Kurzarbeit und Qualifizierung - ARBEITSRECHT - ZKF
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ARBEITSRECHT Kurzarbeit und Qualifizierung mit den coronabedingten Krisen-Kurzarbeitergeldregelungen Juli 2021 | www.vhu.de Ein Leitfaden für Mitglieder
Leitfaden Kurzarbeit Impressum © Erscheinungsdatum Juli 2021 VhU Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. Emil-von-Behring-Straße 4, 60439 Frankfurt am Main Telefon +49 69 95808-0 Telefax +49 69 95808-126 info@vhu.de www.vhu.de Ansprechpartner: Peter Hampel, Marius Naser Bearbeitet von: Martina Zilch, Dr. Stefan Hoehl, Prof. Dr. Franz-Josef Rose, Sebastian Kühnel, Marius Naser Dieser Leitfaden ist mit großer Sorgfalt erstellt worden. Er ersetzt gleichwohl die Beratung im Einzelfall nicht. Mit der Bitte um Verständnis wird darauf hingewiesen, dass keinerlei Haftung übernommen wird.
Leitfaden Kurzarbeit Diese Leitfäden sind bisher erschienen: Die Einigungsstelle (Mai 2021) Der Einsatz von Mitarbeitern in Europa (EU, EWR und der Schweiz) (April 2021) Weiterbildung von Beschäftigten – Staatliche Förderinstrumente (Januar 2021) Sozialversicherungsrechtliche Fragen bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses (Dezember 2020) EU-Whistleblower-Richtlinie – Neue Anforderungen an Unternehmen (Dezember 2020) Geschäftsgeheimnisschutzgesetz (November 2020) Betriebsänderung Leitfaden Teil 3 – Betriebsbedingte Kündigung (Oktober 2020) Betriebsänderung Leitfaden Teil 2 – Massenentlassungsverfahren (September 2020) Betriebsänderung Leitfaden Teil 1 – Rechtliche Grundlagen (September 2020) Künstliche Intelligenz – Rechtliche Aspekte (August 2020) Insolvenz und Arbeitsbedingungen (Juli 2020) Beschäftigung Älterer – Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte (Mai 2020) Personalkostenoptimierung (März 2020) Vertragsgestaltung bei Datennutzungsverträgen (November 2019) Die Personalakte in der digitalen Arbeitswelt (September 2019) Der Einsatz von Mitarbeitern in Europa (August 2019) Modernes Recruiting – Rechtliche Aspekte (März 2019) Verhandlungsmanagement (Februar 2019) Betriebsrentenstärkungsgesetz (Oktober 2018) IT-Verträge rechtssicher gestalten (April 2018) Arbeitsrechtliche Aspekte der Digitalisierung (April 2018) Arbeitsschutz: betriebliche Praxis (November 2017) Betriebsratswahlen 2018 (Oktober 2017) Datenschutz im Unternehmen (Oktober 2017) F+E Verträge zwischen Unternehmen und Hochschulen (September 2017) Arbeitsschutz: der Rechtsrahmen (September 2017) ii
Leitfaden Kurzarbeit Rechtsänderungen ab 01.01.2021 gegenüber der Vorauflage (22.06.2020) Verlängerung der erleichterten Zugangsvoraussetzungen zu Kurzarbeitergeld (10 % statt ein Drittel betroffener Arbeitnehmer, kein Aufbau negativer Arbeitszeitsalden, Öffnung für Zeitarbeit) bis 31.12.2021, sofern Kurzarbeit bis zum 30.09.2021 begonnen wird (3. Kurzarbeitergeld-Änderungs- Verordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821) Verlängerung der vollen pauschalierten Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bis 30.09.2021 (3. Kurzarbeitergeld-Änderungs-Verordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821) Hälftige pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge vom 01.10.2021 bis 31.12.2021, sofern die Kurzarbeit bis zum 30.09.2021 eingeführt wurde (3. Kurzarbeitergeld-Änderungs-Verord- nung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821) Befristete Erstattung der (weiteren) Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge, sofern eine Weiterbil- dung nach § 106a SGB III n. F. durchgeführt wird (Beschäftigungssicherungsgesetz vom 03.12.2020, BGBl I, 2691). Befristete Steuerfreiheit von in der Höhe begrenzten Arbeitgeber-Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld verlängert für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29.02.2020 beginnen und vor dem 01.01.2022 enden (Jahressteuergesetz 2020 vom 21.12.2020, BGBl I, 3096) Verlängerung der Zahlungsfrist für steuerfreie Arbeitgeber-Beihilfen bis 1.500 Euro bis 31. März 2022 (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz v. 02.06.2021, BGBl I, 1259) Anrechnungsfreiheit von Nebeneinkünften vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 beschränkt auf Hinzu- verdienste aus „450-Euro-Minijobs“ (§ 421c Abs. 1 SGB III n. F, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) Befristete Verlängerung des Kurzarbeitergelds auf bis zu 24 Monate bei Beginn bis 31.12.2020, längstens bis 31.12.2021 (2. Kurzarbeitergeldbezugsdauerverordnung – 2. KugBeV vom 12.10.2020) Erhöhung des Kurzarbeitergelds in zwei Stufen ab dem 4. und dem 7. Monat verlängert bis 31.12.2021, sofern Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.03.2021 entstanden ist (§ 421c SGB III n. F.) iii
Leitfaden Kurzarbeit Vorwort Mit Kurzarbeitergeld fördert die Arbeitsagentur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Zeiten des vorübergehenden Arbeits- und Entgeltausfalls. Unter Einbeziehung des Kurzarbeitergelds kann es für den Arbeitgeber wirtschaftlich vertretbar sein, trotz Arbeitsausfalls an den Beschäftigten fest- zuhalten. Bei Rückkehr zur vollen Arbeitsauslastung besteht dann der große Vorteil, dass die ein- gearbeiteten Arbeitskräfte sofort zur Verfügung stehen. Der vorliegende verbandliche Leitfaden will eine erste Orientierungshilfe in der komplexen Materie sein und praxisrelevante Fragen der Kurzarbeit aufarbeiten. Die engen Verzahnungen von Sozial- recht und Arbeitsrecht werden dabei berücksichtigt. Er berücksichtigt die Gesetzeslage zum 21. Juni 2021 sowie die bis dahin ergangene Rechtsprechung. Die maximale Bezugsdauer des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes beträgt regelmäßig 12 Monate (§ 104 Abs. 1 SGB III) und kann vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bei Vorlie- gen außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem gesamten Arbeitsmarkt auf bis zu 24 Monate verlän- gert werden. Nachdem das BMAS die Bezugsdauer zunächst auf max. 21 Monate bis zum 31.12.2020 verlängert hatte erfolgte eine weitere Verlängerung auf insgesamt maximal 24 Monate bis längstens 31.12.2021, sofern die Kurzarbeit bis zum 31.12.2020 begonnen wurde (2. KugBeV vom 12.10.2020). Der Leitfaden berücksichtigt die Verlängerung des coronabedingt eingeführten Krisen-Kurzarbeiter- gelds: Durch die 3. Kurzarbeitergeld-Änderungsverordnung der Bundesregierung vom 17.06.2021, werden die Voraussetzungen bis zum 31.12.2021 weiter wesentlich erleichtert, wenn bis zum 30.09.2021 Kurzarbeit eingeführt wurde: nur 10 % der Arbeitnehmer eines Betriebs müssen vom Arbeitsausfall mit Entgeltausfall von mehr als 10 % betroffen sein; der Aufbau negativer Arbeits- zeitsalden wird nicht verlangt; Zeitarbeitnehmer werden vorübergehend in die Kurzarbeitergeldrege- lungen einbezogen. Die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge an den Arbeitgeber ab dem 1. Monat wird ver- längert bis zum 30.09.2021. Danach und bis zum 31.12.2021 erhält der Arbeitgeber nur noch eine 50-%-ige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge, wenn bis zum 30.09.2021 Kurzarbeit einge- führt wurde (3. Kurzarbeitergeld-Änderungsverordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821). Im Zuge der Neufassung des § 106a SGB III durch das Beschäftigungssicherungsgesetz vom 03.12.2020 (BGBl I, 2691) kann der Arbeitgeber eine Erstattung weiterer 50 % der Sozialversiche- rungsbeiträge – und damit insgesamt eine volle Erstattung – erhalten, wenn Arbeitnehmer bestimmte Qualifizierungsmaßnahmen durchführen (§ 106a SGB III n. F.). Allerdings verbleiben beim Arbeitgeber auch bei einer vollständigen Erstattung der Sozialversiche- rungsbeiträge noch Kosten durch die Kurzarbeit, weil er Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Feiertage, Sonderzahlungen und Betriebliche Altersvorsorge weiter finanzieren muss. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes wurde durch das Beschäftigungssicherungsgesetz verlängert: Vom 4. und vom 7. Monat an in zwei Stufen auf 70 und 80 % (für Eltern 77 und 87 %) bis Ende 2021 (§ 421c SGB III n. F.), wenn der Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2021 entstanden und das Arbeitsentgelt um mindestens die Hälfte reduziert ist. Ergänzt wurde der Leitfaden um einen Abschnitt zu „Kurzarbeit und Qualifizierung“. Ab dem 1. Ja- nuar 2021 befristet bis zum 31. Juli 2023 gelten nach § 106a SGB III n. F. vereinfachte Regelungen zur Förderung der Weiterbildung während Kurzarbeitergeldbezug. Neben der 50-%-igen Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen können bestimmte Lehrgangskosten während des Bezugs von Kug durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet werden. Die anteilige Erstattung der Lehrgangs- kosten ist je nach Betriebsgröße gestaffelt. iv
Leitfaden Kurzarbeit Dieser Leitfaden ist in Kooperation mit HESSENMETALL entstanden. Die Autoren sind für Hinweise, Ergänzungsvorschläge und Kommentare zur Verbesserung des Leitfadens dankbar. Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich auf alle Geschlechter. Frankfurt, im Juli 2021 Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. Dirk Pollert Marius Naser © Alle Rechte bei VhU v
Leitfaden Kurzarbeit A. Vorüberlegungen zur Kurzarbeit ......................................................................................... 1 Ziel und Zweck des Kurzarbeitergelds ........................................................................................ 1 Ausschöpfung aller anderen Flexibilisierungsmöglichkeiten ....................................................... 1 Betrieb im Sinne der Kurzarbeitergeldregelungen ...................................................................... 2 Ablaufplan zur Einführung von Kurzarbeit................................................................................... 2 B. Arbeitsrechtliche Voraussetzungen von Kurzarbeit .............................................................. 3 I. Beteiligung des Betriebsrates .................................................................................................. 3 II. Betriebe ohne Betriebsrat: Zustimmung der Beschäftigten ..................................................... 4 III. Beendigung der Kurzarbeit .................................................................................................... 5 C. Sozialrecht ................................................................................................................................ 5 Konjunkturelles Kurzarbeitergeld ........................................................................................... 5 1. Anspruchsvoraussetzungen ............................................................................................... 6 a) Erheblicher Arbeitsausfall .................................................................................................. 6 Umfang des Arbeitsausfalls ................................................................................................... 9 Umfang des Entgeltausfalls ................................................................................................. 10 b) Betriebliche Voraussetzungen ......................................................................................... 10 c) Persönliche Voraussetzungen.......................................................................................... 11 2. Weitere Voraussetzung: Anzeige des Arbeitsausfalls ..................................................... 12 3. Förderumfang des Kurzarbeitergelds ............................................................................... 16 a) Dauer ............................................................................................................................. 16 b) Höhe ............................................................................................................................. 17 c) Kug nach Beschäftigungssicherung ................................................................................. 22 d) Zeiträume ohne Kug-Anspruch ........................................................................................ 23 4. Sozialversicherung während der Kurzarbeit .................................................................... 23 a) Sozialversicherungspflicht ............................................................................................... 23 c) Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kug ............................................................................. 24 d) Private Krankenversicherung und Kug ............................................................................. 25 e) Arbeitslosengeld nach Kug-Bezug ................................................................................... 26 5. Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ................................................................... 26 6. Beantragung von Kug und Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen .................... 27 7. Steuern ................................................................................................................................ 31 D. Kurzarbeit und arbeitsrechtliche Fallgestaltungen .............................................................. 32 I. Arbeitsvertragliche Haupt- und Nebenleistungspflichten ................................................ 32 II. Urlaub .................................................................................................................................. 32 1. Urlaub an mit Kurzarbeit belegten Tagen ......................................................................... 34 a) Urlaub an Kurzarbeit-Null-Tagen ..................................................................................... 34 b) Urlaub für Tage, an denen stundenweise Arbeit ausfällt .................................................. 35 2. Höhe des Urlaubsentgelts, wenn in der Referenzperiode Kurzarbeit stattfand ............. 35 3. Urlaubsgeld......................................................................................................................... 36 III. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ........................................................................... 36 I
Leitfaden Kurzarbeit IV. Quarantäne ........................................................................................................................ 38 V. Feiertagsbezahlung ........................................................................................................... 40 VI. Arbeitgeberseitige Kündigungen ..................................................................................... 41 1. Kündigungsrecht des Arbeitgebers .................................................................................. 41 2. Vergütung gekündigter Arbeitnehmer............................................................................... 41 VII. Weitere Jahressonderzahlungen .................................................................................... 41 VIII. Vermögenswirksame/altersvorsorgewirksame Leistungen ......................................... 42 IX. Arbeitgeberzuschuss zum Kug ........................................................................................ 42 X. Kurzarbeitergeld und Insolvenz ........................................................................................ 42 E. Qualifizierung und Kurzarbeit ................................................................................................ 43 I. Rechtliche Einordnung .......................................................................................................... 43 II. Förderinstrumente der Qualifizierung während der Kurzarbeit .............................................. 44 III. Exkurs: Alternative zur Weiterbildung in Kurzarbeit ............................................................. 45 IV. Angebote des Bildungswerks der hessischen Wirtschaft ..................................................... 48 ANLAGEN .................................................................................................................................... 49 1. Überblick: Rechtsgrundlagen................................................................................................ 50 2. Musterbetriebsvereinbarungen ............................................................................................. 52 3. Ansprechpartner für Kurzarbeitergeld in den Arbeitsagenturen in Hessen ............................ 59 4. Häufige Fehler rund um die Anzeige und Beantragung von Kug .......................................... 60 II
Leitfaden Kurzarbeit Dieser Leitfaden behandelt konjunkturelles Kurzarbeitergeld (§§ 95 ff.SGB III). Transferkurzar- beitergeld wird in einem gesonderten Leitfaden dargestellt. Darüber hinaus gibt es im Bauhauptge- werbe, dem Dachdecker- und Gerüstbauhandwerk sowie im Garten- und Landschaftsbau bei witte- rungs- oder wirtschaftlich bedingten Arbeitsausfällen in der Zeit vom 01.12. bis 31.03. Saisonkurz- arbeitergeld (§ 101 SGB III), für das weitere Sonderregeln gelten. Materialien: im Internet unter www.arbeitsagentur.de > Unternehmen > Finanzielle Hilfen und Unterstützung > Übersicht Kurzarbeitergeldformen https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-uebersicht-kurzarbeitergeld- formen Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 01.04.2021 „Kurzarbeitergeld – Zweite Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung vom 25.03.2021“ Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 23.12.2020 „Regelungen zum Verfahren Kurzarbei- tergeld für das Jahr 2021“ Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 17.12.2020 „Weiterbildung während Kurzarbeit, Er- höhung des Kurzarbeitergeldes ab dem 4. und 7. Bezugsmonat“ Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 06.11.2020 „Verlängerung der Bezugsdauer und der Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld“ Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 28.05.2020 „Erhöhung des Kurzarbeitergelds ab dem 4. und 7. Bezugsmonat“ Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 28.04.2020 „Verhältnis von Kurzarbeitergeld zu In- solvenzen und Insolvenzgeld“ Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 30.03.2020 „Verbesserungen für das KUG bis 31.12.2020“ Fachliche Weisungen Kurzarbeitergeld (Kug) der Bundesagentur für Arbeit (BA), Stand 20.12.2018 Bundesagentur für Arbeit, Hinweise zum Antragsverfahren Kurzarbeitergeld und Transferkurz- arbeitergeld, gültig ab 1.1.2020 FAQ der Bundesagentur für Arbeit unter https://www.arbeitsagentur.de/news/corona-virus-infor- mationen-fuer-unternehmen-zum-kurzarbeitergeld Weitere Unterstützungsangebote finden sich im VhU-Serviceportal unter (Serviceportal.vhu.de/mitglieder/portal.nsf/root/JJCR-2278) Arbeitsrecht/Corona. III
Leitfaden Kurzarbeit A. Vorüberlegungen zur Kurzarbeit Während der Kurzarbeit bezahlt das Unternehmen die verkürzte Arbeit, die tatsächlich noch geleistet wird. Für die kurzarbeitsbedingt ausfallenden Arbeitsstunden oder -tage erhalten die Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld (im Folgenden „Kug“ genannt), für welches das Unternehmen in Vorlage tritt und welches es sich dann von der Bundesagentur für Arbeit (BA) erstatten lässt. Wird überhaupt keine Arbeit mehr erbracht, spricht man von „Kurzarbeit Null“. Das Kug beträgt bei Arbeitnehmern mit Kinderfreibetrag 67 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgel- tes, bei anderen Arbeitnehmern 60 %. Vom 4. und vom 7. Monat an (Zählung beginnt ab März 2020) wird Kurzarbeitergeld in zwei Stufen auf 70 und 80 % (mit Kind 77 und 87 %) (ab 01.01.2021 mit Inkrafttreten des BeschSiG) befristet bis Ende 2021 erhöht, sofern das Arbeits- entgelt um mindestens die Hälfte reduziert ist und der Anspruch auf Kug bis zum 31.03.2021 entstanden ist (vgl. unten C 3 b). Die auf das Kug entfallenden Sozialversicherungsbeiträge trug das Unternehmen bisher allein, mit den Krisen-Kurzarbeitergeldregelungen wird dem Ar- beitgeber für die Zeit vom 01.03.2020 bis zum 30.09.2021 jedoch eine vollständige pauscha- lierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) ein- geräumt. Danach und bis zum 31.12.2021 erhält der Arbeitgeber nur noch eine 50-%-ige Er- stattung der Sozialversicherungsbeiträge, wenn bis zum 30.09.2021 Kurzarbeit eingeführt wurde (3. Kurzarbeitergeld-Änderungs-Verordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821). Eine Er- stattung weiterer 50 % der Sozialversicherungsbeiträge – und damit insgesamt eine volle Er- stattung – erhält der Arbeitgeber hingegen, wenn er bestimmte Qualifizierungsmaßnahmen durchführt (§ 106a SGB III n. F.). Ziel und Zweck des Kurzarbeitergelds Kurzarbeit ist eines von mehreren Instrumenten, mit denen Unternehmen durch arbeits- und sozialrechtliche Gestaltung auf konjunkturbedingte Auslastungsdefizite reagieren können. Die Kurzarbeit ermöglicht einerseits in kurzer Zeit die Senkung der Personalkosten, zum an- deren die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern während der konjunkturellen Schwäche- phase, so dass nicht mit Kündigungen auf den Rückgang des Arbeitsbedarfs reagiert werden muss. Eingearbeitete und qualifizierte Arbeitskräfte können in den Unternehmen gehalten wer- den; Motivation wird durch Aussicht auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufrechterhal- ten; Erfahrung und Wissen stehen zur Verfügung, wenn sich die Auftragslage wieder verbes- sert. Zudem erfolgt keine Belastung der Liquidität durch Abfindungszahlungen etc. Schließlich können langfristige und emotionsgeladene Verhandlungen zu einem Interessenausgleich und Sozialplan vermieden werden. Ausschöpfung aller anderen Flexibilisierungsmöglichkeiten Vor der Einführung von Kurzarbeit muss immer geprüft werden, ob Kurzarbeit für das Unter- nehmen organisatorisch machbar und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Andere Flexibilisie- rungsinstrumente für eine notwendige Anpassung beim Arbeitsbedarf können und zum Teil müssen vorrangig vor Kurzarbeit genutzt werden. Zu denken wäre hier etwa an den Abbau vorhandener Plusstunden auf Arbeitszeitkonten, Beendigung des Einsatzes von Zeitarbeitneh- mern, Ausdehnung von Betriebsferien, die arbeitsvertragliche Rückführung früher vereinbarter Arbeitszeitverlängerungen mit einzelnen Arbeitnehmern; die befristete Verringerung der regel- mäßigen Wochenarbeitszeit im Betrieb oder in Betriebsbereichen aufgrund spezieller tarifli- cher Ermächtigungen oder firmenspezifische Verhandlungen über Sonder- und Sanierungsta- rifverträge mit der Gewerkschaft. Vor der Durchführung von Kurzarbeit steht es dem Unter- nehmen aber frei, mit der Gewerkschaft über Sanierungstarifverträge zu verhandeln. Eine ent- sprechende Pflicht besteht nicht. Stand: 21.06.2021 -1-
Leitfaden Kurzarbeit Betrieb im Sinne der Kurzarbeitergeldregelungen Kurzarbeitergeld kann für einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung gewährt werden (§ 97 SGB III), in denen mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist (§ 97 SGB III). Auszugehen ist vom arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff. Betrieb ist danach eine organisatorische Einheit mit eigener personeller Leitung, innerhalb derer der Unternehmer mit seinen Arbeitnehmern unter Zuhilfenahme technischer und imma- terieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Ein Betrieb hat eine eigene institutionelle Leitung, die die Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke steuert und dabei den Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich wahrnimmt. Betriebsabteilung ist die mit technischen Mitteln ausgestattete Zusammenfassung von Ar- beitnehmern, die aus sachlichen Gründen organisatorisch, insbesondere durch eine eigene technische Leitung, vom übrigen Betrieb getrennt ist und einen eigenen Betriebszweck ver- folgt. Vgl. näher unten C I b. Kommt nach diesen Vorüberlegungen Kurzarbeit in Betracht, sollten die örtlichen Arbeitsagen- turen frühzeitig angesprochen werden; sie sind erfahrungsgemäß kooperativ und beraten aus- führlich über die Voraussetzungen und behördlichen Anforderungen an Anzeige, Antragstel- lung und Datenmaterial zu Kurzarbeit und Kug. Allerdings ist die telefonische Erreichbarkeit der Arbeitsagenturen aufgrund immer noch sehr zahlreicher Kurzarbeitergeldverfahren und - anträgen derzeit stark eingeschränkt. Deshalb verweist die BA mit ihren örtlichen Arbeitsagen- turen auf das ausgebaute Online-Angebot einschließlich der Möglichkeit zur elektronischen Anzeige- und Antragstellung: https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-uebersicht-kurzarbei- tergeldformen Neben der Arbeitsagentur ist auf der betrieblichen Ebene der Betriebsrat bei der Einführung von Kurzarbeit einzubeziehen, näher hierzu sogleich unter B. Ablaufplan zur Einführung von Kurzarbeit Zusammenfassend sind die folgenden Schritte zu beachten: Prüfung der betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit von Kurzarbeit Unterrichtung des Betriebsrats und ggf. des Wirtschaftsausschusses (§§ 87 Abs. 1 Ziff.3, 106 BetrVG), ggf. auch der Belegschaft Frühzeitige Kontaktaufnahme zur Agentur für Arbeit Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit, ggf. von individualvertraglichen Vereinbarungen mit den betroffenen Arbeitnehmern Anzeige der Kurzarbeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit spätestens im Monat des Arbeitsausfalls (§ 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III; sofern bereits vor Beginn der Kurzar- beit die Bewilligung der Agentur für Arbeit vorliegen soll, müsste auch die Anzeige frühzeitig eingereicht werden, mindestens 10 Tage vor Beginn) Bekanntmachung der Einführung von Kurzarbeit im Betrieb Berechnung und Auszahlung des Kurzarbeitergelds Monatliche Beantragung des verauslagten Kurzarbeitergeldes innerhalb einer Aus- schlussfrist von 3 Monaten (Bsp.: Antrag für März muss bis spätestens 30.06. ein- gereicht worden sein) Stand: 21.06.2021 -2-
Leitfaden Kurzarbeit B. Arbeitsrechtliche Voraussetzungen von Kurzarbeit I. Beteiligung des Betriebsrates Die Einführung von Kurzarbeit unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG vgl. hierzu und zu den erforderlichen Inhalten einer Betriebsvereinbarung BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565). Das Ergeb- nis der Gespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat muss dann in einer Betriebsverein- barung niedergelegt werden. Aufgrund der zwingenden und unmittelbaren Wirkung einer sol- chen Betriebsvereinbarung auf die Arbeitsverträge gem. § 77 Abs. 4 BetrVG werden die ar- beitsvertraglich geregelten Inhalte zu Arbeitszeit und Arbeitsentgelt für die Kurzarbeitsperiode geändert. Dagegen reicht eine formlose Regelungsabrede nicht, um die arbeitsvertraglichen Inhalte automatisch auf Kurzarbeit umzustellen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats reicht nur soweit, wie es gesetzlich zusteht. Dies bedeutet, nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG kann nur über die Verkürzung der Arbeitszeit mitbe- stimmt werden. Die zwingende Mitbestimmung bezieht sich jedoch nicht auf einen möglichen vom Arbeitgeber zu leistenden Aufstockungsbetrag (LAG Köln v. 14.06.1989 – 2 TaBV 17/89). Dies gilt ebenfalls für die Vereinbarung eines Kündigungsverbotes während des Zeitraums der Kurzarbeit. Die Zahlung eines Aufstockungsbetrages ist auch kein allgemeiner Entlohnungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, die im Wege eines Initiativrechts vom Betriebsrat erzwungen werden kann (ErfK/Kania § 87 BetrVG, Rn. 37). Die Initiative zur Einführung von Kurzarbeit kann sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Be- triebsrat ausgehen, nicht jedoch vom Arbeitnehmer. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über die Inhalte einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit einigen, kann jede Seite die Einigungsstelle für eine verbindliche Entscheidung anrufen. Es ist dies jedoch eine zeitauf- wendige und kostenintensive Vorgehensweise, die möglichst zu vermeiden ist, zumal wenn Kurzarbeit schnell eingeführt werden soll. Der Spruch einer Einigungsstelle (der erfolgt, wenn die Betriebsparteien auch in der Einigungs- stelle nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gelangen) kann sich dann ebenfalls nur auf mit- bestimmungspflichtige Angelegenheiten erstrecken. Daher kann der Spruch der Einigungs- stelle gegen den Willen des Arbeitgebers nicht einen verbindlichen Aufstockungsbetrag oder ein Kündigungsverbot umfassen. Arbeitgeber können daher nur freiwillig einem Aufstockungsbetrag oder einem Kündigungs- verbot während der Kurzarbeit zustimmen, was insbesondere dann zu erwägen ist, wenn sie schnell eine freiwillige Betriebsvereinbarung vereinbaren wollen, um zügig mit der Kurzarbeit beginnen zu können. Die Ankündigungsfrist für die Kurzarbeit gegenüber den betroffenen Ar- beitnehmern beträgt 14 Kalendertage, diese kann aber durch Vereinbarung von Arbeitgeber und Betriebsrat abgekürzt werden. Bei nicht vorhersehbaren Ereignissen beträgt die Ankündi- gungsfrist eine Woche. Die vereinbarte Kurzarbeit kann sodann nur innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Ablauf der Ankündigungsfrist eingeführt werden; ist diese Frist verstrichen, ohne dass Kurzar- beit eingeführt wurde, ist die Ankündigungsfrist vor Einführung der Kurzarbeit erneut einzuhal- ten. Je nachdem, welchen persönlichen Geltungsbereich die Betriebsparteien für die Betriebsver- einbarung bestimmen, kann Kurzarbeit auch für werdende Mütter, Schwerbehinderte, Be- triebsratsmitglieder und AT-Angestellte eingeführt werden, ohne dass es irgendwelcher zu- sätzlicher Maßnahmen bedarf. Stand: 21.06.2021 -3-
Leitfaden Kurzarbeit Die Einbeziehung von Arbeitnehmern in der Aktivphase der Altersteilzeit in die Kurzarbeit ist zwar von Gesetzes wegen nicht ausgeschlossen, sollte aber möglichst vermieden werden. Die Einbeziehung würde zahlreiche Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Entgeltabrechnung und den Wertguthabenaufbau, aufwerfen. Es erscheint daher empfehlenswert, in der Betriebs- vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit diese Arbeitnehmer vom persönlichen Geltungs- bereich auszunehmen. Soll für Arbeitnehmer, die gem. § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG nicht unter das BetrVG fallen, insbe- sondere also leitende Angestellte, Kurzarbeit gelten, kann dies bei Vorhandensein eines Sprecherausschusses durch Vereinbarung einer verbindlichen Richtlinie gem. § 28 Abs. 2 Sprecherausschussgesetz (SprAuG) geschehen oder durch Abschluss eines sog. „trilateralen Normenvertrages“ zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Sprecherausschuss, ansonsten muss die Kurzarbeit wie bei den „normalen“ Arbeitnehmern gesondert individuell (also ohne Einbeziehung des Betriebsrats) vereinbart werden. Eine mitbestimmungswidrige Einführung von Kurzarbeit führt dazu, dass die Arbeitszeitabsen- kung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer keine Rechtswirkung entfaltet. Grundsätzlich ist es zu empfehlen, die Belegschaft in einer Betriebsversammlung über Hinter- gründe und den Umfang der geplanten Kurzarbeit zu informieren. Eine Pflicht zur Abhaltung einer Betriebsversammlung gibt es allerdings nicht. In Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten ist der Arbeitgeber verpflichtet, gem. § 106 Abs. 2, 3 BetrVG den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die beabsichtigte Einführung von Kurzarbeit zu unterrichten. Das Muster einer Betriebsvereinbarung ist als Anlage dem Leitfaden beigefügt. Das Muster ist unterteilt in Betriebe mit und in Betriebe ohne Tarifbindung. II. Betriebe ohne Betriebsrat: Zustimmung der Beschäftigten Besteht kein Betriebsrat, kann der Arbeitgeber mit einzelnen Beschäftigten auf vertraglicher Grundlage Kurzarbeit vereinbaren. Mitunter enthalten die Arbeitsverträge bereits eine solche Kurzarbeitsklausel. Eine entsprechende Vereinbarung kann aber auch im laufenden Arbeits- verhältnis nachträglich erfolgen. Der Abschluss solcher arbeitsvertraglicher Regelungen mit jedem einzelnen Beschäftigten kann außerordentlich zeitaufwendig sein. Arbeitgeber können in dieser Situation auch auf so- genannte betriebliche Einheitsregelungen zurückgreifen. Bei betrieblichen Einheitsregelungen unterrichtet der Arbeitgeber die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer schriftlich darüber, dass das Unternehmen aufgrund vorübergehender Auftragsmängel gezwungen ist, im Betrieb Kurzarbeit einzuführen. Des Weiteren informiert der Arbeitgeber die jeweiligen Arbeitnehmer über den Beginn, das voraussichtliche Ende und den Umfang der Kurzarbeit. Gleichzeitig bittet er die Beschäftigten in dem Schreiben, ihr Einverständnis zur Durchführung und zum Umfang der Kurzarbeit schriftlich zu erklären. Sobald die Arbeitnehmer ihr Einverständnis hierzu erklä- ren, ist der Arbeitgeber ermächtigt, die Kurzarbeit einzuführen. Verweigert ein Arbeitnehmer die Zustimmung, bedarf es einer Änderungskündigung (Münchner Handbuch ArbR, Reichold, 4. Aufl. 2018, § 40 Rn. 75; BAG v. 14.02.1991 – 2 AZR 415/90, NZA 1991, 607; LAG Rhein- land-Pfalz v. 07.10.1996 – 9 Sa 703/96, LAGE § 615 BGB Kurzarbeit Nr. 2). Auch die formularmäßige Änderung der Arbeitszeit durch Einführung von Kurzarbeit stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung des Arbeitgebers nach §§ 305 ff. BGB dar. Damit keine für den Arbeitnehmer überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB entsteht, werden an die arbeitsvertraglich vorgesehene Einführung von Kurzarbeit zwei Voraussetzungen gestellt. Um Stand: 21.06.2021 -4-
