Lebens Zeit - Caritas St. Pölten

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Lebens Zeit - Caritas St. Pölten
Caritas
Mobiler                                                                                               „Wer wir sind, wissen
                                                                                                      wir immer erst in

Hospizdienst
                                                                                                      unseren extremsten
                                                                                                      Lebenssituationen."

Caritas St. Pölten Aktuell, P.b.b. | Erscheinungsort St. Pölten                                       Robert Kratky,
Verlagspostamt 3100 St. Pölten | Nr. 8 | April 2017                                                   Ö3 Weckermoderator

LebensZeit
        Hospizzeitung Nr. 8 | April 2017 | Caritas der Diözese St. Pölten, Hasnerstraße 4, 3100 St. Pölten

                                                                       „Alles wirkliche
                                                                                                                              Titeloto: Caritas/Franz Gleiss Foto oben: Ö3/RomanPfeiffer

                                                                       Leben ist
                                                                       Begegnung”
Lebens Zeit - Caritas St. Pölten
Editorial

                                                   Eine herausfordernde
                                                   aber schöne Aufgabe
                                                   LehrgangsteilnehmerInnen über die
                                                   Ausbildung und die Arbeit als BegleiterIn.
    „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.
    Ein Zitat von Martin Buber, das mich
    seit vielen Jahren bewegt, begleitet und
    welches in seiner Essenz durch viele
                                                   VON ANITA THÜR
    Erfahrungen und Kontakte mit Menschen
    – ob privat oder beruflich – zum Leben
    erweckt wird.                                  Seit 1997 bietet der Mobile              gute Begleitung IN die Welt wollte ich
    In dieser Ausgabe widmen wir uns               Hospizdienst der Caritas                 auch in der Zeit des Gehens VON
    diesen Begegnungen. Mit Menschen,              St. Pölten die Möglichkeit einer         dieser Welt fortführen, als Wegbe-
    die begleiten, begleitet werden, begleiten     Ausbildung zum/zur Lebens-,              gleiterin. Denn da schließt sich auch
    möchten, aber auch Menschen, die sich          Sterbe- und TrauerbegleiterIn.           ein Kreis für mich.”
    mit dem Thema Endlichkeit, Tod und Trauer      In den 39 Lehrgängen haben               Aus ganz anderen Beweggründen
    auseinandersetzen, neue Sichtweisen            seither über 700 TeilnehmerInnen         meldete sich das Ehepaar Andrea
    einbringen, verschiedenste Perspektiven        dieses Angebot angenommen.               und Josef Schlögl für den Lehrgang
    eröffnen.                                      Ganz unterschiedliche Menschen.          an. „Ich bin mit 61 Jahren als
    Wie oft erfahren wir in unserem tagtäglichen
                                                   Manche mit pflegerischen Vor-            Familienrichter in Pension gegangen
    Leben und Tun andere – uns auch
                                                   kenntnissen, andere hatten in            und habe gemeinsam mit meiner
    manchmal unverständliche - Betrachtungs-
                                                   ihrem Berufsleben noch nie mit           Gattin eine Aufgabe gesucht, in der
    und Verhaltensweisen, und dennoch können
                                                   diesem Thema zu tun. Für einige          wir uns einbringen können. Beim
    wir in der Begegnung mit diesen Menschen
    und Wirkungsweisen lernen, akzeptieren,        ist es eine neue sinnstiftende           Roten Kreuz haben wir eine Ausbil-
    uns diesem Raum öffnen. Spannendes             Aufgabe in der Pension, andere           dung zur Krisenintervention ge-
    über Motivationen, Beweggründe, den            wiederum finden darin einen              macht und zur Bereicherung bzw.
    Reichtum an Gedanken zu erfahren, soll Ziel    Ausgleich zum stressigen                 Ergänzung haben wir uns auch bei
    dieser Beiträge sein, die viel mehr „BUNTES    Berufsalltag.                            diesem Lehrgang angemeldet”,
    LEBEN“ darstellen, als viele im Hospiz- und    Eine Vielfalt, die auch Lehrgangsteil-   erzählt Josef Schlögl.
    Palliativkontext erahnen.                      nehmerin Gerti Ziselsberger
    Dieses Leben – in all seinen Facetten – auch   begeistert: „Der Lehrgang ist für        Umfassende Ausbildung
    in der letzten Lebensphase und in schweren     mich deshalb sehr faszinierend, weil     Für diese anspruchsvolle Tätigkeit
    Verlustsituationen neu aufzuspüren, ist        so unterschiedliche Menschen             werden die LehrgangsteilnehmerIn-
    eines meiner Anliegen in meiner Funktion       dabei sind und trotzdem eine große       nen gut vorbereitet. In 8 Seminarblö-
    als Leiterin des Mobilen Hospizdienstes.       Gemeinschaft entstanden ist. Etwas,      cken und insgesamt 160 Stunden
    Wir begleiten das Leben und nicht den
                                                   wo wir uns gegenseitig tragen,           lernen sie Grundlagen aus allen
    Tod. Wir haben Vertrauen, Geborgenheit
                                                   unterstützen und helfen, trotz der       relevanten Fachbereichen. Sie
    und – wenn irgendwie möglich – Funken
                                                   Unterschiedlichkeit. Es ist schön,       setzen sich mit Möglichkeiten und
    von Lebensfreude in unserer Begleitung als
                                                   dass sich jeder sehr persönlich auf      Grenzen in der Begleitung von
    Aufgabe. Dasein in einer Zeit, in der Viele
    Menschen an ihrer Seite bedürfen, die nicht    diesen Weg einlässt. Dabei tun sich      sterbenden Menschen und ihren
    wegweichen, sich verabschieden, sondern        neue Dinge auf und jeder findet          Angehörigen auseinander, reflektie-
    den Weg, diese Reise begleiten, eine           seinen Weg.”                             ren den persönlichen Umgang mit
    wahrhaftige und ehrliche BEGEGNUNG                                                      dem Tod, beschäftigen sich mit
    ermöglichen.                                   Unterschiedliche Motivationen            pflegerischen Grundlagen, rechtli-
                                                   Das Interesse, sich für den Lehrgang     chen Rahmenbedingungen,
                                                   anzumelden, kam, für die ausgebil-       ethischen und spirituellen Fragen.
                                                   dete Ehe-, Familien- und Lebensbe-       Darüberhinaus erhalten sie einen
                                                   raterin, aus ihrer beruflichen Erfah-    Überblick über unterschiedliche
    Edda Kaufmann,                                 rung: „Ich habe einige Zeit in der       Trauermodelle und Ideen zur
                                                                                                                                                          Fotos: Caritas

    Leiterin Mobiler Hospizdienst                  Beratung viele schwangere Frauen         Gestaltung von Trauerritualen.
                                                   begleitet. Dieses Augenmerk auf eine     Andrea Schlögl erklärt:

2                                                     LebensZeit                                     Mobiler Hospizdienst der Caritas der Diözese St. Pölten
Lebens Zeit - Caritas St. Pölten
Bildung

             Ausbildung erfolgreich abgeschlossen: Die TeilnehmerInnen des 39. Lehrgangs für Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung
             erhielten ihre Zertifikate.

