Lebensraum & Jagdstrecke - Wildlife

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Lebensraum & Jagdstrecke - Wildlife
THEMATISIERT
         Serie Wildtiere & Jagd

                                    Lebensraum & Jagdstrecke                                                                     
                                    Wie haben sich die Abschussdichten der heimischen Wildarten
                                    in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Wir geben Antworten
                                    in dieser aufschlussreichen Serie! – 13. Teil: Birkwild.

                                              D
                                                         as Birkhuhn braucht als           ausgedehnte halb offene, nur spärlich
Dr. Susanne Reimoser &
Prof. i. R. DI                                           Lebens­raum „halb offene“ Bio­    mit Gehölzen bewachsene Flächen bis
Dr. Friedrich Reimoser                                   topstrukturen, die durch die      zum geschlossenen Wald. In diesem
Veterinärmedizinische                                    Verzahnung von Wald oder          Lebens­raum lebte stets viel Birkwild.
Universität Wien & Universität                 Baumgruppen mit offenen, zwerg­             Je stärker man dann im Interesse
für Bodenkultur Wien                           strauchreichen Flächen entstehen. Dies      der Intensivierung der Landwirtschaft
                                               ist vor allem im Waldgrenzbereich           einerseits sowie der Waldwirtschaft
                                               (Kampfzone des Waldes), in Weide­           anderer­seits durch Zäune eine scharfe
                                               gebieten (Vieh- und Schafweide, Weide­     Grenze zwischen den Weideflächen (die
                                               wälder, Heidegebiete) sowie in Moor­       nun von aufwachsenden Jung­bäumen
                                               gebieten mit eingegliederten Trocken­      freigeschnitten wurden) und den Wald­
                                               flächen und Baumgruppen der Fall.          flächen (die nun gänzlich von Weide
                                               In den Tieflagen hat das Birkwild stark    freigestellt wurden und dadurch rasch
                                               unter der Intensivierung der Land-         dicht zusammenwuchsen) zog, desto
                                               und Forstwirtschaft gelitten, vor allem    weniger Birkwild konnte sich dort
                                               unter der Entwässerung von Mooren          ­halten. Heute ist das Überleben dieser
                                               und Feuchtgebieten, unter dem Verlust       ehemals so vitalen Birkwildpopulationen
                                               an Feldrainen mit Sträuchern und            sehr infrage gestellt.
                                               Bäumen sowie am Verlust an (be­
                                               ­                                               In den alpinen Hochlagen, die
                                               weideten) Heidegebieten. Entwässerungs­     auch heute noch gute Birkwild­
                                               gräben konnten von den noch flug­           lebensräume aufweisen, ist die größte
                                               unfähigen Küken nicht überwunden            Gefahr das Zuwachsen von ehemaligen
KONSTANT.                                      werden – die Henne flog darüber,            Almen durch mangelnde Beweidung
 Von 1948 bis 2007 schwankte der               die Jungen stürzten hinein oder fielen      mit ­Nutztieren. Auch der Tourismus-
 Birkhahnen­abschuss in Österreich auf
                                               Verfolgern zum Opfer.                       und F­reizeitsektor (Entwicklung von
­konstantem ­Niveau zwischen 1.500 und
 2.500 Stück pro Jahr. Seit 2008 werden             Am Alpenrand, wo keine Hoch­           Sommer- und Wintertourismus, neue
 mit neuer Abschussregelung konstant           lagen oberhalb der natürlichen (klima­      Trendsportarten wie Schneeschuh­
 knapp 1.500 Birkhahnen erlegt.                tischen) Waldgrenze vorhanden sind,         wandern im Waldgrenzgereich etc.)
FOTO HELGE SCHULZ                              wurden die Gipfelbereiche der Berge         und die Energiewirtschaft (z. B. Wind­
                                               ehemals für die Weidewirtschaft ge­         räder) wirken sich vielerorts negativ auf
                                               rodet bzw. waldfrei gehalten und somit      die Birkwildlebensraumqualität aus.
                                               erst „birkhuhntauglich“ gemacht. Nach
                                               Wiederbewaldung dieser Lagen (nach         „Katastrophenart“
                                               Extensivierung oder Einstellung der        Birkhühner werden auch als „Katast­
                                               Almweide) gingen die Birkwildbestände      rophenart“ bezeichnet, für die nach
                                               dort wieder stark zurück oder sind         Waldbränden, Wind-, Schnee- und Eis­
                                               gänzlich verschwunden. Ein weiteres        brüchen oder Borkenkäferkalamitäten
                                               gravierendes Problem ist die strikte       günstige Lebensräume entstehen. Der­
                                               Trennung von Wald und Weide, wie sie       zeit wäre dies z. B. im Waldviertel teil­
                                               zum Beispiel am Stuhleck und der           weise gegeben. Wenn dieser Lebens­
                                               Region Teichalm-Sommeralm in der
                                               ­                                          raum aber durch Sukzession nur
                                               Steiermark erfolgte. Dort gab es lange     zeitweilig verfügbar ist, müssen die
                                               Zeit die Tradition der gleichzeitigen      Birkhühner nach dem Zuwachsen der
                                               Wald- und Weidenutzung auf derselben       Flächen auf andere, neu entstandene
                                               Fläche mit fließenden Übergängen           Flächen ausweichen können. Es braucht
                                               von waldfreien Weidebereichen über         ein günstiges Lebensraum-­Mosaik, das

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                    WEIDWERK 5 | 2021
Lebensraum & Jagdstrecke - Wildlife
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  4                                           5                                             6

                                                                                         ABBILDUNG 1.
   7                                                                                     Durchschnittliche jährliche Abschussdichten
                                                            Stück/100 ha
                                                                                         pro 100 ha Bezirksfläche für Birkhahnen
                                                                  0                      (Wien wird als ein Bezirk geführt).
                                                                  0,001–0,01             1 1955–1964,        1965–1974,          1975–1984,
                                                                  0,011–0,1                1985–1994,        1995–2004,          2005–2014,
                                                                  0,101–0,5              7 2015–2019.
                                                                                         GRAFIKEN REIMOSER

 dauernd zur Verfügung steht. Birk­         vielfältig. Wesentliche Gründe sind            gleich. Die höchste Abschussdichte
 hühner nutzen die vom Menschen ge­         hier vor allem die Intensivierung der          (0,1–­0,5 Stück/100 ha) wurde in Ost­
 schaffenen Strukturen, wie Waldweide,      Landwirtschaft, die Entwässerung von           tirol, Bezirk Lienz, in den Perioden 4
 Kahlschläge und Truppenübungsplätze,       Mooren und Feuchtgebieten und die              und 5 (1985–2004) erreicht. Auch in
 sowie extensive Formen der Landwirt­       Aufforstung vieler dieser Gebiete.             den Alpen hat sich das Birkwild aus
 schaft.                                         Auch die Zunahme von Beute­greifern       den Randvorkommen (Regionen mit
      Um weiterhin Birkhühner in der        und Nest­räubern (u. a. Zunahme des            weniger hohen Bergen, Gipfellagen
 außeralpinen Kulturlandschaft (vor         Fuchs­bestandes nach Tollwutimpfung,         unterhalb der natürlichen Waldgrenze)
 allem nördlich der Donau) erhalten         Greifvogelschutz, Ausbreitung der Wild­      aufgrund der in diesen Gebieten
 zu können, müssten solche Land­            schweinpopulation, Aaskrähen) sowie          ­gravierenden Lebensraumverluste mehr
 schaftstypen erhalten bzw. wieder­         touristische Erschließungen und Störun­       und mehr zurückgezogen und kann
 hergestellt werden. Das Birkhuhn           gen durch Freizeitaktivitäten spielten        dort oft nicht mehr nachhaltig bejagt
 steht als Indi­kator stellvertretend für   eine Rolle.                                   werden. Während die Birkwildstrecke
 eine ganze Lebens­gemeinschaft, zu der                                                   vor 2008 in Tirol und Salzburg deutlich
 viele bedrohte Wiesenbrüter, Wirbel­       Streckendichte                                angestiegen ist, hat sie in Ober- und
 lose und Pflanzengesellschaften zählen;    Der jährliche Birkhahnenabschuss für          Niederösterreich stark abgenommen.
 intakte Birkhuhnlebensräume sind auch      die 5. Periode (1995–2004) liegt um           In den übrigen Bundesländern erfolgte
 Lebensraum für zahlreiche andere           etwa 20 % über jenem der 1. Periode           bis 2007 keine starke Veränderung.
­seltene Arten.                             (1955–1964). Das Vorkommensgebiet             In den Bezirksflächen sind alle von
                                            des Birkhuhns ist aber im selben Zeit­        Birkwild unbesiedelten Flächen, deren
Nahezu verschwunden                         raum viel kleiner geworden.                   genaues Ausmaß un­bekannt ist, inklu­
Die Gründe für das weitgehende Ver­             Dies bedeutet, dass in den alpinen        diert. Es ist also davon auszugehen, dass
schwinden des Birkwildes im Waldviertel     Hochlagen bis 2007 ein Anstieg der            die tatsächlich von Birkwild bewohnte
im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde       Strecke zu verzeichnen ist. Ab 2008           Fläche kleiner als die Bezirksfläche ist,
genauer untersucht (Download mit            erfolgte dann eine stärker ein­
                                            ­                                             wodurch Abschussdichten, bezogen auf
DOI: 10.17439/Birkhuhn_Waldviertel).        schränkende Abschussplanung aufgrund          die besiedelte Fläche, etwas höher aus­
Das Birkhuhn war in vergangenen             der EU-Richtlinie. Die Tieflagenvorkom­       fallen würden. Dies stört aber nicht den
Jahrhunderten im Mittelgebirgsland          men im Wald- und Mühlviertel sind             Vergleich der Abschussentwicklung auf
der Böhmischen Masse (Granit- und           beinahe gänzlich verschwunden und             identen Bezirksflächen über die Zeit.
Gneishochland) weit verbreitet und          können nicht mehr jagdlich genutzt            Lokale, revierweise Abschussdichten
wurde auch regelmäßig bejagt. Seit          werden. Die Schrumpfung des Birkhuhn­         können von diesem durchschnittlichen
Ende des 20. Jahrhunderts hat der           bejagungsgebietes ab der 3. Periode           Bezirkswert deutlich abweichen. Die
Bestand rapide abgenommen, und
­                                           (1975–­1984) im Waldviertel und Alpen­        unterste Stufe der Abschussdichte
es sind nur noch vereinzelte Rest­          vorland ist deutlich ersichtlich (Abb. 1).    (0,001–0,01) wird bereits erreicht,
vorkommen vorhanden. Die Ursachen           Im Alpenraum blieb die Anzahl der             ­sobald im Bezirk ein Stück in 10 Jahren
für den starken Bestandesrückgang sind      Bezirke mit Abschüssen weitgehend
                                            ­                                              erlegt wurde.

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Lebensraum & Jagdstrecke - Wildlife
THEMATISIERT
                  Serie Wildtiere & Jagd

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                           2.500
                                                                                                                                                                                      Fallwild

                           2.000
              Stück/Jahr

                           1.500

                           1.000

                             500
                                   1948
                                          1951
                                                 1954
                                                        1957
                                                               1960
                                                                      1963
                                                                             1966
                                                                                    1969
                                                                                           1972
                                                                                                  1975
                                                                                                         1978
                                                                                                                1981
                                                                                                                       1984
                                                                                                                              1987
                                                                                                                                     1990
                                                                                                                                            1993
                                                                                                                                                   1996
                                                                                                                                                          1999
                                                                                                                                                                 2002
                                                                                                                                                                        2005
                                                                                                                                                                               2008
                                                                                                                                                                                      2011
                                                                                                                                                                                             2014
                                                                                                                                                                                                    2017
ABBILDUNG 2.
     Jährlicher Abschuss von Birkhahnen in Österreich von 1948 bis 2019 sowie Fallwild seit 1968. Die Birkwildstrecke zeigte bis 2008 einen­
­ausgeprägt wellenförmigen Verlauf, dessen Trend bis 2007 auf gleichbleibendem Niveau verlief. Höchstwerte ergaben sich um 1953, 1968,
 1979, 1989 und 2004. Daraus zeichnet sich eine zyklische Fluktuation mit einer Periodendauer von ungefähr 10 bis 15 Jahren ab. Ab 2008
 ­erfolgten zusätzliche Abschusseinschränkungen über die Ausnahmeregelung zur EU-Vogelrichtlinie, die zwar eine Bejagung von Auer- und
  ­Birkwild im Frühjahr weiterhin ermöglichte, aber nur in geringen Mengen und wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (siehe WEID-
   WERK 5/2020, Seite 10). In unseren Nachbarstaaten darf Birkwild nur noch im Herbst oder gar nicht mehr bejagt werden. Seit 2008 wurde
   der Abschuss auf einem tieferen Niveau weitgehend konstant gehalten. Die im zweijährigen Rhythmus erscheinenden Hochs und Tiefs der
   ­Strecke ergeben sich daraus, dass Birkhahnen in Ober- und Niederösterreich nur mehr jedes zweite Jahr erlegt werden dürfen. Einzelne
    ­„Schonjahre“ ohne Birkhuhnbejagung haben Kärnten (1972, 1973, 2001) und die Steiermark (1976, 1977) eingelegt (siehe auch Abb. 3).
     Diese Jahre fallen hier durch geringere Strecken auf. Der Maximalabschuss mit 2.566 Stück erfolgte im Jahr 1966, der geringste Abschuss
     im Jahr 2013 (1.446 Stück). Die Anzahl des seit 1968 in der österreichischen Abschussstatistik erfassten Fallwildes erreichte den Höchstwert
     1978 (75 Stück), den geringsten Wert 1968 (7 Stück). Langfristig gesehen nahmen die jährlichen Fallwildzahlen zuletzt etwas zu.
     Diese Entwicklung könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Birkwildbestand in den letzten Jahren österreichweit eher eine
     zunehmende Tendenz hatte oder zumindest nicht abnahm (siehe WEIDWERK 3/2020, Seite 10).

                                                                                                                                             ABBILDUNG 3.
             1.200
                                                                                                                                       Jährlicher Birkhahnenabschuss in den öster­
                                                                                                                                          reichischen Bundesländern von 1948 bis 2019.
                                                                                                                                          Birkhahnen wurden in 7 Bundesländern erlegt
             1.000                                                                                                                        (nicht im Burgenland und in Wien). Gemessen
                                                                                                                                       an den absoluten Streckenzahlen liegt das
                                                                                                                                          Bundes­land Tirol an der Spitze, gefolgt von
              800                                                                                                                Tirol
                                                                                                                                          Salzburg, der Steiermark und Kärnten. In
                                                                                                                                 Sbg.     Nieder­österreich, Oberösterreich und der
Stück/Jahr

                                                                                                                                        ­Steiermark haben die Abschüsse im Laufe des
                                                                                                                                 Stmk.
              600                                                                                                                         Vergleichszeitraumes deutlich abgenommen,
                                                                                                                                 Ktn.     in Tirol und Salzburg vor 2008 (neue Abschuss-
                                                                                                                                          limitierung) zugenommen, in Kärnten und
                                                                                                                                 Vbg.
              400                                                                                                                        ­Vorarlberg blieben sie weitgehend konstant.
                                                                                                                                 OÖ       In Tirol betrug der Maximalabschuss 1.044
                                                                                                                                          Stück (im Jahr 1994), in Salzburg 564 (2005),
                                                                                                                                 NÖ
              200                                                                                                                         in der Steiermark 552 (1948), in Kärnten 401
                                                                                                                                          (2008), in Oberösterreich 281 (1948), in Nieder-
                                                                                                                                          österreich 177 (1957) und in Vorarlberg 174 Stück
                                                                                                                                          (1990). In einigen Ländern wurden vereinzelt
                                                                                                                                          oder regelmäßig Schonjahre ohne Abschuss
                           1948
                           1951
                           1954
                           1957
                           1960
                           1963
                           1966
                           1969
                           1972
                           1975
                           1978
                           1981
                           1984
                           1987
                           1990
                           1993
                           1996
                           1999
                           2002
                           2005
                           2008
                           2011
                           2014
                           2017

                                                                                                                                       ­eingelegt (siehe Text zu Abb. 2).
                                                                                                                                             GRAFIKEN REIMOSER

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                           WEIDWERK 5 | 2021
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