Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV

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Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
Juni 2021

                                                                     nachhaltiges
                                                                     aus dem Öko-Institut

noch rund 30 Jahre
die Endlagerung hochradioaktiver abfälle
Ein vielfältiges Gremium   die junge Generation im nbG

Endlagerung international     Interview mit dr. allison Macfarlane

Geld für nachhaltigkeit   Eine Kolumne von Judith reise und cara-Sophie Scherf
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
2   IM FOKUS I Junge Generation im nbg
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
3

Mehr Jugend!
Die junge generation im
nationalen begleitgremium

ungefähr 60 Jahre wird er alt sein, wenn es wirklich los geht.     trauen, ihre gedanken frei zu äußern. außerdem sollten sie
Wenn die ersten hochradioaktiven abfälle in einem deutschen        über jugendfreundlichere, digitale Kanäle angesprochen wer-
endlager untergebracht werden. Vielleicht wird er sogar älter      den.“ einen wertvollen Schritt sieht er in speziellen Jugend-
sein. Heute ist Lukas Fachtan 27 Jahre alt und beteiligt sich an   Workshops, die er mit angeregt hat und die bereits drei mal
der Suche nach einem geeigneten Standort. gemeinsam mit            stattgefunden haben. „es ist wichtig, junge menschen für das
Jorina Suckow vertritt er die junge generation im nationalen       thema zu begeistern, denn bislang ist ihr Interesse daran eher
begleitgremium (nbg). Dieses gesellschaftliche gremium, zu         gering.“
dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Personen des
öffentlichen Lebens sowie bürgerinnen und bürger gehören,          ob er sich mit 60 immer noch mit endlagerung beschäftigt,
wurde eingesetzt, um die Standortsuche gemeinwohlorien-            kann Lukas Fachtan heute natürlich nicht sagen. Im mai 2021
tiert, wissenschaftsbasiert, unabhängig sowie vermittelnd zu       hat er sich der Wahl für eine erneute berufung ins nbg gestellt,
begleiten und damit zu einem transparenten und fairen aus-         musste sich aber einem mitbewerber geschlagen geben. „Ich
wahlverfahren beizutragen.                                         werde den Prozess natürlich weiter beobachten“, sagt der gie-
                                                                   ßener Student, „und ich hoffe, dass es in Zukunft gelingt, die
ein Zufallsgenerator brachte Lukas Fachtan, den geographie-        mitsprache und den einflussgrad von bürgerinnen und bür-
master-Studenten, und das nbg zusammen: Über ihn wurden            gern im beteiligungsprozess deutlich zu erhöhen.“
bürgerinnen und bürger ausgewählt, die gefragt wurden,
ob sie sich im gremium engagieren wollen. als sich die erste                                                      Christiane Weihe
Überraschung gelegt hatte, war dem Studenten klar: Das will
ich machen. „Ich finde es spannend, dass es ein solches demo-      https://www.nationales-begleitgremium.de
kratisches Verfahren gibt, das die gesellschaft mit einbezieht.    https://bit.ly/3cp9f9D
und natürlich fasziniert mich auch die aufgabe an sich, die-
se einmalige Herausforderung, die uns als gesellschaft noch
sehr lange beschäftigen wird. und die damit natürlich vor al-
lem die menschen betrifft, die heute jung sind.“ besonders die
Sicherheit des zukünftigen endlagers und eine aktive, ernst-
gemeinte Öffentlichkeitsbeteiligung interessieren ihn. „Dafür
ist es wichtig, dass alle menschen verstehen, worum es geht
und nicht nur die expertinnen und experten, die sich schon
jahrelang damit beschäftigen.“

nach drei Jahren mitarbeit im nbg sagt Lukas Fachtan: Die
Jugend könnte noch deutlich besser eingebunden werden.
„Ich plädiere zum beispiel sehr dafür, dass es spätestens
bei der Fachkonferenz im august ein eigenes Podium für                                   lukas Fachtan
die junge generation gibt. So könnte es zu einem besseren                       geographie-master-Student, hat die
austausch kommen, da sich die Jugendlichen dann eher                            junge generation Im nbg vertreten
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
4   Inhalt

                                                                                     10
                                                                              der lernende Prozess
                                                                         eine neue Form der Partizipation

                                                                  IM FOKUS: EndlaGErUnG
                                                              2 Mehr Jugend!
                                                                Die junge generation im
                                                                nationalen begleitgremium
                                                              6 Eine bunte landkarte
                                                                Der Zwischenbericht teilgebiete
                                                             10 Eine kontinuierliche aufgabe
                                                                Öffentlichkeitsbeteiligung im Jahrhundertprojekt
                                                                endlagerung
                                                             12 „Man muss viel ausprobieren und wird immer
                                                                wieder scheitern“
                                                                Interview mit Dr. allison macfarlane (university of
                                                                british Columbia)

                              6                              13   Porträts
                                                                  Julia mareike neles (Öko-Institut)
                     90 mögliche Gebiete
                                                                  Hans Hagedorn (Partizipationsbeauftragter)
                   Standorte für ein endlager
                                                                  asta von oppen (Die grünen)

                                                                  arbEIt
                Es ist ganz einfach. Oder nicht?
                                                             14 Von Umweltpolitik bis zum Podcast
                      nachhaltige Finanzen
                                                                aktuelle Projekte, neue Ideen
      eine Kolumne von Judith reise und Cara-Sophie Scherf

                            18
                                                             16 Von netzentwicklung bis zu Ölheizungen
                                                                Kurze rückblicke, abgeschlossene Studien

                                                                  PErSPEKtIVE
                                                             18 Es ist ganz einfach. Oder nicht?
                                                                nachhaltige Finanzen

                                                                  EInblIcK
                                                             19 Von Ehrenmitgliedern bis zur Jahrestagung
                                                                neuigkeiten aus dem Öko-Institut

                                                                  VOrSchaU
                                                             20 Ökologisch, gemeinsam und gerecht
                                                                transformationen sozial gestalten
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
EdItOrIal I IMPrESSUM                       5

                                eine neue, alte rolle
                                In Sachen atomkraft sind wir seit der gründung des Öko-Instituts vor über 40 Jahren weit
                                gekommen. Der ausstieg aus der Kernenergie wurde endgültig beschlossen, nächstes Jahr
                                werden die letzten reaktoren abgeschaltet. Für die Suche nach einem endlagerstandort gibt
                                es nun ein wissenschaftsbasiertes, transparentes, partizipatives und mehrstufiges Verfahren.
                                Dabei ist die expertise unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach wie vor ge-
                                fragt. Vor über vier Jahrzehnten stellten sie als erste unabhängige wissenschaftliche analysen
                                zur Verfügung, auf welche sich die anti-aKW-bewegung stützen konnte. Heute bringen sie
                                ihre unabhängige expertise in die Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung beim endlagerpro-
                                zess ein, begleiten das Verfahren durch eigene analysen und helfen, die aussagen techni-
                                scher berichte zu verstehen. Denn die Fragestellungen, die in diesem Verfahren bearbeitet
                                werden, sind oft sehr weit weg von unserem alltagswissen. Wer sich angemessen beteiligen
                                will, braucht daher wissenschaftliche unterstützung und Übersetzung.

                                Wir stehen vor einer gewaltigen aufgabe: ein endlager einzurichten, in dem hochradioaktive
                                abfälle für mindestens eine million Jahre sicher untergebracht sind. und damit auch vor einer
Jan Peter Schemmel              aufgabe mit hohem gesellschaftlichen Konfliktpotenzial. Schon heute regt sich Widerstand,
Sprecher der Geschäftsführung   der sicher deutlich zunehmen wird, sobald sich die Zahl potenzieller Standorte verkleinert.
des Öko-Instituts               Deshalb führt an diesem groß angelegten Partizipationsprozess kein Weg vorbei. ein Prozess,
j.schemmel@oeko.de              der sich weiter mit jedem Schritt bewähren muss, auch deshalb ist die entscheidung für ein
                                selbsthinterfragendes und lernendes Verfahren so wichtig. Dabei gilt es zudem, den stattfin-
                                denden generationswechsel im thema zu meistern und sicherzustellen, dass wertvolles Wis-
                                sen und expertise nicht verloren gehen. Wir freuen uns, dass wir als Öko-Institut mit unseren
                                erfahrenen wie mit unseren neueren und jüngeren mitarbeitenden hierzu einen wichtigen
                                beitrag leisten können.

