Forum Arbeit - Internationaler Bund
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02/2020 DAS MAGAZIN DER BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT ARBEIT E.V. Forum Arbeit ZUR SACHE Beschäftigungsträger in den Zeiten der Corona Pandemie MAGAZIN Nachrichten aus dem Verband TITEL Corona - Herausforderung und Chance? VOR ORT Lageberichte zu Corona VERANSTALTUNGSTIPPS Alle Seminare auf einen Blick NACHGEFRAGT bei Ute Alt Corona - Herausforderung und Chance?
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Inhalt Foto: Julia Baumgart Zur Sache Corona - Herausforderung Beschäftigungsträger in den Zeiten der und Chance? Corona-Pandemie 2 Sicherung der Handlungsfähigkeit von Gisela Pfeifer-Mellar Aufsichtsorgan und Gesellschafter-/ Mitgliederversammlung in der Corona-Pandemie 8 Magazin Prof. Dr. Stefan Schick Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf die duale Berufsausbildung 3 BiBB Vor Ort Corona-Pandemie: Warum die Zahl der Lageberichte zu Corona 10 Arbeitslosen gleichzeitig zu hoch und zu niedrig ist 5 O-Ton Arbeitsmarkt Veranstaltungstipps 44 Buch- und Filmtipp 5 Die Begeisterung für das Nachgefragt 46 Homeoffice wächst 6 Ute Alt bidt
Zur Sache Beschäftigungsträger in den Zeiten der Corona-Pandemie Unsere Autorin Gisela Pfeifer-Mellar ist Vorständin der bag arbeit und geschäftsführende Vorständin der Goldnetz gGmbH / e. V. in Berlin. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutsch- Die aktuellen Bestrebungen, Maßnahmen unter land sind Beschäftigungsträger mit der Situati- den gesetzlichen Auflagen wiederaufzunehmen, on konfrontiert, ihre Arbeit an die sich ständig werden von den Trägern unter Einhaltung aller ändernden Vorgaben und Bestimmungen im ar- Vorgaben zum Schutz der Teilnehmenden und beitsmarktpolitischen Dienstleistungssektor an- Beschäftigten umgesetzt. Die Abstands- und Hy- zupassen. gieneregeln ermöglichen jedoch nur eine Bele- Laufende Beschäftigungsmaßnahmen wurden gung der Räumlichkeiten, die teilweise weit un- Mitte März gestoppt, die Zahlungen auf unbe- ter 50% der üblichen Teilnehmeranzahl liegt. Es stimmte Zeit ausgesetzt, dies in den ersten Wo- gibt keine Lösung zur Finanzierung der Maßnah- chen ohne Aussicht auf eine Form der staatli- meumsetzung unter den Vorgaben der Eindäm- chen Unterstützung. mungsgesetze; gearbeitet wird mit alten Förder- Natürlich stand auch bei den Beschäftigungs- sätzen zu neuen Bedingungen. trägern die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden und Als BAG Vorstand bemühen wir uns auf verschie- Teilnehmenden an erster Stelle. Es wurde schnell denen Ebenen um Lösungen mit den Akteuren und professionell reagiert. Konzepte für Homeof- von Land und Bund. Dabei geht es jedoch nicht fice/ mobiles Arbeiten wurden umgesetzt, die nur um die aktuelle Situation, in der der wirt- technischen Voraussetzungen dafür geschaffen schaftliche Fortbestand einer m. E. durchaus und finanziert, Hygienepläne für Büros, Sozial- systemrelevanten Branche massiv gefährdet werkstätten, Fuhrparks erarbeitet, Digitalisierung wird. Alle Prognosen gehen von einem erhebli- der Beratungs-Angebote realisiert, Hotlines und chen Anstieg der Arbeitslosigkeit aus, jetzt eine soziale Unterstützungsnetzwerke eingerichtet. Infrastruktur zu beschädigen, die perspektivisch Möglich war und ist dies mit hochmotiviertem in viel größerem Umfang gebraucht werden wird, Personal, Mitarbeiter*innen, die mit Herzblut ist fahrlässig. und Engagement eine soziale Infrastruktur am Die verantwortlichen Akteure müssen sich der Leben halten, deren Aufgabe die gesellschaftli- Aufgabe stellen, die wirtschaftliche Sicherheit che Integration erwerbsloser Menschen ist. Ge- derjenigen zu sichern, die unser soziales Netz rade diesen Mitarbeiter*innen können wir jetzt maßgeblich mit knüpfen. Der Rettungsschirm ist keine berufliche Sicherheit mehr bieten. als Tool nicht ausreichend. Es braucht Ausfallgel- Denn es wird eng – auch mit Kurzarbeit und So- der für die gestoppten Maßnahmen, Konzepte zu dEG (Sozialdienstleister-Einsatzgesetz). So viel neuen Fördersätzen für Maßnahmen unter Coro- ist schon klar, der beschlossene Rettungsschirm na und Initiativen zum perspektivischen Ausbau fängt bei weitem nicht die Tag für Tag entstehen- des arbeitsmarktpolitischen Sektors, um die Fol- den Verluste auf; ob und in welchem Umfang Gel- gen dieser Krise aufzufangen. der fließen werden, dazu fehlen Erfahrungswerte. 2
Magazin Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf die duale Berufsausbildung Risiken, Konsequenzen und Handlungsnotwendigkeiten Welchen Einfluss haben die Corona-bedingten wirtschaftlichen Entwicklungen auf den Ausbildungs- markt? Dieser Frage geht das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in einer neuen Studie anhand einer Szenarien-Analyse nach und stellt Risiken, Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten vor. Die Ergebnisse wurden jetzt als Preprint veröffentlicht. Seit März 2020 hat das Corona-Virus (SARS- (HwO). Der Vorteil des dualen Systems, die enge CoV-2) Deutschland fest im Griff. Die Auswirkun- Kopplung der beruflichen Ausbildung an den gen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedarf der Wirtschaft, kann im wirtschaftlichen Leben sind enorm. Da es in nahezu ganz Europa Krisenfall dazu führen, dass weniger Jugendliche ähnliche wirtschaftliche Beschränkungen gibt dual ausgebildet werden. und somit Deutschlands wichtigste Handelspart- Vor diesem Hintergrund entwickelt das jetzt als ner gleichfalls betroffen sind, sind durch den Preprint erschienene BIBB-Studie „Auswirkun- „Lockdown“ sowohl Produktions- als auch Nach- gen der Corona-Krise auf die duale Berufsaus- frageausfälle zu erwarten. bildung – Risiken, Konsequenzen und Hand- Die Produktionsausfälle führen bei vielen Selbst- lungsnotwendigkeiten“ mögliche Szenarien zu ständigen und Angestellten zu Einkommensein- Ausbildungsstellenangebot und –nachfrage zum bußen. Betriebe klagen über einen unsicheren Stichtag 30.09.2020. Neben den allgemeinen Planungshorizont, veranlassen Kurzarbeit, ver- Prognosen zur Ausbildungsmarktentwicklung schieben Neueinstellungen oder müssen ihren wird dargelegt, welche Ausbildungsberufe und Beschäftigten kündigen. Zuletzt kann auch die welche Schulabgängergruppen durch die Coro- betriebliche Insolvenz drohen. na-Krise besonders betroffen sind. Basierend auf Die Konsequenzen, die Selbstständigen und diesen Überlegungen werden zudem Handlungs- Angestellten aufgrund eines fortschreitenden möglichkeiten für die Politik abgeleitet. Lockdowns drohen, übertragen sich auch auf (potenzielle) Auszubildende nach dem Berufsbil- dungsgesetz (BBiG) oder der Handwerksordnung Foto: Julia Baumgart 3
