Libellengräben in Schwaben - Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer
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Artenschutz Abbildung 1 Martin Königsdorfer, Josephine Jedicke, Christopher Meyer und Susanne Kling Gemähter Wiesen- Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege graben mit Rand- streifen bei Eppis- burg (Foto: Martin für Helm- und Vogel-Azurjungfer Königsdorfer). Die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) und die Vogel-Azurjungfer (Coenagrion orna- tum) sind in Bayern vom Aussterben bedroht beziehungsweise stark gefährdet. Der Regie- rungsbezirk Schwaben beheimatet einen Verbreitungsschwerpunkt dieser Arten und trägt somit eine herausragende Verantwortung zum Erhalt der zwei Arten. Im Rahmen des Biodi- versitätsprojektes „Libellengräben in Schwaben“ werden die Vorkommen der beiden Arten erfasst und deren Lebensräume gezielt gepflegt und entwickelt. Das Projekt ist erfolgreich, weil es eng mit den lokalen Akteuren zusammenarbeitet und etablierte Trägerstrukturen nutzt – begleitet durch intensive Öffentlichkeitsarbeit. So wird die nachhaltige Umsetzung der Projektziele auch über die Projektlaufzeit hinausgehend sichergestellt. 1. Anlass und Hintergrund Die deutschlandweiten Verbreitungsgebiete Ursprünglich bewohnten die beiden Kleinlibel- der Vogel-Azurjungfer liegen neben Bayern in lenarten Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercu- Sachsen-Anhalt und Thüringen, wohingegen riale) und Vogel-Azurjungfer (Coenagrion orna- die Helm-Azurjungfer außerhalb von Südbayern tum) natürliche Quellmoore und Bachläufe. vor allem größere Vorkommen in der Oberrhein Bedingt durch den Strukturwandel in der Land- ebene, der Vorderpfalz, im westlichen Boden- wirtschaft wurden viele dieser Primärhabitate seeraum und im Thüringer Becken aufweist beseitigt oder durch Nährstoffeinträge und Ge- (B fN 2019). Bayern hat damit für den Erhalt der wässerausbau stark beeinträchtigt. Aktuell sind beiden bundesweit stark gefährdeten und grundwasserbeeinflusste Entwässerungsgräben streng geschützten Arten (Anhang II der Fauna- m it niederwüchsiger Vegetation als Sekun Flora-Habitat-Richtlinie; FFH-RL) eine besondere därhabitate letzte Rückzugsräume für die zwei Verantwortung: Einer ihrer mitteleuropäischen L ib ellenarten. Aus diesem Grund werden aus Verbreitungsschwerpunkte liegt in Bayern. Der naturschutzfachlicher Sicht damit besondere An- Regierungsbezirk Schwaben beherbergt in den forderungen an die Pflege dieser Gräben gestellt. ehemaligen Niedermoorgebieten der Flusstäler ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021 45
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Artenschutz Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer von Donau, Mindel, Zusam und der Lech-Ebene 2. Biodiversitätsprojekt „Libellengräben in sowie den Hangquellmooren des Alpenvorlan- Schwaben“ des etwa 75 % aller Vorkommen der Helm-Azur- Während der Projektlaufzeit von 2016 bis 2019 jungfer und etwa 30 % aller Vorkommen der bearbeitete das Planungsbüro LARS consult Vogel-A zurjungfer in Bayern. (2018 und 2020) im Auftrag der Regierung von Schwaben die Module „Kartierung“ und „Maß- Die hohe lokale Verantwortung veranlasste die nahmenumsetzung“. Die projektbegleitende Regierung von Schwaben dazu, seit 2016 mit Öffentlichkeitsarbeit wird in Kapitel 6 erläutert. lokalen Akteuren vor Ort an der Pflege und der Entwicklung der Lebensräume der Helm-Azur- