LEISTBARES WOHNEN VERBAND WIENER WOHNUNGSLOSENHILFE - Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs
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Impressum Herausgeber: Verband Wiener Woh- Fotos: Christopher Glanzl nungslosenhilfe Layout: Kurt Riha, Florian Walch Redaktionsteam: Roswitha Harner, Georg Kehrer, Bernhard Litschauer- Anschrift des Herausgebers: Schlacht- Hofer, Verena Steinbauer, Erich hausgasse 41a, 1030 Wien Steurer Druck: print24 Autor_innen: Clarissa Böck, Roland Gombots, Roswitha Harner, Lorenz Erscheinungsort: Wien, September Lederer, Georg Kehrer, Bernhard Lit- 2015 schauer, Verena Steinbauer, Thomas Wiesinger, Christian Zahrhuber 2
Inhalt Wohnungslosenhilfe – Ein Auftrag zur Mitgestaltung (Vorwort) 4 Vom Wohnen und der Armut 6 Wohnen muss leistbar sein 10 Unterstützungsleistungen für Wohnen 14 Städtische Wohnungsvergabe für mehr soziale Durchmischung 18 Zu wenige Wohnungen für wohnungslose Menschen 22 Delogierungsprävention als Maßnahme gegen Wohnungslosigkeit 26 Wer hat Anspruch, wer hat keinen und wer sollte Anspruch haben 30 Angebote für EU-Bürger_innen 34 3
Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser! Die gute Nachricht zuerst: Die Darauf können sowohl die Doch wie kommt es dazu, dass Wiener Wohnungslosenhilfe Stadt Wien als auch die Orga- so viele Menschen auf einmal kann vieles. nisationen stolz sein. Zu Selbst- ohne Wohnung leben müssen – zufriedenheit sollten wir uns ohne Schlafplatz, ohne Rück- Es gibt ein breit gefächertes aber nicht verführen lassen. zugsort? Und was müsste man Spektrum an Angeboten, diffe- Denn: Es gibt noch viel zu tun. tun, um das zu ändern? renziert nach Unterstützungs- bedarf und Zielgruppe, das die In Wien sind etwa 10.000 woh- In diesem Bericht wird ver- unterschiedlichen Bedürfnisla- nungslose Menschen im Sys- sucht auf diese Frage eine gen der Klient_innen abzude- tem der Wohnungslosenhilfe Antwort zu geben. cken sucht. erfasst. Die Dunkelziffer liegt Menschen verlieren ihren noch einmal deutlich höher. Ob das nun Startwohnungen Wohnraum. Eine Trennung, Das Bild von wohnungslosen für Familien, Übergangswohnen eine psychische Krise, eine Menschen in der Öffentlichkeit für Männer in Notlagen, sozial finanzielle Notlage, das Ende ist ein veraltetes. betreutes Wohnen für psychisch einer Befristung – Es gibt viele kranke Frauen, zahnärztliche Neben den älteren, alleinste- Ursachen. Ein ganz wesentli- Versorgung, Winternothilfe oder henden Männern, die man cher Grund für Delogierungen die Begleitung beim selbstän- im Kopf hat, wenn man an und Wohnungslosigkeit sind die digen Wohnen in der eigenen Obdachlosigkeit denkt, sind exorbitanten Mieten, prekäre Wohnen durch Housing First ist auch viele Männer, die nicht in Arbeitsverhältnisse, sinkende – die Palette ist breit und viel dieses klassische Bild passen, Einkommen und der fehlende Erfahrung, Fachkompetenz und Frauen, Familien und jüngere Zugang zu günstigem Wohn- Engagement sind in ihre Ent- Menschen von Wohnungsver- raum. wicklung geflossen. lust betroffen. 4
Wohnungslosenhilfe – Ein Auftrag zur Mitgestaltung Zahllose Menschen wohnen Rahmenbedingungen schaffen, für uns auf der Tagesordnung prekär bei Freund_innen oder sodass mehr günstige Wohnun- stehen. Partner_innen. Angesichts der gen gebaut werden können. Und wir müssen die politischen ständig steigenden Mieten ist Die Rolle der Wohnungslosen- Entscheidungsträger_innen in nicht davon auszugehen, dass hilfe in diesem Zusammenhang die Pflicht nehmen, mit ihnen die Zahl prekär wohnender ist es, Sprachrohr für die be- diskutieren, sie überzeugen Menschen kleiner wird. troffenen wohnungslosen oder und unbequem sein. Die Wohnungslosenhilfe kann von Wohnungslosigkeit bedroh- Dieser Bericht ist ein erster zwar Wohnraum zur Verfügung ten Menschen zu sein und diese Schritt in diese Richtung und stellen, allerdings ist dieser auch sichtbar zu machen. liefert eine Grundlage für wei- für die Klient_innen sowohl Wir dürfen dabei aber nicht tere Diskussionsprozesse. zahlenmäßig als auch zeitlich nur auf die bestehenden Pro- begrenzt. bleme aufmerksam machen, Aus der Entwicklung in der sondern müssen auch Lösungs- Wohnungslosenhilfe und der vorschläge anbieten und unsere Situation am Wohnungsmarkt Expertise einbringen. kann man schließen, dass Kooperationen mit der Woh- allgemein mehr Wohnraum nungswirtschaft, der Wohn- notwendig ist – leistbar und bauforschung, Architektur- dauerhaft. verbänden sowie anderen Die Politik muss die gesetz- Bereichen der Sozialarbeit (z.B. lichen und wirtschaftlichen Behindertenbereich) müssen 5
Vom Wohnen und der Armut Menschen, die im Rahmen der Wiener Wohnungslosenhilfe (WWH) betreut werden, haben eines gemeinsam: Sie sind durch die Bank manifest arm. Fakten Problem Forderungen • Manifest arm nach • Ohne ausreichende, den • Eine Grundsicherung, die EU-SILC 2014 bei: Marktpreisen angepasste, zum Leben reicht. 1.161 Euro pro Monat finanzielle Mittel verarmen • Hoheitsrechtlich organi- immer mehr Wiener_innen, • Mindeststandard nach sierter Zugang zur Wiener mit der Gefahr, obdachlos Wiener Mindestsicherungs- Wohnungslosenhilfe. zu werden. gesetz 2014 inklusive Miet- beihilfe bei Ausschöpfung der Obergrenze: 913 Euro pro Monat • Armutslücke (Differenz zwischen „manifest arm“ und Mindeststandard): 248 Euro pro Monat 7
Sie müssen nicht nur mit Armutslücke und kein dass keine unerwarteten Zah- einem niedrigen Einkommen Rechtsanspruch lungen auf sie zukommen.Eine das Auslagen finden, sondern Betriebskostenabrechnung mit Die Armutslücke zeigt dras- mit ganz konkreten, finanziell einer Nachforderung der Haus- tisch, worum es geht: Zwischen bedingten Einschränkungen in verwaltung kann hier schon zu den Mitteln, die Bezieher_in- der alltäglichen Lebensführung beträchtlichen Schwierigkeiten nen der Bedarfsorientierten zurechtkommen. führen. Mindestsicherung (BMS) zur Und das vielfach ohne Pers- Verfügung stehen und „mani- Sollten diese Schwierigkeiten pektive auf einen nachhaltigen fester Armut“ existiert immer in die Obdachlosigkeit führen, Ausstieg. Daran wird sich auch noch eine Differenz. ist die WWH nicht automatisch nichts geändert haben, wenn die notwendige Hilfe. Erstens Wer BMS bezieht, der/dem sie einen finalen Wohnplatz muss die betroffene Person an- fehlten 2014 155 Euro pro Mo- gefunden haben werden. Weder spruchsberechtigt (mehr dazu nat um „amtlich“ arm zu sein. Beziehungsarbeit noch Schul- ab Seite 31) sein. Denn die Armutsgrenze liegt in denregulierung werden ihre Wien genau um diesen Betrag Das sind in der Regel nur Armut beenden. höher als