Love in the Fourth Dimension - Proseminar Sozialpsychologie: Partnerwahl, Freundschaft, Liebe

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200462
                       Proseminar Sozialpsychologie:
                      Partnerwahl, Freundschaft, Liebe
                          Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann
                                      WS 2010

                     Love in the Fourth Dimension
                               Ellen Berscheid (2010)

Seminararbeit von:

Philipp Müllner      0700661
Laura Albus          0909996
Philipp Müllner (0700661), Laura Albus (0909996)                                                               2

                                                  Inhaltsverzeichnis

 1 Einleitung und zeitlicher Abriss........................................................................... S. 3

 2 Liebe und Ehe........................................................................................................ S. 4

 3 Fokussierung auf die Variable Liebe in der Forschung..................................... S. 6

 4 Der Begriff Liebe................................................................................................... S. 7

 5 Liebe erklären........................................................................................................ S. 7

      5.1       Liebe als abstrakter Begriff.......................................................................... S. 8

      5.2       Psychometrische Herangehensweise............................................................S. 8

      5.3       Theoretische Herangehensweise.................................................................. S. 11

      5.4       Neuropsychologische Herngehensweise...................................................... S. 11

 6 Liebe in Beziehungen............................................................................................. S. 12

 7 Die Notwendigkeit für ein zeitliches Modell der Liebe...................................... S. 12

 8 Vier Kandidaten für ein zeitliches Modell der Liebe......................................... S. 13

      8.1       Kameradschaftliche Liebe............................................................................S. 13

      8.2       Romantische Liebe.......................................................................................S. 14

      8.3       Studie über die Dauerhaftigkeit von kameradschaftlicher und romantischer
                Liebe............................................................................................................ S. 15

      8.4       Fürsorgliche Liebe....................................................................................... S.18

      8.5       Reife Bindungsliebe..................................................................................... S.19

9     Zusammenfassende Anmerkung.......................................................................... S.20

10 Literatur................................................................................................................. S. 20
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1.     Einleitung und zeitlicher Abriss

Einige Anthropologen und Sozialpsychologen vertreten den Standpunkt, dass die Liebe ein
kulturübergreifendes Phänomen ist und dass die Variation „romantische Liebe“ wahrschein-
lich in jeder menschlichen Gruppierung seit Bestehen der Menschheit vorgefunden werden
konnte (Hatfield & Rapson 2002, zitiert nach Berscheid 2010).
Die Philosophie beschäftigt sich jeher mit diesem Thema, beispielsweise das Symposium
(Gastmahl) von Platon, das etwa um 400 v. Chr. entstanden ist (Waterfield 2001, zitiert nach
Berscheid 2010).

Seitens der Psychologie gab es allerdings bis Mitte des 20. Jahrhunderts keine Bemühungen
hinsichtlich dessen zu forschen. 1954 prangerte der Psychologe Abraham Maslow die Ver-
nachlässigung dieses Bereiches an. Er stellte fest, dass die Psychologie die Verpflichtung be-
säße, dieses für die Menschen so zentrale Thema zu behandeln.
Auch Fritz Heider betonte in seinem Klassiker The Psychology of Interpersonal Relations aus
dem Jahre 1958, dass Empfindungen ein ausschlaggebender Teil interpersoneller Beziehun-
gen seien und beeinflusste mit diesem Werk maßgeblich weitere Untersuchungen.
Bis Ende der 1960er stand die „Anziehung“ (bzw. das Mögen) im Fokus der psychologischen
Forschung. Die Herangehensweise war die social exchange theory, welche von Belohnungen
und Bestrafungen in menschlichen Interaktionen ausging.
Das Buch Interpersonal Attraction von Berscheid & Walster (1969) zum Beispiel behandelte
bestimmte Arten von Belohnungen, die Anziehung generieren. Allerdings hoben die Autoren
auch hervor, dass die experimentelle Forschung über romantische Liebe zu wenig fortge-
schritten sei um diese zu erklären.
Hier zeigte sich einerseits, dass damals der Schwerpunkt auf die experimentelle Forschung
gelegt wurde (im Gegensatz zum Interview, Fragebogen u.a.), da die relativ neue Disziplin
der Sozialpsychologie von anderen „echten“ Psychologen ernst genommen werden wollte.
Zum anderen wird deutlich, dass die romantische Liebe damals wie heute von primärem In-
teresse war und dass diese als starke Form von Anziehung gesehen wurde.
(Berscheid 2010)

Auf Grundlage dieser Überzeugung ging man davon aus, dass zwischen Gefallen und roman-
tischer Liebe lediglich ein quantitativer Unterschied von Anziehung besteht.
Die im Labor generierten (nur schwachen) kausalen Zusammenhänge, die zu „Mögen“ führ-
ten, sollten theoretisch im „echten Leben“ manchmal romantische Liebe produzieren.
Ein Kritiker dieser Theorie war Zick Rubin, der mithilfe seiner beiden Skalen zum „Mögen“
und „romantischer Liebe“ und deren nur leicht vorhandener Korrelation der Antworten, die
vorhergehende Annahme angriff.
(Berscheid 2010)
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Die Wahrscheinlichkeit, dass die Versuchspersonen ihre/ihren PartnerInn heiraten werden ist
weniger davon abhängig wie sehr sie diese mögen, sondern vielmehr wie stark sie die-
se/diesen lieben (Rubin 1970).

Auch Berscheid & Walster (1974) hatten Zweifel und operationalisierten einige offenkundige
Unterschiede zwischen Mögen und romantischer Liebe. Sie zeigten auf diese Weise unter-
schiedliche qualitative Determinanten der beiden Bedingungen auf, aus denen dann die Be-
zeichnungen „kameradschaftliche“ und „romantische Liebe“, in der zweiten Ausgabe von
Interpersonal Relations resultierten.
Kameradschaftliche Liebe entstünde aus der Intensität des Mögens und sei davon abhängig
auf wen dieses Mögen bezogen werde (Menschen, die eine wichtige Rolle im Leben des ein-
zelnen einnehmen im Gegensatz zu zufälligen Bekanntschaften). Die beiden Faktoren befän-
den sich somit im selben kausalen Kontinuum, romantische Liebe allerdings sei kausal gese-
hen so noch immer nicht erklärbar.
(Berscheid 2010)

Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts stiegen die Bemühungen, Liebe zu erklären stetig
an; die Forschung wurde nun auf das Verständnis von engen menschlichen Beziehungen ge-
richtet (z.B. Kelley et al. 1983/2002).
Die Psychologie trägt heute neben der Soziologie einen wichtigen Teil in der Beziehungsfor-
schung bei, da realisiert wurde, dass nahezu alles Verhalten im Kontext von Beziehungen zu
anderen stattfindet (Reis et al. 2000, zitiert nach Berscheid 2010).