                                Julia neles, die im märz 2021 die stellvertretende Leitung des bereichs nukleartechnik & an-
                                lagensicherheit übernommen hat, spricht in ihrem beitrag einen Punkt an, der angesichts der
                                geologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der endlagerung schon frühzeitig
                                stark kritisiert wurde: Dass die Kernenergie in betrieb genommen wurde, ohne dass die Frage
                                ihrer Hinterlassenschaften geklärt war. ein Fehler, den wir nicht wiederholen dürfen, und ein
                                mahnendes beispiel, bei neuen technologien stets ihre Folgewirkungen im auge zu behalten,
                                so zukunftsweisend und sauber diese auf den ersten blick auch zu sein scheinen. etwas, das
                                das Öko-Institut seit über 40 Jahren tut – und weiter tun wird. Ich freue mich, wenn Sie uns
                                dabei unterstützen!

                                Ihr
                                Jan Peter Schemmel

                                Weitere Informationen zu unseren themen finden Sie im Internet unter www.oeko.de/epaper

                                eco@work – Juni 2021 – ISSn 1863-2009 – Herausgeber: Öko-Institut e.V.
                                redaktion: mandy Schoßig (mas), Christiane Weihe (cw) – Verantwortlich: Jan Peter Schemmel
                                Weitere autorinnen und autoren: martin möller, anette nickels (ani), Judith reise, Jan Peter Schemmel, Cara-Sophie Scherf
                                Druckauflage: 2.150; digitale Verbreitung: rund 7.000 abonnentinnen und abonnenten – Im Internet verfügbar unter: www.oeko.de/epaper
                                gestaltung/Layout: tobias binnig, www.gestalter.de – technische umsetzung: markus Werz – gedruckt auf 100-Prozent-recyclingpapier
                                redaktionsanschrift: borkumstraße 2, 13189 berlin, tel.: 030/4050 85-0, Fax: 030/4050 85-388, redaktion@oeko.de, www.oeko.de
                                bankverbindung für Spenden:
                                gLS bank, bLZ 430 609 67, Konto-nr. 792 200 990 0, Iban: De50 4306 0967 7922 0099 00, bIC: genoDem1gLS
                                Spenden sind steuerlich abzugsfähig.
                                bildnachweis: titel sowie Seiten 4 oben, 6-7, 10-11 © bge (https://www.bge.de/fileadmin/user_upload/Standortsuche/Wesentliche_
                                unterlagen/Zwischenbericht_teilgebiete/Karte_teilgebiete_a0.jpg), modifiziert von tobias binnig im auftrag des Öko-Instituts; S.3: ©
                                nbg/aygül Cizmecioglu; S.4/18 © Vladimir Igonin – stock.adobe.com; S.13: mitte © nbg/aygül Cizmecioglu, rechts © rainer erhard; S.14
                                © fStopImages / malte müller; S.15 © Halfpoint – stock.adobe.com; S16 © Victor – stock.adobe.com; S.17 © eric Isselée – stock.adobe.com;
                                andere © Privat oder © Öko-Institut, Ilja C. Hendel
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
6   IM FOKUS

               eine bunte
                Landkarte
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
7

Der Zwischenbericht teilgebiete
Viel Orange, viel lila, ein klein wenig Grün. die    wurden nach festgelegten Kriterien bewertet und
landkarte, auf der die bundesgesellschaft für End-   schließlich im September 2020 im so genannten
lagerung (bGE) mögliche teilgebiete ausweist,        zwischenbericht teilgebiete der bGE veröffentlicht.
strahlt in vielen Farben. Sie zeigen, wo es tonge-   In unterschiedlichen Projekten beschäftigt sich das
stein gibt, wo Granit oder Salzvorkommen. Und vor    Öko-Institut mit den Grundlagen des zwischenbe-
allem: In welchen Gebieten in deutschland nach       richts und seinen Inhalten ebenso wie mit den Kon-
jetzigem Wissensstand ein zukünftiges Endlager       sequenzen für verschiedene regionen in deutsch-
für hochradioaktive abfälle entstehen kann. Sie      land.
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
8   IM FOKUS

    Laut dem Zwischenbericht Teilgebie-        Das StandAG definiert drei Gruppen
    te kommen in Deutschland 90 Gebiete        von Kriterien. Zunächst werden Aus-
    grundsätzlich für ein Endlager in Frage,   schlusskriterien angewandt, um Gebie-
    da sie nach derzeitigem Stand über die     te zu identifizieren, die nicht in Frage
    geologischen Voraussetzungen ver-          kommen. So darf es an einem zukünf-
    fügen, die im Standortauswahlgesetz        tigen Standort keine seismischen oder
    (StandAG) festgelegt sind. Dazu ge-        vulkanischen Aktivitäten oder großräu-
    hören das bayerische Fichtelgebirge        mige Hebungen geben. „Diese entste-
    und der Alb-Donau-Kreis ebenso wie         hen durch sehr langsam ablaufende
    die Mecklenburgische Seenplatte und        Prozesse in der Erde, zum Beispiel die
    Friesland oder Städte wie Berlin und       Plattentektonik“, sagt Dr. Saleem Chau-
    Stuttgart.                                 dry vom Öko-Institut. „Ausgeschlossen
                                               sind außerdem Gebiete mit aktiven
                                               geologischen Störungszonen, bei de-
    Eine Gesteinsschicht, die für ein          nen es etwa Brüche im Gestein gibt,
    Endlager in Frage kommt, muss              oder jungen Grundwasservorkommen,
    mindestens                                 die im Austausch mit der Biosphäre
                                               stehen.“ Zudem sieht das StandAG Min-
                                               destanforderungen für ein mögliches
                                               Endlager vor, die im zweiten Schritt für
                                               den Zwischenbericht Teilgebiete an-
                                               gewandt wurden. „So muss die Durch-
                                               lässigkeit des Gesteins, in dem es ein-
                                               gerichtet wird, äußerst gering sein, die

                                                                                              54
                                               Gesteinsschicht muss mindestens 100
                                               Meter dick sein, der Gesteinsbereich              Mehr als
                                               muss mindestens 300 Meter unter der
                                               Oberfläche liegen und groß genug für
                                               ein Endlager sein, das alle nuklearen
                                               Abfälle fasst, die in Deutschland anfal-
                                               len,“ sagt der Geologe aus dem Bereich
                                               Nukleartechnik & Anlagensicherheit. In
                                               einem dritten Schritt kamen für die Aus-
                                               wahl elf so genannte geowissenschaft-
                                               liche Abwägungskriterien zum Tragen,
                                                                                                 Prozent der Bundesfläche
                                               so etwa die Temperaturverträglichkeit
                                                                                                 kommen derzeit noch für ein
                                               des Gesteins, der mögliche Schutz eines
                                                                                                 Endlager in Frage.
                                               Endlagers durch das Deckgebirge oder
                                               auch die hydrochemischen Verhältnisse.
                                                                                           Nach Anwendung dieser Kriterien und
                                                                                           Anforderungen sind nun immerhin
                                                      Eine Million Jahre                   noch 54 Prozent der deutschen Lan-
                                                                                           desfläche übrig, sie wurden im Zwi-
                                                                                           schenbericht Teilgebiete veröffentlicht.
                                               All jene Kriterien sollen gewährleisten,    In einem aus Eigenmitteln finanzierten
                                               dass die hochradioaktiven Abfälle – also    Projekt begleitet das Öko-Institut das
                                               vor allem abgebrannte Brennelemente         Verfahren wissenschaftlich, so durch
                                               und verglaste Spaltprodukte aus der         Analysen und eine Teilnahme an den
                                               Wiederaufbereitung – für mindestens         zugehörigen Fachkonferenzen (siehe