Magazin Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze In Krisenjahren suchen Jugendliche nach Aus- unvermittelten Bewerber/innen aber auch auf bildungsalternativen bis zu 97.900 Personen ansteigen. Die Entwicklungen aus bisherigen Krisenjahren machen deutlich, dass ein wirtschaftlicher Ein- Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben bruch die Bereitstellung an betrieblichen Ausbil- schlechtere Perspektiven als Studienberech- dungsplätzen in der Regel verringert. Allerdings tigte zeigt sich auch, dass Jugendliche die vergleichs- Weiterführende Branchenanalysen zeigen, dass weise schlechteren Ausbildungschancen antizi- durch die Corona-Krise vor allem Ausbildungs- pieren und sich nach Alternativen zu einer dualen plätze betroffen sind, die von Personen mit Ausbildung umschauen. Diese Ausbildungsalter- Hauptschulabschluss ergriffen werden und weni- nativen ergeben sich insbesondere für studien- ger von Studienberechtigten. Dies weist darauf berechtigte Jugendliche. hin, dass die Zahl der unvermittelten Bewerber stärker ansteigen könnte als es sich durch die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungs- ökonometrischen Schätzungen ergibt, denn die- verträge sinkt 2020 voraussichtlich unter se Jugendlichen haben weniger Optionen für al- 500.000 ternative Ausbildungswege. Es ist deshalb zu hin- Die mit diesem Papier vorgestellten Szenari- terfragen, wie die erfolgreiche Suche nach einer en-Analysen zeigen, dass die Zahl der neu abge- betrieblichen Berufsausbildung für Jugendliche schlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2020 ohne und mit Hauptschulabschluss unterstützt voraussichtlich weniger als 500.000 Neuab- werden könnte. schlüsse betragen wird und damit mindestens 25.000 weniger als im Jahr 2019. Je mehr der, Besondere Unterstützungsleistungen für Be- voraussichtlich besser qualifizierten, Jugendli- triebe in besonders betroffenen Branchen chen ihr Ausbildungsinteresse zurücknehmen, Um einen starken Rückgang der neu abgeschlos- desto weniger Ausbildungsverträge werden zu- senen Ausbildungsverträge zu verhindern, müss- stande kommen und desto eher werden auch Be- ten Betriebe in besonders betroffenen Branchen setzungsprobleme für Betriebe wahrscheinlich. unterstützt werden, für die keine Nachholeffekte Bei einem Rückgang des Wirtschaftswachstums in der „Post-Corona-Zeit“ erwartet werden. Hier- um 7 Prozent und einem gleichzeitigen Rück- zu zählt beispielsweise das „Gastgewerbe“ oder gang des Nachfragepotenzials könnte die Zahl „Sport und Tourismus“. der Neuabschlüsse unter Berücksichtigung von Schätzunsicherheiten auch auf bis zu 460.000 Ausbildungsbemühungen von Betrieben in Verträge fallen. Bei einem Wirtschaftseinbruch Krisenzeiten müssen honoriert werden im zweistelligen Prozentbereich wird die Zahl Bei finanziellen Soforthilfen sollten Ausbildungs- der Neuabschlüsse aller Voraussicht nach unter bemühungen von Betrieben besonders honoriert 460.000 Verträgen liegen. werden, da sie zu einer notwendigen langfristi- gen Fachkräftesicherung beitragen. Insbesonde- Zahl der unvermittelten Ausbildungsplatzbe- re das erste Ausbildungsjahr ist von betrieblicher werber/innen steigt an Seite mit hohen Aufwänden verbunden. Wenn Die Zahl der unvermittelten Bewerber/innen Betriebe aber auch in der Krisenzeit ihr Ausbil- für eine Berufsausbildung könnte bei einem un- dungsengagement beibehalten und den Jugend- verminderten Ausbildungsinteresse und bis zu lichen eine langfristige berufliche Perspektive 7 Prozent Wachstumsverlust maximal 89.700 verdeutlichen können, gelingt es auch eher das Personen betragen und damit 16.000 mehr als Ausbildungsinteresse von Jugendlichen aufrecht- im Jahr 2019. Ziehen die Jugendlichen ihr Ausbil- zuerhalten. dungsinteresse antizipativ zurück, wäre die Zahl der unvermittelten Bewerber/innen um rund Die Studie des Bundesinstitut für Berufsbildung 1.200 Personen geringer. Bei einem Wachstum- (BIBB) könne Sie hier abrufen: seinbruch von 11,2 Prozent, könnte die Zahl der https://lit.bibb.de/vufind/Record/DS-184938 4
Magazin Corona-Pandemie: Warum die Zahl der Arbeitslosen gleichzeitig zu hoch und zu niedrig ist O-Ton Arbeitsmarkt Im April 2020 ist die Zahl der Arbeitslosen auf 2,64 Millionen gestiegen. Das sind 308.000 Arbeitslose mehr als noch im Vormonat. Weil die Zahl der Arbeitslosen jedoch einer engen gesetzlichen Definition und statistischen Erhebungsmethoden unterliegt, bildet sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie nur lückenhaft ab. Buchtipp Filmtipp Die Psyche in Zeiten der Corona-Krise Unorthodox Robert Bering und Deutschland, USA Christiane Eichenberg Die Autor*innen diskutieren Das Drama Unorthodox ist psychotherapeutische Inno- eine vierteilige deutsche Mi- vationen, die für die gegen- niserie von Anna Winger und wärtige Akutsituation drin- erzählt die Geschichte einer gend benötigt werden. ultraorthodoxen Jüdin, die Im ersten Teil beschäftigt sich das Buch mit Mo- aus ihrer arrangierten Ehe von New York nach Ber- dellen der psychosozialen Notfallversorgung und lin flieht, um dort eine neues und selbstbestimmtes deren Anpassung auf die gegenwärtige Pande- Leben zu beginnen. mie-Situation, im zweiten Teil diskutieren sie Mög- lichkeiten der online-Psychotherapie und anderer digitaler Interventionsangeboten. Im dritten Teil werden Therapieansätze u.a. für die Zielgruppen Alleinerziehende, alte Menschen oder die große Gruppe der helfenden Berufe vorgestellt. 5
Magazin Gemeinnützigkeitsrecht und Corona Prof. Dr. Stefan Schick Versammlungen sind unter erschwerten Bedingungen möglich, Aufsichtsräte, Mitglieder- und Gesellschaf- terversammlungen müssen handlungsfähig bleiben. Der Gesetzgeber hat befristete Notlösungen geschaf- fen. Aufsichtsorgane sind bei den wesentlichen Organisationsformen in der Sozialwirtschaft (Stiftungen, Vereine, GmbHs) i.d.R. nicht zwingend, aber zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Organisation sinn- voll. Das Hauptorgan (Mitgliederversammlung bei Vereinen, Gesellschafterversammlung bei GmbHs) trifft die grundlegenden Entscheidungen. Die Sicherung der Handlungsfähigkeit hat hohe Priorität. Mit Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungsei- gentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27.3.2020 (GesRuaCOV- BekG) wurden befristete „Notregelungen“ getroffen. Es stellt sich die Frage, ob diese ausreichen und ob Handlungsbedarf „für die Zeit danach“ besteht. Handlungsfähigkeit des Aufsichtsorgans Handlungsfähigkeit des Hauptorgans Da das Vereins- und Stiftungsrecht zur Siche- Wie bei Ausübung des Stimmrechts in Aufsichts- rung der Handlungsfähigkeit des Aufsichtsorgans räten können auch für Mitglieder- und Gesellschaf- keine Regelungen enthält, sollte dies in der Sat- terversammlungen Vollmachten erteilt werden, zung geregelt werden. So kann ein zahlenmäßiger wenn dies in der Satzung ausdrücklich vorgesehen Rahmen für die Zusammensetzung des Aufsichts- ist. organs vorgesehen werden („… hat mindestens Für Vereine enthält das GesRuaCOVBekG in § 5 x und höchstens y Mitglieder, die von z bestellt Abs. 2 Nr. 1 eine Sonderregelung. Danach können werden.