Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw

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Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw
Instrumente zur CO2-Bepreisung
im Vergleich

Metastudie
Stand: September 2019

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Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw
Hinweis

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Metastudie|September 2019
                           Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

Vorwort
Marktbasierte und technologieoffene CO2-Bepreisung fördern

Klimaschutz hat sich zu einem politischen und gesellschaftlichen Brennpunktthema
entwickelt. Das Klimakabinett veröffentlicht Ende September Eckpunkte für ein Maßnah-
menpaket, das die Erreichung der nationalen Klimaziele für das Jahr 2030 sicherstellen
soll. Teil davon wird eine Grundsatzentscheidung zu einer CO2-Bepreisung sein. Die
Empfehlungen sollen in das Klimaschutzgesetz einfließen.

Eine CO2-Bepreisung kann ein geeignetes Instrument für den Klimaschutz sein, muss aber
sorgfältig auf Klimawirksamkeit sowie wirtschaftliche und soziale Auswirkungen überprüft
werden. Oberstes Ziel bleibt eine globale marktbasierte und sektorübergreifende CO2-
Bepreisung, die technologieoffen Investitionen in Klimaschutz anreizt.

Ein solches weltweites System wird jedoch in absehbarer Zukunft nicht entstehen. Eine
Vielzahl aktueller Studien untersucht daher unterschiedliche Ausgestaltungsvarianten für
Übergangslösungen und teilweise auch Modelle für eine Kompensation entstehender
Belastungen. Diese Erkenntnisse führen wir mit der vorliegenden Metastudie zusammen
und unterziehen sie einer übergreifenden Bewertung.

Unabhängig davon, welches Instrument letztlich gewählt wird, muss die Wettbewerbs-
fähigkeit unserer Unternehmen erhalten werden. Bestehende Entlastungen wie die
Strompreiskompensation gilt es deshalb aufrechtzuerhalten und Doppelbelastungen
auszuschließen. Entscheidend wird es ferner sein, durch die flankierende Förderung
emissionsarmer und innovativer Technologien den Klimaschutzeffekt zusätzlich zu
erhöhen.

Bertram Brossardt
03. September 2019
Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw
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Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich
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Inhalt
1       Ausgangslage                                                                    1
1.1     Klimazielerfüllung im Fokus                                                     1

1.2     Status Quo der nationalen Klimapolitik                                          1

2       Kerninhalte der aktuellen Studien                                               3
2.1     Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung:
        Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik                                       3
2.1.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                 3
2.1.2   Kompensation                                                               4
2.1.3   Flankierende Maßnahmen                                                     4

2.2     Forum-Ökologisch-Soziale-Marktwirtschaft e. V.: Lenkungs- und
        Verteilungswirkungen einer klimaschutzorientierten Reform der Energiesteuern
                                                                                   5
2.2.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                 5
2.2.2   Kompensation                                                               6
2.2.3   Flankierende Maßnahmen                                                     6

2.3     Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-
        Stiftung: Wirtschaftliche Instrumente für eine klima- und sozialverträgliche CO₂-
        Bepreisung                                                                      6
2.3.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                      7
2.3.2   Kompensation                                                                    7
2.3.3   Flankierende Maßnahmen                                                          7

2.4     Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Für eine sozialverträgliche CO₂-
        Bepreisung                                                                      8
2.4.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                      8
2.4.2   Kompensation                                                                    9
2.4.3   Flankierende Maßnahmen                                                          9

2.5     WWF Deutschland: Dem Ziel verpflichtet II – CO2-Mindestpreise für die
        Umsetzung des Kohleausstiegs                                                     9
2.5.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                      10
2.5.2   Kompensation                                                                    10
2.5.3   Flankierende Maßnahmen                                                          11

2.6     Bundesverband Erneuerbare Energien e. V.: Konzeptpapier zur CO2-Bepreisung
                                                                                 11
2.6.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                               11
2.6.2   Kompensation                                                             12
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                          Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

2.6.3    Flankierende Maßnahmen                                                          12

2.7      Wirtschaftsforum der SPD e. V.: Für einen effektiven, sozialverträglichen und
         wettbewerbsfähigen Klimaschutz                                                  13
2.7.1    Anvisiertes CO2-Instrument                                                      13
2.7.2    Kompensation                                                                    13
2.7.3    Flankierende Maßnahmen                                                          13

2.8      Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e.V.: Klimaschutz: CO2-
         Menge verringern, nicht den CO2-Preis steuern                                   14
2.8.1    Anvisiertes CO2-Instrument                                                      14
2.8.2    Kompensation                                                                    15
2.8.3    Flankierende Maßnahmen                                                          15

2.9      Agora Energiewende: Eine Neuordnung der Abgaben und Umlagen auf Strom,
         Wärme, Verkehr                                                         16
2.9.1    Anvisiertes CO2-Instrument                                             16
2.9.2    Kompensation                                                           18

2.10     Agora Energiewende: Ein Emissionshandelssystem für die nicht vom EU ETS
         erfassten Bereiche                                                              18
2.10.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                      18
2.10.2   Kompensation                                                                    19
2.10.3   Flankierende Maßnahmen                                                          19

2.11     Umweltbundesamt: CO₂-Bepreisung in Deutschland                                  20
2.11.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                      20
2.11.2   Kompensation                                                                    20
2.11.3   Flankierende Maßnahmen                                                          21

2.12     Germanwatch e. V.: CO2-Preise: eine Idee, deren Zeit gekommen ist               21
2.12.1   Anvisiertes CO2-Instrument                                                      21
2.12.2   Kompensation                                                                    22
2.12.3   Flankierende Maßnahmen                                                          22

2.13     Zusammenfassung der Studien                                              22
2.13.1   CO2-Besteuerung                                                          23
2.13.2   Einbeziehung der Sektoren Wärme und Verkehr in das EU-ETS bzw. separates
         ETS                                                                      23
2.13.3   CO2-Mindestpreis im EU-ETS                                               24
2.13.4   Kompensation                                                             24

3        CO2-Instrumente im Blickpunkt                                                   25
3.1      Ausweitung des EU-Emissionshandels                                              25
3.1.1    Funktionsweise des EU-ETS                                                       25
3.1.2    Im Rahmen einer Erweiterung zu klärende Fragen                                  26
Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw
Metastudie|September 2019
                              Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

3.1.3     Regelungsbedarf und Zeitaufwand                                   28
3.1.4     Opt-In als Teil- bzw. Zwischenlösung                              29

3.2       Separates Emissionshandelssystem für weitere Sektoren             30

3.3       Einführung eines CO2-Mindestpreises im EU-ETS                     30

3.4       CO2-basierte Steuer                                               31

3.5       Modelle für eine Kompensation entstehender Belastungen            33

3.6       Die Bepreisungsmodelle im Vergleich                               36

4         Fazit                                                             39

5         Position der vbw zur CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und
          Gebäude                                                      41

Literaturverzeichnis                                                        43
Ansprechpartner / Impressum                                                 45
Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw
Kern                        Metastudie|September 2019                                        1
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Ausgangslage

1 Ausgangslage
Handlungsdruck für eine wirksame Klimapolitik steigt

Deutschland beabsichtigt, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens
55 Prozent gegenüber 1990 zu mindern (Status Quo: -30,8 Prozent). Die EU strebt im
gleichen Zeitraum eine Emissionsreduktion um 40 Prozent gegenüber 1990 an (Status
Quo: -21,7 Prozent). Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, gilt es, in den kommenden
zehn Jahren auf nationaler Ebene eine Lücke von 24,2 Prozentpunkten und auf EU-Ebene
eine Lücke von 18,3 Prozentpunkten zu schließen.

