massiven Einfluss auf das Marktgeschehen nehmen kann. Der US-Präsident blieb seiner protektionistischen Agenda treu und verschärfte vor allem gegen- über China die Gangart in mehreren Eskalationsstufen. Es scheint sich zudem zu bestätigen, dass es sich hier nicht um einen rein handelspolitischen Konflikt handelt, sondern geo- und machtpolitische Überlegungen zumindest einen großen Einfluss haben. Trump bezeichnete sich gar als den Auserwählten, der den aus seiner Sicht notwendigen strategischen Konflikt mit der aufstrebenden Macht China endlich für die USA ausfechten müsse. Dennoch hat er in den vergangenen beiden Monaten immer wieder auch die Möglichkeit einer ersten Zwi- schenvereinbarung zwischen den USA und China betont. Offenbar geht es bei diesem Deal (Phase 1) auch um eine teilweise Rücknahme bereits vollzogener oder angedrohter Zollan- hebungen. Dies wäre sicher ein positives Entspannungssignal, und die Hoffnung hierauf in den zurückliegenden Wochen erklärt – gemeinsam mit dem abgewendeten harten Brexit – somit auch die Verbesserung des Sentiments. Ein solcher Waffenstillstand bleibt aber wegen des strategischen Konfliktcharakters fragil. Zudem hat Trump den Geist des aggressiven Pro- tektionismus aus der Flasche gelassen und dieser wird nur schwer wieder durch Zwischen- vereinbarungen zurückzuholen sein. Die USA blockieren weiterhin die Nachbesetzung von Richtervakanzen bei der WTO, womit die Streitschlichtung ausgehebelt ist. Unternehmen wie Investoren werden Standortentscheidungen im neuen Regime der globalen Handelspo- litik somit auch zukünftig sehr genau abwägen und feinteilige internationale Wertschöp- fungsketten weiterhin auf dem Prüfstand bleiben. Dies wird Welthandel und Investitions- neigung weiterhin dämpfen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Märkte schon et- was zu viel Euphorie einpreisen. Abbildung: BIP-Wachstum in ausgewählten Wirtschafts- und Währungsräumen 8 in %, Y/Y in %, Y/Y 16 6 12 4 8 2 4 0 0 -2 -4 -4 -8 -6 -12 -8 -16 -10 -20 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 BIP USA BIP Japan BIP Euroraum BIP Deutschland BIP UK BIP China (r.S.) Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research
3 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Ausblick für 2020: Politische Risiken bleiben im Fokus, nur langsame Erholung Der Fokus wird sich im Jahr 2020 angesichts von Impeachment, den Präsidentschaftswahlen und den Handelskonflikten mehrfach auf Washington richten. Auch zwischen den USA und der EU gibt es genügend Konfliktpotenzial (US-Strafzölle wegen Airbus, Nord Stream 2, Dro- hung Fahrzeugzölle). Aber auch das Thema Brexit bleibt länger erhalten als den meisten lieb sein dürfte. Hier fehlt es noch an einer endgültigen Lösung. Nach den Unterhauswahlen am 12. Dezember ist es zwar sehr wahrscheinlich, dass Boris Johnson seinen Deal nun zügig durch das Parlament bringt und formell der Brexit dann zum 31.01.2020 vollzogen wird. Al- lerdings beginnt dann erst die Übergangsperiode, die zur Aushandlung eines Folgeabkom- mens genutzt werden muss. Hierbei werden wieder sehr unterschiedliche Positionen von EU und UK aufeinanderprallen. Es erscheint daher utopisch, dass eine Einigung auf ein Ab- kommen zur Regelung der zukünftigen Beziehungen bis Ende 2020 möglich ist, weshalb Johnson bis zur Jahresmitte klären muss, ob er eine Verlängerung der Übergangsphase be- antragen möchte. Insofern mögen die politischen Risiken zwar kurzfristig etwas in den Hin- tergrund treten, von der Bildfläche verschwunden sind sie jedoch noch lange nicht. Es gibt aber auch eine positive Botschaft: Eine globale Rezession konnte nicht nur im Jahr 2019 ab- gewendet werden, sondern ist auch für 2020 wenig wahrscheinlich. Vielmehr sprechen die Frühindikatoren aktuell eher für eine allmähliche, wenn auch nur langsame Erholung. Implikationen für die Finanzmärkte In unserem Basisszenario dürfte die Weltwirtschaft sich stabilisieren, aber nur langsam an Dynamik gewinnen. Die Geldpolitik wird daher dies- und jenseits des Atlantiks von weiteren Lockerungsschritten zunächst Abstand nehmen, aber den derzeit eingeschlagenen Kurs un- verändert fortsetzen. Sowohl die US-Notenbank als auch die EZB befinden sich zudem in einer Strategieüberprüfung. Unter EZB-Präsidentin Lagarde zeichnet sich bereits nach der ersten geldpolitischen Sitzung ein Stilwechsel im Vergleich zu ihrem Vorgänger ab. Inhaltlich setzt sie jedoch den von Mario Draghi eingeschlagenen Kurs fort. Die Entwicklung an den Finanzmärkten wird 2020 stark von den globalen Risikofaktoren beeinflusst werden, Auslö- ser für zwischenzeitliche Rücksetzer an den Aktienmärkten und bei den Staatsanleiherendi- ten gibt es genug. Langfristig dominieren Themen wie Negativzinsen, Anlagenotstand und nicht adäquat bepreiste Risiken. In unserem Basisszenario erwarten wir 2020 nur einen leichten Anstieg der Kapitalmarktzinsen und sehen auf mittlere Sicht durchaus noch Poten- zial für die Aktienmärkte.