“). Sinnvoll sind auch Regelungen für die Mitglieder ihr Stimmrecht auch dadurch ausüben, Willensbildung, wie die Bevollmächtigung anderer dass sie ihre Stimme vor der Mitgliederversamm- Aufsichtsratsmitglieder. lung schriftlich abgeben. Hier reicht die Stimmab- Denkbar sind weiter Beschlüsse im Umlaufverfah- gabe in Textform (auch Mail oder SMS) nicht aus. ren und in Telefon- oder Videokonferenzen. Der Vorstand kann es ferner den Mitgliedern „er- Noch ungeklärt ist, ob die für Mitglieder- und Ge- möglichen“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 GesRuaCOVBekG), sellschafterversammlungen geltenden Regelungen ihre Mitgliedschaftsrechte in der Mitgliederver- des GesRuaCOVBekG (diese enthalten Regelun- sammlung im Wege der elektronischen Kommuni- gen zu Beschlüssen im Umlaufverfahren und der kation auszuüben. Einzelheiten, wie dies zu erfolgen Stimmrechtsausübung im Wege der elektroni- hat, enthält das Gesetz nicht. Damit „ermöglicht“ schen Kommunikation, vgl. dazu unten) auf Auf- diese Bestimmung zwar die Ausübung der Stimm- sichtsorgane übertragbar sind. Enthält die Satzung rechte im Wege der elektronischen Kommunikati- keine ausdrückliche Regelung, so ist im Hinblick on; eine Mitgliederversammlung muss aber nach auf die bestehende Rechtsunsicherheit unbedingt dem Gesetzeswortlaut dennoch stattfinden. Ob zu empfehlen, dass alle Mitglieder des Aufsichts- darauf zugunsten einer „ganz virtuellen“ Mitglie- organs dem gewählten Verfahren ausdrücklich zu- derversammlung verzichtet werden kann, ist nicht stimmen. abschließend geklärt. Daher sollte ggf. der Vorstand eine Mitgliederver- sammlung veranstalten und die Vereinsmitglieder im Wege der elektronischen Kommunikation zu- schalten. 8
Folge: es ist grundsätzlich nach den in der Satzung vorgesehenen Regelungen zur Mitgliederversamm- lung einzuladen. Um den Mitgliedern die Entschei- dung zu ermöglichen, ob sie persönlich oder nur virtuell teilnehmen, muss m.E. der Vorstand in der Einladung nicht nur darauf hinweisen, dass die Möglichkeit besteht, sondern auch die techni- schen Voraussetzungen benennen, die dafür beim Mitglied erfüllt sein müssen. Weitere, gesetzlich nicht geregelte Fragen sind die nach der Feststellung der Anwesenheit der Prof. Dr. Stefan Schick ist Rechtsanwalt/ Vereinsmitglieder und der Protokollierung von Ab- Fachanwalt für Steuerrecht bei Schick und stimmungsergebnissen. Dies ist davon abhängig, Schaudt Rechtsanwälte in Stuttgart welche technischen Möglichkeiten das eingesetz- te elektronische Programm bietet. Die Ergebnis- se sind in einem Protokoll festzustellen, das sich Fazit ggf. auf ein elektronisches Abstimmungsprotokoll Die Regelungen des GesRuaCOVBekG zur Aus- stützt. übung der Mitgliedschaftsrechte im Wege der Für Mitgliederbeschlüsse ohne Durchführung ei- elektronischen Kommunikation und der Fassung ner Mitgliederversammlung enthält § 5 Abs. 3 von Umlaufbeschlüssen können Ansatzpunkte für GesRuaCOVBekG eine Sonderregelung: danach dauerhafte Satzungsbestimmungen bieten. Dabei können Beschlüsse auch dann in Textform gefasst dürfen Mitglieder- / Gesellschafterrechte nicht werden, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis unangemessen eingeschränkt werden. Es ist zu zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens gewährleisten, dass kein Mitglied von der Stimm- die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform rechtsausübung ausgeschlossen wird, weil es die abgegeben haben (hier reicht also im Gegensatz technischen Anforderungen an die elektronische zur schriftlichen Stimmabgabe vor der Mitglieder- Kommunikation nicht erfüllt. Bei Umlaufverfahren versammlung auch eine Mail oder eine SMS) und muss sichergestellt werden, dass die für eine sach- der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit ge- gerechte Entscheidung erforderliche Diskussion in fasst wurde. Die Länge der Frist sollte sich an der einer Mitglieder- oder Gesellschafterversammlung Frist für die Einberufung einer Mitgliederversamm- möglich ist, wenn dies die Mitglieder / Gesell- lung orientieren. schafter für erforderlich halten. Für GmbHs bestimmt § 2 GesRuaCOVBekG nur, dass Beschlüsse in Textform oder durch schriftli- che Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständ- Ein weiterführender Artikel von Prof. Dr. nis aller Gesellschafter gefasst werden können Stefan Schick erscheint unter dem Titel: (dieses ist ohne diese Sonderregelung erforder- Corporate Governance: Rechtssicher han- deln in der Krise in der Zeitschrift SOZIAL- lich). Bei der Beschlussfassung der Gesellschafter wirtschaft 5/2020. der GmbH bleibt indes völlig offen, wie hoch das Quorum bezüglich der Beteiligung der Gesellschaf- https://www.sozialwirtschaft.nomos.de/ ter an der Abstimmung und / oder der Zustimmung zu den zu fassenden Beschlüssen sein muss. Die Regelungen des GesRuaCOVBekG sind bis zum 31.12.2020 befristet. 9
Vor Ort Lageberichte zu Corona Die Corona-Krise hat für viele unserer Unternehmen die Welt auf den Kopf gestellt: Maßnahmen, die nicht weiterlaufen konnten, Teilnehmer*innen, die gerne weiterarbeiten wollten, Umsatzrückgänge und neuartige Hygienevorschriften. Viele Herausforderungen mussten und müssen jeden Tag bewäl- tigt werden. Gleichzeitig berichten unsere Mitglieder aber auch von einem neuen Gemeinschaftssinn, viel Solidarität und geteilter Freude, wenn mal wieder mit viel Kreativität und Engagement Lösungen vor Ort gefunden werden konnten. Nachfolgend einige Erlebnis- und Lageberichte, die wir (die Redak- tion) sehr gerne gelesen haben. Berlin Hannover Bielefeld Dortmund Kassel Mönchengladbach Alfter Koblenz Frankfurt/Main Würzburg Erlangen Heidelberg Ettlingen Stuttgart Aalen Pforzheim Reutlingen 10