1.1 Klimazielerfüllung im Fokus
Ungeachtet der bestehenden Minderungslücke bis 2030 wird derzeit sowohl auf nationa-
ler als auch auf EU-Ebene über das Ziel einer Nettotreibhausgasneutralität bis 2050 disku-
tiert. Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in einer Rede im
EU-Parlament das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bestärkt und zudem eine Anhebung
des europäischen 2030-Klimaziels angekündigt. Dies erhöht den Druck für wirkungsvolle
CO2-Minderungsstrategien zusätzlich.

Die Dürre 2018 in Europa mit weitreichenden Konsequenzen für Landwirtschaft und Logis-
tik sowie die Fridays for Future-Bewegung haben das Thema Klimawandel in das Bewusst-
sein der Öffentlichkeit gerückt. Auch die Zugewinne der Grünen bei den letzten Wahlen
wie z. B. den Europawahlen oder der Landtagswahl in Bayern verdeutlichen die steigende
Bedeutung von Klima- und Umweltschutz für die Bürger insbesondere in Deutschland.

1.2 Status Quo der nationalen Klimapolitik
Für die Erreichung der anvisierten Klimaziele werden letztendlich alle Sektoren in die
Pflicht genommen, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern. Bis 2030 müssen sektor-
übergreifend Emissionen in Höhe von 342 Millionen Tonnen CO2e eingespart werden.

Die große Herausforderung besteht darin, dass in den vergangenen 30 Jahren die ver-
gleichsweise einfach zu erschließenden Potenziale (z. B. Optimierung von Produktions-
prozessen, Effizienzsteigerung durch Austausch der Beleuchtung oder Nutzung der KWK-
Technologie) bereits gehoben wurden. Für die Erschließung weiterer Potenziale sind
größere Anstrengungen wie die Marktreife neuer Technologien (z. B. im Bereich der Mobi-
lität) oder ein umfangreicher Infrastrukturausbau für den Einsatz Erneuerbarer Energien
erforderlich.

Betrachtet man die Emissionsentwicklung im Zeitraum 2015 bis 2017 in Deutschland, so
zeigt sich, dass vor allem in den Sektoren Verkehr und Gebäude die Emissionen weiter
Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw
Kern                        Metastudie|September 2019                                       2
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                            Ausgangslage

angestiegen sind (+5,6 bzw. +4,0 Prozent). Ein Rückgang hingegen ist in den größtenteils
durch den EU-Emissionshandel (EU-ETS) regulierten Sektoren Industrie und der Energie-
wirtschaft (gemeinsam -3,0 Prozent) sowie in der Landwirtschaft (-1,4 Prozent) zu ver-
zeichnen.

Um die Erreichung des nationalen 2030-Klimaziels sicherzustellen, wurden im Klimaschutz-
plan 2050 sektorspezifische Minderungsziele festgesetzt. Im Koalitionsvertrag wurde be-
kräftigt, dass das 2030-Ziel in jedem Fall erfüllt und dass zu diesem Zweck im Jahr 2019 ein
Klimaschutzgesetz verabschiedet werden soll. Ein erster Referentenentwurf des Gesetzes
wurde im Februar 2019 durch Umweltministerin Svenja Schulze vorgelegt. Dieser sieht bis
2050 eine Treibhausgasminderung um mindestens 95 Prozent gegenüber 1990 vor. Ferner
sind verbindliche linear absinkende Emissionsmengen für die einzelnen Jahre und Sekto-
ren vorgesehen. Der Gesetzesentwurf wird seit seiner Veröffentlichung intensiv und kont-
rovers diskutiert.

In Folge wurde das sog. Klimaschutzkabinett einberufen. Es hat die Aufgabe, konkrete Vor-
schläge für die Erreichung der 2030-Klimaziele zu erarbeiten, die letztlich in die Ausgestal-
tung des Klimaschutzgesetzes einfließen sollen. Am 20. September 2019 wird das Klimaka-
binett Eckpunkte für ein Maßnahmenpaket vorstellen, das die Zielerreichung sicherstellen
soll. Eines der Kernthemen des Klimakabinetts ist die Diskussion rund um die Einführung
einer CO2-Bepreisung über das EU-ETS hinaus. In den letzten Wochen wurde eine ganze
Reihe von Studien zu dieser Thematik veröffentlicht, die verschiedenste Preiskonzepte dis-
kutieren.

Im Rahmen dieser Metastudie werden zunächst die wesentlichen Ergebnisse der jüngsten
Studien und Konzeptpapiere rund um die CO2-Bepreisung dargestellt. Daran anknüpfend
werden die verschiedenen Instrumente für eine CO2-Bepreisung und die damit einherge-
henden Herausforderungen gegenübergestellt. Abschließend erfolgt eine ganzheitliche
Bewertung der unterschiedlichen Konzepte.
Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich - Metastudie Stand: September 2019 - vbw
Kern                        Metastudie|September 2019                                     3
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                            Kerninhalte der aktuellen Studien

2 Kerninhalte der aktuellen Studien
CO2-Instrumente, Kompensation und flankierende Maßnahmen

In den letzten Monaten wurde eine Vielzahl von Studien rund um die CO2-Bepreisungsthe-
matik veröffentlicht, sei es von Seiten der Politik (wie z. B. die drei durch das Bundesum-
weltministerium (BMU) beauftragten Gutachten) oder seitens Beratungsinstitutionen,
Forschungsinstituten, NGOs oder Verbänden. Sie werden die Basis für die finalen Diskussi-
onen zur CO2-Bepreisung bilden. Nachfolgend wird ein Überblick über die wesentlichen
Inhalte und Ergebnisse gegeben.

2.1 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
    Entwicklung: Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik
Am 12. Juli 2019 hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftli-
chen Entwicklung das Gutachten Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik an die Bundesregie-
rung übermittelt. In diesem wird eine Ausweitung des EU-ETS bis 2030 auf weitere Sekto-
ren angeregt. Als Übergangslösung kann ein separates ETS für die Sektoren Verkehr und
Gebäude oder eine CO2-Besteuerung fungieren.

2.1.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Im Kern spricht sich der Sachverständigenrat dafür aus, den CO2-Preis als zentrales europä-
isches klimapolitisches Instrument zu etablieren. Auf nationale oder sektorale Ziele neben
den EU-Zielen sollte hingegen verzichtet werden.

Spätestens bis zum Jahr 2030 soll der EU-Emissionshandel möglichst in allen Mitglied-
staaten auf die Sektoren Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden. Hierdurch soll laut
dem Gutachten ein sektorübergreifender CO2-Preis geschaffen werden.

Als Übergangslösung bis zur Ausweitung des EU-ETS soll ein separater CO2-Preis in den
Sektoren Verkehr und Gebäude etabliert werden. Für den Übergang werden zwei Varian-
ten diskutiert:
– separates Emissionshandelssystem für die Sektoren Verkehr und Gebäude: Orientie-
   rung des Caps am nationalen Ziel der EU-Lastenverteilungsverordnung; ggfs. Kombina-
   tion mit einem Preiskorridor
– CO2-Besteuerung auf Grundlage der Energiebesteuerung; als Einstiegspreis werden
   25 bis 50 Euro pro Tonne CO2e vorgeschlagen, die Autoren gehen davon aus, dass die
   Steuer regelmäßig erhöht werden müsste, um einer Verfehlung der Klimaziele entge-
   genzuwirken
Kern                       Metastudie|September 2019                                        4
                           Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                           Kerninhalte der aktuellen Studien

An der Übergangslösung sollen sich gemäß dem Sachverständigenrat möglichst viele EU-
Mitgliedsstaaten beteiligen.

