Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
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Le be rtra nsp l an t i ert e Deu t s c h l an d e . V. – In f o r m a t i o n e n f ü r Pa t i e n t u n d Ar z t LEBENSLINIEN 1/2020
68 Inhalt LE B E N S LI N I E N 1 /2020 Editorial ........................................................................................... 1 Transplantationsgesetz · Organspende Organmangel und Organallokation zur Lebertrans- Internationale Experten treffen sich in Leiden plantation in Deutschland: Kritische Gedanken ................ 2 zur Jahrestagung bei Eurotransplant .................................... 36 Einladung zur Jahrestagung 2020 mit Expertenvorträgen ... 6 Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages .......... 37 Comeback der Transplantationsmedizin ................................ 7 DSO-Jahreskongress: Deutsche Stiftung Organ- Einladung zum 5. Deutschen Patiententag LTx ..................... 9 transplantation unterstützt zügige Umsetzung der Strukturreformen in den Klinikalltag ............................. 38 Transplantationsmedizin Erstmals zentrale Veranstaltung zum Dank an die Organ- Lebertransplantationen: Bessere Ergebnisse bei höheren spender: Park des Dankens, Erinnerns und Hoffens in Fallzahlen? – Der IQWIG-Bericht bringt keine Klarheit Halle (Saale) wird zum bundesweiten Begegnungsort ... 40 für die Mindestmengen ............................................................ 10 6-Punkte-Plan zur Förderung der Organspende .................. 41 Lebertransplantation – Lebenserwartung und Thema „Organspende“ bei der Rad-Deutschlandtour 2019 ... 42 Lebensqualität mit dem neuen Organ ................................. 10 World Transplant Games 2019 .................................................. 43 Lebern mit erweiterten Spenderkriterien – Podiumsdiskussion zum Thema Organspende – Von der Ausnahme zum Regelfall ......................................... 13 Widerspruchslösung oder Entscheidungslösung ............... 44 Nierengesundheit vor und nach Lebertransplantation ....... 15 Treffen für Angehörige von Organspendern in Bayern ....... 44 Laborwerte: Nierenwerte ........................................................... 16 Pressespiegel .................................................................................. 45 DTG-Kongress in Hannover ........................................................ 17 Organspendeausweise ................................................................ 45 23. Symposium des Arbeitskreises Transplantationspflege (AKTX Pflege e.V.) ...................................................................... 19 Gesundheit Organspende und -transplantation in Deutschland – Regelmäßiges Frühstücken verringert das Risiko eine humanitäre Krise! ............................................................. 19 für Typ-2-Diabetes ...................................................................... 47 Nachruf Prof. Dr. Xavier Rogiers ................................................ 20 Neu: Masern – Impfpflicht in Deutschland ............................. 48 Aus Wissenschaft und Forschung Recht · Soziales Neues Redaktionsmitglied: Dr. Benjamin Albrecht ............. 21 Die Fahrt zur Behandlung – Wer zahlt? ................................... 49 Grundlagenforschung .................................................................. 21 Diabetes und Autofahren ............................................................ 49 Erhaltung von Organen ............................................................... 21 Untersuchung der Leber ............................................................. 21 Geist · Körper · Seele Medikamentenverträglichkeit .................................................... 22 Krebsforschung ............................................................................. 22 Der anonyme Dankesbrief – Wertschätzung Nicht-Alkoholische-Fettleber-Erkrankung (NAFLD) ............. 22 gegenüber dem unbekannten Organspender Lebertransplantation .................................................................... 22 und seinen Angehörigen ......................................................... 50 Hepatitis-Virus ............................................................................... 23 Gedenken ...................................................................................... 51 Hepatologie Vereinsgeschehen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Gesundheitswoche 2019 ............................................................ 52 Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) 40. Deutsche Meisterschaften der mit Sektion für gastroenterologische Endoskopie ............ 24 Transplantierten und Dialysepatienten ................................ 53 Leberbiopsie – notwendiges Übel oder verzichtbar ? ......... 25 Infostand beim 14. Selbsthilfetag für Heidelberg Lebertransplantation bei Zystenleber ..................................... 27 und den Rhein-Neckar-Kreis .................................................. 53 Hepatitis-Viren können beim Sex übertragen werden ....... 28 Schlagerstar Andrea Berg und VfB Stuttgart unterstützen Autoimmune Lebererkrankungen: Organspende ............................................................................... 54 Wenn der eigene Körper zum Feind wird ............................ 29 Barbara Backer erhält Bundesverdienstkreuz ....................... 54 Zwanzig Jahre Kontaktgruppe Bodensee-Oberschwaben ... 55 Aus den Zentren Kontaktgruppe Mainz/Wiesbaden: 3. Treffen ....................... 55 Kontaktgruppentreffen mit unserem Ansprechpartner Partnerschaft trägt Früchte – Interessantes Arzt- für Angehörige ............................................................................ 56 Patienten-Forum am Uniklinikum Magdeburg .................. 30 Buchbesprechung (Herzenssache/Keimfreie Ernährung) ... 56 Heidelberg: Regionaltreffen ....................................................... 31 Neuer Anprechpartner ................................................................ 58 Tätigkeitsberichte der Transplantationszentren für 2018 veröffentlicht: Patienten finden gezielt Berichte Vermischtes für jedes Organ nach Zentrum ............................................... 32 Essen: Arzt-Patiententag zur Lebertransplantation ............. 33 Termine 2020 – Impressum – Dank an Sponsoren ............ 59 Prof. Dr. Kerstin Herzer übergibt Leitung der Nachsorge- Adresse Verein – Vorstand ......................................................... 60 Lebertransplantationsambulanz an Dr. K. Willuweit ......... 33 Ansprechpartner/Kontaktgruppen – Koordinatoren ........... 61 UCT-Patiententag 2019: „Mit Krebs leben“ ............................. 34 Fachbeiräte ..................................................................................... 64 Tübingen: Gesunde Kinder nach Gebärmutter- Medizin mit gesundem Menschenverstand .......................... U3 transplantation ............................................................................ 34 Leipzig: 7. Patiententag Lebertransplantation ....................... 35 „ „Majoun“ (Ausschnitt), Mischtechnik auf Nessel Armin Liebscher, Ludwigshafen A www.armin-liebscher.de w W danken dem Künstler für die Wir Möglichkeit des kostenlosen Abdrucks. M
