Die Beteiligung von Geheimdiensten an sicherheitsbehördlichen Verfahren
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KriPoZ 2 | 2018 109 Die Beteiligung von Geheimdiensten an sicherheitsbehördlichen Verfahren Grundsätzliche Überlegungen aus Anlass eines Vereinsverbots von Prof. Dr. Fredrik Roggan* Abstract Die Kooperation von Geheimdiensten mit Gefahrenab- „Rückfluss“ der neu generierten Informationen für die wehr-, Strafverfolgungs- und anderen Sicherheitsbehör- Zwecke des Verbotsverfahrens stellen sich die Fragen, ob den ist eine im Rechtsstaat nicht immer einfach zu bewäl- das BfV die ihm zur Auswertung überlassenen, personen- tigende Herausforderung. Das liegt nicht zuletzt daran, bezogenen Daten auch im Rahmen eigener Aufgabener- dass Geheimdienste über Informationen verfügen, die von füllung ohne weiteres nutzen und verarbeiten darf und Sicherheitsbehörden nicht selber erhoben werden dürften ggf. Unterlagen, die hierfür nicht mehr erforderlich sind, und überdies als nur eingeschränkt zuverlässig anzusehen zu vernichten hat.5 sind. Um eine „Kontamination“ von sicherheitsbehördli- chen Verfahren mit solchen Daten zu vermeiden, ist eine Diese Punkte berühren die ganz grundsätzlichen Fragen- ermittlungsbezogene Amtshilfeunfähigkeit von Geheim- komplexe, in welchem Verhältnis die (deutschen) Ge- diensten zu postulieren. heimdienste zu anderen Behörden stehen (II.), unter wel- chen Bedingungen ein Austausch personenbezogener Da- I. Zum Ausgangsfall ten aus Anlass eines sicherheitsbehördlichen Verfahrens erfolgen darf (III.) und schließlich, welche Auswirkungen Es erscheint auf den ersten Blick keineswegs abwegig, bei einer Beteiligung eines Geheimdienstes an einem si- dass sich eine Sicherheitsbehörde im Rahmen eigener cherheitsbehördlichen Verfahren zu gewärtigen sind Aufgabenwahrnehmung auch der Erkenntnisse solcher (IV.). Behörden bedient, die andere Aufgabenzuschnitte besit- zen. Durch eine interbehördliche Zusammenarbeit lassen II. Geheimdienste als Sicherheitsbehörden? sich neue Informationsstände generieren, die ohne eine solche Kooperation nicht zu erlangen wären. Freilich ist Nach § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG kann die Verbotsbehörde damit die ebenso grundsätzliche Frage nach dem rechtli- für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der chen Rahmen einer solchen Zusammenarbeit gestellt. öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behör- den und Dienststellen in Anspruch nehmen. Die Regelung Als Anschauungsobjekt soll ein im Jahr 2017 vom Bun- ist unproblematisch als Konkretisierung der allgemeinen desinnenministerium geführtes Vereinsverbotsverfahren Amtshilfeverpflichtung aufzufassen.6 Ebenso unproble- herangezogen werden, in dem die Auswertung von poli- matisch lassen sich die Polizei- und Ordnungsbehörden zeilicherseits sichergestellten Asservaten dem Bundesamt von Bund und Ländern als solche Hilfsbehörden einord- für Verfassungsschutz (im Folgenden: BfV) überantwor- nen. Um welche es sich hierbei im Einzelnen handelt, lässt tet wurde. Hierbei soll es sich nach journalistischen Re- sich den jeweils einschlägigen Polizei- und Ordnungsbe- cherchen um nichttechnische Unterlagen, also vor allem hördengesetzen entnehmen.7 Zeitschriften gehandelt haben.1 Damit stellt sich die Frage, ob das BfV – untechnisch gesprochen – als Dienst- Über diese der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ver- leister für die bereits tätige Verbotsbehörde eingesetzt pflichteten Stellen hinaus sollen nach einer in der Kom- werden durfte.2 Freilich müsste sich dann – so jedenfalls mentarliteratur durchaus verbreiteten Ansicht auch das die Rechtsauffassung der Bundesregierung – ohne weite- BfV und die Geheimdienste der Bundesländer als Hilfsbe- res feststellen lassen, dass im Rahmen des laufenden Ver- hörden in Anspruch genommen werden können.8 Dann einsverbotsverfahrens und unter Berücksichtigung der be- wären auch die (deutschen) Geheimdienste mit der Auf- reichsspezifischen Befugnisse und Aufgaben dieses Ge- gabe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betraut und heimdienstes eine entsprechende Beauftragung zulässig könnten in diesem Sinne als Sicherheitsbehörden – eine ist.3 Demzufolge wäre dieser dann verpflichtet, die Ver- Legaldefinition findet sich, soweit ersichtlich, lediglich in botsbehörde über die Ergebnisse der Asservatenauswer- Art. 6 LStVG – verstanden werden.9 Ein solches Ver- tung zu informieren.4 Unabhängig von einem solchen 7 * Der Verfasser ist Professor für Strafrecht an der Fachhochschule der Albrecht, in: Albrecht/Roggenkamp, § 4 Rn. 7. 8 Polizei des Landes Brandenburg, Oranienburg. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 1 Biermann, www.zeit.de/politik/deutschland/2017-12/indymedia- 2014, VereinsG, § 4 Rn. 6; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtli- linksunten-verbot-34c3/seite-2 (zuletzt abgerufen am: 22.2.2018). che Nebengesetze, 217. EL (Oktober 2017), VereinsG § 4 Rn. 4; 2 Vgl. dazu Unterreitmeier, GSZ 2018, 1 (3): „Informationsdienst- Albrecht, in: Albrecht/Roggenkamp, § 4 Rn. 7. 9 leister“. Zum Begriff ausf. Roggan, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Po- 3 BT-Drs. 19/352, S. 2 (Vorbemerkung der Bundesregierung). lizeirechts, 6. Aufl. (2018, im Erscheinen), Kap. C. Rn. 101; zu den 4 BT-Drs. 19/352, S. 2 (Antwort auf Frage 3). unterschiedlichen Sicherheitsbegriffen im Geheimdienst- und Poli- 5 Bejahend BT-Drs. 19/352, S. 2 f. (Antwort auf Frage 4). zeirecht vgl. Kutscha, Vorgänge 215 (3/2016), 78 ff. 6 BT-Drs. IV/430, S. 16; vgl. auch Albrecht, in: Albrecht/Roggen- kamp, Vereinsgesetz, 2014, § 4 Rn. 2 mwN.