             „Der Lehrgang ist auch sehr im               Auch ich selber kann von Ster-
             Alltag präsent. Sichtweisen auf              benden und deren Angehörigen viel

                                                                                                                            s c h a u
                                                                                                                         Vor
             verschiedene Dinge im Alltag                 mitnehmen. Es ist oft nicht mit
             verändern sich, ein anderer Blick-           Worten zu beschreiben, was gerade
             winkel entsteht." Ihr Gatte ergänzt:         in mir selbst vorgeht. Aber eines
             „Es wurde mir auch noch viel mehr            weiß ich: Es ist eine schöne Aufga-
             bewusst, dass nicht Dinge wie                be, für andere Menschen da zu
             Smalltalk, Oberflächlichkeit und             sein. Ihnen Kraft zu geben und sie
             materielle Werte wichtig sind,               Wärme und Geborgenheit spüren zu                     Die nächsten Lehrgänge
             sondern was im Leben wirklich                lassen.”                                             für Lebens-, Sterbe- und Trauer-
             wesentlich ist.                                                                                   begleitung:
                                                          Weitere Interessenten gesucht
             Freiwilliges Engagement                      Derzeit übernehmen 125 Ehrenamt-                     St. Pölten:
             Nach Abschluss der Ausbildung                liche diesen wichtigen Dienst in der                 Beginn: 9. März 2018
             sind einige der TeilnehmerInnen              Caritas der Diözese St. Pölten.                      Infoabend: 29. November 2017
             ehrenamtlich für den Mobilen                 Weitere ehrenamtliche Mitarbeite-                    Bildungshaus St. Hippolyt,
             Hospizdienst tätig. Sie begleiten            rInnen und Interessenten für die                     3100 St. Pölten
             schwerkranke Menschen und ihre               Ausbildung werden gesucht.
             Angehörigen und sind für sie da.             Gerti Ziselsberger meint: „Es wäre                   Seitenstetten:
             Eine verantwortungsvolle Aufgabe,            schön, wenn viele Menschen diesen                    Beginn: Herbst 2018
             wie auch Bianca Artner, Lehrgangs-           Lehrgang besuchen, da es das                         Kursort: Bildungshaus St. Benedikt
             teilnehmerin und Fachsozialbetreue-          eigene Leben bereichert, aber auch                   Promenade 13, 3353 Seitenstetten
             rin für Altenarbeit weiß: „Mir ist klar      das Tabuthema Sterben und Tod ins
             geworden, dass Sterbebegleitung              Leben holt. Es darf Platz haben!                     Mehr Infos unter:
             keine leichte Aufgabe ist, sondern           Darüberhinaus ist es tröstlich zu                    http://hospiz.caritas-stpoelten.at
             eine große Herausforderung. Ich              wissen, dass es Menschen gibt, die                   hospiz@stpoelten.caritas.at
             kann durch mein Da Sein für                  auch dann da sind, wenn die                          Mobil 0676-83 844 635
             Angehörige sehr wichtig werden – ja          Trauernden und Hinterbliebenen
             sogar zu einem sehr guten Freund.            nicht weiter wissen.”

April 2017                                                    LebensZeit                                                                            3
Lebens Zeit - Caritas St. Pölten
Interview

    „Der Tod hat mich immer
    nur ans Leben erinnert”
    Ö3-Weckermoderator Robert Kratky über seine Vorstellung
    vom Tod und seine Wünsche an den letzten Lebensabschnitt.

    INTERVIEW VON EDDA KAUFMANN

    Ein Leitgedanke in der                    Perlenkette, die man irgendwann mal      weitaus höhere und intensivere
    Hospizarbeit nach Cicely                  in seinen Händen hält, und mit jeder     Dimension im Kopf und im Herzen
    Saunders ist: „Es geht nicht              Perle blickt man zurück, um sich         schafft, als jede andere Art von
    darum, dem Leben mehr Tage,               daran zu erfreuen. Wenn diese Kette      Musik. Und ganz, ganz wichtig: Die
    sondern den Tagen mehr Leben              plötzlich reißt und die Perlen ver-      Neunte hat keinen rechten Schluss.
    zu geben“. Was bedeutet für Sie           schwinden in den Ritzen und Löchern      Das Unangenehme bei der Neunten,
    Lebensqualität?                           des Fußbodens - furchtbar, also das      wenn man sie zu Lebzeiten hört, ist,
    Das Leben selber zu genießen, und         sind Dinge, vor denen hab ich            sie schließt nicht ab. Es rinnt hinten
    zwar soweit es irgendwie geht, sich       tatsächlich Angst. Vor dem Tod selber    so ein bisschen aus, und geht noch
    nichts zu versagen, nichts auf später     oder davor, dass mein Leben endet,       minutenlang dahin, ohne echtes
    zu verschieben, aber natürlich das        nicht die Bohne.                         Highlight. Nachdem ich mir den Tod
    Ganze in einem klugen Abwägen der                                                  immer vorstelle, als ein langsames
    Leistbarkeiten und der Möglichkeiten,     Haben Sie Wünsche an den                 Entschwinden, wäre das ein ideales
    ist für mich ein grundsätzliches,         letzten Lebensabschnitt, sofern          Stück Musik.
    sinnstiftendes Lebenskonzept. Ich         man diesen bewusst mitgestalten
    muss dazu sagen, ich habe meinen          kann?                                    Es gibt ein Buch der
    Vater schon sehr früh verloren und        Aus heutiger Perspektive würde ich       Palliativpflegerin Bronnie Ware
    habe schon sehr früh begonnen,            gerne alleine sterben, weil ich          „5 Dinge, die Sterbende am
    über solche Dinge, wie den Tod und        tatsächlich glaube, dass es besser       Meisten bereuen“, kennen Sie
    das Sterben, nachzudenken. Daher          zu mir passt. Das ist eine Überle-       dieses Buch?
    sind solche Gedanken für mich             gung, die, glaub ich auch, tatsächlich   Ich kenne es nicht im Detail, aber ich
    weder erschreckend noch überra-           halten wird. Ich halte den Tod nicht     weiß „mehr Zeit für Familie, weniger
    schend. Ich habe sogar Dinge, die         für etwas, das noch Jahrzehnte weg       Arbeiten, etc. etc“. Ich betrachte es
    für den Fall meines Ablebens              ist, sondern ich habe mich immer so      eher kritisch, denn für mich hat Arbeit
    notwendig sind, bei mir komplett          damit beschäftigt, als könne es          immer einen enormen Teil meines
    vorbereitet in einer Schublade. Bis       morgen passieren. Aber jeder             Lebens ausgemacht. Ich bin sehr
    hin zur Todesanzeige ist alles fertig.    Mensch sollte individuell das Recht      pflichtversessen und ich halte es für
    Für mich war es immer ein tröstlicher     haben zu entscheiden. Deswegen           ein sehr wichtiges Lebensprinzip,
    Gedanke zu wissen, wie es endet.          halte ich Betreuung für etwas            mich meiner Arbeit zu widmen. Ich
    Zumindest, soweit es in meiner Hand       Wertvolles und die Menschen, die         werde es niemals bereuen. Diese
    liegt. Der Tod hat mich immer nur ans     dafür sorgen, für bewundernswert.        Arbeit hat mir mein Leben ermöglicht,
    Leben erinnert und daran, wie wichtig     Außerdem möchte ich an einem Ort         so, wie ich es leben wollte und hat
    es ist, es zu nutzen.                     mit Ausblick sterben, ich möchte         mir meine Träume erfüllt. Ich glaube
                                              etwas sehen. Das man dabei im            aber, dass es für das Leben und für
    Haben Sie Angst vor dem Altern            Freien sein kann und vielleicht ein      das Ableben wichtig ist, dass man
    oder dem Sterben?                         Stück Himmel sieht, Berge oder           beides bewusst tut und sich für beide
    Ich habe Angst vor Schmerzen und          Wasser. Das ist meine Grundvorstel-      Fälle einen Plan zurecht gelegt hat.
    vor Demenz. Ich habe das bei der          lung davon, wie das Sterben auszu-       Ich glaube, es ist wichtig, sich mit
    Großmutter meiner Exfreundin              sehen hat. Ich überlege auch sehr        dem Tod auseinander zu setzen, weil
    miterlebt, die ich immer wieder mal       oft, was wäre der letzte Song, den ich   er zum Leben dazu gehört und das
                                                                                                                                                      Foto: Philipp Lipiarski