Vor Ort BADEN-WÜRTTEMBERG AJO e.V. in Aalen Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? Die Mitarbeiter*innen arbeiten fast alle im Homeof- fice und haben ihre teilnehmerbezogene Arbeit auf Telefon und/oder Online-Tools umgestellt. Die Teil- nehmenden unserer Projekte erreichen wir damit Was bleibt hoffentlich nach der Krise? sehr gut. Da wir einen Schwerpunkt auf der frau- Die Einsicht bei den Mitarbeiter*innen, dass di- enspezifischen Integrationsarbeit haben, sind die gitale Tools auch in der pädagogischen und psy- Teilnehmer*innen mit ihren Kindern zuhause und chosozialen Arbeit sinnvoll und machbar sind und sehr froh darüber, dass wir uns mindestens wö- hoffentlich weitere Anwendung und Professionali- chentlich mit ihnen in Verbindung setzen. Die Ar- sierung erfahren. beitsinhalte reichen von Information über Covid 19 über Hilfestellung beim Unterrichten und Beschäf- Was wünschen Sie sich von der Politik? tigen der Kinder bis zu psychosozialer Aufbauarbeit Wertschätzung und Verlässlichkeit. Da es vermut- und der Entwicklung von Perspektiven. Unsere lich bei diesem Wunsch bleiben wird, überlegen wir Telefonkosten sind entsprechend gestiegen. Alle uns, wie wir perspektivisch mit der Gemeinnützig- Maßnahmen laufen weiter und werden finanziert. keit umgehen werden. Was sind die aktuellen Herausforderungen? Wie können die Mitarbeiter*innen und Teilneh- mer*innen geschützt werden und wie ist eine suk- zessive Rückkehr zum Normalbetrieb machbar? Welche Tools und Methodik setzen wir ein, um die Gruppeninhalte weiterhin anbieten zu können? Wie kann die Akquise von Teilnehmer*innen gelingen? Was hat sie positiv überrascht? Alle Auftraggeber/Fördermittelgeber führen die Maßnahmen und Projekte weiter, ein Wegfall der Finanzierung stand zu keiner Zeit im Raum. Petra Walter ist geschäftsführende Vor- ständin der Aktion Jugendberufshilfe im Ostalbkreis (AJO) e.V. in Aalen. www.ajoev.com Foto: Pexels 11
Vor Ort BEQUA in Ettlingen Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? • Seit dem 16.03.2020 setzt die BEQUA die angeordneten Beschränkungen und den er- höhten Gesundheitsschutz für den gesamten Geschäftsbetrieb um. Die pandemiebedingte • Kündigungen sind aktuell noch nicht erforder- Entwicklung in den einzelnen Bereichen ist lich bzw. wird die BEQUA alles Notwendige tun, unterschiedlich. So ist beispielsweise der Be- um Kündigungen auf Grund der COVID-19 Pan- trieb der Kleider- und Möbelbörse seit dem demie zu vermeiden (z.B. Kurzarbeit). 16.03.2020 eingestellt. Die anderen gemein- • Seit 12.05.20 fährt die BEQUA den Betrieb in nützigen Arbeitsgruppen sind im Schnitt mas- den Arbeitsgruppen schrittweise unter stren- siv auf 25 % reduziert. Der Reinigungsbereich ger Einhaltung der Arbeitsschutzverordnungen der BEQUA wiederum arbeitet in Volllast. unter Covid 19 wieder hoch, um den Menschen • Alle Maßnahmen im Auftrag des JC haben sich in einem geförderten Arbeitsvertrag und unse- komplett verändert. Die AGH wurde komplett ren Mitarbeitenden mit Behinderung wieder ein ausgesetzt, die Beratungen über AVGS SGB III konkretes Arbeitsangebot machen zu können. wurden, soweit möglich, auf telefonisch umge- Dies bedeutet, dass die Arbeitsgruppen mit stellt. Die digitalen Beratungsangebote können einer Besetzung von 50 % Arbeitsaufträge er- nicht im üblichen und geplanten Umfang um- ledigen. gesetzt werden, sondern haben sich im Monat • AGH sind bis auf weiteres nach dem Ermes- April auf 50 % reduziert, in einzelnen Berei- senspielraum des JC Karlsruhe ausgesetzt. chen sogar auf 5 %. Hier ist mit einem weite- ren Rückgang zu rechnen, da der telefonische Beratungskontakt mit zunehmender Zeitdauer nicht mehr in gleichem Umfang gehalten wer- den kann. • Für einen großen Teil der Beschäftigten wurde im April Kurzarbeit angemeldet. Dies betrifft Bereiche, die nicht oder nicht im üblichen Um- fang arbeiten können, wie z.B. Teile der Ver- waltung, der Sozialberatung, Mitarbeitende in geförderten Arbeitsverträgen, Mitarbeiter mit Behinderung im Programm „Arbeit Inklusiv“ sowie Mitarbeiter mit und ohne Behinderung in der Inklusionsabteilung. Foto: Outlaw Kassel 12
Vor Ort Foto: Neue Arbeit Was sind die aktuellen Herausforderungen? • Die Reintegration der AGH Kräfte in die BEQUA das Fehlen einer Tagesstruktur der Bedarf an unter Einhaltung der Covid 19 Arbeitsschutzbe- Sozialberatung eher steigt. Viele Menschen stimmungen und unter Einhaltung der Distanz- befinden sich durch die veränderte Situation regelung wird insbesondere in der Kleider- und in einer persönlichen Krisensituation bis hin zu Möbelbörse eine große Herausforderung. psychischen Auffälligkeiten. • Wie mittelfristig manche Arbeitsaufträge unter • Die Dienstleistungen im gemeinnützigen Be- Einhaltung der Distanzregeln erledigt werden reich können durch die arbeitsschutzgerechte können, ist noch offen, z.B. Umzüge für das Größe der Arbeitsgruppen unter Wahrung des Sozialamt. Distanzgebotes nicht in gleichen Umfang er- • Die telefonische Beratung für Langzeitarbeits- bracht werden. lose mit multiplen Vermittlungshemmnissen • Durch die schrittweise Steigerung der Perso- über AVGS wird zunehmend schwieriger. Die nen, die in unserem Unternehmen präsent Motivation der Kunden für die telefonische sind, steigt das Risiko einer Corona-Infektion Beratung sinkt mit zunehmender Dauer der mit einer ggf. nachfolgenden Quarantäne von ausschließlich telefonischen Beratung. Ausge- Betriebsteilen mit entsprechenden Konse- laufene AVGS-Maßnahmen können nicht durch quenzen. neue ersetzt werden, da ohne vorherigen Be- • In welchem Umfang die wirtschaftlichen ziehungsaufbau ein Neustart von Beratung Folgen mittelfristig bewältigt werden kön- massiv erschwert ist. Gleichzeitig muss fest- nen und müssen, bleibt noch abzuwarten. gehalten werden, dass durch die Vereinzelung und Vereinsamung durch die Distanzregeln und 13
Vor Ort Was hat Sie positiv überrascht? • • Die Interessenvertretung gegenüber der Politik • Auch wir als Sozialunternehmen mussten un- durch die BAG ist sehr gut und kompetent. Der sere Arbeitsweise der Krise anpassen. Virtuelle Informationsfluss ist hier sehr transparent und Besprechungen haben wir jetzt neu als Arbeits- zeitnah. Das ist eine gute und hilfreiche Unter- form genutzt. Das sollten wir weiterhin für un- stützung für uns als Sozialunternehmen. sere Arbeit einsetzen. • Die gesetzliche Unterstützung durch das So- dEG gibt trotz aller Herausforderungen eine Was wünschen Sie sich von der Politik? gewisse Sicherheit, wenn jetzt auch eine ent- • Die Wertschätzung und die entsprechende sprechende Umsetzung erfolgt. finanzielle Unterstützung sozialer Dienstleis- • Alle Beteiligten in unserem Betrieb bringen sich tungen durch die Politik ist sehr wesentlich. gut ein und leisten ihren Beitrag, damit die Co- Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit ronakrise gut bewältigt werden kann. die Unternehmen und Beschäftigten in diesem Bereich gut ihrem gesellschaftlichen Auftrag Was bleibt hoffentlich nach der Krise? nachkommen können. • Die Krise hat sehr deutlich gemacht, dass so- ziale Dienstleistungen von der Pflege bis hin zur sozialen Unterstützung von Menschen un- verzichtbare und wichtige Bestandteile unse- Ulrich Max ist Geschäfts- führer der BEQUA gGmbH res gesellschaftlichen Funktionierens sind. Es wäre sehr zu wünschen, dass die Wertschät- www.bequa-ggmbh.de zung auch nach der Krise bestehen bleibt und sich diese nicht nur verbal sondern auch ganz konkret äußert. Foto: Unsplash 14