110 KriPoZ 2 | 2018 ständnis kollidiert allerdings nicht nur mit der im sonsti- stellten Asservaten durch Geheimdienste im Rahmen ei- gen Schrifttum nicht nur vereinzelt vertretenen Auffas- nes Vereinsverbotsverfahrens jedenfalls nicht auf § 4 sung, nach der die Aufgabenzuschnitte von Geheimdiens- Abs. 1 S. 1 VereinsG gestützt werden. Gleichzeitig sind ten strikt von denjenigen der Sicherheitsbehörden unter- Geheimdienste jedenfalls im Sinne des Vereinsrechts schieden werden müssen,10 sondern auch mit der Recht- nicht als amtshilfefähig aufzufassen. sprechung des BVerfG: Nach letzterer obliegt lediglich den Polizei- und (anderen) Sicherheitsbehörden die Ver- III. Zu anderen Rechtsgrundlagen für eine Datenaus- hütung, Verhinderung und Verfolgung von Straftaten so- wertung wie die Abwehr von sonstigen Gefahren für die öffentli- che Sicherheit und Ordnung.11 Dass mit Blick auf Ge- Zu den Sicherheitsbehörden zählen neben den hier anlass- heimdienste nicht von Sicherheitsbehörden gesprochen bezogen interessierenden Vereinsverbotsbehörden – im werden sollte, folgt auch aus der im Jahr 2015 explizierten Anschluss an die bereits angeführte Rechtsprechung des Kodifizierung eines speziellen Rechtfertigungsgrundes BVerfG – auch die Polizeibehörden sowie nach richtiger für Verdeckte Mitarbeiter und V-Veute. Seitdem sind Ansicht auch die Strafverfolgungsbehörden.15 Soll im selbst schwere Straftaten solcher Personen, die bis hin zur Rahmen eines in einer solchen Behörde geführten Verfah- Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewaltta- rens, wozu neben einem Vereinsverbotsverfahren auch ten (§ 89a StGB) oder der Mitgliedschaft in terroristischen jede auf polizeirechtlicher oder strafprozessualer Grund- Vereinigungen (§ 129a StGB) reichen können, unter be- lage basierende Ermittlung zählen kann, eine Einbezie- stimmten Bedingungen nicht mehr strafbewehrt (vgl. § 9a hung geheimdienstlicher Erkenntnisse durch eine Aus- Abs. 2 S. 2 u. 3 BVerfSchG).12 Im Dienste von Geheim- wertung von Informationen,16 die in sichergestellten oder diensten stehenden Personen wird also etwas erlaubt, was beschlagnahmten Gegenständen gespeichert, in ihnen ver- die Angehörigen von Sicherheitsbehörden zu verhindern körpert oder sonst mit ihnen verbunden sind, erfolgen, so und zu verfolgen haben. Und schließlich spricht die Ge- kann dies in einem mehrschrittigen Verfahren erfolgen. In setzesbegründung gegen eine Einbeziehung von Geheim- einem ersten Schritt wären die Asservate, sinnvollerweise diensten in ein Vereinsverbotsverfahren. Hiernach er- mitsamt einem möglichst detaillierten Auswertungsersu- mächtigt § 4 Abs. 1 VereinsG die Verbotsbehörden zur chen,17 an den Geheimdienst zu übergeben. Schon hier Inanspruchnahme der „zuständigen Behörden“, und zwar stellt sich die Frage nach der entsprechenden Ermächti- „sowohl die der Ordnungsbehörden als auch die der Exe- gungsgrundlage (näher unter 2.). In einem zweiten Schritt kutivpolizei“.13 Von anderen staatlichen Institutionen ist würde die informationelle Auswertung der Asservate un- dort nicht die Rede. ter Berücksichtigung der geheimdienstseitig vorhandenen Informationsbestände in Dateien o. ä. erfolgen. In einem Insgesamt war die Einführung der hier interessierenden letzten, dritten Schritt könnten die hierdurch generierten Vorschrift von dem Gedanken getragen, dass das Vereins- Informationen der Sicherheitsbehörde zur dortigen recht im System des deutschen Rechts immer auch als Zweckverfolgung übergeben werden. Im Ansatz ließe „Sondergebiet des Rechts der allgemeinen Gefahrenab- sich ein solches Verfahren als Amtshilfe des Geheim- wehr“ bzw. des „Rechts der öffentlichen Sicherheit und dienstes zugunsten der Sicherheitsbehörde verstehen. Es Ordnung“ gegolten hat14 und es sich bei Verbotsbehörden wird aber zu zeigen sein, dass das überkommene Ver- mithin um Sicherheitsbehörden handelt. ständnis der Amtshilfe, wie es auch in Art. 35 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, an Grenzen stößt. Bei einer Gesamtschau lässt sich nach hier vertretener Auffassung mithin konstatieren, dass ein Vereinsverbot 1. Der rechtliche Rahmen einer Amtshilfe durch Geheim- ein rein sicherheitsbehördliches