    besucht habe. Wie es ist, wenn alles      mir noch anhören würde: Die Neunte       Leben erst lebenswert macht. Aber
    verloren geht, was eigentlich sinnstif-   von Beethoven. Es muss Klassik sein,     man sollte das Leben auch tatsäch-
    tend hätte sein sollen. Wie bei einer     weil ein Orchester nun mal eine          lich lebenswert gestalten, sei es mit

4                                                LebensZeit                                      Mobiler Hospizdienst der Caritas der Diözese St. Pölten
Lebens Zeit - Caritas St. Pölten
Interview

                                                                                                     einen sehr schwarzen Humor. Ich
                                                                                                     habe noch gesagt „Mutti, das kostet
                                                                                                     150 Euro am Tag, je früher, desto
                                                                                                     besser.“ Wir haben beide schallend
                                                                                                     gelacht. Es war wirklich lustig, aber
                                                                                                     zwei Tage später ist sie gestorben.

                                                                                                     Können Sie Trauer in einer für
                                                                                                     Sie passenden Form Ausdruck
                                                                                                     verleihen?
                                                                                                     Ich bin niemand, der weint, weil
                                                                                                     jemand stirbt. Ich neige nun mal nicht
                                                                                                     dazu, mich selber zu bemitleiden.
                                                                                                     Diesen Charakterzug habe ich nie
                                                                                                     gehabt und habe ihn mir nie oder nur
                                                                                                     selten durchgehen lassen.
                                                                                                     Ich trauere tief, wenn ich sehe, dass
                                                                                                     jemand leidet. Wenn ich sehe, wie
                                                                                                     nah der Tod meiner Mutter meinen
                                                                                                     Geschwistern geht, dann ist es
                                                                                                     etwas, das mich zutiefst traurig
                                                                                                     macht. Aber der Tod meiner Mutter
                                                                                                     nach einem langen erfüllten Leben –
                                                                                                     wo sie dann selbst am Schluss, in
                                                                                                     ihren letzten Gesprächen, gesagt hat:
                                                                                                     „Ich bin so stolz auf alles, was war,
                                                                                                     und froh und dankbar, und ich will
             "Ich will nicht ihres Todes gedenken, sondern immer ihres Lebens." Robert Kratky über   jetzt einfach nur gehen.” Da denke
             seine Mutter, die 2015 an Krebs gestorben ist.                                          ich mir „alles klar”, besser geht es ja
                                                                                                     kaum.
         kleinen oder großen Dingen. Das                  Im Hospizbereich hat man das
         Leben ist wertvoll, das ist für mich die         Gefühl, dass bei Menschen, die             Vermissen Sie manchmal Ihre
         einzige Botschaft, die der Tod                   über die Endlichkeit nachdenken            Mutter?
         hinterlässt.                                     oder sich selbst in der letzten            Ich hab nie das Gefühl gehabt, dass
                                                          Lebensphase befinden, sehr                 sie „weg” ist. Manchmal steige ich ins
         Man hat den Eindruck, dass Sie                   Wesentliches hervorkommt: Die              Auto und denke mir, Mutti anrufen.
         ein sehr intensives und                          Rollen fallen weg, die Masken              Ich bin auch jahrelang, nach dem Tod
         bewusstes Leben führen, aber                     fallen ab. Haben Sie in Ihrem              meiner Großmutter an ihrem Haus
         gibt es dennoch offene Wünsche                   Leben das Gefühl, mit Rollen,              vorbeigefahren und habe gedacht,
         für Sie?                                         Masken konfrontiert zu sein?               die Oma noch kurz besuchen, bis mir
         Tausende natürlich. Ich würde gerne              Wer wir sind, wissen wir immer erst in     eingefallen ist, die ist am Friedhof.
         noch einmal völlig von vorne begin-              unseren extremsten Lebenssituati-          Das Begräbnis meiner Mutter war ein
         nen, mit etwas völlig anderem und da             onen. Meine Mutter hat die Maske           Fest. Mit bunten Gewändern, einer
         auch erfolgreich sein. Ich hätte                 oder besser gesagt den Wesenszug           Dixieband auf Booten auf der Donau.
         gerne, dass Menschen, die mich                   der schieren, völlig selbstlosen           Mit einem Familienessen, alle mit
         heute nicht so mögen, sagen, ist ja              Mütterlichkeit in dem Augenblick           buntem Gewand. Es war ein heißer
         eh ein netter Kerl. Es gibt Bücher, die          abgelegt, wo sie das Gefühl gehabt         Sommertag in kurzen Hosen und
         ich noch nicht gelesen habe. Es gibt             hat, die Kinder lassen los. Auf einmal     T-Shirts. Meine Mutter hat zu Lebzei-
         Filme, Länder, Städte, Menschen,                 konnte sie sie selbst sein. Der            ten gesagt, es ist alles erlaubt, außer
         usw., die mich noch interessieren.               Augenblick als sie gesagt hat: „Es         schwarzes Gewand.
         Das ist ja leider das Tragische, das             reicht, nicht noch eine Chemo. Ich         Wir wiederholen dieses Fest jährlich,
         man als jemand, der darauf bedacht               gehe nicht mehr nach Hause nach            ihr zu Ehren in der Wachau. Wir
         ist, sein Leben mit möglichst viel               Salzburg, sondern in ein Hospiz.” Sie      haben gesagt, wir wollen niemals
         Inhalt zu füllen, angesichts der                 ruft mich an und sagt: „Ich will jetzt     ihres Todes gedenken, sondern
         gebotenen Vielfalt, irgendwie                    bald gehen.” Wir haben noch                immer ihres Lebens, und das ist ein
         verzweifeln muss.                                gescherzt, denn meine Mutter hatte         großer Trost.

April 2017                                                    LebensZeit                                                                       5
TWSCR-Image-Inserat_96x135mm_170405.qxp 05.04.17 12:39 Seite 1

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    bei allen Fragen und Anliegen rund um die sensiblen Themen
    Patientenverfügung und Erbrecht
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6                                                                 LebensZeit                                           Mobiler Hospizdienst der Caritas der Diözese St. Pölten
Thema

             Scham als
             Wächterin der Würde
             KOMMENTAR VON CLAUDIA PSOTA

             Was ruft Scham hervor – und wer         Zeichen, dass eine Entscheidung
             beschämt wen im Umgang mit              schon ausständig war oder es sie

                                                                                                                    e t i p p
                                                                                                                Les
             Menschen in der letzten Lebens-         jetzt zu treffen gilt. Ob das eine
             phase? Darüber haben bei der            missbräuchliche Situation ist oder ein
             Hospizenquete des Landesver-            subtiler grenzverletzender Umgang
             bandes NÖ MitarbeiterInnen aus          mit uns. Es kostet Mut, sich zu
             Hospiz- und Palliativ Care-Einrich-     äußern und klare Linien zu ziehen,
             tungen diskutiert. Das Gefühl, auf      denn oft wird Autorität und Macht
                                                                                                  • U. Baer, G. Frick-Baer
             die Hilfe anderer Menschen              ausgenutzt und löst bei uns Scham-
                                                                                                    Vom Schämen
             angewiesen, Situationen ausgelie-       gefühle aus. Beschämung ist die
                                                                                                    und Beschämtwerden.
             fert zu sein: viele Menschen haben      Scham, die von außen kommt, uns                Beltz Verlagsgruppe, 2015
             deshalb Schuldgefühle und es            bis ins Innerste trifft, die Persönlich-     • C. Bohn
             können unterschiedliche Situati-        keit und Würde eines Menschen                  Macht und Scham in der Pflege.
             onen der Beschämung entstehen.          missachtet oder gar verachtet.                 Ernst Reinhardt Verlag, 2015
             Wie kann aber die Umgebung              Wenn Scham zugegeben und                     • U. Immenschuh, S. Marks
             sensibel auf Scham reagieren,           mitgeteilt werden darf, es akzeptiert          Scham und Würde in der Pflege.
             woran kann man diese Scham              werden kann, dass Unsicherheit und             Mabuse Verlag, 2014
             erkennen und die Würde schützen         Hilflosigkeit das Leben begleitet,
             und bewahren?                           dann haben Liebe, Zuneigung,
             Scham, ob in körperlicher, sozialer     Fürsorge, die Freude am Mitmen-            Anzeichen wie Erröten oder Verle-
             oder moralischer Natur, berührt ins     schen und alle anderen lebendigen          genheit zeigen uns, da ist etwas
             tiefste Innere und stellt in der        Gefühle wieder Platz.                      Kostbares, Schützenswertes in uns.
             Situation der Beschämung das            Als naher Begleiter von Menschen           Es gibt eine Grenze und die wird von
             ganze Wesen in Frage. Die Ursachen      am Ende ihres Lebens sehen wir             der Scham bewacht. Wenn etwas
             für Scham sind vielfältig: Man fühlt    Zeichen wie erröten, erbleichen,           Neues entsteht, das noch nicht ans
             sich als Person bloßgestellt oder       Augen niederschlagen, Erstarrung,          Licht der Öffentlichkeit gebracht
             jemand anders dringt in die eigene      Teilnahmslosigkeit oder auch               wurde, taucht zumindest eine leichte
             Intimsphäre ein.                        aggressives Verhalten. Dies alles          Scham, eine Verlegenheit auf. Die
             Bei jedem zieht der Schambereich        kann auf Schamgrenzen hinweisen.           Aufregung, etwa ein neues Buch
             eine andere Grenze. Scham macht         Die Fähigkeit, die individuellen           oder ein Bild zu präsentieren. Ein
             uns handlungsunfähig, friert uns ein,   Schamgrenzen kranker und pflege-           Kind, das seine Bastelei den Eltern
             blockiert uns und grenzt uns aus.       bedürftiger Menschen zu erkennen,          zeigt, beinhaltet Stolz und Vorfreude
             Nun ist es mit den Gefühlen so eine     sich diesen sensibel und respektvoll       aber auch Verlegenheit und Scham.
             Sache. Je mehr wir versuchen sie zu     unterzuordnen und das eigene               „Schaut her etwas Neues ist da! Es
             verbergen, umso stärker drängen sie     Handeln danach auszurichten, ist           überschreitet die Grenzen des
             an die Oberfläche. Im Unterschied       Schamkompetenz. Wir können                 intimen Raumes, es zeigt sich – ich
             zur Peinlichkeit. Hier findet man       unseren Mitmenschen damit ver-             zeige mich! Schaut her, aber schaut
             eventuell eine gemeinsame Lösung,       meidbare und überflüssige Scham            bitte ehrlich und wohlwollend!“
             erzählt es sich humorig und kann        ersparen, sie in ihrer Würde unter-        So erleben wir die Scham als
             selbst darüber lachen. Die Scham        stützen, ihre Werte respektieren und       Begleiterin von Veränderungsprozes-
             hingegen verletzt unseren intimsten     ihnen einen geschützten Raum zur           sen, des Übergangs von etwas
             Raum. Sie ist die Wächterin unserer     Verfügung stellen. Dies ist im             Altem zu etwas Neuem. Wir würdigen
             Würde, sie sucht Anerkennung,           Hospizbereich unabdingbar – ein            die Scham als ein weises Gefühl,
             Schutz, Integrität, Zugehörigkeit.      Ort, ein Raum, eine Zeit, in der wir       dessen wir bedürfen - zur Erhaltung
             Wenn wir spüren, da ist etwas „im       diesen Schutz ermöglichen möchten          oder Wiedererlangung unserer
             Argen“, dann gibt sie uns das           und sollen.                                Würde!

April 2017                                              LebensZeit                                                                      7
Begleitung

    Was wirklich zählt,
    ist der Mensch
    Wie die Besuche eines Hospizbegleiters den schwerkranken
    Herrn G. und seine Familie stärken.
    VON EDDA KAUFMANN

    Ehrenamtliche MitarbeiterInnen         Creutzfeld-Jakob-Krankheit ist eine       rigkeiten, weil Aufträge nicht mehr
    wie Josef sind das Herz jeder          sehr seltene Erkrankung – weltweit        bewältigt werden konnten.
    Hospizarbeit. Menschen in ihrer        beträgt die Verbreitung 1 bis 2 Fälle     Die Zeit vor der Diagnose war eine
    letzten Lebensphase zu begleiten       pro 1 Million Einwohner. Eine             schwierige, doch Herr G. war vor
    heißt, sich berühren lassen von der    Therapie ist bislang nicht möglich. Im    allem um seine Frau besorgt. Wie es
    Krankheit, dem Schmerz und             Verlauf der Erkrankung kommt es zu        ihr danach ergehen würde, wie sie
    Trauer. Es bedeutet aber auch,         Symptomen wie Konzentrations- und         damit zurechtkommen werde. Dies
    wertvolle Begegnungen zu erleben,      Merkfähigkeitsstörungen, Schlaflo-        berühre sie noch immer, dieses
    Zeit zu schenken, mitzuweinen,         sigkeit, Kopfschmerzen und Schwin-        Denken an andere.
    aber auch mitzulachen.                 del bis zu einem fortschreitenden         Ein Zettel mit der Diagnose war in
    Es begann langsam, fast unmerklich.    Abbau der Hirnleistungen und der          jener Zeit vorhanden und in der
    Leichte Gedächtnisprobleme,            Persönlichkeit (Demenz). Außerdem         Geldbörse mitgetragen, in der
    Handlungen nicht mehr ausführen        treten bei den meisten Patienten          Mobilität noch möglich war, bei
    können, Dinge nicht mehr benennen,     Störungen der Bewegungsvorgänge           Spaziergängen, um die Erkrankung
    Alltagsgegenstände verlegen, die       wie Muskelzuckungen und Gangstö-          erklären zu können, auch wenn die
    Kontonummer vergessen und              rungen auf, und die Erkrankung            Worte bei diesen Begegnungen nicht
    schlussenendlich auch Menschen,        mündet im letzten Stadium in einen        mehr auffindbar waren.
    Freunde nicht mehr erkennen.           Zustand der Bewusst- und Bewe-
    Herr G. war früher ein so lebenslu-    gungslosigkeit.                           Sich Zeit nehmen und Stütze sein
    stiger Mensch, der „die ganze Welt“                                              Frau G. und ihre Mutter haben es
    kannte, mit großer Freude an           Erste Anzeichen verunsichern              sich auch zum Ziel gesetzt, ihn zu
    Handball und Motorsport, immer zu      Herr G. ist von der vererbbaren           Hause zu pflegen, da zu sein, auf
    Klamauk und Scherzen aufgelegt.        Variante dieser Erkrankung betroffen,     jeden Fall, in den eigenen vier
    Kennengelernt haben sich seine Frau    schon seine Mutter und sein Großva-       Wänden – daheim. Der Alltag ist
    und er schon vor vielen Jahren, man    ter sind an dieser Erkrankung             organisiert.
    verlor sich wieder aus den Augen,      verstorben, doch damals war die           Und dann gibt es da noch Josef,
    auf Facebook „begegnete“ man sich      Diagnosestellung nicht so differen-       einen Ehrenamtlichen, der sich
    wieder - und es wurde die große        ziert, wurde die Erkrankung als           einmal pro Woche, immer freitags,
    Liebe daraus. 2014 wurde geheira-      „Gehirnerkrankung“ bezeichnet und         Zeit nimmt. Seit fast einem Jahr ist er
    tet, ein wunderschönes Paar - die      in der Familie verschwiegen.              mit und bei Herrn G., hält seine
    Fotos im Eingangsbereich zeugen        Frau G. war sich bei den ersten           Hände, erzählt ihm, hält Augenkon-
    von einer tiefen Verbindung, Lebens-   Symptomen noch unsicher.                  takt, spricht mit Frau G., versucht
    freude.                                Doch bald war klar, als sich die          Trost und Stütze zu sein.
    Die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung ist   Umstände häuften, dass irgendetwas        Für ihn ist es eine so besondere
    eine beim Menschen sehr selten         nicht stimmen konnte. Handlungen,         Aufgabe: er möchte mitfühlen, aber
    auftretende, tödlich verlaufende       die sie beobachtete, beunruhigten         nicht mitleiden, um eine Stütze zu
    neurodegenerative Erkrankung und       sie. Kleinigkeiten, die sich häuften,     sein. Aber auch Lachen ist noch
    kommt beim Menschen als übertra-       Müll, den er nicht mehr in die richtige   möglich, für alle, auch in dieser
    gene, genetische oder sporadische      Tonne zuordnen konnte. Wiederhol-         Situation. Es bedeutet ihm viel zu
    Form vor. Eine Erkrankung, bei der     tes Zähneputzen kurz hintereinander,      spüren, dass er Freude verbreiten
                                                                                                                                                    Fotos: Franz Gleiss

    Nervenzellen absterben und sich das    ohne sich an die vorangegangenen          kann, und eine Begegnung der
    Hirngewebe verändert. Die typische     Male zu erinnern. Berufliche Schwie-      besonderen Art miterleben darf.

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Berichte aus denBegleitung
                                                                                                                                     Regionen
                                                                                                                    Amstetten & Waidhofen/Ybbs

             Zeit schenken: Josef arbeitet ehrenamtlich als Hospizbegleiter und ist für Herrn G. und seine Frau eine wertvolle Stütze.

