Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt

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Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
Le be rtra nsp l an t i ert e Deu t s c h l an d e . V. – In f o r m a t i o n e n f ü r Pa t i e n t u n d Ar z t

LEBENSLINIEN

                                                                                                                     1/2020
Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
68                                                                                                       Inhalt                                                                       LE B E N S LI N I E N 1 /2020

 Editorial ...........................................................................................    1       Transplantationsgesetz · Organspende
 Organmangel und Organallokation zur Lebertrans-
                                                                                                                  Internationale Experten treffen sich in Leiden
  plantation in Deutschland: Kritische Gedanken ................                                         2
                                                                                                                    zur Jahrestagung bei Eurotransplant ....................................                          36
 Einladung zur Jahrestagung 2020 mit Expertenvorträgen ...                                               6
                                                                                                                  Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages ..........                                        37
 Comeback der Transplantationsmedizin ................................                                   7
                                                                                                                  DSO-Jahreskongress: Deutsche Stiftung Organ-
 Einladung zum 5. Deutschen Patiententag LTx .....................                                       9
                                                                                                                    transplantation unterstützt zügige Umsetzung
                                                                                                                    der Strukturreformen in den Klinikalltag .............................                            38
 Transplantationsmedizin
                                                                                                                  Erstmals zentrale Veranstaltung zum Dank an die Organ-
 Lebertransplantationen: Bessere Ergebnisse bei höheren                                                             spender: Park des Dankens, Erinnerns und Hoffens in
  Fallzahlen? – Der IQWIG-Bericht bringt keine Klarheit                                                             Halle (Saale) wird zum bundesweiten Begegnungsort ...                                             40
  für die Mindestmengen ............................................................                     10       6-Punkte-Plan zur Förderung der Organspende ..................                                      41
 Lebertransplantation – Lebenserwartung und                                                                       Thema „Organspende“ bei der Rad-Deutschlandtour 2019 ...                                            42
  Lebensqualität mit dem neuen Organ .................................                                   10       World Transplant Games 2019 ..................................................                      43
 Lebern mit erweiterten Spenderkriterien –                                                                        Podiumsdiskussion zum Thema Organspende –
  Von der Ausnahme zum Regelfall .........................................                               13         Widerspruchslösung oder Entscheidungslösung ...............                                       44
 Nierengesundheit vor und nach Lebertransplantation .......                                              15       Treffen für Angehörige von Organspendern in Bayern .......                                          44
 Laborwerte: Nierenwerte ...........................................................                     16       Pressespiegel ..................................................................................    45
 DTG-Kongress in Hannover ........................................................                       17       Organspendeausweise ................................................................                45
 23. Symposium des Arbeitskreises Transplantationspflege
  (AKTX Pflege e.V.) ......................................................................              19       Gesundheit
 Organspende und -transplantation in Deutschland –
                                                                                                                  Regelmäßiges Frühstücken verringert das Risiko
  eine humanitäre Krise! .............................................................                   19
                                                                                                                   für Typ-2-Diabetes ...................................................................... 47
 Nachruf Prof. Dr. Xavier Rogiers ................................................                       20
                                                                                                                  Neu: Masern – Impfpflicht in Deutschland ............................. 48

 Aus Wissenschaft und Forschung
                                                                                                                  Recht · Soziales
 Neues Redaktionsmitglied: Dr. Benjamin Albrecht .............                                           21
                                                                                                                  Die Fahrt zur Behandlung – Wer zahlt? ................................... 49
 Grundlagenforschung ..................................................................                  21
                                                                                                                  Diabetes und Autofahren ............................................................ 49
 Erhaltung von Organen ...............................................................                   21
 Untersuchung der Leber .............................................................                    21
                                                                                                                  Geist · Körper · Seele
 Medikamentenverträglichkeit ....................................................                        22
 Krebsforschung .............................................................................            22       Der anonyme Dankesbrief – Wertschätzung
 Nicht-Alkoholische-Fettleber-Erkrankung (NAFLD) .............                                           22        gegenüber dem unbekannten Organspender
 Lebertransplantation ....................................................................               22        und seinen Angehörigen ......................................................... 50
 Hepatitis-Virus ...............................................................................         23       Gedenken ...................................................................................... 51

 Hepatologie                                                                                                      Vereinsgeschehen
 Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie,                                                       Gesundheitswoche 2019 ............................................................                  52
  Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)                                                                  40. Deutsche Meisterschaften der
  mit Sektion für gastroenterologische Endoskopie ............ 24                                                   Transplantierten und Dialysepatienten ................................                            53
 Leberbiopsie – notwendiges Übel oder verzichtbar ? ......... 25                                                  Infostand beim 14. Selbsthilfetag für Heidelberg
 Lebertransplantation bei Zystenleber ..................................... 27                                      und den Rhein-Neckar-Kreis ..................................................                     53
 Hepatitis-Viren können beim Sex übertragen werden ....... 28                                                     Schlagerstar Andrea Berg und VfB Stuttgart unterstützen
 Autoimmune Lebererkrankungen:                                                                                      Organspende ...............................................................................       54
  Wenn der eigene Körper zum Feind wird ............................ 29                                           Barbara Backer erhält Bundesverdienstkreuz .......................                                  54
                                                                                                                  Zwanzig Jahre Kontaktgruppe Bodensee-Oberschwaben ...                                               55
 Aus den Zentren                                                                                                  Kontaktgruppe Mainz/Wiesbaden: 3. Treffen .......................                                   55
                                                                                                                  Kontaktgruppentreffen mit unserem Ansprechpartner
 Partnerschaft trägt Früchte – Interessantes Arzt-
                                                                                                                    für Angehörige ............................................................................       56
  Patienten-Forum am Uniklinikum Magdeburg ..................                                            30
                                                                                                                  Buchbesprechung (Herzenssache/Keimfreie Ernährung) ...                                              56
 Heidelberg: Regionaltreffen .......................................................                     31
                                                                                                                  Neuer Anprechpartner ................................................................               58
 Tätigkeitsberichte der Transplantationszentren für 2018
  veröffentlicht: Patienten finden gezielt Berichte
                                                                                                                  Vermischtes
  für jedes Organ nach Zentrum ...............................................                           32
 Essen: Arzt-Patiententag zur Lebertransplantation .............                                         33       Termine 2020 – Impressum – Dank an Sponsoren ............                                           59
 Prof. Dr. Kerstin Herzer übergibt Leitung der Nachsorge-                                                         Adresse Verein – Vorstand .........................................................                 60
  Lebertransplantationsambulanz an Dr. K. Willuweit .........                                            33       Ansprechpartner/Kontaktgruppen – Koordinatoren ...........                                          61
 UCT-Patiententag 2019: „Mit Krebs leben“ .............................                                  34       Fachbeiräte .....................................................................................   64
 Tübingen: Gesunde Kinder nach Gebärmutter-                                                                       Medizin mit gesundem Menschenverstand ..........................                                    U3
  transplantation ............................................................................           34
 Leipzig: 7. Patiententag Lebertransplantation .......................                                   35
                                                                                                                                                     „
                                                                                                                                                     „Majoun“  (Ausschnitt), Mischtechnik auf Nessel
                                                                                                                                                     Armin Liebscher, Ludwigshafen
                                                                                                                                                     A
                                                                                                                                                     www.armin-liebscher.de
                                                                                                                                                     w

                                                                                                                                                     W danken dem Künstler für die
                                                                                                                                                     Wir
                                                                                                                                                     Möglichkeit des kostenlosen Abdrucks.
                                                                                                                                                     M
Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
1

                       Liebe Leserinnen und Leser,

nun beginnen die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts. Wir Patienten setzen darauf, dass das neue
Jahrzehnt für einen Aufbruch in der Organspende steht.

Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Wir haben alle die Argumente gehört, mit denen Kranken-
hausleitungen erklären, warum gerade in ihrem Haus keine Organspenden durchgeführt wur-
den. Dem häufig genannten Argument nicht ausreichender Finanzierung ist nun mit den neuen
Regelungen des am 1.4.2019 in Kraft getretenen Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und
bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO) endgültig der Boden entzogen.

Mit dem GZSO und dem gemeinsamen Initiativplan sind wichtige Grundlagen für die Verbes-
serung der Organspendesituation in Deutschland geschaffen worden. Auch die Stärkung der
Transplantationsbeauftragten (TxB) mit entsprechenden Kompetenzen und Freistellungen von
anderen Tätigkeiten sollen die Organspende in Deutschland vorankommen lassen. Gerade auch
große Kliniken mit mehreren und großen Intensivstationen werden in Erklärungsnot kommen,
wenn in einem Jahr keine oder nur wenige Organspenden realisiert wurden. Wichtig ist aber,
dass auch auf die Umsetzung des Gesetzes und des Initiativplans geschaut wird. Viele involvierte
Instanzen müssen aktiv werden und dann auch nachfragen oder anmahnen. Auch die Qualitäts-
sicherung im Bereich Organspende ist Teil des GZSO. Wir hoffen auf gute Umsetzung und wir
werden nachfragen, was sich dann am Ende 2020, eineinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des
GZSO, wirklich getan hat.