Vor Ort GJB in Stuttgart Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? Nach dem ersten Schock stand nur die Frage im Raum, Kurzarbeit machen oder einen Weg finden, wie man dennoch arbeiten kann. Uns war auch schnell klar, ein alternatives Arbeiten ist möglich Michael Maier ist Geschäftsführer der von zu Hause aus. Technisch sind wir seit Jahren Gesellschaft für Jugendsozialarbeit und darauf vorbereitet gewesen, auch wenn wir es nicht Bildungsförderung e.V. (GJB) in Stuttgart. angeboten hatten. Das hat ja auch nie jemand ge- www.ulmer-strasse.de zahlt. Unsere Sorge war, wenn wir nun die Arbeit einstellen, sind unsere Teilnehmer verloren und da- mit unsere Kunden. Das später wieder einfangen Was hat sie positiv überrascht? war für uns nicht vorstellbar. Kurzarbeit stand nie Die Dankbarkeit der Teilnehmer, dass man sie nicht im Raum. Denn finanziell ist es wohl „billiger“, ak- vergisst. Der Preis für die Firma dafür aber ist sehr tuell Mehrkosten zu haben wegen der Umstellung hoch. Es wird eine neue Art der Arbeit kommen, auf Homeoffice als am Ende laufende Nebenkosten „Agiles Arbeiten der Sozialpädagogen“. und Kurzarbeit. Wir arbeiten alle, im Homeoffice und auf Abstand, aber das kostet zu organisieren Was bleibt hoffentlich nach der Krise? viel Geld. Die Büros sind leer und die Koordination Ein Umdenken mit der Sozialpolitik, der Finanzie- wird schwerer, aber es geht. rung. Ein Beispiel ist die Soforthilfe, hier des Lan- des BW. Die 30.000 EUR, die Firmen bis 50 MA bekommen könnten, wurden innerhalb von Tagen Was sind die aktuellen Herausforderungen? auf den Weg gebracht. SODEG wurde bis ins letzte Zu wissen, wie wird man finanziert. Wir hatten un- Eck durchdiskutiert. Damit auch ja keiner zu viel verzüglich den Antrag auf alternative Maßnahme bekommt. gestellt samt Hygienekonzept, der SODEG Antrag kam ja erst viel später. Also arbeitet man auf Risi- Was wünschen Sie sich von der Politik? ko… ohne zu wissen, was bekommt man am Ende. Ein Umdenken im Umgang mit uns. Adäquate Fi- nanzierung. Wertschätzung. Foto: Pexels 15
Vor Ort Heidelberger Dienste in Heidelberg Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? • Umstellung auf Homeoffice, die Mehrheit der Mitarbeiter arbeiten nicht mehr im Büro. Was bleibt hoffentlich nach der Krise? • Besprechungen finden über Videokonferenzen • Innovationsfähigkeit statt, bzw. Chats über Microsoft Teams. • Kollegiales Miteinander • Projekte stehen still oder müssen umstruktu- • Bereitschaft Technik zu nutzen riert werden. • Anerkennung für manche Ausbildungsberufe, • Beratungsgespräche erfolgen über Skype etc. wie z.B. Pflegekräfte, Einzelhandel • Arbeitsbereiche mit Kundenverkehr mussten • Neue Wertschätzung unserer Dienstleistungen geschlossen werden z.B. Betreiben der Recyclinghöfe, Reinigung • Mitarbeiter im gewerblichen Bereich konnten der öffentlichen Toiletten nicht in ihren üblichen Tätigkeitsbereichen ein- gesetzt werde, es mussten alternative Einsatz- Was wünschen Sie sich von der Politik? möglichkeiten gefunden werden • Mehr Pragmatismus und weniger Bürokratie • Die Bedürfnisse der von der Krise Betroffenen Was sind die aktuellen Herausforderungen? im Auge behalten • Technische Herausforderungen bei der Umstel- • Neu Förderinstrumente für die große Zahle der lung auf virtuelle Kommunikation Arbeitslosen ohne stringente Zugangsvoraus- • Kommunikation mit dem Jobcenter setzungen • Sich regelmäßig ändernde Rahmenbedingun- gen bezogen auf den Arbeitsmarkt anpassen • Schwierigkeiten bei Personalentwicklung und Mitarbeiterführung bei Mitarbeiter mit Familien sowie Alleinerziehende • Liquidität - Welche Leistungen könne weiterge- führt werden • Finanzielle Entwicklung • Bedürfnisse und Bedarfe der Kunden im Blick behalten • Kollegialer Austausch • Gesundheitliche Situation • Was hat sie positiv überrascht? • Flexibilität und Kollegialität der Mitarbeiter • Verständnisvoller Umgang mit der Situation • Gemeinschaftssinn • Wie viel trotz eingeschränkter Möglichkeiten umgesetzt werden kann • Schnelle Umstellung der Mitarbeiter auf neue Arbeitsbedingungen, wie z.B. Homeoffice, vir- tuelles Klassenzimmer etc. • Bereitschaft neue Techniken zu nutzen Foto: Pexels Wolfgang Schütte ist Geschäftsführer der Heidelberger Dienste in Heidelberg. www.hddienste.de 16
Vor Ort Q-Prints in Pforzheim Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? Die Veränderungen haben sich auf unterschiedli- chen Ebenen abgespielt, die ich mal als gravierend bezeichnen möchte. Zunächst mussten wir unsere Gastbetriebe und unseren Kopier-und Druckshop schließen. Damit einhergehend war die sofortige Anmeldung zur Kurzarbeit von ca. einem Viertel der Belegschaft und alle Projektteilnehmenden Ute Hötzer ist Geschäftsführerin wurden nach Hause geschickt. der Q-PRINTS&SERVICE gGMBH Viele Maßnahmen und Projekte wurden mit den in Pforzheim. sogenannten anderen Lernformen umgesetzt, was www.q-printsandservice.de u.a. zu einen Quantensprung im Bereich der Digita- lisierung geführt hat. Unsere Mitarbeitenden haben sehr engagiert den Was sind die aktuellen Herausforderungen? Kontakt zu den Teilnehmenden über alle möglichen Da wir weder reiner Wirtschaftsbetrieb, noch reiner „Kanäle“ genutzt und konnten viele persönliche Kri- Maßnahmebetrieb sind, versuchen wir zwischen sen einigermaßen auffangen. Trotzdem war irgend- diesen Welten einen Weg zu finden, das ökonomi- wann nach vier Wochen ein Punkt erreicht, wo uns sche Gleichgewicht zu halten. klar war, das darf nicht mehr lange so weitergehen. Die Gastbetriebe sind wieder geöffnet aber die Um- Eine Mutter, die uns gesagt hat, sie trinkt schon sätze bleiben noch weit hinter den Vergleichsum- ab 12:00 Uhr mittags, sonst schlägt sie ihre Kinder sätzen des Vorjahres. und viele anderen Geschichten, die uns veranlasst Als Beschäftigungsträger fallen wir ziem- haben, uns für eine Wiedereröffnung der Projekte lich durch die Raster der Förderlogiken. Dar- und vor allem der AGH stark zu machen. in besteht aktuell die größte Herausforderung. Auf der finanziellen und Leistungsebene haben wir uns täglich mit neuen Vorgaben, Weisungen etc. befasst und damit sind wir noch lange nicht fertig. Foto: q-prints 17