2. Liebe und Ehe

Die historisch gesehen meiste Aufmerksamkeit im Falle interpersoneller Beziehungen fiel auf
die Institution Ehe, da diese als fundamentaler Bestandteil der Gesellschaft gesehen wurde.
Die Forschung richtete sich seitens der Soziologie zunächst auf die Stabilität von Ehen und
der Annahme, dass dieser die Zufriedenheit der Partner zugrunde liegt. Die Identifikation von
Faktoren, die auf die Zufriedenheit Einfluss nehmen stand im Vordergrund der Eheforschung.
Zwar wurden von Anfang an angenommen, dass Gefühle hier eine wichtige Rolle spielen,
jedoch wurden diese im Vergleich zur heutigen Zeit stark unterschätzt.
(Berscheid 2010)

Schon 1926 wies der Soziologe Ernest Burgess in seinem einflussreichen Artikel „The Ro-
mantic Impulse and Family Disorganization“ auf den Faktor der romantischen Liebe (bzw.
deren Abwesenheit) als Grund für die Unzufriedenheit von Ehepartnern hin (Berscheid
2010).
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Die Verschiebung von „traditioneller“ Ehe hin zur kameradschaftlichen Ehe in den ersten
Jahrzenten des 20. Jahrhunderts, veranlasste viele Soziologen dazu Burgess Beispiel zu fol-
gen. Im Vergleich zur traditionellen, die eher eine praktische, ökonomische Allianz darstellte,
war die kameradschaftliche Ehe stark von Gefühlen geprägt (Amato & Irving 2006, zitiert
nach Berscheid 2010).

Walter & Hill (1951) weisen daraufhin, dass wo immer romantische Liebe von großer Bedeu-
tung ist, die Ehe im Allgemeinen unstabil ist und dass dies eine Inkompatibilität mit der be-
ständigen und geordneten Familie darstellt.
Der Soziologe William Goode (1959) beschreibt einen „Komplex der romantischen Liebe“,
welcher den ideologischen Standpunkt darstellt, dass es wünschenswert sei, in der Ehe und
Partnerschaften verliebt zu sein.
(Berscheid 2010)

William Kephart fragte in einer Studie 1967 eine große Gruppe Männer und Frauen ob sie
eine Person heiraten würden, die zwar alle von ihnen gewünschten Qualitäten besitzt, in die
sie aber nicht verliebt sind. Zwei Drittel der Männer und ein Viertel der Frauen antworteten
mit nein (Berscheid 2010).
Bis Mitte der 1980er stieg die Anzahl auf 80% bei Männern und Frauen an (Simpson et al.
1986, zitiert nach Berscheid 2010).
Diese Zahlen stiegen weiter und in der Folge ist der Einfluss von romantischer Liebe auf die
Ehe nun auch in vielen anderen Ländern und Kulturen nachzuweisen (Levine et al., zitiert
nach Berscheid 2010).
Als die Scheidungsrate in den späten 1950er Jahren zu steigen begann und weiterhin stieg,
setzte sich nun auch die Forschung der Psychologie mit dem Thema intensiver auseinander.
Die damaligen praktizierenden Psychologen und die Paartherapie waren auf diese Situation
nicht vorbereitet, da die bisherige theoretische Forschung keine Lösung mehr darstellte (Ber-
scheid 2010).
Die professionelle Kluft zwischen Therapeuten, Theoretikern und Forschern ist nicht über-
wunden, es gibt einen Mangel an empirischen Fakten und Forschung, die auf diesen beruht
(Olson 1970, zitiert nach Berscheid 2010).

Über die nächsten Jahrzehnte hinweg wurde die Bemühung seitens psychologischer For-
schung in Bezug auf Zufriedenheit in der Ehe erhöht.
Ein Großteil dieser Forschung basierte auf einer Langzeitstudie von Burgess und Wallin, die
zeigte, dass nach 20 Jahren Ehe die Zufriedenheit stark gesunken war, die Intimität und ge-
meinsame Aktivitäten (auch sexueller Interkurs) nachgelassen hatten.
Viele Folgestudien bestätigten dieses Ergebnis, mit der Ausnahme, dass in manchen lang an-
haltenden Ehen ein Anstieg der Zufriedenheit gemessen werden konnte.
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Diese sogenannte „U-Kurve“ brachte zunächst Hoffnung mit sich. Allerdings wurde später
festgestellt, dass in diesen Studien bereits geschiedene oder getrennt lebende Paare außer Acht
gelassen wurden und der Anstieg in Zufriedenheit nur auf die übriggebliebenen, zufriedenen
Paare zurückzuführen ist.
(Berscheid 2010)

Bis vor Kurzem wurde die Erklärung für die Unzufriedenheit der Ehepartner in der Unver-
meidlichkeit von Konflikten und den damit verbundenen negativen Gefühlen gesucht.
Infolgedessen konzentrierte sich die Paartherapie auf Konfliktmanagement und Kommunika-
tionskompetenzen.
Caughlin & Huston (2006) begleiteten in einer Studie frischvermählte Paare in ihrer Ehe bis
zu 14 Jahre. Sie konnten die Annahme, dass Konflikte und negative Gefühle früh in der Ehe
diese determinieren nicht unterstützen. Vielmehr fanden sie heraus, dass spätere Scheidungen
vor allem auf Desillusionierung und die Abwesenheit von Liebe zurückgeführt wurden.
Glückliche Ehen bräuchten mehr als die Abwesenheit von Zwiespalt, sondern vielmehr Zu-
neigung und gegenseitige Unterstützung.
(Berscheid 2010)

2. Fokussierung auf die Variable Liebe in der Forschung

Durch die beinahe exklusive Fokussierung auf Konflikte als Gründe für Unzufriedenheit wur-
de die Liebe zu einer „vergessenen Variablen“ in der Paartherapie (Roberts 1992, zitiert nach
Berscheid 2010).
Und auch Gable & Reis (2001) fragen kritisch, warum sich die Forschung lediglich auf die
Konsequenzen negativer, unter dem Ausschluss von mehr positiven Prozessen konzentrierte
(Berscheid 2010).