1 Liebe Leserinnen und Leser, nun beginnen die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts. Wir Patienten setzen darauf, dass das neue Jahrzehnt für einen Aufbruch in der Organspende steht. Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Wir haben alle die Argumente gehört, mit denen Kranken- hausleitungen erklären, warum gerade in ihrem Haus keine Organspenden durchgeführt wur- den. Dem häufig genannten Argument nicht ausreichender Finanzierung ist nun mit den neuen Regelungen des am 1.4.2019 in Kraft getretenen Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO) endgültig der Boden entzogen. Mit dem GZSO und dem gemeinsamen Initiativplan sind wichtige Grundlagen für die Verbes- serung der Organspendesituation in Deutschland geschaffen worden. Auch die Stärkung der Transplantationsbeauftragten (TxB) mit entsprechenden Kompetenzen und Freistellungen von anderen Tätigkeiten sollen die Organspende in Deutschland vorankommen lassen. Gerade auch große Kliniken mit mehreren und großen Intensivstationen werden in Erklärungsnot kommen, wenn in einem Jahr keine oder nur wenige Organspenden realisiert wurden. Wichtig ist aber, dass auch auf die Umsetzung des Gesetzes und des Initiativplans geschaut wird. Viele involvierte Instanzen müssen aktiv werden und dann auch nachfragen oder anmahnen. Auch die Qualitäts- sicherung im Bereich Organspende ist Teil des GZSO. Wir hoffen auf gute Umsetzung und wir werden nachfragen, was sich dann am Ende 2020, eineinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des GZSO, wirklich getan hat. Was in manchen Krankenhäusern dank eines persönlichen Engagements schon hervorragend klappt, sollte sich nun auch in anderen Krankenhäusern und auch in allen Universitätskliniken etablieren: der absolute Wunsch, die möglichen Organspenden zu realisieren und dabei stets den Wunsch der potenziellen Spender zu verwirklichen. Bei laut einer Umfrage der Bundeszen- trale für gesundheitliche Aufklärung 70%igen Zustimmung zur Organspende in der Bevölkerung irren die Krankenhäuser, die glauben, den Patientenwillen durch stillschweigendes Nichtstun umzusetzen. Von allen Krankenhäusern erwarten wir bei nun geklärter Finanzierung, dass im Sinne der Wartepatienten alle Anstrengungen unternommen werden, geeignete Spender zu er- kennen. Entsprechende Strukturen sind auf allen Ebenen zu schaffen. Neben den Kliniken müs- sen die Landesregierungen und Ärztekammern die Kliniken unterstützen und auch überprüfen, ob dieser Bereich so wie notwendig umgesetzt wird. Die positiven Entwicklungen, wie struktu- rierte, curriculare Fortbildungen für Transplantationsbeauftragte und ihr Zusammenschluss in Verbänden, lassen hier hoffen. Wir möchten dazu beitragen, den Geist für die Organspende in den Krankenhäusern zu stärken. Deshalb bedanken wir uns bei den Transplantationsbeauftragten, den Ärzten und dem Pflege- personal. Wir haben ein Dankschreiben im Rahmen des Initiativplans entworfen, das in nächster Zeit auch als Flyer zum Verteilen in den Kliniken erscheinen soll. Dieses finden Sie auf der Rück- seite des Heftes. Die 20er Jahre wollen wir mit einer großen Patientenveranstaltung beginnen. In diesem Heft finden Sie den Hinweis auf den 5. Deutschen Patiententag Lebertransplantation, der dieses Mal in München stattfinden wird. Themen wie Transplantationsnachsorge, Ernährung und viele weitere werden dort aufgegriffen. Auch der Austausch von Betroffenen untereinander soll ge- fördert werden. 2019 haben unsere ehrenamtlich tätigen Ansprechpartner, Vorstandsmitglieder, Koordinatoren und Redaktionsmitglieder für Mitglieder, Angehörige und Patienten wieder viel bewegt. Ich hoffe, dass dies auch 2020 wieder so sein wird. Ich freue mich auf Aktionen und Begegnungen und wünsche Freude beim Lesen dieser Ausgabe der Lebenslinien. Ihre Jutta Riemer
2 Leitartikel Rubrik LE B E N S LI N I E N 1 /2020 Organmangel und Organallokation zur Lebertransplantation in Deutschland: Kritische Gedanken storbenen zur Organspende war oder – ursprünglich zur Risikoabschätzung von Hans J. Schlitt 1, Christina Hackl 1, wenn dies nicht möglich ist – werden porto-cavalen Shuntoperationen bei er- Birgit Knoppke 2, Stefan M. Brunner 1, Angehörige um eine stellvertretende wachsenen Zirrhosepatienten in einem Barbara Sinner 3, Georg Peschel 4, Entscheidung gebeten.2 amerikanischen Kollektiv entwickelt und Kilian Weigand 4, Michael Melter 2, Organspende in Deutschland ist schon validiert worden. Der Score korreliert sta- Marcus N. Scherer 1, Gabriele I. Kirchner 1, 5 immer – im Vergleich zu anderen Län- tistisch mit der 3-Monats-Letalität dieser dern in Europa und den USA – besonders Zirrhosepatienten ohne Transplantation. 1 Klinik und Poliklinik für Chirurgie, kritisch betrachtet worden und die Zahlen Somit ist das Letalitätsrisiko ohne Trans- 2 Klinik und Poliklinik für Kinder- und waren immer vergleichsweise gering.3 plantation, also die Dringlichkeit, zentra- Jugendmedizin, Gründe für diese niedrigen Zahlen sind les Allokations-Credo. 3 Klinik für Anästhesiologie, vielfältig: u.a. (1) die seit Jahrzehnten im- Die Vorgaben des Transplantations- 4 Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, mer wieder einsetzende Diskussion, ob gesetzes fordern jedoch eine Organal- Universitätsklinikum Regensburg (UKR), „Hirntod wirklich der Tod des Menschen“ lokation „nach Dringlichkeit und Erfolgs- 5 Klinik für Innere Medizin I, Caritas- ist, was in keinem anderen Land derart aussicht“, also eine ausgewogene Ent- Krankenhaus St. Josef, Regensburg „problematisiert“ wird; (2) die seit Jahr- scheidung 1. Der MELD-Score berücksich- zehnten bestehende, sehr kritische Dis- tigt fast ausschließlich „Dringlichkeit“. Zusammenfassung kussion der Widerspruchslösung, die An- Der „Erfolgsaussicht“ wird derzeit nur Der extreme Mangel an Spenderorga- gehörigen von Verstorbenen und auch Rechnung getragen durch den Ausschluss nen in Deutschland führt zu einer star- beteiligten Ärzten die Antwort bzw. die bestimmter Patientengruppen, z. B. fort- ken Diskrepanz zwischen Verfügbarkeit Frage bezüglich einer Organspende sehr geschrittene HCCs, wobei jedoch auch und Bedarf an Organen zur Lebertrans- erleichtern würde – ohne denjenigen, die hierbei die derzeit angewandten Krite- plantation und, daraus folgend, zu einem wirklich nicht spenden wollen, das Wider- rien nicht klar Evidenz-basiert sind. Die Allokationsdilemma. Hieraus resultieren spruchsrecht zu nehmen; (3) die (auch Einführung der MELD-basierten Alloka- zum einen eine hohe Letalität während nach der aktuellen Gesetzesänderung tion hat in Deutschland zu einer drama- der Wartezeit und zum anderen, bei der immer noch) inadäquate Vergütung der tischen Verschlechterung der Ergebnisse aktuellen Organallokations-Politik, auch Organspende, die entscheidend dazu nach Lebertransplantation bei Erwach- schlechte Ergebnisse der Transplanta- beiträgt, dass vor allem in kleineren Kran- senen geführt – bedingt durch die hohe tion, da bevorzugt extrem kranke Pati- kenhäusern potenzielle Spender nicht Priorisierung extrem kranker Patienten.7, 8 enten ein Organ erhalten. Mögliche Lö- gemeldet und realisiert werden, weil dies Das Langzeitüberleben wäre besser, sungsansätze sind (1) eine Verbesserung den Ablauf der (sehr Erlös-relevanten) wenn die Patienten zum Zeitpunkt der der Zahl postmortal gespendeter Organe, Krankenhaus-Routine stören würde; (4) Transplantation in einem noch halbwegs (2) innovative Ansätze zur verbesserten die fehlende Möglichkeit, Organspende stabilen Allgemeinzustand wären – was Nutzung suboptimaler Spenderorgane nach Herztod zu erlauben, was in ande- auch die Rekonvaleszenz und ggf. Wie- (z. B. von älteren, multimorbiden Spen- ren Ländern bereits 20 % der Spender dereingliederung in den Beruf schneller, dern, verfettete Lebern etc.), (3) eine ausmacht; 4 und (5) die in Deutschland effektiver und kostengünstiger machen Steigerung der Lebendspende und (4) allgemein eher negative Berichterstat- würde. geänderte/optimierte Allokationsregeln. tung in den Medien bezüglich Organ- Für den Großteil der Patienten beruht Dabei würden die Maßnahmen 2 und 3 transplantation.5 die Allokation rein auf dem errechneten von einer deutlichen Zentralisierung der MELD-Score, basierend auf den 3 o. g. Lebertransplantation profitieren. Da vo- Status quo der Leber-Allokation in Laborwerten („labMELD“). Einige defi- raussichtlich alle 4 Optionen in Deutsch- Deutschland und seine Hintergründe nierte Patientengruppen (Kinder, HCC- land in näherer Zukunft nicht umgesetzt Nachdem in den Anfangszeiten der Patienten, Patienten mit biliärer Sepsis, werden können, werden Organmangel Lebertransplantation bis Ende der 1990er Stoffwechsel-Erkrankungen, Autoimmun- und das Allokationsdilemma bis auf Wei- Jahre eine Zentrums-basierte Allokation hepatitis etc.), bei denen die Dringlich- teres bestehen bleiben. stattfand (wie heute noch z. B. in Öster- keit nicht am labMELD festgemacht wer- reich und U.K.), wurde dies zunehmend den kann, erhalten „Zusatzpunkte“ auf Mangel an postmortal gespendeten in eine vollständig Patienten-basierte den labMELD: daraus resultiert der so- Organen in Deutschland Allokation überführt. Spätestens mit Ein- genannte „matchMELD“. Die Höhe der Die Organspende in Deutschland ist führung der MELD-basierten Organallo- „Zusatzpunkte“ ist dabei für die verschie- erst seit Verabschiedung des Transplan- kation ist damit das Prinzip des „sickest denen Patientengruppen unterschiedlich tationsgesetzes im Jahr 1997 (novelliert first“ in Deutschland das primäre Ziel. festgelegt – mehr oder weniger willkür- in 2015) gesetzlich geregelt.1 Basis der Hintergrund der Einführung der MELD- lich, d.h. nicht klar medizinisch begrün- Organspende ist dabei (so wie es auch basierten Allokation war zum einen, die det. Bei einigen Erkrankungen steigen vor dem Transplantationsgesetz praktisch Letalität auf der Warteliste zu senken, die „Zusatzpunkte“ im zeitlichen Verlauf gehandhabt wurde) die sogenannte und zum anderen, klare und objektiv sukzessive an, sodass nach einer abseh- „Erweiterte Zustimmungslösung“. Dabei nachvollziehbare Kriterien zur Basis der baren Wartezeit eine Transplantation re- wird – wenn kein Organspenderausweis Organallokation zu machen.6 Diese ba- alistisch wird. Bei anderen Erkrankungen vorliegt, der die Einstellung des Verstor- siert, mit einigen Ausnahmen, praktisch werden diese „Zusatzpunkte“ aber nur benen klar dokumentiert – in einem Ge- nur auf 3 Laborwerten: Bilirubin, INR und einmalig vergeben und zu dem errechne- spräch mit nahen Angehörigen versucht Kreatinin. Diese Kriterien, anhand derer ten labMELD addiert. Bei zumeist nied- zu klären, wie die Einstellung des Ver- der MELD-Score berechnet wird, waren rigem labMELD bringt dies die Patienten
LE B E N S LI N I E N 1 /2020 Leitartikel Rubrik 3 damit trotzdem nicht in die Situation ei- zur dramatischen Verbesserung der Le- rung – nicht adäquat vergütet. Dies ist ner realistischen Chance auf eine Trans- bensqualität schwer erkrankter Patien- natürlich keinesfalls als „persönliche plantation. ten sichtbar und besser verständlich zu Bereicherung“ von Beteiligten zu verste- Insbesondere auch durch die soge- machen. hen, sondern als finanzielle Kompensa- nannten „Transplantations-Skandale“ in Bei der breiten geäußerten Zustim- tion nicht nur der reinen „medizinischen den letzten Jahren, die vor allem die Le- mung der Bevölkerung zur Organspende Leistungen nach Gebührenordnung“, son- ber-, Herz- und Lungentransplantation wäre auch die (sehr lange und immer dern auch des hohen Engagements aller betrafen – und die letztlich auch durch wieder diskutierte) Einführung der Wi- Beteiligten neben ihrer üblichen Klinik- den existierenden Organmangel und die derspruchslösung ein längst überfälliger routine. Allokations-Problematiken mit verur- Schritt. Dies würde zum einen die Organ- sacht wurden – ist es nun nochmals zu spende als „Normalfall“ definieren und Option „Verbesserte Nutzung sub- einer Verstärkung der Reglementierung damit viele – auch von Ärzten verständli- optimaler Organe“ im Allokationsbereich gekommen. Dies, cherweise vermiedene – Gespräche mit Der typische Organspender ist heut- wie auch das sehr stark kompromittierte Angehörigen im Todesfall eines Patien- zutage nicht mehr der 22-jährige, an- Ansehen der Organtransplantation durch ten sehr viel einfacher machen. Die An- sonsten völlig gesunde, Motorradfahrer die „Skandale“, führte über die letzten gehörigen müssten nicht in einer emoti- mit Schädel-Hirn-Trauma, sondern der Jahre zu einer zunehmenden Verun- onal hoch angespannten Situation aktiv 65-jährige Hypertoniker mit einer Hirn- sicherung aller an der Transplantation einer Organspende zustimmen, könnten massenblutung. Diese älteren Spender 11 Beteiligten. Aufgrund inzwischen sehr aber dennoch jederzeit widersprechen. sind häufig multimorbid mit Problemen rigoroser Kontrollen der Transplantati- Grundsätzlich ist es für die Angehörigen wie Adipositas, Diabetes, Hypertonie, onszentren durch die Aufsichtsgremien in unter diesen belastenden Umständen Herzinsuffizienz, Fettleber etc. Damit der Bundesärztekammer führt dies da- einfacher „nicht zu widersprechen“ als sind sie keine optimalen Spender und in zu, dass in der Organtransplantation zu- zu einer Organspende „aktiv ja zu sagen“. vielen Fällen sind die Organe zur Trans- nehmend eine „Defensiv-Medizin“ be- Auch könnte jeder, der definitiv nicht spen- plantation nur sehr eingeschränkt (d. h. trieben wird: im Zweifelsfall wird die den möchte, dies zu Lebzeiten entspre- mit einem deutlich erhöhten Risiko der Entscheidung gegen die Transplantation chend dokumentieren, sodass weiterhin kurz- oder langfristigen Funktionsstörung) eines Patienten getroffen werden, da bei jeder für sich frei entscheiden könnte. oder gar nicht geeignet. In Kombination Grenzfällen immer das Risiko besteht, In vielen anderen Ländern Europas, mit der i.d.R. deutschlandweiten Alloka- dass dem Zentrum diese Fälle als Regel- wie auch in den USA, ist neben dem tion der Organe – und daraus resultie- verletzungen vorgeworfen werden und „Hirntod“ (formell korrekte Bezeichnung: renden langen Ischämiezeiten bis zu ei- dies öffentlich gemacht wird. „irreversibler Hirnfunktionsausfall“) (do- ner Transplantation – ist somit entweder nation after brain death, DBD) auch in das Transplantations-Risiko sehr hoch Option „Verbesserte Verfügbarkeit der Situation des „Herztodes“ (donation oder die Organe werden letztlich doch postmortal gespendeter Organe“ after circulatory death, DCD) eine Or- nicht akzeptiert und gehen damit für eine Auch wenn sich in Umfragen die ganentnahme unter sehr genau definier- Transplantation verloren. Auch Probleme überwiegende Mehrheit der Bevölke- ten Bedingungen möglich.10 