4 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Deutschland Signale für Bodenbildung mehren sich – Politik bleibt gefordert Analyst: Christian Lips, Chefvolkswirt Rückblick: Industrierezession – Konsum und Bau stabilisieren Konjunktur Die deutsche Konjunktur hat sich im Jahr 2019 merklich abgekühlt. Verglichen mit dem glei- chen Vorjahreszeitraum erhöhte sich das reale BIP im ersten Halbjahr nur noch um 0,6% Y/Y. Im Frühjahr ging das reale BIP kalender- und saisonbereinigt um -0,2% gegenüber dem Vor- quartal zurück, weshalb bei zugleich sehr schwachen Konjunkturaussichten Sorgen über ein mögliches Abgleiten der deutschen Wirtschaft in eine (technische) Rezession aufkamen. Al- lerdings verzeichnete die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal mit 0,1% Q/Q wieder einen leichten Zuwachs der realen Wirtschaftsleistung. Da wir bei den vorliegenden Indikatoren nicht mit viel mehr als Stagnation im Schlussquartal rechnen, dürfte sich für das Gesamtjahr eine Wachstumsrate von 0,5% ergeben. Verglichen mit unserer Prognose von vor einem Jahr wird deutlich, dass wir wie viele andere Konjunkturanalysten zu optimistisch waren. Vor al- lem das Ausmaß und die Dauer der Industrierezession hatten wir unterschätzt. Vor einem Jahr herrschten noch die Hoffnungen vor, der Einbruch seit der Jahresmitte 2018 sei vor allem durch Produktionsunterbrechungen aufgrund von Sonderfaktoren wie die Umstellung auf den neuen Abgasprüfstandard WLTP sowie die zeitweise sehr niedrigen Pegelstände wichtiger Wasserstraßen zu erklären. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die Probleme viel- schichtiger sind. Neben den Sonderfaktoren belastet auch der Strukturwandel im Fahrzeug- bau und die geringe Nachfrage auf wichtigen Auslandsmärkten. Vor allem der Brexit, die handelspolitische Unsicherheit und die zunehmende Eintrübung des weltwirtschaftlichen Klimas infolge der vielfältigen globalen Risikofaktoren haben die deutsche Wirtschaft erheb- lich belastet. Die Faktoren, die im globalen Aufschwung zuvor konjunkturellen Rückenwind bedeutet hatten, wirkten sich nun überproportional negativ aus: Relativ hoher Offenheits- grad, hoher Anteil der industriellen Wertschöpfung sowie Fokussierung des verarbeitenden Gewerbes auf Investitionsgüter. Wichtigste Wachstumssäule im Jahr 2019 war erneut die Binnennachfrage. Dies gilt für den privaten und den öffentlichen Konsum, aber auch die Bauinvestitionen wurden erheblich ausgeweitet. Die Investitionsneigung ging ansonsten je- doch zurück, die Ausrüstungen bremsten zuletzt das Wachstum deutlich. Die Nettoexporte hingegen lieferten erwartungsgemäß einen deutlich negativen Wachstumsbeitrag. Chart: Wachstumsbeiträge zum realen BIP 1,6 Q/Q, in %-P. 1,2 1,2 0,9 0,9 0,7 0,8 0,5 0,6 0,6 0,5 1,0 0,5 0,4 0,4 0,4 0,4 0,8 0,2 0,1 0,2 0,0 0,6 0,0 -0,2 -0,2 0,1 -0,4 -0,1 -0,8 -1,2 I/14 I/15 I/16 I/17 I/18 I/19 Privater Konsum Staatsausgaben Bruttoanlageinv. Vorräte Außenbeitrag BIP-Wachstum Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research
5 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Nur kleinere Schmauchspuren am Arbeitsmarkt – Beschäftigung legt weiter zu Bei den Bauten wirken weiterhin die erhöhte Nachfrage im Wohnungsbau sowie generell das auf absehbare Zeit sehr niedrige Zinsniveau und der Mangel an renditeträchtigen Anla- gealternativen stützend für die Nachfrage. Trotz der erheblichen konjunkturellen Abkühlung und der langen Industrierezession seit Mitte 2018 hat sich der Arbeitsmarkt fast schon er- staunlich stabil präsentiert. Zwar konnte die positive Dynamik der Vorjahre nicht gehalten werden, zwischenzeitlich erhöhte sich sogar die Arbeitslosenzahl in den Sommermonaten leicht. Die Zahl der Erwerbstätigen legte 2019 aber noch einmal um knapp 1,0% zu und die Arbeitslosenquote sank durchschnittlich leicht von 5,2% auf 5,0% (vgl. Chart). Die anhal- tende Beschäftigungszunahme und zunehmende Fachkräfteengpässe in einzelnen Branchen haben zu deutlichen Nominallohnsteigerungen beigetragen. Die Expansionsrate des priva- ten Verbrauchs erhöhte sich um gut 1,5% Y/Y und damit stärker als in den beiden Vorjahren. Das real verfügbare Einkommen profitierte hierbei von der niedrigen Inflationsrate von jah- resdurchschnittlich 1,4% Y/Y. Insofern lagen wir mit unserer Prognose von vor einem Jahr (1,6%) relativ nah an der Realität. Chart: Langfristige Arbeitsmarktentwicklung (inkl. Prognose) Mio. Personen in Mio. 38 5,5 Prognose 39 5,0 40 4,5 41 4,0 42 3,5 43 3,0 44 2,5 45 2,0 46 1,5 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Arbeitslosenzahl (sa, r.S.) Erwerbstätige, sa (invertiert) Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research Ausblick: Frühindikatoren senden erste Hoffnungsschimmer aus – Konjunktur bleibt fragil Am aktuellen Rand fallen die Präsenzindikatoren noch immer durchwachsen aus. Insbeson- dere die Industrieproduktion und die Auftragseingänge sprechen nicht für ein schnelles Ende der Industrierezession. Auch der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Ge- werbe notiert noch weit unter der Marke von 50 Punkten und damit der Expansions- schwelle. Zwar haben sich die Erwartungen der Finanzmarktexperten in den jüngsten Um- fragen von sentix und des ZEW deutlich erhöht, eine realwirtschaftliche Bestätigung durch Unternehmensumfragen oder gar harte Konjunkturindikatoren steht aber noch aus. Opti- mistisch stimmt aber, dass beim ZEW und bei sentix parallel zu den Erwartungen auch die Lagekomponente besser beurteilt wurde. Derzeit sprechen alle wichtigen Frühindikatoren für eine allmähliche Bodenbildung, ein Absturz in die Rezession scheint somit abgewendet. Ein Aufschwung zeichnet sich jedoch ebenfalls noch nicht ab, zu groß sind derzeit noch die politischen Risikofaktoren und zu schwach die globale Dynamik. Bei einem Ausbleiben gro- ßer Schockereignisse dürfte die deutsche Wirtschaft 2020 real um 1,1% wachsen, wovon allerdings 0,4 Prozentpunkte auf Kalendereffekte zurückgehen. Unterstützung erwarten wir
6 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 vom privaten und öffentlichen Konsum sowie von den Bauinvestitionen. Die expansive Geld- politik sowie leichte Impulse von der Fiskalpolitik stützen die Erwartung einer Stabilisierung. Chart: Frühindikatoren signalisieren deutlich reduziertes Wachstumstempo 3 standardisiert in % 6 2 4 1 2 0 0 -1 -2 -2 -4 -3 -6 -4 -8 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 BIP yoy (rechts, in %) ifo-Geschäftsklima Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research BDI und DGB fordern öffentliches Investitionsprogramm – Abkehr von „schwarzer Null“? Seit geraumer Zeit werden – unter anderem von Institutionen wie dem IWF, der OECD und der EZB – Forderungen laut, Deutschland solle seinen finanziellen Spielraum nutzen und eine expansivere Fiskalpolitik betreiben. Dabei wird einerseits mit einer potentiellen Stimulie- rung der derzeit schwächelnden europäischen Konjunktur argumentiert. Andererseits sei aufgrund der Vernachlässigung öffentlicher Investitionen in den letzten Jahrzehnten die Zu- kunftsfestigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland und damit einhergehend der Wohl- stand des Landes bedroht. Doch welche Ausmaße hat der Investitionsstau tatsächlich ange- nommen? Grundsätzlich stellen öffentliche Investitionen mit etwa 10% nur einen geringen Anteil an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen dar. Diese sind dennoch von großer Be- deutung, da sie das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft günstig beeinflussen, vor al- lem bei einer hohen Komplementarität zu privaten Investitionen. Dies gilt insbesondere für öffentliche Investitionen in Bereichen wie analoger und digitaler Infrastruktur oder Bildung (weiter Investitionsbegriff). Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft bele- gen, dass eine wachsende Zahl von Unternehmen sich in ihrer Geschäftstätigkeit durch man- gelhafte öffentliche Investitionen beeinträchtigt sehen. Doch auch zur Bewältigung von Her- ausforderungen wie der Digitalisierung und Dekarbonisierung sowie des Demografischen Wandels ist eine erhöhte Investitionstätigkeit des Staates erforderlich. Folgt man den Schät- zungen von BDI, DGB, IW und imk, so beläuft sich der gesamtstaatliche öffentliche Investiti- onsbedarf in Deutschland auf mindestens 450 Mrd. Euro über die nächsten zehn Jahre. Ei- nen großen Anteil des öffentlichen Investitionsbedarfs macht dabei die Aufarbeitung des Investitionsstaus der Kommunen aus. Dieser wird in dem KfW-Kommunalpanel 2019 auf 138,4 Mrd. Euro geschätzt, allein für die Sanierung von Schulen und Verkehrsinfrastruktur werden kommunale Investitionen in Höhe von rund 80 Mrd. Euro benötigt. Weitere große Posten des identifizierten Investitionsbedarfes stellen der Ausbau von frühkindlicher Bil- dung und Ganztagsschulen, des ÖPNV sowie des Fern- und Güterverkehrs der Deutschen Bahn, der Wohnungsbauförderung und der Telekommunikationsnetze dar. Deutschland hinkt nach wie vor beim Ausbau digitaler Netze im internationalen Vergleich hinterher. Die Gründe für die jahrelange Vernachlässigung öffentlicher Investitionen sind sicher vielschich- tig. So wird Politikern gerne eine Kurzfristorientierung zu Lasten langfristiger Investitionen unterstellt. Zumindest zeigen die Erfahrungen, dass in Konsolidierungsprogrammen häufig
7 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 überproportional Investitionen dem Rotstift zum Opfer fallen. Auch der seit Jahren priori- sierte Schuldenabbau lässt wenig Spielraum. Doch wären langfristige und verbindliche In- vestitionsprogramme, deren Finanzierung unabhängig von der konjunkturellen Lage gesi- chert ist, erforderlich, um den Engpässen in Planungs- und Baukapazitäten entgegenzuwir- ken. Sowohl die kommunalen Planungsbereiche als auch die Bauunternehmen könnten ihre Kapazitäten angemessen ausweiten, wenn sie nicht befürchten müssen, dass angekündigte Investitionsvorhaben in der nächsten Wahlperiode wieder gestrichen werden. Ein breiter überparteilicher Kompromiss wäre hier hilfreich, was im Rahmen einer großen Koalition wie derzeit am ehesten gelingen dürfte. Die Finanzierung eines langfristigen Investitionspro- grammes wird derzeit intensiv diskutiert und insbesondere die Politik der sogenannten ‚Schwarzen Null‘ ist umstritten. Intelligenter ist die Schuldenbremse im Grundgesetz ver- fasst, die im Normalfall eine zulässige strukturelle Neuverschuldung des Bundes in Höhe von 0,35% des BIP vorsieht. Zudem sind die Refinanzierungsbedingungen des Staates auf abseh- bare Frist so günstig wie nie zuvor. Eine Neuverschuldung von EUR 45 Mrd. pro Jahr entsprä- che etwa 1,3% des BIP. Würde der Vorschlag von BDI und DGB umgesetzt, würde die Schul- denquote übrigens nicht ansteigen, sondern lediglich deren Rückgang sich langsamer voll- ziehen. Zudem rechnet sich ein Abbau des Sanierungsstaus auch meist schon nach wenigen Jahren fiskalisch, wenn dadurch exponentielle Kostensteigerungen durch unterlassene Sa- nierungen vermieden werden. Die deutsche Wirtschaft steht in der Dekade der 2020er Jahre vor großen Herausforderungen durch Demographie, Digitalisierung, Struktur- und Klima- wandel, begleitet von einem sich verschärfenden globalen Wettbewerbsumfeld. Öffentliche Investitionen können einen wertvollen Beitrag für Wachstum und Prosperität leisten. Fundamentalprognosen Deutschland 2018 2019 2020 BIP 1,5 0,5 1,1 Privater Konsum 1,3 1,6 1,4 Öffentlicher Konsum 1,4 2,0 2,2 Investitionen 3,5 2,6 1,9 Exporte 2,1 1,3 2,9 Importe 3,6 2,5 3,7 Außenbeitrag1 -0,4 -0,4 -0,2 Inflation2 1,9 1,4 1,1 Arbeitslosenquote3 5,2 5,0 4,9 Haushaltssaldo4 1,9 1,4 0,6 Leistungsbilanzsaldo4 7,5 7,3 7,1 Veränderung gg. Vj. in %, 1Wachstumsbeitrag; 2HVPI; 3in % der ziv. Erwerbspersonen (BA-Definition); 4 in % des BIP Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research Quartalsprognosen Deutschland I/19 II/19 III/19 IV/19 I/20 BIP sa Q/Q 0,5 -0,2 0,1 0,0 0,2 BIP nsa Y/Y 0,9 -0,1 1,0 0,3 0,4 Inflation Y/Y 1,6 1,7 1,0 1,2 1,6 Veränderung in % Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research
8 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Inflation, EZB-Geldpolitik und Zinsentwicklung Analyst: Christian Lips, Chefvolkswirt Gedämpfter Inflationsausblick auf kurze und mittlere Sicht sorgt EZB Die durchschnittliche Inflationsrate lag im Jahr 2019 bei 1,2% Y/Y und damit etwas niedriger als von uns prognostiziert (+1,5% Y/Y). Damit rutschte sie auch wieder deutlich unter den Wert von knapp 2%, den die EZB zum Sichern der Preisniveaustabilität anstrebt. Im Jahres- verlauf kamen abnehmende Impulse von den Energiepreisen. Dies schlug sich vor allem bei der Preiskomponente Energie nieder (vgl. Chart). Da der binnenwirtschaftliche Preisdruck wie schon in den Vorjahren gering blieb und die Kernrate wie festgenagelt im Bereich von 1,0% Y/Y blieb, sank auch die Gesamtinflationsrate immer weiter ab. Parallel hierzu – und dies hat offenbar auch die hohe Nervosität bei der Mehrzahl der EZB-Ratsmitglieder begrün- det – gingen auch die mittelfristigen Inflationserwartungen deutlich zurück. Da sich beim binnenwirtschaftlichen Preisdruck keine Trendwende abzeichnet und wir von keinen stär- keren Ölpreisimpulsen ausgehen, ist eine Rückkehr der HVPI-Inflationsrate in den Bereich von 2,0% Y/Y für längere Zeit nicht zu erwarten. Im Gesamtjahr 2020 erwarten wir die Infla- tionsrate mit 1,1% sogar noch einmal etwas niedriger, bevor in den Folgejahren eine – wenn auch nur langsame – Aufwärtsbewegung einsetzen dürfte. Chart: HVPI-Gesamtinflation, (Super-)Kernrate und mittelfristige Inflationserwartungen Y/Y, in %-P. 5,0 Prognose 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 -1,0 -2,0 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Kernrate ex Energie Energie HVPI-Gesamt Y/Y "Supercore" Euroland Inflation Swap Forward 5Y5Y Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research EZB-Präsidentin Lagarde: Stil- aber kein Paradigmenwechsel – Strategiedebatte gestartet Mit dem Ausstieg aus dem Programm der Quantitativen Lockerung (QE) Anfang 2019 schien sich die EZB zwar spät, aber dann doch endlich auf den Weg der schrittweisen geldpoliti- schen Normalisierung aufzumachen. Dies hatte jedoch genau genommen noch nicht einmal ein halbes Jahr Bestand, da kündigte im Juni der damalige EZB-Präsident Mario Draghi in
