Ökosysteme als Selbstläufer für zukünftiges Wachstum? - Fokus Versicherungsbranche

Die Seite wird erstellt Lina Kremer
 
WEITER LESEN
Ökosysteme als Selbstläufer für zukünftiges Wachstum? - Fokus Versicherungsbranche
Ökosysteme als Selbstläufer für
    zukünftiges Wachstum?
    Fokus Versicherungsbranche - Teil 2

    Hannes Dorfmaier   Marco Hauk   Tobias Keel

1
Ökosysteme als Selbstläufer für zukünftiges Wachstum? - Fokus Versicherungsbranche
Ökosystem-Treiber und -Ansätze von Versicherungen
    Im ersten Teil dieser Serie haben wir uns damit beschäftigt, wie ein Ökosystem definiert ist, welche Logik einem Öko-
    system zugrunde liegt und warum Ökosysteme für Unternehmen heute und in Zukunft wichtig sind. Im zweiten Teil
    betrachten wir verschiedene Treiber hinter dem Trend und stellen Ansätze von Ökosystemen in der schweizerischen
    Versicherungslandschaft vor. Als Treiber haben wir die neue Generation von Kunden und deren Bedürfnisse sowie Markt-
    veränderungen identifiziert. Wie Schweizer Versicherungen auf diese Treiber reagieren, veranschaulichen wir anhand
    einer Landkarte der Ökosystem-Ansätze.

    1. Ökosysteme als Antwort auf
       veränderte Kundenbedürfnisse

    Etablierte Unternehmen und Geschäftsmodelle geraten          Kunden am besten entsprechen und wie diese zu einem
    durch veränderte Kundenbedürfnisse und neue Angebote         attraktiven Preis in einem geeigneten Kanal angeboten
    immer stärker unter Druck. Bei einer passiven Haltung hat    werden können. Eine steigende Anzahl von Kunden be-
    dies unweigerlich negative Einflüsse auf Marktanteile. Die   vorzugt heute, eine Versicherung online zu finden, prü-
    aus den neuen Kundenbedürfnissen resultierenden Her-         fen und abzuschliessen anstatt einen Agenten um Rat
    ausforderungen und Chancen sind mannigfaltig.                zu fragen. Dies bedeutet für eine Versicherung einen
                                                                 grossen kulturellen und organisatorischen Wandel. Ver-
    Grundsätzlich mussten sich Unternehmen schon immer           sicherungsagenturen verlieren zunehmend den direkten
    an neuen Kunden und deren Bedürfnissen orientieren.          Kundenkontakt und müssen die Customer Journey neu
    Jedoch bringen Generationen, die in einer digitalen          definieren. Für Versicherungen besteht ein begründetes
    Welt aufgewachsen sind, neue, ganz spezifische Heraus-       Risiko, den Kundenkontakt ohne dessen Neudefinition,
    forderungen mit sich. Entscheidend wird sein, wie Unter-     z.B. durch Ökosysteme, langfristig komplett zu verlieren.
    nehmen auf die neuen Kunden von heute (Millenials, Ge-
    burtsjahr ca. 1980-1995) und morgen (Generation Z, ca.       Anforderungen wie Individualität, Convenience, Trans-
    1996-2010) reagieren, deren Kaufkraft allmählich steigt.     parenz und Nützlichkeit müssen natürlich nicht nur für
                                                                 Millennials oder die Generation Z, sondern für alle Kun-
    Diese Kundengruppen verfügen über neue Bedürfnisse           dengruppen in der Customer Experience verankert sein.
    und Werte. Zudem sind Millennials und die Generation Z       Bedürfnisse wie die Einfachheit und Übersichtlichkeit
    in der Regel sehr technikaffin. Millennials repräsentieren   eines Angebots, in Kombination mit neuen Möglichkei-
    die erste Generation, die mit Smartphones aufgewachsen       ten der Transparenz, haben grosse Auswirkungen. Viele
    ist. Sie zeichnen sich durch eine starke Vernetzung unter-   Kunden sind heute nicht mehr bereit, dutzende von Do-
    einander aus. Die darauffolgende Generation Z ist noch       kumenten zu lesen, um einen Vertrag zu unterzeichnen
    besser vernetzt und nutzt hierzu Technik und Tools der       und schauen sich immer stärker nach übersichtlichen
    nächsten Generation. Diese Kunden sind aufgrund der          Angeboten um. Entsprechend werden sie zukünftig bei
    Nutzung verschiedener Apps vertraut mit nahtlosen, ein-      komplexen Angeboten tendenziell zögern und sich viel
    fachen, übersichtlichen und personalisierbaren Customer      eher für einen transparenteren Konkurrenten entschei-
    Journeys ohne Medienbrüche. Um von personalisierten Ser-     den. Kundenorientierung muss für die etablierten Versi-
    vices zu profitieren, sind sie in besonderem Masse bereit,   cherer deshalb über eine sehr hohe Priorität verfügen. Es
    ihre Daten weiterzugeben.                                    ist entscheidend, dass Versicherer nicht nur in ihrer Öko-
                                                                 systemstrategie den Kunden ins Zentrum setzen, sondern
    Diese Bedürfnisse sind äusserst relevant für Versicherer,    dieses Mindset auch in ihrer Unternehmensstrategie
    da sie die Gewohnheiten, Kaufpräferenzen und finanziel-      und -kultur solide verankern. Versicherungen müssen
    len Ziele ihrer Kunden kennen müssen. Versicherer soll-      Silos aufbrechen und sich transversaler aufstellen, um
    ten verstehen, welche Produkte den Bedürfnissen ihrer        an Geschwindigkeit und Relevanz zu gewinnen.