Leitfaden Kurzarbeit die Wirksamkeit der individualvertraglichen Abrede sicherzustellen, ist erstens die Einführung von Kurzarbeit daran zu koppeln, dass für die Person des von Kurzarbeit betroffenen Arbeit- nehmers die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug vorliegen (Preis, Der Arbeitsvertrag, 5. Aufl., II A 90 Rn. 79). Zweitens muss die Kurzarbeitsklausel eine Ankündi- gungsfrist enthalten, um wirksam zu sein. Ferner können vertragliche Absprachen zur Einführung von Kurzarbeit gemäß § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam sein, wenn sie nicht hinreichend klar sind und z.B. Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises völlig offen lassen (so LAG Berlin-Brandenburg v. 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10, NZA-RR 2011, 65 unter Bezugnahme auf § 307 BGB). Würde der Arbeitgeber Kurzarbeit einseitig einführen, würden die Beschäftigten grundsätzlich gem. § 615 BGB den vollen Entgeltanspruch behalten. Arbeitet allerdings in einem betriebsratslosen Be- trieb, der keiner Tarifbindung unterliegt, ein Beschäftigter widerspruchslos kurz, wurde ent- schieden, dass damit durch schlüssiges Verhalten eine entsprechende Vertragsänderung zu- stande kommt (LAG Düsseldorf v. 14.10.1994 – 10 Sa 1194/94, DB 1995, 682; zustimmend ErfK/Preis, 18. Aufl. 2018, § 611 a BGB Rn. 657). Das Muster einer einzelvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um Kurzarbeit einzuführen, ist als Anlage beigefügt. III. Beendigung der Kurzarbeit Nur die betriebliche Einführung von Kurzarbeit unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsra- tes, nach der Rechtsprechung des BAG nicht aber auch die Beendigung (BAG v. 21.11.1978 – 1 ABR 67/76, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Daher kann der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrates für alle oder einen Teil der von Kurzarbeit betroffenen Beschäf- tigten die schrittweise oder völlige Rückkehr zur regelmäßigen Arbeitszeit anordnen. Die Be- triebsparteien können in der Betriebsvereinbarung aber auch von Anfang an festlegen, dass und unter welchen Voraussetzungen bei einem überraschend auftretenden Beschäftigungs- bedarf die Kurzarbeit vorzeitig beendet wird. Möglich ist auch, die durch Betriebsvereinbarung angeordnete verkürzte Arbeitszeit zu befristen. Festzuhalten ist, dass die Verkürzung der Arbeitszeit durch Einführung von Kurzarbeit – so ein Betriebsrat gewählt ist – mitbestimmt ist, jedoch die Erhöhung der Arbeitszeit, selbst wenn die regelmäßige Arbeitszeit nicht erreicht wird, nicht. C. Sozialrecht Konjunkturelles Kurzarbeitergeld Konjunkturelles Kurzarbeitergeld (Kug) zielt auf den Erhalt von Arbeitsplätzen (durch Vermei- dung von ansonsten notwendigen Entlassungen), bei vornehmlich konjunkturellen Arbeits- schwankungen durch Herabsetzung von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt der Beschäftigten; und es zielt andererseits auf den Erhalt der eingearbeiteten Arbeitskräfte für den Arbeitgeber. An- spruchsinhaber ist der Arbeitnehmer, jedoch muss der Arbeitgeber (bzw. der Betriebsrat) die Kurzarbeit anzeigen und die Leistung in sogenannter Verfahrensstandschaft gesammelt für alle betroffenen Arbeitnehmer beantragen, berechnen und auszahlen. Stand: 21.06.2021 -5-
Leitfaden Kurzarbeit 1. Anspruchsvoraussetzungen a) Erheblicher Arbeitsausfall Ein Arbeitsausfall ist erheblich (§ 96 Abs. 1 S. 1 SGB III), wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, er vorübergehend ist, er nicht vermeidbar ist und (Voraussetzung vorübergehend ausgesetzt: je Kalendermonat mindestens ein Drittel der Ar- beitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoent- gelts betroffen sind) Krisen-Kurzarbeitergeldregelung I: Das „Drittelquorum“ wurde vorübergehend abgesenkt. Vom 1.3.2020 und befristet bis zum 31.12.2020 reichte es aus, wenn in einem Betrieb oder Betriebsteil 10 % der Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von mehr als 10 % je Kalendermonat betroffen waren, vgl. näher Seite 9 f. Krisen-Kurzarbeitergeldregelung II: Bei Beginn der Kurzarbeit bis zum 30.09.2021 bleibt es bis zum 31.12.2021 dabei, dass nur mindestens 10 % der Arbeitnehmer des Betriebes oder des Betriebsteils (ohne Auszubil- dende) im jeweiligen Kalendermonat von einem mehr als 10-%-igen Entgeltausfall des mo- natlichen Bruttoentgelts betroffen sein müssen (3. Kurzarbeitergeld-Änderungs-Verordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821 – vgl. näher S. 9 f.). Wirtschaftliche Gründe (§ 96 Abs. 1 Nr. 1, 1.Alt. SGB III) sind solche, die sich aus der wirt- schaftlichen Tätigkeit eines Betriebes und seiner Teilnahme am Wirtschaftsleben ergeben, wie z. B. konjunkturelle Veränderungen oder Kapitalschwierigkeiten (Bundessozialgericht – BSG v. 29.04.1998 – B 7 AL 102/97 R, NZS 1999, 94). In Betracht kommen grundsätzlich nur solche „allgemeinen“ Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken und auf deren Eintritt der Betrieb keinen Einfluss hat, und der nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt. Ein Arbeits- ausfall beruht auch auf wirtschaftlichen Gründen, wenn er durch betriebliche Strukturverände- rungen verursacht wird, die wiederum auf einer allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung be- ruhen. Eine betriebliche Strukturveränderung kann z. B. durch die Umstellung auf ein neues Produkt, durch Erweiterung oder Einschränkung der Fertigung oder durch innerbetriebliche Umorganisation (z. B. Automatisierung) bewirkt werden. Ein unabwendbares Ereignis (§ 96 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. SGB III) ist gegeben, wenn auch bei äußerster angemessener und vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt das Ereignis und seine schädlichen Folgen nicht hätte vermieden werden können. Das kann z. B. ein Fabrik- brand infolge Blitzeinschlag trotz Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sein (Fachliche Wei- sungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, § 96 2.3, Seite 17). Auch extreme Witterungsver- hältnisse, die dazu führen, dass der Betrieb die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitskraft nicht annehmen kann, werden von den Arbeitsagenturen anerkannt. Kein unabwendbares Er- eignis liegt aber dann vor, wenn Arbeitnehmer wegen witterungsbedingter Verkehrsstörungen ihre Arbeitsstätte nicht erreichen. Wenn aufgrund der Corona-Pandemie Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss, oder wenn Betriebe aufgrund staatlicher Schutzmaßnahmen vorüber- gehend geschlossen werden, liegt ein unabwendbares Ereignis bzw. wirtschaftliche Gründe vor (vgl. auch Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 30.03.2020 „Verbesserungen für Stand: 21.06.2021 -6-
Leitfaden Kurzarbeit das KUG bis 31.12.2020“, Ziffer 2.1.2 am Ende). Nicht mit Kug förderfähig sind hingegen Ar- beitnehmer, die wegen Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen, weil der Kindergarten oder die Schule wegen des Corona-Virus geschlossen wurde. Vorübergehend ist ein Arbeitsausfall, wenn aufgrund einer Prognosebetrachtung wahrschein- lich ist, dass in absehbarer Zeit wieder zur Vollarbeit übergegangen werden kann. Absehbar ist ein Zeitraum, der der maximalen Bezugsdauer von Kug entspricht, derzeit also 12 Monate (§ 104 Abs. 1 SGB III) bzw. bis zu 24 Monate bei Verlängerung durch Rechtsverordnung (§ 109 Abs. 1 SGB III). Das Merkmal „vorübergehend“ muss während der gesamten Dauer des Kug- Bezugs vorliegen. Wird während des Bezugs von Kug festgestellt, dass keine Aussicht auf Beendigung der Kurzarbeit mehr besteht, so ist die Entscheidung über die Gewährung von Kug von diesem Zeitpunkt an aufzuheben (Fachliche Weisungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, § 96 2.5 Abs. 3, Seite 18). Nicht vermeidbar ist ein Arbeitsausfall, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern (§ 96 Abs. 4 S. 1 SGB III). Unterlässt es der Betrieb, geeignete und wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen durchzuführen, die den Arbeitsausfall mit Wahrscheinlichkeit abgewendet hätten, so kann kein Kug gewährt werden. Diese Schadensminderungspflicht haben Arbeitgeber und Betriebsrat vor Beginn und während des Arbeitsausfalls. Als vermeidbar gilt insbesondere ein Arbeitsausfall, der überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht. Branchenüblich ist der Arbeitsausfall, wenn er aufgrund der Eigenart des Wirtschaftszweiges mit einer gewissen Regelmä- ßigkeit eintritt (z. B. Arbeitsausfall in einer Süßwarenfabrik nach Produktionen für das Weihnachtsgeschäft). Im Zweifel kann die Arbeitsagentur hierzu gutachterliche Stel- lungnahmen einholen. Wenn in den letzten 3 aufeinanderfolgenden Jahren annähernd zu gleichen Zeiten aus den gleichen Gründen verkürzt gearbeitet worden ist oder Ent- lassungen vorgenommen wurden, geht die Arbeitsagentur regelmäßig von einem bran- chen- oder betriebsüblichen Arbeitsausfall aus. In Zeiten einer „ungünstigen Wirt- schaftslage“ hält die BA an dieser Regel jedoch ausdrücklich nicht fest, wenn die Aus- wirkungen auch den fraglichen Betrieb treffen (Fachliche Weisungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, § 96 2.7.1 Abs. 4, Seite 22). Ab 01.01.2021: Als vermeidbar gilt weiterhin Arbeitsausfall, der durch Gewährung von bezahltem Urlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann, „soweit vorrangige Ur- laubswünsche der Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen“ (§ 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III). Nach der Fachlichen Weisung Kug der BA ist den Urlaubs- wünschen der Arbeitnehmer Vorrang vor einer Vermeidung des Arbeitsausfalls einzu- räumen. Auch um den Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs nicht zu gefährden, kann bei vorrangigen Urlaubswünschen des Arbeitnehmers nicht gefordert werden, dass stattdessen Urlaub zur Vermeidung von Kurzarbeit eingebracht wird. Bestehen noch übertragene Urlaubsansprüche aus den vorangegangenen Urlaubsjahren, können diese regelmäßig zur Verminderung des Arbeitsausfalls genutzt werden, es sei denn, der Arbeitnehmer hat bereits konkrete Urlaubswünsche unter Einplanung des Restur- laubs. Bereits geplanter Urlaub, der dann von Kurzarbeit erfasst wird, kann jedoch nicht zu Lasten der BA verlegt werden.) Krisen-Kurzarbeitergeldregelung für das Jahr 2020: Bis zum 31.12.2020 sah die BA generell davon ab, die Einbringung von Urlaub aus dem lau- fenden Urlaubsjahr einzufordern. Wurde die Kurzarbeit gegen Ende des Urlaubsjahres einge- führt oder bestanden noch übertragene Urlaubsansprüche aus dem vorangegangenen Ur- laubsjahr, forderte die Arbeitsagentur den Arbeitgeber auf, den Zeitpunkt für den Antritt noch vorhandenen Urlaubs zur Verminderung des Arbeitsausfalls festzulegen. Auch hier durften die Stand: 21.06.2021 -7-
Leitfaden Kurzarbeit Urlaubswünsche der Arbeitnehmer nicht entgegenstehen (Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 30.03.2020 „Verbesserungen für das KUG bis 31.12.2020“, Ziffer 2.1.2). Regelung für das Jahr 2021: Die bis zum 31.12.2020 befristete Sonderregelung der BA, wonach von der Einbringung von nicht verplantem Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr abgesehen wurde, ist mit der Weisung 202012024 vom 23.12.2020 („Regelungen zum Verfahren Kurzarbeitergeld für das Jahr 2021“) nicht verlängert worden. Der nicht verplante Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr ist damit grundsätzlich zur Vermeidung von Kurzarbeit einzubringen (vgl. zum Urlaub ausführlich unten S. 33 f.). Arbeitgeber haben mit den Arbeitnehmern, denen noch Resturlaub zusteht, zu vereinbaren, dass diese den Urlaub in Zeiten mit dem Arbeitsausfall antreten. Erfolgt dies nicht, geht die Agentur davon aus, das der Arbeitsausfall in dem Umfang vermeidbar war und wird für diese Tage kein Kug bezahlen. (vorübergehend ausgesetzt: Die BA fordert vor der Gewährung von Kug grundsätzlich auch den Aufbau von Minusstunden im Rahmen eines Arbeitszeitkontos, sofern dies nicht wirtschaftlich unzumutbar ist (Fachliche Weisungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, § 96 2.7.3 Abs. 4, Seite 26.) Krisen-Kurzarbeitergeldregelung I: Die Verpflichtung zum Aufbau negativer Arbeitszeitsalden entfiel vom 01.03.2020 bis zum 31.12.2020, § 1 Satz 2 Ziff. 2 Kurzarbeitergeldverordnung vom 25.03.2020, BGBl I, S. 595 (vgl. auch Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 30.03.2020 „Verbesserungen für das KUG bis 31.12.2020“, Ziffer 2.1.2). Krisen-Kurzarbeitergeldregelung II: Die Verpflichtung zum Aufbau negativer Arbeitszeitsalden entfällt weiterhin bis zum 31.12.2021, sofern bis zum 30.09.2021 Kurzarbeit eingeführt wurde (Art. 1 Nr. 1 der 3. Kurz- arbeitergeld-Änderungs-Verordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821). Zur Vermeidung von Kurzarbeit ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, soweit möglich, den Ar- beitnehmer zum Abbau bestehender Arbeitszeitguthaben zu veranlassen (§ 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III). Der Abbau von Gleitzeitguthaben wird jedoch von der BA nicht verlangt, soweit die Größe dem vereinbarten – und unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht vertret- baren – Rahmen entspricht und die Regelung eine entgeltliche Abgeltung nicht zulässt (Fach- liche Weisungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, § 96 2.8.6, Seite 30). Weiterhin muss der Abbau von Gleitzeitguthaben auch wirtschaftlich zumutbar sein: Wenn nicht genügend Li- quidität vorhanden ist und der Arbeitgeber durch einen (teilweise) Abbau der Guthabenstun- den in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen würde, sollte der Arbeitgeber diese Gründe schriftlich festhalten und der BA mit der Anzeige der Kurzarbeit mitteilen. Darüber hinaus will die BA den stundenweisen Aufbau eines Guthabens bei bestehenden Gleitzeitvereinbarungen während einer Kurzarbeitsphase (Beispiel: Arbeitszeit 8 Stunden pro Tag, pro Kalenderwoche 4 Tage Arbeit, 1 Tag Kurzarbeit; in den Arbeitstagen ergeben sich Arbeitszeitguthaben) dann tolerieren, wenn das Guthaben bei Erreichen eines Arbeitstagvolumens (im Beispiel 8 Stun- den) durch einen Gleittag abgebaut wird (Fachliche Weisungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, § 96 2.8 Abs. 3, Seite 27). Folgende Arbeitszeitguthaben müssen vor der Inanspruchnahme von Kug nicht aufgelöst werden (§ 96 Abs. 4 S. 3 SGB III): Wertguthaben (§ 7b SGB IV), die ausschließlich für die in § 7c Abs. 1 SGB IV genann- ten Zwecke bestimmt sind, d. h., die bestimmt sind für eine vertraglich vereinbarte Freistellung oder Verminderung der Arbeitszeit, ins- besondere vor dem Bezug einer Altersrente (oder zum Zwecke der Qualifizie- rung), Stand: 21.06.2021 -8-
Leitfaden Kurzarbeit für Freistellungen oder Arbeitszeitverminderungen zur Pflege eines pflegebedürf- tigen nahen Angehörigen (§ 3 Familienpflegezeitgesetz), für die Betreuung und Erziehung eines Kindes (§ 15 Bundeselterngeld- und El- ternzeitgesetz), für die Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nach § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Arbeitszeitguthaben, das den Umfang von 10 % der ohne Mehrarbeit geschulde- ten Jahresarbeitszeit eines Arbeitnehmers übersteigt; Arbeitszeitguthaben, die länger als 1 Jahr unverändert bestanden haben. Außerdem sind für Branchen, in denen Saison-Kug bezogen werden kann (Baubranche und andere durch Gesetz einbezogene witterungsabhängige Branchen), Arbeitszeitkonten ge- schützt, die ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb Schlechtwetter- zeit (von April bis November) bestimmt sind und 50 Stunden nicht übersteigen; die zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kug angespart worden sind und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigen. (vorübergehend ausgesetzt: Zeitarbeitsunternehmen sind regelmäßig nicht zum Kug-Bezug berechtigt, weil der Arbeitsausfall branchenüblich ist. Das BSG hat dies mit Urteil vom 21.07.2009 (B 7 AL 3/08 R, NZS 2010, 147, 292) bestätigt.) Krisen-Kurzarbeitergeldregelung I: Zeitarbeitnehmer konnten befristet bis zum 31.12.2020 in Kurzarbeit und Kug einbezogen werden, § 3 Kurzarbeitergeldverordnung vom 25.03.2020, BGBl I, S. 595. Das Zeitarbeitsun- ternehmen als Arbeitgeber des Zeitarbeitnehmers muss dafür Kurzarbeit arbeitsrechtlich wirk- sam einführen sowie Anzeige und Antrag auf Kurzarbeitergeld stellen. Krisen-Kurzarbeitergeldregelung II: Die Einbeziehung von Zeitarbeitnehmern wird bis zum 31.12.2021 verlängert, sofern das Zeit- arbeitsunternehmen bis zum 30.09.2021 Kurzarbeit eingeführt hat (3. Kurzarbeitergeld-Ände- rungs-Verordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821). Umfang des Arbeitsausfalls Krisen-Kurzarbeitergeldregelung I: Rückwirkend vom 01.03.2020 bis zum 31.12.2020 galt (§ 1 Satz 2 Ziff. 1 Kurzarbeitergeldver- ordnung vom 25.03.2020, BGBl I, S. 595) die Voraussetzung, dass mindestens 10 % der Arbeitnehmer des Betriebes oder des Betriebsteils (ohne Auszubildende) im jeweiligen Ka- lendermonat vom Entgeltausfall betroffen waren. Der Entgeltausfall muss je Arbeitnehmer mehr als 10 % des monatlichen Bruttoentgelts betragen, wobei auch Entgeltreduzierungen über der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen sind (vgl. Fachliche Weisungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, § 96 2.10 Abs. 3, Seite 31). Der Entgeltausfall kann auch 100 % betragen. Lagen diese Voraussetzungen vor, konnten weitere Arbeitnehmer auch dann durch Kug gefördert werden, wenn bei ihnen der Entgeltausfall nur bis zu 10 % betrug. Bei der Berechnung der 10 % zählen auch im Betrieb eingesetzte Zeitarbeitnehmer und Ar- beitnehmer mit, die geringfügig beschäftigt sind oder deren Arbeitsverhältnis wegen eines Be- Stand: 21.06.2021 -9-
Leitfaden Kurzarbeit schäftigungsverbots nach § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) ruht. Nicht mit- zuzählen sind Auszubildende sowie Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit ruht. Für die Vergangenheit kann Kurzarbeit dann nicht mehr vereinbart werden, wenn für diese Zeiten das Arbeitsentgelt bereits abgerechnet und ausgezahlt wurde (Weisungen der Bunde- sagentur für Arbeit vom 30.03.2020 „Verbesserungen für das KUG bis 31.12.2020“, Ziffer 2.1.2). Krisen-Kurzarbeitergeldregelung II: Bei Beginn der Kurzarbeit bis zum 30.09.2021 bleibt es bis zum 31.12.2021 dabei, dass nur mindestens 10 % der Arbeitnehmer des Betriebes oder des Betriebsteils (ohne Auszubil- dende) im jeweiligen Kalendermonat von einem mehr als 10-%-igen Entgeltausfall des monat- lichen Bruttoentgelts betroffen sein müssen (3. Kurzarbeitergeld-Änderungs-Verordnung vom 17.06.2021, BGBl I, 1821). Umfang des Entgeltausfalls Bei der Berechnung des Mindesterfordernisses von mehr als 10 % Ausfall des monatlichen Bruttoentgelts nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III ist einmalig gezahltes Entgelt nicht zu be- rücksichtigen, weil hier die Berechnungsgrundsätze des § 106 SGB III (Nettoentgeltdifferenz aus Soll- und Ist-Entgelt) heranzuziehen sind (vgl. Fachliche Weisungen der BA zum Kug, Stand 20.12.2018, 2.10 Abs. 3, Seite 31). Einmalig gezahltes Entgelt bleibt danach außer Be- tracht (§ 106 Abs. 1 S. 4 SGB III), auch wenn die Fachliche Weisung der BA die Anwendbar- keit des § 106 Abs. 1 S. 4 SGB III für die Berechnung des mehr als 10 %igen Entgeltausfalls nicht ausdrücklich erwähnt (Auskunft der Regionaldirektion Hessen der BA). Sofern arbeitsrechtlich zulässig, können Einmalzahlungen auch für das laufende Jahr ratier- lich gezahlt werden, verlieren dadurch ihren Charakter als Einmalzahlung und können sodann bei der Ermittlung von Soll- und Ist-Entgelt berücksichtigt werden. Bei variablen, laufenden Entgeltanteilen ist festzustellen, in welcher Höhe diese bei Vollar- beit im Anspruchszeitraum gezahlt worden wären. Kann dies nicht ermittelt werden, kann auf die Höhe der variablen Lohnbestandteile des letzten abgerechneten (monatlichen) Lohnab- rechnungszeitraumes zurückgegriffen und das Soll-Entgelt entsprechend erhöht werden. Die- ser Wert ist dann für die gesamte Dauer des Kug-Bezuges zu berücksichtigen (Hinweise der BA zum Antragsverfahren Kug 2019, 11.1.1, S. 11). Lässt sich das Soll-Entgelt eines Arbeit- nehmers im Anspruchszeitraum nicht hinreichend bestimmt feststellen, kann auf das in den letzten 3 abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn des Arbeitsausfalls erzielte Arbeitsent- gelt (vermindert um Entgelt für Mehrarbeit) zurückgegriffen werden (Hinweise der BA zum An- tragsverfahren Kug 2019, 11.2.1, S. 12). Ist auch dies nicht möglich, so ist das durchschnittli- che Soll-Entgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers zugrunde zu legen (Hinweise der BA zum Antragsverfahren Kug 2019, 11.2.7, S. 13). b) Betriebliche Voraussetzungen Diese liegen vor, wenn in dem Betrieb oder in der Betriebsabteilung mindestens ein Arbeit- nehmer beschäftigt ist (§ 97 SGB III). Auszugehen ist vom arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff. Betrieb ist eine organisatorische Einheit mit eigener personeller Leitung, innerhalb derer der Unternehmer mit seinen Arbeitnehmern unter Zuhilfenahme technischer und immaterieller Mit- tel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Es kommt wesentlich auf eine eigene institutionelle Leitung an, die die Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke steuert und dabei den Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich wahr- nimmt. Maßgebendes Kriterium ist die Entscheidung in mitbestimmungspflichtigen Angelegen- heiten. Eine organisatorische Einheit ist daher kein Betrieb, wenn dort die Arbeitgeberfunktio- nen im Bereich der personellen und sozialen Mitbestimmung nicht zumindest im Kern – sei es Stand: 21.06.2021 - 10 -
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