Eine Antwort hierfür ist, dass Konflikt und die damit verbundenen negativen Gefühle als un-
vermeidbar in engen Partnerschaften galt und dies somit als primärer Grund für spätere Unzu-
friedenheit gesehen wurde.
Andere, nicht ganz so offensichtliche Faktoren finden sich in den Studien selbst. Die hier be-
inhalteten gängigsten Skalen zur Selbstevaluierung sind meist bipolar aufgebaut (z.B. mit den
Ankern „nicht mögen - mögen“ oder „unzufrieden - zufrieden“). Insofern ist es unmöglich
festzustellen, in welchem Ausmaß jedes Einzelne die Beziehung beeinflusst.
Ellis & Malamuth (2000) zeigten mit Hilfe zweier unipolarer Skalen, dass die Systeme „Lie-
be“ und „Ärger/Unzufriedenheit“ in Beziehungen größtenteils unabhängig voneinander sind.
(Berscheid 2010)
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Schon in einer frühen Studie von Braiker & Kelley (1979) wurde deutlich, dass positive und
negative Gefühle in Beziehungen Hand in Hand gehen, zu unterschiedlichen Zeiten jeweils
die Beziehung dominieren, oder manchmal in Interaktion treten.
Überrascht, dass junge Paare ihr Verhältnis zueinander oft als liebevoll und zugehörig be-
schrieben, diese aber gleichzeitig von Konflikten und Ambivalenz berichteten, folgerten Brai-
ker und Kelley, dass Liebe und Konflikt orthogonale Charakteristiken in Beziehungen seien.
Es scheine keine Verbindung zwischen Abhängigkeit/Liebe auf der einen und der Höhe von
Konflikten auf der anderen Seite zu geben.
(Berscheid 2010)

Eine Ausnahme im Gebrauch bipolarer Selbstevaluierungen sind Studien, in denen Paare (oft
in Konfliktsituationen) observiert werden, da hier üblicherweise die Verhaltensweisen in
positive und negative Gefühle unterteilt werden.
Mithilfe dieser Methode stellten Gottman & Levenson fest, dass obwohl Konflikte und
Negativität frühe Scheidungen voraussagen können, spätere Scheidungen oft durch die Abwe-
senheit von positivem Affekt und nicht die Präsenz negativen Affektes herbeigeführt werden.
(Berscheid 2010).

Auch ein Zeichen für die Vernachlässigung der Bedeutung positiver Gefühle in der Ehe ist,
dass Ex-Partnern wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurden. Diese geben Häufig den „Tod
der Liebe“ als Hauptgrund für die Trennung an (Gigy & Kelly 1992, Kayser 1993, zitiert nach
Berscheid 2010).
Auch Caughlin & Huston (2006, zitiert nach Berscheid 2010) stellen fest, dass es schockie-
rend wenige Studien gibt, die sich mit Liebe in der Zeit der Ehe beschäftigen, obwohl die
meisten Menschen Liebe als Basis für die Ehe nennen.

4. Der Begriff Liebe

Die menschliche Sprache ist mehrdeutig, es kommt nur selten vor, dass ein Wort nur eine
einzige Bedeutung hat (D’Andrade 1989, zitiert nach Berscheid 2010).
Der Begriff Liebe zeigt dies im Extrem, was die Arbeit von Forschern in diesem Bereich sehr
erschwert (Berscheid 2010).

Fehr & Russel (1991, zitiert nach Berscheid 2010) fragten Studierende, wie viele Arten von
Liebe sie aufzählen können. Es wurden 216 verschiedene Arten aufgezählt, 93 von mehr als
einer Person.
Liebe hat immer ein Ziel, auf das sie sich bezieht; viele dieser Ziele sind Objekte (z.B. Geld).
Liebe für Menschen kommt normalerweise in Beziehungen vor; einige Arten von Liebe be-
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ziehen sich lediglich auf die Art von Beziehung (z.B. mütterliche Liebe) (Fehr & Russel 1991,
zitiert nach Berscheid 2010).

Auch Forscher versuchen seit jeher Klassifizierungen von Liebe zu erstellen, dies allerdings
ohne einheitlichen Erfolg. Sternberg & Barres (1988, zitiert nach Berscheid 2010) fassten
Klassifizierungsversuche von Liebe verschiedener Autoren in ihrer „Anthology of Contempo-
rary Theories of Love“ zusammen. Wie allerdings Rubin (1988, zitiert nach Berscheid2010)
im Vorwort beschrieb, gibt es kein einheitliches Vokabular für Liebe, da die Definitionen zu
stark von der jeweils eigenen Interpretation abhängen.

5. Liebe erklären

5.1   Liebe als abstrakter Begriff

Viele Forscher definieren Liebe als eine Attitüde, oder eine Prädisposition sich in positiver
Art und Weise zu verhalten. Hier wird häufig die Social Exchange Theory angewendet, wel-
che sich auf die Prädisposition von Anziehung und Mögen bezieht.
Diese Theorie basiert allerdings auf dem oben erwähnten Prinzip von Belohnung / Bestrafung
und die Anwendung auf Liebe war bisher nicht erfolgreich.
Eine Erklärung ist, dass vielleicht nicht alle Formen diesem Prinzip folgen.
(Berscheid 2010)

Im Gegensatz zur Attitüde definieren die meisten Laien und einige Forscher Liebe als eine
Emotion.
Shaver et al. (1987, zitiert nach Berscheid 2010) fanden bei einer Befragung von Studenten
heraus, dass diese aus 200 Wörtern, die Emotionen beschreiben, die Liebe noch vor Terror
oder Begeisterung als stärkste Emotion heraushoben.
Die Emotionstheoretiker Russel & Barrett (1999, zitiert nach Berscheid 2010) stellen aller-
dings fest, dass Experten im Bereich Emotion sich selbst uneinig sind was eine Emotion ist
und was nicht. Es ist ein zu weitreichender Begriff, als dass er eine eigene wissenschaftliche
Kategorie darstellen kann.

5.2   Psychometrische Herangehensweise

In den 1980er Jahren begannen Sozialpsychologen psychometrische Techniken (z.B. Haupt-
komponentenanalyse) zu verwenden, um Klassifizierungen von den zugrundeliegenden Di-
mensionen der Beschreibungen von romantischen Beziehungen zu erhalten.
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Hier muss erwähnt werden, dass der Begriff „romantische Beziehung“ sich auf alle gegen-
oder gleichgeschlechtlichen Beziehungen bezieht, in denen zumindest Potenzial für starke
positive Gefühle und sexuelle Anziehung besteht, obwohl diese Gefühle eventuell momentan
nicht bestehen, oder nie bestehen werden.
(Berscheid 2010)

Triangular Theroy of Love

Robert Steinberg und Kollegen gehörten zu den ersten, die die psychometrische
Herangehensweise an Liebe nutzten.
Sternberg (1986) entwickelte auf Basis dieser Herangehensweise die „Triangular Theory of
Love“. Diese beschreibt Liebe in drei Komponenten; Intimität, Leidenschaft und Bindung,
aus denen kombiniert acht Arten von Liebe resultieren können.
(Berscheid 2010)

Abbildung 1:   Triangular Theorie of Love (Sternberg 1986)

Die folgenden acht Formen der Liebe lassen sich mithilfe der Theorie bestimmen.