9 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Sintra eine 180°-Wende an, wodurch teils massive Zinssenkungserwartungen an den Märk- ten geschürt wurden. Im September haben die Frankfurter Währungshüter dann ein umfas- sendes Stimuluspaket geschnürt, bestehend aus mehreren, sich ergänzenden Einzelmaß- nahmen. Hierzu gehörte eine nochmalige Absenkung des Satzes für die Einlagefazilität um zehn Basispunkte auf -0,50%, die Einführung eines Tieringsystems, eine nochmals expansi- ver formulierte Forward Guidance, eine attraktivere Ausgestaltung der TLTRO III-Geschäfte als noch Anfang Juni angekündigt sowie die Wiederaufnahme des QE-Programms ab No- vember mit einem monatlichen Nettoankaufvolumen von EUR 20 Mrd. Dieses Paket ist nicht bloß eine Sammlung von einzelnen – teilweise innovativen – Lockerungsmaßnahmen, son- dern muss aufgrund von Wechselwirkungen in seiner Gesamtheit betrachtet werden. Die Forward Guidance zu den Leitzinsen ist seither datenabhängig formuliert. Dieses Commit- ment wirkt zwar grundsätzlich nicht so stark wie ein explizites Datum. De facto hat der EZB- Rat aber das Tor für eine erste Zinserhöhung bis weit in die Zukunft geschlossen. Zudem scheint dem Rat nicht eine Normalisierung der HVPI-Rate (und des mittelfristigen Ausblicks) zu reichen, entsprechende Stabilisierungstendenzen werden nun auch bei der Kernrate vo- rausgesetzt. Die Forward Guidance zum QE-Programm etabliert Nettoassetkäufe für einen langen Zeitraum als normales geldpolitisches Instrument. Die Ankäufe werden erst kurz vor der ersten Zinserhöhung eingestellt – eine sehr enge Kopplung, was bei beiden Instrumen- ten ein wechselseitiges Verzögern des Einstiegs in die Normalisierung nach sich ziehen dürfte. Nur marginale Einflüsse auf die Geldmarktsätze hatte das Tiering, wonach Banken seit dem 30.10. Überschussreserven bis zum sechsfachen des institutsspezifischen Mindest- reservesolls von der Belastung mit dem negativen Einlagesatz freigestellt werden. Selbst bei vollständiger Ausnutzung der Freigrenzen – Arbitrageüberlegungen sollten dies tendenziell bewirken – verbleibt ein hinreichend hoher Betrag an Überschussreserven, weshalb die Geldmarktsätze weiterhin eng am Einlagesatz verankert bleiben. Eine wirkliche Neuerung ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Tieringsystem und den TLTRO III-Geschäften. Theo- retisch ist es möglich, dass sich Banken mit freiem Exempt Tier über TLTRO III Liquidität für -0,50% bei der EZB beschaffen und (bis zur individuellen Grenze) für 0,00% bei der EZB par- ken können. Im EZB-Rat hat es offensichtlich einen großen Dissens zur Wiederaufnahme des QE gegeben. Das Septemberpaket der EZB war zwar nicht zwangsläufig der letzte Schuss der EZB, allerdings scheint Lagarde die Geldpolitik stärker im Konsens gestalten zu wollen. Ein Stilwechsel war bei ihrer ersten Pressekonferenz offensichtlich, inhaltlich knüpft sie jedoch nahtlos an die Politik unter Mario Draghi an. Chart: EZB-Leitzinsen, EONIA und Überschussliquidität 5 in % Mrd. EUR 2500 4 2000 3 1500 2 1000 1 500 0 0 -1 -500 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Überschussliquidität (r.S.) EONIA EZB Tendersatz Quelle: Bloomberg, EZB, NORD/LB Fixed Income & Macro Research
10 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 EZB zwischen ökonomischer und politischer Untergrenze – Fiskalpolitik nun am Zug? Auch aus Sicht einiger EZB-Ratsmitglieder stößt die Geldpolitik allmählich an ihre Grenzen. Zwar mag das Leitzinsniveau noch einen Abstand zur ökonomischen Untergrenze („lower bound“) besitzen. Die adversen Effekte der Negativzinsen werden sich allerdings weiter ver- stärken und drohen den Nutzen der expansiven Geldpolitik zu überwiegen. Die massive in- terne wie auch öffentliche Kritik an der Geldpolitik dürfte nicht nur ein Kommunikations- problem darstellen. Offenbar existiert auch eine politische Untergrenze, die auf Dauer nicht unterschritten werden sollte, ohne massive Reputationsverluste für die EZB zu provozieren. Daher wurden die Mitgliedsstaaten des Euroraumes von der EZB mehrfach aufgefordert, die schwächelnde Konjunktur mit fiskalischen Impulsen zu beleben. Ohne eine entsprechende Kehrtwende der Fiskalpolitik wird der realwirtschaftliche Effekt der geldpolitischen Locke- rung begrenzt bleiben und das extreme Niedrigzinsniveau auf Jahre zementiert werden. Doch umfangreiche und vor allem über die Mitgliedsstaaten koordinierte Fiskalpakete blie- ben bisher aus. Auch die Europäische Kommission bezeichnet die Fiskalpolitik im Euroraum als nicht hinreichend differenziert – während die stark verschuldeten Mitgliedsstaaten grö- ßere Anstrengungen in der Haushaltskonsolidierung Unternehmen müssten, sollten Länder mit finanziellem Spielraum eine expansivere Fiskalpolitik betreiben. Doch die strengen Fis- kalregeln der Währungsunion schränken den potenziellen Umfang fiskalischer Stimuli stark ein. Gemäß des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie des Fiskalpakts der EU ist den Mit- gliedsstaaten ein maximaler Schuldenstand von 60% und ein Haushaltsdefizit von höchstens 3% ihres jeweiligen BIP erlaubt. Das zulässige strukturelle Defizit liegt bei Einhaltung der 60%-Grenze bei 1% und anderenfalls bei lediglich 0,5% des BIP. Darüber hinaus legen die Euroländer der EU-Kommission jeweils landesspezifische Stabilitätsprogramme vor, in de- nen ein mittelfristiges Haushaltsziel festgehalten und dessen Einhaltung anschließend über- prüft wird. Mitgliedsstaaten die ihre Haushaltsziele verfehlen, müssen zudem einen Plan zum Defizitabbau darlegen. Der durchschnittliche Schuldenstand des Euroraumes wird 2020 auf etwa 85% des BIP sinken. Insgesamt werden neun Euroländer die zulässige Schulden- quote weiterhin verfehlen. Spitzenreiter bleiben Griechenland und Italien mit voraussichtli- chen Schuldenquoten von 169 und 135%. Im Falle Italiens hat sich die Staatsverschuldung in den letzten Jahren – entgegen des europäischen Trends des Schuldenabbaus - sogar er- höht. Neben Italien werden voraussichtlich auch weitere große Volkswirtschaften des Euro- raumes, wie Frankreich oder Spanien, im kommenden Jahr gegen die Defizitkriterien versto- ßen. Vor diesem Hintergrund scheint der potentielle Umfang eines koordinierten Fiskalpa- ketes der Euroländer und der damit verbundene Wachstumseffekt entsprechend gering. Wenn beispielsweise alle Mitgliedsstaaten, die ihre mittelfristigen Haushaltsziele erreichen, ihr strukturelles Defizit auf 0,5% des BIP ausweiten, wäre ein Stimulus in Höhe von rund EUR 65 Mrd. möglich. Gemessen am BIP für 2019 (EUR 11,9 Billionen) entspräche dies gut 0,5%. Eine deutlich höhere Summe könnte in dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Fiskalregeln temporär ausgesetzt werden, erzielt werden. Wenn jedes Land einen Beitrag in der Höhe leistet, sodass seine derzeitige Schuldenquote konstant bleibt, betrüge der Umfang des Fis- kalimpulses etwa 160 Mrd. Euro und somit 1,4% der Wirtschaftsleistung des Euroraumes. Das Wirtschaftswachstum des Euroraumes könnte durch Fiskalpakete in der jeweiligen Höhe um schätzungsweise 0,25 bis 0,75 Prozentpunkte erhöht werden. Nach beiden Berech- nungsansätzen liegt ein bedeutender Spielraum nur in Deutschland und den Niederlanden vor. Zusammen hätten die beiden Länder im ersten Fall etwa 95% und im zweiten Fall etwa 70% der Gesamtsumme zu schultern. Eine derart hohe Konzentration auf zwei Länder er- schwert die Identifikation von Projekten im ausreichenden Volumen, die kurzfristig ausga- bewirksam und damit konjunkturstabilisierend wirken könnten. Anders wäre der Fall gela- gert, wenn die Euroländer sich bewusst auf eine (temporäre) Abweichung von den fiskali- schen Stabilitätsregeln einigen würden. Hierfür dürfte es jedoch eindeutig am politischen