Verfahren meint, bei dem dienste die in § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG genannten Hilfsbehörden nicht nur entsprechend beauftragt, sondern jeweils auch Im verfassungsrechtlichen Verständnis handelt es sich bei mit Exekutivbefugnissen ausgestattet sein müssen. Mit einer Amtshilfe um die Hilfeleistung zwischen Behörden letzteren gehen umfassende Kontrollmöglichkeiten der unter Überwindung bestehender Kompetenz- und Zustän- Öffentlichkeit ebenso einher wie solche der Betroffenen, digkeitsgrenzen. Im Kern geht es dabei um einen ergän- die durch die speziellen Rechtsschutzmöglichkeiten (vgl. zenden Beistand, der eine Behörde einer anderen Behörde § 6 VereinsG) konkretisiert werden. Unvereinbar ist hier- leistet, um dieser die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu er- mit eine Einbeziehung solcher Stellen, denen polizeiliche möglichen oder zu erleichtern.18 Dieses Verständnis im- Befugnisse oder Weisungsbefugnisse explizit gesetzlich pliziert, dass es sich aus der Perspektive der hilfeleisten- verwehrt sind (§ 8 Abs. 3 1. Hs. BVerfSchG). Nach alle- dem kann die Auswertung von polizeilicherseits sicherge- 10 13 Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. BT-Drs. IV/430, S. 16. 14 (2016), S. 27; Poscher/Rusteberg, KJ 2014, 57 (62 ff.); Müller-Hei- BT-Drs. IV/430, S. 8. 15 delberg, FS Kutscha, 2013, S. 212; a.A. etwa Schenke, Polizei- und Näher Griesbaum/Wallenta, NStZ 2013, 369 ff. 16 Ordnungsrecht, 9. Aufl. (2016), S. 271; Warg, in: Dietrich/Eiffler, Zum Begriff Warg, in: Dietrich/Eiffler, S. 516. 17 Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 517; ders., Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. (2018), § 4 Die Polizei 2013, 200 (201). Rn. 31. 11 18 BVerfGE 133, 277 (327). Vgl. nur Erbguth, in: Sachs, GG, 7. Aufl. (2014), Art. 35 Rn. 10. 12 Ausf. dazu Roggan, GA 2016, 393 ff.; Scharmer, StV 2016, 323 (325 ff.); vgl. auch Bader, HRRS 2016, 293 ff.
Roggan – Geheimdienste und sicherheitsbehördliche Verfahren KriPoZ 2 | 2018 111 den Behörde um eine rein fremdnützige Tätigkeit han- der dem BfV keine polizeilichen Befugnisse oder Wei- delt.19 Damit korrespondiert eine fachliche Weisungsbe- sungsbefugnisse zustehen. Zu ersteren gehören allerdings fugnis,20 der sich die hilfeleistende Behörde zu unterwer- nicht allgemeine Ermittlungstätigkeiten, also etwa Infor- fen hat. In diesem Sinne bleibt die ersuchende Behörde mationsverarbeitungen (Auswertungen etc.),24 sondern „Herrin des Verfahrens“.21 vor allem die polizeilichen Standardmaßnahmen, die ggf. auch mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen sind (Iden- a) Geheimdienstliche Amtshilfe nach allgemeinen Grund- titätsfeststellungen, Freiheitsentziehungen, Durchsuchun- sätzen? gen etc.).25 Ein allgemeines Verbot einer „Ermittlungs- Amtshilfe“ zugunsten von Sicherheitsbehörden ergibt Auch wenn nach hier vertretener Auffassung ein amts- sich daraus mithin nicht. Lediglich in der umgekehrten hilfe-bezogener Ansatz bei der Kooperation in vereins- Konstellation, also einer Amtshilfe zugunsten eines Ge- rechtlichen Verbotsverfahren zu verwerfen ist, so ist da- heimdienstes, existiert ein solches in beschränkter Form mit noch keine Aussage dazu getroffen, wie sich dies in (§ 8 Abs. 3 2. Hs. BVerfSchG). Es ist deswegen nicht von anderen sicherheitsbehördlichen Verfahren darstellt, ob vornherein abwegig, von der Zulässigkeit von geheim- Geheimdienste also dort amtshilfefähig sein können. In dienstlicher Amtshilfe zugunsten von Sicherheitsbehör- methodischer Hinsicht wäre ein möglichst detailliertes den nach allgemeinen Amtshilfegrundsätzen auszuge- (Auswertungs-)Ersuchen an einen Geheimdienst zu rich- hen.26 ten. Dabei müsste die Sicherheitsbehörde die Verfahrens- herrschaft behalten und namentlich etwa die Einzelheiten b) Verfassungsrechtliche Begrenzungen des Auswertungsprozesses bis hin zur Auswertung ganz bestimmter Informationsbestände in Ausübung des ge- Einem solchen Vorgehen könnte jedoch höherrangiges nannten Weisungsrechts bestimmen können. Überdies Recht entgegenstehen. Damit gerät das Trennungsgebot hätte eine solche Beistandsleistung ausschließlich im zwischen Polizeibehörden und Geheimdiensten jedenfalls Sinne der Aufgabenwahrnehmung der Sicherheitsbehörde dann in den Focus, wenn ihm Verfassungsrang zuge- zu erfolgen. Hierin eingeschlossen wäre, dass alleine das schrieben wird. Der entsprechende Meinungsstreit ist an Recht der ersuchenden Behörde zu gelten hätte, nicht das- dieser Stelle nicht nachzuzeichnen,27 wurde durch die Ent- jenige des ersuchten Geheimdienstes. scheidung des BVerfG zur Anti-Terror-Datei28 allerdings auch nicht eindeutig entschieden.29 Immerhin ist in der In Ermangelung spezialgesetzlicher Regelungen hätten verfassungsgerichtlichen Judikatur aber anerkannt, dass bei einer solchen Vorgehensweise die allgemeinen Geheimdienste „nicht zur gezielten Erlangung von Zu- Grundsätze zur Amtshilfe zu gelten (§§ 4 ff. VwVfG). Als fallsfunden für nicht-nachrichtendienstliche Zwecke ein- Voraussetzung käme namentlich in Betracht, dass eine Si- gesetzt werden“ dürfen.30 Daraus lässt sich ein verfas- cherheitsbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben auf sungsrechtlich verankertes Verbot ableiten, dass die exis- die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbe- tierenden Eingriffsbefugnisse von Sicherheitsbehörden – kannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann (§ 5 namentlich von Strafverfolgungs- und Polizeibehörden – Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). In den Blick gerieten damit Infor- nicht umgangen werden dürfen.31 Damit ist ein „Hand- mationen auf der Seite eines Geheimdienstes, die bei- lungsverbund“ der hier interessierenden Behörden mit spielsweise eine Polizei- oder Strafverfolgungsbehörde dem Grundgesetz nicht vereinbar.32 qua eigener Datenerhebungsbefugnisse nicht zu erlangen imstande wäre. Damit ist die Auffassung, nach der eine geheimdienstliche Amtshilfe grundsätzlich zulässig ist und das Trennungs- Freilich dürfte einer geheimdienstlichen Amtshilfe kein – gebot lediglich verlangt, dass ein Geheimdienst nicht im insbesondere: explizites – gesetzliches Verbot entgegen- Wege einer Amtshilfe sog. „nachrichtendienstliche Mit- stehen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). Dabei müsste sich die tel“ einsetzen darf,33 abzulehnen. Vielmehr ist ein zielge- Unzulässigkeit einer Amtshilfe aus dem für die ersuchte richtetes Zusammenwirken anlässlich sicherheitsbehörd- Behörde geltenden Recht ergeben.22 Wenn und solange licher Aufgabenerfüllung unter Inanspruchnahme von ge- Geheimdienste aber weitergehende Datenerhebungs- und heimdienstlicher Amtshilfe grundsätzlich zu verwerfen. Verarbeitungsbefugnisse als Sicherheitsbehörden besit- Damit sind nicht nur eine „Auswertungsamtshilfe“, wie zen,23 so können sich insoweit aus dem Geheimdienst- sie in dem eingangs beschriebenen Verfahren geleistet recht schon logisch keinerlei Beschränkungen ergeben. wurde, unzulässig, sondern auch andere Unterstützungs- Allenfalls könnte die einfachgesetzliche Bestimmung des leistungen für Sicherheitsbehörden (wie etwa Observati- § 8 Abs. 3 1. Hs. BVerfSchG herangezogen werden, nach ons- oder „Fahndungsamtshilfen“34). Verallgemeinernd 19 27 Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 4 Rn. 35. Vgl. statt vieler nur Kutscha, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum 20 Erbguth, in: Sachs, Art. 35 Rn. 18. Recht der Inneren Sicherheit, 2. Aufl. (2006), S. 80 f. 21 28 Zuletzt BVerwG, NJW 2018, 716 (718). BVerfGE 133, 277 (329): „informationelles Trennungsprinzip“. 22 29 Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 5 Rn. 15. Dazu etwa Will, in: FG Schlink, 2014, S. 434; krit auch Arzt, NVwZ 23 Vgl. BVerfGE 133, 277 (325). 2013, 1328 ff. 24 30 Gusy, in: Dietrich/Eiffler, S. 371 f. BVerfGK 18, 193 (208). 25 31 Vgl. nur BVerfGK 18, 193 (208); Götz/Geis, Allgemeines Polizei- Vgl. Bergemann, in: Lisken/Denninger, Kap. H Rn. 121. 32 und Ordnungsrecht, 16. Aufl. (2017), S. 177 („polizeitypische Ein- Zöller, in: Roggan/Kutscha, S. 499. 33 griffe in Freiheit und Eigentum“). Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BVerfSchG, § 8 Rn. 51. 26 34 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, Bergemann, in: Lisken/Denninger, Kap. H Rn. 121 unter Hinweis 2014, BVerfSchG § 8 Rn. 51. auf Lisken, NJW 1982, 1481 (1487).