Diese Spen- in der Logistik von Organentnahme, Ver- rung für eine postmortale Organspende der nach Herztod machen in diesen Län- packung und Transport („so kostengüns- ausspricht, sind die realen Spenderzah- dern inzwischen ca. 20 % aller Organ- tig wie möglich“) führen oft zu einer len in Deutschland extrem niedrig. Erklä- spenden aus4. Somit wäre zu erwarten, nicht unerheblichen Verlängerung von rungen hierfür könnten sein: 1) eine Dis- dass hierdurch die Zahl der zur Trans- Ischämiezeiten, die dadurch akzeptable krepanz zwischen ausgesprochener und plantation verfügbaren Organe auch in Werte überschreiten. wirklicher Spendebereitschaft; 9 2) eine Deutschland um bis zu 25 % zunehmen Mögliche Maßnahmen zu einer bes- schlechte Rate der Erkennung, Meldung könnte – zumindest für Nieren, Leber seren Verwendbarkeit dieser „subopti- und Realisierung von Organspendern, und ggf. Lunge. Die in Deutschland im- malen“ Organe wären: (1) eine regionale sowie 3) finanzielle „Dis-Incentives“. mer wieder aufkommende Diskussion, Allokation mit Entnahme der Organe De facto findet sich in Deutschland eine ob „Hirntod“ wirklich der Tod des Men- durch das Team der Empfängerklinik: dies Kombination dieser Problematiken, für schen ist, hat jedoch zu einer derartigen würde eine verlässlichere Beurteilung des die es konkret potenzielle Lösungsansät- Verunsicherung der Bevölkerung und Organs für einen speziellen Patienten und ze gäbe. der Politiker über die Todes-Definition Beschleunigung der Logistik innerhalb Ganz essentiell ist es, in der Bevölke- geführt, dass eine Diskussion über eine des Transplantationszentrums mit deut- rung eine positive Grundstimmung be- mögliche Zulassung des „Herztodes“ als lich kürzerer Ischämiezeit erlauben; (2) züglich der Organtransplantation zu er- Spende-Voraussetzung in Deutschland eine flexiblere Auswahlmöglichkeit der zeugen. Dazu haben insbesondere die erst gar nicht begonnen wird. Empfänger für „suboptimale“ Organe, da Medien in den letzten 30 Jahren nicht Auch finanzielle Hürden reduzieren stabilere Patienten (d. h. mit nicht so ho- unbedingt beigetragen. Im Gegenteil, die Bereitschaft von Ärzten und Kranken- hem labMELD) eine bessere Kompensa- wirkliche Fehler wie auch unrealistische häusern, die Organspende aktiver zu tionsfähigkeit für eine initial schlechtere Horrorszenarien wurden und werden in betreiben, potenzielle Spender zu iden- Organfunktion nach Transplantation ha- der Presse immer wieder betont, zumal tifizieren und ggf. zu realisieren. Zusätz- ben; und (3) der Einsatz von ex-vivo Or- sich negative Schlagzeilen natürlich bes- liche Arbeitsbelastung auf der Intensiv- ganperfusionssystemen – innovative An- ser „verkaufen“ als (eher langweilige) station, Blockierung eines Operations- sätze, die eine stabilere „Lagerung“ der positive Nachrichten und Fall-Beispiele. saals für mehrere Stunden, aufwändige Spenderorgane, eine bessere Abschät- Es wäre dabei wichtig, in einer konzer- Diagnostik und zeitintensive Gespräche zung der Organfunktion und auch eine tierten Aktion – und immer wieder – für mit Angehörigen werden den Kranken- aktive Verbesserung der Organqualität die breite Bevölkerung die Möglichkei- häusern und dem beteiligten ärztlichen ermöglichen könnten. ten und Chancen der Organtransplanta- sowie pflegerischen Personal weiterhin Die Punkte (1) und (2) sind aufgrund tion zur Rettung von Menschenleben und – trotz einer aktuellen Gesetzesände- der derzeitigen Organisations- und Allo-
4 Leitartikel Rubrik LE B E N S LI N I E N 1 /2020 kationsregularien nicht möglich, soll- bracht, wo es gesplittet wird; dann wird lativ gering, da nur etwa 20 % der Leber- ten aber unbedingt diskutiert werden.12 der rechts-erweiterte Leberlappen i.d.R. masse entnommen werden müssen. Für Punkt (3), der einen relevanten Fortschritt nochmals in ein anderes Zentrum trans- den Empfänger ist das Risiko identisch in der Verfügbarkeit transplantabler Or- portiert. Daraus resultieren deutlich ver- oder etwas geringer als bei Transplantati- gane bringen könnte (nicht nur für die längerte Ischämiezeiten – auch bedingt on mittels postmortaler Spende, bei der Leber, sondern auch für Herz, Lunge und durch die Verwendung kostengünstiger zumeist auch ein links-lateraler Split ver- Nieren), ist derzeit aufgrund fehlender und damit i.d.R. langsamerer Transport- wendet wird. Im Gegensatz dazu kommt Finanzierung in Deutschland nicht reali- mittel. Dies erhöht nochmals das Risiko die Lebendspende für die Lebertrans- sierbar. Zur Organperfusion (hypotherm für den erwachsenen Empfänger. Eine plantation bei Erwachsenen in Deutsch- oder normotherm, oxygeniert oder nicht- verbesserte Transportlogistik, mit ggf. land nur sehr selten zum Einsatz. Dies oxygeniert) gibt es international derzeit deutlich höheren Kosten, die entspre- liegt zum einen daran, dass dafür ein re- eine Reihe sehr vielversprechender wis- chend erstattet werden müssten, wäre lativ großer Teil der Leber beim Spender senschaftlicher und klinischer Ansät- hier zwingend. entnommen werden muss, meist um die ze.13,14 Gerade in einem Land mit so nied- Ein „symmetrisches“ Splitten einer 60 %. Darüber hinaus ist die Transplan- rigen Organspende-Zahlen wie Deutsch- Leber in einen kompletten rechten und tation dieses Leberteils auch technisch land sowie einer zunehmenden Zahl von kompletten linken Leberlappen, meist für deutlich aufwändiger und komplikati- „suboptimalen“ Spenderorganen wäre es zwei Erwachsene, ist ein hochkomplexer onsreicher als bei Transplantation einer essenziell, diese neuen Verfahren anzu- Eingriff. Da auch hierbei die o.g. Alloka- ganzen Leber und in vielen Fällen weist wenden und weiter zu optimieren. Hier- tions- und Transportprobleme bestehen, das Leberteil-Transplantat für den Emp- zu wäre jedoch eine adäquate Finanzie- ist die Motivation zum Splitten in Deutsch- fänger eine grenzwertige Größe auf, so- rung notwendig, die durch die Kostenträ- land minimal. Mit der Entscheidung zum dass auch hier oft ein Kompromiss ein- ger (Krankenkassen), z. B. via Deutsche Splitten erhöht sich ggf. das Risiko für gegangen werden muss. Stiftung Organtransplantation (DSO), er- den „eigenen“ Patienten, was aber evtl. Grundsätzlich ist die Lebendspende- folgen müsste. Leider ist hierzu derzeit besser akzeptiert würde, wenn davon Lebertransplantation auch beim Erwach- keinerlei Finanzierung in Sicht. ein zweiter Patient des Zentrums profi- senen mit guten Ergebnissen möglich, wie tieren würde. So besteht in der aktuellen Daten vor allem aus Asien zeigen. Dies Option „Verbesserte Organnutzung Situation keinerlei Anreiz, einen „sym- setzt allerdings eine sehr umfangreiche durch Splitting“ metrischen“ Split durchzuführen – falls Erfahrung mit diesen Techniken voraus, Das „Splitting“ von Lebern ist eine dieses Vorgehen nicht aus Gründen der die nur in wenigen Zentren in Deutsch- technische Möglichkeit, aus einem Spen- Organgröße für einen kleinen Empfän- land besteht. Somit erscheint eine Kon- derorgan zwei zu machen, um damit zwei ger technisch unbedingt erforderlich ist. zentration auf wenige Zentren sinnvoll Patienten transplantieren zu können. Die- Der „symmetrische“ Split wird nur dann – am besten auf Zentren, die auch durch ser Ansatz kann eine Option sein, trotz wieder vermehrt zum Einsatz kommen, Lebendspende bei Kinder-Lebertrans- Organmangels die Zahl