   1)   Nicht-Liebe: alle 3 Komponenten fallen weg  oberflächliche Bekanntschaft
   2)   Sympathie: Vertrautheit, ohne Leidenschaft und Bindung  nur Intimität
   3)   Verliebtheit: nur Leidenschaft
   4)   Leere Liebe: nur Bindung (Zweckehe)
   5)   Wahre Liebe: Leidenschaft und Intimität, ohne Bindung
   6)   Kameradschaftliche Liebe: Intimität und Bindung, keine Leidenschaft
   7)   Alberne Liebe: Leidenschaft und Bindung ohne Intimität
   8) Vollkommene Liebe: alle 3 Parameter vorhanden, eher selten, da Leidenschaft nicht
      ewig andauert
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Love Attitudes Scale

Ein weiterer Klassifizierungsversuch mit psychometrischen Hilfsmitteln war die Love Attitu-
des Scale (LAS) von Clyde und Susan Hendrick (1986), mit dem sechs verschiedene Arten
von Liebe gemessen werden sollten. Mit dieser und weiteren Skalen (unter anderem Stern-
bergs und der „Passionate Love Scale“ von Hatfield & Sprecher 1986) fanden sie verschie-
dene Faktoren heraus, die den Antworten von Studenten zugrunde lagen. Allerdings korre-
spondierten diese nur schlecht mit den vorgeschlagenen sechs Liebestypen und unterstützen
auch nicht Sternbergs Theorie. Zwar wiesen die ersten beiden Faktoren Ähnlichkeit zum ro-
mantische Liebe / kameradschaftliche Liebe Prinzip auf, dennoch konnte dieser Klassifizie-
rungsversuch nicht angenommen werden.
(Berscheid 2010)

Clusteranalyse von Fehr (1994)

Fehr führte 1994 eine Clusteranalyse der Liebestypen, die in der Studie von Fehr & Russell
von den Studenten genannt wurden durch.
Er fand zwei primäre Gruppen: Freundschaftliche Liebe (beinhaltet Zuneigung, Freundschaft
und familiäre Liebe) und leidenschaftliche Liebe (beinhaltet romantische und sexuelle Liebe).
(Berscheid 2010)

Limitierungen der psychometrischen Herangehensweise

Die psychometrische Herangehensweise hat einige Limitierungen.
Beispielsweise berichteten Hendrick & Hendrick (1989) in ihrer Studie, dass nur die Hälfte
der Versuchspersonen angab, zu diesem Zeitpunkt „verliebt“ zu sein. Diese Zahl ist
vergleichbar mit anderen Studien, die vorher durchgeführt wurden.
Als Konsequenz mussten sich die übrigen Personen auf Erfahrungen in früheren Beziehungen
berufen oder, falls sie sich noch nie in einer solchen befanden, sich überlegen was ihre
Antwort sein könnte.
(Berscheid 2010)

Eine weitere Limitierung stellt das Alter der Versuchspersonen dar. Der Großteil der
Teilnehmer waren Studenten und somit im Verhältnis eher jung. Fraglich ist nun ob die
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Ergebnisse der Studien auch auf Paare im fortgeschrittenen Alter übertragbar sind.
(Berscheid 2010)

Auch in den Liebesskalen selbst finden sich Limitierungen.
Oft beinhalten Skalen auf der einen Seite Items, die auf generelle Aussagen bezüglich
Beziehungen zielen und andere Items, die Beziehungsspezifisch ausgelegt sind.
Desweiteren ist es durch die Verwendung bestimmter Skalen möglich das Ergebnis zu
beeinflussen, da diese auf bestimmte Arten von Liebestypen ausgerichtet sind.
(Berscheid 2010)

5.3   Theoretische Herangehensweise

Nur wenige Autoren von Klassifizierungssystemen entwickelten adäquate Theorien, die sie
auf jeden der aufgeführten Liebestypen anwendeten (Berscheid 2010).

Kelley (1983/2002, zitiert nach Berscheid 2010) stellte fest, dass Theorien zur Liebe folgende
vier Punkte beinhalten sollten:

       a) bestimmte wahrnehmbare Phänomene
       b) die aktuellen Gründe die für das Phänomen verantwortlich sind
       c) die Vorgeschichte des Phänomens
       d) den zukünftigen Verlauf des Phänomens

Jeder dieser Komponenten sollte auf den bestimmten Liebestyp, den der Forscher behandelt
angewendet werden, da sich das Wort Liebe auf verschiedene Phänomene bezieht, insofern
muss es verschiedene Modelle für Liebe geben (Kelley 1983/2002, zitiert nach Berscheid
2010).
Wenn es ein Problem mit Theorien über Liebe gibt, dann ist es, dass Theorien über Teile des
Phänomens als Theorien über das komplette Phänomen ausgegeben wurden (Sternberg 1987,
zitiert nach Berscheid 2010)

5.4   Neuropsychologische Herangehensweise

Bartels & Zeki (2000) verglichen in einer Studie die kortikale Aktivität von Menschen, die
entweder auf ein Bild einer Person des Freundeskreises, oder einer Person, für die sie tiefe
Liebe empfanden blickten.
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Die Bilder des fMRT, so die Autoren, würden zeigen, dass den verschiedenen Bedingungen
spezielle Aktivitäten im Gehirn zugrunde lägen.
(Berscheid 2010)

Kritik an dieser Herangehensweise äußerte Cacioppo (2003). Er merkte an, dass die Ver-
suchsleiter annahmen, dass der Unterschied der Bedingungen einzig romantische Liebe sein
solle, hier aber sehr viel mehr Faktoren eine Rolle spielen müssten (z.B. mehr, sexuelles In-
teresse, persönliches Investment, etc. in den eigenen Partner als den Freund).
(Berscheid2010)
Der Fakt, dass romantische Liebe mit Änderungen der Gehirnaktivierung zusammenhängt, ist
theoretisch nicht aufschlussreich für Neuro- und Sozialwissenschaftler (Cacioppo 2003, zitiert
nach Berscheid 2010).

6. Liebe in Beziehungen

Jede Beziehung verändert sich von Natur aus mit der Zeit. Dabei verändert sich auch die so-
ziale und physische Umwelt, in die sie eingebettet ist. Menschen werden älter, verändern sich
individuell und auch die Interaktionen zwischen Partnern bleiben nicht gleich, sowie deren
Produkt, die Liebe. (Berscheid, 2010)
Von vielen Menschen wird diese Unvermeidlichkeit von Veränderungen als Bann gesehen, da
sie meinen, dass auch die Qualität der Liebe gleich bleiben muss, wenn die Liebe für immer
und ewig halten soll. Weil sich die Art der Liebe, die man fühlt, aber in jeder Beziehung ver-
ändert, ist es nun interessant zu untersuchen, wie, wann und warum Veränderung stattfindet.
(Berscheid, 2010)

