Kurzzeitbehandlung bei Abhängigkeit von Cannabis, Kokain und Lifestyle-Drogen? - Bisherige Erfahrungen und Weiterentwicklungen
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Kurzzeitbehandlung bei Abhängigkeit von Cannabis, Kokain und Lifestyle-Drogen? Bisherige Erfahrungen und Weiterentwicklungen Ulrike Bogsch, Gruppentherapeutin Oliver Kreh, Leitender Psychologe Dr. Hubert C. Buschmann, Chefarzt
Gliederung • Behandlungskonzept der AHG Klinik Tönisstein • Behandlung von sozial und integrierten Drogenabhängigen – Zielgruppe – Bisherige Konzeption und Erfahrungen – Weiterentwicklung • Auswertungsergebnisse der Behandlung drogenabhängiger im Vergleich zu alkoholabhängigen Patienten
Die AHG-Klinik Tönisstein • Gründung 1974 als erste von über 45 Einrichtungen der AHG • Seit über 35 Jahren Erfahrungen mit Behandlungskonzept einer Kurzzeitintensivtherapie (8 Wochen) • Hauptindikation: Alkohol- und Medikamentenabhängige ab 18 Jahren • Zielgruppe: sozial und beruflich gut integrierte Patienten • Seit 2006 Behandlungsangebot für Abhängige von Cannabis, Kokain und Lifestyle-Drogen
Behandlungskonzept insgesamt • Hohe Dichte an psychotherapeutischen Angeboten • Aufnahmephase 1.Woche: psychoedukative Angebote, Integration in das Behandlungssetting • Stammgruppenphase ab 2. Woche – 5 Gruppentherapien in der Woche mit Bezugstherapeut – 7 Themenzentrierte Gruppen in der Woche – 2 ärztliche und therapeutische Kurzvorträge täglich – Angehörigenseminar – Einzeltherapeutische Gespräche – Nachsorgeplanung
Behandlungskonzept insgesamt • Zusätzlich indikative Gruppenangebote – Beruf (Rückkehr an den Arbeitsplatz, Aktiv Bewerben, Brainjogging, EDV-Basisfertigkeiten, Stressbewältigungstraining, Wiedererlangung des Führerscheins) – Familie (Trauer und Verlust) – Weitere Abhängigkeiten (Nichtrauchertraining, Problematischer Umgang mit Medikamenten, Drogenabhängigkeit) – Gesundheitsförderung (AT, PMR, Ernährungsberatung) • Sport- und Bewegungstherapeutisches Programm • Somatisch medizinische Versorgung • Therapiebegleitende Sozialarbeit
Behandlung sozial und beruflich integrierter Drogenabhängiger • Gruppe der älteren, beruflich und sozial integrierten Abhängigen von Cannabis-, Kokain- und Lifestyle- Drogen (Amphetamine, leistungssteigernde Medikamente …) • Behandlungsangebote beschränkten sich bisher hauptsächlich auf junge, oft reifungsverzögerte, sozial nicht ausreichend integrierte Patienten • Konzept 2008 während des Heidelberger Kongresses vorgestellt
Zielgruppe • Abhängigkeit von Cannabis, Kokain, Lifestyle-Drogen oder Komorbidität mit Alkohol und Medikamentenabhängigkeit • älter als 30 • Aktuell keine Polytoxikomanie • Sozial und beruflich gut integriert • Ausreichende kognitive Fähigkeiten und Belastbarkeit • Hinsichtlich beruflicher, sozialer Integration, Lebensalter und - hintergrund mit anderen Patienten in Kurzzeitentwöhnung vergleichbar