             Eine neue große Lebensaufgabe                    könnte, dann die Aufklärung über                  wird, wenn Babies in die Welt
             Beruflich war er jahrzehntelang                  eine solche Krankheit, das Weiterge-              kommen, ein neuer Lebensabschnitt
             Bäcker, doch jetzt möchte er                     ben ihrer Dankbarkeit über Hospiz-                gestaltet wird. Jeder würde sie
             Menschen helfen, die sich in                     und Palliativteams, die Hauskranken-              besuchen, aber wenn jemand die
             Notlagen befinden. Er möchte sich                pflege, über Ehrenamtliche wie                    Welt verlässt, ist man in diesem
             einer Aufgabe widmen, die mit dem                Josef, die sich mit dem Tod beschäf-              Abschnitt so gut wie alleine.
             übereinstimmt, was er als große                  tigen, sie nicht alleine lassen. Mit ihr          Josef hilft ihr schon jetzt in ihrer
             Aufgabe in seinem Leben ansieht.                 lachen und weinen. Dass man sein                  Trauer. Trauer über so viele Dinge,
             Zu Beginn der Begleitung konnte er               begrenztes Leben intensiv lebt,                   die nicht mehr erlebt werden können.
             noch Puzzle mit Herrn G. spielen.                etwas Positives gestaltet, in dem                 Sie weiß, es ist Verlass. Er wird sie
             Einfache Spiele zum Erhalt der                   möglichen Rahmen.                                 beide begleiten, bis zum Schluss.
             Gedächtnisleistungen. Doch ganz                                                                    Und sie ist dankbar, dass das Wesen
             schnell ging die Sprache verloren,               Fehlende Begegnungen                              ihres Mannes so lange erhalten
             nach vielen Stürzen auch die                     Sie ist in die Aufgabe „reingewach-               bleibt: ihm in die Augen zu sehen,
             Bewegung, und irgendwann ver-                    sen“, hätte sich früher diese Zeit                lässt noch immer viel Nähe zu. Eines
             mochte Herr G. nicht mehr aufzuste-              niemals vorstellen können, aber jetzt,            ist ihr ganz besonders wichtig:
             hen. Wenn Josef ihm die Hand hält,               wo sie sieht, dass Herr G. keine                  lachen, ehrliches, aufrichtiges
             diese streichelt, ihm seine Zeit                 Schmerzen hat, schaffe sie es.                    Lachen. Wenn man das Haus der
             widmet, so kann er auf der Gefühlse-             Nur die Sache mit den Begeg-                      Familie G. verlässt, hallt noch viel in
             bene immer noch spüren, dass ihn                 nungen, den Freunden, die beschäf-                einem nach: Eindrücke, die tief
             Herr G. wahrnimmt, seine Augen                   tigt sie sehr. Er hatte so viele                  bewegen: das so geborgen wirkende
             strahlen, wenn es ihm gut geht.                  Freunde, aber diese haben nun zum                 Zimmer in diesem warmen Orange,
             Manchmal bleibt er aber kürzer im                großen Teil Angst, dabei wäre es so               die Faschingsgirlanden über dem
             Raum, wenn die Augen müde                        schön, wenn sie ihn noch besuchen                 Bett, die Gespräche, die Echtheit,
             werden, denn dann möchte er ihn                  würden. Denn man muss keine Angst                 die Augen von Herrn G., das Lachen
             nicht überfordern, aber ja, es                   haben. Auch in diesem Zustand ist er              mit seiner Frau und Josef, die
             scheint, als würde er ihn immer noch             ein Mensch, der sich freuen könne,                Stunden, die man miterleben durfte,
             erkennen, sich freuen.                           und wahrnimmt. Und sie staunt                     die einen tiefen, stillen Abdruck in
             Wenn sich Frau G. etwas wünschen                 manchmal, wie ernst es genommen                   der Seele hinterlassen.

April 2017                                                         LebensZeit                                                                             9
Gespräche - Persönlichkeiten der Palliativ- und Hospizbewegung

     „Sich Zeit nehmen für Menschen”
     Ein Gespräch mit Gabriele Gunn
     VON MARINA SCHMIDT-SCHMIDBERGER

     Was war Ihre Motivation,                    für sie die richtige Entscheidung war,
     dass Sie sich für diese Arbeit              hierher zu kommen. Außerdem finde
     entschieden haben?                          ich schön, dass wir vor Weihnachten
     Mir hat in der Betreuung schwerstkran-      immer gemeinsam singen und musi-
     ker Menschen das „Zwischenmensch-           zieren – mit den PatientInnen, mit den
     liche“ gefehlt. Es ging mir darum, mir      Angehörigen und mit den KollegInnen.
     für diese Menschen „Zeit“ nehmen zu         Das ist immer eine schöne Stimmung
     können. Ich habe da noch ein Bild vor       – es bringt Normalität herein. Es freut
     Augen. Es ging um eine Krebspatien-         mich, dass die PatientInnen das miter-
     tin, die hinaus in die Natur wollte. Nach   leben können und der Krankenhausall-
     meinem Dienst bin ich dann mit ihr          tag ein Stück wegrückt. Wir versuchen
     hinausgegangen und wir haben uns an         zwar unser Möglichstes, aber wir sind
     der Traisen auf ein Bankerl gesetzt und     trotzdem immer noch ein Krankenhaus.
     sie hat von ihrem Leben erzählt.
                                                                                             Gabriele Gunn ist pflegerische
     Eine weitere Motivation ist für mich,       Was erfüllt Sie mit Kraft für diese         Leiterin der Palliativstation am
     dass jeder Mensch das Recht darauf          Arbeit? Wie stärken Sie sich?               Krankenhaus Lilienfeld.
     hat, gut betreut zu werden. Unsere          Mich stärkt meine Familie. Mein privater
     Medizin ist körperlastig – wir sind aber    Rückzugsbereich ist mir wichtig. Ich
     nicht nur Körper. Es sind daneben           liebe meinen Garten und die Arbeit in      Das ist schon schwer. Da hinterfrage
     auch ganz viele andere Dinge wichtig.       der Erde – ich mag es, meine Hände         ich mein eigenes Leben noch mehr.
     Genau in diesen Bereichen AUCH eine         schmutzig zu machen!
     Stütze zu sein, ist für mich eine große     Es stärkt mich aber auch, zu wissen,       Was bedeutet die Begleitung
     Motivation.                                 dass wir uns in der Arbeit danach          schwerstkranker Menschen und
                                                 richten, was der oder die PatientIn        ihrer Angehörigen für Ihr Leben?
     Was hat Sie in den letzten Wochen           möchte. Was will der Mensch in dieser      Was lernen Sie dadurch?
     besonders berührt? Was hat Sie              Situation, in der Zeit, die er noch hat?   Für mein Leben bedeutet es sicherlich,
     traurig gemacht und wo gab es               Darum geht es uns. Manchmal ist das        dass ich Dinge zu einem Zeitpunkt
     freudige Momente?                           eine Herausforderung, diesen Willen zu     mache, an dem ich sie machen will.
     Erst gestern war eine Situation, die        spüren und/oder zu erfragen und das        Ich weiß nie, wie lange mein eigenes
     besonders traurig war, weil eine junge      dann auch der Familie zu vermitteln.       Leben dauert. Ich will nicht irgendwann
     Frau und Mutter verstorben ist. Ich         Wenn zum Beispiel eine PatientIn noch      einmal sagen: „ Ach hätt’ ich dieses
     glaube, dass das jede trifft, die auch      einen Ausflug auf einen Berg machen        oder jenes früher gemacht.”
     Mutter ist. Das hat sich bei mir schon      möchte und die Angehörigen aber mei-       Viele Menschen verschieben Dinge,
     verändert, seit ich selbst Kinder habe.     nen, er solle lieber noch eine Therapie    die sie machen möchten, in die Pensi-
     Es ist schwierig zu sehen, dass die         machen.                                    onszeit – und dann werden sie krank.
     Kinder damit fertig werden müssen,                                                     Das war sicher auch ein Grund, warum
     dass ihre Mama oder ihr Papa nicht          Was fällt Ihnen besonders schwer           ich mir schon einmal eine Auszeit
     mehr da ist.                                in Ihrer Arbeit?                           genommen habe. Das hätte ich sicher
     Das „Berührt werden“ ist aber auch          Ja, auch solche Situationen gibt es.       nicht gemacht, wenn ich nicht in
     gut so. Es dürfen Tränen kommen. Das        Es gibt Menschen, mit denen entsteht       diesem Bereich arbeiten würde.
     gehört dazu. Es macht mir für mein          schnell eine Beziehung. Es ist eine ge-    Diese Arbeit macht mir auch sehr
     eigenes Leben bewusst, wie wichtig je-      meinsame Basis da und es entwickelt        bewusst, wie wichtig es ist, die
     der Tag ist. Ich bekomme dadurch eine       sich daraus etwas sehr Intensives.         eigenen Beziehungen zu pflegen.
     andere Perspektive auf mein Leben.          Wenn diese Basis da ist, fällt es mir      Man nimmt sehr viele Dinge als ga-
     Ein freudiger Moment ist immer, wenn        leichter, gewisse Dinge zu machen,         rantiert wahr. Dann gibt es ein Ereignis
     Patienten oder Angehörige kommen            als wenn diese zwischenmenschliche         aus heiterem Himmel und man denkt
                                                                                                                                                           Fotos: privat

