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Wir DABEI !! e.V. Durch Akzeptanz Behinderung Erfolgreich Integrieren! Wir DABEI!-Post Ausgabe 8 - Dez. 2017 bis Mai 2018
Vorwort Liebe Mitglieder und interessierte Leser, unser Jubiläumsjahr neigt sich nun dem Ende zu. Wir haben den 10. Geburts- tag unseres Vereins gebührend gefeiert. Höhepunkt der Veranstaltungen war unser zweitägiges Jubiläumswochenende am 18. und 19. November. Mo- mentaufnahmen der Jubiläumsfeiern gestalten das Titelbild dieser Ausgabe. Leider mussten wir uns im Oktober von Anja Mechler verabschieden, die bei uns im Verein wesentlichen Anteil an dem Aufbau der Beratungsstelle hatte. Wir würdigen Anja mit einem Nachruf in dieser Wir DABEI!-Post. In dieser Ausgabe informieren wir, neben den Berichten über die Beratungs- stelle und über Inklusion in den Bereichen in denen wir tätig sind, auch über die Veranstaltungen des zweiten Halbjahres. Im Rahmen der Erfahrungsberichte stellen wir das Cornelia de Lange Syn- drom vor. Berichte aus dem Alltag runden die Inhalte der Wir DABEI!-Post ab. Herzlichen Dank an alle, die mit Erfahrungsberichten und Fotos geholfen ha- ben unser Heft lebendig zu gestalten. Vielen Dank an das Redaktionsteam, das in unzähligen Stunden diese Wir DABEI!-Post für Sie zusammengestellt hat. Ganz besonders möchten wir den Inserenten danken, die durch ihre finanzielle Unterstützung den Druck der Wir DABEI!-Post ermöglichen. In Namen des Vorstands wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten und gesunden Start in das Jahr 2018. Dieses wird durch die Landtagswahlen in Hessen, das Inkrafttreten einiger wichtiger Regelungen des Bundesteilhabegesetzes und vor allem durch die geplante Benefiz-CD von und mit Michael Böhler sicherlich sehr interessant. Viele Grüße und Freude beim Lesen wünscht Ihnen Petra Doering 2. Vorsitzende 3
Inhaltsverzeichnis Vorwort.................................................................................................. 3 Inhaltsverzeichnis ................................................................................... 6 I. Vereinsinformation............................................................................... 10 1. Für alle die uns noch nicht kennen .................................................... 10 2. Änderungen und Informationen........................................................ 11 Nachruf............................................................................................. 12 3. Beratungsstelle ................................................................................. 15 4. „Yes, we can!“ .................................................................................. 17 II. Veranstaltungen ................................................................................... 18 1. Wir DABEI!-Café................................................................................ 18 2. Kontakt- und Informationstreffen ..................................................... 18 3. Vortrag zum Bundesteilhabegesetz ................................................... 19 4. Vortrag „Vorstellung des PEp-Konzeptes“ ......................................... 20 5. Rückblick Jubiläumsfest .................................................................... 24 III. Terminkalender - Ausblick .................................................................... 29 IV. Inklusion............................................................................................... 32 1. Kreis Bergstraße ............................................................................... 32 2. Hessen.............................................................................................. 32 3. Baden-Württemberg......................................................................... 37 V. Erfahrungsberichte ............................................................................... 42 1. Was ist das Cornelia de Lange Syndrom? .......................................... 42 2. Interview mit Elisabeth und Jürgen Kegel über das Cornelia de Lange Syndrom (CdLS) .................................................... 44 3. Maja und ihre Hobbies ...................................................................... 48 6
4. Jedes Kind ist besonders -...aber die Verantwortung können wir nicht übernehmen! ......................................................... 50 5. Gott mit neuen Augen sehen ............................................................ 51 6. Ihr Erfahrungsbericht ........................................................................ 55 VI. Spenden ............................................................................................... 55 VII. Sonstiges .............................................................................................. 57 1. Woran scheitert Inklusion so häufig in unserer Gesellschaft? ............ 57 2. Gedanken ......................................................................................... 61 VIII. Impressum ........................................................................................... 62 Spendenkonten .................................................................................... 63 7
I. Vereinsinformation 1. Für alle die uns noch nicht kennen Bei uns ist der Name Programm: „Durch Akzeptanz Behinderung erfolgreich integrieren!“ ist das Motto und Ziel unseres Vereins. Wir DABEI! e.V. möchte durch seine Tätigkeiten Brücken bauen. Brücken zwi- schen Menschen mit und ohne Behinderung, um Vorbehalte und Ängste abzubauen und ein Selbstverständliches–Aufeinander–Zugehen zu ermögli- chen. Wir möchten den Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen Hilfen geben, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Das Angebot des Erstkontaktes für die Familien, Krankenhäuser, Frauen- und Kinderärzte in der Umgebung ist einer unserer beiden Vereinsschwerpunkte. In Großstädten war es schon länger üblich, dass betroffene Familien nach oder auch schon vor der Geburt die Möglichkeit haben Kontakt mit Familien aufzunehmen, die ein Kind mit der gleichen Behinderung oder chronischen Krankheit haben. Bei den Krankenhäusern und Ärzten in unserem Umkreis war dies nicht so. Wir bieten solche Erstkontakte bei Wunsch an. Die Gespräche mit den Krankenhäusern in Weinheim, Bensheim und Heppenheim sind sehr positiv verlaufen. Wir konnten spüren, dass die Ärzte froh sind, wenn sie in solch schwierigen Situationen ehrenamtliche Unterstützung durch unseren Verein haben können. Der zweite Vereinsschwerpunkt ist der Einsatz für die Umset- zung der Inklusion. Mit unserer Arbeit möchten wir gegen die Aussonderung, für eine bessere Akzeptanz und für das Recht auf Selbstbestimmung und Teil- habe von behinderten Menschen wirken. Durch die UN-Behindertenrechts- konvention fühlen wir uns in unserer Zielsetzung und unserer Arbeit unter- stützt und bestätigt. Wir bieten Unterstützung von betroffenen Familien und entsprechenden Institutionen bei der Realisierung der Inklusion im Kindergar- ten, der Schule, im Beruf, beim Thema Wohnen und in den Vereinen, also in allen Bereichen des täglichen Lebens. Wir unterstützen Schulen bei der Einführung des inklusiven Unterrichts und bieten betroffenen Familien Unterstützung beim Kontakt mit Behörden und Ämtern. Wir sehen unsere Aufgabe auch in Gesprächen mit der Politik im Sinne der Aufklärung über Inklusion. 10