2
Ökosysteme als Selbstläufer für zukünftiges Wachstum? - Fokus Versicherungsbranche
2. Marktveränderungen als
       Treiber von Ökosystemen

    Zwei aktuelle Faktoren üben besonders intensiven                              Teil 3 dieser Serie.
    Druck am Markt aus und beeinflussen die Entstehung
    von Ökosystemen im Versicherungsbereich zusätzlich                            Insurtechs
    stark. Einerseits hat Covid-19 bereits gestartete Digita-                     Die Start-up-Szene hat sich im Bereich Versicherungen in
    lisierungstrends noch weiter beschleunigt. Anderseits                         den letzten Jahren stark gewandelt und es geschafft, durch
    drängen seit einigen Jahren vermehrt Insurtechs in den                        Schnelligkeit, Flexibilität und Kundenzentrierung rasch auf
    Markt, die ihre Lösungen durch den Einsatz neuer Tech-                        neue Bedürfnisse einzugehen. Insurtechs können dadurch
    nologie schnell umsetzen können.                                              etablierten Unternehmen eine attraktive Möglichkeit bie-
                                                                                  ten, ihr Portfolio zu erweitern und stellen bisher weniger
    Covid-19                                                                      eine Bedrohung für das Kerngeschäft dar.
    Es ist zu beobachten, dass Versicherungen ihre Digitali-
    sierungsinitiativen aufgrund von Covid-19 beschleunigt                        Die Investitionen von Versicherungen in Insurtechs sind
    haben. Grundsätzlich ist die Versicherungsbranche gut                         seit 2013 weltweit sprunghaft angestiegen – was sich an
    aufgestellt. Eine im Mai 2020 durchgeführte Umfrage                           der Entwicklung der Anzahl Transaktion von einigen weni-
    der Swiss Digital Insurtech Association bei Versicherun-                      gen auf über 109 im Jahr 20192) ablesen lässt. Im Vergleich
    gen hat eine starke digitale Position auf dem Markt und                       zum Fintech-Sektor ist dies immer noch eine geringe An-
    Widerstandsfähigkeit gegenüber der Krise gezeigt1).                           zahl. In den letzten Jahren haben sich eine Vielzahl an
    Experten sind der Meinung, dass Covid-19 eine positi-                         Start-ups entwickelt, die entweder komplett neue The-
    ve Auswirkung auf digitale Versicherungslösungen hat                          men besetzen oder eingestaubte Themen wie das Claim
    und somit indirekt auch den Ausbau von Ökosystemen                            Management durch den Einsatz neuer Technologien auf-
    begünstigt. Der Wunsch nach digitaler Maturität von                           mischen (vgl. Abbildung 1). Die Nähe zum Kunden und die
    Kundenseite wurde durch Covid-19 verstärkt, was eine                          Geschwindigkeit, in der Lösungen angeboten werden,
    neue Priorisierung (z.B. digital by default und mobile                        machen Insurtechs zu einem attraktiven Partner für beste-