die BMS-Auszahlun- Menschen mit österreichischem Will die WWH langfristig gen. Reisepass und einem dauerhaft nachhaltige Wirkung entfalten, nachweisbarem Aufenthalt in Damit eine Wohnung in Wien, bietet das Thema Armut einen Wien. Weiters muss seit der bei der aktuellen Preisentwick- zentralen Ansatzpunkt. Einführung der BMS neben der lung am Wohnungsmarkt, zu Obdach- bzw. Wohnungslosig- Neben der impliziten Themati- erhalten, ist für immer mehr keit auch eine Notlage vorliegen sierung – Stichwort „Leistbarer Menschen schwierig. Der vor- und außerdem Unterstützungs- Wohnraum“ – und den Bemü- gesehene Betrag für Wohnen bedarf bestehen. hungen, armutsbetroffenen von aktuell 304,22 Euro reicht Menschen Teilhabe, in diesem in der Regel nicht aus, eine Festgeschrieben ist dies in den Fall im Bereich Wohnen, zu Single-Wohnung am Wiener Förderrichtlinien des Fonds sichern, bedarf es auch der Ar- Wohnungsmarkt zu mieten. Soziales Wien (FSW). Dieser beit am Hilfe- und Rechtssys- ist im Rahmen der Privat- Betroffene reagieren in der tem und ein Sichtbarmachen wirtschaftsverwaltung dafür Regel darauf, indem sie Mittel, von Armut und ihren Auswir- zuständig. Wird von Seiten des die für Nahrung, Kleidung oder kungen. FSW zum Beispiel kein Unter- Gesundheit vorgesehen sind, stützungsbedarf festgestellt, für Mietzahlungen zu verwen- ist die WWH keine Option auf den. Und sie müssen hoffen, Hilfe mehr. 8
Ist die Entscheidung, dass kein sparen müssen, wenn sie ihre Quellen: Anspruch auf Hilfe besteht, Miete zahlen wollen. • http://www.statistik.at/web_de/sta- einmal getroffen, kann kein tistiken/menschen_und_gesellschaft/ Diese Grundsicherung muss Einspruch dagegen erhoben soziales/armut_und_soziale_eingliede- auf Grund eines Warenkorbs, werden. Denn in der Privat- rung/index.html der die relevanten Lebensfüh- wirtschaftsverwaltung gibt es • http://www.wien.gv.at/recht/landes- rungskosten abdeckt, basieren. keine Rechtsansprüche. Die recht-wien/rechtsvorschriften/html/ Hier stellen Referenzbudgets, Rechtmäßigkeit dieser Vor- s0400100.htm wie von den Schuldnerberatun- gangsweise ist mittlerweile gen erstellt, eine brauchbare • http://www.schuldenberatung.at/ auch gerichtlich bestätigt. Basis dar. fachpublikum/projekte.php Vor dem Hintergrund der • http://www.fsw.at/downloads/ Ebenfalls notwendig – Stich- Deklaration „Wien - Stadt der foerderwesen_anerkennung/foerder- wort: Partizipation – ist ein Menschenrechte“, ist diese richtlinien/spezifisch/Spez_FRL_Un- rechtsstaatliches Verfahren, Handhabung beim Rechts- terstuetzung_obdach_bzw_wohnungs- dass wohnungslos gewordenen zugang für armutsbetroffene loser_Menschen.pdf Menschen die Möglichkeit gibt, Menschen auffällig. Die Dekla- • https://www.ris.bka.gv.at/Doku- ihre Würde zu bewahren, in- ration benennt unter anderem mente/Lvwg/LVWGT_WI_20140326_ dem sie mitbestimmen können, auch ein „Recht auf soziale VGW_141_002_23711_2014_00/ welche Art von Unterstützung Grundsicherung und Wohnen“. LVWGT_WI_20140326_ sie in Anspruch nehmen. Eine Leistungszuerkennung ohne VGW_141_002_23711_2014_00.pdf Mitsprache und Einspruchs- Eine Grundsicherung, möglichkeit erfüllt diesen die zum Leben reicht Zweck nicht. Was es also dringend braucht, Und es braucht eine WWH, ist eine wirkliche Grundsi- die diese Veränderungen im cherung, die es armutsbetrof- Rechts- und Hilfesystem auch fenen Menschen ermöglicht einfordert. Wenn immer mehr ohne Einschränkungen in der Menschen auf Grund von Ar- alltäglichen Lebensführung mut ihre Wohnungen verlieren, zurechtkommen. Es braucht ist dies mit Sicherheit für alle eine Grundsicherung, die die die denkbar schlechteste Ent- realen Wohnkosten zur Gänze wicklung: für die Betroffenen, abdeckt, und Menschen nicht das Hilfesystem und für das dazu zwingt, an Nahrung gesamte Gemeinwesen. 9
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Wohnen muss leistbar sein Die Stadt Wien wächst. Im Jahr 2029 werden mehr als zwei Millionen Menschen in Wien wohnen. Während die Wohnkosten seit mehreren Jahren stark steigen, bleiben die Einkommen weitgehend konstant. Fakten Problem Forderungen • Die Kosten von Mietwoh- • Viele Menschen können • Reform des Mietrechtsge- nungen sind von 2001 bis sich die eigene Wohnung setzes. 2015 um 15 % gestiegen nicht mehr leisten. • Mehr Initiativen für die – um fünf Prozentpunkte • Wohnen ist zu teuer. Errichtung von leistbarem stärker als das allgemeine Wohnraum. Preisniveau. • Zugang zum geförderten Wohnbau ohne große finan- zielle Hürden. 11
Diese Entwicklung stellt eine einer starken Zunahme befris- Der kommunale Wohnbau stellt Herausforderung für Wohn- teter Mietverträge gekennzeich- nach wie vor den günstigsten und Sozialpolitik dar, die ge- net. Wohnraum in Wien dar. Ge- währleisten muss, dass qualita- meindewohnungen werden in Die Kosten von Mietwohnungen tiv hochwertiges und leistbares der Regel unbefristet vergeben sind in Wien von 2001 bis 2011 Wohnen für alle Bevölkerungs- und bieten daher langfristige um 15 Prozent – und damit um gruppen langfristig möglich ist. Sicherheit und Stabilität. Die fünf Prozentpunkte stärker als Nur so können prekäre Wohn- Vormerkungen für eine Gemein- das allgemeine Preisniveau – verhältnisse und Obdachlosig- dewohnung steigen und stehen gestiegen. Besonders teuer sind keit vermieden werden. einem derzeit konstanten bzw. neu vermietete Wohnungen; leicht sinkenden Angebot gegen- Die Entwicklungen der letzten aktuelle online-Wohnungsange- über, da seit 2004 keine weiteren Jahre zeigen, dass dies nur bote liegen bei rund zwölf Euro je Bauten errichtet wurden. Durch unzureichend gelingt: Immer Quadratmeter. die angekündigten „Gemein- mehr Haushalte sind von einem Diese werden darüber hinaus dewohnungen Neu“ sollen in zu hohen Wohnkostenanteil immer häufiger befristet ver- den kommenden Jahren wieder betroffen. geben. Die Anzahl befristeter zusätzliche kommunale Woh- Rund fünf Prozent der Haus- Hauptmietverhältnisse ist in nungen entstehen. halte haben wohnbezogene Zah- Wien von 2009 bis 2012 um 56 Der gemeinnützige Wohnbau stellt lungsschwierigkeiten. Gleich- Prozent gestiegen, wobei der neben dem kommunalen den zeitig ist die Inanspruchnahme vorgeschriebene Abschlag von günstigsten Wohnraum bereit. von Leistungen der Wohnungs- 25 Prozent zumeist nicht einge- Die Miethöhe ist durch das Woh- losenhilfe in Wien zwischen halten wird. nungsgemeinnützigkeitsgesetz 2010 und 2013 um nahezu 20 Personen, die ihren Wohnort (WGG) begrenzt und Mietverträ- Prozent gestiegen. häufig wechseln oder einen ge werden nahezu ausschließlich gänzlich neuen Wohnsitz grün- unbefristet vergeben. Derzeit ist den – wie insbesondere junge der gemeinnützige Wohnungsbau Steigende Wohnkosten und für armutsgefährdete Haushalte Erwachsene oder wohnungslose befristete Mietverhältnisse oder Personen, die von Woh- Menschen – sind von diesen Eine Ursache stellen – neben Entwicklungen besonders be- nungslosigkeit betroffen sind, der Arbeitsmarktsituation – die troffen. jedoch nur sehr unzureichend Entwicklungen der Wohnungs- zugänglich. Gründe dafür sind Zwischen dem kommunalen, wirtschaft dar. Die Wiener die zum Teil sehr hohen Eigen- dem gemeinnützigen und dem Wohnungswirtschaft ist von mittelbeträge sowie die Ausge- privaten Wohnungssegment steigenden Wohnkosten und staltung der Wohnungsvergabe. zeigen sich starke Unterschiede: 12