Für interessierte Schulen und Eltern bieten wir eine vereinseigene Bibliothek zur Nutzung an, da viele Betroffene und Interessierte sich erst in das Thema einlesen möchten. Weiterhin erstellen wir Flyer und andere Informationsma- terialien, um die Gesellschaft über das alle betreffende Thema Inklusion auf- zuklären. Wir haben schon einige Informations- wie auch Schulungsveranstal- tungen zum Thema Inklusion durchgeführt und streben dies auch für die Zu- kunft an. Darüber hinaus bieten wir Trainingsstunden sowie Seminare und Vorträge zur Mathedidaktik „Yes, we can!“ an (nähere Informationen hierzu siehe unter I.4). Im Moment hat Wir DABEI! 251 Mitglieder. 2. Änderungen und Informationen Das Jubiläumsjahr mit unserer Vortragsreihe, dem Tag der offenen Tür und dem Festwochenende im November neigt sich nun dem Ende zu. Danke an dieser Stelle an alle Mitglieder und Unterstützer, die geholfen haben, ein solch umfangreiches Programm zu ermöglichen. Zu unserem Festwochenende gibt es einen ausführlichen Bericht unter Punkt II.5. Die Festschrift konnten sich alle Anwesenden an den Jubiläums- feierlichkeiten mitnehmen. Mitglieder, die auch ein Exemplar bekommen möchten, werden gebeten sich per Telefon oder Mail in der Geschäftsstelle zu melden. Anfang 2018 werden wir im Vorstandsteam über eine Neustrukturierung der Vorstandsaufgaben sprechen, da noch immer die Position des 1. Vor- sitzenden vakant und kein Interessent in Sicht ist. Ausführliche Informationen zu den Ergebnissen werden rechtzeitig vor der Mitgliederversammlung bekannt gegeben. 11
Nachruf Mit großer Trauer mussten wir uns im Oktober von Anja Mechler verabschieden. Anja war unserem Verein tief verbunden. Wir und viele unserer Mitglieder schätzten Ihr außerordentlich großes Engagement und Ihre Empathie sehr. Anja Mechler (†) Bereits Anfang 2008 konnten wir Anja und Ihre Familie als Mitglied willkom- men heißen. Von Anfang an unterstützte sie uns mit Ihrem Wissen und Erfahrungsschatz, auch als betroffene Mutter. Da viele Kinder unserer Mit- glieder noch klein waren und der Verein mit seinem Wissen noch ganz am Anfang stand, bestärkte sie uns immer wieder, dass es sich lohnt zu kämpfen. Als wir am 01.07.2011 aufgrund der extremen Belastungen eine Beraterin an- stellten, fiel unsere erste Wahl auf Anja. Zusammen mit ehrenamtlichen Beraterinnen baute sie die inklusive Beratungs-und Koordinationsstelle auf. Ihr großes Fachwissen wurde von den Ämtern sehr geschätzt. Durch Ihre Mitarbeit wurden Leitfäden für betroffene Familien erstellt. Anja bereicherte unsere Geschäftsstelle durch Ihre fachliche Kompetenz. Sie unterstützte und begleitete viele betroffene Familien bei der Umsetzung Ihrer Interessen. Unser Verein, der Vorstand und unsere Mitglieder haben Anja viel zu verdan- ken. Wir durften einen wunderbaren Menschen kennenlernen. Sie war stets eine Kämpferin für sich und Andere. Mit Ihr verlieren wir eine Freundin und Weg- begleiterin. Liebe Anja, wir werden dich nie vergessen! 12
Besuche von Politikern In unserem Jubiläumsjahr durften wir in unserer Geschäftsstelle einige Politiker begrüßen, die sich über unsere Vereinsarbeit und über unsere Mathedidaktik „Yes, we can!“ informieren wollten. Am 12. Juli 2017 besuchte uns der Landrat des Kreises Bergstraße, Herr Christian Engelhardt. Wir sprachen intensiv über unsere Kernaufgabe, die Beratung und Begleitung von Familien bei den schwierigen Behördengängen, die notwendig sind, wenn man sich für eine inklusive Beschulung der Kinder entscheidet. Es bot sich die Gelegenheit, Herrn Engelhardt anhand eigener Erfahrungen zu verdeutlichen, wo wir Familien, die von chronischer Er- krankung oder Behinderung betroffen sind, gerne entlasten möchten. Am 3. August war die Landtagsabgeordnete, Frau Karin Hartmann (SPD) bei uns zu Gast. Frau Hartmann hatte durch MdB Frau Christine Lambrecht von unserem Matheprogramm „Yes, we can!“ erfahren und suchte nach finanzieller Unterstützung für Wir DABEI!. Christina Volz und Renate Wagener konnten ihr das Programm sehr ausführlich präsentieren. Außerdem hat sich Frau Hartmann sehr intensiv über unsere Vereinsarbeit informiert. Am 10. Oktober besuchte uns Herr Dr. Michael Meister (MdB und parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Finanzen, CDU). Als Mathematiker galt das Hauptinteresse von Herrn Dr. Meister unserer Mathedidaktik „Yes, we can!“. Christina Volz und Renate Wagener präsentierten Herrn Dr. Meister dieses Matheprogramm anhand zahlreicher Videos und Erläuterungen – unterstützt wurden die beiden tatkräftig von Maja Hofmann. Maja nimmt seit langem schon am Matheprogramm teil und hat dadurch große Fortschritte erzielen können. Diese Besuche sind uns ausgesprochen wichtig, da wir gerne die Chance nutzen um unsere Anliegen ans Herz zu legen und Politiker dafür sensibilisieren möchten, was für uns noch verbessert werden kann, damit unsere Kinder als gleichberechtigte Bürger in diesem Land aufwachsen, lernen und leben können. Jedes Gespräch brachte neue Erkenntnisse und man war durchaus beeindruckt über die komplexen Aufgaben, denen wir uns gerne stellen. 13
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3. Beratungsstelle In 2017 haben wir 45 Beratungen durchgeführt. Nach wie vor ist das Thema Schule mit 38% der Beratungen der Bereich, bei dem die meisten Beratungen anfallen. Nach langer Zeit waren die Beratungen bezüglich Inklusion im Kindergarten wieder ansteigend und lagen mit 22% an der zweiten Stelle. Viele Familien sind über die Beratungen zum ersten Mal in Kontakt mit Wir DABEI! gekommen. Wir sind gespannt, was das neue Jahr an Beratungen bringen wird. Wir werden Schulungen zum Bundesteilhabegesetz besuchen, um uns hier noch mehr Fachwissen anzueignen. 15