Vor Ort Foto: q-prints Was hat sie positiv überrascht? Was bleibt hoffentlich nach der Krise? Unsere Teilnehmenden haben uns teilweise sehr Eine gute Mischung zwischen digitalen und analo- überrascht mit Aussagen, wie „ ich wusste gar gen Veranstaltungsformen. nicht, wie wichtig mir die Beschäftigung im Q ist“ und große Dankbarkeit von dieser Seite, dafür dass Was wünschen Sie sich von der Politik? wir uns gekümmert haben. Ganz klar Förderstrukturen, die nachhaltig und Positiv war auch, dass z.B. Katja Mast (MdB) aktiv tragfähig sind. Corona hat im Brennglas gezeigt, auf uns zugekommen ist und gefragt hat, wo der was eigentlich überhaupt nicht funktioniert. Wenn Schuh drückt. Die zeitnahen Informationen und unsere Arbeit ist, sinnstiftende Beschäftigung Stellungsnahmen BAG Arbeit gehören ebenso mit für arbeitslose Menschen zu schaffen, Qualifizie- dazu wie die Ministerien, die ESF Projekte fördern rungs- und Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten, und große Empathie mit den Trägern bewiesen ha- Sprachkurse durchzuführen und persönliche und ben. berufliche Ressourcen zu stärken, dann sollte grundlegend über Förderstrukturen nachgedacht werden. Unsere Beschäftigungsbetriebe brauchen eine Infrastrukturförderung. Und vielleicht sollte man sich wieder mehr Richtung Zuwendungsrecht bewegen und manche Vergabemaßnahme einfach bleiben lassen. Die Politik sollte überprüfen, ob ihre oft guten In- itiativen, von ihren Behörden in ihrem Sinne um- gesetzt werden und sie sollten der zunehmenden Bürokratisierung, mehr Vertrauen in unsere Arbeit entgegen setzen. Foto: q-prints 18
Vor Ort ridaf in Reutlingen Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? Seit Corona, d.h. seit dem Lockdown gibt es kei- nen Arbeitstag mehr, der auch nur den Anschein von Normalität hat. Ausfälle wegen fehlender Kin- derbetreuung, zeitweilig Homeoffice oder kurz- fristige Auftragsstornierungen erschweren oder verhindern jegliche Planung, die wiederum Voraus- setzung für objektive und empfundene Kontinuität und Sicherheit ist. Was sind die aktuellen Herausforderungen? Die größte Herausforderung besteht darin, die Zeit nach Corona im Blick zu behalten. In dem Maße nämlich, wie sich das „Fahren auf Sicht“ im Krisen- Dr. Wolfgang Grulke ist Geschäftsführer modus verstetigt, wächst die Gefahr, die eigene Ein- ridaf Reutlingen gGmbH. richtung als „Sozialfall“ und nicht als Sozialdienst- www.ridaf.org leister mit spezifischen Aufträgen zu betrachten. Was hat sie positiv überrascht? Was wünschen Sie sich von der Politik? Überraschend war die schnelle Einsicht der Kolle- Sollte die Erkenntnis, dass die Mitmenschlichkeit ginnen und Kollegen in die Notwendigkeit der Ab- jederzeit über den scheinbar alternativlosen öko- kehr von bis dahin als unverzichtbar angesehenen nomischen Verwertungszwängen steht, für die Po- Verhaltensweisen und Verfahren eines professio- litik auch nach Corona handlungsleitend bleiben, nell agierenden Sozialdienstleisters, die den Raum wären wir dem Ziel eines sozialen und demokra- für neue Formen der Kooperation und Interaktion tischen Gemeinwesens einen guten Schritt näher öffnete. gekommen. Was bleibt hoffentlich nach der Krise? Wenn die neuen Wege zur Aufgabenerfüllung, die jetzt gezwungenermaßen eingeschlagen werden mussten, geöffnet bleiben, haben wir im Vergleich zur Zeit vor Corona erweiterte Handlungsmöglich- keiten, die letztlich als optimierte Kundenorientie- rung wirken. Foto: ridaf Reutlingen Foto: ridaf Reutlingen 19
Vor Ort NEUE ARBEIT in Stuttgart Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? Bei uns in den Unternehmen hat der Lockdown nicht zur Schließung aller Bereiche geführt. Durch Was hat sie positiv überrascht? die zahlreichen Lebensmittelmärkte in der Inklusi- Arbeitshilfeträger haben schon immer im Vergleich onsfirma und die vielen Tafeln haben wir struktur- zu anderen Hilfefeldern aufgrund der bestehenden relevante Bereiche gehabt, die neben der indust- Rahmenbedingungen eine flexible und krisener- riellen Fertigung geöffnet waren. Es war teilweise probte Struktur. Ohne ein gewisses Maß an Krisen- schwer diese zu organisieren, da auch dort viele festigkeit geht das Arbeiten nicht. Meist arbeiten in Menschen waren, die zur Risikogruppe gehören. dem Bereich überwiegend Menschen, die besser Für mich persönlich hat die Krise einerseits viel mit Unsicherheiten umgehen können als andere. mehr Präsenz in den operativen Bereichen bedeu- Mich hat in der Corona Krise überrascht, dass es tet. Ich finde, geführt wird von vorne und Führung wirklich so ist. Für mich war es beeindruckend, wie muss in Krisensituationen gut sichtbar und an- schnell sich die einzelnen Träger organisiert haben sprechbar sein. Andererseits habe ich so viel te- und wie die Mitarbeitenden mitgezogen haben. lefoniert und Videochats gehabt wie noch nie in Auch in der Verbandslandschaft war dieser Bereich meinem Leben. für mich wahrnehmbar schnell und vor allem zielge- richtet organisiert. Was sind die aktuellen Herausforderungen? Wir haben einen Dreiklang gesehen: Gesundheit der Teilnehmenden und Mitarbeitenden schützen, Liquidität und Ergebnis sichern, Zukunft im Blick behalten. In diesen drei Aufgaben stecken die Herausforderungen. Was natürlich nicht fehlen darf: allen (Stakehol- dern, Partnern und Mitarbeitenden) die Situation erklären, deutlich machen wie die Einschätzung ist und warum welche teilweise einschneidenden Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Wir haben in der Krise an alle in der Unterneh- mensgruppe teilweise drei Mal die Woche in den Hochzeiten Kurzmitteilungen versandt. Dort den richtigen Ton zu treffen war eine Herausforderung Foto: Neue Arbeit an sich. Es bewegte sich zwischen situationsbe- schreibend und nach „vorne blickend“. Mittlerweile sind der Gesundheitsschutz und die Umsetzung von weitergehenden Hygienemaßnah- men schon lange abgeschlossen, die Sicherung der Liquidität und des Ergebnisses stehen seit ei- niger Zeit an erster Stelle. Zurzeit tritt die Heraus- forderung „Zukunft sichern“ in den Vordergrund – wir fahren das Unternehmen wieder hoch. Foto: Neue Arbeit 20