300
                                               eine Million Jahre sicher im zukünfti-      hierzu ausführlich „Eine kontinuierliche
                                               gen Endlager eingeschlossen bleiben.        Aufgabe“ auf Seite 10). „Darüber hin-
                                               „Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es       aus veröffentlichen wir Statements
                                               derzeit keine Alternative zu einer unter-   und Beiträge zum Zwischenbericht,
                                               irdischen Lagerung dieser Abfälle. Geo-     die aktuelle Fragestellungen aufbe-
                                               logische Barrieren können langfristig       reiten, und stellen Hintergrundinfor-
                                               verhindern, dass die radioaktiven Stoffe    mationen für alle Interessierten zur
                                               wieder an die Oberfläche kommen“, so        Verfügung“, so Chaudry. Grundsätzlich
                                               Chaudry, „ergänzt wird dies natürlich       beurteilen die Wissenschaftlerinnen
                                               durch technische und geotechnische          und Wissenschaftler den Zwischenbe-
    Meter unter der                            Barrieren – etwa mit Blick auf den Ver-     richt Teilgebiete als wichtigen Schritt,
    Oberfläche liegen.                         schluss des Endlagers.“                     der die Menschen über den Prozess auf
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
9

dem Laufenden hält und frühzeitig die         in Frage kommt, daher haben wir un-          ten zur umsetzung der Kriterien nach
möglichkeit bietet, sich ins Verfahren        tersucht, auf welcher grundlage dieses       den §§ 22-24 Standag in methoden
einzubringen. „an vielen Stellen ist der      gebiet ausgesucht wurde.“ Zwei Salz-         zur Kriterienanwendung durch die bun-
bericht auch gelungen und die Kriteri-        stöcke und ein Verbreitungsgebiet von        desgesellschaft für endlagerung mbH“
en wurden sinnvoll angewendet und             tongestein wurden im Zwischenbericht         erstellt. „Die bürgerinitiative hat uns
auch nachvollziehbar bearbeitet.“ an          als teilgebiete ausgewiesen. „Wir haben      schon vor der Veröffentlichung des Zwi-
anderer Stelle jedoch kritisieren die ex-     in der analyse festgestellt, dass etwa       schenberichts teilgebiete damit beauf-
pertinnen und experten die methodik           mit blick auf die abwägungskriterien         tragt, die eignung der darin angewand-
des berichts. „bevor etwa eine Prognose       nur allgemeine Informationen zu den          ten Kriterien zu prüfen“, erklärt der geo-
zu Vulkanismus in einem bestimmten            gesteinen, ihrer Lage, erstreckung und       loge, „dabei haben wir festgestellt, dass
gebiet abgegeben wird, müssen die In-         mächtigkeit genutzt wurden“, sagt Sa-        die anforderungen und Kriterien des
dikatoren hierfür überprüft werden, da        leem Chaudry, „Detailinformationen           Standag überwiegend nachvollziehbar
es hier unterschiedliche wissenschaftli-      aus dem gebiet der Samtgemeinde              und angemessen in anwendungsme-
che einschätzungen gibt.“ Kritisch sieht      wurden für die bewertung aus unserer         thodiken übersetzt wurden.“
Chaudry zudem, dass viele vorliegende         Sicht nicht genutzt.“
Daten etwa zu bereits durchgeführ-
ten bohrungen für den bericht bislang         auch das emsland hat das Öko-Institut                  dEr FarbVErlUSt
nicht genutzt wurden. „Dies ist der Prä-      bereits beraten. „auf dem gebiet des
misse der Vergleichbarkeit geschuldet,        Landkreises gibt es insgesamt zehn
da diese Daten dann vielleicht für eine       mögliche teilgebiete, drei davon Salz-       Die Suche nach einem endlagerstand-
region vorliegen und für eine andere          stöcke, die nah aneinander liegen“, so       ort wird bald in die nächste Phase ge-
nicht. Im weiteren Verfahren sollten          der Wissenschaftler, „die Verantwortli-      hen. Dann erkundet die bge potenzielle
diese Informationen zur standortspezi-        chen wollten wissen, ob diese in Frage       Standortregionen erst von der erdober-
fischen bewertung genutzt werden.“            kommen werden für ein endlager. Da-          fläche und grenzt die auswahl weiter
                                              rüber hinaus haben wir sie bei der ein-      ein, etwa auf grundlage seismischer
Zusätzlich bewertet das Öko-Institut          richtung eines eigenen begleitgremi-         untersuchungen. In einer dritten Phase
den äußerst umfangreichen bericht             ums unterstützt.“ Im gutachten „Fachli-      folgen dann untertätige erkundungen
als zu wenig strukturiert angesichts          che beratung des Landkreises emsland         und ein Standortvorschlag, über den
der Komplexität des Inhalts. „ein Laie        zu den ergebnissen des Zwischenbe-           schließlich der bundestag abstimmen
wird sich darin kaum zurechtfinden“,          richts teilgebiete im Standortauswahl-       muss. bis 2031 soll ein Standort gefun-
sagt der experte, „an vielen Stellen ist      verfahren für ein endlager“ stellt das       den werden. und so wird die Landkarte
es selbst für Wissenschaftlerinnen und        Öko-Institut fest, dass die methodik,        der bge sich mehr und mehr auf ein-
Wissenschaftler, die täglich an diesem        die zur auswahl der Salzstöcke führte,       zelne gebiete statt auf große Flächen
thema arbeiten, schwierig, die ent-           nachvollzogen werden konnte. gleich-         konzentrieren – und damit deutlich an
scheidungen nachzuvollziehen, die da-         zeitig stellt das gutachten an mehreren      Farbe verlieren.
rin dokumentiert werden.“ Die ursache         Stellen einen ergänzungs- sowie Über-
sieht er hier unter anderem in der kur-       prüfungsbedarf fest. „es wurden zum                                      Christiane Weihe
zen Zeit, die für den bericht aufgewandt      beispiel standortspezifische Daten,
wurde – „dabei ist es weder nötig noch        die bereits aus erdölschürfbohrungen
sinnvoll, dass sich die Verantwortlichen      existieren, nicht zur bewertung genutzt
hier unter Zeitdruck setzen.“                 – dies sollte sich im weiteren Verfah-
                                              ren ändern“, sagt Chaudry, „außerdem
                                              sollte zum beispiel noch einmal geprüft
   WIrKUnG In dEn rEGIOnEn                    werden, welche aktiven Störungszonen
                                              es in den Salzstöcken gibt und welchen
                                              einfluss dies auf ihre eignung als teilge-
aus Sicht von Dr. Saleem Chaudry              biet hat.“ Das gutachten stellt außerdem
braucht der Zwischenbericht teilgebie-        fest, dass die mindestanforderungen
te für all jene, die damit arbeiten wollen,   für den Flächenbedarf des zukünftigen
aber nicht vom Fach sind, dringend eine       endlagers – drei Quadratkilometer für
Übersetzungsleistung, denn „gerade            Steinsalz, sechs für Kristallingestein und
kommunale Vertreterinnen und Ver-             zehn für tonstein – geprüft werden soll-
treter müssen früher oder später in der       ten, „etwa mit blick darauf, ob die Fläche
Lage sein, sich mit dem thema ausein-         auch dann ausreichend ist, wenn man
ander zu setzen.“ Diese Übersetzungs-         eine rückholbarkeit der hochradioakti-         Der Diplom-Geologe Dr. Saleem Chaudry wid-
leistung hat das Öko-Institut zum bei-        ven abfälle gewährleisten will.“              met sich am Öko-Institut aus unterschiedlichen
spiel für die Samtgemeinde bevensen-                                                        Perspektiven der Entsorgung radioaktiver Abfäl-
ebstorf in niedersachsen übernommen           Darüber hinaus haben die Wissen-               le. Im Bereich Nukleartechnik & Anlagensicher-
                                                                                              heit beschäftigt er sich unter anderem mit der
und eine Kurz-beratung durchgeführt.          schaftlerinnen und Wissenschaftler            Geochemie saliner Gesteine sowie der Inter- und
„Die Samtgemeinde wollte wissen, wa-          für die bürgerinitiative umweltschutz        Transdisziplinarität in der Entsorgungsforschung.
rum sie als Standort für ein endlager         Lüchow-Dannenberg das „Kurzgutach-                            s.chaudry@oeko.de
Noch rund 30 Jahre die Endlagerung hochradioaktiver abfälle - Öko-Institut eV
10 IM FOKUS

   Eine kontinuierliche
   Aufgabe Öffentlichkeitsbeteiligung
                                        im Jahrhundertprojekt Endlagerung

   Ein Endlager direkt vor meiner Haustür? Viele Menschen              gesellschaftliche Erfordernisse und Erwartungen. Zentral
   können sich das nicht vorstellen. Sie haben Ängste und              ist daher die frühzeitige und aktive Einbindung der Gesell-
   Bedenken, die zu großem Widerstand gegen diese Ein-                 schaft. Wie Öffentlichkeitsbeteiligung im Jahrhundertpro-
   richtung führen können. Deshalb sind bei der Suche nach             jekt Endlagerung gelingen kann und welche Herausforde-
   einem geeigneten Standort nicht nur technische oder geo-            rungen sich schon heute in diesem Verfahren zeigen, damit
   wissenschaftliche Fragen von Bedeutung, sondern auch                beschäftigt sich auch das Öko-Institut.

   „Die Suche nach einem Endlagerstand-                                                      fahren aussehen könnte und welchen
   ort steht vor der gewaltigen Aufgabe,          Ein gelingendes Verfahren                  Gestaltungsspielraum das StandAG
   dass ihr Ergebnis von der gesamten Ge-                                                    hierfür bereithält“, sagt Brohmann.
   sellschaft getragen und toleriert wird                                                    Wichtig seien etwa unterschiedliche
   – auch und vor allem von jenen, die un-       Wie die formellen und informellen For-      Formen der Beteiligung, die mit der
   mittelbar betroffen sein werden“, sagt        men der Öffentlichkeitsbeteiligung          Zeit ergänzt werden können, und auch,
   Dr. Bettina Brohmann, Forschungskoor-         bestmöglich gestaltet werden können,        dass diese im Prozess kontinuierlich
   dinatorin Transdisziplinäre Nachhaltig-       damit hat sich das Öko-Institut für das     überdacht und bei Bedarf nachjustiert
   keitswissenschaften am Öko-Institut.          Bundesamt für die Sicherheit der nu-        werden. „Alle Akteurinnen und Akteure
   „Dies kann nur in einem schrittweisen,        klearen Entsorgung (BASE) im Projekt        sollten außerdem von Anfang an in den
   transparenten und konsensorientierten         „Öffentlichkeitsbeteiligung bei der End-    Prozess einbezogen werden und dafür
   Verfahren bewältigt werden, das Bürge-        lagersuche: Herausforderungen eines         müssen ausreichend Zeit und Geld so-
   rinnen und Bürger aktiv einbezieht und        generationenübergreifenden, selbst-         wie passende Strukturen zur Verfügung
   Mitgestaltung ermöglicht.“ Es braucht         hinterfragenden und lernenden Verfah-       stehen. Ziele und Spielräume der Parti-
   eine Partizipation, die über Informati-       rens“ beschäftigt. Gemeinsam mit dem        zipation sollten stets klar kommuniziert
   on und Konsultation hinaus geht, also         Institut für Technikfolgenabschätzung       werden.“
   einen offenen Dialog mit Gestaltungs-         und Systemanalyse (ITAS) des Karlsru-
   spielräumen für die Beteiligten, sagt die     her Instituts für Technologie (KIT) und     Erfolgsfaktoren für eine gelingende
   Expertin. Die Grundlagen dafür sind ge-       der team ewen GbR haben die Wis-            Partizipation seien auch Offenheit und
   legt. „Mit der Novellierung des StandAG ­     senschaftlerinnen und Wissenschaftler       Interesse für die Ergebnisse der Betei-
   wurde eine neue Form der Öffentlich-          zunächst eine umfassende Literatur-         ligung sowie natürlich deren systema-
   keitsbeteiligung etabliert: ein sich selbst   analyse durchgeführt und Erfahrungen        tische Berücksichtigung. Hierfür seien
   hinterfragender und lernender Prozess.        verschiedener Verfahren analysiert.         Reflexion und Lernen innerhalb der
   Das ist eine besondere Herausforde-           „Vor diesem Hintergrund haben wir           Institutionen wichtig, aber auch zwi-
   rung, aber auch eine große Chance.“           skizziert, wie eine gute Öffentlichkeits-   schen den Akteurinnen und Akteuren
                                                 beteiligung im Standortauswahlver-          des Verfahrens. „Nur dann kann das
11

Verfahren wirklich lernen. Dazu gehört     Information sowie der beteiligung der          raum für Dialog und Diskussion lassen
auch, zu akzeptieren, dass es während      menschen vor ort, die über die regio-          und das Verfahren noch zu langsam
des Prozesses Änderungen geben kann.       nalkonferenzen auch nachprüfungen              lernt. „es ist außerdem noch unklar, wie
Schließlich wird er sich über eine lange   einfordern können“, erklärt die Wis-           empfehlungen geprüft und dann tat-
Zeit hinziehen“, sagt brohmann. „gleich-   senschaftlerin. Der rat der regionen,          sächlich in den Prozess aufgenommen
zeitig muss das Verfahren auch dann ro-    der sich aus Vertreterinnen und Vertre-        werden.“ auch ein besserer Zugang zu
bust und stabil bleiben, wenn sich die     tern der regionalkonferenzen und der           wissenschaftlichem Wissen sei notwen-
gesellschaftlichen rahmenbedingun-         Zwischenlager-Standortgemeinden                dig, etwa über ein wissenschaftliches
gen ändern.“ essenziell sei zudem eine     zusammensetzt, soll den Prozess dann           gremium, das bei bedarf einschät-
enge Zusammenarbeit zwischen allen         zudem aus überregionaler Sicht be-             zungen und gutachten zur Verfügung
beteiligten aus Politik, behörden und      gleiten und dem Interessenausgleich            stellt. „Darüber hinaus braucht es eine
Zivilgesellschaft. „Wir brauchen eine      zwischen den möglichen Standortre-             noch repräsentativere beteiligung und
gemeinsame Wissensbasis und die ge-        gionen dienen. „Darüber hinaus gibt            gesellschaftliche Vermittlung. Hierfür
meinsame arbeit an den aktuellen und       es noch weitere, informellere Formen           müssen wir weitere gruppen motivie-
zukünftigen Prozessen.“ Im weiteren        der Öffentlichkeitsbeteiligung wie             ren, an den Veranstaltungen teilzu-
Prozess müssten zudem jene regionen        Workshops zur Jugendbeteiligung, on-           nehmen, etwa aus Jugendverbänden
begleitet und unterstützt werden, die      linekonsultationen oder digitale Dia-          oder Kirchen.“ Die beteiligungsexpertin
konkreter als endlagerstandort in Frage    logangebote. Wichtiger baustein ist            wünscht sich außerdem ein höheres
kommen – auch mit blick auf regionale      außerdem eine Informationsplattform,           mediales engagement. „Hierfür sollte
unterschiede bei den ressourcen und        die unter anderem über den Stand der           die medienarbeit ausgeweitet und da-
Kompetenzen, die nötig sind, um sich       Suche informiert und wichtige Doku-            bei unter anderem der innovative Cha-
in das Verfahren einzubringen.             mente bereithält.“                             rakter des auswahlverfahrens betont
                                                                                          werden.“

   FOrMEn dEr bEtEIlIGUnG                     EIn lErnEndES VErFahrEn                     ein endlager direkt vor meiner Haustür?
                                                    WIrd GESUcht                          es ist eine aufgabe für mehrere gene-
                                                                                          rationen und die gesamte gesellschaft,
Das Standortauswahlgesetz sieht ver-                                                      dass die zukünftigen nachbarinnen
schiedene Formen und gremien für           es zeigen sich hier viele Formate, die teil-   und nachbarn des deutschen endla-
die Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Im     weise schon heute kritisch beleuchtet          gers dieses tolerieren können. und
oktober 2020 wurde mit einer auftakt-      werden. Zu recht, wie die expertin vom         eine Herausforderung für dieses neue
veranstaltung zur Vorbereitung der         Öko-Institut findet. „Der Prozess funk-        Verfahren, das sich in den kommenden
folgenden drei beratungstermine der        tioniert noch nicht so, wie er könnte“,        monaten und Jahren immer wieder
Fachkonferenz teilgebiete begonnen.        sagt sie, „das liegt sicher daran, dass wir    beweisen und anpassen muss. Für sein
bei diesen werden ergebnisse der bge       es mit neuen Institutionen und Struk-          gelingen braucht es aus Sicht von bet-
aus dem Zwischenbericht teilgebiete        turen zu tun haben“. Dass die Fachkon-         tina brohmann nicht zuletzt eine ehrli-
besprochen, die für die auswahl von        ferenz im Februar 2021 mit über 1.000          che Wertschätzung für die zukünftige
Standortregionen und schließlich zur       teilnehmerinnen und teilnehmern sehr           Standortregion – was beispielsweise
bestimmung eines Standortes dienen         gut besucht war und nur online statt-          eine mögliche Kompensation ausdrü-
(siehe hierzu ausführlich „Eine bunte      gefunden hat, war auch eine besonde-           cken würde – auch in Hinsicht darauf,
Landkarte“ auf Seite 6). Im anschluss      re Herausforderung – „Das machte es            welche wichtige Jahrhundertaufgabe
an die Fachkonferenzen wird es regi-       schwierig, alle gruppen ausreichend zu         sie für unsere gesamte gesellschaft
onalkonferenzen geben. „Diese finden       Wort kommen zu lassen und zu hören.“           übernehmen wird.
überall dort statt, wo es eine übertä-     Kritisiert wird unter anderem, dass die
gige erkundung gibt. Sie dienen der        bisherigen Veranstaltungen zu wenig                                        Christiane Weihe

                                                                                             Dr. Bettina Brohmann koordiniert am Öko-
                                                                                            Institut die Forschung zu Transdisziplinären
                                                                                          Nachhaltigkeitswissenschaften. Darüber hinaus
                                                                                           beschäftigt sie sich unter anderem mit der Kon-
                                                                                           sumenten- und Motivationsforschung, der Be-
                                                                                          teiligung an Entscheidungsprozessen sowie den
                                                                                          sozialen Aspekten der Energie- und Klimapolitik.
                                                                                                        b.brohmann@oeko.de
12 IM FOKUS I InterVIeW

   “Man muss viel
   ausprobieren und wird
   immer wieder scheitern“
   In Finnland wird schon gebaut, in           anlagen bei sich haben, ob sie dafür        auch für jene geben, die in opposition
   Frankreich ist ein Standort festgelegt,     bereit wären. Das hat sich ausgezahlt:      zu einem endlager stehen.
   die USa stecken fest. rund um den           Sie haben zwei Kommunen gefunden,
   Globus beschäftigen sich Staaten mit        in denen mehr als 80 Prozent der bevöl-     Wo stehen die USa bei diesem thema?
   der Suche nach einem Endlagerstand-         kerung die einrichtung des endlagers        Leider nirgendwo. und seit das ener-
   ort. dr. allison Macfarlane ist eine der    unterstützt.                                gieministerium 2010 die behörde auf-
   wichtigsten nuklearexpertinnen der                                                      gelöst hat, die für die entsorgung von
   USa. Sie war Vorsitzende der nuclear        In Frankreich, einem Land mit sehr          atommüll zuständig war, gibt es keine
   regulatory commission (nrc) sowie           vielen Kernkraftwerken, wurde bure          nationale organisation, die den um-
   Mitglied der blue ribbon commission         in Lothringen als Standort festgelegt.      gang mit radioaktiven abfällen feder-
   on america’s nuclear Future. heute          großbritannien war mal nah dran, einen      führend übernimmt.
   leitet sie die School of Public Policy      Standort auszusuchen, musste nach er-
   and Global affairs an der University of     heblichem Widerstand die Suche aber         Warum stecken die USa in diesem Pro-
   british columbia in Vancouver, Kana-        noch mal neu starten. auch Japan hat        zess fest?
   da. Im Interview mit eco@work spricht       nach dem unfall von Fukushima wieder        Zum einen, weil der ursprüngliche Plan,
   sie über den Stand der weltweiten           angefangen, nach einem passenden            mehrere Standorte zu untersuchen, aus
   Standortsuche, Erfolgsfaktoren für          Standort zu suchen.                         Kostengründen wieder eingestampft
   eine gelingende Standortfestlegung,                                                     wurde. es gibt jetzt auch niemanden,
   aber auch den Stand der Endlagerthe-        Wie wird die Suche nach einem Stand-        der einen anreiz hat, die Dinge wieder
   matik in ihrem heimatland.                  ort erfolgreich?                            in gang zu setzen. Die einzigen men-
                                               eine wichtige erkenntnis aus den bis-       schen, die ein Interesse daran hätten,
   dr. Macfarlane, welches land ist bei        herigen Verfahren ist aus meiner Sicht,     das müllproblem zu lösen, sind jene, die
   der Einrichtung eines Endlagers am          dass es in der regel keinen gradlinigen     in der nähe von stillgelegten Kernkraft-
   weitesten fortgeschritten?                  Prozess gibt. Sondern dass man etwas        werken wohnen, wo die hochradioakti-
   Definitiv Finnland. es wird wahrschein-     ausprobieren muss und dann wahr-            ven abfälle weiterhin gelagert werden.
   lich als erstes Land ein endlager in be-    scheinlich scheitert, um dann wieder et-    Das betrifft derzeit bereits 19 anlagen
   trieb nehmen. Dieses ist auf der Halbin-    was auszuprobieren und vielleicht noch      mit 21 reaktoren, 2025 werden es schon
   sel olkiluoto an der Westküste bereits      mal zu scheitern. aber irgendwann ver-      24 anlagen sein. Doch diese menschen
   im bau, es wird dann nur noch eine wei-     sucht man es und es gelingt.                haben leider keine laute Stimme.
   tere genehmigung brauchen, um es zu
   betreiben.                                  außerdem braucht es viele Kompro-           Vielen dank für das Gespräch.
                                               misse und Verhandlungen und die Zu-         Das Interview führte Christiane Weihe.
   Wie sieht es in anderen ländern aus?        sammenarbeit mit den menschen vor
   Schweden ist ebenfalls relativ weit, auch   ort. man kann nicht einfach in eine
   hier wurde bereits ein Standort ausge-      Kommune gehen und sie ohne Diskus-
   wählt. es liegt direkt beim Kernkraft-      sion als endlagerstandort festlegen. Die
   werk Forsmark im osten Schwedens,           menschen müssen eine gelegenheit
   die behördliche Überprüfung läuft.          haben, nein zu sagen. natürlich nur bis
   Hier mussten übrigens unterschied-          zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ist die
   liche methoden ausprobiert werden,          formale genehmigung erst mal erteilt,
   um einen Standort zu finden. Zunächst       ist es dann doch zu spät dafür. Wichtig
   wurde nach geeigneten geologischen          ist zudem, dass die gemeinde finanzi-
   Formationen gesucht, dann fragten sie       elle ressourcen erhält, um eigene be-
   Kommunen, ob sie das endlager freiwil-      ziehungsweise unabhängige untersu-
   lig bei sich einrichten würden. Da gab      chungen in auftrag geben zu können
   es auch welche, doch das passte dann        und sich nicht darauf verlassen zu müs-                 Im Interview mit eco@work:
                                                                                            Dr. Allison Macfarlane, Direktorin der School of
   leider aus geologischen gründen nicht.      sen, dass das schon stimmen wird, was
                                                                                           Public Policy and Global Affairs an der University
   am ende wurden gezielt Kommunen             die regierung oder die atomwirtschaft           of British Columbia (Vancouver, Kanada)
   gefragt, die bereits nukleartechnische      sagt. bestenfalls sollte es solche mittel               allison.macfarlane@ubc.ca
IM FOKUS I PortrÄtS 13