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4. „Yes, we can!“ In 2017 wurden die ersten beiden zweitägigen Seminare von Christina Volz mit Unterstützung von Renate Wagener durchgeführt. In beiden Fällen war das Feedback äußerst positiv. Die Teilnehmergruppen waren sehr gemischt, so nahmen Eltern, Schulbegleiter, Erzieher und Lehrkräfte an den Seminaren teil. Eine Teilnehmerin kam sogar aus Dresden. Für 2018 sind drei zweitägige Seminare geplant. Die Termine für Februar 2018 (23./24.2.) und Mai 2018 (11./12.5.) stehen schon fest. Hier ist der Veranstaltungsort erneut das evan- gelische Gemeindezentrum in Birkenau. Die Anmeldeformulare kann man un- ter folgenden Link finden: http://www.wir-dabei.de/seite/313234/seminare.html Inzwischen wird auch Training außerhalb der Geschäftsstelle von Wir DABEI! angeboten. Dies ist jedoch nur bei längerer Anfahrt und der Kombination von mehreren Teilnehmern an einem Tag hintereinander möglich. Die Vereinba- rungen hierüber sind individuell mit den Trainerinnen und dem Verein abzu- stimmen. Beim Verein 46Plus Stuttgart hielt Christina Volz einen zweistündigen Vortrag über „Yes, we can!“ und stand darüber hinaus für Fragen zur Verfügung. Dies wurde von den Teilnehmern rege genutzt. Weitere Vorträge werden bei Inte- resse gerne durchgeführt. Auch hier sind die Bedingungen individuell abzu- stimmen. Einen Bericht über den Vortragsabend ist auf der Homepage von 46Plus unter folgendem Link zu finden: http://www.46plus.de/blog/2017/09/themenabend-yes-we-can/ Erfreulich ist auch, dass sich Politiker aus dem Kreis Bergstraße über die Ma- thedidaktik informierten. So besuchte uns neben dem Landrat Christian Engelhardt, Frau Karin Hartmann vom hessischen Landtag sowie vom Bundestag Frau Christine Lambrecht und Staatssekretär Dr. Michael Meister. Die Besucher zeigten sich sehr begeistert von den Erfolgen der „Yes, we can!“-Mathedidaktik. Wir hoffen, dass noch viele Lehrer, Therapeuten und Eltern die Fortbildung machen werden, um möglichst vielen Kindern einen Weg zur Mathematik er- möglichen zu können. 17
II. Veranstaltungen 1. Wir DABEI!-Café Das Wir DABEI!-Café findet in der Regel an jedem ersten Samstag im Monat von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr in den Räumen unserer Geschäftsstelle statt. Alle Mitglieder und Interessierte sind ganz herzlich eingeladen. Hier bietet sich die Möglichkeit Informationen über unseren Verein und seine Arbeit zu erhalten. Unser Café soll aber vor allem auch dazu dienen, Menschen die Gelegenheit zu geben, bei Kaffee oder Tee in familiärer Atmosphäre über eigene Themen oder die Anliegen anderer Betroffener zu reden. Durch diesen Erfahrungsaustausch findet man Hilfe und Unterstützung - man ist nicht mehr alleine mit dem Problem oder den Ängsten. Bei gutem Wetter nutzen wir unser schönes Außengelände, was insbesondere den Kindern zugutekommt. An einigen Terminen bieten wir besondere Themen an (z.B. Plätzchen backen in der Weihnachtszeit). Eine kostenlose Kinderbetreuung wird vom Verein angeboten (hierfür ist eine Anmeldung notwendig). Die Termine können dem Terminkalender im Kapitel IV. und unserer Homepage entnommen werden. Sollte ein Termin ausfallen, wird auf der Homepage darauf hingewiesen. 2. Kontakt- und Informationstreffen Unsere Kontakt- und Informationstreffen finden alle zwei Monate am dritten Dienstag im Monat statt (außerhalb der Schulferien). Die Termine, den Veranstaltungsort und evtl. Schwerpunktthemen an Abenden finden Sie im Terminkalender und auf unserer Homepage. Zu diesen Treffen sind alle Mitglieder und Interessierte herzlich zum Erfahrungsaustausch eingeladen. 18
3. Vortrag zum Bundesteilhabegesetz Am 10.6.2017 fand im Rathaus in Rimbach der dritte Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe des Jubiläumsjahres von Wir DABEI! statt. Herr Christoph Kapp von der Kanzlei Sojura in Darmstadt stellte am Vormittag grundsätzliche Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz und dann speziell im Hinblick auf das Thema „Schule“ vor. So hat sich der Behindertenbegriff in dem neuen Gesetz gewandelt, die Wirkung der einstellungs- und umweltbedingten Barrieren wurde hier explizit im §2 SGB IX aufgenommen: „Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit ein- stellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“ Die Veränderungen treten stufenweise in Kraft, so sind ab dem 1.1.2017 vor allem die höheren Freibeträge bei Einkommen und Vermögen für die Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege wichtig. Im Bereich Bildung wird nun auch Studien- und Ausbildungsbegleitende Hilfe gesetzlich verankert. Nachmittags wurden die Veränderungen im Themengebiet „Arbeit“ vorge- stellt. Ab Januar 2018 werden Verbesserungen im Bereich Teilhabe am Arbeitsleben und im Gesamtplanverfahren in der Eingliederungshilfe greifen. So wird z.B. das Monopol der Behindertenwerkstätten als Arbeitgeber von Menschen mit Behinderung, die nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten, aufgehoben. Durch das „Budget für Arbeit“ bekommen Arbeitgeber bis zu 75% der Lohnkosten eines Mitarbeiters mit Behinderung ersetzt, wenn dieser aufgrund seiner Behinderung das Recht hätte in einer Behindertenwerkstatt zu arbeiten. Darüber hinaus hat der Mitarbeiter das Anrecht auf Teilhabeassistenzen, so dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung deutlich an Attraktivität für die Arbeitgeber gewinnen dürfte. Ein weiterer Meilenstein in der Gleichberechtigung für Menschen mit Behinderung ist, dass ab 2020 die Partnereinkommen und –vermögen vollkommen freigestellt werden. Dadurch ist die Hürde endlich abgebaut, die viele Menschen daran hinderte zu heiraten, da sie damit ihren Lebenspartner bisher in die Sozialhilfe getrieben haben. 19
Im Anschluss an die Vorträge wurden viele Fragen der Anwesenden beantwortet. Die Folien des Vortrags können bei Wir DABEI! e.V. angefragt werden. 4. Vortrag „Vorstellung des PEp-Konzeptes“ Als abschließende Gäste im Rahmen unserer Vortragsreihe zum 10-jährigen Bestehen des Vereins Wir DABEI! e.V. konnten wir Frau Henrich, Gründerin und Leiterin der PEp-Praxis für Entwicklungspädagogik aus Mainz und ihre Kollegin Frau Lingenfelder in den Räumen des Werner-Heisenberg- Gymnasiums in Weinheim herzlich begrüßen. Sie berichteten in ihrem Vortrag über die zentrale Aufgabe der Praxis, nämlich die individuelle Förderung von Menschen mit kognitiven Entwicklungsbesonderheiten. In ihrem über zweistündigen, hochinteressanten Vortrag beschrieb Frau Henrich u. a. die Anfänge der Förderung in ihren Privaträumen, die aber binnen kurzer Zeit aufgrund der hohen Nachfrage viel zu klein wurde, so dass 2001 das PEp-Institut in den heutigen Räumen gegründet und wiederum nach geraumer Zeit erweitert wurde. Ein Team von Pädagogen mit ganz unter- schiedlichen Zusatzqualifikationen hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Menschen vom Kleinstkindalter an bis zum Erwachsenenalter auf vielfältige Art zu fördern. Somit ist Lernen auf unterschiedlichen und vielfältigen Wegen zentrales Element im PEp-Konzept. Trainingssequenzen von wöchentlich 20