der Lebertrans- wenn die Zentren, die ihn durchführen, plantation über entsprechende Erfahrung plantationen zu steigern.15 Dieses Verfah- beide Leber-Teile für Patienten des eige- verfügen. Schließlich ist zu berücksich- ren wurde erstmals im Jahr 1988 durch- nen Zentrums verwenden können und tigen, dass eine Lebendspende-Leber- geführt und erfolgt in den meisten Fällen auch die am besten geeigneten Empfän- transplantation beim Erwachsenen ne- als sog. „asymmetrischer“ Split: der links- ger frei wählen könnten. Nur so kann das ben der technischen Komplexität auch laterale Leberlappen (Segm. II und III) grundsätzlich erhöhte Risiko des Verfah- sehr vielschichtige Abwägungen und wird für ein Kind verwendet, der rechts- rens gerechtfertigt und durch optimale Entscheidungen über Indikation, Dring- erweiterte Leberlappen (Segm. IV – VIII) Wahl des Empfängers minimiert werden. lichkeit, psychologische Hintergründe für einen Erwachsenen. Dabei wird das Üblicherweise wird die Prozedur des von Spender und Empfänger und eine Verfahren in Deutschland de facto nur an- Splittens heutzutage in Deutschland zu- sehr intensive Auseinandersetzung der gewandt, wenn ein Spenderorgan eines meist „ex-situ“ durchgeführt, d.h. das behandelnden Ärzte mit Spender und erwachsenen, postmortalen Spenders Organ wird regulär von einem Spender- Empfänger erfordern. Auch dies spricht primär zur Transplantation auf ein Kind team entnommen und erst im Empfän- für eine Fokussierung auf wenige Zen- alloziert wird: da für das Kind aufgrund gerzentrum gesplittet. Eine wesentlich tren. Und insgesamt muss bei der Le- der Größen-Inkongruenz nur der links- kürzere Ischämiezeit für beide Leberteile bendspende – insbesondere für Erwach- laterale Leberlappen in Frage kommt, würde bei einem sog. „in-situ“ Split re- sene – das kurz- und ggf. auch langfris- bleibt der Rest „übrig“ zur Transplanta- sultieren, bei dem das Splitten noch im tige Risiko für den Spender immer im tion eines Erwachsenen. Damit wird das Spender und vor Kaltperfusion durchge- Auge behalten werden, welches adäquat Organ optimal genutzt, allerdings ist das führt wird. Da dieser jedoch i.d.R. außer- abgesichert und kompensiert sein muss Komplikations-Risiko für den Erwachse- halb des Transplantationszentrums ist (z. B. bzgl. Versicherungsprämien des nen höher als bei einer kompletten („full- und dies eine technisch komplexe Ope- Spenders nach der Spende etc.). size“) Lebertransplantation.16,17 Für das ration darstellt, die außerdem das Spen- Grundsätzlich ist, vor allem in Anbe- Kind hingegen besteht bezüglich des derkrankenhaus durch eine deutlich län- tracht der potenziellen Risiken für den Risikos kein Unterschied im Vergleich gere Op-Zeit „belasten“ würde, erfolgt Spender und der erhöhten technischen zur Alternative einer Lebendspende. Die dies nur sehr selten. Risiken beim erwachsenen Empfänger, Motivation für diese Art von Splits be- eine Leber-Lebendspende jedoch nur steht dadurch ausschließlich bei Kinder- Option „Lebendspende“ die „zweitbeste“ Option, nämlich, wenn Lebertransplantations-Zentren. Proble- Die Lebendspende ist eine Option, die für einen Patienten kein postmortal ge- matisch ist auch, dass der Leber-Teil für in Deutschland zur Lebertransplantation spendetes Organ zur Verfügung steht. den Erwachsenen mehr oder weniger bei Kindern häufig genutzt werden muss, „normal“ alloziert wird: d.h., das entnom- wobei meist der links-laterale Leberlap- Option „Optimierung der Organ- mene Organ wird zunächst vom Ent- pen eines Elternteils verwendet wird.18 allokation“ nahmeort in das Kinder-Ltx-Zentrum ge- Dabei ist das Risiko für den Spender re- Das aktuelle MELD-basierte Allokati-
LE B E N S LI N I E N 1 /2020 Leitartikel Rubrik 5 onsverfahren wird den Problemen in der eine sehr systematische Dokumentation tionsmedizin findet,19 da man – egal wie Lebertransplantation wenig gerecht: es erfolgen, wer wann warum welches Or- man sich verhält – den Patienten nicht führt dazu, dass vorwiegend zu kranke gan erhalten hat, um einen Missbrauch gerecht werden und praktisch nur „ver- Patienten transplantiert werden. Dies dieser „Freiheit“ zu verhindern. Ein ge- lieren“ kann. führt u. a. zu schlechten Ergebnissen bzgl. wisses Vertrauen sollte Transplantations- Postmortale Organspende und inno- des Überlebens nach Transplantation. Auf Zentren jedoch entgegengebracht wer- vative Ansätze zur verbesserten Organ- der anderen Seite haben einigermaßen den – im Sinne der Patientenversorgung Konservierung und -Optimierung durch stabile (d.h. gerade noch kompensierte) und der optimalen Nutzung der wenigen neue Perfusionstechniken müssen durch Zirrhose-Patienten sowie Patienten mit Spenderorgane – zumal nicht alle Para- die Kostenträger vollständig finanziert speziellen Problemen (z.B. bei chroni- meter, die eine erfolgreiche Transplanta- werden. Vertrauen in eine patienten- schen Gallengangsproblemen nach vo- tion bedingen, objektivierbar zu messen orientierte Allokation „suboptimaler“ rausgegangener Transplantation – häufig sind. Organe sowie von Split-Organen und bei einem „suboptimalen“ Organ oder Alternativ wäre – in Anbetracht des die Möglichkeit, Organe für bestimmte mit längerer Ischämiezeit) fast keine extremen Organmangels in Deutschland – „Niedrig-MELD“-Patienten verwenden zu Chance, ein Organangebot zu erhalten. zu überlegen, ob nicht ein Losverfah- dürfen, würde einem guten Outcome Lebensqualität und Krankheitsparameter ren für die (elektive) Organvergabe für dienen. Dazu ist es erforderlich, die abseits der MELD-relevanten Laborwerte Erwachsene die „gerechteste“ Lösung Lebertransplantation auf deutlich we- (z.B. massiver Juckreiz, Therapie-refrak- wäre. Hierzu müssten evtl. die Listungs- niger Zentren als bisher zu fokussieren, tärer Aszites, zunehmende Enzephalo- Kriterien weiter optimiert und schärfer um dort zum einen eine breitere For- pathie etc.) spielen keine Rolle bei der gefasst werden: über die Listung wird schungs-Plattform zu haben als auch um Allokation – formell deshalb, weil sie festgelegt, wer von einer zeitnahen Le- die Lebendspende und Split-Techniken nicht so eindeutig wie Laborwerte mess- bertransplantation am meisten (auch im als alternative Optionen in relevanter bar und somit objektivierbar sind. Auch Sinne des bestmöglichen Überlebens Quantität und Erfahrung sinnvoll mög- Kinder finden – trotz schon existierender der Spenderorgane) profitiert. Inner- lich zu machen. Schließlich müssen die „Zusatzpunkte“ – keine adäquate Berück- halb dieser Warteliste entscheidet dann Allokationskriterien für die viel zu gerin- sichtigung, sodass bei ihnen in sehr vie- jeweils das Los, wer das nächstverfüg- ge Zahl an Spenderorganen neu – und len Fällen eine Lebendspende erfolgen bare Organ bekommt. Jedes „Parameter- tabufrei – durchdacht werden. Da eine muss, obwohl ein Teil eines erwachse- orientierte“ Allokationsverfahren ist bei wirklich „gerechte“ Verteilung aufgrund nen, postmortalen Spenderorgans, das der großen Komplexität in den Verläufen der sich widersprechenden, gesetzlich zeitnah verfügbar ist, die bessere Alter- fortgeschrittener Lebererkrankungen für vorgegebenen, Kriterien (Dringlichkeit native wäre. Spenderorgane quasi nur bestimmte Patienten nicht adäquat. Da vs. Erfolgsaussicht) kaum möglich er- nach Dringlichkeit und nicht nach Er- das aktuelle Allokationsverfahren „Dring- scheint, sind alternative Ansätze wie z. B. folgsaussicht zu verteilen, widerspricht lichkeit“ weit höher bewertet als „Er- ein „Losverfahren“ durchaus zu erwägen- nicht nur der Gesetzesvorgabe, sondern folgsaussicht“, führt dies typischerweise de Alternativen. Auch die Zentrums-ba- wird auch unserer Verantwortung ge- zu schlechteren Ergebnissen – und zu ei- sierte Allokation eines bestimmten Pro- genüber den Organspendern nicht ge- ner ungerechtfertigten Benachteiligung zentsatzes von Spenderorganen könnte recht. Unsere Verantwortung gegenüber bestimmter Patientengruppen. Hier wäre zu einer besseren Nutzung der Organe den postmortalen Organspendern ge- ein Losverfahren wertneutraler und damit führen – wozu jedoch mehr Vertrauen in bietet, die Organe zum besten Nutzen vermutlich gerechter, zumindest solange die behandelnden Ärzte erforderlich wä- der Gesellschaft zu verwenden. der Organmangel so extrem ist wie der- re. Der Mangel an Spenderorganen erfor- zeit. Eine rein Dringlichkeits-basierte Allo- dert ein Allokationssystem. Allerdings er- kation, wie sie derzeit im Grunde exis- scheint es bei dem ausgeprägten Organ- Ausblick tiert, führt definitiv nicht zu einer beson- mangel nahezu unmöglich, ein gerechtes Bei der aktuell sehr dramatischen Si- ders gerechten und vor allem nicht zu und objektives Verteilungssystem zu schaf- tuation des Spenderorgan-Mangels und einer effizienten Verteilung der wenigen fen. Denn neben der Krankheitsschwere der bestehenden Allokations-Proble- verfügbaren Organe. Dies zeigt sich da- tragen viele andere Parameter des Spen- matik in Deutschland gibt es, wie oben ran, dass die Ergebnisse der Lebertrans- ders (wie Alter, Größe des Organs, Ver- dargestellt, eine ganze Reihe möglicher plantation in Deutschland im internatio- fettungsgrad, „suboptimale Laborwerte“, Ansätze, dies zu verbessern. Hierzu wäre nalen Vergleich derzeit schlecht sind. lange Intensivzeit etc.) und des Empfän- jedoch in vielen Bereichen ein deutliches gers (tagesaktueller Zustand, gerade be- Umdenken notwendig – weg vom sehr Originalartikel: stehende Stabilisierung nach Dekom- negativen und Misstrauens-geprägten Schlitt, H. J., Hackl, C. , Knoppke, B. et al. pensation etc.) ebenso wie logistische Denken bezüglich der Organspende und Gastroenterologe (2019) 14: 252. https:// Überlegungen (ist ein potenzieller Emp- Transplantation in großen Teilen der Me- doi.org/10.1007/s11377-019-0359-9 fänger gerade in der Klinik? Wie weit weg dien und der Bevölkerung. Die Organ- © Springer Medizin Verlag GmbH wohnt er? Ist er voroperiert, d.h. dauert transplantation muss wieder als lebens- die Hepatektomie evtl. sehr lange?) zur rettende Chance für Patienten und die Literatur Erfolgsaussicht einer Lebertransplanta- postmortale Organspende als Möglich- 1) Bundesministerium der Justiz und für Verbrau- tion entscheidend bei. Dies war früher keit, anderen Menschen über den ei- cherschutz (2015) Gesetz über die Spende, – und ist noch in vielen Ländern – bei genen Tod hinaus zu helfen, begriffen Entnahme und Übertragung von Organen und Zentrums-basierter Allokation möglich werden. Die derzeitig negative „Stim- Geweben (Transplantationsgesetz – TPG). und führt zu besseren Transplantations- mung“ sowie die zunehmend extremen http://www.gesetze-im-internet.de/tpg/ Ergebnissen. Zumindest ein Teil der Or- Regularien und Strafandrohungen füh- BJNR263100997.html gane sollte wieder Zentrums-orientiert ren auch dazu, dass sich auf ärztlicher 2) Bundesgesundheitsministerium (2016) Entschei- alloziert werden, um den o.g. Problemati- und pflegerischer Seite kaum noch mo- dungslösung tritt in Kraft. http://www.bundes- ken Rechnung zu tragen. Natürlich muss tivierter Nachwuchs für die Transplanta- gesundheitsministerium.de/presse/pressemit-
6 Leitartikel Rubrik LE B E N S LI N I E N 1 /2020 Herzliche Einladung zur — –—–E —— Jahrestagung 2020 mit Expertenvorträgen SAV TH E ! Am 14.3.2020 * DAT—E — –—- – im Universitätsklinikum Hannover – MHH Vormittags findet ab 10:00 Uhr die Mit- Nachmittags erleben wir ab ca. 14:00 Uhr Bitte schon mal vormerken. Die Infor- gliederversammlung mit Jahresbericht interessante Fachvorträge zu unterschied- mationen zu dieser Veranstaltung fin- und verbandsinternen Themen statt. lichen Aspekten rund um die Lebertrans- den Sie auch auf unserer Homepage Kommen Sie nach Hannover und ge- plantation und die Organspende. www.lebertransplantation.eu. Sie wer- stalten Sie die Verbandsarbeit mit. Der den schrittweise gemäß der Planung Vorstand freut sich auf den Dialog mit aktualisiert. Alle Mitglieder erhalten frist- Mitgliedern, Angehörigen und Interes- gerecht eine Einladung mit Anmelde- sierten. abschnitt. * Achtung in den Lebenslinien 2/2019 steht der Termin 8.3.2020 vermerkt. Hier handelte es sich um einen Druckfehler! Foto: Mahoney1 [CC0 ] commons.wikimedia.org teilungen/2012-04/entscheidungsloesung-organ 9) Tackmann E, Dettmer S. [Acceptance of post- liver transplantation: probable application and spende-in-kraft.html mortem organ donation in Germany : Repre- indications. Curr Opin Organ Transplant. 2017; 3) Schulte K, Borzikowsky C, Rahmel A, Kolibay F, sentative cross-sectional study]. Anaesthesist 22: 300–305 Polze N, Fränkel P, Mikle S, Alders B, Kunzen- 2018; 67: 118 15) Hackl C, Schmidt KM, Süsal C, Döhler B, Zidek dorf U, Feldkamp T: Decline in organ donation 10) Thuong M, Ruiz A, Evrard P, Kuiper M, Boffa M, Schlitt HJ. Split liver transplantation: Current in Germany—a nationwide secondary analysis C, Akhtar MZ, Neuberger J, Ploeg R. New developments. World J Gastroenterol. 2018; 24: of all inpatient cases. Dtsch Arztebl Int 2018; classification of donation after circulatory death 5312–5321 115: 463–468 donors definitions and terminology. Transpl Int. 16) Ross MW, Cescon M, Angelico R, Andorno E, 4) Le Dinh H, Monard J, Delbouille MH, Hans MF, 2016; 29: 749–59 Rossi G, Pinna A, De Carlis L, Baccarani U, Cillo Weekers L, Bonvoisin C, Joris J, Lauwick S, Kaba 11) Moosburner S, Ritschl PV, Wiering L, Gassner U, Colledan M, Mazzaferro V, Tisone G, Rossi A, Ledoux D, de Roover A, Honoré P, Squifflet JMGV, Öllinger R, Pratschke J, Sauer IM, Rasch- M, Tuzzolino F, Pagano D, Gruttadauria S, JP, Meurisse M, Detry O. A more than 20 % zok N. [High donor age for liver transplantation: Mazariegos G, Gridelli B, Spada M. A matched increase in deceased-donor organ procurement Tackling organ scarcity in Germany]. Chirurg. pair analysis of multicenter longterm follow-up and transplantation activity after the use of 2019 Feb 1 [Epub ahead of print] after split-liver transplantation with extended donation after circulatory death. Transplant 12) Schlitt HJ, Loss M, Scherer MN, Becker T, Jauch right grafts. Liver Transpl. 2017; 23:1384–1395 Proc. 2014; 46: 9 –13 KW, Nashan B, Schmidt H, Settmacher U, 17) Andrassy J, Wolf S, Lauseker M, Angele M, van 5) Hoisl A, Barbey R, Graf BM, Briegel J, Bein T. Rogiers X, Neuhaus P, Strassburg C. [Current Rosmalen MD, Samuel U, Rogiers X, Werner J, Wertungen des „Transplantationsskandals“ developments in liver transplantation in Guba M; Eurotransplant Liver Advisory Com- durch die Medien. Anaesthesist 2015; 64: 16–25 Germany: MELD-based organ allocation and in- mittee. Higher retransplantation rate following 6) Wiesner R, Edwards E, Freeman R et al. Model centives for transplant centres]. Z Gastroenterol. extended right split-liver transplantation: An for end-stage liver disease (MELD) and allocation 2011; 49: 30–38 analysis from the Eurotransplant liver follow-up of donor livers. Gastroenterology 2003; 124: 91–96 13) de Vries Y, Matton APM, Nijsten MWN, Werner registry. Liver Transpl. 