112 KriPoZ 2 | 2018 ist nach hier vertretener Auffassung eine generelle Amts- können. Besonders deutlich wird dies bei den Pflichtüber- hilfeunfähigkeit von Geheimdiensten im Rahmen von si- mittlungen nach § 18 Abs. 1 lit. b BVerfSchG, die ein ob- cherheitsbehördlicher Aufgabenwahrnehmung anzuneh- ligo für bestimmte Behörden zur Informationsübermitt- men, soweit hiermit Eingriffe in die Belange von Be- lung an Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der troffenen oder eine Vertiefung von (Informations-)Ein- Länder nur dann begründet, wenn tatsächliche Anhalts- griffen einhergehen. Davon abgesehen erscheint es schon punkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Er- faktisch wenig nahe liegend, dass ein Geheimdienst sich füllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde – zu einer umfänglichen sicherheitsbehördlichen Verfahrens- Grunde zu legen ist hierbei das entsprechende Verständnis herrschaft unterwerfen könnte. des BVerfG37 – erforderlich ist. Ein anderes Verständnis dieser Übermittlungsregelungen würde gleichsam einen 2. Einschlägigkeit der Regelungen zur Datenübermitt- Eingriff in nicht-geheimdienstliche Regelungsregime im- lung? plizieren. Tragfähig erscheint allenfalls, das genannte Vorgehen als Bestätigt wird dieser Befund bei den Ermessensübermitt- wechselseitiges (Daten-)Übermittlungsverfahren zu be- lungen: § 18 Abs. 2 BVerfSchG setzt eine Entscheidung handeln.35 Voraussetzung hierfür ist freilich, dass die Vo- einer Sicherheitsbehörde über das „Ob“ voraus und knüpft raussetzungen der spezifischen Übermittlungsregelungen die Übermittlung von bekanntgewordenen Informationen eingehalten werden. Dabei erscheint es jedenfalls im An- an tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Übermitt- satz nicht ausgeschlossen, dass sich die Übergabe von po- lung – wiederum – für die Erfüllung der Aufgabe der emp- lizeilicherseits sichergestellten oder beschlagnahmten As- fangenden Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. servaten zwecks Auswertung als Übermittlung von Infor- Auch diese Ermächtigung dient nach ihrem Wortlaut ein- mationen an das BfV – und dies auch unabhängig von ei- deutig nicht der sicherheitsbehördlichen Aufgabenwahr- nem Vereinsverbot – darstellen kann und demzufolge die nehmung. Damit ist festzustellen, dass de lege lata eine Übermittlungsvorschriften des § 18 BVerfSchG einschlä- Befugnis zur Übermittlung von Informationen an Ge- gig sein können.36 heimdienste im Dienste eines sicherheitsbehördlichen Verfahrens nicht existiert. Das eingangs geschilderte Vor- Ein erster, genauerer Blick zeigt freilich bereits, dass diese gehen ist damit schon in seinem ersten Schritt unter kei- Regelungen ausschließlich die Übermittlung von bekannt- nem rechtlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen und daher gewordenen Tatsachen (§ 18 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG) rechtswidrig. oder auch bekanntgewordenen Informationen einschließ- lich personenbezogenen Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG) zum 3. Zu weiteren Annahmen der Bundesregierung Gegenstand haben. Sämtliche Begrifflichkeiten meinen schon vom natürlichen Wortsinn her lediglich Immateri- Unabhängig von letztgenannter Wertung sollen auch die elles, also Inhalte bzw. Bedeutungshaltiges, nicht die ent- weiteren Schritte des hier interessierenden Vorgehens ei- sprechenden Träger, soweit dieselben nicht bloße Instru- ner Würdigung unterzogen werden. Dies soll wiederum mente eines Transports sind. Deshalb kann eine CD, ein mit Blick auf die öffentlich geäußerten Annahmen der USB-Stick oder beliebiger Datenträger, auf dem sich die Bundesregierung erfolgen. Bei der Auswertung von poli- kopierten Informationen aus einem sichergestellten PC zeilicherseits sichergestellten oder beschlagnahmten As- o.ä. befinden, an einen Geheimdienst übergeben werden servaten durch eine Verfassungsschutzbehörde in einem und die Tatsachen und Informationen (als Daten) auf diese sicherheitsbehördlichen Verfahren handelt es sich um den Weise übermittelt werden. Nicht gedeckt von den Rege- zweiten Schritt, der sich unproblematisch als Erhebung lungen wäre es hingegen, ein sicherheitsbehördlich si- von Daten sowie ihre Verarbeitung und Nutzung im Sinne chergestelltes Asservat weiterzureichen. Das ergibt sich des allgemeinen Datenschutzrechts verstehen lässt.38 schon daraus, dass hiermit ein zumindest vorübergehen- der Verlust der Herrschaft über eben dieses Beweismittel Nach Ansicht der Bundesregierung bestimmt sich die Er- seitens der Sicherheitsbehörde verbunden wäre. Einen hebung, Verarbeitung und Nutzung in hier interessieren- solchen Verzicht sieht weder eine polizeirechtliche, straf- dem Rahmen nach § 8 Abs. 1 BVerfSchG.39 Schon damit prozessuale oder andere sicherheitsrechtliche Regelung freilich wird – wenn auch nicht explizit – bestätigt, dass vor. Damit haben Asservate in körperlicher Hinsicht – „im die gesamte Beteiligung des Geheimdienstes nicht einmal Original“ – in der Sphäre der Sicherheitsbehörden zu ver- eine Amtshilfe-Ähnlichkeit aufweist, wie an anderer bleiben. Stelle durch den Verweis auf § 4 Abs. 1 VereinsG aber suggeriert wird, denn dieser Umgang mit den Informatio- Ein weiterer, näherer Blick zeigt überdies, dass die Rege- nen erfolgt nach § 8 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG in geheim- lungen von § 18 BVerfSchG sämtlich der Sicherung der dienstlicher, mithin nicht fremder Aufgabenerfüllung. Aufgabenerfüllung der Geheimdienste dienen und demzu- Eine Bestätigung dieses Befundes erfolgt dadurch, dass folge nicht als Befugnisnormen im Rahmen der sicher- die Bundesregierung von einer Verpflichtung zur Lö- heitsbehördlichen Aufgabenerfüllung verstanden werden schung von Unterlagen ausgeht, die für die Erfüllung der Aufgaben des BfV nicht erforderlich sind.40 Diese werden 35 38 Ebenso Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 178. Vgl. dazu nur Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BVerfSchG, § 8 36 So BT-Drs. 19/352, S. 2 (Antwort auf Frage 1). Rn. 5 ff. 37 39 BVerfGE 133, 277 (325 ff.). BT-Drs. 19/352, S. 2 (Antwort auf Frage 4). 40 BT-Drs. 19/352, S. 3 (Antwort auf Frage 4).