                                                        hans hagedorn
                                              Partizipationsbeauftragter des nbg                     asta von Oppen
          Julia Mareike neles                                                                      Fraktionsvorsitzende
   Stellvertretende bereichsleiterin        Läuft es gut? Diese Frage begleitet Hans               der grünen in gartow
            am Öko-Institut                 Hagedorn kontinuierlich. Denn die
                                            aufgabe des Partizipationsbeauftrag-          Sie hat lange gegen ein endlager ge-
Dass sich niemand über die weitrei-         ten des nationalen begleitgremiums            kämpft. gegen jenes, das in gorleben
chenden Konsequenzen gedanken               (nbg) ist es, die staatlichen und gesell-     entstehen sollte. „Ich habe mich schon
gemacht hat, verwundert sie immer           schaftlichen organisationen dabei zu          1977 an den Protesten gegen ein atom-
noch. „Da wird eine technologie entwi-      unterstützen, im Verfahren der Stand-         mülllager im Wendland beteiligt“, sagt
ckelt und in betrieb genommen – aber        ortauswahl gut zusammenzuarbeiten.            asta von oppen, „daher war ich sehr
was mit den Hinterlassenschaften der        Zu prüfen, ob die Öffentlichkeitsbeteili-     erleichtert, dass gorleben laut dem Zwi-
Kernenergie passiert, blieb unklar“, sagt   gung funktioniert. rechtzeitig zu erken-      schenbericht teilgebiete nun nicht mehr
Julia mareike neles, „nun muss die ge-      nen, wo Konflikte entstehen könnten.          als endlagerstandort in Frage kommt.“
sellschaft einen großen aufwand be-         „Wichtig ist, dass man jenen, die betrof-
treiben, um eine sichere endlagerung        fen sein könnten, das auch rechtzeitig              „Die Beteiligungsformate
zu gewährleisten.“ eine gewaltige auf-      klar macht“, sagt er, „ihnen zu verdeut-          der Standortsuche brauchen
gabe, sagt neles, die im märz 2021 die      lichen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt
                                                                                                  mehr Unterstützung.“
stellvertretende Leitung des bereichs       ist, sich am Verfahren zu beteiligen.“
nukleartechnik & anlagensicherheit
übernommen hat, aber auch eine span-          „Konflikte, die heute konstruktiv           Doch schon vor dieser entscheidung hat
nende. „Zu lösen ist sie auf einer natur-     und öffentlich ausgetragen wer-             die aktivistin und Politikerin angefan-
wissenschaftlich-technischen ebene.                                                       gen, sich für eine gesamtgesellschaft-
aber ohne die gesellschaftliche und          den, können das Vertrauen in den             liche Suche nach einem geeigneten
politische ebene wird es nicht gehen. “     Standortauswahl-Prozess erhöhen.“             Standort zu engagieren. „mit der Katas-
                                                                                          trophe von Fukushima und dem end-
     „Erstmal vertraue ich dem              aktuell beschäftigt den Partizipations-       gültigen ausstieg aus der Kernenergie
                                            beauftragten vor allem die Frage, wie         in Deutschland gab es einen neustart
      Verfahren der Suche nach
                                            die Öffentlichkeitsbeteiligung nach           in diesem Prozess“, sagt sie. Deswegen
     einem Endlagerstandort.“               den Fachkonferenzen weiter gestaltet          hat sie als Sprecherin der arbeitsgruppe
                                            werden kann. „Hier gibt es eine beteili-      Vorbereitung die erste Fachkonferenz
Die expertin sieht die gesamte gesell-      gungslücke. Derzeit wird diskutiert, wie      teilgebiete mit organisiert – sie fand im
schaft gefordert, dem Verfahren eine        sie geschlossen werden kann.“ aus Sicht       Februar 2021 mit über 1.000 Personen
Chance zu geben und sich zu beteiligen      von Hans Hagedorn braucht es hierfür          online statt.
– auch die Wissenschaft. „Wir am Öko-       weniger die großen, repräsentativen
Institut sehen es als unsere aufgabe        Veranstaltungen, sondern kleinere und         „Hier gab es eine Chance, mitzugestal-
an, mit darauf zu achten, dass es eine      fokussierte Foren mit wissenschaftli-         ten“, sagt asta von oppen. aber auch:
nachhaltige und sichere Lösung gibt.“       cher begleitung. „Idealerweise gibt es        „Wir hätten deutlich mehr Zeit, finan-
Daher haben die Wissenschaftlerinnen        dabei eine große offenheit, auch unge-        zielle und fachliche unterstützung ge-
und Wissenschaftler ein eigenprojekt        stützte Hypothesen öffentlich zu disku-       braucht.“ Dies fordert sie für zukünftige
ins Leben gerufen, beraten in verschie-     tieren, was angesichts des Konfliktpo-        engagierte ein, denn asta von oppen
denen Projekten, sind in Kommissionen       tenzials natürlich nicht ganz einfach ist“,   hat sich gegen eine weitere beteiligung
und auf Konferenzen unterwegs. auch         sagt er. „Doch aus meiner Sicht ist das       an den Konferenzen entschieden. „Ich
im privaten umfeld diskutiert Julia ne-     gerade das Schöne an diesem Prozess:          bin aber stolz auf das, was wir als team
les über endlagerung. „Ich finde es aber    Durch eine aktive beteiligung der Zivil-      erreicht haben“, sagt sie, „wir haben un-
erstaunlich, dass sich eher wenige men-     gesellschaft zu einer besseren Lösung         ter schwierigen bedingungen ein inte-
schen wirklich interessieren oder gar       zu kommen.“                            cw     ressantes angebot zusammengestellt.“
aktiv werden würden.“                cw                                                                                         cw
                                            Hans.Hagedorn@nationales-
j.neles@oeko.de                             begleitgremium.de                             asta.oppen@online.de
14 ARBEIT I AKTUELL

   Podcast “Wenden bitte!“ startet
   Das Öko-Institut gibt’s nun auch zum        Matthes macht klar, dass das Ziel der      Zum Redaktionsschluss Ende Mai ist
   Hören: Anfang April ist die erste Episo-    Treibhausgasneutralität in Deutschland     auch die zweite Folge des Podcasts
   de des neuen Podcasts „Wenden bitte!        nur mit Wasserstoff erreicht werden        „Wie geht es mit dem Flugverkehr
   Der Podcast zu Wissenschaft und nach-       kann. Demnach sei Wasserstoff die vier-    nach Corona weiter“ erschienen.
   haltigen Transformationen“ erschienen.      te Säule der Energiewende – nach Ener-
   Darin erwartet die Hörerinnen und Hö-       gieeffizienz, erneuerbaren Energien        Diese weiteren Episoden hören Sie in
   rer tiefgründiges Wissen zu verschiede-     und Elektrifizierung – und damit zentra-   den kommenden Monaten:
   nen Fragen rund um die Energiewende,        ler Bestandteil einer nachhaltigen Ener-
                                                                                          Juli 2021:
   Verkehrs- oder Rohstoffwende.               gieversorgung. Er warnt davor, den
                                                                                          „Endlagerung und Bürgerbeteili-
                                               Technologiewechsel zu verpassen und
                                                                                          gung“ mit Julia Mareike Neles
   „Wir wollen in unserem Podcast in die       drängt darauf die richtigen Weichen-
   Tiefe einsteigen, aber nicht zu nerdig      stellungen vorzunehmen.                    August 2021:
   sein“, erklärt Mandy Schoßig. Sie leitet                                               „Längere Lebensdauer für Handys,
   das Referat Öffentlichkeit & Kommuni-                                                  Laptops & Co.“
   kation am Institut und moderiert den                                                   mit Siddharth Prakash
   Podcast gemeinsam mit Nadine Kreut-
                                                                                          September 2021:
   zer, Journalistin und Moderatorin. In 45
                                                                                          „Soziale Gerechtigkeit in der Energie-
   bis 60 Minuten gehen sie mit einem
                                                                                          wende“ mit Dr. Katja Schumacher
   Gast anstehenden Nachhaltigkeits-
   transformationen auf den Grund – ge-                                                   November 2021:
   nug Zeit, für die neue „Langstrecke der                                                „Internationale Klimaverhandlun-
   Umweltpodcasts“.                                                                       gen“ mit Anke Herold
                                                                                          Der Podcast ist erhältlich auf allen
   Episode 1: Wasserstoff, Champagner                                                     gängigen Podcast-Portalen – etwa bei
   der Energiewende                                                                       Apple Podcasts sowie bei Spotify – und
                                                                                          unter www.oeko.de/podcast.
   In der ersten Episode „Warum ist Was-                                                                                       ani
   serstoff der Champagner der Energie-
   wende?“ ist Dr. Felix Chr. Matthes zu
   Gast. Der Forschungskoordinator Ener-
   gie- und Klimapolitik am Öko-Institut,
   der auch Mitglied im Wasserstoffrat der
   Bundesregierung ist, gibt im Gespräch
   einen Überblick über zentrale Fragen
   zur Nutzung von Wasserstoff als Ener-
   gieträger.