    first) von Projekten zur Folge hat. Damit lässt sich bereits                  hende Versicherer. Diese Start-ups bieten Versicherungen
    mehr Bewegung hin zu integrierten Versicherungslö-                            die Möglichkeit, schnell neue Angebote zu integrieren
    sungen auf dem Markt beobachten.                                              und die eigene Wertschöpfungskette zu erweitern. Vie-
                                                                                  le Start-ups haben zudem einen direkten Kundenkontakt
    Die Krise hat auch für Versicherungen gezeigt, wie wich-                      und können so die Versicherungen auch im Vertrieb unter-
    tig digitale Lösungen sind. Versicherungen wählen unter-                      stützen. Die nachfolgende Grafik zeigt neun Bereiche, in
    schiedliche Ansätze, wie stark die Lösungen mit externen                      welchen sich Start-ups ansiedeln und positionieren. Diese
    Partnern und im eigenen Portfolio integriert werden. Von                      bieten spannende Anknüpfungspunkte für Ökosystem-
    komplett isolierten und autarken Lösungen bis hin zu stark                    Partnerschaften.
    vernetzten und von Partnern abhängigen Ökosystemen
    existiert eine grosse Spannweite. Der Aufbau von Ökosys-                      Sind Insuretechs für bestehende Versicherungen nun
    temen und die Entwicklung entsprechender Strategien                           eine ernsthafte Bedrohung oder vielmehr eine attrak-
    werden weiter an Bedeutung gewinnen. Aufgrund von                             tive Erweiterung des eigenen Geschäftsmodell? Laut
    Covid-19 gibt es Anhaltspunkte die zeigen, dass sich die                      Branchenexperten können die Start-ups meistens nicht
    Geschwindigkeit beim Aufbau von Ökosystemen und der                           die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Sie sind
    Gründung von Partnerschaften stark erhöhen wird. Trotz-                       oft auf ein Produkt oder eine spezifische Dienstleistung
    dem lässt sich nicht jedes Problem mit einem Ökosystem                        fokussiert. Mit diesen Angeboten bieten sie aber viel-
    lösen. Blinder Aktionismus ist deshalb fehl am Platz und                      fach einen entscheidenden Vorteil gegenüber etablier-
    kann sich negativ (z.B. zu viele unterschiedliche Partner-                    ten Versicherungen. Dies macht sie für eine Übernahme
    schaften, Ressourcenengpässe) auswirken. Mehr dazu im                         oder Zusammenarbeit sehr attraktiv. Insurtechs werden

    1) Fintech Switzerland, 2020, Umfrage: Schweizer Digitalversicherer kommen gestärkt aus der Coronakrise,
       abgerufen von: https://fintechnews.ch/insurtech/umfrage-schweizer-digitalversicherer-kommen-gestarkt-aus-der-coronakrise/35786/
    2) Statista, 2019, Anzahl der Investitionen in Tech-Start-ups von Versicherern weltweit,
       abgerufen von: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/663513/umfrage/anzahl-der-insurtech-investitionen-von-versicherern-weltwet/