Was in manchen Krankenhäusern dank eines persönlichen Engagements schon hervorragend
klappt, sollte sich nun auch in anderen Krankenhäusern und auch in allen Universitätskliniken
etablieren: der absolute Wunsch, die möglichen Organspenden zu realisieren und dabei stets
den Wunsch der potenziellen Spender zu verwirklichen. Bei laut einer Umfrage der Bundeszen-
trale für gesundheitliche Aufklärung 70%igen Zustimmung zur Organspende in der Bevölkerung
irren die Krankenhäuser, die glauben, den Patientenwillen durch stillschweigendes Nichtstun
umzusetzen. Von allen Krankenhäusern erwarten wir bei nun geklärter Finanzierung, dass im
Sinne der Wartepatienten alle Anstrengungen unternommen werden, geeignete Spender zu er-
kennen. Entsprechende Strukturen sind auf allen Ebenen zu schaffen. Neben den Kliniken müs-
sen die Landesregierungen und Ärztekammern die Kliniken unterstützen und auch überprüfen,
ob dieser Bereich so wie notwendig umgesetzt wird. Die positiven Entwicklungen, wie struktu-
rierte, curriculare Fortbildungen für Transplantationsbeauftragte und ihr Zusammenschluss in
Verbänden, lassen hier hoffen.

Wir möchten dazu beitragen, den Geist für die Organspende in den Krankenhäusern zu stärken.
Deshalb bedanken wir uns bei den Transplantationsbeauftragten, den Ärzten und dem Pflege-
personal. Wir haben ein Dankschreiben im Rahmen des Initiativplans entworfen, das in nächster
Zeit auch als Flyer zum Verteilen in den Kliniken erscheinen soll. Dieses finden Sie auf der Rück-
seite des Heftes.

Die 20er Jahre wollen wir mit einer großen Patientenveranstaltung beginnen. In diesem Heft
finden Sie den Hinweis auf den 5. Deutschen Patiententag Lebertransplantation, der dieses
Mal in München stattfinden wird. Themen wie Transplantationsnachsorge, Ernährung und viele
weitere werden dort aufgegriffen. Auch der Austausch von Betroffenen untereinander soll ge-
fördert werden.

2019 haben unsere ehrenamtlich tätigen Ansprechpartner, Vorstandsmitglieder, Koordinatoren
und Redaktionsmitglieder für Mitglieder, Angehörige und Patienten wieder viel bewegt. Ich hoffe,
dass dies auch 2020 wieder so sein wird. Ich freue mich auf Aktionen und Begegnungen und
wünsche Freude beim Lesen dieser Ausgabe der Lebenslinien.

Ihre Jutta Riemer
2                                                                Leitartikel
                                                                   Rubrik                                             LE B E N S LI N I E N 1 /2020

Organmangel und Organallokation zur Lebertransplantation
in Deutschland: Kritische Gedanken
                                                 storbenen zur Organspende war oder –            ursprünglich zur Risikoabschätzung von
Hans J. Schlitt 1, Christina Hackl 1,
                                                 wenn dies nicht möglich ist – werden            porto-cavalen Shuntoperationen bei er-
Birgit Knoppke 2, Stefan M. Brunner 1,
                                                 Angehörige um eine stellvertretende             wachsenen Zirrhosepatienten in einem
Barbara Sinner 3, Georg Peschel 4,
                                                 Entscheidung gebeten.2                          amerikanischen Kollektiv entwickelt und
Kilian Weigand 4, Michael Melter 2,
                                                     Organspende in Deutschland ist schon        validiert worden. Der Score korreliert sta-
Marcus N. Scherer 1, Gabriele I. Kirchner 1, 5
                                                 immer – im Vergleich zu anderen Län-            tistisch mit der 3-Monats-Letalität dieser
                                                 dern in Europa und den USA – besonders          Zirrhosepatienten ohne Transplantation.
1 Klinik und Poliklinik für Chirurgie,
                                                 kritisch betrachtet worden und die Zahlen       Somit ist das Letalitätsrisiko ohne Trans-
2 Klinik und Poliklinik für Kinder- und
                                                 waren immer vergleichsweise gering.3            plantation, also die Dringlichkeit, zentra-
  Jugendmedizin,
                                                 Gründe für diese niedrigen Zahlen sind          les Allokations-Credo.
3 Klinik für Anästhesiologie,
                                                 vielfältig: u.a. (1) die seit Jahrzehnten im-       Die Vorgaben des Transplantations-
4 Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I,
                                                 mer wieder einsetzende Diskussion, ob           gesetzes fordern jedoch eine Organal-
  Universitätsklinikum Regensburg (UKR),
                                                 „Hirntod wirklich der Tod des Menschen“         lokation „nach Dringlichkeit und Erfolgs-
5 Klinik für Innere Medizin I, Caritas-
                                                 ist, was in keinem anderen Land derart          aussicht“, also eine ausgewogene Ent-
  Krankenhaus St. Josef, Regensburg
                                                 „problematisiert“ wird; (2) die seit Jahr-      scheidung 1. Der MELD-Score berücksich-
                                                 zehnten bestehende, sehr kritische Dis-         tigt fast ausschließlich „Dringlichkeit“.
Zusammenfassung                                  kussion der Widerspruchslösung, die An-         Der „Erfolgsaussicht“ wird derzeit nur
    Der extreme Mangel an Spenderorga-           gehörigen von Verstorbenen und auch             Rechnung getragen durch den Ausschluss
nen in Deutschland führt zu einer star-          beteiligten Ärzten die Antwort bzw. die         bestimmter Patientengruppen, z. B. fort-
ken Diskrepanz zwischen Verfügbarkeit            Frage bezüglich einer Organspende sehr          geschrittene HCCs, wobei jedoch auch
und Bedarf an Organen zur Lebertrans-            erleichtern würde – ohne denjenigen, die        hierbei die derzeit angewandten Krite-
plantation und, daraus folgend, zu einem         wirklich nicht spenden wollen, das Wider-       rien nicht klar Evidenz-basiert sind. Die
Allokationsdilemma. Hieraus resultieren          spruchsrecht zu nehmen; (3) die (auch           Einführung der MELD-basierten Alloka-
zum einen eine hohe Letalität während            nach der aktuellen Gesetzesänderung             tion hat in Deutschland zu einer drama-
der Wartezeit und zum anderen, bei der           immer noch) inadäquate Vergütung der            tischen Verschlechterung der Ergebnisse
aktuellen Organallokations-Politik, auch         Organspende, die entscheidend dazu              nach Lebertransplantation bei Erwach-
schlechte Ergebnisse der Transplanta-            beiträgt, dass vor allem in kleineren Kran-     senen geführt – bedingt durch die hohe
tion, da bevorzugt extrem kranke Pati-           kenhäusern potenzielle Spender nicht            Priorisierung extrem kranker Patienten.7, 8
enten ein Organ erhalten. Mögliche Lö-           gemeldet und realisiert werden, weil dies       Das Langzeitüberleben wäre besser,
sungsansätze sind (1) eine Verbesserung          den Ablauf der (sehr Erlös-relevanten)          wenn die Patienten zum Zeitpunkt der
der Zahl postmortal gespendeter Organe,          Krankenhaus-Routine stören würde; (4)           Transplantation in einem noch halbwegs
(2) innovative Ansätze zur verbesserten          die fehlende Möglichkeit, Organspende           stabilen Allgemeinzustand wären – was
Nutzung suboptimaler Spenderorgane               nach Herztod zu erlauben, was in ande-          auch die Rekonvaleszenz und ggf. Wie-
(z. B. von älteren, multimorbiden Spen-          ren Ländern bereits 20 % der Spender            dereingliederung in den Beruf schneller,
dern, verfettete Lebern etc.), (3) eine          ausmacht; 4 und (5) die in Deutschland          effektiver und kostengünstiger machen
Steigerung der Lebendspende und (4)              allgemein eher negative Berichterstat-          würde.
geänderte/optimierte Allokationsregeln.          tung in den Medien bezüglich Organ-                 Für den Großteil der Patienten beruht
Dabei würden die Maßnahmen 2 und 3               transplantation.5                               die Allokation rein auf dem errechneten
von einer deutlichen Zentralisierung der                                                         MELD-Score, basierend auf den 3 o. g.
Lebertransplantation profitieren. Da vo-         Status quo der Leber-Allokation in              Laborwerten („labMELD“). Einige defi-
raussichtlich alle 4 Optionen in Deutsch-        Deutschland und seine Hintergründe              nierte Patientengruppen (Kinder, HCC-
land in näherer Zukunft nicht umgesetzt              Nachdem in den Anfangszeiten der            Patienten, Patienten mit biliärer Sepsis,
werden können, werden Organmangel                Lebertransplantation bis Ende der 1990er        Stoffwechsel-Erkrankungen, Autoimmun-
und das Allokationsdilemma bis auf Wei-          Jahre eine Zentrums-basierte Allokation         hepatitis etc.), bei denen die Dringlich-
teres bestehen bleiben.                          stattfand (wie heute noch z. B. in Öster-       keit nicht am labMELD festgemacht wer-
                                                 reich und U.K.), wurde dies zunehmend           den kann, erhalten „Zusatzpunkte“ auf
Mangel an postmortal gespendeten                 in eine vollständig Patienten-basierte          den labMELD: daraus resultiert der so-
Organen in Deutschland                           Allokation überführt. Spätestens mit Ein-       genannte „matchMELD“. Die Höhe der
    Die Organspende in Deutschland ist           führung der MELD-basierten Organallo-           „Zusatzpunkte“ ist dabei für die verschie-
erst seit Verabschiedung des Transplan-          kation ist damit das Prinzip des „sickest       denen Patientengruppen unterschiedlich
tationsgesetzes im Jahr 1997 (novelliert         first“ in Deutschland das primäre Ziel.         festgelegt – mehr oder weniger willkür-
in 2015) gesetzlich geregelt.1 Basis der         Hintergrund der Einführung der MELD-            lich, d.h. nicht klar medizinisch begrün-
Organspende ist dabei (so wie es auch            basierten Allokation war zum einen, die         det. Bei einigen Erkrankungen steigen
vor dem Transplantationsgesetz praktisch         Letalität auf der Warteliste zu senken,         die „Zusatzpunkte“ im zeitlichen Verlauf
gehandhabt wurde) die sogenannte                 und zum anderen, klare und objektiv             sukzessive an, sodass nach einer abseh-
„Erweiterte Zustimmungslösung“. Dabei            nachvollziehbare Kriterien zur Basis der        baren Wartezeit eine Transplantation re-
wird – wenn kein Organspenderausweis             Organallokation zu machen.6 Diese ba-           alistisch wird. Bei anderen Erkrankungen
vorliegt, der die Einstellung des Verstor-       siert, mit einigen Ausnahmen, praktisch         werden diese „Zusatzpunkte“ aber nur
benen klar dokumentiert – in einem Ge-           nur auf 3 Laborwerten: Bilirubin, INR und       einmalig vergeben und zu dem errechne-
spräch mit nahen Angehörigen versucht            Kreatinin. Diese Kriterien, anhand derer        ten labMELD addiert. Bei zumeist nied-
zu klären, wie die Einstellung des Ver-          der MELD-Score berechnet wird, waren            rigem labMELD bringt dies die Patienten
LE B E N S LI N I E N 1 /2020                                Leitartikel
                                                               Rubrik                                                                 3