     und uns sagen, dass sie sich gut auf-       Basis nicht entsteht. Sehr junge Pati-     sich:“ Ach, hätte ich doch nur…!”
     gehoben gefühlt haben und dass es           entInnen gehen mir immer sehr nahe.

10                                                  LebensZeit                                        Mobiler Hospizdienst der Caritas der Diözese St. Pölten
Einblick

             „Berührungsängste abbauen”
             Barbara Kögl ist neue Hospizkoordinatorin für St. Pölten Land

             Barbara Kögl ist seit über 25 Jahren       Berührungsängste, Hilflosigkeit und
             diplomierte Gesundheits- und               Verunsicherung.
             Krankenspflegerin. Seit Herbst 2016        Die Auseinandersetzung mit dem
             ist sie als Koordinatorin des mobilen      nahenden Lebensende als
             Hospizdienstes für die Region              Betroffene(r), Angehörige(r),
             St. Pölten Land zuständig.                 Pflegende(r), BegleiterIN oder in
             „Ich freue mich, meine langjährige         einer der anderen möglichen
             und vielseitige Erfahrung in medizi-       Funktionen, löst in uns allen eine
             nischen und psychosozialen                 Fülle an Emotionen aus.
             Bereichen nun konstruktiv im Team          Ich glaube, dass es in einer hu-
             des mobilen Hospizdienstes                 manen Gesellschaft mit Herzensbil-
             einbringen und nutzen zu können.           dung notwendig ist, für diese
             Bei verschiedenen Situationen im           Situationen – die uns alle betreffen
             privaten sowie im beruflichen Umfeld       – geeignete Angebote, auch
                                                                                                    Barbara Kögl ist die neue
             habe ich gesehen, dass der Um-             kostenfrei, bereitzustellen.                Hospizkoordinatorin für
             gang mit Sterben, Tod und lebensbe-        Die Koordination der Begleitung der         St. Pölten Land.
             drohlicher Krankheit immer noch ein        betroffenen Menschen durch
             großes Tabuthema ist.                      ehrenamtliche MitarbeiterInnen
             Die Betroffenen selbst, aber auch          macht für mich wirklich Sinn und
             ihre Angehörigen, stoßen hier auf          bereitet mir große Freude.”

                                                            Wir trauern um...
                                                     Prälat Franz Schrittwieser                  Fritz Lüttgens
                                                     Die Caritas der Diözese St. Pölten          Die Nachricht vom Ableben unseres
                                                     trauert um ihren Geistlichen Assistenten    ehrenamtlichen Kollegen Fritz
                                                     Prälat Franz Schrittwieser. Er ist in der   hat uns sehr getroffen.
                                                     Nacht zum 4. Jänner 2017 im 77.             Seit 2005 war Fritz für den Mobilen
                                                     Lebensjahr verstorben.                      Hospizdienst im Einsatz. Viele Ge-
                                                     Als Geistlicher Assistent hat er die        spräche mit kranken und leidenden
                                                     spirituelle Ausrichtung der Caritasarbeit   Menschen haben ihn selbst bestärkt
                                                     geprägt und war auch wesentlich an          und beseelt. Nach einer mehrjährigen
                                                     der Entstehung des Mobilen Hospiz-          Pause kehrte er zum Mobilen Hospiz-
                                                     dienstes beteiligt. In den vergangenen      dienst zurück und war ab 2015 wieder
                                                     Jahren hat er auch viele ehrenamtliche      für Begleitungen bereit. Seine offene
             Prälat Franz Schrittwieser war ein      MitarbeiterInnen im Lehrgang für            und lustige Art bereicherten viele
             wichtiger Wegbegleiter des              Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung       Teambesprechungen und von seiner
             Mobilen Hospizdienstes.
                                                     mitausgebildet und begleitet.               langjährigen Erfahrung profitierten wir
                                                     Der Hospizdienst war ihm stets ein          alle immmer wieder.
                                                     großes Anliegen und er hat oft auf die      Lieber Fritz, wir danken dir für deinen
                                                     Wichtigkeit dieser Arbeit hingewiesen.      unermüdlichen Einsatz!
                                                     Wir danken ihm sehr für seine große
                                                     Verbundenheit!                              C. UMGEHER / E. RIEGLER