3
Ökosysteme als Selbstläufer für zukünftiges Wachstum? - Fokus Versicherungsbranche
Abbildung 1: Neun Trends in der europäischen Insurtech-Szene3)

    daher häufig als potenzielle Partner angesehen, die einen                 beschleunigten Entwicklung benötigen etablierte Versi-
    schnellen und direkten Marktzugriff haben und über ein                    cherungen immer noch viel Zeit, um das Produkt definitiv
    innovatives Produkt verfügen, das nicht als Bedrohung                     auf den Markt zu bringen. Zudem spielen teilweise auch
    des Kerngeschäfts wahrgenommen wird. Die Finanzkraft                      die Befürchtungen der Start-ups, das innovative Denken
    und die Reichweite der Insurtechs sind dafür zu klein. Den                und die Unabhängigkeit zu verlieren, gegen eine Bezie-
    Versicherungen kann die Akquisition von Insurtechs zudem                  hung mit einem traditionellen Versicherer. Wenn beide
    helfen, sich einen Vorsprung gegenüber den Mitbewer-                      Parteien die Synergiepotenziale einer Partnerschaft oder
    bern zu sichern.                                                          ggf. sogar einem gemeinsamen Ökosystem erkennen
                                                                              und diese aktiv ausarbeiten, steht einer Zusammenarbeit
    Experten schätzen, dass es im Durchschnitt etwa sechs                     jedoch nichts im Wege.
    Monate dauert, bis ein Insurtech ein neues Produkt ent-
    wickelt hat und auf den Markt bringt. Bei Versicherungen
                                                                              3. Versicherungsökosysteme
    kann dies bis zu vier Jahre dauern. Sofern die Insurtechs
    die Schnelligkeit und ihren kundenzentrierten Ansatz er-
                                                                                 in der Schweiz
    halten können, und die etablierten Versicherer ihr Know-                  Schweizer Versicherungen haben in den letzten Jahren
    how sowie ihre Daten und finanziellen Ressourcen einbrin-                 viele Initiativen gestartet, um die Digitalisierung voranzu-
    gen, ist eine Zusammenarbeit für beide Parteien attraktiv.                treiben und so den Grundstein für strategische Initiativen
    Zudem ist es für einen Start-up sehr vorteilhaft, auf einen               wie den Aufbau von Ökosysteme zu legen. Projekte zur
    bereits bestehenden Kundenstamm zugreifen zu können,                      Ablösung bestehender IT-Infrastrukturen durch modula-
    um die Skalierung zu beschleunigen.                                       re Plattformen oder zur Prozessdigitalisierung sind nur
                                                                              einige dieser Aktivitäten. Einige Marktteilnehmer haben
    Oft sind beide Parteien an einer Zusammenarbeit inter-                    dieses Fundament bereits genutzt und spannende Öko-
    essiert. Es gibt aber auch Herausforderungen. Insurtechs                  systeme mit verschiedenen Fokusfeldern aufgebaut, um
    weisen auf lange Genehmigungs- und Umsetzungspro-                         auf die oben beschriebenen Marktveränderungen und
    zesse bei einer Zusammenarbeit hin. Selbst bei einer                      sich wandelnde Kundenbedürfnisse einzugehen.

    3) Astorya.vc, 2019, 9 trends structuring the European InsurTech scene,
       abgerufn von: https://medium.com/@astorya_vc/market-9-trends-structuring-the-european-insurtech-scene-a760f942944c