Roggan – Geheimdienste und sicherheitsbehördliche Verfahren KriPoZ 2 | 2018 113 dem weiteren sicherheitsbehördlichen Verfahren damit Hinsicht – prekäre Informationen kontaminiert würden. entzogen und damit gleichsam der Beweis erbracht, dass Deshalb ist die Zuverlässigkeit von geheimdienstlichen insoweit die Herrschaft über das Verfahren auf den Ge- Informationsbeständen zu thematisieren. heimdienst übergegangen sein muss. Wurden Asservate „im Original“ an den Geheimdienst übergeben, gingen da- IV. Exkurs: Zur „Zuverlässigkeit“ von geheimdienst- mit ggf. auch Spurenträger im kriminalistischen Sinne lichen Informationsbeständen ganz oder teilweise verloren. Kooperationen zwischen Sicherheitsbehörden sind nicht Weiterhin erfährt die Erkenntnis, dass die um Unterstüt- nur in gegenständlichen Konstellationen (zumindest) zung ersuchende Behörde das von ihr zuvor beherrschte denkbar, sondern werden im Rahmen einer dateimäßigen Verfahren „in die Hände“ des Geheimdienstes abgibt, Zusammenarbeit bereits praktiziert (Anti-Terror-Datei, durch diejenigen Daten eine Manifestation, die für eine Rechtsextremismus-Datei …) und haben, sofern eine sol- (Rück-)Übermittlung an eine Sicherheitsbehörde in Be- che im Schwerpunkt auf die Anbahnung von Übermitt- tracht kommen. Es handelt sich ausschließlich um solche, lungsersuchen gerichtet ist, auch eine verfassungsgericht- die von Interesse für eine geheimdienstliche Aufgabener- liche Billigung erfahren.42 Hier wie dort ist aber nicht aus füllung sind. Angesprochen ist hiermit schließlich der dem Blick zu verlieren, dass Geheimdienste Datenerhe- dritte Schritt, also die Übermittlung der Auswertungser- bungen nicht unter denselben tatsächlichen wie rechtli- gebnisse an eine Sicherheitsbehörde. Die Bundesregie- chen Bedingungen vornehmen, wie das von solchen Be- rung ist diesbezüglich – freilich in falscher Annahme ei- hörden erwartet wird, deren Tätigkeit auf öffentlich zu nes amtshelfenden Charakters der Auswertung der Asser- führende, möglichst effektiv zu kontrollierende (insbeson- vate durch das BfV – der Auffassung, dass in einem Ver- dere auch gerichtliche) Verfahren gerichtet ist. Wenn aber einsverbotsverfahren das BfV die Verbotsbehörde über geheimdienstliche Informationen in irgendeiner Weise die Ergebnisse einer Asservatenauswertung zu informie- Auswirkungen auf solche Verfahren haben oder haben ren habe.41 Auch dies wäre nur dann zutreffend, wenn eine können, so ist deren – im weiteren Sinne – „Belastbarkeit“ solche Verpflichtung eine gesetzliche Grundlage besäße. zu hinterfragen. Indessen sind Übermittlungsverpflichtungen für deutsche Geheimdienste auch mit Blick auf empfangende Behör- In sicherheitsbehördlichen Verfahren sind Informationen den eng beschränkt (ausschließlich Staatsanwaltschaften auf der Grundlage verfassungsgemäßer Ermächtigungs- und Polizeien) und bestehen de lege lata lediglich in Fäl- grundlagen rechtmäßig zu erlangen, sollen inhaltlich rich- len von tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Über- tig sein und stellen in diesem Sinne „zuverlässige“ Infor- mittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von bestimm- mationsbestände dar. Die auch vom BVerfG genutzte ten Staatsschutzdelikten erforderlich ist (vgl. § 20 Abs. 1 Wendung von der „Zuverlässigkeit“ ist eine Wertung, die BVerfSchG). beispielsweise hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit in einem Strafverfahren über die Frage der Rechtmäßigkeit einer 4. Zwischenergebnis: Keine rechtlichen Grundlagen für Informationserlangung hinausgeht. Sie kann dort den die Einbeziehung von Geheimdiensten Grundsatz der materiellen Wahrheit berühren,43 weil in diesem Sinne unzuverlässige Informationen ihre Ermitt- Nach alledem ist festzustellen, dass Geheimdienste nicht lung zu beeinträchtigen vermag. um Amtshilfe in sicherheitsbehördlichen Verfahren er- sucht werden dürfen. Weder ist dies in vereinsrechtlichen Mit Blick auf verfassungsrechtliche Grundsätze sind In- Verfahren – dort wegen der expliziten Beschränkung auf formationen, die etwa durch das BfV auf der Basis von Ordnungsbehörden und „Exekutivpolizei“ – noch in § 8 Abs. 2 i.V.m § 9 BVerfSchG erhoben wurden (und staatsanwaltschaftlichen, polizeilichen oder sonstigen si- werden), als grundsätzlich prekär einzustufen. Hiernach cherheitsbehördlichen Verfahren nach allgemeinen Re- darf das BfV