Beispielpatienten • Polizist, 42 Jahre, in Partnerschaft, Erstkonsum Cannabis mit 20, seit Mitte 20 Konsum nach der Arbeit und an arbeitsfreien Tage, Problembewusstsein und Behandlungsmotivation nach transienter psychotischer Episode • Nachtmanager eines gehobenen Hotels, 35 Jahre, verheiratet, 2 Kinder, Kokainkonsum seit 16. Lebensjahr mit positiven Effekten für schulische und berufliche Karriere, Behandlungsmotivation nach zunehmendem Leistungsabfall und Depressivität • Selbstständiger (Baugewerbe), 48 Jahre, verheiratet, 2 Kinder aus 1. Ehe, 20. bis 27. Lebensjahr Polytoxikomanie (THC, Kokain, Heroin i.V.), seitdem alkoholabhängig und bleibender Cannabiskonsum, Therapiemotivation mit zunehmenden Auftragseinbußen, Schulden und Destabilisierung der Ehe
Bisherige Konzeption • Aufnahmephase mit drogenspezifischer Diagnostik • Einteilung in spezifische Stammgruppe – Gleiches Rahmenprogramm wie bei Alkoholabhängigen mit spezifischem Eingehen auf Besonderheiten des Konsummusters und Wirkmuster des jeweiligen Suchtmittels – Besonderes Augenmerk auf soziale Umgebung und spezifischen Funktionen des Suchtmittels – Intensive Strukturierung der ersten Wochen nach der Entwöhnungsbehandlung
Bisherige Konzeption • Rehabilitationsziele – Aufbau rationaler Krankheitseinsicht – Aufbau emotionaler Krankheitsakzeptanz – Klärung und Aufarbeitung der Funktionalität des Suchtmittelkonsums (alternative Strategien auf Wirksamkeit überprüfen, Ressourcen) – Vorbereitung der Rückkehr an den Arbeitsplatz, Klärung beruflicher Perspektive – Kritische Reflexion des Lebensumfeldes hinsichtlich Rückfallrisiken – Vorbereitung auf „Leben nach der Therapie“ (erste Wochen nach Entwöhnung strukturieren und planen) – Ambulante Nachsorge/Weiterbehandlung und Integration in SHG
Vor- und Nachteile einer Kurzzeitbehandlung mit dieser Konzeption Vorteile Nachteile Subgruppenbildung unterhalb der • Auch drogenabhängige Patienten (Konsumgruppenspezifische Patienten können das Gruppendynamiken und –hierarchien) intensive Programm Durch substanzspezifische Gruppe entsteht bei Patienten der Eindruck, bewältigen dass Drogenabhängigkeit eine • Profitieren von hoher Dichte speziellen Behandlung bedarf an psychotherapeutischen Interventionen • Hohe Akzeptanz des Settings
Weiterentwicklung des Konzeptes • Gleichbleibendes Rahmenprogramm und Zielsetzung • Verteilung der drogenabhängigen Patienten auf mehrere Bezugsgruppen – Gruppen mit gemischten Abhängigkeiten • Ergänzendes Indikativgruppenangebot zur Thematisierung drogenspezifischer Aspekte Æ Transfer in Stammgruppentherapie
Indikativgruppe Drogenabhängigkeit • Indikation: Abhängigkeit von Cannabis, Kokain, Lifestyle- Drogen als Haupt- und Nebendiagnose, Konsum innerhalb der letzten 2 Jahre • 3 Themenbereiche, geschlossene Gruppe • Zu Beginn: Motivationsklärung, ggf. Rückmeldung an Bezugstherapeuten • Thematisierung Wirkweisen und Konsummuster, negative Konsequenzen und Funktionalitäten • Ziel: Festigung von Problembewusstsein und Abstinenzmotivation, Herausarbeiten von Besonderheiten der Rückfallprävention und alternativer Strategien
Indikativgruppe Drogenabhängigkeit 1. Modul • Besprechung der Wirkspektren von Drogen • Thematisierung des eigenen Suchterlebens (Kontrollverlusterfahrungen) • Thematisierung von Verharmlosungs- und Verherrlichungstendenzen • Neurobiologische Erklärungsansätze der Sucht und hieraus abgeleitete Kriterien der Abhängigkeit • Thematisierung von Suchtverlagerung • Problemlösetraining: Umgang mit Craving