Laut Sachverständigenrat hängt die Kostenbelastung der einzelnen Sektoren – unabhängig
vom gewählten CO2-Bepreisungsinstrument – von verschiedenen Faktoren ab, z. B. von
der In- und Output-Struktur oder der Möglichkeit, Kosten entlang der Wertschöpfungs-
kette weiterzureichen. Um dennoch eine Orientierungshilfe für die zu erwartenden
Belastung geben zu können, betrachtet das Gutachten eine fiktive Kostenbelastung durch
einen CO2-Preis in Höhe von 35 Euro pro Tonne CO2. Danach würden energieintensive
Branchen wie die Glas- und Keramikindustrie, die Verarbeitung von Steinen und Erden
sowie die Chemie-, Papier- und Metallindustrie am stärksten belastet (Belastung in Höhe
von 1,5 bis zwei Prozent im Vergleich zum Produktionswert ohne Kostenweitergabe an
den inländischen Letztverbrauch oder bei Exporten). Luftfahrt und Schifffahrt müssten mit
einer noch etwas höheren Belastung rechnen. Die Berechnung ist laut Sachverständigen-
rat jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet. So wurde z. B. eine statische Produktions-
struktur angenommen und nicht berücksichtigt, dass die Hälfte der Emissionen bereits
durch den EU-ETS erfasst sind. Nichtsdestotrotz kann angenommen werden, dass in den
genannten Sektoren unabhängig vom tatsächlichen CO2-Preis und dem gewählten Instru-
ment die stärkste Kostenbelastung zustande kommen dürfte.

Unabhängig davon bewertet der Sachverständigenrat die Auswirkung auf das Erreichen
der Klimaziele 2030 im Rahmen eines Handelssystem deutlich positiver als bei einer Steu-
erlösung.

2.1.2 Kompensation
Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen gemäß dem Gutachten rückverteilt werden.
Die Rückverteilung könne für Privathaushalte z. B. als pauschale Rückgabe in Höhe von
140 Euro pro Jahr und Einwohner umgesetzt werden.

Als weitere Möglichkeit wird die Reduktion direkter Steuern oder der Sozialversicherungs-
beiträge vorgeschlagen, um den Faktor Arbeit zu entlasten und daraus positive Effekte für
Produktion und Beschäftigung am Standort zu generieren.

Alternativ könnten laut dem Gutachten die Strompreise reduziert werden, indem z. B. die
Stromsteuer auf das EU-Mindestniveau gesenkt und die EEG-Umlage aus Bundesmitteln
finanziert wird. Hier hebt das Gutachten positive Effekte für die Sektorkopplung und eine
einfache Umsetzbarkeit hervor.

2.1.3 Flankierende Maßnahmen
Zum Schutz der Industrie schlägt der Sachverständigenrat vor, ggfs. gemeinsam mit ande-
ren EU-Mitgliedsstaaten einen Grenzausgleichsmechanismus in Erwägung zu ziehen. Hier-
bei würden Importgüter entsprechend der bei der Produktion entstehenden CO2-
Kern                        Metastudie|September 2019                                       5
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

Emissionen belastet. Auf der anderen Seite würden Exporteure die bei der Produktion ent-
standenen CO2-Kosten zurückerhalten. Weitere Details werden nicht genannt. Allerdings
warnen die Autoren vor dem hohen administrativen Aufwand und dem handelspolitischen
Konfliktpotenzial eines solchen Mechanismus.

Ergänzend zu den Instrumenten der CO2-Bepreisung wird empfohlen, durch Fördermaß-
nahmen, Infrastrukturinvestitionen (z. B. in den ÖPNV oder in die Netz- und Speicherinfra-
struktur) und eine Überarbeitung des Steuersystems (z. B. Kraftfahrzeugsteuer, Strom-
steuer, Maut) Anreize zur CO2-Minderung zu setzen.

2.2 Forum-Ökologisch-Soziale-Marktwirtschaft e. V.: Lenkungs- und Ver-
    teilungswirkungen einer klimaschutzorientierten Reform der Energie-
    steuern
Am 05. Juli 2019 wurde das Gutachten Lenkungs- und Verteilungswirkungen einer klima-
schutzorientierten Reform der Energiesteuern des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirt-
schaft e. V. (FÖS) vorgestellt. In diesem werden die Wirkungen eines CO₂-Aufschlags auf
bestehende Energiesteuern untersucht. Ferner werden verschiedene Optionen für die
Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung diskutiert, wie eine Pro-Kopf-
Klimaprämie und eine Absenkung der Strompreisbestandteile.

2.2.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Das Gutachten sieht einen einheitlichen CO2-Aufschlag auf Heiz- und Kraftstoffe vor. Mit
diesem sollen insbesondere in den Sektoren Wärme und Verkehr Anreize für Emissions-
minderungen gesetzt werden. Bestehende Ausnahmeregelungen für die Industrie sollen
beibehalten werden.

Der CO2-Aufschlag soll zwischen 2020 und 2030 linear von 35 auf 180 Euro pro Tonne
CO₂ ansteigen. Gemäß FÖS würden bei einem CO2-Aufschlag von 35 Euro pro Tonne CO2
die Preise für Diesel und Heizöl um ca. elf Cent pro Liter, die Preise für Superbenzin um
ca. 9,5 Cent pro Liter und die Preise für Erdgas um ca. 0,85 Cent pro kWh ansteigen.

Durch diesen Preisimpuls sollen der Energieverbrauch und damit die CO₂-Emissionen
zurückgehen. Die Autoren des Gutachtens gehen davon aus, dass die Emissionen bis zum
Jahr 2030 um 5,6 bis 21,6 Prozent gegenüber dem Referenzszenario bzw. um 19 bis 74 Mil-
lionen Tonnen CO2e gegenüber 2017 gesenkt werden können. Durch die in der Studie anvi-
sierte CO2-Bepreisung können die 2030-Ziele folglich nicht erreicht werden.
Kern                        Metastudie|September 2019                                       6
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

2.2.2 Kompensation
Die zusätzlichen Einnahmen, die durch den CO2-Aufschlag entstehen, können gemäß den
Autoren im Gegenzug zu einer Entlastung des Verbrauchers verwendet werden. Folgende
Optionen werden hierfür diskutiert:
– Absenkung von Strompreisbestandteilen (z. B. Reduktion der Stromsteuer oder Steuer-
   finanzierung der Besonderen Ausgleichsregelung oder von Teilen der EEG-Umlage)
– Pro-Kopf-Klimaprämie von 96 Euro pro Jahr
– Pro-Kopf-Klimaprämie von 95 bzw. 119 Euro pro Jahr und Absenkung der Stromsteuer
– Pro-Kopf-Klimaprämie von 95 bzw. 119 Euro pro Jahr und Absenkung der EEG-Umlage

Bei einem Absenken von Strompreisbestandteilen entsteht nach Berechnung des Gutach-
tens nur für Singlehaushalte mit niedrigem Einkommen und dem Sektor GHD eine Netto-
entlastung. Mit steigendem Einkommen nehmen die Ausgaben für Heiz- und Kraftstoffe
stärker zu, als durch die Einsparungen beim Strompreis entlastet wird. Insgesamt werden
die Mehrbelastungen als moderat bezeichnet (für eine vierköpfige Familie: 46 bis 143 Euro
im Jahr zusätzlich).

Für Haushalte sind die Entlastungen bei einer Pro-Kopf-Klimaprämie ausgeprägter als bei
einer alleinigen Absenkung von Strompreisbestandteilen. Durch die personenbezogene
Auszahlung werden nach Ansicht der Autoren insbesondere Familien stärker entlastet
(für eine vierköpfige Familie: Einsparungen zwischen 37 Euro und 180 Euro).
Die Modelle, die eine Absenkung von Bestandteilen der EEG-Umlage beinhalten, führen
nach Berechnung der Autoren zu einer größeren Einsparung für den Verbraucher als bei
einer Absenkung der Stromsteuer.

2.2.3 Flankierende Maßnahmen
Die Emissionsminderungen, die durch den CO2-Aufschlag erreicht werden, werden nicht
ausreichen, um die Klimaziele für das Jahr 2030 einhalten zu können. Lösungsansätze oder
flankierende Maßnahmen, insbesondere für die Sektoren Wärme und Verkehr, werden im
Gutachten nicht angeführt.

2.3 Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böck-
    ler-Stiftung: Wirtschaftliche Instrumente für eine klima- und sozialver-
    trägliche CO₂-Bepreisung
Am 05. Juli 2019 wurde die Studie Wirtschaftliche Instrumente für eine klima- und sozial-
verträgliche CO₂-Bepreisung. Belastungsanalyse des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung präsentiert. Diese sieht ebenfalls
einen kontinuierlich ansteigenden CO2-Aufschlag auf Heiz- und Kraftstoffe vor. Für die
Rückverteilung der Einnahmen wird eine stetig ansteigende oder eine konstante Pro-
Kopf-Klimaprämie vorgeschlagen.
Kern                         Metastudie|September 2019                                        7
                             Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                             Kerninhalte der aktuellen Studien

2.3.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Die Autoren legen wie das FÖS einen CO2-Preis mit einem einheitlichen Steuersatz für un-
terschiedliche Energieträger (z. B. Erdgas, Heizöl, Benzin, Diesel, etc.) zugrunde. Dieser soll
ebenfalls von 35 Euro pro Tonne CO₂ im Jahr 2020 auf 180 Euro pro Tonne CO₂ im Jahr
2030 ansteigen.

Durch die CO2-Bepreisung könnten gemäß der Studie bis 2030 Einsparungen von bis zu
51 Millionen Tonnen CO₂e erzielt werden. Dies entspricht lediglich einem Sechstel der
Emissionen, die bis 2030 eingespart werden müssen, damit das Klimaziel erreicht wird.

2.3.2 Kompensation
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine CO₂-Bepreisung ohne eine begleitende
sozialpolitische Abfederung insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen belasten
würde.

Das Gutachten sieht zwei unterschiedliche Entlastungsoptionen vor:
– stetig ansteigende Pro-Kopf-Klimaprämie
– konstante Pro-Kopf-Klimaprämie von 100 Euro + ggfs. variabler Anteil

Die stetig ansteigende Pro-Kopf-Klimaprämie soll die Haushalte aufkommensneutral
stellen. Die Prämie soll jährlich mit dem CO₂-Preis ansteigen. Sie soll bei Einführung der
Bepreisung 87 Euro je Einwohner betragen und bis 2030 auf 333 Euro anwachsen.

Ein Ausgleich der indirekten Kosten, die für private Haushalte durch die Einführung eines
CO₂-Preises beispielsweise durch die Verteuerung anderer Konsumgüter anfallen können,
wäre nur mit einer zusätzlichen Belastung des Staatshaushaltes zu finanzieren. Sie finden
keine Berücksichtigung in der Rückerstattung im Rahmen der Klimaprämie.

Die zweite Entlastungsoption sieht eine gleichbleibende Pro-Kopf-Klimaprämie von
100 Euro pro Jahr vor. Sobald das jährlich getragene Aufkommen aus der CO₂-Steuer die
Höhe der konstanten Prämie übersteigt, soll die Differenz je zur Hälfte aus einer Anhebung
der Klimaprämie und der Senkung der Strompreise ausgeglichen werden. Das Gutachten
schlägt dafür die schrittweise Übernahme der EEG-Umlage durch den Bundeshaushalt und
eine Senkung der Stromsteuer ab 2021 vor.

2.3.3 Flankierende Maßnahmen
Insbesondere berufsbedingte Pendler werden nach Ansicht des Gutachtens trotz Kompen-
sation zusätzlich belastet. Ein Ausgleich über eine Anhebung der Pendlerpauschale (von
30 auf 32 Cent pro km) oder durch ein pauschales Mobilitätsgeld (14 Cent pro berufsbe-
dingtem Personenkilometer) lehnen die Autoren als unwirksam ab. Vielmehr soll eine
Kern                        Metastudie|September 2019                                      8
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

befristete Übergangslösung (vorübergehendes Pendlergeld) etwaige Härten abfedern. Die
Ausgestaltung dieses Pendlergeldes bleibt offen.

Der Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen (GHD) wird nach Ansicht der Autoren spür-
bar belastet, auch wenn er von einer Absenkung der Strompreisbestandteile profitieren
würde. Die Studie sieht diesbezüglich zusätzliche Fördermaßnahmen z. B. für CO2-spa-
rende Technologien vor.

Die erforderlichen Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Entwicklung könnten
gemäß der Studie zusätzlich einen Klimasoli oder eine einmalige Vermögensabgabe recht-
fertigen, so das Gutachten.

Um eine Akzeptanz der CO₂-Steuer in der Bevölkerung zu fördern, wird im Gutachten ein
Abbau der Ausnahmeregelungen in den stromintensiven Sektoren sowie eine Auszahlung
der Klimaprämie in Vorkasse durch den Staatshaushalt vorgeschlagen. Als ausführende
staatliche Institution für alle Zahlungsabwicklungen wird das Bundeszentralamt für Steu-
ern avisiert.

2.4 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Für eine sozialverträgli-
    che CO₂-Bepreisung
Am 05. Juli 2019 wurde das Gutachten Für eine sozialverträgliche CO₂-Bepreisung des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) vorgestellt. Auch dieses befasst
sich mit der Einführung einer linear ansteigenden CO2-Preiskomponente auf bereits beste-
hende Energiesteuern im Verkehrs- und Wärmesektor. Die Rückverteilung der Mehrein-
nahmen soll in Form eines konstanten Pro-Kopf-Klimabonus und durch die Absenkung von
Strompreisbestandteilen erfolgen.

2.4.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Wie in den Studien des FÖS und des IMK ist ein CO2-Aufschlag auf Heiz- und Kraftstoffe
vorgesehen, der zwischen 2020 und 2030 von 35 auf 180 Euro pro Tonne CO₂ bis 2030
ansteigt.

Ein Aufschlag von 35 Euro pro Tonne CO2 führt gemäß dem Gutachten zu einem Anstieg
des Preises für Diesel und leichtes Heizöl um elf Cent pro Liter und des Preises für Super-
benzin um neun Cent pro Liter. Durch den linearen Anstieg des CO2-Aufschlags wird der
Rückgang des Verbrauchs insbesondere im Verkehrsbereich erst mit steigendem CO₂-Preis
spürbar.

Basierend auf den getroffenen Annahmen liegt die erwartete Emissionsminderung für das
Jahr 2023 bei zehn bis 34 Millionen Tonnen CO₂e gegenüber 2017 (dies entspricht einer
CO₂-Reduktion von 3,3 bis 11 Prozent). Für die Emissionsminderung bis 2030 enthält die
Kern                       Metastudie|September 2019                                       9
                           Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                           Kerninhalte der aktuellen Studien

Studie keine Schätzung. Gemäß DIW reichen die Einsparungen durch die CO2-Bepreisung
jedoch nicht aus, um die Sektorziele des Klimaschutzplanes 2050 zu erfüllen.

2.4.2 Kompensation
Die entstehenden Mehreinnahmen durch die Einführung des CO₂-Preises sollen gemäß
dem Gutachten ab 2020 in Form eines konstanten Klimabonus in Höhe von 80 Euro je
Einwohner und Jahr zu den privaten Haushalten zurückfließen. Ab 2021 sollen die Einnah-
men zusätzlich verwendet werden, um die Stromsteuer sowie die EEG-Umlage zu senken.
Derzeitige Entlastungstatbestände für Unternehmen sollen bestehen bleiben.