7. Die Notwendigkeit für ein zeitliches Modell der Liebe

Insgesamt steigt das Interesse für Beziehungsveränderungen (Vangelisti et al., 2002, zitiert
nach Berscheid, 2010). Eine entwicklungsgemäße Sicht verlangt eine Erweiterung des Ange-
bots an untersuchten Variablen und Bewegung hinter den statischen Theorien, die Frischver-
heiratete nicht von etablierten Paaren abgrenzen können (Berscheid, 2010).
Um den Lauf der Liebe über die Zeit untersuchen zu können, müssen Forscher zunächst ein-
mal herausfinden, welche bereits postulierten Arten von Liebe sinnvoll sind. Zudem wird ein
Modell benötigt, das eine eingeschränkte Anzahl der verschiedenen Liebesformen spezifiziert,
die wichtig dabei sind qualitative und quantitative Veränderungen abzuschätzen. (Berscheid,
2010)
Um ein solches Modell zu erstellen, wurde das Persönlichkeitsmodell von Costa und MaCrae
(1992, zitiert nach Berscheid, 2010) als Vorbild genommen.
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Diese zwei entwickelten die Big Five aus der geschätzten Verbreitung bestimmter Termini im
Laienvokabular, deren Auftrittshäufigkeit in Persönlichkeitstheorien, der Abwägung ihrer
Ähnlichkeit im Inhalt und dem Aufkommen in faktoranalytischen Studien. Obwohl ein sol-
ches Modell nicht jeden zufrieden stellen würde, da es nicht alle Variationen der Liebe enthal-
ten kann, wäre es dennoch sehr hilfreich. (Berscheid, 2010)

8. Vier Kandidaten für ein zeitliches Modell der Liebe

Es wurden vier Formen der Liebe gefunden, die den Kriterien von Costa und MaCrae entspre-
chen und hilfreich beim Erforschen des Verlaufs der Liebe in Beziehungen sein könnten. Be-
scheid (2010) nennt diese Liebesarten Kameradschaftliche Liebe, Romantische Liebe, Für-
sorgliche Liebe und Reife Bindungsliebe.
Alle vier Formen werden mit verschiedenen zugrundeliegenden Bedingungen in Verbindung
gebracht und sind deshalb wahrscheinlich anfällig für verschiedene Veränderungen in der
sozialen und physikalischen Umwelt der Beziehung (Berscheid, 2006, zitiert nach Berscheid,
2010). Die Frage ob keine, eine oder eine Kombination der vier Formen in einer Beziehung
durchlebt werden, kann erst beantwortet werden, wenn jede Liebesform einzeln untersucht
wurde (Berscheid, 2010).

8.1   Kameradschaftliche Liebe

Grote und Frieze (1994, zitiert nach Berscheid, 2010) definieren Kameradschaftliche Liebe
als komfortable, herzliche, vertrauensvolle Liebe zu einem liebenswertem Partner, die auf
einem tiefen Gefühl von Freundschaft basiert und das Erfreuen an gemeinsamen Aktivitäten
und gemeinsames Lachen mit sich bringt. In einer Studie von Fehr und Russel (1991, zitiert
nach Berscheid, 2010) wird diese Liebesform von Studenten als das beste Beispiel für Liebe
genannt. Das könnte damit zusammenhängen, dass die kameradschaftlichen Liebesvariationen
die Bedeutung des Konzepts von Liebe für Laien am besten umfassen (Fehr, 1994, zitiert
nach Berscheid, 2010).
Bisher gibt es wenige Theorien und wenig Forschung im Bereich der Freundschaftsentwick-
lung bei Erwachsenen, dennoch könnte Kameradschaftliche Liebe grundlegend für viele Be-
ziehungen sein und eine bessere Basis für eine zufriedenstellende Ehe als Romantische Liebe
(Berscheid, 2010). Auch in einer Studie von Orbuch et al. (1993, zitiert nach Berscheid, 2010)
zeigt sich, dass das eheliche Wohlbefinden nicht durch Erzählungen über ein sehr romanti-
sches Kennenlernen vorhergesagt werden kann, nur ein positiver Ton in den Erzählungen
scheint dafür wichtig zu sein. Ebenso zeigten Grote und Frieze (1994, zitiert nach Berscheid,
2010) durch die von ihnen entwickelte FBL-Skala, dass Kameradschaftliche Liebe höher mit
Beziehungszufriedenheit, wahrgenommener Wichtigkeit der Beziehung und gefühlter Nähe
zum Partner korreliert als Romantische Liebe.
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Der Kameradschaftlichen Liebe liegt das Vergnügen-Schmerz-Prinzip zugrunde, das besagt,
dass wir die mögen, die uns belohnen und die ablehnen, die uns bestrafen (Berscheid, 2010).
Obwohl es eine enorme Anzahl von Belohnungen gibt, die verliehen werden können, haben
Berscheid und Reis (1998, zitiert nach Berscheid, 2010) einige Faktoren als besonders wirk-
sam beim Erzeugen von Zuneigung identifiziert. Zu diesen Faktoren gehören Ähnlichkeit,
Vertrautheit und der Ausdruck von Ansehen und Bestätigung. Zudem neigen Menschen dazu,
diejenigen zu mögen, die körperlich attraktiv sind, da weitere positive Eigenschaften damit
assoziiert werden.
Laut Reis und Shaver (1988, zitiert nach Berscheid, 2010) wachsen Freundschaften und auch
Intimität durch den Prozess von gegenseitiger Selbstenthüllung, die mit positiver Resonanz
vom Partner einhergeht.
Einige Forscher sind der Meinung, dass Freundschaften sich langsam entwickeln, dann aber
stabil bleiben (Hays, 1988, zitiert nach Berscheid, 2010). Eine andere berühmte zeitliche
Hypothese ist, dass in romantischen Beziehungen wie Ehen die Romantische Liebe von Ka-
meradschaftlicher Liebe ersetzt wurde (Walster [Hatfield] & Walster, 1978, zitiert nach Ber-
scheid, 2010).