April 2017                                                 LebensZeit                                                                      11
Lehrgang                                             Region                           Region Krems
                                                       St. Pölten Stadt/Land
Lebens-, Sterbe und                                                                    Wandertage                         Landesverband
Trauerbegleitung                                      Trauergruppe für Eltern,         für Trauernde                      Hospiz NÖ
St. Pölten: Frühjahr 2018                             die um ihr Kind trauern          Fr 2. Juni 2017
Seitenstetten: Herbst 2018                            Mo 8. Mai 2017                   Fr 22. September 2017              • Mi 4. Oktober 2017
Informationsabend:                                    Wann: jeden ersten Montag        Fr 10. November 2017                 9:00 – 17:00 Uhr
Do. 8.11.2017 im Bildungs-                            um 17:30 Uhr                     Treffpunkt: wird bei Anmel-
haus St. Hippolyt St. Pölten                          Wo: Caritas Beratungszen-        dung bekannt gegeben               „Wer sagt, dass
Anmeldung:                                            trum Schulgasse 10, St. Pölten   Anmeldung: Claudia Psota,          ich anders bin?“
                                                                                                                          Hospiz und Palliative Care –
0676-83 844 635                                       Begleitung und Anmeldung:        Hospizkoordinatorin
                                                                                                                          für alle, die es brauchen
                                                      Hospizkoordinatorin              0676-83 844 629
  Trauerangebote                                      Elisabeth Riegler,               Ingrid Walzer, Bestattung
                                                                                                                          Hospizenquete
                                                      0676-83 844 631                  Krems 02732-801 630                im Landhaus St. Pölten

Trauertelefon                                         Offene Trauergruppe in            Region Amstetten                  Nähere Informationen:
Unter 0676-83 844 299 ist                             Traismauer                        Waidhofen/Ybbs                    www.hospiz-noe.at
Dienstag und Donnerstag von                           nächster Termin
18:00 bis 20:00 Uhr eine                              Fr 5. Mai 2017                   Gemeinsames Wandern                Hospizförderverein
Hospiz- und Trauerbegleiterin                         Wann: jeden ersten Freitag im    für Trauernde                      Amstetten
auch für anonyme Gespräche                            Monat von 16:00 - 17:30 Uhr      Sa 30. September 2017
erreichbar.                                           Wo: Tageszentrum                 Dauer: ca. 2 Stunden               Amstettner Kulturwoche
                                                      Traismauer, Zur Donau 2          Treffpunkt: wird bei Anmel-        4.-19. November 2017
Trauerstationen                                       Begleitung und Anmeldung:        dung bekannt gegeben               Film: „Mr. May und das
Diese mobilen Trauerstationen                         Hospizkoordinatorin              Anmeldung: Andrea Hürner           Flüstern der Ewigkeit”
- zumeist in den Räumlichkeiten                       Elisabeth Riegler                0676-83 844 633, Hospizkoor-       Mit fast obsessiver Akribie
von Pfarrkirchen - helfen                             0676-83 844 631                  dinatorin Waidhofen/Ybbs           und wahrer Engelsgeduld
trauernden Menschen, ihrem                                                             Begleitung: ehrenamtliche          bemüht sich John May darum,
Schmerz Ausdruck zu verlei-                           Trauer-Spaziergang im            Trauerbegleiterinnen               Angehörige einsam verstor-
hen. Der Trauer - als "Antwort                        Stadtgebiet St. Pölten                                              bener Menschen ausfindig zu
des Herzens" auf einen Verlust                        Fr 13. Oktober 2017                                                 machen. Er kümmert sich um
                                                                                        Region Lilienfeld
- kann hier symbolisch begeg-                         Wann: 14:00 Uhr                                                     eine würdevolle Beisetzung
net werden.                                           Wo: Bahnhof St. Pölten                                              – liebevoll wählt er die
An folgenden vier Stationen                           Dauer: ca. 2 Stunden im          „Weiterleben ohne dich“            geeignete Musik aus und
kann innegehalten werden:                             gemütlichen Tempo                Geschlossene                       schreibt die Ansprache für die
1. Klagemauer –                                       Begleitung und Anmeldung:        Trauergruppe                       Trauerfeier, deren einziger
   den Schmerz ausdrücken                             Hospizkoordinatorin              Beginn: Di 24. Oktober 2017        Gast er selbst ist.
2. See der Tränen –                                   Elisabeth Riegler                Wann: 6 Abende jeweils von         Ein bewegendes Meisterwerk!
   den Verlust beweinen                               0676-83 844 631                  16:00 bis 18:00 Uhr                Nähere Informationen
3. Weg der Erinnerung –                                                                Wo: Mobiler Hospizdienst,          www.hospizfoerderverein.at
   noch einmal „Danke“ sagen                          Trauergruppe                     Liese Prokop Str. 14, Lilienfeld
4. Die Glücksbohne in der                             für Erwachsene                   Begleitung und Anmeldung:
   Hosentasche – eine 		                              Herbst 2017                      Marina Schmidt-Schmidberger
   Geschichte zum Mitnehmen                           Trauergruppe an 6 Abenden        Trauerbegleiterin und
   und Nachahmen.                                     Wo: Gebetsraum der Pfarre        Hopizkoordinatorin
Diese Wanderstationen können                          Kirchberg/Pielach                0676-83 844 636                    Impressum
                                                                                                                          Medieninhaber und Herausgeber:
gerne bei uns unter:                                  Anmeldung:                                                          Caritas der Diözese St. Pölten,
0676-83 844 635                                       Poldi Reidies 0676-780 55 94                                        3100 St. Pölten, Hasnerstraße 4
                                                                                                                          Mobiler Hospizdienst,
hospiz@stpoelten.caritas.at                           Theres Simmer 0664-734 368 58                                       3100 St. Pölten, Schulgasse 10
angefragt werden.                                                                                                         Tel.: 02742/841-682
                                                                                                                          www.caritas-stpoelten.at
Österreichische Post AG P.b.b                                                                                             www.hospiz.caritas-stpoelten.at
GZ 11Z038806 M Verlagspostamt St. Pölten
Caritas St. Pölten, Hasnerstraße 4, 3100 St. Pölten                                                                       Redaktion: Anita Thür,
                                                                                                                          Edda Kaufmann
                                                                                                                          Layout: Sigrid Brandl
                                                                                                                          Druck: NÖ Pressehaus
                                                                                                                          P.b.b. Erscheinungsort:
                                                                                                                          Verlagspostamt St. Pölten

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