Mit dem zusätzlichen Absenken der Stromsteuer und der EEG-Umlage sollen nach Berech-
nung der Autoren im Jahr 2023 sowohl private Haushalte als auch Unternehmen belas-
tungsneutral sein.

2.4.3 Flankierende Maßnahmen
Nach Ansicht der Autoren sind weitere flankierende Maßnahmen notwendig (u. a. Investi-
tionen in klimafreundliche Mobilität, Ausbau des ÖPNV), um die langfristigen klimapoliti-
schen Ziele bis 2030 erreichen zu können.

Ferner regt die Studie Entlastungen und Förderprogramme für Unternehmen an, da diese
durch die Energiesteuererhöhung im Jahr 2020 mit 3,9 Milliarden Euro zusätzlich belastet
werden. Das Gutachten legt keine Vorschläge über die spezifische Ausgestaltung der
Fördermöglichkeiten vor.

Laut DIW hängen die Verteilungswirkungen vom jeweiligen Energieverbrauch ab. Vor
allem Vielfahrer und Pendler sowie Haushalte in unsanierten Gebäuden würden stärker
belastet. Für diese besonders belasteten Gruppen werden zusätzliche Maßnahmen vor-
geschlagen. Mögliche Lösungsansätze für Pendler beinhalten beispielsweise ein Anheben
der Entfernungspauschale oder ein einheitliches Mobilitätsgeld je Entfernungskilometer,
das als Entlastungsbetrag von der Steuerschuld abgezogen wird.

2.5 WWF Deutschland: Dem Ziel verpflichtet II – CO2-Mindestpreise für
    die Umsetzung des Kohleausstiegs
Im Juli 2019 wurde seitens des WWF Deutschland eine Fortschreibung der Studie Dem Ziel
verpflichtet (März 2018) veröffentlicht. Diese wurde durch das Öko-Institut e. V. erstellt
und fokussiert eine Kombination aus Kohleausstieg und einem CO2-Mindestpreis. Bei der
Erweiterung der Studie wurden die Empfehlungen der Kommission Wachstum, Struktur-
wandel und Beschäftigung (KWSB) in die Untersuchung integriert.
Kern                        Metastudie|September 2019                                    10
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

2.5.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Die Studie sieht eine Kombination von Kohlekraftwerksstillegungen mit einem CO2-Min-
destpreis im sog. CWE-Regionalmarkt vor. Dieser umfasst die Staaten Deutschland, Däne-
mark, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Österreich. Mit der Einführung des
Mindestpreises soll ein robustes und zuverlässiges Preissignal im EU-ETS geschafft werden.
In der Studie wird davon ausgegangen, dass der Zertifikatspreis im EU-ETS bis Ende 2030
ein Niveau von 15 Euro pro Tonne CO2 erreicht (Abrechnungspreis des Referenzkontrakts
am 21. August 2019: 26,03 Euro pro Tonne CO2).

Durch die Kombination von Kraftwerksstilllegungen und einem CO2-Mindestpreis soll die
Erfüllung des Sektorziels für die Energiewirtschaft im Klimaschutzplan 2050 abgesichert
werden: Durch den Mindestpreis könnten bei den im Markt verbleibenden Kraftwerken
höhere Emissionsminderungen erzielt werden. Ferner könnten Minderungslücken ge-
schlossen werden, wenn sich die anvisierten Kraftwerksstilllegungen nicht wie geplant
umsetzen lassen.

Der Mindestpreis sollte laut der Studie wie der britische Carbon Support Price ausgestaltet
sein (siehe Punkt 3.3). Für den Kohleausstieg entsprechend der Vorgaben der KWSB wäre
laut dem Gutachten ein Mindestpreis von 30 bis 40 Euro pro Tonne CO2 erforderlich, um
sicherzustellen, dass das Sektorziel trotz ungünstiger Rahmenbedingungen (z. B. höhere
Erdgaspreise, höhere Stromnachfrage aus dem Ausland) erreicht wird. Die Emissionen der
fossilen Kraftwerke würden in diesem Szenario bis 2030 auf ein Niveau von rund 150 Milli-
onen Tonnen CO2 sinken. Hierdurch würde das Sektorziel für die Energiewirtschaft (maxi-
mal 183 Millionen Tonnen CO2) übererfüllt.

Ein Mindestpreis in dieser Preisrange würde gemäß der Studie auf dem Strom-Großhan-
delsmarkt bis 2030 zu einem Preisanstieg von neun bis 13 Euro pro MWh führen.

2.5.2 Kompensation
Die Kosteneffekte für die Endverbraucher könnten laut der Studie durch die Einnahmen
aus der CO2-Bepreisung kompensiert werden.

Bei Mindestpreisen zwischen 30 und 40 Euro pro Tonne CO2 seien zusätzliche Erlöse von
2,5 bis 4,4 Milliarden Euro möglich. Es wird empfohlen, rund 25 Prozent der Einnahmen für
die Kompensation der stromintensiven Industrie zu verwenden. Die weiteren Einnahmen
könnten für die Senkung der Stromsteuer oder die Verringerung der EEG-Umlage genutzt
werden.

Zudem wird in der Studie angenommen, dass durch den Mindestpreis der Ausbau der
Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien refinanziert werden kann, da durch den
Mindestpreis die Strompreise und damit einhergehend der Marktwert der Erneuerbaren
Energien zunimmt. Des Weiteren könnten sich die Entschädigungszahlungen an die still-
zulegenden Kraftwerke verringern, wenn durch die höheren CO2-Preise die Netto-
Kern                       Metastudie|September 2019                                  11
                           Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                           Kerninhalte der aktuellen Studien

erträge von Kraftwerken sinken.

2.5.3 Flankierende Maßnahmen
Basierend auf den Ergebnissen der Studie spricht sich der WWF dafür aus, dass Frankreich
einen rechtsverbindlichen Fahrplan für die Abschaltung von Atomkraftwerken beschließt.
Hintergrund hierfür ist, dass angenommen wird, dass sich durch die Einführung eines CO2-
Mindestpreises die Rentabilität von Atomkraftwerken in Frankreich verbessern könnte.

2.6 Bundesverband Erneuerbare Energien e. V.: Konzeptpapier zur CO2-
    Bepreisung
Der Bundesverband Erneuerbare Energien e. V. (BEE) hat sich im Juli 2019 zur CO2-Preis-
debatte positioniert. In seinem BEE-Konzeptpapier zur CO2-Bepreisung spricht sich der
Verband für eine kontinuierlich ansteigende CO2-Bepreisung in den Sektoren Wärme,
Strom und Verkehr ab 2020 aus. Diese soll zunächst auf nationaler Ebene etabliert werden.
Langfristig wird eine europäische Lösung angestrebt.

2.6.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Für jeden Sektor wird ein eigenes CO2-Bepreisungskonzept vorgeschlagen:

Wärme / Gebäudebereich
– Realisierung der CO2-Bepreisung durch eine Anpassung der Energiesteuer entsprechend
  der energieträgerspezifischen CO2-Kosten, Einstieg bei 60 Euro pro Tonne CO2
– Der Preis soll alle vier Jahre um 25 Euro pro Tonne CO2 ansteigen, d. h. 2024 läge der
  CO2-Preis bei 85 und 2028 bei 110 Euro pro Tonne CO2.
– Werden die Sektorziele erreicht, kann die stufenweise Anhebung eingestellt oder abge-
  schwächt werden.