Indikativgruppe Drogenabhängigkeit 2. Modul • Reflexion über persönlich erlebte Auswirkungen der Drogenabhängigkeit auf: – Lebensführung – soziale und berufliche Integration – Emotionsregulation und psychische Gesundheit – neuropsychologische Fähigkeiten
Indikativgruppe Drogenabhängigkeit 3. Modul • Erarbeitung der substanzspezifischen Funktionalität des Drogenkonsums (auslösend und aufrechterhaltend, unter Berücksichtigung von sozialen Phänomenen und Gruppendynamiken) • Besprechen von Erfahrungen mit alternativen Bewältigungsstrategien
Statistische Auswertungen • Anzahl aller Patienten des Jahres 2008 N=1002 • Nach Ausschluss von Opiat- und Sedativaabhängigkeit in der Hauptdiagnose sowie Missing Data N= 933 • Vergleich Alkohol- und Drogenabhängiger Patienten an Hand der Daten der Basisdokumentation • Auswertung der Abstinenzquote entsprechend der Einjahreskatamnese N= 657
Statistische Auswertungsergebnisse Anzahl betreffender Patienten 2008 900 832 800 700 600 500 Anzahl 400 300 200 101 100 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Statistische Auswertungsergebnisse Geschlechterverteilung* 90 81,2 80 70 62 60 Männer 50 Frauen 40 38 30 18,8 20 10 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Statistische Auswertungsergebnisse Alter in Jahren* 52 50,4 50 48 46 Alter 44 43,4 42 40 38 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Statistische Auswertungsergebnisse Familienstand* 60 54,5 50 43 ledig 40 verheiratet verheiratet, getrennt 30 geschieden verwitwet 19,6 20,6 20 18,8 16,8 10,5 10 8 6,1 2 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Statistische Auswertungsergebnisse Partnerbeziehung* 70 63,5 60 50 48,5 46,5 alleinstehend 40 zeitweilige Beziehungen 32 feste Beziehung 30 20 10 5 4 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Statistische Auswertungsergebnisse Wohnverhältnisse 120 100 96 97,3 80 Selbstständiges Wohnen bei anderen Personen 60 sonstige 40 20 4 1,7 0 1 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Statistische Auswertungsergebnisse Erwerbsstatus* 70 62 60 57,4 Angestellter 50 Selbstständiger sonstiger Erwerb 40 arbeitslos (ALG I & II) Schüler Student Hausfrau/-mann 30 24,8 Rente/Pension sonstiger Nichterwerb 20 12,6 10,8 10 6,9 7,1 5 3 3 2 3 0 0,7 0,4 1 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Statistische Auswertungsergebnisse Rückfälligkeit nach einem Jahr* 70 59,3 60 50 43,3 abstinent 40 abstinent nach Rückfall (> 3 Monate) rückfällig keine Information 30 25 21,7 20 17,3 12,7 10 10,7 10 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige
Abstinenzquote nach einem Jahr Abstinenzquote nach DGSS1* Abstinenzquote nach DGSS4 80 80 70 70 70 67,3 60 60 54,4 50,2 49,8 50 45,6 50 abstinent abstinent rückfällig rückfällig 40 40 36,6 30 30 30 20 20 10 10 0 0 Drogenabhängige Alkoholabhängige Drogenabhängige Alkoholabhängige
Schlussfolgerung • Kurzzeitbehandlung von Drogenabhängigkeit in einem nicht substanzspezifischen Setting mit hoher Dichte psychotherapeutischer Interventionen ist erfolgversprechend • Indikationskriterium sollte nicht die konsumierte Substanz sondern die psychosoziale Problembereiche sowie berufliche und soziale Integration sein
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