damit trotzdem nicht in die Situation ei-     zur dramatischen Verbesserung der Le-          rung – nicht adäquat vergütet. Dies ist
ner realistischen Chance auf eine Trans-      bensqualität schwer erkrankter Patien-         natürlich keinesfalls als „persönliche
plantation.                                   ten sichtbar und besser verständlich zu        Bereicherung“ von Beteiligten zu verste-
    Insbesondere auch durch die soge-         machen.                                        hen, sondern als finanzielle Kompensa-
nannten „Transplantations-Skandale“ in            Bei der breiten geäußerten Zustim-         tion nicht nur der reinen „medizinischen
den letzten Jahren, die vor allem die Le-     mung der Bevölkerung zur Organspende           Leistungen nach Gebührenordnung“, son-
ber-, Herz- und Lungentransplantation         wäre auch die (sehr lange und immer            dern auch des hohen Engagements aller
betrafen – und die letztlich auch durch       wieder diskutierte) Einführung der Wi-         Beteiligten neben ihrer üblichen Klinik-
den existierenden Organmangel und die         derspruchslösung ein längst überfälliger       routine.
Allokations-Problematiken mit verur-          Schritt. Dies würde zum einen die Organ-
sacht wurden – ist es nun nochmals zu         spende als „Normalfall“ definieren und         Option „Verbesserte Nutzung sub-
einer Verstärkung der Reglementierung         damit viele – auch von Ärzten verständli-      optimaler Organe“
im Allokationsbereich gekommen. Dies,         cherweise vermiedene – Gespräche mit               Der typische Organspender ist heut-
wie auch das sehr stark kompromittierte       Angehörigen im Todesfall eines Patien-         zutage nicht mehr der 22-jährige, an-
Ansehen der Organtransplantation durch        ten sehr viel einfacher machen. Die An-        sonsten völlig gesunde, Motorradfahrer
die „Skandale“, führte über die letzten       gehörigen müssten nicht in einer emoti-        mit Schädel-Hirn-Trauma, sondern der
Jahre zu einer zunehmenden Verun-             onal hoch angespannten Situation aktiv         65-jährige Hypertoniker mit einer Hirn-
sicherung aller an der Transplantation        einer Organspende zustimmen, könnten           massenblutung. Diese älteren Spender 11
Beteiligten. Aufgrund inzwischen sehr         aber dennoch jederzeit widersprechen.          sind häufig multimorbid mit Problemen
rigoroser Kontrollen der Transplantati-       Grundsätzlich ist es für die Angehörigen       wie Adipositas, Diabetes, Hypertonie,
onszentren durch die Aufsichtsgremien         in unter diesen belastenden Umständen          Herzinsuffizienz, Fettleber etc. Damit
der Bundesärztekammer führt dies da-          einfacher „nicht zu widersprechen“ als         sind sie keine optimalen Spender und in
zu, dass in der Organtransplantation zu-      zu einer Organspende „aktiv ja zu sagen“.      vielen Fällen sind die Organe zur Trans-
nehmend eine „Defensiv-Medizin“ be-           Auch könnte jeder, der definitiv nicht spen-   plantation nur sehr eingeschränkt (d. h.
trieben wird: im Zweifelsfall wird die        den möchte, dies zu Lebzeiten entspre-         mit einem deutlich erhöhten Risiko der
Entscheidung gegen die Transplantation        chend dokumentieren, sodass weiterhin          kurz- oder langfristigen Funktionsstörung)
eines Patienten getroffen werden, da bei      jeder für sich frei entscheiden könnte.        oder gar nicht geeignet. In Kombination
Grenzfällen immer das Risiko besteht,             In vielen anderen Ländern Europas,         mit der i.d.R. deutschlandweiten Alloka-
dass dem Zentrum diese Fälle als Regel-       wie auch in den USA, ist neben dem             tion der Organe – und daraus resultie-
verletzungen vorgeworfen werden und           „Hirntod“ (formell korrekte Bezeichnung:       renden langen Ischämiezeiten bis zu ei-
dies öffentlich gemacht wird.                 „irreversibler Hirnfunktionsausfall“) (do-     ner Transplantation – ist somit entweder
                                              nation after brain death, DBD) auch in         das Transplantations-Risiko sehr hoch
Option „Verbesserte Verfügbarkeit             der Situation des „Herztodes“ (donation        oder die Organe werden letztlich doch
postmortal gespendeter Organe“                after circulatory death, DCD) eine Or-         nicht akzeptiert und gehen damit für eine
    Auch wenn sich in Umfragen die            ganentnahme unter sehr genau definier-         Transplantation verloren. Auch Probleme
überwiegende Mehrheit der Bevölke-            ten Bedingungen möglich.10 Diese Spen-         in der Logistik von Organentnahme, Ver-
rung für eine postmortale Organspende         der nach Herztod machen in diesen Län-         packung und Transport („so kostengüns-
ausspricht, sind die realen Spenderzah-       dern inzwischen ca. 20 % aller Organ-          tig wie möglich“) führen oft zu einer
len in Deutschland extrem niedrig. Erklä-     spenden aus4. Somit wäre zu erwarten,          nicht unerheblichen Verlängerung von
rungen hierfür könnten sein: 1) eine Dis-     dass hierdurch die Zahl der zur Trans-         Ischämiezeiten, die dadurch akzeptable
krepanz zwischen ausgesprochener und          plantation verfügbaren Organe auch in          Werte überschreiten.
wirklicher Spendebereitschaft; 9 2) eine      Deutschland um bis zu 25 % zunehmen                Mögliche Maßnahmen zu einer bes-
schlechte Rate der Erkennung, Meldung         könnte – zumindest für Nieren, Leber           seren Verwendbarkeit dieser „subopti-
und Realisierung von Organspendern,           und ggf. Lunge. Die in Deutschland im-         malen“ Organe wären: (1) eine regionale
sowie 3) finanzielle „Dis-Incentives“.        mer wieder aufkommende Diskussion,             Allokation mit Entnahme der Organe
De facto findet sich in Deutschland eine      ob „Hirntod“ wirklich der Tod des Men-         durch das Team der Empfängerklinik: dies
Kombination dieser Problematiken, für         schen ist, hat jedoch zu einer derartigen      würde eine verlässlichere Beurteilung des
die es konkret potenzielle Lösungsansät-      Verunsicherung der Bevölkerung und             Organs für einen speziellen Patienten und
ze gäbe.                                      der Politiker über die Todes-Definition        Beschleunigung der Logistik innerhalb
    Ganz essentiell ist es, in der Bevölke-   geführt, dass eine Diskussion über eine        des Transplantationszentrums mit deut-
rung eine positive Grundstimmung be-          mögliche Zulassung des „Herztodes“ als         lich kürzerer Ischämiezeit erlauben; (2)
züglich der Organtransplantation zu er-       Spende-Voraussetzung in Deutschland            eine flexiblere Auswahlmöglichkeit der
zeugen. Dazu haben insbesondere die           erst gar nicht begonnen wird.                  Empfänger für „suboptimale“ Organe, da
Medien in den letzten 30 Jahren nicht             Auch finanzielle Hürden reduzieren         stabilere Patienten (d. h. mit nicht so ho-
unbedingt beigetragen. Im Gegenteil,          die Bereitschaft von Ärzten und Kranken-       hem labMELD) eine bessere Kompensa-
wirkliche Fehler wie auch unrealistische      häusern, die Organspende aktiver zu            tionsfähigkeit für eine initial schlechtere
Horrorszenarien wurden und werden in          betreiben, potenzielle Spender zu iden-        Organfunktion nach Transplantation ha-
der Presse immer wieder betont, zumal         tifizieren und ggf. zu realisieren. Zusätz-    ben; und (3) der Einsatz von ex-vivo Or-
sich negative Schlagzeilen natürlich bes-     liche Arbeitsbelastung auf der Intensiv-       ganperfusionssystemen – innovative An-
ser „verkaufen“ als (eher langweilige)        station, Blockierung eines Operations-         sätze, die eine stabilere „Lagerung“ der
positive Nachrichten und Fall-Beispiele.      saals für mehrere Stunden, aufwändige          Spenderorgane, eine bessere Abschät-
Es wäre dabei wichtig, in einer konzer-       Diagnostik und zeitintensive Gespräche         zung der Organfunktion und auch eine
tierten Aktion – und immer wieder – für       mit Angehörigen werden den Kranken-            aktive Verbesserung der Organqualität
die breite Bevölkerung die Möglichkei-        häusern und dem beteiligten ärztlichen         ermöglichen könnten.
ten und Chancen der Organtransplanta-         sowie pflegerischen Personal weiterhin             Die Punkte (1) und (2) sind aufgrund
tion zur Rettung von Menschenleben und        – trotz einer aktuellen Gesetzesände-          der derzeitigen Organisations- und Allo-
4                                                            Leitartikel
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kationsregularien nicht möglich, soll-        bracht, wo es gesplittet wird; dann wird      lativ gering, da nur etwa 20 % der Leber-
ten aber unbedingt diskutiert werden.12       der rechts-erweiterte Leberlappen i.d.R.      masse entnommen werden müssen. Für
Punkt (3), der einen relevanten Fortschritt   nochmals in ein anderes Zentrum trans-        den Empfänger ist das Risiko identisch
in der Verfügbarkeit transplantabler Or-      portiert. Daraus resultieren deutlich ver-    oder etwas geringer als bei Transplantati-
gane bringen könnte (nicht nur für die        längerte Ischämiezeiten – auch bedingt        on mittels postmortaler Spende, bei der
Leber, sondern auch für Herz, Lunge und       durch die Verwendung kostengünstiger          zumeist auch ein links-lateraler Split ver-
Nieren), ist derzeit aufgrund fehlender       und damit i.d.R. langsamerer Transport-       wendet wird. Im Gegensatz dazu kommt
Finanzierung in Deutschland nicht reali-      mittel. Dies erhöht nochmals das Risiko       die Lebendspende für die Lebertrans-
sierbar. Zur Organperfusion (hypotherm        für den erwachsenen Empfänger. Eine           plantation bei Erwachsenen in Deutsch-
oder normotherm, oxygeniert oder nicht-       verbesserte Transportlogistik, mit ggf.       land nur sehr selten zum Einsatz. Dies
oxygeniert) gibt es international derzeit     deutlich höheren Kosten, die entspre-         liegt zum einen daran, dass dafür ein re-
eine Reihe sehr vielversprechender wis-       chend erstattet werden müssten, wäre          lativ großer Teil der Leber beim Spender
senschaftlicher und klinischer Ansät-         hier zwingend.                                entnommen werden muss, meist um die
ze.13,14 Gerade in einem Land mit so nied-        Ein „symmetrisches“ Splitten einer        60 %. Darüber hinaus ist die Transplan-
rigen Organspende-Zahlen wie Deutsch-         Leber in einen kompletten rechten und         tation dieses Leberteils auch technisch
land sowie einer zunehmenden Zahl von         kompletten linken Leberlappen, meist für      deutlich aufwändiger und komplikati-
„suboptimalen“ Spenderorganen wäre es         zwei Erwachsene, ist ein hochkomplexer        onsreicher als bei Transplantation einer
essenziell, diese neuen Verfahren anzu-       Eingriff. Da auch hierbei die o.g. Alloka-    ganzen Leber und in vielen Fällen weist
wenden und weiter zu optimieren. Hier-        tions- und Transportprobleme bestehen,        das Leberteil-Transplantat für den Emp-
zu wäre jedoch eine adäquate Finanzie-        ist die Motivation zum Splitten in Deutsch-   fänger eine grenzwertige Größe auf, so-
rung notwendig, die durch die Kostenträ-      land minimal. Mit der Entscheidung zum        dass auch hier oft ein Kompromiss ein-
ger (Krankenkassen), z. B. via Deutsche       Splitten erhöht sich ggf. das Risiko für      gegangen werden muss.
Stiftung Organtransplantation (DSO), er-      den „eigenen“ Patienten, was aber evtl.           Grundsätzlich ist die Lebendspende-
folgen müsste. Leider ist hierzu derzeit      besser akzeptiert würde, wenn davon           Lebertransplantation auch beim Erwach-
keinerlei Finanzierung in Sicht.              ein zweiter Patient des Zentrums profi-       senen mit guten Ergebnissen möglich, wie
                                              tieren würde. So besteht in der aktuellen     Daten vor allem aus Asien zeigen. Dies
Option „Verbesserte Organnutzung              Situation keinerlei Anreiz, einen „sym-       setzt allerdings eine sehr umfangreiche
durch Splitting“                              metrischen“ Split durchzuführen – falls       Erfahrung mit diesen Techniken voraus,
   Das „Splitting“ von Lebern ist eine        dieses Vorgehen nicht aus Gründen der         die nur in wenigen Zentren in Deutsch-
technische Möglichkeit, aus einem Spen-       Organgröße für einen kleinen Empfän-          land besteht. Somit erscheint eine Kon-
derorgan zwei zu machen, um damit zwei        ger technisch unbedingt erforderlich ist.     zentration auf wenige Zentren sinnvoll
Patienten transplantieren zu können. Die-     Der „symmetrische“ Split wird nur dann        – am besten auf Zentren, die auch durch
ser Ansatz kann eine Option sein, trotz       wieder vermehrt zum Einsatz kommen,           Lebendspende bei Kinder-Lebertrans-
Organmangels die Zahl der Lebertrans-         wenn die Zentren, die ihn durchführen,        plantation über entsprechende Erfahrung
plantationen zu steigern.15 Dieses Verfah-    beide Leber-Teile für Patienten des eige-     verfügen. Schließlich ist zu berücksich-
ren wurde erstmals im Jahr 1988 durch-        nen Zentrums verwenden können und             tigen, dass eine Lebendspende-Leber-
geführt und erfolgt in den meisten Fällen     auch die am besten geeigneten Empfän-         transplantation beim Erwachsenen ne-
als sog. „asymmetrischer“ Split: der links-   ger frei wählen könnten. Nur so kann das      ben der technischen Komplexität auch
laterale Leberlappen (Segm. II und III)       grundsätzlich erhöhte Risiko des Verfah-      sehr vielschichtige Abwägungen und
wird für ein Kind verwendet, der rechts-      rens gerechtfertigt und durch optimale        Entscheidungen über Indikation, Dring-
erweiterte Leberlappen (Segm. IV – VIII)      Wahl des Empfängers minimiert werden.         lichkeit, psychologische Hintergründe
für einen Erwachsenen. Dabei wird das             Üblicherweise wird die Prozedur des       von Spender und Empfänger und eine
Verfahren in Deutschland de facto nur an-     Splittens heutzutage in Deutschland zu-       sehr intensive Auseinandersetzung der
gewandt, wenn ein Spenderorgan eines          meist „ex-situ“ durchgeführt, d.h. das        behandelnden Ärzte mit Spender und
erwachsenen, postmortalen Spenders            Organ wird regulär von einem Spender-         Empfänger erfordern. Auch dies spricht
primär zur Transplantation auf ein Kind       team entnommen und erst im Empfän-            für eine Fokussierung auf wenige Zen-
alloziert wird: da für das Kind aufgrund      gerzentrum gesplittet. Eine wesentlich        tren. Und insgesamt muss bei der Le-
der Größen-Inkongruenz nur der links-         kürzere Ischämiezeit für beide Leberteile     bendspende – insbesondere für Erwach-
laterale Leberlappen in Frage kommt,          würde bei einem sog. „in-situ“ Split re-      sene – das kurz- und ggf. auch langfris-
bleibt der Rest „übrig“ zur Transplanta-      sultieren, bei dem das Splitten noch im       tige Risiko für den Spender immer im
tion eines Erwachsenen. Damit wird das        Spender und vor Kaltperfusion durchge-        Auge behalten werden, welches adäquat
Organ optimal genutzt, allerdings ist das     führt wird. Da dieser jedoch i.d.R. außer-    abgesichert und kompensiert sein muss
Komplikations-Risiko für den Erwachse-        halb des Transplantationszentrums ist         (z. B. bzgl. Versicherungsprämien des
nen höher als bei einer kompletten („full-    und dies eine technisch komplexe Ope-         Spenders nach der Spende etc.).
size“) Lebertransplantation.16,17 Für das     ration darstellt, die außerdem das Spen-          Grundsätzlich ist, vor allem in Anbe-
Kind hingegen besteht bezüglich des           derkrankenhaus durch eine deutlich län-       tracht der potenziellen Risiken für den
Risikos kein Unterschied im Vergleich         gere Op-Zeit „belasten“ würde, erfolgt        Spender und der erhöhten technischen
zur Alternative einer Lebendspende. Die       dies nur sehr selten.                         Risiken beim erwachsenen Empfänger,
Motivation für diese Art von Splits be-                                                     eine Leber-Lebendspende jedoch nur
steht dadurch ausschließlich bei Kinder-      Option „Lebendspende“                         die „zweitbeste“ Option, nämlich, wenn
Lebertransplantations-Zentren. Proble-           Die Lebendspende ist eine Option, die      für einen Patienten kein postmortal ge-
matisch ist auch, dass der Leber-Teil für     in Deutschland zur Lebertransplantation       spendetes Organ zur Verfügung steht.
den Erwachsenen mehr oder weniger             bei Kindern häufig genutzt werden muss,
„normal“ alloziert wird: d.h., das entnom-    wobei meist der links-laterale Leberlap-      Option „Optimierung der Organ-
mene Organ wird zunächst vom Ent-             pen eines Elternteils verwendet wird.18       allokation“
nahmeort in das Kinder-Ltx-Zentrum ge-        Dabei ist das Risiko für den Spender re-         Das aktuelle MELD-basierte Allokati-
LE B E N S LI N I E N 1 /2020                               Leitartikel
                                                              Rubrik                                                                      5