4
Ökosysteme als Selbstläufer für zukünftiges Wachstum? - Fokus Versicherungsbranche
Insurtechs haben sich für viele Versicherer als spannende                 Plattform anbietet, diese aber nicht mit Partnerschaften
    Partner erwiesen. Daneben beobachten wir häufig auch                      bespielt wird. Ein potentiell matures Ökosystem bietet
    Kooperationen mit Innovationslabs oder der Aufbau von                     gute Grundlagen für ein erfolgreiches Ökosystem, die
    Joint Ventures. Die untenstehende Grafik (vgl. Abbildung 2)               Versicherung tritt als Orchestrator zwischen verschiede-
    zeigt eine nach Fokusfeldern aufgeteilte Landkarte be-                    nen Parteien auf und hat so die Möglichkeit eine über-
    stehender Ökosysteme von Schweizer Versicherungen.                        greifende Customer Journey zu gestalten. Zudem schafft
    Die Fokusfelder Wohnen, KMU, Finanzen, Mobilität und                      die Value Proposition des Ökosystems hier Mehrwert
    Gesundheit haben sich aus unseren Erfahrungen und                         für die Kunden, was zwingend für den Erfolg von einem
    den Gesprächen mit vielen Ökosystem-Innovatoren her-                      Ökosystem ist.
    auskristallisiert. Die Landkarte zeigt auf der horizontalen
    Achse die Anzahl der Teilnehmer im Ökosystem und auf                      Wohnen
    der vertikalen Achse die Rolle der Versicherung – nimmt                   Im Fokusfeld Wohnen tummeln sich die meisten Versi-
    sie eine passive Rolle ein und partizipiert am Ökosystem                  cherungen, sicherlich weil die Nähe zum Kerngeschäft
    oder orchestriert sie das Ökosystem?                                      gegeben ist. Der Bereich Wohnen umfasst alle Ange-
                                                                              bote rund um Mieten, Umzug und Immobilienkauf und
    Die identifizierten Ökosystem-Ansätze können grob auf                     -verkauf.
    vier Quadranten aufgeteilt werden: In bilateralen Part-
    nerschaften fehlen grundlegende Elemente eines Öko-                       Die Bâloise baut ein «Home»-Ökosystem auf, das den
    systems, z.B. ist dort meist keine Plattform implementiert                Kunden das Leben rund um ihr Zuhause im Zuge der Digi-
    und es sind nur zwei (selten mehr) Teilnehmer beteiligt.                  talisierung spürbar erleichtern soll. Dabei ist die Bâloise
    Bei multilateralen Partnerschaften sind die Verbindun-                    in der Start-up-Szene aktiv und hat bereits diverse Start-
    gen bereits stärker, jedoch kann (oder will) die Versiche-                ups akquiriert:
    rung nicht als Orchestrator auftreten und nutzt somit die
    Möglichkeiten eines Ökosystems nicht aus. Ein «leeres»                    y   MOVU, eine der grössten Umzugsplattformen der
    Ökosystem zeichnet sich dadurch aus, dass eine Ver-                           Schweiz, welches Einzelpersonen hilft, einen stress-
    sicherung als Orchestrator auftritt und eine geeignete                        freien Umzug zu organisieren.

    Orchestrator                    «Leeres» Ökosystem                                         (Potentiell) matures Ökosystem

    Rolle der
    Versicherung

    Participant                      Bilaterale Partnerschaften                                   Multilaterale Partnerschaften

                   Wenige                                                                                                                 Viele
                                                                         Anzahl Teilnehmer

                                                                             Wohnen      KMU           Finanzen          Mobilität   Gesundheit

    Abbildung 2: Landkarte der Ökosysteme von Schweizer Versicherungen

5
Ökosysteme als Selbstläufer für zukünftiges Wachstum? - Fokus Versicherungsbranche
y   Im Mai 2019 erwarb der Versicherer zudem die Mehr-           KMU
        heitsanteile an Bubble Box, einer schweizerischen            Viele Versicherungen sehen im B2B-Markt grosse Wachs-
        Plattform für Wäscherei und Textilpflege.                    tumschancen und sind daher verstärkt aktiv geworden.