Methoden, Gegenstände und Instrumente zur geln der Amtshilfe zulässig. Generalisierend ist von der heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Amtshilfeunfähigkeit von Geheimdiensten in sicherheits- Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, behördlichen Verfahren auszugehen, sofern hiermit neue Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarn- Grundrechtseingriffe bewirkt oder bereits erfolgte vertieft kennzeichen anwenden. Diese Methoden sind in einer (ge- werden. Auch im Übrigen zeigt ein Blick auf die Über- heim gehaltenen44) Dienstvorschrift zu benennen, die mittlungsregelungen im Geheimdienstrecht, dass diese auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Infor- mit einer „Zuarbeit“ für fremde Verfahren unvereinbar mationsbeschaffungen regelt.45 Die Vorschrift erfüllt sind und daher ebenso wenig herangezogen werden kön- nicht einmal die Mindestanforderungen an eine Norm, die nen. Mit diesem Ergebnis ist freilich noch keine Aussage zu eingriffsintensiven Datenerhebungen berechtigt.46 dazu getroffen, ob solche Möglichkeiten de lege ferenda Über solche Bedenken hinaus ist in rechtspolitische Über- nicht eingeführt werden könnten oder sollten. Das wäre legungen einzustellen, dass die Geheimdienste personen- aber nur dann zu befürworten, wenn sicherheitsbehördli- bezogene Daten auch im Zuge der Begehung schwerer, al- che Verfahren hierdurch nicht durch – in verschiedener lerdings gerechtfertigter Straftaten (der Mitgliedschaft in 41 44 BT-Drs. 19/352, S. 2 (Antwort auf Frage 3). Krit. dazu Hefendehl, GA 2011, 209 (212). 42 45 BVerfGE 133, 277 (320 f., 322 f., insbes. 329 ff., 339, 353 f., 356, Näher dazu Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BVerfSchG, § 8 Rn. 364 und 369); vgl. dazu Hörauf, NVwZ 2015, 181 (185). 44 ff. 43 46 Vgl. dazu nur Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. Ausf. dazu Roggan, in: GS Weßlau, 2016, S. 275 f. (2017), S. 379 f.
114 KriPoZ 2 | 2018 terroristischen Vereinigungen o.ä.) erheben dürfen (vgl. Verfolgung von Straftaten mitwirkten. Entsprechendes § 9a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG). Ein solches Vorgehen47 ist lässt sich jedoch weder den gesetzlichen Aufgabenbe- Sicherheitsbehörden – namentlich nach Strafverfahrens-48 schreibungen noch den Befugnisregelungen des Geheim- und Polizeirecht49 – kategorisch untersagt. Hieran ist dienstrechts entnehmen. Motiviert könnten diese Zu- schon aus rechtsethischen Gründen festzuhalten, weil an- schreibungen durch eine gewollte Aufwertung der Ge- dernfalls die gravierende Gefahr bestände, dass der heimdienste im Behördengefüge sein. Indessen sehen die Rechtsstaat durch die Beteiligung von Amtsträgern an einschlägigen Regelungen des Geheimdienstrechts gerade Straftaten seine Autorität einbüßte.50 keine bedingungslose Pflicht zur Übermittlung von sämt- lichen55 Informationen, die von Gefahrenabwehr- oder Neben solchen rechtlichen Bedenken gegen die Grundla- Strafverfolgungsbehörden für die dortigen Belange gen der geheimdienstlichen Informationserhebung sind dienstbar gemacht werden könnten, vor. Eine Übermitt- aber auch tatsächliche Einschränkungen der Zuverlässig- lung unterbleibt selbst in Fällen einer grundsätzlichen keit geheimdienstlicher Informationsbestände zu berück- Übermittlungspflicht nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG56 dann, sichtigen: Wegen der sich von sicherheitsbehördlicher wenn „überwiegende Sicherheitsinteressen“ eines Ge- Aufgabenerfüllung grundlegend unterscheidenden Ziel- heimdienstes dies erfordern (vgl. § 23 Nr. 2 BVerfSchG). richtung geheimdienstlicher Informationsbeschaffungen Diese Sicherheitsinteressen zielen insbesondere darauf, gelten für letztere (ggf. wesentlich) schwächer ausgebil- die verdeckte Arbeit und ihre Methoden vor Entdeckung dete Zuverlässigkeitskriterien. Mit Blick auf die sog. On- zu schützen.57 Dabei soll der Schutz „geheimer Mitarbei- line-Durchsuchungen etwa konstatiert das BVerfG mit ter“ vor einer Enttarnung „absolute Priorität“ genießen.58 Blick auf eine entsprechende Datenerhebungsbefugnis, Beispielsweise ist es nicht ausgeschlossen, dass dem dass an deren Eignung zur Zweckerreichung jedenfalls Schutz einer besonders wertvollen Quelle der Vorrang nicht deswegen zu zweifeln ist, weil möglicherweise der eingeräumt wird vor der Information der Polizei über den Beweiswert der