8.2   Romantische Liebe

Für diese Form der Liebe gibt es viele Bezeichnungen, sie kommt oft im Laienvokabular und
in allen Kategorisierungssystemen der Liebe vor. Synonyme dafür sind leidenschaftliche Lie-
be, erotische Liebe, zwanghafte Liebe und verliebt sein. (Berscheid, 2010)
Schon Freud (1912/1963, zitiert nach Berscheid, 2010) beschäftigte sich mit dieser Liebesart
und schrieb ihr zwei Komponente zu, zärtliche und genusssüchtige Gefühle. Letztere werden
in beinahe allen Liebestheorien mit Romantischer Liebe in Verbindung gebracht, vor allem
sexuelles Verlangen (Berscheid & Regan, 2005, zitiert nach Berscheid, 2010). Da Kamerad-
schaftliche Liebe meist als Gegensatz zu Romantischer Liebe gesehen wurde, blieb die Be-
deutung der liebevollen, zärtlichen Gefühle lange vernachlässigt (Berscheid, 2010).
Eine Studie von Meyers und Berscheid (1997, zitiert nach Berscheid, 2010) erbrachte Bewei-
se, dass sexuelles Verlangen und Freundschaft zusammen nötig und ausreichend sein könnten
für das Gefühl des Verliebt seins. Sie baten Studenten Personen aus ihrem sozialen Netzwerk
in bestimmte Kategorien einzuordnen. Dabei fanden sie heraus, dass die Person, die in der
Kategorie Lieben genannt wurde, auch in den Kategorien Freundschaft und sexuelles Verlan-
gen genannt wurde.
Bisher ist unbekannt, welche Gegebenheiten sexuellem Verlangen zugrundeliegen. Regan und
Berscheid (1999, zitiert nach Berscheid, 2010) behaupten, dass ein gesunder Körper und ein
physisch attraktiver Partner eine große Rolle dabei spielen.
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Laut Freud (1912/1963, zitiert nach Berscheid, 2010) sinkt der Wert, der auf erotische Be-
dürfnisse gelegt wird, sobald Befriedigung leicht erreichbar wird. Deshalb sind Hindernisse
nötig, um die Lust auf ihren Gipfel zu bringen und um Gefühle und Leidenschaft zu erzeugen.
Ein anderer Ansatz besagt, dass Leidenschaft mit Aufgeregtheit und physiologischer Erregung
einhergeht, welche kausal mit intensiven Gefühlen in Verbindung gebracht werden. Aufge-
regtheit und Erregung werden wiederum durch Überraschung und Unsicherheit hervorgeru-
fen, was charakteristisch für eine neue Beziehung ist. (Hatfield, 1988, zitiert nach Berscheid,
2010)
In ihrem Modell über Gefühle in Beziehungen postuliert Berscheid (1983/2002, zitiert nach
Berscheid, 2010), dass sich in jeder neuen Beziehung Erwartungen an den Partner bilden.
Wenn diese verletzt werden, hat das Auswirkungen auf das Wohlbefinden und veranlasst
emotionale Erfahrungen. Diese Erfahrungen können entweder positiv oder negativ sein, je
nachdem, ob das Wohlbefinden durch eine Erwartungsverletzung verbessert oder verschlech-
tert wird. Nach einiger Zeit wächst in einer Beziehung das beidseitige Abhängigkeitsverhält-
nis und die Erwartungen sind soweit verwurzelt, dass sie aus dem Bewusstsein verschwinden.
In den meisten fundierten Beziehungen wird deshalb begünstigendes Verhalten für selbstver-
ständlich gehalten und es wird schwierig starke positive Gefühle zu erzeugen. (Berscheid,
1983/2002, zitiert nach Berscheid, 2010)
Dass die sexuelle Aktivität mit dem Alter und der Länge der Beziehung abnimmt, zeigt eine
Studie von Sprecher et al. (2006, zitiert nach Berscheid, 2010). Darin wurde gezeigt, dass die
sexuelle Aktivität bei älteren Partnern in neuen Beziehungen höher ist, als bei Gleichaltrigen
in bereits länger bestehenden Beziehungen.
Es wäre auch möglich, dass sexuelles Verlangen der anregende Faktor ist, der eine Beziehung
initiiert oder aufrechterhält, bis sich daraus Freundschaft entwickelt und, damit kombiniert,
Romantische Liebe hervorbringt (Berscheid, 2010).
In einer Studie von Gillath et al. (2008, zitiert nach Berscheid, 2010) wurde gezeigt, dass nach
Priming von erotischen Fotos beziehungsspezifische Motive aktiviert wurden. Die Versuchs-
personen zeigten mehr Interesse und mehr beziehungsförderliches Verhalten.

8.3   Studie über die Dauerhaftigkeit von Kameradschaftlicher und Romantische Liebe

Hatfield, Pillemer, O’Brien und Le (2008) untersuchten in einer Studie den Einfluss, den die
Zeit auf Kameradschaftliche Liebe hat, im Gegensatz zum Einfluss, den sie auf Romantische
Liebe hat.
Romantische Liebe wird definiert als ein kraftvoller emotionaler Zustand, in dem ein intensi-
ves Verlangen nach Vereinigung mit dem Partner verspürt wird. Diese Form von Liebe bein-
haltet Wertschätzungen, subjektive Gefühle, physiologische Prozesse und Handlungstenden-
zen. Kameradschaftliche Liebe dagegen ist eine weniger intensive Emotion, die Gefühle von
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Bindung, Hingabe und Intimität vereint. (Hatfield & Rapson, 1993, zitiert nach Hatfield et al.,
2008)
In der im Folgenden beschriebenen Untersuchung wurden zwei Fragen behandelt. Die erste
beschäftigt sich damit, ob sich Männer und Frauen darin unterscheiden, wie sehr sie ihren
Partner lieben. Die zweite Fragestellung untersucht, welchen Effekt die Zeit auf das Gefühl
von Kameradschaftlicher und Romantischer Liebe hat. (Hatfield et al., 2008)

Theoretischer Hintergrund:

Kulturelle Klischees besagen, dass Frauen ihre Partner generell mehr lieben als sie im Gegen-
zug geliebt werden, und es liegen einige Daten vor, die diese Klischees unterstützen. Es
scheint jedoch von der Art der Liebe und dem Messinstrument abhängig zu sein, ob Frauen
ihre Partner wirklich mehr lieben als umgekehrt. (Hatfield et al., 2008)
In Studien, in denen nach leidenschaftlicher oder romantischer Liebe gefragt wurde, konnten
keine Geschlechtsunterschiede bei der für den Partner empfundenen Liebe gefunden werden
(Rubin, 1973, Sprecher-Fisher, 1980, zitiert nach Hatfield et al., 2008).
Bei Kameradschaftlicher Liebe liegen deutlichere Ergebnisse vor, welche die Klischees unter-
stützen. Frauen neigen dazu ihre Partner mehr zu mögen und stärker freundschaftlich zu lie-
ben als ihre Partner das im Gegenzug tun (Hatfield & Rapson, 1993, zitiert nach Hatfield et
al., 2008).
Da diese Studien jedoch nur mit Paaren in Kurzzeitbeziehungen durchgeführt wurden, ist we-
nig über die Geschlechtsunterschiede der empfundenen Liebe in Ehen und Langzeitbeziehun-
gen bekannt (Hatfield et al., 2008).
In der Volkskunde wird Romantische Liebe für sehr zerbrechlich gehalten, während Kame-
radschaftliche Liebe eher als stabil gilt (Hatfield & Walster, 1978, zitiert nach Hatfield et al.,
2008). Im besten Fall entwickelt sich laut Huesman (1980, zitiert nach Hatfield et al., 2008)
aus Romantischer Liebe eine robuste Kameradschaftliche Liebe, die ein Leben lang halten
könnte. Einige Forscher haben aber herausgefunden, dass Kameradschaftliche Liebe und Be-
ziehungszufriedenheit generell im Laufe der Zeit abnehmen (Karney & Bradbury, 1995, Tu-
cker & Aron, 1993, zitiert nach Hatfield et al., 2008).
Auf diesen bisherigen theoretischen Erkenntnissen aufbauend wurden zwei Hypothesen auf-
gestellt:
     1. Frisch verheiratete Frauen und Männer unterscheiden sich nicht im Ausmaß der ge-
        fühlten Romantischen Liebe zueinander. Frauen empfinden jedoch mehr Kamerad-
        schaftliche Liebe für ihre Partner als umgekehrt.
     2. Zeit wird die empfundene Romantische Liebe stärker negativ beeinflussen als die Ka-
       meradschaftliche Liebe. (Hatfield et al., 2008)
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Methode:

Um geeignete Teilnehmer für die Studie zu finden, besorgten sich Hatfield et al. (2008), die
Namen und Adressen aller Paare, die in Dane County in Wisconsin heiraten wollten, aus dem
Staatsarchiv. Daraufhin wurden alle Paare eliminiert, die zu weit entfernt wohnten, diejeni-
gen, die kein Englisch sprachen und die, die älter als 45 Jahre waren (Hatfield et al., 2008).
Den übrigen 284 Paaren wurde zunächst ein Brief geschickt, in dem die Forscher, die Ziele
der Studie und die Wichtigkeit einer kooperativen Antwort beschrieben. Zudem wurde der
Telefonanruf, der eine Woche später folgte, ebenfalls in dem Brief angekündigt. Schlussend-
lich konnten 118 Paare an der Studie teilnehmen (Hatfield et al., 2008).
Zur Zeit des Interviews waren die Teilnehmer zwischen drei und acht Monaten verheiratet
und 16 bis 45 Jahre alt. Die Versuchspersonen wurden getrennt von acht Frauen und drei
Männern, die zuvor Interviewtraining bekommen hatten, in einer heimischen Umgebung an
der Universität von Wisconsin interviewt. (Hatfield et al., 2008)
Um das Ausmaß der Romantischen und Kameradschaftlichen Liebe messen zu können, wurde
den Versuchspersonen während des Interviews diese zwei Formen der Liebe vorgestellt. Ro-
mantische Liebe wurde dabei als wilder emotionaler Zustand beschrieben, mit dem sexuelle
Gefühle, Begeisterung und Schmerz, Besorgnis und Fürsorge assoziiert werden. Als eine
schwache Emotion mit Gefühlen von freundschaftlicher Zuneigung und tiefer Bindung wurde
Kameradschaftliche Liebe dargestellt. (Hatfield et al. , 2008)
Auf einer Skala von eins bis fünf, beziehungsweise kein bis riesiger Umfang, sollten die Teil-
nehmer daraufhin einschätzen, zu welchem Level sie Romantische und Kameradschaftliche
Liebe für ihren Partner empfinden. Ein Jahr später wurden die Teilnehmer gebeten, die Fragen
ein zweites Mal zu beantworten, woraufhin 33 Paare zusagten an beiden Interviews teilzu-
nehmen. (Hatfield et al., 2008)

Ergebnisse und Diskussion:

Insgesamt berichteten Männer und Frauen eine große Menge an Romantischer Liebe, die sie
für ihren Partner empfanden, und es wurden keine Geschlechtsunterschiede im Ausmaß der
gefühlten Romantischen Liebe gefunden (F(1,104)= .66, ns). Frauen jedoch empfanden signi-
fikant mehr Kameradschaftliche Liebe für ihren Partner als umgekehrt (F(1,104)= 11,45; p˂
.001). In Kombination mit früheren Studien deuten diese Ergebnisse also an, dass es wirklich
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einen Geschlechtsunterschied bezüglich der gefühlten Kameradschaftlichen Liebe gibt. (Hat-
field et al. , 2008)
Die Annahmen über die Veränderung mit der Zeit waren, dass die Romantische Liebe steil
abnimmt, während die Kameradschaftliche Liebe relativ stabil bleibt. Zudem wurde eine si-
gnifikante Interaktion zwischen den Variablen Geschlecht, Länge der Beziehung und Liebes-
form vermutet (Hatfield et al., 2008).
Um diese Hypothesen zu untersuchen wurde eine 2x2x2 Faktorenanalyse im Varianzdesign
verwendet, welche die Variablen Geschlecht, Zeit des Interviews und Liebesform beinhaltete.
Eine Interaktion, wie in der zweiten Hypothese angenommen, konnte allerdings in den Ergeb-
nissen nicht gefunden werden. (Hatfield et al., 2008)
Die Zeit dagegen scheint einen zerstörenden Effekt auf die Liebe zu haben (F(1,104)=13,81,
p˂ .001). Dieser Effekt ist aber nicht größer bei Romantischer Liebe als bei Kameradschaftli-
cher Liebe (Interaktion F(1,104) für Zeit x Liebesform = .57, ns). Insgesamt wurden von den
Paaren ein Jahr nach dem ersten Interview noch überraschend hohe Werte für die gefühlte
Liebe berichtet. (Hatfield et al., 2008)

Zusammenfassung:

In dieser Studie mit 53 frisch verheirateten Paaren konnten keine Geschlechtsunterschiede im
Bezug auf das Ausmaß der empfunden Romantischen Liebe gefunden werden. Bei Kamerad-
schaftlicher Liebe zeigte sich aber, dass Frauen ihre Partner mehr freundschaftlich lieben als
Männer ihre Frauen. Die Intensität der Romantischen, sowie der Kameradschaftlichen Liebe,
verringerte sich im Verlauf des ersten Ehejahres, jedoch konnte dabei kein Unterschied zwi-
schen diesen zwei Liebesformen gefunden werden. (Hatfield et al., 2008)

8.4   Fürsorgliche Liebe

Sprecher und Fehr (2005, zitiert nach Berscheid, 2010) definieren Fürsorgliche Liebe als Ein-
stellung zu einer anderen Person. Diese Einstellung beinhaltet Gefühle, Gedanken und Ver-
halten, das sich daran orientiert dem Partner zu helfen, ihn zu unterstützen und zu verstehen,
vor allem, wenn er als leidend wahrgenommen wird.
Das Interesse an Fürsorglichkeit in Beziehungen ist vor allem deshalb gestiegen, weil sie eine
große Rolle in der Beziehungszufriedenheit spielt (Pasch & Bradbury, 1998, zitiert nach Ber-
scheid, 2010). Es ist wichtig über negatives Verhalten des Partners hinwegzusehen oder mit
Fürsorglicher Liebe darauf zu reagieren, da Gegenseitigkeit von negativem Verhalten ein
Kennzeichen unglücklicher Partnerschaften ist (Gottman, 1999, Rusbult et al., 1998, zitiert
nach Berscheid, 2010).
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Von Clark und Monin (2006, zitiert nach Berscheid, 2010) wurde der Begriff gegenseitige
Responsivität als Synonym für diese Form der Liebe eingeführt. Damit ist gemeint, dass in
responsiven Beziehungen beide Partner auf das Wohl und die Bedürfnisse des anderen achten
und zuversichtlich sind, dass der andere dasselbe tut. Wenn diese responsiven Handlungen
wiederholt auftreten, tragen sie zu einem Gefühl von Liebe in allen Beziehungen bei.
Die Theorie von Bowlby (1973, zitiert nach Berscheid, 2010) besagt, dass jeder Mensch ein
angeborenes Fürsorgesystem besitzt und sich an einen anderen Menschen bindet, der in Not-
zeiten Fürsorge bietet und dadurch ein Sicherheitsgefühl vermittelt. Auch Clark und Monin
(2006, zitiert nach Berscheid, 2010) sind der Meinung, dass Handlungen der gemeinsamen
Responsivität den Partner mit einem Gefühl von Sicherheit versorgen und dieses Gefühl er-
höht wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass der Partner auch responsiv antwortet. Insgesamt
erhöht gefühlte Sicherheit die Wahrscheinlichkeit von mitfühlendem Verhalten zueinander
(Mikulincer, 2005, zitiert nach Berscheid, 2010).
In einer Studie zeigt Gillath et al. (2008, zitiert nach Berscheid, 2010), dass auch sexuelles
Priming die Bereitschaft erhöht sich für das Wohl des Partners aufzuopfern. Für das Entstehen
von Fürsorglicher Liebe ist es allerdings auch wichtig, dass der Partner Fürsorge erhalten will,
denn manchmal ist Unterstützung unwillkommen und erhöht sogar den empfundenen Distress
(Clark & Monin, 2006, zitiert nach Berscheid, 2010).
Die meisten Menschen sind sehr geschickt dabei sich fürsorglich zu verhalten, wenn sie sich
eine neue Beziehung oder Freundschaft wünschen (Clark & Monin, 2006, zitiert nach Ber-
scheid, 2010). Da es aber einen Unterschied macht, ob Fürsorgliche Liebe kaum Aufopferung
verlangt, oder ob sie große persönliche Kosten über eine lange Zeit erfordert, ist insgesamt
mehr Forschung zu dieser Liebesform nötig (Bolger et al., 1996, zitiert nach Berscheid,
2010). Vor allem Beziehungen älterer Menschen sollten genauer untersucht werden, da im
Alter oft Frustration und Altersschwäche eine Rolle spielen, und Beziehungen, in denen einer
oder beide Partner ein schlimmes Schicksal erlitten haben (Berscheid, 2010).

8.5   Reife Bindungsliebe

Das Gegenstück des Fürsorgesystems ist das Bindungssystem und nach Harlow (1958, zitiert
nach Berscheid, 2010) ist Bindung eine Form von Liebe. Dieses angeborene Verhaltenssy-
stem wird bei Bedrohung aktiviert und führt zu einer Form von Bindung zu einer uns bekann-
ten Person, die Schutz bietet.
Lange Zeit galt der Mutter-Kind-Bindung mehr Interesse, doch Ainsworth (1985, zitiert nach
Berscheid, 2010) behauptet, dass sich auch in einer sexuellen Langzeitbeziehung eine Bin-
dung zum Partner aufbaut. Dabei interagieren die Fürsorge- und Bindungskomponenten und
bilden eine reziproke Geben- und Nehmen- Beziehung.
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Auch Shaver (1988, zitiert nach Berscheid, 2010) ist der Meinung, dass jeder Partner für den
anderen zu einer Bindungsfigur wird, indem sich das Geben und Nehmen von Fürsorge ab-
wechselt.
Bisher ist unbekannt, wie sich Bindung bei Erwachsenen zeigt und entwickelt (Berscheid,
2010). Eine Theorie von Clark und Monin (2006, zitiert nach Berscheid, 2010) besagt, dass
das Bereitstellen von Fürsorge in Notzeiten ein primärer Prozess bei der Bindungsentwick-
lung ist. Wichtig dabei ist auch das Wachsen von Vertrautheit, da dadurch Sicherheit signali-
siert wird (Bowlby, 1979, zitiert nach Berscheid, 2010). Insgesamt scheint es, dass das häufi-
ge Empfangen von Fürsorge und das Wachsen von Vertrautheit zusammen nötig und ausrei-
chend sind für die Entwicklung von Bindung zum Partner (Berscheid, 2010).
Wenn sich einmal eine Bindung zum Partner entwickelt hat, so bleibt diese erhalten, auch
wenn die anderen Komponenten der Liebe schwinden. Das stellte Weiss (1975, zitiert nach
Berscheid, 2010) in einer Studie fest, in der er frisch getrennte Paare beobachtete. Viele davon
verspürten plötzlich einen überwältigenden Drang zu ihrem nun verhassten Partner die Nähe
wiederherzustellen.
Damit jedoch eine solche Bindung zum Partner entsteht, muss eine Beziehung mindestens
zwei Jahre bestehen (Hazan & Zeifman, 1999, zitiert nach Berscheid, 2010).

9. Zusammenfassende Anmerkungen

Obwohl sich mittlerweile viele Forscher mit dem wissenschaftlichen Verständnis von Liebe
befassen, wurde bisher dem Gegenstück von Liebe, Hass, viel mehr Aufmerksamkeit gewid-
met. Das liegt wohl daran, dass die schädlichen Effekte von Hass viel offensichtlicher sind,
dennoch sollte auch die Erforschung der Liebe nicht vernachlässigt werden. Ein großes Pro-
blem dabei ist das Konzeptualisieren und das Messen von Liebe, da jeder Liebe unterschied-
lich empfindet. (Berscheid, 2010)
   Trotzdem wurden ausreichende Gemeinsamkeiten gefunden, um einige Hauptformen von
Liebe zu beschreiben. Im zuvor angeführten Modell von Berscheid (2010) wurde ein zeitli-
cher Ansatz gewählt, weil das Phänomen Liebe am verständlichsten beim Prozess der Verän-
derung ist. Dieses zeitliche Modell der Liebe ist jedoch nur ein Vorschlag, der keine Erwar-
tungen daran stellt, die Gefühle jedes Individuums vollkommen zu beschreiben.

Literatur
Berscheid, E. (2010). Love in the fourth dimension. Annual Review of Psychology, 61, 1-25.
Rubin Z. (1970). Measurement of romantic love. J. Personal. Soc. Psychol. 16:265–73
Hatfield, E., Pillemer, JT., O’Brien, MU., Le, YL. (2008). The endurance of love: passionate and
companionate love in newlywed and long-term marriages. Interpersona, 2 (1), 35-64
http://www.izbi.uni-leipzig.de/izbi/mitarbeiter/Henger/Triangular%20theory%20of%20love_Sternberg.pdf
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