stattfindenden Gruppenstunden wurden durch Videoaufnahmen weiter veranschaulicht. Viele Fragen zu ganz unterschiedlichen Themen wurden von den Anwesenden gestellt. Hierzu zählten neben inhaltlichen Fragen beispielsweise auch Fragen zu den Kosten der Förderung. Ein sehr interes- santes und von vielen Fragen begleitetes Thema war die berufsbegleitende Förderungsmaßnahme des PEp- Institutes in Form einer Berufsschule. Abgerundet wurde der Vortrag durch einen Teilaspekt, nämlich das Lesen. Hier wurde auf die verschiedenen Möglichkeiten des Lesen Lernens eingegangen. Die neuesten Ergebnisse von Professor Zimpel in Hamburg haben auch Einfluss auf die Lehrmethoden des PEp-Instituts genommen. Dies wurde sehr gut für die Anwesenden dargestellt. Im Anschluss an den Vortrag hatten die Teilnehmer noch Zeit sich das eigens vom PEp-Team entwickelte und beim Verlag ´das bunte Zebra´ in Druck gegebene Lese- material wie Lesekarten, Lesebücher mit unterschiedlichen Schwierig- keitsstufen und begleitende Arbeitshefte anzuschauen. Kathrin Lorenz 21
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5. Rückblick Jubiläumsfest Echo-Online vom 21.11.2017 kündigte uns als „die Brückenbauer aus Birkenau" an und war beeindruckt von der Gästeliste, die zu unserem Jubiläumswochenende erschienen ist. Den Auftakt der Veranstaltung im Dorfgemeinschaftssaal in Nieder- Liebersbach machte am Samstag der Festakt unter der Schirmherrschaft von Landrat Christian Engelhardt. Unter den Ehrengästen befanden sich neben dem Schirmherrn der Bundestagsabgeordnete Dr. Michael Meister, die Landtagsabgeordnete Birgit Heitland, der Bergsträßer Kreis- beigeordnete Karsten Krug, Birkenaus Bürger- meister Helmut Morr, Landrat a. D. Matthias Wilkes sowie der Vorsitzende der Gemeinde- vertretung und Kreisbeigeordnete Volker Buser. Zahlreiche Vertreter des Gemeindevorstands, der Gemeindevertretung und der Ortsbeiräte waren ebenfalls anwesend. Vom Paritätischen Wohlfahrtsverband besuchte Stefan Ringer unser Fest. Kirsten Ehrhardt und Dorothea Terpitz vertraten die Elternvereine aus Baden-Württemberg und Hessen. von links Kirsten Ehrhardt, Dorothea Terpitz und Stefan Ringer Die Tanzgruppe Elements, das Percussion-Ensemble der MLS Rimbach sowie die Moderation durch Michael Böhler umrahmten die Grußworte des Schirmherrn Christian Engelhardt, Bürgermeister Helmut Morr sowie die Reden von Dorothea Terpitz und Kirsten Ehrhardt. 24
Eine Fotoshow mit vielen schönen Bildern ließen ebenso wie die Festansprache unserer 2. Vorsitzenden Petra Doering die letzten 10 Jahre Revue passieren. Für einen Gänsehautmoment sorgte Michael Böhler. Hatte er doch eigens für uns ein Lied komponiert. Der Titel „Dabei sein", trifft es auf den Punkt und wurde mit Standing Ovations honoriert. Die Überraschung war gelungen, als er für nächstes Jahr eine gemeinsame Produk- tion einer Benefiz-CD ankündigte, bei der sich jedes Kind nach seinen Fähigkeiten einbringen kann. Damit dies auch Wirklichkeit wird, müssen noch Sponsoren gefunden werden. Dazu kann gerne über den Verein Kontakt aufgenommen werden. Mit der Band „Timeless" ließen wir den Abend bei ausgelassener Stimmung ausklingen. Am Sonntag kamen Vereinsmitglieder und Gäste, unter Ihnen die Abgeordnete des Hessischen Landtags Karin Hartmann und Kreisbeigeordnete Petra Thaidigsmann zu einem bunten Familienfest zusammen. Der Kinderchor des Volks-Chor Birkenau, die Zumba-Kids-Gruppe der TG Lauden- bach, die Kindertrachtengruppe des Vereins „Liewerschbescher Kerwe“, die Tanzgruppe K-Otix und der Liedbeitrag von Michael Böhler sorgten für ein buntes Programm für Groß und Klein. Viele der Gruppen sind bereits inklusiv, auch die Kindertrachtengruppe betonte, dass man sich über jedes Kind freut, das mittanzen möchte. Die Kontaktdaten der Gruppen können über uns angefragt werden. Die Kinder konnten sich an den Spielstationen und beim Kinder- 25
schminken verweilen. Mit der Tanzgruppe K-Otix wurde dann für die Besucher Zumba zum Mitmachen angeboten. Dies sorgte vor allem bei den Kindern für viel Spaß. Für Erstaunen sorgte an beiden Tagen der Alterssimulations-anzug „GERT". Er bietet die Möglichkeit, die typischen Einschränkungen älterer Menschen auch für Jüngere erlebbar zu machen. Ununterbrochen standen die Besucher bei der Tombola an. Hier gab es Preise separat für Erwachsene und Kinder, die sich sehen lassen konnten. Ein Höhepunkt war das Mitmach- konzert mit Matthias Linßen. Die Kinder hatten einen Riesenspaß daran, ihn musikalisch zu begleiten. An beiden Tagen konnte man sich über die Vereinsarbeit informieren. Informationsmaterial und die Jubilä- umsfestschrift lag für jeden Besucher aus. Das Jubiläumsteam um Tanja Horneff, Britta Hoffmann, Petra Doering und Tanja Pflästerer unterstützt durch das Küchenteam um Christoph Sundarp und den Mann für die Technik, Frank Pflästerer, sorgten für ein gelungenes Festwochenende. Ein besonders großes Dankeschön geht an jeden Helfer, ob für geleistete Dienste, gespendeten Kuchen oder Tombolapreise. Auch an die Sponsoren und Spender für das Jubiläumsfest geht ein großes Dankeschön. Ohne diese Unterstützung wäre ein Fest von diesem Ausmaß nicht denkbar gewesen. 26
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III. Terminkalender - Ausblick 16.01.2018 20:00 Uhr Kontakt- und Informationstreffen, Ort wird noch bekannt gegeben 03.02.2018 15:00 - 17:00 Uhr Wir DABEI!-Café in der Geschäftsstelle mit Kinderbetreuung 23.- 24.02.2018 09:00 - 16:00 Uhr „Yes, we can!“ Seminar, ev. Gemeindezentrum Birkenau; Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung möglich 03.03.2018 15:00 - 17:00 Uhr Wir DABEI!-Café in der Geschäftsstelle mit Kinderbetreuung 20.03.2018 20:00 Uhr Kontakt- und Informationstreffen, Ort wird noch bekannt gegeben 07.04.2018 15:00 - 17:00 Uhr Wir DABEI!-Café in der Geschäftsstelle mit Kinderbetreuung 05.05.2018 15:00 - 17:00 Uhr Wir DABEI!-Café in der Geschäftsstelle mit Kinderbetreuung 11.- 12.05.2018 09:00 - 16:00 Uhr „Yes, we can!“ Seminar, ev. Gemeindezentrum Birkenau; Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung möglich 15.05.2018 20:00 Uhr Kontakt- und Informationstreffen, Ort wird noch bekannt gegeben 02.06.2018 15:00 - 17:00 Uhr Wir DABEI!-Café in der Geschäftsstelle mit Kinderbetreuung Änderungen vorbehalten, aktuelle Informationen unter www.wir-dabei.de 29