Im privaten Wohnungssegment rungs- und Quadratmeterkosten zulässigen Mietzins unverhält- sind sowohl die Zunahme be- aus. Auch bei den „Gemeinde- nismäßig, wirken einer sozialen fristeter Mietverträge als auch wohnungen Neu“ sowie bei Woh- Durchmischung klar entgegen der Preisanstieg besonders stark nungen, die in den Anwendungs- und stellen einen Anreiz zur ausgeprägt: Bei 25,1 Prozent der bereich des Mietrechtsgesetzes Befristung von Mietverträgen privaten Hauptmietwohnungen (MRG) oder des Wohnungsge- dar. Befristete Mietverträge wurde der Mietvertrag befristet meinnützigkeitsgesetzes (WGG) führen zu einem erheblichen vergeben – Tendenz steigend. fallen, ist die Leistbarkeit des Mehrkostenaufwand und einer Wohnungen privater Vermie- Wohnraumes langfristig anzu- zusätzlichen Prekarisierung der ter_innen – vor allem befristet nehmen. Bei Bauinitiativen, die Lebensbedingungen. vergebene – sind mit Abstand auf eine langfristige Mietpreis- die teuersten Wohnungen in regulierung verzichten, ist dies Wien. nicht gewährleistet. Sie sind Quellen: daher kritisch zu hinterfragen. • Gutheil-Knopp-Kirchwald, Gerlinde / Kadi, Justin (2014): Gerechte Stadt Die Bereitstellung von Wohn- Mehr Wohnungen, – Gerechte Wohnungspolitik? In: Der raum für armutsgefährdete die leistbar sind öffentliche Sektor. Vol. 40. S. 11-31 Haushalte ist über das gesam- te Stadtgebiet und von allen • Harner, Roswitha/Hammer, Eli- Die Wohnpolitik ist gefordert, Wohnungssegmenten zu fordern. sabeth/Reiter, Markus (2015): Leist- dem rasanten Bevölkerungs- Demnach ist der gemeinnüt- bares Wohnen für armutsgefährdete wachstum eine ausreichend hohe zige Wohnbau gefordert, die Menschen – dringend gesucht. In: Der Bauleistung gegenüberzustellen. Zugänglichkeit für diese Bevöl- Mieter. Fachzeitschrift der Mieterverei- In diesem Sinne sind die Be- kerungsgruppe zu verbessern. nigung Österreich. Heft 1. S. 4-8. mühungen der Stadt Wien, die Bauleistung durch zusätzliche Um die Leistbarkeit im privaten • MA 24 (2012): Wiener Sozialbericht Initiativen weiter zu erhöhen, zu Wohnungsmarkt zu erreichen, 2012. begrüßen. bedarf es vor allem einer Novelle • MA 24 (2015): Wiener Sozialbericht des Mietrechtsgesetzes. Zentral 2015. Wesentlich ist darüber hinaus, sind hier die Ausweitung des • Schinnagl, Michaela / Schmid, Mar- dass diese errichteten Wohnun- Anwendungsbereiches sowie tin (2014): Österreichisches Mietrecht gen leistbar sind. Positiv hervor- eine transparente und durch- im Wandel der Zeit – Geschichte und zuheben ist diesbezüglich das setzbare Mietpreisobergrenze. Perspektiven. In: Wippel, Jörg (Hrsg.): SMART-Wohnungsprogramm. Darüber hinaus sind Möglich- Wohnbaukultur in Österreich. Studien- SMART-Wohnungen zeichnen keiten der Lagezuschläge und Verlag. sich durch einen kompakten und der Befristung abzuschaffen: durchdachten Grundriss und • http://www.immopreise.at/Wien/Woh- Lagezuschläge erhöhen den besonders niedrige Finanzie- nung/Miete [23.06.2015] 13
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Unterstützungs- leistungen für Wohnen „Günstige Garçonnière in Wien dringend gesucht (bis 300 €).“ „Jungfamilie sucht ruhige Wohnung (1 oder 2 Zimmer) bis 400 €“ „Neu! Helle Ein-Zimmer-Wohnung (38m2), 12. Bezirk, 490 €, Befristung 3 Jahre.“ Fakten Problem Forderungen • In Österreich sind • Das System der Unter- • Zusammenführen unter- 39 Prozent der armutsge- stützungsleistungen ist schiedlicher Leistungen zu fährdeten Menschen mit intransparent und nicht einer Transferleistung. unzumutbaren Wohnkosten armutsfest. • Abschluss der Verhand- konfrontiert. lungen zwischen MA 40 und MA 50, Orientierung an tatsächlichen Wohnkosten. 15
Zwei Wohnungssuchende, ein anderen Ausgaben bleiben ihr schwelle, das durchschnittliche Angebot. Wie zahllose andere damit monatlich 439,89 Euro. Einkommen armutsgefährdeter liegt es weit außerhalb der en- Wiener_innen liegt mit nur 839 Immerhin wurde ihr für den gen finanziellen Grenzen. Auch Euro sogar deutlich darunter. Bezug der Wohnung die finan- für Karin. Sie ist aber trotzdem zielle Unterstützungsleistung In Österreich sind 39 Prozent froh über die Zusage; immerhin „Hilfe in besonderen Lebensla- – und damit in europäischen für drei Jahre. Zu viele Ver- gen“ durch die MA 40 gewährt. Vergleich überdurchschnitt- mieter_innen hatten sie schon Ansonsten wären die hohen An- lich viele – armutsgefährdete abgelehnt. Karin arbeitet seit fangskosten eine unüberwind- Menschen mit unzumutbaren Kurzem und erhält dazu eine bare Hürde für sie gewesen. Wohnkosten konfrontiert. Der Ergänzungsleistung durch die Glücklicherweise – Rechtsan- Wiener Sozialbericht zeigt, dass Bedarfsorientierte Mindestsi- spruch gibt es nämlich keinen. die Wohnkostenbelastung in cherung (BMS). Wien besonders hoch ist und Von den 827,82 Euro die ihr kontinuierlich steigt. 80% der monatlich zur Verfügung stehen Wohnkostenbelastung steigt armutsgefährdeten Haushalte sind 25 Prozent – also 206,96 – trotz finanzieller Beihilfen gaben an, dass Wohnkosten für Euro – für die Deckung des sie eine finanzielle Belastung Wohnen und genug zum Leben Wohnbedarfs vorgesehen. Weil darstellen. Besonders heraus- haben: Angesichts steigender die Miete mit 490 Euro höher fordernd werden Wohnkosten Mieten und sinkender Ein- ist, erhält sie außerdem Miet- erlebt, wenn der Mietvertrag kommen geht sich das für viele beihilfe. Insgesamt stehen ihr befristet ist. Menschen nicht mehr aus. Ursa- nun 309 Euro für Wohnen zur chen dafür sind nicht nur stetig In der österreichischen Woh- Verfügung. Auch Wohnbeihilfe steigende Wohnkosten – son- nungspolitik stellt – neben dem hat sie beantragt. Leider ohne dern auch die andere Seite von Mietrecht – die Wohnbauförde- Erfolg: Karin konnte das gefor- „Leistbarkeit“: Die Einkommen rung ein wesentliches Instru- derte Mindesteinkommen von halten mit der Entwicklung der ment dar. Die Wohnbauförde- 827,82 Euro nicht nachweisen. Mieten schon lange nicht mehr rung liegt in der Kompetenz der Die Bedarfsorientierte Min- Schritt. Länder und legt einen starken destsicherung wird von der Fokus auf die Förderung der Er- Viele Menschen sind von Ar- MA 50 nämlich nicht mehr als richtung von leistbarem Wohn- beitslosigkeit betroffen oder Einkommen berücksichtigt. Die raum. Durch die Errichtung von verrichten schlecht bezahlte zusätzlichen Mietkosten von leistbarem Wohnraum sollen Tätigkeiten. 394.000 Menschen 181 Euro zahlt sie vom Betrag für die Mieter_innen weniger leben in Wien von Einkommen für den Lebensunterhalt. Für monetäre Leistungen notwendig unter der Armutsgefährdungs- die Energierechnungen und alle sein. 16