11 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Willen fehlen. Vor diesem Hintergrund erscheint kurzfristig ein starker Beitrag von der Fis- kalpolitik zur Entlastung der überfrachteten Geldpolitik als wenig realistisch. Kapitalmarktzinsen (Bunds): Low for longer – vom risikolosen Zins zum zinslosen Risiko Die Kapitalmarktrenditen haben sich im Jahr 2019 überraschend deutlich abwärts bewegt. Deutsche Bundesanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit markierten Anfang September mit fast -0,75% ein neues Allzeittief. Auch im übrigen Europa sackten die Renditen auf rekord- niedrige Stände ab. Italiens zehnjährige Staatsanleihen wiesen zeitweise eine Rendite unter 1,0% aus und Griechenland näherte sich langsam dem Renditeniveau Italiens an. Zugleich kam es im Herbst zu einer recht ausgeprägten Gegenbewegung. Sowohl für den Absturz als auch die anschließende Erholungsphase lassen sich im Wesentlichen drei Ursachen identifi- zieren, die miteinander in Verbindung stehen: Eskalation und Beruhigung der politischen Risiken, zu- und wieder abnehmende Rezessionssorgen sowie das Ein- und wieder Ausprei- sen aggressiver Zinssenkungserwartungen. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren nach den Turbulenzen aktuell im Bereich von -0,25% und könnten angesichts der Gefahr eines Rück- schlags bei einem der politischen Risiken (EU-UK-Folgeabkommen, US-Handelspolitik) im ersten Halbjahr 2020 noch einmal etwas zurückfallen. Sie sollten jedoch deutlich Abstand zu den Tiefstwerten aus dem September halten. Mit einer langsamen Verbesserung des kon- junkturellen Umfelds sollte jedoch mittelfristig die Nachfrage nach Safe-haven-Assets und damit auch deutschen Bunds wieder etwas abnehmen. Dann wäre sogar eine Rückkehr in leicht positives Terrain möglich. Die zunächst auf längere Zeit klar expansiv ausgerichtete Geldpolitik der EZB wird aber einem zu starken Renditeanstieg entgegenwirken. Da die Zins- erwartungen an den Märkten zunächst stabil bleiben dürften, rechnen wir für die Rendite 10-jähriger Bunds auf Jahressicht nur mit einem leichten Anstieg auf -0,10%. Zinsen Euroland 12.12. 3M 6M 12M Tendersatz EZB 0,00 0,00 0,00 0,00 3M-Satz -0,40 -0,40 -0,40 -0,40 10J Bund -0,27 -0,40 -0,30 -0,10 Quelle: Bloomberg, NORD/LB Fixed Income & Macro Research
12 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Niedersachsen: BIP-Entwicklung 2018 Analyst: Dr. Eberhard Brezski Abbildung: BIP-Entwicklung 8,0 6,0 6,4 5,0 4,0 4,4 3,7 3,0 2,9 2,0 1,7 1,8 1,3 1,4 1,1 0,6 0,0 -0,3 -0,5 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 -2,0 -4,0 -5,1 -6,0 -8,0 Deutschland Niedersachsen Quelle: Destatis; NORD/LB Sector Strategy Aufgrund einer Generalrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wurde das nie- dersächsische BIP-Wachstum für 2016 noch einmal auf 6,4% nach oben korrigiert. Diese be- eindruckende Wachstumsquote war außergewöhnlich und wurde erwartungsgemäß weder in 2017 noch in 2018 erreicht. Für beide Jahre kann aber noch eine ordentliche konjunktu- relle Entwicklung konstatiert werden. Im Jahr 2018 betrug das preisbereinigte BIP-Wachs- tum in Niedersachsen 1,1% und lag damit – wie auch in 2017 – etwas unterhalb des bundes- deutschen Wertes von 1,4%. Zu diesem Ergebnis haben nicht zuletzt zwei Entwicklungen beigetragen: 1. Auf der einen Seite verbuchte das nach wie vor prosperierende Bauhauptgewerbe ein Umsatzplus von 7,7% gegenüber dem Vorjahr. Dabei zeigten sich vor allem der gewerb- liche Bau mit einem Plus von 11,8% und der Wohnungsbau mit einem Plus von 9,1% wachstumsstark. Der „öffentliche und Straßenbau“ verbuchte dagegen lediglich einen Umsatzzuwachs von 1,4%. Letzteres dürfte zum einen auf die Schuldenbremse und zum anderen auf das Erreichen von Kapazitätsengpässen im Bauhauptgewerbe zurückzufüh- ren sein. Insoweit überrascht dieses geringere Wachstum nicht. 2. Auf der anderen Seite präsentierte sich das Verarbeitende Gewerbe im Vorjahresver- gleich nicht mehr so wachstumsstark. So zeigte sich die niedersächsische Industrie mit einem Plus von 1,8% gegenüber dem Vorjahr (4,5%) weniger dynamisch. Hinter dieser Gesamtzahl steht strukturell eine Umsatzentwicklung von -0,4% im Inland und von 4,2% im Ausland.
13 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Niedersachsen: Ausblick 2019 und 2020 Verarbeitendes Gewerbe Abbildung: Umsatzentwicklung Verarbeitendes Gewerbe 2017 bis September 2019 25.000.000 40 30 20.000.000 20 15.000.000 10 10.000.000 0 -10 5.000.000 -20 0 -30 Jul 17 Aug 17 Sep 17 Nov 17 Dez 17 Jul 18 Aug 18 Sep 18 Nov 18 Dez 18 Jul 19 Aug 19 Sep 19 Feb 17 Mrz 17 Feb 18 Mrz 18 Feb 19 Mrz 19 Jan 17 Mai 17 Jun 17 Jan 18 Mai 18 Jun 18 Jan 19 Mai 19 Jun 19 Apr 17 Okt 17 Apr 18 Okt 18 Apr 19 Umsatz Veränderung ggü. Vormonat Quelle: Statistisches Landesamt Niedersachsen, NORD/LB Sector Strategy Analysiert man die unterjährige Entwicklung der Umsätze des Verarbeitenden Gewerbes in 2019, so fällt gegenüber den Vorjahren auf, dass die Umsätze nach einem Hoch im März kaum noch Wachstumsimpulse zeigten und eher einen rückläufigen Trend aufwiesen. Zwar lässt sich immer noch der typische unterjährige Verlauf erkennen, doch ist dieser nicht so ausgeprägt wie in früheren Jahren. Erst ab September zeigt die Wachstumskurve steil nach oben. Überdies ist festzustellen, dass das kumulierte Umsatzwachstum bis September 2019 ge- genüber dem Vorjahr eine ähnliche Größenordnung erreicht. In 2019 verzeichnete das Ver- arbeitende Gewerbe ein kumuliertes Umsatzplus von 1,8%, wohingegen es 2018 1,6% wa- ren. Verantwortlich hierfür war, dass das Verarbeitende Gewerbe mit einem Umsatzzu- wachs von 3,6% im ersten Quartal 2019 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum relativ gut in das neue Jahr gestartet ist. Im zweiten Quartal büßte es mit -2,0% deutlich ein, wo- hingegen der Umsatz im dritten Quartal wieder um +4,2% wuchs. Strukturell ist in diesem Kontext festzuhalten, dass sich das Auslandsgeschäft im September kumuliert mit einem Zuwachs von 1,8% ähnlich positiv zeigte wie das Inlandsgeschäft mit +1,7%. Insoweit wird das vierte Quartal darüber entscheiden, ob die Umsatzdynamik noch einmal anzieht oder auf das vergleichsweise schwache Niveau des zweiten Quartals zurückgeht. Die vorliegenden Auftragseingänge wecken etwas Hoffnung auf einen weiteren Aufholprozess. Sie lagen im September gegenüber dem Vormonat um 20,4% höher und im Vergleich zum Vorjahr immerhin noch um 12,1%. Diese Einschätzung wird auch durch einen Vergleich mit den bundesdeutschen Zahlen be- stätigt. Das erste Quartal 2019 wies gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal ein Umsatz- plus von 1,4% aus. Im zweiten Quartal lag das Wachstum dagegen mit -1,9% auf einem ver- gleichbaren Niveau wie in Niedersachsen. Das dritte Quartal war dagegen mit +0,4% leicht positiv. In der Summe ergab dies einen Umsatzrückgang von -0,1%. In Deutschland zeigte sich das Auslandsgeschäft mit einem kumulierten Plus von 0,6% annähernd stagnierend. Im Gegensatz zu Niedersachsen hat das bundesweite Inlandsgeschäft ein kumuliertes Minus von -0,9% zum Gesamtergebnis beigetragen. Insgesamt gesehen hat sich die niedersächsi- sche Industrie per Ende September besser behauptet als das bundesdeutsche Verarbei- tende Gewerbe.