Vor Ort Was bleibt hoffentlich nach der Krise? In Krisen rücken die Menschen zusammen, um diese bewältigen zu können. Dieses Zusammen- rücken schafft Stärke. Es treten Nichtigkeiten und der Selbstbezug in den Hintergrund. Wenn die Kri- se vorbei ist, werden diese Nichtigkeiten oft wieder bedeutsam. Mit einem größeren Abstand gelingt es vielleicht, die Priorität dauerhaft auf die zu lö- senden Probleme zu legen. Dazu gehört auch der achtsame Umgang miteinander. Wenn es gelingt, Marc Hentschke, geschäfts- zu begreifen, dass wir wie eine Kette sind, bei dem führender Vorstand der bag die Festigkeit des Ganzen von schwächsten Glied arbeit und Geschäftsführer abhängt und nicht zu dem Bild zurückkommen: der Neuen Arbeit Stuttgart. „Wenn jeder an sich selber denkt ist an alle ge- www.neuearbeit.de dacht“ dann haben wir viel gelernt aus der Krise. Ich würde mir wünschen hier mehr Klarheit zu be- kommen. Es ist schwierig immer von Partnerschaft und Systemrelevanz zu hören (das natürlich auch gerne) und dann die harten Umsetzungen in einem Nachfragemonpol (Monopson) zu erleben. Das passt nicht und schafft Frustation auf beiden Sei- ten. Was wir eigentlich schon lange wussten, ha- ben wir nochmals vor Augen geführt bekommen. Wir bewegen uns mit unseren Angeboten in einem Monopson, in dem wir kaum Einfluss haben. Ich wünsche mir hier mehr Eindeutigkeit, da uns das hilft unseren Standpunkt besser zu finden. Wenn klar ist, dass wir nicht politisch relevant sind, Foto: Neue Arbeit wie kommuniziert wird, handeln wir vielleicht auch anders. Was wünschen Sie sich von der Politik? Klarheit. Die Worte der Kostenträger und des BMAS „ihr seid wichtig“ und die Taten bzw. Umsetzung sind widersprüchlich. Es war ein harter Kampf, bis überhaupt so etwas wie der SodEG politisch durch- gesetzt werden konnte. Die Umsetzung der Bun- desagentur für Arbeit im SGB II und SGB III Bereich ist (wieder einmal) deutlich herausfordernder als in allen anderen Arbeitsfeldern. Foto: Neue Arbeit 21
Vor Ort BAYERN BRAUCHBAR in Würzburg Wie hat sich Ihre Arbeit Corona geändert? Grundsätzlich sind wir es als Sozialunternehmen gewohnt mit schnellwechselnden ungünstigen Rahmenbedingungen umzugehen. Aber mit einer derartigen Krise konnte oder wollte man lange nicht rechnen, selbst als Corona in unseren Nach- Was sind die aktuellen Herausforderungen? barländern schon massive Probleme verursachte. Extrem herausfordernd war es die geltenden Kurz gesagt wurde seit Corona unser betrieblicher Schutz- und Hygienevorschriften in Theorie und Alltag völlig auf den Kopf gestellt. Durch die Allge- Praxis umzusetzen. Vor allem die Aufbereitung der meinverfügung des Bayerischen Staatsministeri- Regeln in einer für alle Mitarbeiter verständlichen ums mussten wir von Mitte März bis Ende April alle Form erforderte hohen Aufwand. unsere sechs Gebrauchtwarengeschäfte in Würz- In der nächsten Zeit wird es für uns vorrangig da- burg und Ochsenfurt schließen. Fast zeitgleich rum gehen unter den veränderten Rahmenbedin- wurden alle Arbeitsgelegenheiten seitens der Job- gungen unseren Zweckbetrieb so zu organisieren, center ausgesetzt. Lediglich unser Dienstleistungs- dass wir schnellstmöglich wieder kostendeckend angebot und die Arbeitslosenberatung konnten arbeiten können und trotzdem unsere Beschäftig- weitergeführt werden. Da sich unser Zweckbetrieb ten und Kunden bestmöglich schützen. zu über 85 Prozent durch Eigeneinnahmen aus Besonders wichtig ist es hierbei die Bedürfnisse dem Gebrauchtwarenhandel finanziert war die Fi- der Kundschaft in den Gebrauchtwarengeschäften nanzierung fast vollständig weggebrochen. Einer- im Blick zu behalten und das Angebot stets daran seits ging es darum die Existenz der Einrichtung zu auszurichten, sowie die Eigeneinnahmen zu stärken sichern, aber gleichzeitig auch die Beschäftigten bzw. neue Einnahmemöglichkeiten zu erschließen. mit ihren Fragen und Sorgen im Blick zu behalten. Langfristiges Ziel sollte ein breiterer Finanzierungs- Für uns als Sozialbetrieb hatte es immer oberste mix sein, der Märkte erschließt, die voneinander Priorität langzeitarbeitslosen und oft auch gesund- unabhängig sind. heitlich eingeschränkten Menschen sinnstiftende Aber genauso bedeutend wird es sein die Zusam- Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten und Ih- menarbeit mit den Leistungsträgern bzw. Jobcen- nen somit vor allem auch soziale Teilhabe zu er- tern neu zu organisieren und an die veränderten möglichen. Gerade die wichtige außerhäusliche Rahmenbedingungen angepasste Beschäftigungs- Tagesstruktur, die sozialen Kontakte mit Kollegen möglichkeiten zu entwickeln. Es ist davon auszu- und Kunden sowie die Wertschätzung, welche die gehen, dass sich die Arbeitslosenzahlen erhöhen Teilnehmer oft gesundheitlich stabilisiert hatten und es folglich neue Möglichkeiten braucht, ohne und wesentlich dazu beigetragen haben verfestigte zu vergessen, dass es auch weiterhin langzeitar- Verhaltensmuster aufzuweichen fielen weg. Trotz beitslose Menschen gibt. ausgesetzter Arbeitsgelegenheiten wurden alle Teilnehmer regelmäßig angerufen und sozialpäda- gogisch so gut wie möglich betreut. In den Tele- fonaten wurde nochmals sehr deutlich wie wichtig den Teilnehmenden die Beschäftigungsmöglichkei- ten und die damit verbundenen sozialen Kontakte sind. Viele haben auch von sich aus immer wieder angerufen und nachgefragt, wann es endlich wei- tergehen kann. Foto: BRAUCHBAR 22
Vor Ort Betriebsausfallversicherungen sind dazu da, um bei existenzbedrohenden Ereignissen zu unterstützen. Thomas Johannes ist Vor- Leider zeigt sich gerade aktuell, dass die meisten stand der bag arbeit und Ge- Versicherer entweder keine Verantwortung über- schäftsführer der BRAUCH- nehmen wollen bzw. Ihren Auftrag, für den sie Prä- BAR gGmbH in Würzburg. mien einnehmen vergessen haben. Vielmehr sieht www.brauchbarggmbh.de es so aus, dass sie alles dafür tun, um nicht ein- springen zu müssen. Mit jedem Schreiben gibt es immer wieder einen neuen Grund weshalb anschei- nend kein Versicherungsfall gegeben sei. Es bleibt Um die Einnahmeverluste, die durch die Schließung zu befürchten, dass die Ansprüche gerichtlich der Geschäfte entstanden sind einigermaßen aus- durchgesetzt werden müssen. Erfreulicherweise gleichen zu können bzw. um zu vermeiden, dass gibt die erste Rechtsprechung eines Mannheimer jahrelang Schulden abgetragen werden müssen, ist Gerichtes Hoffnung, dass die Versicherer in die es notwendig eine Lösung mit unserem Versicherer Pflicht genommen werden. zu finden, wenn notwendig auch über den Klage- weg. Nach einer anfänglich kompletten Ablehnung des Schadensereignisses zeigt sich mittlerweile eine gewisse Bereitschaft, über einen Verlustaus- gleich zu verhandeln. Foto: BRAUCHBAR 23