    y   Im Juli 2019 kaufte Bâloise Devis.ch, einen Marktplatz       2018 hat die Mobiliar das Software-Start-up Bexio über-
        für Handwerks- und Reinigungsdienstleistungen.               nommen, das Cloud-basierte Geschäftslösungen für
                                                                     KMU anbietet. Bexio hatte bis dahin praktisch keine
    y   Zudem erwarb das Unternehmen im Februar 2020                 Berührungspunkte mit Versicherungen, da sie Buch-
        28% der Aktien des innovativen belgischen Start-             haltungsservices, Auftragsabwicklung und integriertes
        ups Keypoint. Keypoint entwickelt eine Plattform,            E-Banking für KMU anbot. Bexio dient der Mobiliar als
        die Hauseigentümer, Versicherer, Mieter, Treuhän-            Plattform und als Zugangspunkt zu neuen Kunden. Ein
        der und weitere Dienstleister miteinander verbindet.         weiteres Beispiel ist die 25%-Beteiligung am Medien-
                                                                     haus Ringier. Die digitale Kompetenz von Ringier soll hel-
    y   Im Mai 2020 hat die Bâloise eine weitere Investition         fen, die Geschwindigkeit der Digitalisierung zu steigern
        und Zusammenarbeit mit der digitalen Haushaltsplatt-         und die Lernkurve steiler zu gestalten, z. B. durch Know-
        form Batmaid angekündigt. Diese ermöglicht ihren             how und Erfahrung im Bereich Plattformen. Ergänzend
        Kunden Zugang zu qualifiziertem Reinigungspersonal.          zu ihren Akquisitionen strebt die Mobiliar auch sehr aktiv
                                                                     neue Partnerschaften an.
    Die einzelnen Angebote sollen möglichst viele Aufgaben
    rund um das Wohnen abdecken. Keypoint bringt zudem               Auch die Bâloise ist im Bereich «Business Services» aktiv.
    Know-how in den Bereichen Technologie und Plattform-             So wurden intern Dienstleistungen im Bereich Asset
    geschäft mit, dass es der Bâloise ermöglicht, Ökosyste-          Management und Cyberversicherungen ausgebaut. Zu-
    me ganzheitlich zu orchestrieren.                                dem existiert eine Zusammenarbeit mit fasoon.ch, die
                                                                     Unternehmensgründungen unterstützt.
    Die Mobiliar hat in den letzten Jahren viel Arbeit in den Auf-
    bau des Ökosystems «Mieten, Kaufen, Wohnen» investiert           Die Vaudoise ist im Bereich der B2B-Ökosysteme ein
    und dabei ebenfalls auf Akquisitionen wie beispielsweise         vergleichsweise neuer Player, hat aber angekündigt,
    die Handwerkerplattform Buildigo gesetzt. Der Versiche-          dass sie Akquisitionen tätigen und ihre Dienstleistungen
    rer treibt aber auch eigene Innovationen, wie beispiels-         ausbauen will.
    weise lizzy (Mängellisten-App) oder aroov (Mieterportal),
    aktiv voran und integriert diese neuen Angebote in das           Finanzen
    Ökosystem. Des Weiteren ist die Mobiliar eine strategi-          Zu Ökosystemen rund um das Thema Finanzen haben
    sche Partnerschaft mit der Raiffeisen Bank eingegangen,          sich die Versicherungen eher zurückhaltend positioniert.
    die weitere Optionen für neue Angebote schafft.                  Hierzu möchten wir erwähnen, dass einige Angebote
                                                                     auch Teile eines anderen Ökosystems sein können (z. B.
    Die Helvetia konzentriert sich auf den Aufbau ihres              Wohnen). Hier wurde die Abgrenzung vorgenommen,
    «Home»-Ökosystems und hat hierzu in das Zürcher Start-           um das weitere Potenzial bezüglich Finanzdienstleistun-
    up-Unternehmen Flatfox investiert. Flatfox ist ein Platt-        gen zu betrachten.
    formgeschäft, das Mieter und Hausbesitzer verbindet.
    Erst kürzlich hat sich neben der Mobiliar auch die Helvetia      Helvetia hat mit MoneyPark eine Akquisition auf dem
    entschieden, in das Start-up Skribble zu investieren, das        Hypothekarmarkt getätigt. MoneyPark ist der gröss-
    rechtsverbindliche digitale Signaturen anbietet.                 te unabhängige Hypothekenbroker der Schweiz. Die
                                                                     Übernahme von MoneyPark dient Helvetia dazu, den
    Swiss Life bietet mit immopulse ein Ökosystem rund um das        von Versicherern noch weniger umkämpften Markt der
    Eigenheim an, das vor allem den Verkauf von Eigenheimen          Hypothekarangebote zu erschliessen. Helvetia will als
    anbietet. Das Swiss Life Lab arbeitete intensiv an einem         Vermittlerin von Hypotheken (eng verknüpft mit dem
    Ökosystem. Daraus sind Beteiligungen an Flatfox, archily-        Home-Ökosystem) auftreten und gleichzeitig weitere
    se.com, pricehubble.com und vermietet.de entstanden.             Finanzdienstleistungen für andere Lebenssituationen an-
    Die Swiss Life schöpft das Potential aber noch nicht aus, da     bieten. Die von MoneyPark aufgebaute Plattform soll Hel-
    keine Zusammenhänge im Angebot ersichtlich sind.                 vetia zu einem Kreditpartner für Banken, Versicherungen