Ein Blick auf die Lage in Wien Informationsmaterialien und der Wohnungssicherung und der zeigt: Beantragungsformulare, un- Wohnungslosenhilfe festgelegt terschiedliche „Schienen“ und werden. Die Ausgaben für wohnbezoge- Berechnungsarten sowie die ne Transferleistungen steigen, Darüber hinaus braucht es Inkompatibilität von Wohn- und wobei es zu einer Verschiebung eine stärkere Berücksichtigung Mietbeihilfe machen eine Ver- von Personen mit niedrigem armutsgefährdeter Haushal- besserung dringend notwendig. Einkommen in Richtung der te in der Vergabe geförderter Leistungen im Rahmen der Wohnungen und einen Rechts- BMS kommt. Summiert man anspruch auf die „Hilfe in Transferleistungen armutsfest die Wohnbeihilfe-Ausgaben besonderen Lebenslagen“, durch gestalten und die wohnrelevanten Ausga- welche Delogierungen abgewen- ben in der BMS, zeigt sich im Als Schnittstellenthema kann det und finanzielle Hürden bei Zeitraum von 2011 bis 2013 ein die Wohnproblematik nicht von einem Neubezug überwunden Anstieg von 193 Mio. Euro auf einem Bereich alleine gelöst werden können. 219 Mio. Euro. werden. Eine Verbesserung erfordert enge Zusammenarbeit Das bestehende System kann und ein effektives Ineinander- aber dennoch nicht als armuts- Quellen: greifen von Wohnungs- und fest bezeichnet werden. Die ho- • Wolfgang Amann, Alexis Mundt Sozialpolitik. hen Mieten sind oft trotz Beihilfen (2015): Leistbares Wohnen – Bestands- nicht finanzierbar. Die zusätzli- Der Verband der Wiener aufnahme von monetären Leistungen chen Wohnkosten müssen folg- Wohnungslosenhilfe fordert für untere Einkommensgruppen zur lich aus Mitteln bezahlt werden, daher die ressortübergreifende Deckung des Wohnbedarfs (IIBW, im die eigentlich zur Deckung des Zusammenführung der unter- Auftrag BMASK). Wien. Lebensunterhalts benötigt wer- schiedlichen Leistungen zu einer • MA 24 (2015): Wiener Sozialbericht den. Diese sind dadurch – wie Transferleistung für Wohnen, die 2015. Wien. bei Karin – von einem niedrigen für Anspruchsberechtigte nach- • Rechnungshof (2014): Bericht des auf ein bedenkliches Niveau vollziehbar und unkompliziert Rechnungshofes. Reihe Einkommen. verkürzt. zu beantragen ist. Laufende Wien. Verhandlungen in Richtung ei- Wien hat im Bundesländer- • Statistik Austria (2013): Studie zu nes solchen „Wohngelds“ sollten vergleich das „mit Abstand Armut und sozialer Eingliederung in ehestmöglich zu einer Umset- komplexeste Regelwerk für den Bundesländern 2011. Wien. zung führen. Die Höhe muss subjektseitige Wohnkostenun- sich an tatsächlichen Wohnkosten • Statistik Austria (2014): EU-Silc terstützungen“ (vgl. Mundt/ in Wien orientieren und unter 2013. Einkommen. Armut und Lebens- Amann 2015: 100). Komplizierte Einbezug von Vertreter_innen bedingungen. Wien. 17
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Städtische Wohnungs- vergabe für mehr soziale Durchmischung Sozialer Durchmischung wird in Wien ein hoher Stellenwert beigemessen. Dass man von der Wohnadresse in der Regel nicht auf die Herkunft oder das Einkommen eines Menschen schließen kann, gilt als wesentlicher Erfolg der städtischen Wohnungspolitik. Fakten Problem Forderungen • 62 Prozent der 11.000 • Die Dringlichkeit des • 50 Prozent der neu gebau- freigewordenen Gemein- Wohnbedarfes wird in der ten geförderten Wohnungen debauwohnungen vergab Reihung nicht berücksich- muss die Stadt vergeben. Wiener Wohnen 2013 über tigt. • Die Dringlichkeit des die offizielle Warteliste. • Die Voraussetzung durch- Wohnbedarfes muss bei der • 17 Prozent gingen an die gehender Meldung ist für Vergabe stärker berücksich- „soziale Wohnungsvergabe“. prekär wohnende Menschen tigt werden; etwa durch ein ein Ausschlussgrund vom Punktesystem. sozialen Wohnbau. 19
Doch während Wissenschaf- 62 Prozent der freigewordenen Eine wesentliche Zugangsvor- ter_innen den schleichenden Wohnungen vergab Wiener aussetzung liegt in mindestens Verlust dieser Besonderheit Wohnen über die offizielle War- zweijähriger Meldezeit in Wien; Wiens zu bedenken geben, wird teliste an vorgemerkte Haus- neu zugezogene Personen wer- die Durchmischung derzeit vor halte. Die übrigen 17 Prozent den vom sozialen Wohnungsseg- allem zur Legitimation weite- gingen über eine Sonderver- ment grundsätzlich ausgeschlos- rer Zugangsverengungen für gabeschiene an Menschen, die sen. marginalisierte Bevölkerungs- in einer betreuten Wohnform Hohes Einkommen stellt gruppen zum sozialen Wohn- leben oder von Obdachlosigkeit hingegen in der Regel keine Zu- bau herangezogen. betroffen sind. gangshürde dar. Die zulässigen Auch abseits des kommunalen Grenzen wurden 2010 stark Wohnbaus hat die Stadt Ein- erhöht und liegen nunmehr Einfluss der Stadt auf die Woh- fluss auf die Vergabe geförderter über dem doppelten Medianein- nungsvergabe Wohnungen. Im Neubau kann kommen. Mit 220.000 Gemeindewohnun- sie mindestens ein Drittel selbst Für Gemeindewohnungen und gen sowie 200.000 geförderten vergeben. Hinzu kommen ältere bestimmte geförderte Modelle Wohnungen umfasst der sozi- Wohnungen zur Wiederver- muss außerdem ein begrün- ale Wohnbau in Wien etwa 60 mietung und ein Teil der mit deter Wohnbedarf (wie Haus- Prozent aller Wohnungen. Die Fördermitteln sanierten Woh- haltsgründung oder Überbelag) Stadt hat starken Einfluss auf nungen - 2012 insgesamt 2.748 nachgewiesen werden. dieses Segment. Unter anderem Wohnungen, deren Vergabe gestaltet sie die Vergabe eines durch das Wohnservice Wien Zusätzlich wird die Wohnungs- Großteils dieser Wohnungen. über ein online-System gesteu- vergabe über eine Reihung ert wurde. der angemeldeten Personen 2013 wurden rund 11.000 Ge- gestaltet, bisher aufgrund des meindewohnungen neu verge- Datums ihrer Vormerkung. Seit ben. Ein Fünftel davon durch Voraussetzungen und Reihung Juli 2015 wird diese Warteliste die Mieter_innen selbst, etwa durch einen „Bonus“ durch- über ein Weitergaberecht an Im Juli 2015 wurde die Vergabe brochen: Wer eine langjährige Familienangehörige. Es wird von somit jährlich über 11.000 Hauptwohnsitzmeldung in angenommen, dass durch diese Wohnungen bei einer Stelle - der Wien nachweisen kann, rückt Möglichkeit tendenziell ein- „Wohnberatung Wien“ - gebün- vor. kommensstärkere Haushalte delt und stärker vereinheitlicht. Wohnungen übernehmen und Über Vergabekriterien legt die Die Dringlichkeit des Wohn- so stärkere Durchmischung Stadt fest, wer in diesen Woh- bedarfes bleibt hingegen nicht erreicht werden kann. nungen leben kann und soll. nur auf wenige definierte 20
Gründe beschränkt, sie wirkt gedeckt. Weil Erhebungen sie ale Durchmischung. Durch eine sich auch nicht auf die Reihung aber als Ursache für die Kon- Berücksichtigung der Dring- aus. Starker Bedarf aufgrund zentration mehrfach belasteter lichkeit in der Reihung werden von Obdachlosigkeit, einer Mieter_innen in einzelnen prekäre Wohnverhältnisse und Unterbringung in einer institu- Häusern ausmachen, gerät die Wohnungslosigkeit vermie- tionellen Einrichtung, massiver Sondervergabe zunehmend un- den. Den Zugang hingegen an Wohnkostenbelastung, einer ter Druck. Durch eine kürzli- eine mehrjährige Meldezeit in bevorstehenden Delogierung, che Verschärfung der Zugangs- Wien zu knüpfen, schließt neu einer Trennung oder Gewal- kriterien werden daher künftig zugezogene ebenso wie prekär terfahrungen in der derzeiti- sogar noch weniger Wohnungen wohnende Personen aus und ist gen Wohnung sowie das Ende über diese Schiene vergeben. kritisch zu hinterfragen. eines befristeten Mietvertrages werden durch die allgemeine Vergabe nicht berücksichtigt.Leistbares Wohnen für Menschen in prekären Wohn- verhältnissen oder Wohnungs- Sondervergabeschiene „Sozia- losigkeit sicherstellen le Wohnungsvergabe“ Um größeren Einfluss auf die Für Menschen, die in einer Vergabe zu haben, sollen – wie Quellen: • Gutheil-Knopp-Kirchwald, Gerlinde betreuten Wohnform leben oder schon bei SMART-Wohnungen / Kadi, Justin (2014): Gerechte Stadt von Obdachlosigkeit betroffen umgesetzt – mindestens 50 – Gerechte Wohnungspolitik? In: Der sind, wurde eine Sonderverga- Prozent der geförderten Woh- öffentliche Sektor. Vol. 40. S. 11-31 be von Gemeindewohnungen nungen durch die Stadt selbst eingerichtet. Diese Wohnungen vergeben werden. • Stadtrechnungshof Wien (2014): sind vergleichsweise günstig, Wohnservice Wien Ges.m.b.H. Prü- Ein einheitliches Vergabesys- durch einen unbefristeten fung der Wohnungsvergabe. tem für kommunale und Vertrag bieten sie ihren von • Ludwig, Michael (2013): Leistbares geförderte Wohnungen ist Armut betroffenen Mieter_in- Wohnen – eine Frage sozialer Fair- grundsätzlich zu begrüßen. In nen langfristige Sicherheit ness. In: Die Zukunft. Ausgabe 3. der Reihung sollte – etwa durch und ermöglichen ihnen wieder • Europäische Großstädte (2014): ein Punktesystem – neben der eigenständiges Wohnen. Resolution für den sozialen Wohnbau Wartezeit auch die Dringlich- Der Bedarf an Wohnungen für keit angemessen berücksichtigt in Europa. Menschen in akuten Notlagen werden. Die Berücksichtigung • Korab, Robert / Romm, Thomas / wird durch diese „soziale Woh- der Wartezeit sowie weite Zu- Schönfeld, Annika (2010): Einfach. nungsvergabe“ bei weitem nicht gangskriterien fördern die sozi- Sozialer. Wohnbau. 21
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Zu wenige Wohnungen für wohnungslose Menschen Nach wie vor leben in den Städten die meisten Menschen zur Miete. In Wien beträgt der Anteil der Hauptmiethaushalte an den 850.000 Hauptwohnsitzwohnungen ca. 75 Prozent. Für die Wohnungslosenhilfe in Wien stellt sich die Situation besonders prekär dar. Fakten Problem Forderungen • Die Wohnungslosenhilfe • Momentan gibt es viel • Mehr leistbare Wohnun- kann nur funktionieren, zu wenige Wohnungen für gen für Klient_innen der wenn genug Wohnungen wohnungslose Menschen. Wohnungslosenhilfe. für die Klient_innen zur Es fehlen mindestens 700 • Kontingent an geförderten Verfügung stehen. Wohnungen jährlich. Wohnungen für wohnungslo- se Menschen. • Rücknahme der Verschär- fungen im Zugang zur sozialen Wohnungsvergabe von Wiener Wohnen. 23
Wohnungslosigkeit ist vor Ein Großteil der etwa 10.000 meindewohnungen werden über allem ein Strukturproblem und Menschen in der Wiener Woh- die Soziale Wohnungsvergabe zu ihrer Verhinderung und nungslosenhilfe würde gerne der MA 50 vergeben. So wird Beseitigung sind sozial- und unmittelbar in einer eigenen sichergestellt, dass anspruchs- vor allem wohnungspolitische Wohnung wohnen. Doch genau berechtigte Personen in akuten Maßnahmen gefragt. an diesen Wohnungen mangelt Notlagen schnell eine Wohnung es in Wien seit Jahren. Aber bekommen. nur mit einer ausreichenden Im Juli diesen Jahres wurden Eigenständiges Wohnen als Anzahl an Wohnungen kann die ohnehin schon sehr stren- oberste Priorität die Wohnungslosenhilfe ihre gen Kriterien verschärft. Das Aufgabe erfüllen. Dass ihre Klient_innen wieder bedeutet, dass immer weniger eigenständig wohnen, hat für Die individuelle Konsequenz Menschen über die Soziale die Wohnungslosenhilfe oberste für die Klient_innen ist ein Wohnungsvergabe an eine Priorität. Davor stellen ihnen längerer Aufenthalt in Wohn- Gemeindewohnung kommen. verschiedene Einrichtungen angeboten der Wohnungslosen- Zahlreichen Klient_innen wird Wohnplätze zur Verfügung. In hilfe und damit einhergehend damit die Perspektive nach ei- fast allen Fällen gehen diese auch Probleme wie Stigma- genständigem Wohnen zerstört. Plätze mit einer sozialarbeiteri- tisierung, Ausgrenzung und Betrachtet man die Situation schen Unterstützung einher. Traumatisierung. Ein normaler im geförderten Wohnbau zeigt Alltag ist dadurch oft nicht Auf institutioneller Ebene wer- sich ein noch schlimmeres Bild. möglich. den die Klient_innen in einem In den von der Stadt Wien Drei-Stufen-Modell so lange Für den Fonds Soziales Wien geförderten Wohnbauprojekten unterstützt bis sie in eine eige- (FSW), der die Wohnungslo- haben wohnungslose Menschen ne Wohnung ziehen können. Im senhilfe aus den Mitteln des praktisch keinen Zugang. deinstitutionalisierten Bereich Sozialressorts finanziert be- Nur etwa 1,5 Prozent der bietet beispielsweise Housing deuten längere Aufenthalte in Klient_innen haben überhaupt First die Möglichkeit, dass von Wohnangeboten der Wohnungs- die Möglichkeit eine Genossen- Wohnungslosigkeit betroffene losenhilfe eine zunehmende schaftswohnung zu beziehen. Menschen sofort eine eigene finanzielle Belastung. Hohe Eigenmittelanteile, nicht Wohnung beziehen können, Mit 85 Prozent ziehen die erfüllte Zugangskriterien und dabei inkludiert ist ebenfalls meisten Klient_innen am die Organisation der Verga- sozialarbeiterische Unterstüt- Ende ihres Aufenthalts in der be verunmöglichen in diesem zung. Wohnungslosenhilfe in eine Wohnungssegment den Einzug Gemeindewohnung. Diese Ge- in die eigene Wohnung. 24
Im privaten Sektor sind recht- Zum anderen muss der Zugang Zusammengefasst kann festge- liche Zugangshürden zwar kein zum geförderten Wohnbau halten werden, dass es in Wien Problem, jedoch stellen die für wohnungslose Menschen zu wenige Wohnungen für Kli- Willkür vieler Vermieter_in- erleichtert werden. Hohe Ein- ent_innen der Wohnungslosen- nen, hohe Einstiegskosten stiegskosten und Zugangshür- hilfe gibt. Die Stadtregierung (Kaution, Provision) sowie die den müssen fallen. So kann ist hier gefordert und muss die horrenden Mietpreise eine Bar- dem Mangel an Wohnungen am Rahmenbedingungen im Sinne riere dar. besten entgegengewirkt werden. sozial benachteiligter Gruppen ändern. Mehr leistbarer Wohn- Den gesamten Wohnungs- Konkret plädiert die Wohnungs- raum führt zu weniger woh- markt betrachtet, gibt es neben losenhilfe für ein Kontingent nungslosen Menschen, was nur der Gemeindewohnung keine an geförderten Wohnungen, die im Sinne der Stadtregierung Wohnmöglichkeit, die von ausschließlich an wohnungslose sein kann. einem Großteil der wohnungs- Menschen vergeben werden. losen Menschen in Betracht Sowohl im Bestand als auch im gezogen werden kann. Neubau sollen 20 Prozent der Wohnungen für die Klient_in- nen reserviert werden. Dazu Lösungsansatz muss die Stadtregierung die Wohnbauträger durch das Wie- Aus Sicht der Wohnungslo- ner Wohnbauförderungsgesetz senhilfe gibt es aktuell zwei verpflichten. Maßnahmen, die rasch er- griffen werden können und zu Wie weiter oben schon beschrie- einer Entspannung beitragen ben, benötigen sowohl institu- können. tionalisierte als auch deinsti- tutionalisierte Angebote mehr Zum einen sind die im Juli Wohnungen für ihre Klient_in- 2015 vorgenommenen Ver- nen. Der Dachverband Wiener schärfungen in der Sozialen Sozialeinrichtungen bezifferte Wohnungsvergabe zurückzu- den Mehrbedarf im April 2013 nehmen. Da die Gemeindewoh- mit 500 Wohnungen pro Jahr. nungen momentan die beste Mittlerweile kann man davon Perspektive für wohnungslose ausgehen, dass zumindest 700 Menschen ist, darf man diese zusätzliche Wohnungen benö- nicht zerstören, sondern muss tigt werden. sie erhalten. 25
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Delogierungsprävention als Maßnahme gegen Wohnungslosigkeit Kundencenter von Wiener Wohnen. Eine junge Frau steht am Serviceschalter, an der Hand ein Kinderwagen mit ihrem Sohn. Sie erkundigt sich beim Mitarbeiter wie viel Miete sie schuldig ist. „2.500 Euro“, sagt dieser, mehr könne er ihr nicht sagen. Die Frau wirkt entsetzt, hilflos und orientierungslos. Sie geht. Fakten Problem Forderungen • 11270 Mieter_innen von • Betroffene Personen • Mehr Ressourcen für Gemeindewohnungen wur- werden nur mittels eines Delogierungsprävention. den 2014 wegen Räumungs- Briefes kontaktiert. Nur • Wahrnehmen delogie- verfahren und Räumungs- wenige Personen reagieren rungspräventiver Betreu- terminen kontaktiert. auf diesen. ung als Aufgabe von • 2.361 Räumungen wurden Wiener Wohnen. vollzogen. 27
Ortswechsel: Ein Bezirksge- dieser 2.361 Haushalte nicht hohe gesellschaftliche Folge- richt in Wien. Fünf Personen nur ohne Heimat und Lebens- kosten produzieren. Präventive sind wegen Räumungsklagen mittelpunkt, sondern auch mit Maßnahmen haben also nicht auf Grund von Mietrückstän- Mietrückständen, Gerichts-, nur einen Wert im Sinne des den hier. Die nächsten warten Verfahrens- und Räumungskos- individuellen Schutzes, sondern schon vor dem Verhandlungs- ten und vor allen Dingen: ohne sind auch von gesamtgesell- saal. Alle bekommen trotz Wohnmöglichkeit. schaftlichem Interesse. Anwesenheit Versäumungsur- Der Verlust einer Wohnung In Wien sind für die Delogie- teile. Raten solle man mit dem bedeutet für Betroffene unsäg- rungsprävention in Gemeinde- Vermieter direkt vereinbaren. liches persönliches Leid und wohnungen die Magistratsab- Sie alle gehen mit hohen Miet- Traumatisierung. Im Hinter- teilung 40 und bei betroffenen schulden und ohne Ratenplan grund liegen meist massive so- minderjährigen Kindern die aber mit einem Exekutionstitel, ziale Problemlagen wie Armut, Magistratsabteilung 11 zu- durch den bei weiterem Zah- zu hohe Mieten, Krankheit, ständig. FAWOS (Fachstel- lungsverzug sofort die Räu- Arbeitslosigkeit, Trennung, le für Wohnungssicherung, mung beantragt werden kann, Überschuldung und Unwissen- Volkshilfe) kümmert sich um wieder. Die Richterin wirkt heit. Mieter_innen von Privat- und mehr bemüht, die Vielzahl an Genossenschaftswohnungen. Delogierung und darauf folgen- Akten abzuarbeiten, als ver- de Wohnungslosigkeit können Sie erhält eine verpflichtende mittelnd zur Existenzsicherung zu Stigmatisierung und Aus- Meldung über alle Räumungs- beizutragen. grenzungsprozessen führen verfahren und Kündigungen Diese auf realen Begebenhei- bzw. bisherige Schwierigkeiten und informiert die Betroffenen ten basierenden Fallbeispiele verstärken. per Brief über die zuständigen zeigen, dass eine persönliche, Institutionen. In ihrer Existenz fachlich fundierte Beratung gefährdete Menschen befinden über Räumungsverfahren und Delogierungsprävention als sich aber oftmals in einer Art deren Konsequenzen sowie gesamtgesellschaftliches Schockstarre. Briefe erleben sie über Möglichkeiten eines Woh- Interesse oft als Bedrohung, weil diese nungserhalts fehlt. meist schlechte Neuigkeiten Diese zunächst als individuelle beinhalten. 2014 wurden in Wien 2.361 Probleme wirkenden Effekte Räumungen vollzogen. Auf von Wohnungsverlust haben So haben 2014 nur etwa 23 die Straße entlassen sind die aber auch strukturelle Ursa- Prozent der angeschriebenen Alleinstehenden, Paare, Fa- chen und vor allem sozialpo- Mieter_innen von Privat – und milien und Alleinerziehenden litische Auswirkungen, da sie Genossenschaftswohnungen 28