14 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Abbildung: Umsätze Top 10-Industriebranchen per September 2018 und 2019 Reparatur & Installation von Maschinen/Anlagen Papier, Pappe etc. Elektrische Ausrüstungen Metallerzeugnisse Gummi- & Kunststoffwaren Metallerzeugung & -bearbeitung Chemie Maschinenbau Nahrungs- und Futtermittel Automotive & Fahrzeugbau 0 20.000.000 40.000.000 60.000.000 80.000.000 Sep 18 Sep 19 Quelle: Statistisches Landesamt Niedersachsen, NORD/LB Sector Strategy Bei näherer Betrachtung der größten 10 Industriebranchen in Niedersachsen zeigt sich, dass lediglich die ersten drei Top-Branchen ein deutliches Umsatzplus aufwiesen. Konkret lag das Plus in der Branche Automotive und Fahrzeugbau bei 4,8%, in der Nahrungs- und Futtermit- telindustrie bei 3,4% und im Maschinenbau bei 7,0%. Nahezu alle anderen Branchen haben Umsatzrückgänge zu verbuchen. Hierzu passt auch, dass die Hersteller von Investitionsgütern (+4,6%) und Verbrauchsgütern (+1,1%) einen Umsatzzuwachs verzeichneten, wohingegen Vorleistungsgüterproduzenten (incl. Energie) mit -2,9% und Gebrauchsgüterproduzenten (-8,9%) Rückgänge registrierten. Dies spricht dafür, dass sich die weltweite Unsicherheit noch nicht in dem Ausmaß negativ auf die tatsächlichen Umsätze mit Investitionsgütern ausgewirkt hat wie es zu vermuten ge- wesen wäre. Abbildung: Entwicklung gleitender 3 Monats-Durchschnitt Auftragseingänge 140 130 120 110 100 90 80 Feb 17 Apr 17 Okt 17 Feb 18 Apr 18 Okt 18 Feb 19 Apr 19 Mrz 17 Mrz 18 Mrz 19 Jan 17 Mai 17 Jun 17 Jul 17 Aug 17 Sep 17 Nov 17 Dez 17 Jan 18 Mai 18 Jun 18 Jul 18 Aug 18 Sep 18 Nov 18 Dez 18 Jan 19 Mai 19 Jun 19 Jul 19 Aug 19 Sep 19 Ausland Inland Quelle: Statistisches Landesamt Niedersachsen, NORD/LB Sector Strategy
15 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Die Auftragseingänge bestätigen in der Summe die bisherigen Ausführungen. Die Auftrags- eingänge – insbesondere die Auslandsorders – präsentieren sich 2019 weitaus weniger dy- namisch als in den Vorjahren. Bei den Inlandsaufträgen fällt auf, dass sie erst gegen Ende des ersten Quartals das Vorjahresniveau erreichen, um dann auch einem Abwärtstrend zu folgen, der erst im September durchbrochen wurde. Gleiches gilt noch ausgeprägter für die Auslandsorders. Mit Ende des ersten Quartals 2019 zeigen auch die geglätteten Auftrags- eingänge (gleitender 3 Monats-Durchschnitt) einen eindeutig negativen Trend, der sich im September dann umkehrte. Kumuliert lagen die Auftragseingänge per Ende diesen Monats 2019 um -4,6% unter dem Vorjahresniveau. Im Inland betrug das Plus +0,7%, während die Bestellungen aus dem Aus- land um -8,9% zum Vorjahr zurückgingen. Betrachtet man die wichtigsten Branchen, so be- trug der Rückgang in der Automotiveindustrie -1,6%, im Maschinenbau -6,3%, in der Her- stellung von Metallerzeugnissen -7,9%, in der Metallerzeugung und -bearbeitung -8,0% und in der Chemie -6,2%. Insoweit kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich die Un- sicherheitsmomente, wie z.B. die amerikanische Handelspolitik, der bisherige Brexit-Verlauf etc., deutlicher auf die Neuaufträge ausgewirkt haben als auf den tatsächlichen Umsatzver- lauf. Für das restliche Jahr bleibt die weitere Entwicklung der Auftragseingänge abzuwarten. Aber auch bei einer leichten Erholung wird das Bild einer vorerst nur gedämpften Wachs- tumsdynamik durch die Entwicklung der Auftragseingänge deutlich bestätigt. Trotz der bisher schwächeren Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe zeigt sich dessen Arbeitsmarkt sehr robust. Per Ende September stieg die Anzahl der sozialversicherungs- pflichtig Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe gegenüber dem Vorjahr um 0,6% (D: 0,4%) auf 641.354 Beschäftigte an. Gleichwohl ist aber auch diese relativ niedrige Zuwachs- rate ein Indikator für die nachlassende Konjunkturdynamik. Die Lohnentwicklung zeigt sich hingegen noch dynamisch. Die Gesamtsumme der gezahlten Entgelte stieg per Ende September in Deutschland um 2,7% und in Niedersachsen um 2,8% gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat. Diesbezüglich bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese positive Entwicklung fortsetzen wird. Insgesamt kann aber festgehalten werden, dass sich das Verarbeitende Gewerbe in seiner Gesamtheit bislang gut in einem schwierigen Umfeld behauptet hat.
16 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Exporte Abbildung: Entwicklung Exporte 60,00% 60,00% 50,00% 50,00% 40,00% 40,00% 30,00% 30,00% 20,00% 20,00% 10,00% 10,00% 0,00% 0,00% 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Sep 19 Deutschland Niedersachen Quelle: Statistisches Landesamt Niedersachsen, Destatis, NORD/LB Sector Strategy 2018 exportierten niedersächsische Unternehmen Waren im Wert von 85,9 Mrd. Euro, was -2,2% unter dem Wert des Jahres 2017 lag. Die Einfuhren wuchsen im gleichen Zeitraum um 5,3% auf 91,4 Mrd. Euro. In Deutschland stiegen die Exporte im gleichen Zeitraum um 3,0% und die Importe um 5,6%. Gegenüber 2017 zeigte sich damit für Niedersachsen ein rückläu- figes Auslandsgeschäft, was sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in 2019 fortgesetzt hat. Die Auslandsumsätze der Industrie lagen kumuliert per Ende September 2019 um 1,8% hö- her als im Vorjahr. Dementsprechend ist die Exportquote des Verarbeitenden mit 49,3% auf dem Vorjahresniveau geblieben. In Bezug auf die gesamten Ausfuhren zeigt sich dagegen in Niedersachsen ein leichtes Plus in Höhe von +0,2%. Bei Betrachtung der Industriebranchen ergibt sich per 09/2019 ein gegenüber der Gesamt- entwicklung etwas differenziertes Bild. Die Automotiveindustrie (inkl. sonstiger Fahrzeug- bau) verzeichnete ein Plus in Höhe von 3,3%, der Maschinenbau von 10,2%, die Nahrungs- und Futtermittelindustrie in Höhe von 8,6%. Rückläufig war hingegen die Entwicklung in der Chemie (-9,6%) und bei der Herstellung von Metallerzeugnissen (-0,5%). Im Hinblick auf die Entwicklung der Exporte nach den wichtigsten Handelspartnern können folgende Aussagen getroffen werden. Unter den zehn wichtigsten Handelspartnern wuch- sen bis September 2019 die Exporte nach Frankreich (3,3%), Vereinigte Königreich (5,1%), Vereinigte Staaten (16,5%), Polen (1,8%), Italien (1,9%), Spanien (6,4%), Österreich (0,7%) und die Tschechische Republik (4,5%). Die Exporte nach China (-20,4%) und die Niederlande (-1,8%) gingen hingegen zurück. Insbesondere in Richtung China ist dies eine abermalige starke Verminderung. Insgesamt gesehen lässt sich damit festhalten, dass sich der Aus- landsumsatz der Industrie im Großen und Ganzen zwar behauptete, aber durchaus auch ei- nige Bremsspuren aufweist.
17 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Bauhauptgewerbe Abbildung: Umsätze Bauhauptgewerbe 2018 und 2019 nach Sektoren öffentlicher und Straßenbau gewerblicher Bau Wohnungsbau 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 Sep 19 Sep 18 Das niedersächsische Bauhauptgewerbe hat 2018 seine Umsätze um 7,7% steigern können. Die Umsätze wuchsen von 8.813 Mio. Euro in 2017 auf 9.492 Mio. Euro. Zu diesem Wachs- tum haben alle drei Segmente des Bauhauptgewerbes, wenngleich in einem unterschiedli- chen Ausmaß, beigetragen. Der Wohnungsbau als kleinstes Segment (Umsatzanteil 23,3%) hat gegenüber 2017 um 9,1% zugelegt. Der Gewerbliche Bau ist in Niedersachsen mit einer Umsatzquote in Höhe von 45,3% (2018) das größte Segment und wuchs um 11,8%. Der Öffentliche und Straßenbau (Anteil: 31,5%) ist hingegen lediglich um 1,4% gestie- gen. Im Vergleich zum Vorjahr kommt hierin bereits eine Strukturverschiebung zum Ausdruck. Diese besteht darin, dass der Wohnungsbau und der Gewerbliche Bau höhere Umsatzanteile haben als im Vorjahr. Diese Entwicklungen haben sich in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 fortgesetzt. Der Umsatz des Bauhauptgewerbes ist insgesamt um 11,9% (D: 6,6%) gestiegen und lag bei 7.367 Mio. (VJ 6.581 Mio.) Euro. Der größte Wachstumstreiber war hierbei der gewerbliche Bau, der seinen Umsatz um 12,9% ausbauen konnte und mittlerweile einen Umsatzanteil von 45,7% hat. Auch der Wohnungsbau konnte seinen Umsatz erneut um 9,1% steigern, so dass sein Umsatzanteil bei 23,2% liegt. Der „Öffentliche und Straßenbau“ zeigt bislang ein Umsatzplus von 12,8% und kommt dementsprechend auf einen Anteil von 31,2%. Hierfür dürfte unter anderem verantwortlich sein, dass zur Beseitigung des erheblichen Investiti- onsstaus viel in die öffentliche Infrastruktur (Kindergärten, Schulen, Straßen, digitale Infra- struktur etc.) investiert wird. Diese Entwicklung dürfte sich aufgrund der bislang positiven Entwicklung der Auftragsein- gänge in 2019 fortsetzen. Erstmalig seit September 2018 waren aber im August die Auftrags- eingänge gegenüber dem Vorjahr rückläufig, wofür in erster Linie der Tiefbau verantwortlich war. In der Summe hat das Bauhauptgewerbe aber eine nach wie vor stabile Auslastung.
18 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Dienstleistungsgewerbe und Handel Für den Einzelhandel ergab sich in 2018 ebenfalls ein freundliches Bild. Gegenüber dem Vor- jahr wuchs der Einzelhandelsumsatz nominal um 2,7%, wohingegen der Großhandel ein Plus in Höhe von 1,0% aufwies. Die Beschäftigung im Einzelhandel wuchs um 0,4% gegenüber 2017. Auch der Großhandel zeigte einen Beschäftigungsaufbau von +1,7%. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres zeigt sich ebenfalls eine positive Entwick- lung im Einzelhandel. Der Umsatz lag um 3,7% (auf Basis der Preise von 2015: +3,0%) über dem Vorjahreszeitraum, was mit einem leichten Aufbau der Beschäftigung (+0,9%) einher- ging. Wichtige Umsatzträger waren Super- und Verbrauchermärkte (+1,9%), Kommunikati- ons- und Informationstechnik in Verkaufsräumen (+4,0%), Bau- und Heimwerkerbedarf (+5,8%), Möbel, Einrichtungsgegenstände und Hausrat (+6,4%) sowie medizinische, ortho- pädische und kosmetische Artikel (+5,6%). Der Versand- und Internethandel wuchs kräftig um 10,9%. Der Umsatz im KFZ-Handel legte um 3,3% (auf Basis der Preise von 2015 um 1,1%) und bei der Beschäftigung um 1,2% zu. Im Gesamtjahr 2018 betrug das Umsatzplus noch -0,2%. Demgegenüber hat sich der Großhandel mit einem Umsatzplus von +0,2% (in Preisen von 2015 -1,2%) und einem Beschäftigungsaufbau in Höhe von +1,3% ähnlich entwickelt wie im Vorjahr. Der Einzelhandel zeigt sich damit im Jahr 2019 positiv bezüglich Umsatz und Beschäftigung, was mutmaßlich auf den hohen Beschäftigungstand und die steigenden Entgelte in der Ge- samtwirtschaft zurückzuführen sein dürfte. Der Großhandel präsentiert sich hingegen kaum verbessert zum Vorjahr. Das niedersächsische Gastgewerbe wies 2018 umsatzseitig ein kumuliertes Umsatzplus von 3,0% aus. Hierzu hat das Beherbergungsgewerbe mit einem Zuwachs von 5,3% einen positi- ven Beitrag geliefert und die Gastronomie erzielte einen Umsatzanstieg von 1,9%. Diese Um- satzentwicklung spiegelt sich jedoch nicht in der Beschäftigung wider. Diese nahm im glei- chen Betrachtungszeitraum im Gastgewerbe um -0,4% ab. Im Bereich der Beherbergung sank die Anzahl der Beschäftigten um -0,1% und im Bereich der Gastronomie um -0,5%. Bis September 2019 zeigt sich beim Umsatz ein ähnlich freundliches Bild wie im Vorjahr, wozu nicht zuletzt der gute Sommerbeginn in den Feriengebieten beigetragen haben dürfte. Die Umsätze im Gastgewerbe stiegen um 2,1%. Hierzu hat das Beherbergungsgewerbe ein Wachstum von +3,3% und die Gastronomie von 1,4% beigetragen. Dementsprechend konnte die Anzahl der Beschäftigten im Gastgewerbe um +0,4% leicht gegenüber dem Vorjahr zulegen. Diesbezüglich hat das Beherbergungsgewerbe ein Plus von 3,0% und die Gastronomie einen Rückgang in Höhe von -0,3% zu verzeichnen. Die geringe Steigerung bei den Beschäftigtenzahlen ist partiell sicherlich auch dem Fachkräftemangel in diesen Sektoren geschuldet.