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IV. Inklusion 1. Kreis Bergstraße Die Kreisteilhabekommission hat im letzten Halbjahr einmal getagt. Im Rahmen dieser Sitzung wurde beschlossen, dass der Kreis zunächst keinen Alterssimulationsanzug kauft. Die Stadt Bensheim besitzt einen solchen, der auf Anregung aus der KTK, interessierten Vereinen und Verbänden ausgeliehen werden kann. Ein Alterssimulationsanzug ermöglicht, die typischen Einschränkungen älterer Menschen für Jüngere nachempfinden zu können, so z.B. Eintrübung der Augenlinse, Einengung des Gesichtsfeldes, Hochtonschwerhörigkeit, Einschränkung der Kopfbeweglichkeit, Gelenk- versteifung, Kraftverlust, Einschränkung des Greifvermögens und Einschränkung des Koordinationsvermögens. In der kommenden Sitzung, Anfang des Jahres 2018, wird sich die Kommission mit dem Thema „Barrierefreiheit im ÖPNV“ im Kreis be- schäftigen. Sollte es hierzu Anmerkungen von Mitgliedern oder Lesern der Wir DABEI!-Post geben, würden wir uns freuen, wenn Sie uns diese zukommen lassen. In einer weiteren Sitzung nach Ostern wird es einen Austausch mit dem Schulamt über das Thema Inklusion in Schulen, im Speziellen zu den neuen inklusiven Schulbündnissen, geben. 2. Hessen Was bewegt Hessen? Im Bereich Bildung und Schule vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht ir- gendwo in der Zeitung eine Notiz zum chronischen Lehrermangel findet. So hat die Bertelsmann-Studie von Juli 2017 mit dem gängigen Argument der Landesregierung aufgeräumt, man könne Lehrkräfte einsparen, da angeblich die Schülerzahlen zurückgehen. Das tun sie nicht, im Gegenteil, in der Prognose wird bereits berechnet, dass die Schülerzahlen aufgrund von 32
Zuwanderung und höherer Geburtenrate um 8% in den nächsten fünfzehn Jahren steigen werden. (https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/ demographische-rendite-ade) In Frankfurt zogen zu Beginn des Schuljahres schon einzelne Grundschulklas- sen demonstrierend vor das Staatliche Schulamt, weil sie die Zusammenlegung der Klassen aufgrund der fehlenden Lehrkräfte nicht dulden wollen. Mit den fehlenden Lehrern nimmt die Kritik an der Ausstattung der Schulen auch im Bereich der Inklusion natürlich zu. Problematisch wird es dann, wenn der akute Lehrermangel von den Gegnern der Inklusion dazu genutzt wird, ihre Vorstellung vom Zurückdrehen des Rades und dem Erhalt der Förderschulen laut kundzutun. Gemeinsam leben Hessen e.V. hat daher gemeinsam mit den hessischen Elternverbänden (u.a. Wir DABEI!) am 13. Juli 2017 einen Offenen Brief an Ministerpräsident Bouffier und Kultusminister Lorz verfasst und gefordert, Bildung zum Schwerpunktthema der hessischen Politik zu machen und mehr Geld in den Etat für Bildung einzustellen, um die Lehrerversorgung auch für die Inklusion zu sichern. Die Antwort darauf war so unbefriedigend, dass ich sie hier nicht weiter ausführen werde. Das Thema Wahlen und Inklusion treibt uns bundesweit um: Wer darf mit- wählen? Katrin Werner, behindertenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, und Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben noch vor den Bundestagswahlen einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur „Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht“ eingebracht. Katrin Werner sagte dazu: „Gleiche politische Teil- habe ist ein verbrieftes Menschenrecht und mit der UN-Behindertenrechts- konvention rechtsverbindlich in Deutschland. Die Regierungsparteien sind bei der Umsetzung dieses Menschenrechts bisher untätig. Jetzt haben sie die Chance, die Wahlrechtsausschlüsse noch vor der Bundestagswahl im Septem- ber abzuschaffen. Insbesondere die SPD ist aufgerufen, die Möglichkeit zu nutzen, ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen und zusammen mit LINKEN und Grünen die Wahlrechtsausschlüsse abzuschaffen.“ Denn, wie 33
Corinna Rüffer betonte, ist „der Ausschluss dieser Gruppe behinderter Menschen vom Wahlrecht vollkommen willkürlich und eine unzulässige Diskriminierung. Behinderte Menschen haben das gleiche Recht auf politische Teilhabe wie alle anderen. Dass die Union hier mauert, ist hinterwäldlerisch und zeigt, welches Bild von behinderten Menschen dort offenbar vorherrscht. Die SPD brüllt wie bei der „Ehe für alle“ ins Megaphon, ohne tatsächlich etwas zu tun. Das ist bitter, denn wenn sich die SPD wirklich trauen würde, gäbe es im Parlament eine Mehrheit für unseren Gesetz- entwurf.“ Leider wurde der Gesetzentwurf dann doch nicht auf die Tagesordnung des deutschen Bundestags genommen. Der Wahlrechts- ausschluss bleibt also weiter bestehen. Den Gesetzentwurf finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/125/1812547.pdf Polarisierung im Wahlkampf mithilfe von Inklusionskritik In NRW wurden Inklusion in der Schule und die Mängel in ihrer Umsetzung vor den Landtagswahlen durch FDP und CDU kräftig thematisiert. Das geschah leider nicht mit dem Ziel, die Umstände und Bedingungen im schulischen Umfeld verbessern zu wollen, sondern diente zur Polarisierung mit dem Ergebnis einer offenen Debatte, ob Inklusion überhaupt gut oder notwendig sei. Mit einem Offenen Brief an Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) wandte sich daraufhin der Verein Mittendrin e.V. aus Köln gegen diese Anti- Inklusionspolemik: „Die Inklusion hat viele falsche Freunde. Wir erkennen diese daran, dass sie nach einem wortkargen Bekenntnis zur Inklusion stets und nur noch von schlechten Beispielen, fehlenden Ressourcen und dem Erhalt der Sonderschulen reden. Sie sprechen davon, sich um das Wohl von Kindern mit Behinderung zu sorgen. Doch kaum kommen nach jahr- zehntelangem Sonderschulzwang die ersten Kinder mit Behinderung in den allgemeinen Schulen an, werden Sie von Ihnen unaufhörlich und aus- schließlich als Kostenverursacher, Störenfriede und Zumutung durch die öffentliche Debatte geschleift. Zu volle Klassen und zu wenig Räume, Unruhe im Unterricht und Überforde- rung der Lehrer – alles, was zuvor als Ergebnisse eines von mehreren Landes- regierungen zusammengesparten Schulsystems bekannt war, wird von Ihnen heute zur Folge der Inklusion erklärt. Es würde uns kaum wundern, wenn Sie 34