Strom
– Einführung eines CO2-Mindestpreises im EU-ETS in Höhe von 60 Euro pro Tonne CO2 für
   alle fossilen Kraftwerke mit einer Leistung von mehr als zwei MW
– Ab einem EU-ETS-Zertifikatspreis von 40 Euro pro Tonne CO2 sollen zusätzlich 20 Euro
   pro Tonne CO2 auf den Zertifikatspreis aufgeschlagen werden, z. B. müssten bei einem
   Zertifikatspreis von 50 Euro pro Tonne CO2 ein Gesamtpreis von 70 Euro pro Tonne CO2
   (= 50 Euro + 20 Euro) entrichtet werden

Verkehr
– Anhebung der Treibhausgasminderungsquote für Kraftstoffe (Anm.: diese setzt fest, um
  welchen prozentualen Anteil die Treibhausgasemissionen eines Kraftstoffs gegenüber
  2010 gesenkt werden müssen): Der derzeitige 2020-Zielwert von -6 Prozent soll schritt-
  weise auf -16 Prozent bis 2030 erhöht werden. D. h. in 2030 müssten die Emissionen
Kern                        Metastudie|September 2019                                      12
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

  eines Kraftstoffs 16 Prozent unter dem Niveau von 2010 liegen. Laut BEE hat bereits die
  Quote einen CO2-Preis zur Folge
– Anhebung des Erneuerbare Energien-Anteils bei Kraftstoffen bis 2030 auf 20 Prozent
– Dynamisch ansteigende Quote für die Beimischung sog. grünen Kerosins im Inlandsflug-
  verkehr; diese soll bis 2035 auf 100 Prozent ansteigen.

Zu den anvisierten CO2-Einsparungen bis 2030 enthält das Konzeptpapier keine Schätzun-
gen.

2.6.2 Kompensation
Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen aus Sicht des BEE nach Sektoren getrennt
rückerstattet werden, d. h. die Rückerstattung soll jeweils in den Sektoren erfolgen, in
denen die Einnahmen erzielt wurden.

Wärme / Gebäudebereich
Für den Wärme- bzw. Gebäudesektor wird vom BEE eine Pro-Kopf-Rückerstattung in Form
einer jährlichen Auszahlung über die Finanzämter vorgeschlagen. Diese würde pro Einwoh-
ner ab 2020 bei rund 100 Euro pro Jahr liegen. Mit jeder Erhöhung des CO2-Preises soll die
Pro-Kopf-Erstattung ansteigen. Exakte Zahlen für die Anhebung der Erstattung werden
nicht genannt.

Strom
Im Stromsektor soll laut BEE die Stromsteuer im Umfang der Einnahmen aus der zusätzli-
chen CO2-Bepreisung gesenkt werden. Übersteigt die Höhe der Erlöse die Höhe der Strom-
steuer, so sollen die darüber hinaus gehenden Einnahmen zur Finanzierung der Besonde-
ren Ausgleichsregelung im EEG verwendet werden.

Für den Verkehrssektor werden vom BEE keine Maßnahmen für die Rückerstattung
genannt.

2.6.3 Flankierende Maßnahmen
Flankierend zur CO2-Bepreisung sollen klimafreundliche Investitionen und Innovationen
angereizt werden. Bspw. sollen im Gebäudesektor Quartierslösungen zur Wärmeversor-
gung sowie die Eigenerzeugung Erneuerbarer Energien gefördert werden. Im Verkehrssek-
tor sollen z. B. Förderanreize für Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge gesetzt werden.

Ferner wird eine Rücknahme der Belastung des Eigenstromverbrauchs aus Erneuerbaren
Energien mit Umlagen und Abgaben gefordert.

Laut dem Konzeptpapier wird die CO2-Bepreisung zu einer Absenkung der EEG-Umlage
führen. In diesem Kontext schlägt der BEE vor, die reduzierte Stromsteuer und EEG-
Umlage lediglich auf Strom aus Erneuerbaren Energien zu gewähren.
Kern                        Metastudie|September 2019                                   13
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

2.7 Wirtschaftsforum der SPD e. V.: Für einen effektiven, sozialverträgli-
    chen und wettbewerbsfähigen
    Klimaschutz
Das Wirtschaftsforum der SPD e. V. hat sich am 26. August 2019 zur CO2-Bepreisung positi-
oniert. Das Papier Für einen effektiven, sozialverträglichen und wettbewerbsfähigen Klima-
schutz sieht ein Maßnahmenbündel aus einer CO2-Abgabe, einer perspektivischen Erweite-
rung des EU-ETS sowie Fördermaßnahmen vor.

2.7.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Gemäß dem Wirtschaftsforum sollte langfristig eine Ausweitung des EU-ETS auf weitere
Sektoren angestrebt werden. Als realistisch wird eine Erweiterung des Systems mit dem
Beginn der 5. Handelsperiode erachtet, die in 2031 startet. Eine frühere Umsetzung wird
als möglich, jedoch als sehr ambitioniert eingeschätzt.

Daher sollte als kurzfristige Maßnahme eine CO2-Bepreisung auf nationaler Ebene lanciert
werden, so das Papier. Anstelle einer CO2-Steuer sollte eine CO2-Abgabe eingeführt wer-
den. Dies wird dadurch begründet, dass die Einnahmen aus einer Abgabe zweckgebunden
für Klimaschutzmaßnahmen und die Rückverteilung verwendet werden könnten. In jedem
Fall dürften bereits emissionshandelspflichtige Unternehmen nicht doppelt belastet wer-
den, so das Wirtschaftsforum. Zur möglichen Höhe oder Ausgestaltung der Abgabe finden
sich in der Position keine Angaben.

Ein separater nationaler Emissionshandel für ausgewählte Sektoren wird aufgrund der
hohen Komplexität, dem Verwaltungsaufwand und der Gefahr von Wettbewerbsverzer-
rungen abgelehnt. Ebenso spricht sich das Wirtschaftsforum gegen einen CO2-Mindespreis
im EU-ETS aus, da dieser das marktbasierte System konterkarieren würde.

2.7.2 Kompensation
Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe sollen an die Bürger und Unternehmen rückverteilt
werden. Insbesondere sollen Pendler und die Bevölkerung im ländlichen Raum entlastet
werden. Es wird angeregt, den Mehrwertsteuersatz auf Fernverkehrstickets von 19 auf
sieben Prozent und die Stromsteuer auf Bahnstrom auf den EU-Mindestsatz von 0,1 Cent
pro kWh zu senken. Ferner könnte eine generelle Reduzierung der Stromsteuer und Finan-
zierung der EEG-Umlage aus staatlichen Mitteln anvisiert werden.

2.7.3 Flankierende Maßnahmen
Um positive Anreize für Verbraucher und Wirtschaft zu setzen, soll flankierend in die Lade-
und Tankinfrastruktur für neue Antriebe, in den Ausbau und die Erneuerung des
Kern                        Metastudie|September 2019                                      14
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

Schienennetzes sowie in die technologieoffene Förderung von Forschung und Innovation
(z. B. für neue Antriebstechnologien) investiert werden.

Auf EU-Ebene sollen Mittel des Europäischen Fonds für die regionale Entwicklung für die
Förderung von Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden. Ferner sollen europäische
Innovations- und Forschungszentren mit EU-Geldern unterstützt werden.

Als weitere flankierende Klimaschutzmaßnahme wird die möglichst globale Aufforstung
widerstandsfähiger und klimaresistenter Mischwälder angesehen.

2.8 Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e.V.: Klimaschutz:
    CO2-Menge verringern, nicht den CO2-Preis steuern
Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. (VhU) hat sich Anfang Juli
2019 ebenfalls zur CO2-Preisthematik positioniert. In ihrer Position Klimaschutz: CO2-
Menge verringern, nicht den CO2-Preis steuern spricht sich die VhU für ein möglichst EU-
weites separates Emissionshandelssystem für die Sektoren Verkehr und Gebäude aus.
Eine CO2-Steuer wird abgelehnt.

2.8.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Nach dem Vorbild des EU-ETS soll laut VhU für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr,
d. h. für den CO2-Austoß aus der Verbrennung von Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl, eine
Emissionsobergrenze festgelegt werden. Biodiesel und CO2-neutral produzierte syntheti-
sche Brenn- und Kraftstoffe sollen nicht unter das sog. Cap fallen.

Das Cap soll jährlich absinken. Das System soll möglichst auf EU-Ebene etabliert werden.
Im Falle einer EU-weiten Einführung soll der Prozentsatz der jährlichen Minderung des
Caps durch EU-Kommission, Rat der EU und EU-Parlament festgesetzt werden.

Emissionshandelspflichtig sollen die Inverkehrbringer werden, d. h. die Mineralölgesell-
schaften, Raffinerien sowie Tankstellenketten. Diese sollen pro in Umlauf gebrachter
Tonne CO2 ein Zertifikat abgeben. Die Kosten für die CO2-Zertifikate würden als Preis-
bestandteil an die Zwischenhändler und Endkunden weitergegeben.

Die Zertifikate sollen laut VhU nicht versteigert, sondern kostenfrei zugeteilt werden. Die
Zuteilungsmenge soll jährlich (analog zum Cap) gekürzt werden.

Der Preis für die CO2-Zertifikate soll sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nach-
frage ergeben. Dieser soll indirekt als Anreiz für Investitionen z. B. in effizientere Fahr-
zeuge, neue Heizungsanlagen, die Verwendung synthetischer Kraftstoffe oder den Umstieg
auf andere Energieträger fungieren. Zu der erwarteten Höhe der Zertifikatspreise findet
sich in dem Positionspapier keine Prognose. In einem begleitenden FAQ-Dokument wird
Kern                        Metastudie|September 2019                                                 15
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

jeweils für Zertifikatspreise zwischen fünf und 250 Euro pro Tonne CO2 aufgezeigt, welcher
Preisanstieg sich für die verschiedenen Kraft- und Heizstoffe ergeben würde.

Tabelle 1
Prognostizierter Preisanstieg bei Kraft- und Heizstoffen

Kraft- bzw.           Preisanstieg bei 5 Euro                             Preisanstieg bei 250 Euro
Heizstoff             pro t CO2                                           pro t CO2

Benzin                1,185 Cent pro Liter                                59,25 Cent pro Liter

Diesel                1,325 Cent pro Liter                                66,25 Cent pro Liter

Leichtes Heizöl       1,6 Cent pro Liter                                  80 Cent pro Liter

Erdgas                0,11 Cent pro kWh                                   5,5 Cent pro kWh

Quelle: VhU

Das System soll zunächst nicht mit dem EU-ETS gekoppelt werden. Dies wird mit der
geringen Preissensibilität und der hohen Kaufkraft in den Sektoren Gebäude und Verkehr
begründet. Hierdurch könnte es für die Inverkehrbringer günstiger sein, Zertifikate zu
erwerben, statt z. B. in die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe zu investieren. Infolge
der Nachfrage aus den Sektoren Gebäude und Verkehr könnten höhere Zertifikatspreise
im EU-ETS resultieren, die zu Carbon Leakage führen.

Durch ein separates System hingegen würde ein innovationsfördernder Wettbewerb
zwischen Anbietern von Technologien, Produkten und Dienstleistungen entstehen, so die
VhU.

2.8.2 Kompensation
Da die Zertifikate kostenfrei zugeteilt werden sollen, werden keine Einnahmen generiert,
die rückverteilt werden können.

2.8.3 Flankierende Maßnahmen
Aus Sicht der VhU könnte durch das mengenbasierte System der derzeitige Instrumenten-
mix verringert werden.
Kern                        Metastudie|September 2019                                       16
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

Bspw. könne im Verkehrssektor auf eine CO2-Steuer, neue bzw. höhere Steuern auf fossile
Kraftstoffe, verschärfte CO2-Vorgaben für neue Fahrzeuge, Kaufprämien für Elektrofahr-
zeuge sowie Tempolimits auf Autobahnen verzichtet werden.

Im Gebäudesektor sei keine höhere Besteuerung fossiler Brennstoffe, keine Verschärfung
der Energieeinsparverordnung für Neubauten sowie keine Umbaupflichten für Bestands-
gebäude erforderlich.

Ferner spricht sich die VhU dafür aus, die Subventionen für neue Erneuerbare-Energien-
Anlagen einzustellen. In der Industrie sollen Belastungen, die zusätzlich zum EU-ETS wir-
ken, wie z. B. eine CO2-Besteuerung oder eine Reduzierung der Entlastungstatbestände
vermieden werden.

2.9 Agora Energiewende: Eine Neuordnung der Abgaben und Umlagen
    auf Strom, Wärme, Verkehr
Der Thinktank Agora Energiewende hat im November 2018 das Impulspapier Eine Neuord-
nung der Abgaben und Umlagen auf Strom, Wärme, Verkehr. Optionen für eine aufkom-
mensneutrale CO2-Bepreisung von Energieerzeugung und Energieverbrauch veröffentlicht.
Das Papier zielt auf eine umfassende Energiesteuerreform bei Strom, Wärme und Verkehr
ab. Alternativ wird die Einführung eines CO2-Mindestpreises im EU-ETS in mehreren Staa-
ten der EU vorgeschlagen.

2.9.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Für die Energiesteuerreform werden drei verschiedene Varianten vorgeschlagen:

Kleine Variante
Vorgesehen ist ein gleichbleibender CO2-Aufschlag auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas ab
2020 in Höhe von 45 Euro pro Tonne CO2.

Mittlere Variante
Bei dieser Variante ist ein kontinuierlich ansteigender CO2-Aufschlag auf Benzin, Diesel,
Heizöl und Erdgas vorgesehen. Dieser soll 2020 bei 45 Euro pro Tonne CO2 starten und
anschließend pro Jahr um rund zehn Euro pro Tonne CO2 ansteigen. In 2024 soll der CO2-
Aufschlag 86 Euro pro Tonne CO2 betragen. Neben dem CO2-Aufschlag wird ab 2020 eine
Abschmelzung des Dieselsteuerprivilegs auf Null anvisiert.

Große Variante
Die große Variante sieht eine Abschaffung des bestehenden Systems an Steuern, Abgaben
und Umlagen für Energieträger vor. Stattdessen sollen Strom, Benzin, Diesel und Erdgas
entsprechend der CO2-Schadenskosten (125 Euro pro Tonne CO2 bezogen auf das Jahr
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                             Kerninhalte der aktuellen Studien

2020) besteuert werden. Eine Ausnahme soll für den Stromsektor greifen: Bei diesem soll
der Preis für EU-ETS-Zertifikate auf den CO2-basierten Steuersatz angerechnet werden.

Für Benzin und Diesel soll ein zusätzlicher Beitrag von 42 Cent pro Liter für die Finanzie-
rung der Verkehrsinfrastruktur und -wende erhoben werden.

Des Weiteren sind zwei variable Komponenten vorgesehen:
– Der Steuersatz soll sich im Verkehrs- bzw. Wärmesektor im Folgejahr um zehn Euro pro
  Tonne CO2 erhöhen, wenn die EU-Klimaziele der Sektoren nicht erreicht werden.
– Der CO2-Aufschlag im Stromsektor soll stündlich entsprechend dem CO2-Gehalt des
   jeweiligen Strommixes variieren.

Konkrete Angaben zu der prognostizierten Klimawirkung der einzelnen Varianten sind in
dem Papier nicht enthalten. Bei der kleinen Variante wird ein sehr geringer Minderungs-
effekt erwartet. Bei der mittleren Variante wird eine signifikante und bei der großen
Variante eine hohe Minderungswirkung angenommen.