2018; 24: 26–34 7) Weismüller TJ, Negm A, Becker T et al. The MJM, van den Berg AP, de Boer MT, Buis CI, 18) Hackl C, Schlitt HJ, Melter M, Knoppke B, Loss M. introduction of MELD-based organ allocation Fujiyoshi M, de Kleine RHJ, van Leeuwen OB, Current developments in pediatric liver trans- impacts 3-month survival after liver transplan- Meyer P, van den Heuvel MC, de Meijer VE, plantation. World J Hepatol. 2015; 7: 1509–1520 tation by influencing pretransplant patient Porte RJ. Pretransplant sequential hypo- and 19) Grammenos D, Bein T, Briegel J, Eckardt KU, characteristics. Transpl Int 2009; 22: 979–981 normothermic machine perfusion of suboptimal Gerresheim G, Lang C, Nieß C, Zeman F, Brei- 8) Weismüller TJ, Fikatas P, Schmidt J et al. Multi- livers donated after circulatory death using a denbach T. Einstellung von potentiell am Organ- centric evaluation of model for end-stage liver hemoglobin-based oxygen carrier perfusion spendeprozess beteiligten Ärzte und Pflege- disease-based allocation and survival after liver solution. Am J Transplant. 2019; 19: 1202–1211. kräfte in Bayern zu Organspende und Trans- transplantation in Germany – limitations of the 14) Ceresa CDL, Nasralla D, Knight S, Friend PJ. plantation. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: ‚sickest first’-concept. Transpl Int 2011; 24: 91–99 Cold storage or normothermic perfusion for 1289–1294
LE B E N S LI N I E N 1 /2020 Leitartikel Rubrik 7 Comeback der Transplantationsmedizin als Maßstab für eine moderne Chirurgie. benserwartung gegenübersteht. In den Foto: privat Der anfängliche Enthusiasmus wurde letzten Jahren erlebte die Transplanta- jedoch durch vielfältige Probleme der tionsmedizin einen kontinuierlichen Ab- Transplantation gedämpft. stieg, neben stagnierenden, bzw. sinken- Zunehmend wird die Transplantati- den Spenderzahlen sehen sich Trans- onsmedizin Opfer ihres eigenen Erfolgs. plantationsmediziner zunehmend ethisch- Eine der größten Limitationen ist der moralisch in Frage gestellt und die Mangel an Spenderorganen. Kein anderer schlechte finanzielle Abbildung dieser Bereich der Medizin ist durch eine Res- Hochleistungsmedizin im Entgeltsystem sourcenknappheit so eingeschränkt wie bei hohen Vorhaltekosten lässt auch bei Prof. Dr. med. Markus Guba die Transplantationsmedizin. Verbunden Krankenhausbetreibern das Interesse an Leiter der Sektion Transplantation und Hepa- mit dem alles überragenden Mangel an der Transplantionsmedizin erlahmen. tobiliäre Chirurgie der Klinik für Allgemein-, Spenderorganen ergeben sich eine Reihe Zusätzlich macht vor allem die fehlende Visceral-, und Transplantationschirurgie am von ethischen Fragen, wie der Frage nach Planbarkeit einer Transplantation, ver- Klinikum der Universität München der Organspende an sich und der damit bunden mit 24/7-Bereitschaft und feh- verbunden Definitionen des menschli- lenden Endpositionen vor allem Trans- E nde der 60er Jahre, zeitgleich mit der Eroberung des Weltraums durch den Menschen, gelang es, Organe erfolgreich chen Todes,2 der Kriterien, wie Spender- organe einerseits gerecht und wie nach dem Transplantationsgesetz gefordert plantationschirurgen zu schaffen. Diese Disziplin der Chirurgie mit der vermutlich schlechtesten Work-life-balance in der zu transplantieren. Getrieben von einem nach „Dringlichkeit und Erfolgsaussicht“ Medizin schreckt heute vor allem den ungetrübten Fortschrittsglauben dieser verteilt werden können. chirurgischen Nachwuchs ab, eine Spe- Zeit avancierten die Pioniere der Trans- Die Lebendspende kann dieser Pro- zialisierung in diesem Bereich zu erstre- plantationschirurgie zu Lichtgestalten, blematik nur teilweise begegnen und ben (1–3). die es bis auf das Titelblatt des Time Ma- wirft weitere Fragen auf. Allen voran die Durch neue Entwicklungen in der gazins schafften.1 Sicherheit der Lebendorganspender, wie Transplantationsmedizin scheint aber in i diesem Zusammenhang die Selbst- Licht am Ende des Tunnels. bestimmtheit b des Spenders gewähr- leistet le und einer Kommerzialisierung der Maschinenperfusion Lebendorganspende L entgegengewirkt Die bisherige Lagerung und Transport werden w kann. Täglich sterben in Deutsch- von Spenderorganen auf Eis wird zuneh- land la 3 Patienten auf der Warteliste, weil mend durch kontinuierliche Maschinen- kein k geeignetes Spenderorgan zur Ver- perfusionssysteme ersetzt. Die Organe fügung f steht. Patienten warten auf die werden mit dieser Technik kontinuier- rettende r Transplantation teilweise Jahre lich mit kalter, oxygenierter Konservie- an a der kraftzehrenden Dialyse, an Kunst- rungslösung perfundiert, um den Kon- herzsystemen, h ohne Chance auf ein selbst- servierungsschaden zu reduzieren (4). bestimmtes b Leben, mit großem Leid und Durch die Zuführung von Sauerstoff in Todesangst. Die lange Wartezeit führt kann die Entladung der zellulären Ener- ferner f dazu, dass die Patienten bis zur giespeicher (ATP) reduziert werden und Transplantation T oft so geschwächt sind, so der Bildung von deletären reaktiven dass d der Transplantationserfolg auch Sauerstoffradikalen, die im Rahmen der nach n erfolgter Transplantation ausbleibt. Reperfusion des Organs entstehen, ent- Schlussendlich S begünstigt der Kampf um gegengewirkt werden. Mit dem Einsatz die d Mangelressource der Spenderorga- von normothermen, oxygenierten Perfu- ne n ärztliches Fehlverhalten im Angesicht sions-Systemen, die Blut als Sauerstoff- Vor allem technische Probleme und von v Leid und Tod der anvertrauten Pa- träger verwenden, kann eine nahezu das Fehlen effektiver immunsuppressi- tienten. physiologische Situation nachgestellt ver Medikamente limitierten anfänglich Obwohl weitaus mehr Patienten von werden, die eine deutliche Verlänge- den Erfolg der Transplantation. Mittler- der Transplantation profitieren könnten rung der Ischämie-Zeiten ermöglicht (5) weile sind die technischen Probleme der und im Bewusstsein dieser Limitation und die Möglichkeit einer ex-vivo-Be- Transplantation weitgehend gelöst und viele mögliche Indikationen für Organ- handlung von Spenderorganen bietet. Organe können mit großer Sicherheit transplantationen noch nicht erschlossen Denkbar sind dabei zelltherapeutische transplantiert werden. Effektive immun- wurden, bleibt die Transplantations- Ansätze, die darauf abzielen, Immunto- suppressive Medikamente ermöglichen medizin eine Nischenprodukt mit nur leranz zu induzieren oder geschädigte heute vielen transplantierten Patienten, 3.264 Eingriffen 2018.3 Obwohl nur we- Organe vor der Transplantation zu repa- die vormals dem Tode geweiht waren, nige Therapieformen einen derartigen rieren, z.B. durch ex-vivo-Entfettung ei- ein nahezu normales Leben. Die Erfolge Zugewinn an Lebenserwartung und Le- ner Fettleber. Darüber hinaus besteht der Transplantationsmedizin und die da- bensqualität ermöglichen, konzentriert bei dieser Technik die Möglichkeit, die mit verbunden Möglichkeiten, Patienten sich die Pharmaindustrie auf größere, Organe, bevor sie transplantiert werden, mit terminalen Organversagen erfolgreich gewinnträchtigere Märkte, wobei teil- einem „Testlauf“ zu unterziehen, was die zu therapieren, wurde von der Chirur- weise extrem hohen Gesundheitskosten Sicherheit der Transplantation, vor allem genszene euphorisch begleitet und galt nur eine geringe Verlängerung der Le- bei Verwendung marginaler Spender-