onsverfahren wird den Problemen in der        eine sehr systematische Dokumentation       tionsmedizin findet,19 da man – egal wie
Lebertransplantation wenig gerecht: es        erfolgen, wer wann warum welches Or-        man sich verhält – den Patienten nicht
führt dazu, dass vorwiegend zu kranke         gan erhalten hat, um einen Missbrauch       gerecht werden und praktisch nur „ver-
Patienten transplantiert werden. Dies         dieser „Freiheit“ zu verhindern. Ein ge-    lieren“ kann.
führt u. a. zu schlechten Ergebnissen bzgl.   wisses Vertrauen sollte Transplantations-       Postmortale Organspende und inno-
des Überlebens nach Transplantation. Auf      Zentren jedoch entgegengebracht wer-        vative Ansätze zur verbesserten Organ-
der anderen Seite haben einigermaßen          den – im Sinne der Patientenversorgung      Konservierung und -Optimierung durch
stabile (d.h. gerade noch kompensierte)       und der optimalen Nutzung der wenigen       neue Perfusionstechniken müssen durch
Zirrhose-Patienten sowie Patienten mit        Spenderorgane – zumal nicht alle Para-      die Kostenträger vollständig finanziert
speziellen Problemen (z.B. bei chroni-        meter, die eine erfolgreiche Transplanta-   werden. Vertrauen in eine patienten-
schen Gallengangsproblemen nach vo-           tion bedingen, objektivierbar zu messen     orientierte Allokation „suboptimaler“
rausgegangener Transplantation – häufig       sind.                                       Organe sowie von Split-Organen und
bei einem „suboptimalen“ Organ oder              Alternativ wäre – in Anbetracht des      die Möglichkeit, Organe für bestimmte
mit längerer Ischämiezeit) fast keine         extremen Organmangels in Deutschland –      „Niedrig-MELD“-Patienten verwenden zu
Chance, ein Organangebot zu erhalten.         zu überlegen, ob nicht ein Losverfah-       dürfen, würde einem guten Outcome
Lebensqualität und Krankheitsparameter        ren für die (elektive) Organvergabe für     dienen. Dazu ist es erforderlich, die
abseits der MELD-relevanten Laborwerte        Erwachsene die „gerechteste“ Lösung         Lebertransplantation auf deutlich we-
(z.B. massiver Juckreiz, Therapie-refrak-     wäre. Hierzu müssten evtl. die Listungs-    niger Zentren als bisher zu fokussieren,
tärer Aszites, zunehmende Enzephalo-          Kriterien weiter optimiert und schärfer     um dort zum einen eine breitere For-
pathie etc.) spielen keine Rolle bei der      gefasst werden: über die Listung wird       schungs-Plattform zu haben als auch um
Allokation – formell deshalb, weil sie        festgelegt, wer von einer zeitnahen Le-     die Lebendspende und Split-Techniken
nicht so eindeutig wie Laborwerte mess-       bertransplantation am meisten (auch im      als alternative Optionen in relevanter
bar und somit objektivierbar sind. Auch       Sinne des bestmöglichen Überlebens          Quantität und Erfahrung sinnvoll mög-
Kinder finden – trotz schon existierender     der Spenderorgane) profitiert. Inner-       lich zu machen. Schließlich müssen die
„Zusatzpunkte“ – keine adäquate Berück-       halb dieser Warteliste entscheidet dann     Allokationskriterien für die viel zu gerin-
sichtigung, sodass bei ihnen in sehr vie-     jeweils das Los, wer das nächstverfüg-      ge Zahl an Spenderorganen neu – und
len Fällen eine Lebendspende erfolgen         bare Organ bekommt. Jedes „Parameter-       tabufrei – durchdacht werden. Da eine
muss, obwohl ein Teil eines erwachse-         orientierte“ Allokationsverfahren ist bei   wirklich „gerechte“ Verteilung aufgrund
nen, postmortalen Spenderorgans, das          der großen Komplexität in den Verläufen     der sich widersprechenden, gesetzlich
zeitnah verfügbar ist, die bessere Alter-     fortgeschrittener Lebererkrankungen für     vorgegebenen, Kriterien (Dringlichkeit
native wäre. Spenderorgane quasi nur          bestimmte Patienten nicht adäquat. Da       vs. Erfolgsaussicht) kaum möglich er-
nach Dringlichkeit und nicht nach Er-         das aktuelle Allokationsverfahren „Dring-   scheint, sind alternative Ansätze wie z. B.
folgsaussicht zu verteilen, widerspricht      lichkeit“ weit höher bewertet als „Er-      ein „Losverfahren“ durchaus zu erwägen-
nicht nur der Gesetzesvorgabe, sondern        folgsaussicht“, führt dies typischerweise   de Alternativen. Auch die Zentrums-ba-
wird auch unserer Verantwortung ge-           zu schlechteren Ergebnissen – und zu ei-    sierte Allokation eines bestimmten Pro-
genüber den Organspendern nicht ge-           ner ungerechtfertigten Benachteiligung      zentsatzes von Spenderorganen könnte
recht. Unsere Verantwortung gegenüber         bestimmter Patientengruppen. Hier wäre      zu einer besseren Nutzung der Organe
den postmortalen Organspendern ge-            ein Losverfahren wertneutraler und damit    führen – wozu jedoch mehr Vertrauen in
bietet, die Organe zum besten Nutzen          vermutlich gerechter, zumindest solange     die behandelnden Ärzte erforderlich wä-
der Gesellschaft zu verwenden.                der Organmangel so extrem ist wie der-      re.
    Der Mangel an Spenderorganen erfor-       zeit.                                           Eine rein Dringlichkeits-basierte Allo-
dert ein Allokationssystem. Allerdings er-                                                kation, wie sie derzeit im Grunde exis-
scheint es bei dem ausgeprägten Organ-        Ausblick                                    tiert, führt definitiv nicht zu einer beson-
mangel nahezu unmöglich, ein gerechtes            Bei der aktuell sehr dramatischen Si-   ders gerechten und vor allem nicht zu
und objektives Verteilungssystem zu schaf-    tuation des Spenderorgan-Mangels und        einer effizienten Verteilung der wenigen
fen. Denn neben der Krankheitsschwere         der bestehenden Allokations-Proble-         verfügbaren Organe. Dies zeigt sich da-
tragen viele andere Parameter des Spen-       matik in Deutschland gibt es, wie oben      ran, dass die Ergebnisse der Lebertrans-
ders (wie Alter, Größe des Organs, Ver-       dargestellt, eine ganze Reihe möglicher     plantation in Deutschland im internatio-
fettungsgrad, „suboptimale Laborwerte“,       Ansätze, dies zu verbessern. Hierzu wäre    nalen Vergleich derzeit schlecht sind.
lange Intensivzeit etc.) und des Empfän-      jedoch in vielen Bereichen ein deutliches
gers (tagesaktueller Zustand, gerade be-      Umdenken notwendig – weg vom sehr           Originalartikel:
stehende Stabilisierung nach Dekom-           negativen und Misstrauens-geprägten         Schlitt, H. J., Hackl, C. , Knoppke, B. et al.
pensation etc.) ebenso wie logistische        Denken bezüglich der Organspende und        Gastroenterologe (2019) 14: 252. https://
Überlegungen (ist ein potenzieller Emp-       Transplantation in großen Teilen der Me-    doi.org/10.1007/s11377-019-0359-9
fänger gerade in der Klinik? Wie weit weg     dien und der Bevölkerung. Die Organ-        © Springer Medizin Verlag GmbH
wohnt er? Ist er voroperiert, d.h. dauert     transplantation muss wieder als lebens-
die Hepatektomie evtl. sehr lange?) zur       rettende Chance für Patienten und die       Literatur
Erfolgsaussicht einer Lebertransplanta-       postmortale Organspende als Möglich-        1) Bundesministerium der Justiz und für Verbrau-
tion entscheidend bei. Dies war früher        keit, anderen Menschen über den ei-            cherschutz (2015) Gesetz über die Spende,
– und ist noch in vielen Ländern – bei        genen Tod hinaus zu helfen, begriffen          Entnahme und Übertragung von Organen und
Zentrums-basierter Allokation möglich         werden. Die derzeitig negative „Stim-          Geweben (Transplantationsgesetz – TPG).
und führt zu besseren Transplantations-       mung“ sowie die zunehmend extremen             http://www.gesetze-im-internet.de/tpg/
Ergebnissen. Zumindest ein Teil der Or-       Regularien und Strafandrohungen füh-           BJNR263100997.html
gane sollte wieder Zentrums-orientiert        ren auch dazu, dass sich auf ärztlicher     2) Bundesgesundheitsministerium (2016) Entschei-
alloziert werden, um den o.g. Problemati-     und pflegerischer Seite kaum noch mo-          dungslösung tritt in Kraft. http://www.bundes-
ken Rechnung zu tragen. Natürlich muss        tivierter Nachwuchs für die Transplanta-       gesundheitsministerium.de/presse/pressemit-
6                                                                            Leitartikel
                                                                                  Rubrik                                                         LE B E N S LI N I E N 1 /2020