   Ein einfacher Verzicht
   Fluorierte Treibhausgase, so genannte       ringern“, sagt Wolfram Jörß vom            cher. „Darüber hinaus entwickeln und
   F-Gase, finden sich etwa als Kältemittel    Öko-Institut. „Diese Verordnung wird       bewerten wir im Projektteam politische
   in Klimaanlagen oder Treibgas in Asth-      2022 einer Revision unterzogen.“ Für       Handlungsmöglichkeiten bei der Revi-
   masprays. Doch: Sie haben ein beson-        die Vorbereitung wird nun im Auftrag       sion im kommenden Jahr und unter-
   ders hohes Treibhausgaspotenzial.           der Europäischen Kommission das Pro-       stützen die Europäische Kommission
   Gleichzeitig können sie in fast allen An-   jekt „Support contract for an evaluation   dabei, unterschiedliche Interessen-
   wendungsfeldern relativ gut vermieden       and Impact assessment for amending         gruppen in den Revisionsprozess einzu-
   werden. „Die EU ist daher bereits 2014      Regulation (EU) No 517/2014 on fluori-     beziehen.“
   einen wichtigen Schritt gegangen und        nated greenhouse gases“ umgesetzt.
   hat in der F-Gas-Verordnung eine schritt-   „­Darin bewerten wir unter anderem         Das Projekt wird gemeinsam mit der
   weise Mengenbegrenzung („Phase-             Markttrends zu F-Gasen und ihren Al-       Öko-Recherche GmbH und dem Bera-
   down“) ins Leben gerufen, der dazu bei-     ternativen und skizzieren zukünftige F-    tungsunternehmen Ricardo durchge-
   tragen wird, die F-Gase deutlich zu ver-    Gas-Emissionen“, so der Senior Resear-     führt und läuft noch bis April 2022. cw
15

Für Umwelt und Menschen                                                               Morgen treibhaus-
Die Co2-Steuer macht autofahren            wirkungen von umweltpolitik und            gasneutral?
und Heizen teurer. Fleischkonsum ist       umweltbelastungen. Dabei identifi-
umweltschädlich und müsste deut-           zieren wir auch Wissenslücken und
                                                                                      Wie kann es gelingen, bis 2050 wirklich
lich reduziert werden – gehört bei vie-    Handlungsbedarfe“, sagt gerolf Hanke
                                                                                      treibhausgasneutral zu werden? Wel-
len menschen aber zum alltagsleben.        aus dem bereich Produkte & Stoffströ-
                                                                                      che politischen maßnahmen braucht es
Diese beispiele zeigen: mit umwelt-        me des Öko-Instituts. „In drei Feldern
                                                                                      auf diesem Weg? mit diesen Fragen be-
politik sind häufig soziale Fragen ver-    nehmen wir dann tiefergehende un-
                                                                                      schäftigt sich ein aktuelles Projekt für
bunden. auch, weil einkommens-             tersuchungen vor, welche Wechsel-
                                                                                      das umweltbundesamt. „Wir entwickeln
schwächere gruppen deutlich stärker        wirkungen zwischen umweltschutz
                                                                                      Szenarien für ein vollständig treibhaus-
von umweltbelastungen wie etwa             und sozialen Zielen bestehen“, er-
                                                                                      gasneutrales Deutschland“, erklärt Dr.
Luftverschmutzung         oder     Ver-    gänzt Johanna Cludius aus dem be-
                                                                                      ralph o. Harthan, Senior researcher am
kehrslärm betroffen sind. Welche           reich energie- und Klimaschutz. So
                                                                                      Öko-Institut. „Darüber hinaus entwer-
Wechselwirkungen gibt es konkret           betrachtet das Projektteam unter an-
                                                                                      fen wir einen Weg, auf dem die Klima-
zwischen umwelt-, Sozial- und gesell-      derem das ernährungssystem sowie
                                                                                      ziele erreicht werden können – mit ent-
schaftspolitik, welche Synergien, aber     den themenkomplex bauen, Wohnen
                                                                                      sprechenden Instrumenten.“
auch welche Zielkonflikte? und wie         und Stadtentwicklung. gemeinsam
kann es gelingen, letztere zu vermei-      entwickeln die Wissenschaftlerinnen
                                                                                      Im Projekt „transformation zu einem
den oder abzumildern?                      und Wissenschaftler dann konkrete
                                                                                      vollständig       treibhausgasneutralen
                                           Vorschläge, wie eine ökologisch am-
                                                                                      Deutschland“ beschäftigen sich die
mit diesen Fragen beschäftigt sich         bitionierte und gleichzeitig sozial ver-
                                                                                      Wissenschaftlerinnen und Wissen-
das Öko-Institut im auftrag von um-        trägliche Strategie der umweltpolitik
                                                                                      schaftler gemeinsam mit dem Fraunho-
weltbundesamt und bundesumwelt-            aussehen kann. begleitet wird dieser
                                                                                      fer-Institut für System- und Innovati-
ministerium im Projekt „Soziale as-        Prozess kontinuierlich durch dialogi-
                                                                                      onsforschung und dem Fraunhofer-Ins-
pekte von umweltpolitik“ noch bis          sche und partizipative Veranstaltun-
                                                                                      titut für energiewirtschaft und
august 2023. beteiligt sind mehrere        gen und einen transdisziplinär be-
                                                                                      energiesystemtechnik noch bis Sep-
Institutsbereiche sowie das Forum          setzten Praxisbeirat. „Wirksame um-
                                                                                      tember 2023 auch mit den Potenzialen
Ökologisch-Soziale marktwirtschaft,        weltpolitik hängt zentral von einer
                                                                                      natürlicher und technischer Senken.
das Institut für sozial-ökologische For-   breiten akzeptanz der bevölkerung
                                                                                      „Wir betrachten zum beispiel die beiträ-
schung, die universität tübingen und       ab und damit auch von sozialer ge-
                                                                                      ge, die Wälder und moore, aber auch
die agentur Zebralog.                      rechtigkeit“, resümiert Franziska Wolff
                                                                                      die abscheidung von Kohlendioxid aus
                                           aus dem bereich umweltrecht &
                                                                                      der Luft für den Klimaschutz haben
„Im ersten Schritt untersuchen und         governance.                          cw
                                                                                      können“, sagt Julia repenning, stellver-
systematisieren wir die sozialen aus-
                                                                                      tretende Leiterin des bereichs energie &
                                                                                      Klimaschutz am Öko-Institut.        mas
16 arbEIt I rÜCKbLICK

   Klare regeln für Wald und acker
   Wie Äcker, Wälder und grünland beim       Wiederherstellung von Feuchtgebie-          anreize, sie zu erhöhen“, so der Wis-
   Klimaschutz berücksichtigt werden,        ten“, sagt Senior researcher Dr. Hannes     senschaftler. „bis 2030 wäre es in der
   kann den europäischen Klimaschutz         böttcher, „derzeit nimmt dieser Sektor      eu möglich, jährlich 400 bis 600 milli-
   verbessern oder verwässern. Denn wird     pro Jahr 280 millionen tonnen Co2 auf.“     onen tonnen Co2-Äquivalente in Sen-
   der Landnutzungssektor in das eu-                                                     ken zu speichern beziehungsweise aus
   Klimaziel einbezogen ohne dass dieses     In einer Kurzanalyse für greenpeace         Quellen zu verringern.“ Darüber hinaus
   verschärft wird, könnten durch die Co2-   Deutschland hat das Öko-Institut erör-      brauche es klare regeln, wie der Klima-
   Speicherung in Pflanzen und böden         tert, wie ein Ziel für solche natürlichen   schutzbeitrag von Senken bilanziert
   andere Sektoren 2030 etwa 110 milli-      Senken aussehen kann und welche             und die berichterstattung verbessert
   onen tonnen Co2-Äquivalente mehr          Konflikte ihr ausbau etwa mit blick auf     wird und wie soziale und ökologische
   ausstoßen. „Viele maßnahmen können        Strategien für erneuerbare energien         nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt
   dazu beitragen, die natürlichen Kohlen-   bringt. „neben der Verschärfung des         werden können.                     mas
   stoffspeicher der eu auszubauen – etwa    Klimaziels sollte es ein separates Ziel
   die aufforstung von Wäldern oder die      für natürliche Senken geben und damit