8 Leitartikel Rubrik LE B E N S LI N I E N 1 /2020 organe, erhöht. Diese modernen Kon- 3-D Bioprinting Literatur servierungsmethoden reduzieren den Selbst das 3-D-Printing von Spender- 1. Jesse, M. T., Abouljoud, M., Eshelman, A., De Zeitdruck der Transplantation erheblich. organen ist ein Konzept, was den Mangel Reyck, C., and Lerut, J. (2017) Professional inter- Dadurch entfällt die Notwendigkeit, an Spenderorganen in Zukunft beheben personal dynamics and burnout in European Transplantationen wie derzeit häufig könnte (7). Einfache Gewebe können transplant surgeons. Clin Transplant 31 nachts durchzuführen, was Ressourcen dabei direkt hergestellt werden, wobei 2. Thomas, M., Angele, M., Stangl, M., Rentsch, M., spart und letztlich der Lebensqualität anstatt wie bei herkömmlichen Druckern Pratschke, S., Andrassy, J., Jauch, K. W., and von Transplantationschirurgen zu Gute mit Farbe die Reservoirs mit Zellen be- Guba, M. (2014) Loss of liver transplant surge- kommt. laden werden. Zellen und extrazelluläre ons into alternate career paths. Transpl Int 27, Matrix werden schichtweise aufgetra- 1120-1124 Xenotransplantation gen, bis das Organ die programmierte 3. Thomas, M. N., Nadalin, S., Schemmer, P., Auch dem Problem der mangelnden Form angenommen hat. Bei komplexen Pascher, A., Kaiser, G. M., Braun, F., Becker, T., Spenderorgane kann in naher Zukunft Geweben mit vielen verschiedenen Zell- Nashan, B., Guba, M., and Cat. (2015) A Ger- begegnet werden. Durch den gentech- arten ist es wahrscheinlich notwendig, man survey of the abdominal transplantation nischen Fortschritt sind viele Probleme Organmatrix zu drucken, die dazu dient, surgical work force. Transpl Int 28, 849-856 der Xenotransplantation gelöst worden. den verschiedenen Zelltypen Orientie- 4. Schlegel, A., Muller, X., and Dutkowski, P. (2018) Was noch vor einigen Jahren als Utopie rung und Struktur zu verleihen. Hypothermic Machine Preservation of the Liver: erschien, steht nun an der Schwelle zur Wenn Spenderorgane sozusagen von State of the Art. Curr Transplant Rep 5, 93-102 klinischen Erprobung (6). Die Organe der Stange erhältlich sind, ändern sich 5. Nasralla, D., Coussios, C. C., Mergental, H., von Tieren – zumeist Schweinen – kön- die Umgebungsvariablen der Organ- Akhtar, M. Z., Butler, A. J., Ceresa, C. D. L., nen durch gezielten Gentransfer so mo- transplantation erheblich. Die Indikatio- Chiocchia, V., Dutton, S. J., Garcia-Valdecasas, J. difiziert werden, dass Tier-spezifische nen werden sich vor allem auf dem C., Heaton, N., Imber, C., Jassem, W., Jochmans, Oberflächenstrukturen, die zu einer onkologischen Sektor ausweiten. Durch I., Karani, J., Knight, S. R., Kocabayoglu, P., schnellen Abstoßung des tierischen gentechnische Veränderungen von Spen- Malago, M., Mirza, D., Morris, P. J., Pallan, A., Transplantats führen, maskiert werden derorganen wird eine systemische Im- Paul, A., Pavel, M., Perera, M., Pirenne, J., Ravi- oder die Interaktion mit dem menschli- munsuppression nicht mehr notwendig kumar, R., Russell, L., Upponi, S., Watson, C. chen Immunsystem unterbrochen wird. sein oder durch eine gezielte lokale Im- J. E., Weissenbacher, A., Ploeg, R. J., Friend, P. Die ethischen Aspekte und die gesell- munsuppression am transplantierten J., and Consortium for Organ Preservation in, schaftliche Akzeptanz werden derzeit im Organ abgelöst werden. Von primären E. (2018) A randomized trial of normothermic Rahmen von Bürgerforen bearbeitet. Die Tumoren oder mit Metastasen befallene preservation in liver transplantation. Nature Xenotransplantation hegt die Hoffnung Lebern dürften dann mit einer Leber- 557, 50-56 einer unbegrenzten und kostengünsti- transplantation entfernt werden (8). Das 6. Langin, M., Mayr, T., Reichart, B., Michel, S., gen Spenderorgan-Ressource. Paradigma »replace and not repair« wird Buchholz, S., Guethoff, S., Dashkevich, A., dann auch auf andere onkologische In- Baehr, A., Egerer, S., Bauer, A., Mihalj, M., dikationen in der Nieren- und Lungen- Panelli, A., Issl, L., Ying, J., Fresch, A. K., Buttge- transplantation ausgeweitet werden. reit, I., Mokelke, M., Radan, J., Werner, F., Denkbar wäre auch, Organe mit Verän- Lutzmann, I., Steen, S., Sjoberg, T., Paskevicius, derungen, die absehbar zu einer Entar- A., Qiuming, L., Sfriso, R., Rieben, R., Dahlhoff, tung führen (Präkanzerosen), noch vor M., Kessler, B., Kemter, E., Kurome, M., Zakhart- der Entstehung des Tumors zu ersetzen. chenko, V., Klett, K., Hinkel, R., Kupatt, C., Falke- Gesellschaftliche Debatten wie zurzeit nau, A., Reu, S., Ellgass, R., Herzog, R., Binder, über die Widerspruchslösung dürften U., Wich, G., Skerra, A., Ayares, D., Kind, A., dann der Vergangenheit angehören.4 Schonmann, U., Kaup, F. J., Hagl, C., Wolf, E., In Zuge einer Behandlung eines Mas- Klymiuk, N., Brenner, P., and Abicht, J. M. (2018) senmarkts wird sich auch die Pharma- Consistent success in life-supporting porcine car- industrie wieder der Transplantation diac xenotransplantation. Nature 564, 430-433 zuwenden und am medizinischen Fort- 7. Ali, M., P, R. A., Lee, S. J., and Jackson, J. D. schritt auf diesem Gebiet mitwirken. (2018) Three-dimensional bioprinting for organ bioengineering: promise and pitfalls. Curr Opin Wieviel Geduld müssen wir noch Organ Transplant 23, 649-656 aufbringen? Vermutlich werden in den 8. Line, P. D., Hagness, M., and Dueland, S. (2018) nächsten 10 Jahren die entscheidenden The Potential Role of Liver Transplantation as a Generierung menschlicher Organe Schritte erfolgreich gemacht worden Treatment Option in Colorectal Liver Metastases. durch die Bildung von Chimären sein. Dann werden viele Transplantati- Can J Gastroenterol Hepatol 2018, 8547940 zwischen den Arten onschirurgen nötig sein, diese Organe Eine alternative und vielversprechen- mit der nötigen technischen Versiertheit de Strategie ist die Züchtung menschli- transplantieren zu können. Bis dahin 1) Christiaan Barnard, Time Magazine, Dec. 15, cher Organe im Körper von Großtieren. müssen interessierte Chirurgen für die 1967 Bei dieser Methode werden kritische Transplantationsmedizin motiviert und 2) Stellungnahme zum Thema Hirntod und Gene für die eigene Organentwicklung etablierte Transplantationschirurgen bei Entscheidung zur Organspende https://www. beim Tier ausgeschaltet und dafür Pati- der Stange gehalten werden, um für das ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellung- enten-eigene oder pluripotente Stamm- Comeback der Transplantationsmedizin nahmen/deutsch/stellungnahme-hirntod-und- zellen in das Tier eingebracht, aus denen gerüstet zu sein. Mit großer Sicherheit entscheidung-zur-organspende.pdf in der so freigewordenen Nische huma- wird die Transplantationsmedizin nach 3) www.dso.de ne Organe heranwachsen. Das Tier als einer Durststrecke wieder der Treiber der 4) https://www.bundestag.de/dokumente/text- „Leihmutter“ für ein menschliches Organ. medizinischen Innovation sein. archiv/2018/kw48-de-organspende-580078
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