demnächst selbst verstopfte Schultoiletten als Inklusionsfolge beklagen wür- den.“ ... „Mit der Instrumentalisierung der schulischen Inklusion als polemisch drama- tisiertes Skandalthema für Ihren Wahlkampf richten Sie auch vor Ort in den Schulen massiven Schaden an. Sie entmutigen all diejenigen Schulgemeinden und Lehrer, die schon heute mit Freude und Engagement jedes Kind willkom- men heißen. Und sie soufflieren all jenen Schulen und Lehrern, die behinderte Kinder gar nicht oder nur unwillig unterrichten, dies als unbillige Zumutung zu betrachten, der man sich mit Recht entziehen dürfe.“ Der Erfolg dieser Wahlkampfstrategie stellte sich dann prompt ein: In NRW wurde die rot-grüne Landesregierung durch die CDU/FDP abgelöst. Die Stim- mung schwappte nach Hessen über, und so mussten wir uns in vielen Frank- furter Förderausschüssen (ein Förderausschuss dient eigentlich zur Organisa- tion der sonderpädagogischen Ressource im inklusiven Unterricht und nicht zur Gretchenfrage: „Inklusion oder nicht?“ fragen lassen, ob wir es nicht als Zumutung für die Lehrer und für das eigene, arme Kind erachten, hier noch auf Inklusion bestehen zu wollen. Auch bei den Bundestagswahlen diente Inklusion zur Kritik an der Regierungspartei, ebenfalls mit dem Ziel, das Rad zurückzudrehen. Gerade von der FDP kam die Forderung die Umsetzung zu verlangsamen bzw. auszusetzen. Traurig dabei die Rolle der Vorsitzenden der Bundesfraktion der FDP, Frau Nicola Beer, die es als ehemalige Kultusministerin Hessens eigent- lich besser wissen sollte. Elternwahlrecht statt Förderschulzwang? Das Hessische Schulgesetz stellt fest, dass Inklusion der Regelfall ist. Mit der letzten Änderung des Schulgesetzes im Mai dieses Jahres wurde nochmals ex- plizit festgestellt, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der örtlichen Grundschule nicht nur angemeldet sondern sogar aufgenommen werden. Den Eltern bleibt es weiterhin überlassen, in eigener Entscheidung die Förderschule zu wählen, d.h. es besteht ein einseitiges Wahlrecht der Eltern (nicht der Lehrer!) zur Förderschule. Wählen die Eltern die Förderschule 35
nicht, so geht das Kind also in die Inklusion. Das sagt das Gesetz, doch die Praxis sieht anders aus. Eltern wird gern anschaulich, breit gefächert und umfangreich seitens der Schule dargelegt und erklärt, dass sie ihr Kind am besten in der Förderschule anmelden. Die Argumente sind die üblichen: Das Kind braucht viel individuelle Förderung, es braucht eine kleine Lerngruppe, Homogenität statt Heterogenität. Und haben die Eltern mit Verweis auf den aktuellen Forschungsstand das alles widerlegt, sehen sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, die allgemeine Schule über Gebühr zu belasten. Es wird auf die Unter- versorgung in den Schulen und die zahlreichen Probleme der Lehrkräfte verwiesen und an das Gewissen der Eltern appelliert. Schließlich müssten doch die Sorgeberechtigten Sorge dafür tragen, dass das eigene Kind im allgemeinen System nicht untergehe und daher bliebe ihnen nichts anderes übrig, als die Förderschule völlig freiwillig zu wählen. Die Zuweisung zur Förderschule wird also ersetzt durch das Elternwahlrecht und bei entsprechendem Druck auf die betroffenen Eltern führt es für die Schulen auch zum gewünschten Erfolg. Der konservativen CDU-Landes- regierung kommt das natürlich sehr entgegen, kann man doch über das Elternwahlrecht den Erhalt des segregierenden Systems gut rechtfertigen. Dr. Dorothea Terpitz, 1. Vorsitzende Gemeinsam leben Hessen e.V. www.gemeinsam-leben-hessen.de 36
3. Baden-Württemberg „Inklusion: Ja!" Unser Mutmachbuch 2 Das erste Buch „Inklusion: Ja! 20 Mutmachgeschichten", das wir im vergange- nen Jahr herausgegeben haben, war ein Riesenerfolg. Wir haben das Büchlein wirklich in alle Welt verschickt und hatten unglaublich viele positive Rückmel- dungen. Im Rahmen der "einander.Aktionstage" in Mannheim hatten wir nun in diesem Jahr eine Lesung mit neuen Mutmachgeschichten und Fort- setzungsgeschichten organisiert. Auch diese Veranstaltung war ein voller Erfolg, und es wurde - wie wir vielleicht schon vermutet hatten - der vielfache Wunsch an uns herangetragen, doch auch aus diesen Geschichten wieder ein Mutmachbuch zu machen. Und das haben wir getan, wieder unterstützt durch eine Selbsthilfe-Projektförderung der AOK Rhein-Neckar-Odenwald. Und nun ist es da: Unser Mutmachbuch 2! Wie im vergangenen Jahr ist es für 1,-- Euro plus Versandkosten bei uns zu haben. Mail genügt (Lieferadresse nicht vergessen) an: info@elterninitiative-rhein-neckar.de Wie sagt man so schön: Solange der Vorrat reicht. Kirsten Ehrhardt Vorsitzende der Elterninitiative Rhein-Neckar "Gemeinsam leben - gemeinsam lernen" e.V. www.elterninitiative-rhein-neckar.de info@elterninitiative-rhein-neckar.de Eine Geschichte aus dem Blog „Zwischen Inklusion und Nixklusion“: Förderplanung Förderplangespräch mit der Sonderpädagogin DES MÄDCHENS. Diesmal möchte die Mutter besonders über den Entwicklungsstand im Rechnen sprechen. „Ja, aber wichtig ist mir auch noch, dass Fähigkeiten aus dem lebensprakti- schen Bereich zu Hause geübt werden“, sagt die Sonderpädagogin. „Alltag 37
lebt meine Tochter mit uns ja sowieso jeden Tag“, antwortet die Mutter, „extra Üben ist da nicht notwendig.“ „Oh, sagen Sie das nicht“, entgegnet die Sonderpädagogin, „ich habe festge- stellt, dass Ihre Tochter nicht gut spülen und abtrocknen kann!“ Die Mutter ist irritiert: „Wir haben zu Hause eine Spülmaschine. Und die kann meine Tochter genauso gut ein- und ausräumen wie ihre Schwester, die aufs Gymnasium geht.“ „Trotzdem wäre es gut, wenn Sie mit ihr spülen und abtrocknen üben würden“, beharrt die Sonderpädagogin. Die Mutter schüttelt verständnislos den Kopf. „Aber warum?“, fragt sie. „Wissen Sie“, erklärt die Sonderpädagogin, „nicht in allen Wohngruppen gibt es Spülmaschinen. Es kann schon sein, dass Ihre Tochter in eine ohne Spülmaschine kommt.“ „Gut“, sagt die Mutter, „dann verpflichten wir uns jetzt schriftlich, auf eigene Kosten eine Spülmaschine in eine Wohngruppe einbauen zu lassen, falls un- sere Tochter jemals dort einziehen möchte. In Ordnung? Können wir jetzt bitte über Mathematik sprechen?“ Quelle: https://kirstenmalzwei.blogspot.de/ 38