                         Herzliche Einladung zur
     —
  –—–E
——              Jahrestagung 2020 mit Expertenvorträgen
 SAV
  TH E !                                     Am 14.3.2020 *
 DAT—E —
  –—- –                         im Universitätsklinikum Hannover – MHH
   Vormittags findet ab 10:00 Uhr die Mit-                   Nachmittags erleben wir ab ca. 14:00 Uhr                 Bitte schon mal vormerken. Die Infor-
   gliederversammlung mit Jahresbericht                      interessante Fachvorträge zu unterschied-                mationen zu dieser Veranstaltung fin-
   und verbandsinternen Themen statt.                        lichen Aspekten rund um die Lebertrans-                  den Sie auch auf unserer Homepage
   Kommen Sie nach Hannover und ge-                          plantation und die Organspende.                          www.lebertransplantation.eu. Sie wer-
   stalten Sie die Verbandsarbeit mit. Der                                                                            den schrittweise gemäß der Planung
   Vorstand freut sich auf den Dialog mit                                                                             aktualisiert. Alle Mitglieder erhalten frist-
   Mitgliedern, Angehörigen und Interes-                                                                              gerecht eine Einladung mit Anmelde-
   sierten.                                                                                                           abschnitt.

       * Achtung in den Lebenslinien 2/2019 steht der Termin 8.3.2020 vermerkt. Hier handelte es sich um einen Druckfehler!

                                                                                                                                                                                 Foto: Mahoney1 [CC0 ] commons.wikimedia.org
      teilungen/2012-04/entscheidungsloesung-organ           9) Tackmann E, Dettmer S. [Acceptance of post-               liver transplantation: probable application and
      spende-in-kraft.html                                       mortem organ donation in Germany : Repre-                indications. Curr Opin Organ Transplant. 2017;
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      dorf U, Feldkamp T: Decline in organ donation          10) Thuong M, Ruiz A, Evrard P, Kuiper M, Boffa              M, Schlitt HJ. Split liver transplantation: Current
      in Germany—a nationwide secondary analysis                 C, Akhtar MZ, Neuberger J, Ploeg R. New                  developments. World J Gastroenterol. 2018; 24:
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   4) Le Dinh H, Monard J, Delbouille MH, Hans MF,               2016; 29: 749–59                                         Rossi G, Pinna A, De Carlis L, Baccarani U, Cillo
      Weekers L, Bonvoisin C, Joris J, Lauwick S, Kaba       11) Moosburner S, Ritschl PV, Wiering L, Gassner             U, Colledan M, Mazzaferro V, Tisone G, Rossi
      A, Ledoux D, de Roover A, Honoré P, Squifflet              JMGV, Öllinger R, Pratschke J, Sauer IM, Rasch-          M, Tuzzolino F, Pagano D, Gruttadauria S,
      JP, Meurisse M, Detry O. A more than 20 %                  zok N. [High donor age for liver transplantation:        Mazariegos G, Gridelli B, Spada M. A matched
      increase in deceased-donor organ procurement               Tackling organ scarcity in Germany]. Chirurg.            pair analysis of multicenter longterm follow-up
      and transplantation activity after the use of              2019 Feb 1 [Epub ahead of print]                         after split-liver transplantation with extended
      donation after circulatory death. Transplant           12) Schlitt HJ, Loss M, Scherer MN, Becker T, Jauch          right grafts. Liver Transpl. 2017; 23:1384–1395
      Proc. 2014; 46: 9 –13                                      KW, Nashan B, Schmidt H, Settmacher U,               17) Andrassy J, Wolf S, Lauseker M, Angele M, van
   5) Hoisl A, Barbey R, Graf BM, Briegel J, Bein T.             Rogiers X, Neuhaus P, Strassburg C. [Current             Rosmalen MD, Samuel U, Rogiers X, Werner J,
      Wertungen des „Transplantationsskandals“                   developments in liver transplantation in                 Guba M; Eurotransplant Liver Advisory Com-
      durch die Medien. Anaesthesist 2015; 64: 16–25             Germany: MELD-based organ allocation and in-             mittee. Higher retransplantation rate following
   6) Wiesner R, Edwards E, Freeman R et al. Model               centives for transplant centres]. Z Gastroenterol.       extended right split-liver transplantation: An
      for end-stage liver disease (MELD) and allocation          2011; 49: 30–38                                          analysis from the Eurotransplant liver follow-up
      of donor livers. Gastroenterology 2003; 124: 91–96     13) de Vries Y, Matton APM, Nijsten MWN, Werner              registry. Liver Transpl. 2018; 24: 26–34
   7) Weismüller TJ, Negm A, Becker T et al. The                 MJM, van den Berg AP, de Boer MT, Buis CI,           18) Hackl C, Schlitt HJ, Melter M, Knoppke B, Loss M.
      introduction of MELD-based organ allocation                Fujiyoshi M, de Kleine RHJ, van Leeuwen OB,              Current developments in pediatric liver trans-
      impacts 3-month survival after liver transplan-            Meyer P, van den Heuvel MC, de Meijer VE,                plantation. World J Hepatol. 2015; 7: 1509–1520
      tation by influencing pretransplant patient                Porte RJ. Pretransplant sequential hypo- and         19) Grammenos D, Bein T, Briegel J, Eckardt KU,
      characteristics. Transpl Int 2009; 22: 979–981             normothermic machine perfusion of suboptimal             Gerresheim G, Lang C, Nieß C, Zeman F, Brei-
   8) Weismüller TJ, Fikatas P, Schmidt J et al. Multi-          livers donated after circulatory death using a           denbach T. Einstellung von potentiell am Organ-
      centric evaluation of model for end-stage liver            hemoglobin-based oxygen carrier perfusion                spendeprozess beteiligten Ärzte und Pflege-
      disease-based allocation and survival after liver          solution. Am J Transplant. 2019; 19: 1202–1211.          kräfte in Bayern zu Organspende und Trans-
      transplantation in Germany – limitations of the        14) Ceresa CDL, Nasralla D, Knight S, Friend PJ.             plantation. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139:
      ‚sickest first’-concept. Transpl Int 2011; 24: 91–99       Cold storage or normothermic perfusion for               1289–1294
LE B E N S LI N I E N 1 /2020                                    Leitartikel
                                                                   Rubrik                                                                7

Comeback der Transplantationsmedizin
                                                  als Maßstab für eine moderne Chirurgie.        benserwartung gegenübersteht. In den

                                   Foto: privat
                                                  Der anfängliche Enthusiasmus wurde             letzten Jahren erlebte die Transplanta-
                                                  jedoch durch vielfältige Probleme der          tionsmedizin einen kontinuierlichen Ab-
                                                  Transplantation gedämpft.                      stieg, neben stagnierenden, bzw. sinken-
                                                      Zunehmend wird die Transplantati-          den Spenderzahlen sehen sich Trans-
                                                  onsmedizin Opfer ihres eigenen Erfolgs.        plantationsmediziner zunehmend ethisch-
                                                  Eine der größten Limitationen ist der          moralisch in Frage gestellt und die
                                                  Mangel an Spenderorganen. Kein anderer         schlechte finanzielle Abbildung dieser
                                                  Bereich der Medizin ist durch eine Res-        Hochleistungsmedizin im Entgeltsystem
                                                  sourcenknappheit so eingeschränkt wie          bei hohen Vorhaltekosten lässt auch bei
Prof. Dr. med. Markus Guba
                                                  die Transplantationsmedizin. Verbunden         Krankenhausbetreibern das Interesse an
Leiter der Sektion Transplantation und Hepa-
                                                  mit dem alles überragenden Mangel an           der Transplantionsmedizin erlahmen.
tobiliäre Chirurgie der Klinik für Allgemein-,
                                                  Spenderorganen ergeben sich eine Reihe         Zusätzlich macht vor allem die fehlende
Visceral-, und Transplantationschirurgie am
                                                  von ethischen Fragen, wie der Frage nach       Planbarkeit einer Transplantation, ver-
Klinikum der Universität München
                                                  der Organspende an sich und der damit          bunden mit 24/7-Bereitschaft und feh-
                                                  verbunden Definitionen des menschli-           lenden Endpositionen vor allem Trans-

E  nde der 60er Jahre, zeitgleich mit der
   Eroberung des Weltraums durch den
Menschen, gelang es, Organe erfolgreich
                                                  chen Todes,2 der Kriterien, wie Spender-
                                                  organe einerseits gerecht und wie nach
                                                  dem Transplantationsgesetz gefordert
                                                                                                 plantationschirurgen zu schaffen. Diese
                                                                                                 Disziplin der Chirurgie mit der vermutlich
                                                                                                 schlechtesten Work-life-balance in der
zu transplantieren. Getrieben von einem           nach „Dringlichkeit und Erfolgsaussicht“       Medizin schreckt heute vor allem den
ungetrübten Fortschrittsglauben dieser            verteilt werden können.                        chirurgischen Nachwuchs ab, eine Spe-
Zeit avancierten die Pioniere der Trans-              Die Lebendspende kann dieser Pro-          zialisierung in diesem Bereich zu erstre-
plantationschirurgie zu Lichtgestalten,           blematik nur teilweise begegnen und            ben (1–3).
die es bis auf das Titelblatt des Time Ma-        wirft weitere Fragen auf. Allen voran die          Durch neue Entwicklungen in der
gazins schafften.1                                Sicherheit der Lebendorganspender, wie         Transplantationsmedizin scheint aber
                                                  in
                                                  i diesem Zusammenhang die Selbst-              Licht am Ende des Tunnels.
                                                  bestimmtheit
                                                  b                 des Spenders gewähr-
                                                  leistet
                                                  le      und einer Kommerzialisierung der       Maschinenperfusion
                                                  Lebendorganspende
                                                  L                         entgegengewirkt          Die bisherige Lagerung und Transport
                                                  werden
                                                  w         kann. Täglich sterben in Deutsch-    von Spenderorganen auf Eis wird zuneh-
                                                  land
                                                  la    3 Patienten auf der Warteliste, weil     mend durch kontinuierliche Maschinen-
                                                  kein
                                                  k     geeignetes Spenderorgan zur Ver-         perfusionssysteme ersetzt. Die Organe
                                                  fügung
                                                  f         steht. Patienten warten auf die      werden mit dieser Technik kontinuier-
                                                  rettende
                                                  r          Transplantation teilweise Jahre     lich mit kalter, oxygenierter Konservie-
                                                  an
                                                  a der kraftzehrenden Dialyse, an Kunst-        rungslösung perfundiert, um den Kon-
                                                  herzsystemen,
                                                  h                ohne Chance auf ein selbst-   servierungsschaden zu reduzieren (4).
                                                  bestimmtes
                                                  b             Leben, mit großem Leid und       Durch die Zuführung von Sauerstoff
                                                  in Todesangst. Die lange Wartezeit führt       kann die Entladung der zellulären Ener-
                                                  ferner
                                                  f        dazu, dass die Patienten bis zur      giespeicher (ATP) reduziert werden und
                                                  Transplantation
                                                  T                  oft so geschwächt sind,     so der Bildung von deletären reaktiven
                                                  dass
                                                  d       der Transplantationserfolg auch        Sauerstoffradikalen, die im Rahmen der
                                                  nach
                                                  n     erfolgter Transplantation ausbleibt.     Reperfusion des Organs entstehen, ent-
                                                  Schlussendlich
                                                  S                 begünstigt der Kampf um      gegengewirkt werden. Mit dem Einsatz
                                                  die
                                                  d Mangelressource der Spenderorga-             von normothermen, oxygenierten Perfu-
                                                  ne
                                                  n ärztliches Fehlverhalten im Angesicht        sions-Systemen, die Blut als Sauerstoff-
   Vor allem technische Probleme und              von
                                                  v    Leid und Tod der anvertrauten Pa-         träger verwenden, kann eine nahezu
das Fehlen effektiver immunsuppressi-             tienten.                                       physiologische Situation nachgestellt
ver Medikamente limitierten anfänglich                Obwohl weitaus mehr Patienten von          werden, die eine deutliche Verlänge-
den Erfolg der Transplantation. Mittler-          der Transplantation profitieren könnten        rung der Ischämie-Zeiten ermöglicht (5)
weile sind die technischen Probleme der           und im Bewusstsein dieser Limitation           und die Möglichkeit einer ex-vivo-Be-
Transplantation weitgehend gelöst und             viele mögliche Indikationen für Organ-         handlung von Spenderorganen bietet.
Organe können mit großer Sicherheit               transplantationen noch nicht erschlossen       Denkbar sind dabei zelltherapeutische
transplantiert werden. Effektive immun-           wurden, bleibt die Transplantations-           Ansätze, die darauf abzielen, Immunto-
suppressive Medikamente ermöglichen               medizin eine Nischenprodukt mit nur            leranz zu induzieren oder geschädigte
heute vielen transplantierten Patienten,          3.264 Eingriffen 2018.3 Obwohl nur we-         Organe vor der Transplantation zu repa-
die vormals dem Tode geweiht waren,               nige Therapieformen einen derartigen           rieren, z.B. durch ex-vivo-Entfettung ei-
ein nahezu normales Leben. Die Erfolge            Zugewinn an Lebenserwartung und Le-            ner Fettleber. Darüber hinaus besteht
der Transplantationsmedizin und die da-           bensqualität ermöglichen, konzentriert         bei dieser Technik die Möglichkeit, die
mit verbunden Möglichkeiten, Patienten            sich die Pharmaindustrie auf größere,          Organe, bevor sie transplantiert werden,
mit terminalen Organversagen erfolgreich          gewinnträchtigere Märkte, wobei teil-          einem „Testlauf“ zu unterziehen, was die
zu therapieren, wurde von der Chirur-             weise extrem hohen Gesundheitskosten           Sicherheit der Transplantation, vor allem
genszene euphorisch begleitet und galt            nur eine geringe Verlängerung der Le-          bei Verwendung marginaler Spender-
8                                                         Leitartikel
                                                            Rubrik                                                  LE B E N S LI N I E N 1 /2020