Vor Ort Was bleibt hoffentlich nach der Krise? Was bleibt hoffentlich nach der Krise? Im Gesamten hat mich der große Zusammenhalt Es bleibt zu hoffen, dass zumindest ein Teil der an- und die Hilfsbereitschaft im Betrieb, der Region fänglich sehr großen Hilfsbereitschaft und Solida- sowie aber auch in der Gesellschaft erfreut. So ha- rität bestehen bleibt. In der Praxis würde uns sehr ben die Mitarbeiter großes Verständnis für die ein- freuen, wenn die in der Krise entstandenen Koope- schneidenden Maßnahmen wie Kurzarbeit gezeigt rationen mit anderen regionalen Organisationen und wirklich alles dafür getan, dass ein erfolgrei- ausgebaut werden und es weiterhin eine konstruk- cher Neustart gelingen kann. In dieser Zeit wurde tive Zusammenarbeit gibt, von der alle profitieren mir nochmal sehr deutlich, wie wichtig Mitarbeiter können. sind, die hinter dem Betrieb stehen. Aber auch un- sere Geschäftspartner sowie die Kommune haben uns stets den Rücken gestärkt und maßgeblich Was wünschen Sie sich von der Politik? unterstützt sowie dazu beigetragen, dass wir die Erfreulich wäre es wenn auch zukünftig ein Teil der Krise einigermaßen überstehen konnten. Auch die überparteilichen Zusammenarbeit und die Schnel- starke Kooperation der verschiedenen Verbände ligkeit für andere Themen erhalten bleiben und verbunden mit den permanenten Bemühungen die nicht wieder im Sand verlaufen. Ebenso wünsche Politik für die Belange der Mitgliedsunternehmen ich mir, dass auch Menschen am Rande der Gesell- zu sensibilisieren und die zuverlässige Versorgung schaft im Blick behalten werden und ausreichend mit Informationen waren sehr hilfreich für uns und Mittel bereitgestellt werden, die den neuen Her- sicherlich auch für viele andere Mitgliedsunterneh- ausforderungen in Sozial- und Arbeitsmarktpolitik men. gerecht werden. Durchaus überraschend und erfreulich war für uns, dass die Secondhandgeschäfte unmittelbar nach der Wiedereröffnung sehr gut angelaufen sind. Trotz der anfänglichen Beschränkungen der Verkaufsflächen und der Kundenzahlen sind die Umsätze derzeit stabil. Auch Schutz- und Hygiene- regelungen wurden von Beschäftigten und Kunden gut angenommen. Foto: BRAUCHBAR 24
Vor Ort GGFA in Erlangen Zur Situation im Jobcenter der Stadt Erlangen Natürlich trifft das Verbot der persönlichen Kon- taktaufnahme die Kund*innen des Fallmanage- ments, der Vermittlung und die Teilnehmenden an Maßnahmen besonders hart. Das Jobcenter hat aber umgehend Wege beschritten, die zumindest eine Aufrechterhaltung der Kontakte ermöglichen. Die Kundschaft ist überwiegend dankbar für die Kontaktaufnahme per Telefon und zeigt viel Ver- ständnis für die besondere, notwendige Beratungs- situation. Kund*innen, die sich in einer akuten Gerd Worm ist Vorstand der GGFA AöR Krisensituation befanden, haben sich initiativ mit in Erlangen. sehr hohem Fragen- und Gesprächsbedarf gemel- www.ggfa.de det. Bei den eLb, die sich in der Bewerbungsphase des Integrationsprozesses befinden, ist deutliche Enttäuschung wahrnehmbar, da sie sich in ihrem Konzepte zur Fortführung und Weiterfinanzierung Bestreben, Arbeit zu finden, derzeit durch höhere erarbeitet. Gewalt zu Unrecht getroffen fühlen. Der größte Teil der Maßnahmen findet in Alterna- An das Jobcenter der Stadt Erlangen ist in der tivkonzepten weiterhin statt. Einzelne Maßnahmen, GGFA AöR ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) als die dafür nicht geeignet sind, wurden geschlossen. Maßnahmeträger angeschlossen. GGFA und BgA Von insgesamt 29 Maßnahmen konnten 23 (79%) sind ein und dieselbe Rechtsperson. Die arbeits- alternativ fortgesetzt werden. Einzelne Maßnah- marktpolitischen Maßnahmen des SGB II werden men können mittlerweile mit Videokonferenztech- in Selbstvornahme durchgeführt. Das SodEG findet nik, die zügig beschafft und installiert wurde, fort- im Verhältnis GGFA-Jobcenter zum BgA keine An- geführt werden. Nach Anzahl der Teilnehmenden wendung. sind von der Schließung von Maßnahmen etwa 46 Auch im dortigen Maßnahmenbereich ist die über- eLb oder 10% der Teilnehmenden betroffen wiegende Zahl der Teilnehmer*innen dankbar über Integrationsrückschritte werden aber trotz der ge- das Angebot der Kontaktaufnahme und die Unter- fahrenen Alternativprozesse bei vielen Bestands- stützung. Ersatzmaßnahmen halten den Kontakt kund*innen nicht vermeidbar sein. Ohne zusätz- aufrecht und ermöglichen, begonnene Integrati- lichen Integrationsaufwand (Beratung, Coaching, onsfortschritte zu erhalten. Frühzeitig ist die GGFA Maßnahmen, …) wird dieser nicht kompensiert auf alle Anbieter (auch Drittmittelgeber) von Maß- werden können. nahmen zugegangen und hat mit ihnen tragfähige Durch die getroffenen organisatorischen Maßnah- men wird es nur vorübergehend möglich sein, die Mehrbelastung aufzufangen. Zusätzliche Personal- Foto: Internationaler Bund ressourcen werden im Kommenden dringend erfor- derlich sein. Daher meine Bitte, den Verwaltungs- kostentitel des Bundes in 2021 nicht zu schmälern, sondern, um weitere Umschichtungen zu Lasten des EgT zu vermeiden, zu erhöhen. 25
Vor Ort BERLIN Bildungsmarkt e.V in Berlin Wie hat sich Ihre Arbeit seit Corona geändert? Ich habe mich entschlossen, auch „wegen Coro- na“, im Wesentlichen meine Arbeit von zu Hause aus zu erledigen und Privates und Job noch stärker zu verschränken. Das ist erstaunlich gut gelungen. Ich habe das Büro kaum vermisst, mit meinen Kol- leg*innen, die ich schon seit vielen Jahren kenne, trotz der Entfernung, eng kooperiert und habe doch den Eindruck, meine Arbeit vernünftig und zugleich deutlich entspannter zu erledigen. Es fällt einfach so viel Aufwand durch Herumfahren und Ortswech- sel weg. Hans Peter Eich ist geschäftsführender Was sind die aktuellen Herausforderungen? Vorstand der bag arbeit und Vorstand des Unser(e) Unternehmen am Laufen zu halten und Bildungsmarkt e.V. in Berlin. nach der ersten Phase der Bewältigung des Lock- downs und der zweiten Phase der Implementierung www.bildungsmarkt.de von Alternativ- und Hybridmaßnahmen nun die wohl schwerste Aufgabe zu stemmen, die laufen- Was bleibt hoffentlich nach der Krise? .. den Maßnahmen am Leben zu halten, mit Teilneh- Dass die aktuelle Bekämpfung der Coronapande- menden zu besetzen und die neue, wohl noch viele mie deutlich gemacht hat, das soziale Dienstleis- Monate benötigte, innovative Struktur finanzierbar tung nicht als inszenierter Markt funktionieren zu machen. kann, wenn sie erfolgreich arbeiten will. Was hat sie positiv überrauscht? Was wünschen Sie sich von der Politik? Wieder mal: dass unter dem Druck äußerer Um- Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass als Kon- stände plötzlich Innovationen funktionieren, für die sequenz aus der Krise in der Arbeitsmarktpolitik, man sonst Jahre gebraucht hätte. im Bildungswesen wie im Gesundheitswesen ernst- haft erwogen wird, statt über verwaltungsverein- fachende, kostengünstige Strukturen wieder mehr über Qualität nachzudenken. Foto: UNSPLASH/Ricardo Gomez Angel 26
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