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V. Erfahrungsberichte 1. Was ist das Cornelia de Lange Syndrom? Das Cornelia de Lange-Syndrom (CdLS) ist eine multiple angeborene Fehl- bildung, die meist im Zusammenhang mit einer kognitiven Behinderung in Erscheinung tritt. In manchen Fällen deuten ausgeprägte körperliche Fehlbildungen unmittelbar nach der Geburt darauf hin, in anderen Fällen kommt man erst über die verlangsamte Entwicklung des Kindes zu einer Diagnose. Häufig tritt Kleinwuchs auf. Oft kommen schwerwiegende Ernährungsprobleme, Hörminderungen, Augenprobleme und angeborene Herzfehler hinzu. Die Ausprägung und die Prognose dieser Erkrankung sind sehr variabel. Verbreitung Kein geschlechtsspezifisches Auftreten. Kann familiär als auch sporadisch auftreten. Ursache/ Krankheitsentstehung Die Ursachen der Krankheit sind bis heute nicht abschließend geklärt. Im Jahr 2004 wurde ein Gen identifiziert, dessen Veränderungen verantwortlich für das CdLS sein kann. Dies konnte bisher aber nur bei knapp 50% der Patienten nachgewiesen werden. Krankheitszeichen, Symptome Das Geburtsgewicht liegt meist unter 2500 Gramm – die Kinder sind klein, um die 47 cm. Leitsymptom ist eine allgemeine Entwicklungsverzögerung begleitet von häufig vorkommenden Fehlbildungen. Zu den häufigsten medizinischen Komplikationen gehört der gastroösophageale Reflux (Rückfluss des Mageninhalts in die Speiseröhre) sowie Darmverschlingung bzw. Darm- verschluss und Zwerchfellbruch. Durch den Reflux treten häufig schwere Ernährungsstörungen auf. Diese können sich durch Würgen und häufiges Erbrechen, Kau- und Schluckprobleme bis hin zur Verweigerung der Nah- rungsaufnahme äußern. Eine große Gefahr bei einem unbehandelten Reflux ist eine Aspirationspneumonie (Lungenentzündung) durch Eindringen von Mageninhalt in die Atemwege). 42
Oft fallen Patienten durch ihr autoaggressives Verhalten aufgrund der Schmerzen auf. Körperliche Besonderheiten: Kleinwuchs, geringe Kopfgröße, dichtes und kräftiges Haar, starke Körperbehaarung, kleine Hände und Füße, Fehl- bildungen der oberen Extremitäten, 2. und 3. Zeh häufig zusammen- gewachsen. Faziale Besonderheiten: dichte Augenbrauen – häufig über dem Nasenrücken zusammengewachsen, lange Wimpern, breiter Nasenrücken, lange Ober- lippenrinne, schmale Oberlippe, sichelförmig nach unten gezogener Mund, hoher Gaumen, tief angesetzte Ohren. Untersuchungsmethoden Die Diagnose kann, je nach Ausprägung, schwierig sein. Die zügige Vorstellung des Kindes bei einem Facharzt ist empfehlenswert (z.B. pädiatrische Genetik in einem Zentrum für Humangenetik). Behandlung Eine kausale Therapie (auf die Ursache zielend) ist nicht möglich. Der geistigen Retardierung sollte möglichst früh mit einer angemessenen Förder- ung des Kindes, zum Beispiel durch gebärdenunterstützte Kommunikation, begegnet werden. Heilungsaussicht Keine Geschichte Die Erkrankung wurde im Jahre 1933 von der holländischen Kinderärztin Cornelia de Lange an zwei Kindern beschrieben. Das Syndrom ist auch unter dem Namen Brachmann-de-Lange-Syndrom bekannt. Weitere Informationen zu Fachärzten oder über den Stand der Forschung bezüglich Cornelia de Lange-Syndrom, sowie ausführliche Beratung erhalten Sie über: Bundesgeschäftsstelle Arbeitskreis Cornelia de Lange Syndrom e.V. 43
Herr Jürgen Kegel Ober-Liebersbach 27 69509 Mörlenbach Tel.: 06209 6650 oder 713192 Fax.: 06209 713193 info@corneliadelange.de www.corneliadelange.de 2. Interview mit Elisabeth und Jürgen Kegel über das Cornelia de Lange Syndrom (CdLS) Liebe Familie Kegel, Sie sind Mitglied in unserem Verein und dank Ihnen ha- ben wir ausführliche Informationen über das Cornelia de Lange-Syndrom, was verbindet Sie mit dieser Behinderung? Wir haben seit dem 25.11.1990 einen Sohn, der mit dem Cornelia de Lange- Syndrom zur Welt kam. Christian hat einen gesunden Bruder, Thomas, der 1994 geboren wurde. Das Cornelia de Lange-Syndrom ist selten. Wie haben Sie erfahren, dass Christian betroffen ist? Erst einmal gar nicht. Nach einer Plazentaablösung musste plötzlich alles ganz schnell gehen. Christian kam in der 37ten Woche per Kaiserschnitt auf die Welt. Er war 40cm groß und wog 1350 Gramm. Als wir ihn zum ersten Mal sahen, war er komplett beharrt. Er hatte eine Herzschwäche und nur eine Niere. Durch die Plazentainsuffizienz, war er die letzten vier Wochen nicht mehr ernährt worden und musste in den Inkubator. Eine Diagnose erhielten wir nicht. In Deutschland gab es nur wenig bekannte Fälle. Kann es sein, dass die Ärzte ratlos waren? Bei unserer Selbsthilfegruppe in Deutschland (bundesweit) sind 150 be- troffene Mitglieder, wobei wir eine Dunkelziffer von ca. 20-30 noch ver- 44
muten, die keinen Kontakt zur Gruppe haben möchten oder die Diagnose noch nicht gestellt wurde. Wir denken eher, sie wussten nicht wie sie uns die Diagnose vernünftig mitteilen sollten. Wann erhielten Sie denn Gewissheit? Elisabeth Kegel: Diesen Tag werde ich nie vergessen. Es war der 30.04.1991. Wir waren in die Genetische Beratungsstelle nach Heidelberg gebeten worden. Ein Professor informierte uns sehr sachlich und wenig einfühlsam. Auf unsere Frage: „Was erwartet uns, was können wir tun?“ zeigte er uns Bilder von Schwerstbetroffenen in schwarz/weiß, was die Sache noch krasser darstellte. Christian würde nie arbeiten, niemals in die Schule gehen können, er könne nicht essen und nicht laufen, er sei ein Pflegefall. Er gab uns den Rat, uns an die Lebenshilfe zu wenden... Jürgen Kegel: Ganz nüchtern, ohne jegliches Einfühlungsvermögen erklärte er alles. Das war schon richtig heftig. Wir sind nach Hause gefahren, haben alles dicht gemacht, uns ins Bett gelegt und geweint. Was für ein Schock! Ja, im ersten Moment war es das schon. Aber dann wurden wir aktiv. Wir ga- ben Annoncen auf, um weitere Betroffene ausfindig zu machen und hatten das Glück, zwei Familien mit recht fitten Kindern kennen zu lernen. Das machte uns Mut. Sie haben nicht einfach aufgegeben, sondern fingen nun an Ihr Leben mit Christian zu organisieren. Ab September bekam Christian dann Frühförde- rung... Genau. Christian bekam auch Krankengymnastik. Zuerst nach Vojta, dann nach Bobath. Wir dachten immer, es tut Christian weh, aber das ist nicht so. Diese Menschen haben ein wesentlich niedrigeres Schmerzempfinden. Die ersten Jahre waren sehr belastend. Das Immunsystem der Kinder ist sehr geschwächt. Sie können an einer einfachen Bronchitis sterben. Christian war sehr oft im Krankenhaus. Man lebt schon mit sehr viel Angst im Kopf. Das Loch im Herzen verschloss sich zum Glück von selbst. 45