organe, erhöht. Diese modernen Kon-         3-D Bioprinting                             Literatur
servierungsmethoden reduzieren den             Selbst das 3-D-Printing von Spender-     1. Jesse, M. T., Abouljoud, M., Eshelman, A., De
Zeitdruck der Transplantation erheblich.    organen ist ein Konzept, was den Mangel        Reyck, C., and Lerut, J. (2017) Professional inter-
Dadurch entfällt die Notwendigkeit,         an Spenderorganen in Zukunft beheben           personal dynamics and burnout in European
Transplantationen wie derzeit häufig        könnte (7). Einfache Gewebe können             transplant surgeons. Clin Transplant 31
nachts durchzuführen, was Ressourcen        dabei direkt hergestellt werden, wobei      2. Thomas, M., Angele, M., Stangl, M., Rentsch, M.,
spart und letztlich der Lebensqualität      anstatt wie bei herkömmlichen Druckern         Pratschke, S., Andrassy, J., Jauch, K. W., and
von Transplantationschirurgen zu Gute       mit Farbe die Reservoirs mit Zellen be-        Guba, M. (2014) Loss of liver transplant surge-
kommt.                                      laden werden. Zellen und extrazelluläre        ons into alternate career paths. Transpl Int 27,
                                            Matrix werden schichtweise aufgetra-           1120-1124
Xenotransplantation                         gen, bis das Organ die programmierte        3. Thomas, M. N., Nadalin, S., Schemmer, P.,
   Auch dem Problem der mangelnden          Form angenommen hat. Bei komplexen             Pascher, A., Kaiser, G. M., Braun, F., Becker, T.,
Spenderorgane kann in naher Zukunft         Geweben mit vielen verschiedenen Zell-         Nashan, B., Guba, M., and Cat. (2015) A Ger-
begegnet werden. Durch den gentech-         arten ist es wahrscheinlich notwendig,         man survey of the abdominal transplantation
nischen Fortschritt sind viele Probleme     Organmatrix zu drucken, die dazu dient,        surgical work force. Transpl Int 28, 849-856
der Xenotransplantation gelöst worden.      den verschiedenen Zelltypen Orientie-       4. Schlegel, A., Muller, X., and Dutkowski, P. (2018)
Was noch vor einigen Jahren als Utopie      rung und Struktur zu verleihen.                Hypothermic Machine Preservation of the Liver:
erschien, steht nun an der Schwelle zur        Wenn Spenderorgane sozusagen von            State of the Art. Curr Transplant Rep 5, 93-102
klinischen Erprobung (6). Die Organe        der Stange erhältlich sind, ändern sich     5. Nasralla, D., Coussios, C. C., Mergental, H.,
von Tieren – zumeist Schweinen – kön-       die Umgebungsvariablen der Organ-              Akhtar, M. Z., Butler, A. J., Ceresa, C. D. L.,
nen durch gezielten Gentransfer so mo-      transplantation erheblich. Die Indikatio-      Chiocchia, V., Dutton, S. J., Garcia-Valdecasas, J.
difiziert werden, dass Tier-spezifische     nen werden sich vor allem auf dem              C., Heaton, N., Imber, C., Jassem, W., Jochmans,
Oberflächenstrukturen, die zu einer         onkologischen Sektor ausweiten. Durch          I., Karani, J., Knight, S. R., Kocabayoglu, P.,
schnellen Abstoßung des tierischen          gentechnische Veränderungen von Spen-          Malago, M., Mirza, D., Morris, P. J., Pallan, A.,
Transplantats führen, maskiert werden       derorganen wird eine systemische Im-           Paul, A., Pavel, M., Perera, M., Pirenne, J., Ravi-
oder die Interaktion mit dem menschli-      munsuppression nicht mehr notwendig            kumar, R., Russell, L., Upponi, S., Watson, C.
chen Immunsystem unterbrochen wird.         sein oder durch eine gezielte lokale Im-       J. E., Weissenbacher, A., Ploeg, R. J., Friend, P.
Die ethischen Aspekte und die gesell-       munsuppression am transplantierten             J., and Consortium for Organ Preservation in,
schaftliche Akzeptanz werden derzeit im     Organ abgelöst werden. Von primären            E. (2018) A randomized trial of normothermic
Rahmen von Bürgerforen bearbeitet. Die      Tumoren oder mit Metastasen befallene          preservation in liver transplantation. Nature
Xenotransplantation hegt die Hoffnung       Lebern dürften dann mit einer Leber-           557, 50-56
einer unbegrenzten und kostengünsti-        transplantation entfernt werden (8). Das    6. Langin, M., Mayr, T., Reichart, B., Michel, S.,
gen Spenderorgan-Ressource.                 Paradigma »replace and not repair« wird        Buchholz, S., Guethoff, S., Dashkevich, A.,
                                            dann auch auf andere onkologische In-          Baehr, A., Egerer, S., Bauer, A., Mihalj, M.,
                                            dikationen in der Nieren- und Lungen-          Panelli, A., Issl, L., Ying, J., Fresch, A. K., Buttge-
                                            transplantation ausgeweitet werden.            reit, I., Mokelke, M., Radan, J., Werner, F.,
                                            Denkbar wäre auch, Organe mit Verän-           Lutzmann, I., Steen, S., Sjoberg, T., Paskevicius,
                                            derungen, die absehbar zu einer Entar-         A., Qiuming, L., Sfriso, R., Rieben, R., Dahlhoff,
                                            tung führen (Präkanzerosen), noch vor          M., Kessler, B., Kemter, E., Kurome, M., Zakhart-
                                            der Entstehung des Tumors zu ersetzen.         chenko, V., Klett, K., Hinkel, R., Kupatt, C., Falke-
                                            Gesellschaftliche Debatten wie zurzeit         nau, A., Reu, S., Ellgass, R., Herzog, R., Binder,
                                            über die Widerspruchslösung dürften            U., Wich, G., Skerra, A., Ayares, D., Kind, A.,
                                            dann der Vergangenheit angehören.4             Schonmann, U., Kaup, F. J., Hagl, C., Wolf, E.,
                                               In Zuge einer Behandlung eines Mas-         Klymiuk, N., Brenner, P., and Abicht, J. M. (2018)
                                            senmarkts wird sich auch die Pharma-           Consistent success in life-supporting porcine car-
                                            industrie wieder der Transplantation           diac xenotransplantation. Nature 564, 430-433
                                            zuwenden und am medizinischen Fort-         7. Ali, M., P, R. A., Lee, S. J., and Jackson, J. D.
                                            schritt auf diesem Gebiet mitwirken.           (2018) Three-dimensional bioprinting for organ
                                                                                           bioengineering: promise and pitfalls. Curr Opin
                                               Wieviel Geduld müssen wir noch              Organ Transplant 23, 649-656
                                            aufbringen? Vermutlich werden in den        8. Line, P. D., Hagness, M., and Dueland, S. (2018)
                                            nächsten 10 Jahren die entscheidenden          The Potential Role of Liver Transplantation as a
Generierung menschlicher Organe             Schritte erfolgreich gemacht worden            Treatment Option in Colorectal Liver Metastases.
durch die Bildung von Chimären              sein. Dann werden viele Transplantati-         Can J Gastroenterol Hepatol 2018, 8547940
zwischen den Arten                          onschirurgen nötig sein, diese Organe
   Eine alternative und vielversprechen-    mit der nötigen technischen Versiertheit
de Strategie ist die Züchtung menschli-     transplantieren zu können. Bis dahin        1) Christiaan Barnard, Time Magazine, Dec. 15,
cher Organe im Körper von Großtieren.       müssen interessierte Chirurgen für die         1967
Bei dieser Methode werden kritische         Transplantationsmedizin motiviert und       2) Stellungnahme zum Thema Hirntod und
Gene für die eigene Organentwicklung        etablierte Transplantationschirurgen bei       Entscheidung zur Organspende https://www.
beim Tier ausgeschaltet und dafür Pati-     der Stange gehalten werden, um für das         ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellung-
enten-eigene oder pluripotente Stamm-       Comeback der Transplantationsmedizin           nahmen/deutsch/stellungnahme-hirntod-und-
zellen in das Tier eingebracht, aus denen   gerüstet zu sein. Mit großer Sicherheit        entscheidung-zur-organspende.pdf
in der so freigewordenen Nische huma-       wird die Transplantationsmedizin nach       3) www.dso.de
ne Organe heranwachsen. Das Tier als        einer Durststrecke wieder der Treiber der   4) https://www.bundestag.de/dokumente/text-
„Leihmutter“ für ein menschliches Organ.    medizinischen Innovation sein.                 archiv/2018/kw48-de-organspende-580078
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