6
und Pensionskassen machen und als Grundlage für ein          an der Komplexität des Marktes, der viele kleine Player
    Finanzdienstleistungs-Ökosystem dienen.                      umfasst und von langen Customer Journeys geprägt ist.
                                                                 Zudem haben viele Akteure im Schweizer Gesundheits-
    Bâloise hat verschiedene Dienstleistungen eigenständig       system gegenläufige Interessen, was jegliche Art von Ko-
    aufgebaut, darunter beispielsweise Monviso für die digi-     operation erschwert.
    tale Verwaltung von Geldanlagen und die Hypotheken-
    App Hypo. Gemeinsam mit dem Start-up Think Yellow hat        Ansätze zeigen sich bei der KPT, die zusammen mit der
    sie zudem ein Angebot für eine innovative Geldanlage         Online-Apotheke Zur Rose einen digitalen Medikamen-
    in der Lebensversicherung entwickelt. Die Angebote           ten-Assistenten lanciert hat. Dieser soll die Einnahme und
    der Bâloise sind von aussen betrachtet voneinander un-       das Management von Medikamenten unterstützen. KPT
    abhängig. Es ist weder eine Plattform noch ein klarer Zu-    hat zudem neue Angebote im Bereich der Grundversi-
    sammenhang der Angebote erkennbar. Entsprechend              cherung gestartet, mit denen sie vor allem junge Kunden
    fällt die Einordnung unter den Bereich multilateralen        gewinnen möchte. Eine Plattform oder eine weitere Inte-
    Partnerschaften.                                             gration der Customer Journey ist aber nicht erkennbar.

    Mobilität                                                    Auch die drei Krankenkassen Visana, CSS und Allianz
    Im Bereich der Mobilität wurde die Bâloise ebenfalls als     Care wollen zusammen mit der Online-Apotheke Zur
    aktiver Player identifiziert. So wurde bereits 2017 das      Rose ein Unternehmen gründen. Ziel ist der Betrieb
    Start-up FRI:DAY gegründet, das eine innovative Auto-        einer integrierten digitalen Gesundheitsplattform, die
    versicherung anbietet und Geld für nicht gefahrene Kilo-     allen Akteuren des Gesundheitswesens offensteht –
    meter zurückbezahlt. 2019 haben sich weitere Partner         Versicherern, Ärzten, Spitälern und weiteren Anbietern.
    mit rund 43 Millionen Schweizer Franken an diesem            Der Startschuss soll im zweiten Quartal 2021 erfolgen,
    Start-up beteiligt. Des Weiteren gab es Investitionen in     sofern die Wettbewerbskommission zustimmt. Mit
    die Mobilitätsplattform für Occasionsfahrzeuge Mobly,        dem Angebot in Form einer Smartphone-App könnten
    das auf Fahrstilanalysen spezialisiertes Unternehmen         Nutzer*innen beispielsweise allgemeine Gesundheits-
    DrivOlution und die All-In-One Auto App ryd, die zahl-       fragen klären, im Krankheitsfall einen digitalen Symp-
    reiche Connected Car Features anbietet. Auch mit dem         tom-Check durchführen, medizinische Unterstützung
    Leasing-Plattformanbieter gowago wurde eine Zusam-           anfordern, Arzttermine vereinbaren und Medikamente
    menarbeit etabliert. Die Bâloise ist damit europaweit        bestellen.
    gut aufgestellt im Bereich Mobilität, obwohl die einzel-
    nen Angebote noch wenig integriert erscheinen.               Der klassische Krankenversicherer ÖKK bietet mit Simpla
                                                                 eine Plattform für vergünstigte Angebote an und liefert
    Die Zurich Insurance Group baut zusammen mit Swisscom        Tipps und Tricks, die ihre Kunden im Alltag unterstützen.
    und AMAG ein digitales Schweizer Ökosystem im Bereich        Die Plattform dient zurzeit vor allem zur Kundenbindung.
    Mobilität auf. Hierzu wurde 2019 eine Beteiligung am         Es ist gut vorstellbar, dass das Angebot in Zukunft auf das
    Service-Portal auto-Sense getätigt, das Echtzeit-Infor-      Kerngeschäft ausgerichtet wird.
    mationen und Services rund ums Autofahren liefert.