   Ein Plan mit Mängeln
   84 millionen tonnen Co2 statt der ge-     Strommarkt dann aussehen kann“, sagt        Die Wissenschaftlerin kritisiert zudem,
   planten 60 millionen – der erste ent-     Franziska Flachsbarth, Senior resear-       dass der netzentwicklungsplan den
   wurf des netzentwicklungsplans (neP)      cher am Öko-Institut.                       aktuellen deutschen Klimaschutzzie-
   Strom 2035 hält die für 2040 vorgege-                                                 len hinterherhinke und auf zu wenig
   bene Co2-emissionsobergrenze nicht        Dies tue der netzentwicklungsplan           ambitionierten Klimaschutzszenarien
   ein. Das verdeutlicht das Öko-Institut    aber nicht. „So bleibt nichts anderes üb-   basiere. „Wir fordern schon länger, das
   in seiner Kommentierung des entwurfs.     rig, als die emissionsobergrenze nicht      Stromnetz vom Ziel her zu planen, also
   Die vier deutschen Übertragungsnetz-      einzuhalten und die mehremissionen          von ambitionierten Szenarien mit 100
   betreiber hatten den neP ende Januar      auszuweisen.“ Der neP behilft sich da-      Prozent erneuerbaren energien auszu-
   veröffentlicht und darin unter anderem    mit, einen „bedarf an Co2-neutralem         gehen“, sagt die expertin aus dem be-
   neue Wechselstromtrassen und Wind-        brennstoff “ auszuweisen, mit dem           reich energie & Klimaschutz, „von da aus
   offshore-anbindungen mit einem Pla-       die emissionsobergrenze eingehalten         kann man rückwärts rechnen, welche
   nungshorizont bis 2040 festgelegt. „aus   wäre. ob hiermit jedoch Wasserstoff         Leitungen ab wann gebraucht werden
   diesem erweiterten Planungshorizont       oder biomasse gemeint ist und ob er         – das wäre ein Schritt hin zu einem ro-
   ergibt sich auch, dass nun ein neP-Sze-   inländisch erzeugt oder importiert          busten Stromnetz der Zukunft.“ Flachs-
   nario ein passendes Stromnetz für hö-     wird, dazu gibt der neP keine auskunft.     barth fordert, dass diese und weitere
   here Klimaschutzziele entwerfen muss.     auch nutzungskonflikte werden durch         Punkte beim nächsten neP verbessert
   Die Co2-emissionsobergrenze wurde         den Verzicht auf die modellierung nicht     werden. „Seine modellierung beruht
   im neP für 2035 bei 120 millionen ton-    adressiert. „Darüber hinaus ist im neP      noch viel zu sehr auf der alten Welt der
   nen Co2 angesetzt, bis 2040 müssen die    auch die möglichkeit offen, durch die       Stromerzeugung und konventionellen
   emissionen dann auf maximal 60 milli-     unterirdische Speicherung von Co2           Kraftwerken statt auf dem zielgerich-
   onen tonnen sinken. um das zu errei-      die mehremissionen einzusparen“, so         teten einsatz von Wärmepumpen und
   chen, muss modelliert werden, wie der     Flachsbarth.                                elektromobilität.“                   cw
17

Plug-In-hybride: zu oft
im Verbrenner-Modus                                              Ein Ende fürs Öl
Sie sind derzeit eher ein Klimaproblem als Klimaschützer:        So schnell wie möglich den einbau von Ölheizungen stop-
Plug-In-Hybride. Das zeigt eine analyse für das bundesum-        pen – das ist nicht nur sinnvoll fürs Klima, sondern hierzu-
weltministerium. „Plug-In-Hybridfahrzeuge nutzen im tägli-       lande auch rechtlich machbar. eine aktuelle analyse von
chen betrieb in der regel vor allem den Verbrennungsmo-          Öko-Institut und Prof. Dr. Stefan Klinski zeigt, dass die eu-
tor“, sagt ruth blanck, Senior researcher am Öko-Institut,       Ökodesign-Verordnungen für Heizgeräte und Warmwasser-
„daher verursachen sie deutlich mehr Co2 als bislang an-         bereiter oder die Warenverkehrsfreiheit dem nicht im Wege
genommen wurde – zusätzlich bis zu 4,3 millionen tonnen          stehen. „es wäre möglich, das gebäudeenergiegesetz zu
Co2-emissionen bis 2030, wenn sie ihren elektrischen an-         verschärfen und den einbau von Ölheizungen viel stärker
trieb weiterhin so wenig nutzen.“ Die Studie von ifeu – Insti-   einzuschränken oder zu verbieten – das ist bislang erst ab
tut für energie- und umweltforschung, Öko-Institut und der       2026 geplant“, sagt Friedhelm Keimeyer, stellvertretender
organisation transport & environment verdeutlicht: In den        Leiter des bereichs umweltrecht & governance am Öko-
bisherigen Szenarien zu den treibhausgasemissionen des           Institut. Da Heizungen 20 bis 30 Jahre laufen, ist es ratsam,
Verkehrssektors sind diese höheren emissionen meist nicht        schon heute zu handeln. Denn jedes Jahr verursachen Öl-
enthalten.                                                       heizungen in Deutschland etwa 50 millionen tonnen klima-
                                                                 schädliche gase. „ein ausstieg aus dem Heizen mit fossilen
Die ursachen für diese entwicklung sieht die analyse             energien ist angesichts der Klimaziele für 2050 unausweich-
etwa in fehlenden anreizen zum elektrischen Laden und            lich“, so Dr. Sibylle braungardt, Senior researcher im bereich
der oftmals hohen täglichen Fahrleistung – insbesondere          energie & Klimaschutz. „Wir sollten schon heute langfristige
bei Dienstwagen, die einen sehr hohen anteil an Plug-In-         Fehlinvestitionen verhindern und dafür sorgen, dass die ge-
Hybriden ausmachen. „außerdem gibt es oftmals keine              bäude effizient und klimafreundlich beheizt werden.“
Lademöglichkeit zu Hause und am arbeitsplatz“, erklärt
die Verkehrsexpertin, „die Plug-In-Hybride haben zudem           Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben im
einen überdurchschnittlichen energiebedarf wegen ihrer           auftrag des umweltbundesamtes auch analysiert, welche
bauform, ihrer motorisierung und ihres gewichts – es sind        regelungen es in anderen eu-Staaten gibt, um fossile ener-
sehr oft SuVs oder geländewagen.“ bei solchen Fahrzeugen         gien in Heizkesseln einzuschränken. „In Dänemark etwa ist
reiche der akku oft nicht für die nötigen tageskilometer aus.    der einbau von Ölkesseln im neubau schon seit 2013 um-
aus Sicht des Projektteams sollten daher auch Kaufprämien        fangreich begrenzt. Das wurde 2016 auch auf den bestand
und Steuervorteile von Plug-In-Hybridfahrzeugen dringend         ausgeweitet, zusätzlich wurden auch gaskessel in neubau-
überdacht werden. „Vergünstigungen müssen an strengere           ten beschränkt“, sagt braungardt, „auch in Österreich dür-
Kriterien etwa für die elektrische reichweite gebunden wer-      fen seit 2020 keine Ölheizungen mehr in neuen gebäuden
den“, so blanck. „ein weiterer markthochlauf von Plug-In-        eingesetzt werden, in norwegen gibt es seit 2020 ebenfalls
Hybriden könnte die Klimaziele des Verkehrssektors sonst         ein Verbot für Ölheizungen, das sich sogar auf bereits instal-
gefährden.“                                               cw     lierte Kessel erstreckt.“                                mas
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