19 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Arbeitsmarkt Abbildung: Arbeitslosenquote Januar 2017 bis Dezember 2019 7 7 6,5 6 6 5,5 5 5 4,5 4 4 3,5 3 3 2,5 2 2 1,5 1 1 0,5 0 0 Feb 17 Apr 17 Okt 17 Feb 18 Apr 18 Okt 18 Feb 19 Apr 19 Okt 19 Mrz 17 Mrz 18 Mrz 19 Jan 17 Mai 17 Jun 17 Jul 17 Aug 17 Sep 17 Nov 17 Dez 17 Jan 18 Mai 18 Jun 18 Jul 18 Aug 18 Sep 18 Nov 18 Dez 18 Jan 19 Mai 19 Jun 19 Jul 19 Aug 19 Sep 19 Nov 19 Dez 19 Deutschland Niedersachsen Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Sector Strategy Der niedersächsische Arbeitsmarkt präsentiert sich ausgesprochen robust. Im Jahr 2018 lag die Arbeitslosenquote in nahezu allen Monaten etwas unter dem Vorjahresniveau. Dies hat sich in 2019 – wenngleich auf einem niedrigeren Niveau – fortgesetzt. Mit 4,9% entsprach die Arbeitslosenquote dem bundesdeutschen Durchschnitt. Strukturell ist dabei die Arbeits- losenquote bei Frauen mit 4,6% etwas niedriger als bei Männern (5,1%). Auch in den Alters- stufen bis 55 Jahren zeigen sich niedrige Quoten. Zwischen 50 und 65 Jahren liegt der Wert mit 4,6% etwas unter dem Durchschnitt. Unverändert hoch ist die Arbeitslosenquote mit 14,9% (D: 12,9%) bei Ausländern. Die Reaktion der Unternehmen auf die konjunkturelle Situation zeigt sich nicht zuletzt in der Anzahl der gemeldeten freien Stellen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass diese am Jahres- ende 2019 um -11,9% niedriger waren als in 2018. Dies ist ein Indikator für die aktuell schwa- che Konjunktur in Niedersachsen und die gestiegene Unsicherheit bei Unternehmen. Dem- gegenüber steht aber ein Anstieg bei der Vakanzzeit für offene Stellen, die aktuell bei 150 Tagen liegt – ein Plus von 3,4% gegenüber dem Vorjahresmonat. Dies spricht dafür, dass Unternehmen nach wie vor die Auswirkungen des Fachkräftemangels spüren. Dies zeigt sich auch bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese lag im September 2019 um 1,8% höher als im Vorjahr, wozu mit Ausnahme der Arbeitnehmerüber- lassung nahezu alle Sektoren beigetragen haben. In absoluten Zahlen betrug das Plus 54.700 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Von diesen entfallen 4.000 auf das Verarbeitende Gewerbe, 2.800 auf Erziehung und Unterricht, 6.600 auf das Gesundheitswesen, 8.000 auf Heime und Sozialwesen, 7.500 auf den Handel (incl. KfZ), 5.700 auf den Bau und 4.100 auf den Bereich Verkehr und Lagerei, um die größten Positionen zu nennen. Angesichts der Erwartung einer vorerst noch wenig dynamischen Konjunktur dürfte sich der Arbeitsmarkt in Niedersachsen in den kommenden Monaten eher seitwärts entwickeln.
20 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Fazit: Niedersachsens Wirtschaft – Stabiler als erwartet Niedersachsen hat 2018 mit 1,1% ein BIP-Wachstum erzielt, welches unterhalb des bundes- deutschen Niveaus von 1,4% lag. Für das Gesamtjahr 2019 gehen wir aufgrund der vorlie- genden Zahlen von einem vergleichsweise schwachen Wirtschaftswachstum aus. Verant- wortlich hierfür ist, dass die niedersächsische Industrie per Ende September zwar wuchs, aber auf einem gegenüber dem Vorjahr deutlich niedrigeren Niveau. Das Baugewerbe ent- wickelte sich dagegen weiterhin auf einem vergleichbaren Level, bei den Auftragseingängen konnten zuletzt aber auch erste Bremsspuren aufgrund der allgemeinen Verunsicherung ausgemacht werden. Groß- und Einzelhandel zeigen sich preisbereinigt leicht im Minus (Großhandel) bzw. Plus (Einzelhandel), wohingegen das Gastgewerbe von dem langanhal- tenden guten Wetter profitiert hat. Trotz des durchwachsenen konjunkturellen Bildes hat sich der Arbeitsmarkt in den ersten neun Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert, wenngleich auch hier – wie die Zahlen zu den offenen Stellen zeigen – ein erstes Umdenken bei den Unternehmen Raum zu greifen scheint. Diese Einschätzung wird auch durch bundesdeutsche Zahlen bestätigt. Zwar zeigt der ifo- Geschäftsklimaindex noch immer, dass die deutsche Wirtschaft durch Unsicherheiten belas- tet ist. Allerdings hat sich im Dezember abermals eine Verbesserung eingestellt. Diese reicht zwar noch nicht aus, um von einer Trendwende zu sprechen, das Bild einer Bodenbildung hat sich aber verfestigt. Der Index zu den Geschäftserwartungen notiert jedoch noch immer auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Im Bauhauptgewerbe sind die Erwartung leicht gesunken, allerdings ausgehend von im historischen Vergleich extrem guten Ausgangswer- ten. Insgesamt rechnen wir für Deutschland mit einem BIP-Zuwachs in Höhe von 0,5% für 2019. Für 2020 erwarten wir ein reales BIP-Wachstum von 1,1%. Niedersachsen weist eben- falls eine recht widerstandsfähige Konjunktur auf niedrigem Niveau auf. Vor diesem Hinter- grund gehen wir für Niedersachsen im laufenden Jahr von einem realen BIP-Wachstum von 0,6% aus und für 2020 von 1,2%.
21 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Anhang Ansprechpartner in der NORD/LB Dr. Martina Noss Leitung Research/Volkswirtschaft +49 511 361- 2008 martina.noss@nordlb.de Dr. Eberhard Brezski Christian Lips Sector Strategy / Regionalwirtschaft Chefvolkswirt +49 511 361-2972 Head of Macro Research +49 511 361-2980 Eberhard.brezski@nordlb.de +49 172 735 1531 christian.lips@nordlb.de
22 / Konjunkturausblick Niedersachsen Januar 2020 Verbund Finanzierung Thomas Wreesmann Christian Veit +49 421 332 2217 +49 441 237 - 1201 Ltg. Unternehmenskunden / Leitung Verbund Konsortialgeschäft Carsten Hüncken Bernd Ullrich +49 511 361 - 2414 +49 421 332 - 3401 SK/Verbandsbetreuung Firmenkunden 1 Alex Seidenschwarz +49 421 332 - 2291 +49 511 361 - 6330 Leitung Geschäftsfeldma- Holm Haensel nagement & Förderge- Firmenkunden 2 schäft Dr. Rüdiger Fuhrmann +49 511 361 - 6201 Agrar-Banking Jan Kastenschmidt +49 511 361 - 9935 Unternehmenskunden Nord
Sie können auch lesen