Kontakt zu FAWOS aufgenom- Betreuungsangebot muss als Quellen: men. Nur ca. 30 Prozent der Aufgabengebiet der Wohnungs- • Sonderauswertung zu Kündigungen, kontaktierten Gemeindewoh- losenhilfe wahrgenommen und Räumungen, Räumungs- und Forde- nungshaushalte haben 2014 fi- installiert werden, weil der rungsexekutionen, Verfahrensautoma- nanzielle Unterstützung durch Aufenthalt in stationären, viel tion Justiz 2014 die MA 40 bekommen. teureren Angeboten verhindert • http://www.bawo.at/de/content/woh- wird. nungslosigkeit/delogierung.html Ein Anknüpfungspunkt könn- • Kittel, Freiwilligkeit versus Zwang, Individuelle Beratung und ten die Angebote der Mobilen S. 69f; vgl. FAWOS Jahresbericht Betreuung Wohnbetreuung sein, die ehe- 2013, S. 8 Um Betroffene zu erreichen, mals wohnungslose Menschen • MA24 Sozialbericht 2012, S. 178 braucht es daher Delogierungs- beim Erhalt ihrer Wohnungen • FAWOS Jahresbericht 2014 prävention in Form von aufsu- unterstützen. Eine Zusammen- chender individueller, sozial- arbeit zwischen der Wohnungs- arbeiterischer Beratung und losenhilfe und den bestehenden Betreuung. Diese kann derzeit Einrichtungen der Delogie- von den bestehenden Institu- rungsprävention ist dringend tionen aus Ressourcenmangel zu forcieren. nicht angeboten werden, der Es muss auf allen politischen Fokus liegt eher auf finanziel- und institutionellen Ebenen ler Hilfe. das erklärte Ziel sein, alles In solch existenziellen Krisen dafür zu tun, dass Menschen muss Sozialarbeit nieder- in ihren Wohnungen verbleiben schwellig und aufklärend sein. können, nicht nur um Folge- Sie kann Mietrückständen, kosten zu sparen, sondern weil unleidlichem Verhalten oder es eine gesellschaftspolitische sanitärem Übelstand frühzeitig Pflicht den Betroffenen persön- begegnen, nachhaltige Absiche- liches Leid, Stigmatisierung rung der Betroffenen in ihren und gesellschaftliche Ausgren- Wohnungen erwirken und so zungsprozesse zu ersparen. Delogierungen verhindern. Es braucht daher eine Verstär- kung personeller und finanziel- ler Ressourcen. Ein präventives 29
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Wer hat Anspruch, wer hat keinen und wer sollte Anspruch haben Die Nutzer_innen der Wiener Wohnungslosenhilfe, kurz WWH, werden basierend auf dem Wiener Sozialhilfegesetz unterteilt in anspruchsberechtigte Menschen und nichtanspruchsberechtigte Menschen. Die einen können auf ihre Ansprüche pochen und die anderen nicht. Fakten Problem Forderungen • Es gibt anspruchsberech- • Die Entscheidung, ob je- • Offenlegung der Ent- tigte Menschen und Perso- mand anspruchsberechtigt scheidungen des bzWO. nen, die keinen Anspruch ist oder nicht erscheint oft • Klare und transparente auf Leistungen der Woh- willkürlich, da nicht alle Kriterien für Förderbewil- nungslosenhilfe haben. Kriterien transparent sind. ligungen/Ablehnungen. Es besteht kein Rechtsan- spruch. • Unabhängige Expert_in- nenkommission oder Rechtsweg bei strittigen Entscheidungen. 31
Die Nutzer_innen der Wiener WWH aber bedeutend mehr als Leistung zuzuerkennen. In der Wohnungslosenhilfe, kurz nur Tageszentren und Notquar- Praxis werden aber zusätzliche WWH, werden basierend auf tiere anbietet, verlassen wir Entscheidungskriterien wie dem Wiener Sozialhilfegesetz nun das Übungsbecken, und „Lebensmittelpunkt in Wien“, unterteilt in anspruchsberech- tauchen ein in das weite Meer „Unterstützungsbedarf“ und tigte Menschen (z.B.: österrei- der Praxis. „Bereitschaft zur Mitarbeit“ chische Staatsbürger_innen berücksichtigt. Die unergründlichen Wege zur oder rechtlich gleichgestellte Entscheidungsfindung So kann es vorkommen, dass Personen, die in Wien obdach- der Antrag eines 19 Jahre jun- los geworden sind) und nichtan- Die Inanspruchnahme einer gen, frisch vom Familienver- spruchsberechtigte Menschen subjektgeförderten Leistung band ausgeschlossenen Mannes (z.B.: Personen, deren letzter (also aller betreuten Wohnan- abgelehnt wird, weil er abge- Wohnsitz in einem Bundesland gebote) ist an einen Förderan- sehen von seiner Arbeits- und war oder EU-Bürger_innen, trag beim und ein Gespräch im Wohnungslosigkeit im Erstge- denen der Anspruch verwehrt Beratungszentrum Wohnungs- spräch keinen Unterstützungs- wird). Die einen können auf losenhilfe geknüpft. Dort wird bedarf erwähnt. ihre Ansprüche pochen und die von Casemanager_innen über anderen nicht. die Erfüllung der Anspruchs- So kann es aber auch vorkom- voraussetzungen und über die men, dass eine 21-jährige Frau, Diese Unterscheidung zieht Förderung spezifischer Leis- die jahrelang bei ihrer Schwes- sich durch das gesamte System tungen entschieden. ter wohnen konnte, nach einem der WWH. Ausnahmen sind Streit ausziehen musste, eine niederschwellige Beratungs- Nun könnte man meinen, Förderbewilligung bekommt, und Tagesaufenthaltsmöglich- dass eine Einschätzung nach eben weil sie noch nie eigen- keiten, die beiden Gruppen Förderwürdigkeit aufgrund ständig gewohnt hat und den zugänglich sind, so wie das der vorliegenden Fakten leicht Eindruck vermittelt, dass sie Notquartiersangebot während möglich ist. Jemand, der bei- Unterstützung dabei braucht. der Wintermonate. spielsweise Mindestsicherung bezieht, Dokumente vorlegen Und so kann es vorkommen, Der Anspruch, den die Stadt kann und über keine ausrei- dass ein 45-jähriger Mann, Wien im Winter an sich stellt, chenden finanziellen oder sozia- der sich jahrelang ohne Sozi- ist vorbildhaft, im europäi- len Ressourcen verfügt, um die alleistungen zu beziehen auf schen Vergleich einzigartig akute Wohnungslosigkeit selb- der Donauinsel und in Parks und nur durch die gute Zusam- ständig zu überwinden, ist in durchgeschlagen hat, keine menarbeit des FSW mit den einem simplen Verständnis von Förderbewilligung bekommt, verschiedenen Trägereinrich- Anspruchsberechtigung eine weil er nicht im zentralen Mel- tungen möglich. Nachdem die 32
deregister (ZMR) aufscheint werden. In der Regel mit wenig Es bedarf einer kontinuierli- und somit der Lebensmittel- Aussicht auf Erfolg. chen Reflexion und eines offe- punkt in Wien nicht nachvoll- nen Diskurses zum Thema der Natürlich erreicht die WWH ziehbar ist. Anspruchsberechtigung in der eine große Anzahl von Men- WWH und der Ansprüche an Oder dass eine 30-jährige Frau, schen, sorgt für eine Ange- die WWH, um Lücken im Sys- die in einem kleinen Ort in botspalette, die sehr vielen tem schließen und neue Wege Oberösterreich aufgewachsen Problemlagen begegnet und erschließen zu können. ist, nach Beendigung einer Bedürfnisse berücksichtigt und Gewaltbeziehung nun aber be- natürlich ist sie als Angebot für reits seit mehr als zwei Jahren Menschen verstehen, die sich prekär – und somit auch ohne selbst nicht aus ihrer Notlage Hauptwohnsitzmeldung – in herausmanövrieren können. Wien wohnt, ebenfalls wegen Die WWH muss sich aber auch mangelnder Nachweise im vor Augen führen, dass es zu ZMR abgelehnt wird. einer Schieflage in der Wahr- Rechtsanspruch als Absiche- nehmung kommen kann, wenn rung durch Intransparenz nicht nachvollziehbare Entscheidun- All diese Fallgeschichten haben gen getroffen werden. Es bedarf eines gemeinsam: sie vermit- einer Präzisierung des Begrif- teln auf Grund der unpräzisen fes Anspruchsberechtigung, Begrifflichkeiten und des gro- was nicht bedeutet, dass es hier ßen Interpretationsspielraums eine Verengung geben darf. den Eindruck einer willkür- lichen Entscheidungsfindung Viel eher sollten schwammi- und einer Bringschuld der ge gesetzliche Bestimmun- Klient_innen. gen näher bestimmt werden. Außerdem bedarf es einer Ein zusätzlicher Nachteil für Möglichkeit, unabhängige die Betroffenen ist, dass es Entscheidungsgremien zur keinen Rechtsanspruch auf Beeinspruchung von Ablehnun- Unterbringung gibt und somit gen einbeziehen zu können, sei keine Anfechtung der Entschei- das durch einen Rechtsweg, dung möglich ist. Im besten oder beispielsweise durch eine Fall kann ein neuer Antrag Expert_innenkommission. auf Förderbewilligung gestellt 33