Erkenntnisse, die mittels einer solchen Aufenthaltsort von per Haftbefehl gesuchten Personen59 Maßnahme gewonnen werden, begrenzt ist.51 Umgekehrt oder auch anderweitig eine Behinderung von polizeilichen bedeutet dies, dass angesichts der andersartigen Aufga- Ermittlungen bewirkt wird.60 In der Vergangenheit führ- benstellungen der Geheimdienste grundsätzlich geringere ten Geheimhaltungsbelange gar zur Vereitelung der justi- Anforderungen an die Zuverlässigkeit ihrer Informations- ziellen Aufarbeitung von Tötungsverbrechen.61 beschaffungen gestellt werden können, als das in sicher- heitsbehördlichen Verfahren der Fall ist.52 Deshalb sollten Erst das Strafrecht kann nach unbestrittener Auffassung62 auf hier in Rede stehende Beteiligungen von Geheim- den ggf. umfassenden Geheimhaltungsinteressen im Ein- diensten zukünftig vollständig verzichtet werden. zelfall Grenzen setzen: Die Strafbarkeit wegen der Nicht- anzeige geplanter (einzeln bestimmter) Straftaten (vgl. V. Rechtspolitischer Schluss § 138 StGB) gilt auch für Geheimdienstmitarbeiter. Es ist mithin erst das Strafrecht, das gewissermaßen „von au- Auf politischer Ebene scheinen Bestrebungen zu existie- ßen“ auf die Arbeit von Geheimdienstmitarbeitern ein- ren, die den deutschen Geheimdiensten eine von den ge- wirkt und eben nicht eine Verpflichtung für eine Behörde setzlichen Rahmenbedingungen abweichende Rolle in der begründet,63 sondern einen Normappell an wissende Indi- Sicherheitsarchitektur zuweisen wollen. Dies wird nicht viduen richtet. Die zwingende Verhinderung oder die Er- zuletzt durch den häufig verwandten Begriff der Sicher- möglichung der Verfolgung von schweren Straftaten ist in heitsbehörden unterschiedslos für Strafverfolgungs- und diesem Sinne nicht geheimdienstrecht-genuin, sondern Gefahrenabwehrbehörden unter Einschluss der Geheim- strafrechtlich aufoktroyiert. dienste offenbar.53 Mit dem Behaupten eines „Wirkungs- verbundes“54 zwischen sämtlichen genannten Akteuren Die Erwartungen an die Mitwirkung von Geheimdiensten kann sodann die Erwartung verknüpft werden, dass die an „Sicherheitsproduktion“ sollten damit insgesamt nicht Geheimdienste umfassend an der Verhinderung von (auch überspannt werden. schweren) Störungen der öffentlichen Sicherheit und der 47 54 Nach BT-Drs. 19/406, S. 2 (Antwort auf Frage 1) selbst in quantita- So etwa in der Einladung zum „2. Symposium zum Recht der Nach- tiver Hinsicht geheimhaltungsbedürftig. richtendienste“, www.bmi.bund.de/SharedDocs/termine/DE/veran- 48 Vgl. nur Günther, in: MüKo-StPO, 2014, § 110c Rn. 39: „allumfas- staltungen/nd-symposium/tagungsflyer.pdf?__blob=publication- send“; Hauck, in: LR-StPO, 26. Aufl. (2014), § 110c Rn. 8; Eschel- File&v=3 (28.2.2018). 55 bach, in: SSW-StPO, 3. Aufl. (2018), § 110c Rn. 10; Schmitt, in: Näher Bergemann, in: Lisken/Denninger, Kap. H Rn. 112. 56 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. (2017), § 110c Rn. 4. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 543; 49 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. (2017), S. 115; wohl Siems, in: Dietrich/Eiffler, S. 1470; Warg, Die Polizei 2013, 200 auch Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. (204); a.A. Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BVerfSchG, § 20 (2016), S. 255 f.; Hornmann, HSOG, 2. Aufl. (2008), § 16 Rn. 25; Rn. 1 („Opportunitätsprinzip“). 57 a.A. Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. (2012), Vgl. etwa Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BVerfSchG, § 23 Rn. S. 198: „kleinere Straftaten“ zum Schutz einer Legende. 6; Siems, in: Dietrich/Eiffler, S. 1444; Warg, Die Polizei 2013, 200 50 Wolter/Jäger, in: SK-StPO, 5. Aufl. (2016), § 110c Rn. 9; vgl. auch (205). 58 OLG Düsseldorf, NStZ 2013, 590 (592). Droste, S. 554. 51 59 BVerfGE 120, 274 (321). Krit. dazu Kutscha, NVwZ 2013, 324 (327). 52 60 Mit Blick auf Strafverfahren Roggan, in: GS Weßlau, S. 277. BT-Drs. 17/14600, S. 884 (NSU-Komplex). 53 61 Besonders deutlich Warg, in: Dietrich/Eiffler, S. 519: „Nachrichten- LG Berlin, StV 1991, 371 ff.; dazu Remé, Bürgerrechte & Poli- dienste als Gefahrenabwehrbehörden“; Unterreitmeier, GSZ 2018, zei/CILIP 39 (2/1991), 72 ff 62 1 (3 ff.); vgl. auch Masing, GSZ 2018, 6. Nachweise bei Bergemann, in: Lisken/Denninger, Kap. H Rn. 117c. 63 So aber Droste, S. 544.
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