Alternativ zur Energiesteuerreform wird empfohlen, einen CO2-Mindestpreis für die Ener-
gieerzeugung im EU-Emissionshandelssystem zu etablieren. Dieser wird von den Autoren
als sinnvoll erachtet, da die derzeitige Preisentwicklung im EU-Emissionshandel mit vielen
Unsicherheiten behaftet ist. Der starke Preisanstieg in 2018 habe laut der Studie gezeigt,
dass der Preis aktuell nicht durch Knappheit sondern vielmehr durch Spekulationen sowie
wirtschaftliche und politische Entwicklungen getrieben wird.

Der CO2-Mindestpreis soll ab 2020 nach dem Vorbild Großbritanniens etabliert werden
(siehe Punkt 3.3). Die Einführung eines reinen nationalen Mindestpreises würde gemäß
der Studie die Stromerzeugung im Inland verteuern. Diese könnte zu erheblichen Stromim-
porten aus dem Ausland führen. Vor diesem Hintergrund wird eine Kooperation mit den
Ländern des CWE-Stromnetzverbunds empfohlen, dem Österreich, Belgien, Frankreich,
Luxemburg, die Niederlande angehören. Der CO2-Mindestpreis soll zunächst durch eine
Koalition der Willigen (Deutschland, Frankreich, Niederlande) initiiert werden.

Eine konkrete Höhe des anvisierten Mindestpreises wird nicht genannt. In einem Rechen-
beispiel wird ein Mindestpreis von 20 Euro pro Tonne CO2 in 2020 erwähnt. Ferner findet
sich in dem Papier keine Angabe zur prognostizierten Minderungswirkung eines Mindest-
preises.
Kern                       Metastudie|September 2019                                   18
                           Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                           Kerninhalte der aktuellen Studien

2.9.2 Kompensation
Kleine Variante
Gemäß der Autoren könnten bei der kleinen Variante die Einnahmen für eine Absenkung
der Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz (0,1 Cent pro kWh) sowie für einen Steuerzu-
schuss für das EEG-Konto verwendet werden. Hierdurch könnten die Strompreise um
vier Cent pro kWh gesenkt werden. Ferner sollen insgesamt 2,7 Milliarden Euro pro Jahr
für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung sowie ein Sofortpro-
gramm Ladeinfrastruktur genutzt werden.

Mittlere Variante
Bei der mittleren Variante könnte ein Teil der Mehreinnahmen in Höhe von 15 Milliarden
Euro in 2020 und ca. 30 Milliarden in 2024 gemäß der Studie wie folgt rückverteilt werden:
– Senkung der Strompreise um anfangs vier und später sieben Cent pro kWh durch Sen-
   kung der Stromsteuer auf EU-Mindestsatz und Steuerzuschuss zum EEG-Konto oder den
   Verrechnungsmechanismen anderer Umlagen wie z. B. der KWK-Umlage oder
– Jährlicher Energiewendebonus für Bürger in Höhe von 120 Euro pro Kopf in 2020 und
   200 Euro in 2024 (Auszahlung z. B. über Steuer-ID) sowie für Unternehmen in Höhe von
   120 bzw. 200 Euro pro 100.000 Euro Lohnsumme

Darüber hinaus könnten vier Milliarden Euro in 2020 bzw. zehn Milliarden Euro in 2024 für
die Finanzierung der Wärme- und Verkehrswende sowie einen sog. Wechsel-Fonds für die
private Energiewende bereitgestellt werden. Über diesen sollen besonders Betroffene wie
z. B. Vielpendler oder Bewohner von Häusern mit veralteter Heiztechnik und schlechter
Dämmung beim Wechsel zu CO2-armen Technologien unterstützt werden.

Große Variante
Laut der Studie könnten bei der großen Variante die Strompreise um sieben Cent pro kWh
gesenkt werden. Von den Einnahmen könnten 5,9 Milliarden Euro pro Jahr zur Finanzie-
rung der Wärmewende sowie für den Wechsel-Fonds für die private Energiewende (siehe
mittlere Variante) verwendet werden.

2.10 Agora Energiewende: Ein Emissionshandelssystem für die nicht vom
     EU ETS erfassten Bereiche
Der Think Tank Agora Energiewende hat im August 2019 eine weitere Analyse Ein Emissi-
onshandelssystem für die nicht vom EU ETS erfassten Bereiche veröffentlicht. Diese befasst
sich mit der praktischen Umsetzung von Emissionshandelslösungen. Betrachtet werden die
regulatorischen und zeitlichen Erfordernisse für die Etablierung eines erweiterten EU-ETS
sowie eines separaten ETS für die Sektoren Gebäude und Verkehr.

2.10.1 Anvisiertes CO2-Instrument
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Einführung eines Emissionshandels in den
Kern                        Metastudie|September 2019                                         19
                            Instrumente zur CO2-Bepreisung im Vergleich

                            Kerninhalte der aktuellen Studien

Bereichen Gebäude und Verkehr grundsätzlich machbar, aber sehr anspruchsvoll und zeit-
intensiv ist. So müssen zahlreiche neue gesetzliche Regelungen getroffen und neue Über-
wachungs- und Abrechnungsregimes geschaffen werden.

Für die Dauer der Implementierung werden folgende Zeiträume angenommen:
– nationales separates Emissionshandelssystem, das nicht anschlussfähig an den EU-ETS
   ist: mindestens zwei bis drei Jahre
– nationales separates Emissionshandelssystem, das anschlussfähig an den EU-ETS ist:
   drei bis vier Jahre
– erweitertes EU-ETS mit umfangreichen Richtlinien-/Verordnungsänderungen:
   fünf bis sechs Jahre
– erweitertes EU-ETS ohne umfangreichen Richtlinien-/Verordnungsänderungen:
   drei bis vier Jahre

Die Regulierung der Sektoren Gebäude und Verkehr unter einem Emissionshandelssystem
sei generell nur mit dem Upstream-Ansatz (Inverkehrbringer werden emissionshandels-
pflichtig, siehe auch Punkt 3.1.2) realistisch umsetzbar, so die Analyse. Der Anlagen- und
Emissionsbegriff in der EU-ETS-Richtlinie (siehe auch Punkt 3.1.4) könnte jedoch ggfs. eine
Richtlinienänderung erfordern.

Als größte Herausforderung eines erweiterten EU-ETS werden die erforderlichen Änderun-
gen bei der EU-Rechtssetzung angesehen. Bei einem separaten nationalen System domi-
nieren laut der Analyse die technischen Herausforderungen sowie die Einzelregelungen,
die komplett neu geschaffen werden müssten.

Kurzfristig lässt sich laut den Autoren der Analyse lediglich eine CO2-orientierte Energie-
steuerreform realisieren. Diese könnte zu einem späteren Zeitpunkt in den EU-ETS über-
führt werden.

2.10.2 Kompensation
Konkrete Empfehlungen für die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten bei der Rückvertei-
lung werden in der Studie nicht gegeben.

Jedoch wird darauf hingewiesen, dass eine freie Verwendung der Einnahmen aus den
Versteigerungen nur im Falle eines separaten ETS möglich wäre. Bei einem erweiterten
EU-ETS müssten gemäß der derzeit gültigen EU-ETS-Richtlinie 50 Prozent der Einnahmen
für Klimaschutzzwecke eingesetzt werden. Werden die Versteigerungseinnahmen z. B. für
die Kompensation im Verarbeitenden Gewerbe eingesetzt, muss berücksichtigt werden,
dass diese Zahlungen der EU-Beihilfenkontrolle unterliegen, so die Analyse.

2.10.3 Flankierende Maßnahmen
Anregungen für weiterführende Klimaschutzmaßnahmen sind in der Analyse nicht
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