    Die Mobiliar unterstützt nach ihrem nicht erfolgreichen
    Engagement bei sharoo nun das aufstrebende Start-up
    Carvolution. Es soll den Kunden einen ganzheitlichen           Unsere Recherchen verdeutlichen, dass zurzeit nur we-
                                                                   nige Versicherungen eine für den Kunden stringente
    Service rund um das Thema Auto anbieten. Über weitere
                                                                   Ökosystemstrategie verfolgen oder bereits umgesetzt
    Partnerschaften ist wenig bekannt.
                                                                   haben. Es ist nicht ausreichend, lediglich lose Partner-
                                                                   schaften mit gemeinsamen Produkt- und Serviceverkäu-
    Gesundheit
                                                                   fen einzugehen oder «leere Ökosysteme» aufzubauen.
    Man könnte annehmen, dass die Teilnahme an Ökosyste-           Das übergeordnete Ziel sollte vielmehr darin bestehen,
    men vor allem Krankenversicherern eine perfekte Grund-         eine übergreifende Customer Experience zu entwickeln.
    lage bietet. Dem ist aber nicht so. Wir konnten nur einige     Wie die Schweizer Versicherer entsprechende Vorhaben
    lose Ökosystem-Ansätze und Angebote identifizieren.            angehen können, erläutern wir im 3. Teil unserer Serie.
    Dies kann an Regularien (z. B. Datenaustausch) liegen oder

7
Ihre Ansprechpartner

    Hannes Dorfmaier                               Marco Hauk                             Tobias Keel
    Manager, Industry Head                         Consultant, Digital                    Manager, Digital
    Insurance                                      Strategy & Innovation                  Strategy & Innovation
    AWK Group AG                                   AWK Group AG                           AWK Group AG
    hannes.dorfmaier@awk.ch                        marco.hauk@awk.ch                      tobias.keel@awk.ch

                                                                           Über AWK
    AWK Group AG                                                           AWK Group ist eine internationale, unabhängi-
    Leutschenbachstrasse 45                                                ge Management- und Technologieberatung mit
    CH-8050 Zürich                                                         Standorten in Zürich, Bern, Basel, Lausanne und
    T +41 58 411 95 00
                                                                           Luxemburg. Mit über 400 Mitarbeiter*innen
    www.awk.ch
                                                                           begleitet AWK die digitale Transformation von
    Zürich • Bern • Basel • Lausanne • Luxemburg                           Organisationen aus unterschiedlichsten Bran-
                                                                           chen von der Strategie bis zur Umsetzung und
    © Copyright 2021 – AWK Group AG
                                                                           ist mit den Technologien der Zukunft vertraut.
                                                                           Ihre Dienstleistungen erstrecken sich von der
                                                                           Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle über
                                                                           Data Analytics, Cyber Security und IT Advisory
                                                                           bis hin zum Management komplexer Transfor-
                                                                           mationsprojekte.

8
Sie können auch lesen