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Angebote für EU-Bürger_innen Christina (29), italienische Staatsbürgerin, war vier Jahre lang in einem Krankenhaus in Rom beschäftigt, bevor dieses geschlossen wurde und sie ihre Arbeit verlor. Mehr als ein Jahr versucht sie tagtäglich eine andere Anstellung zu finden. Vergebens. Das wenige Ersparte ist aufgebraucht, die Transferleistungen genügen nicht, um die Miete zu begleichen. Fakten Problem Forderung • EU-Bürger_innen haben • Es gibt zwar im Winter • Ganzjähriges Angebot an Zugang zum Arbeitsmarkt, Versorgungsangebote wie Notquartiersplätzen. sind aber oft von Sozialleis- Tageszentren und Notquar- tungen ausgeschlossen. tiere, diese fehlen aber im Sommer. 35
„Es ist unerträglich“, sagt sie angemeldet war. Eine Verket- Notquartier und zum ersten „in dem Viertel in dem ich ge- tung aus prekären Wohnver- Mal seit langer Zeit fühlt er wohnt habe, ging es vielen so. hältnissen, längere Phasen sich sicher, kommt zur Ruhe Es gibt immer mehr Menschen, ohne Job, keine Ansprüche und schafft es, Unterstüt- die sich aus purer Verzweiflung auf staatliche Leistungen und zungsangebote in Anspruch zu umbringen.“ Christina sucht kaum soziale Ressourcen führ- nehmen. einen anderen Weg. Vor einem ten Daniel zu der Situation, in Diese Menschen und ihre Ge- Jahr lässt sie ihre zwei Töch- der er sich heute befindet: schichten könnten unterschied- ter bei ihrer Schwester zurück Ein 54 Jahre alter Mann, der licher kaum sein und dennoch und macht sich auf den Weg. seit fünf Jahren obdachlos und führten sie zu Situationen mit Ihr Ziel: Eine neue Existenz. alkoholkrank ist, keinerlei wesentlichen Gemeinsamkeiten: Ein Leben ohne Verzweiflung. Einkommen und keine Versi- Sie sind EU-Bürger_innen in Wien. cherung hat und jeglichen Kon- Wien, sie sind obdachlos, eine Der Bulgare Plamen ist seit takt zu seinem Herkunftsland Rückkehr ins Herkunftsland zwei Jahren in Wien. Er arbei- verlor. bietet keine Perspektive und sie tete in Sofia als Handwerker. alle sind „Nicht anspruchsbe- Peter (37) ist deutscher Staats- Sein Einkommen von knapp rechtigt“. bürger und wird verfolgt. Er 200 Euro reichte aber nicht weiß nicht, warum ihn seine Dieser Terminus vereinheitlicht aus, um seine Familie zu Regierung nicht einfach in eine heterogene Gruppe, deren versorgen, die Medikamente Ruhe lässt, aber der Bundes- soziale Problemlage politisch für seine kranke Mutter zu nachrichtendienst lässt ihn weitestgehend ignoriert wird. bezahlen und die Wohnung zu nicht unbeobachtet. Er ver- Wenn von „Nicht Anspruchsbe- heizen. In Wien arbeitet er un- sucht zu entkommen und zieht rechtigten“ die Rede ist, handelt dokumentiert rund 40 Stunden von einer Stadt in die nächste. es sich dabei um EU-Bürger_in- pro Woche und bekommt dafür Seine Vorstellungen sind nicht nen die zwar unbeschränkten 500 Euro. Er weiß, dass er real, seine Ängste und seine Zugang zum österreichischen ausgebeutet wird und schämt Leiden durchaus. Einen festen Arbeitsmarkt haben, jedoch sich dafür. „Aber was soll ich Wohnsitz hat er schon seit Jah- keine Anmeldebescheinigung tun? Ich kann meine Familie ren nicht mehr. Er ist getrie- nachweisen können. Sie sind versorgen. Nur ich kann davon ben, muss immer wieder weg, von Gesundheits- und Sozial- nicht leben.“ taucht unter. leistungen ausgeschlossen und Fast fünfzehn Jahre ist es her, sie werden keine Förderbewilli- Im Dezember 2014 führt ihn dass Daniel von Polen nach gung für eine Wohneinrichtung sein Weg nach Wien. Er be- Wien zog und Geld am Bau der Wiener Wohnungslosenhilfe kommt einen Platz in einem verdiente, wo er nur sporadisch erhalten. 36
Angebote für Nichtanspruchs- kommt einer Demütigung der berechtigte ausbauen Hilfesuchenden gleich. In einer Stadt deren Geschichte ohne Seit 2009 und „Uni brennt“ Migration nicht denkbar ist stellt der FSW Basisangebote und die sich auf ihre humani- für diese Zielgruppe zur Ver- täre Tradition beruft, gibt es fügung. Sozialberatung, Un- derzeit keinen leistbaren Wohn- terstützung bei Rückkehr und raum für einkommensschwache Notquartiersplätze können im Menschen. Rahmen der Winterhilfe auch von EU-Bürger_innen genutzt Es ist nicht die Aufgabe der werden. Stadt Wien sein, die Armut- sprobleme Europas zu lösen, Von Anfang November bis Ende aber es sollte ihre Aufgabe April sollen alle Menschen bei sein, den in Wien lebenden Bedarf über einen Schlafplatz obdachlosen Menschen ganz- verfügen. Dafür wurden etwa jährig Schutz und Unterkunft 600 zusätzliche Schlafplätze im zu bieten. Eine Weltstadt im Winter 2014/15 geschaffen. Die Zentrum Europas sollte es Etablierung der Wintermaß- schaffen, für diese Zielgruppe nahmen ist eine gute und wich- ein reguläres, differenziertes, tige Maßnahme, aber es kann ganzjähriges und soziale In- nur ein erster Schritt sein. klusion förderndes Angebot zu So können Menschen zwar schaffen. Ein Schlafplatz bietet vor dem Erfrieren geschützt, schließlich nicht nur Wärme, aber keine sozialen Probleme sondern auch Schutz, Ruhe und gelöst werden. Stabilisierung Würde. und Inklusion von armutsbe- All das wird vielen Menschen troffenen, marginalisierten nicht zuteil: Christina kann Menschen wird ohne ganz- noch einige Wochen unange- jährige und differenzierte meldet bei einer Bekannten Angebote nicht funktionieren. bleiben. Plamen schläft in ei- Den bedürftigsten Menschen nem überteuerten Massenquar- unserer Gesellschaft im April tier. Daniel nächtigt im Park. mitzuteilen, dass sie am 1. Mai Der Aufenthaltsort von Peter ihren Schlafplatz verlieren, ist unbekannt. 37
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