Wie ging es weiter? Christian kam in den Integrationskindergarten „Schwalbennest“ in Lampert- heim und seit 1998 in die Maria-Montessori-Schule, Weinheim. Anfangs be- wegte sich Christian rollend fort. Mit der Zeit begann er, an der Wand und an Gegenständen entlang zu laufen. Seit 1997 läuft er frei. Mit 20 Jahren kam er in die Fördergruppe in Fürth, wo er heute noch gerne hingeht. 1994 haben wir den Verein für CdLS gegründet. Zusätzlich sind wir Mitglieder in der Lebenshilfe, im VdK, ACHSE, ein Netzwerk für seltene chronische Erkrankungen/Behinderungen und bei Wir DABEI! e.V. Wie geht es Christian heute? Wir denken, dass es ihm soweit gut geht. Die Kommunikation mit ihm gestaltet sich schwierig. Wenn ihm etwas nicht gefällt, beißt er sich auf die Finger...Wenn er sich wohl fühlt erkennen wir das an den Geräuschen, die er macht. Wir wissen letztendlich nicht, wie viel er versteht... Glücklicherweise ist er in keiner Weise aggressiv. Schlafen ist ein weiteres Problem. Es kann passieren, dass er die ganze Nacht aktiv ist. Das Essen muss zugereicht werden. Er wiegt jetzt 24 Kg und ist 1,18 m groß. Dadurch, dass er laufen kann, ist er weglaufgefährdet. Er ist orientie- rungslos und erkennt keine Gefahren. Das bedeutet für uns, dass wir ständig in „Hab Acht Stellung“ sein müssen. Christians Aorta-Verengung muss weiter- hin regelmäßig kontrolliert werden. Was ihm auch immer wieder Schwierigkeiten und Schmerzen bereitet ist der gastroösophageale Reflux. Wir haben zum Glück Medikamente, die ihm ganz gut helfen. Zusätzlich ist er schwerhörig. Seine Organe sind alle viel kleiner und liegen teilweise anders als üblich. Das erfordert spezielle ärztliche Betreuung. Die Behinderung ist inzwischen „Alltag“ Ja, aber dennoch ist sie eine große Belastung für uns. Wir sind inzwischen beide gesundheitlich angeschlagen. Wir brauchen einfach mehr Auszeiten. Seit 2012 nehmen wir den Familienunterstützenden Dienst in Anspruch und waren mehrmals zu zweit in Urlaub. Am Abend gehen wir manchmal alleine weg. Der Abstand ist schon wichtig! Auch an den Gedanken, Christian irgendwann in ein Wohnheim zu geben, müssen wir uns gewöhnen, auch wenn es uns unglaublich schwerfällt. Seine Weglauftendenz macht die Sache noch schwieriger. 46
Was war bisher ihre größte Herausforderung? Der Anfang war sicherlich die heftigste Zeit. Die Herausforderung ist jedoch immer da. Wir denken da nur an die ewigen Kämpfe mit Krankenkassen und Behörden... Wo schöpfen sie Kraft? Im Verein, auf Freizeiten und Treffen mit anderen Betroffenen. Wir sind wie eine große Familie und das macht Mut. Aber auch regelmäßige Auszeiten und unsere Freunde helfen uns sehr. Zu guter Letzt: Ihr Tipp an andere Eltern? Nach der Diagnose möglichst zügig Kontakt mit Betroffenen aufnehmen. So erhält man hilfreiche Beratung und Informationen zur Frühförderung und zur weiteren Behandlung. Elisabeth, Christian und Jürgen Kegel 47
3. Maja und ihre Hobbies Maja lernt Skifahren „Mama, wann gehen wir Skifahren?“ Diesen Satz von Maja hören wir meistens schon in den Sommerferien. Ferien und Skiurlaub gehören bei uns einfach zusammen…da muss man einfach sicherheitshalber im Sommer schonmal nachfragen. Schon als Maja ganz klein war, war sie immer im Skiurlaub dabei. Da war allerdings erstmal nur Schlittenfahren und Schneewandern angesagt. Begonnen mit Skifahren hat sie dann mit etwa 9 Jahren. Sicher zwischen Papas Beinen sollte sie erstmal lernen fest auf den Skiern zu stehen. Das hat sehr gut geklappt und Maja hatte sichtlichen Spaß daran mit Papa die leichten Pisten runterzufahren. Ein großer Vorteil ist hier sicher, dass Maja keine Angst vor Geschwindigkeit hat und dass sie ihrem Papa voll vertraut. Unermüdlich übten die beiden den ganzen Tag und Maja konnte immer besser das Gleichgewicht halten und sie stand immer sicherer auf ihren Skiern. Im Jahr darauf konnte Maja schon alleine ganz flache Pisten runterfahren. Das gab ihr viel Sicherheit und Motivation. „Papa, alleine fahren!“ war das Motto. Wir überlegten Maja zu einem Skikurs anzumelden. Zu dieser Zeit hatte Maja aber immer noch eine sehr ausgeprägte Weglauftendenz und wir trauten uns nicht sie in einer großen Skikursgruppe mitfahren zu lassen. Das Risiko, dass Maja abhandenkommt war uns zu groß. Wir übten lieber im Familienkurs mit großer Schwester als Vorbild. Wieder ein Jahr später machte Maja sehr große Fortschritte und lernte die Skier richtig 48
zu belasten. Zur Sicherheit konnte sie sich in steilerem Gelände noch an Papas Stöcken festhalten. Wir waren mal wieder mit Freunden gemeinsam im Skiurlaub und Maja wollte mit den anderen Kindern mithalten. Sie raste die Pisten runter und fand die Sache mit dem Bremsen wäre völlig überbewertet. Hier musste Papa doch nochmal deutliche Worte sprechen: „Maja, du musst am Ende der Piste langsam fahren und bremsen! Mama kann dich nicht auf- fangen!“ Beim Skiurlaub in einer großen Reisegruppe kam sie dann doch noch in den Genuss einer Einzelbetreuung durch eine Skilehrerin. Mit „Lenkrad“ ausgestattet wurde ausgiebig an der Kurventechnik gefeilt. Mittlerweile fährt Maja jede Piste sicher runter. Bei jeder Gelegenheit will sie durch den Funpark fahren und baut kleine Sprungschanzen und Slalomläufe ein. Und was ist am Ende eines anstrengenden Skitags natürlich das Wichtigste? Après-Ski! 49
4. Jedes Kind ist besonders -...aber die Verantwortung können wir nicht übernehmen! Unsere Tochter ist sechs Jahre alt und seit diesem Jahr schulpflichtig. Sie ist an Diabetes Typ 1 erkrankt und benötigt täglich eine Insulin- und Ernährungstherapie. Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der spezifische Zellen der Bauspeicheldrüse die Insulinproduktion eingestellt haben. Bisher ist diese Erkrankung nicht heilbar. Unsere Tochter misst seit fast vier Jahren den Blutzucker selbst, beim Essen- abwiegen und bei Unterzuckerungen benötigt sie Unterstützung. In der Kita haben dies vier Jahre lang die Erzieherinnen übernommen. Eine Insulininjek- tion ist am Vor- und am Nachmittag (Kita- oder Schulzeit) nicht erforderlich. Vor der Schuleinführung informierte uns die Schule, dass die Lehrer unserer Tochter bei der Therapie nicht helfen können, da sie die Verantwortung nicht übernehmen wollen/können. Eine externe Fachkraft wurde nicht genehmigt und wäre auch kontraproduktiv, da unsere Tochter schon sehr selbstständig ist. Daher mussten wir als Eltern für die Inklusion unserer Tochter in die Grund- schule kämpfen. Es hat uns oft traurig gestimmt, dass uns die Schule nicht richtig zugehört hat, nicht vertraut hat und unsere Tochter nicht unterstützen wollte. Es hat uns keiner gesagt: „Wir schaffen das gemeinsam“. Der Verein WIR DABEI! e. V. hat uns Eltern in dieser schwierigen Zeit begleitet und sehr unterstützt. Zu erwähnen ist, dass wir die Mitarbeiter- innen des Vereins, vergleichbar wie auch die Lehrer, noch nie zuvor gesehen und gesprochen hatten. ABER die Mitarbeiterinnen von Wir DABEI! haben uns lange geduldig zugehört, haben uns ausreden lassen und haben uns ihr Verständnis entgegengebracht. Gemeinsam haben wir nach Lösungen gesucht. Eine Beraterin des Vereins hat einen Tag vor der Schuleinführung an einem „Runden Tisch“ mit der Schulleitung, weiteren Lehrern und den Eltern in der Schule zum Thema Therapiebegleitung teilgenommen. Das hat uns sehr gestärkt. 50
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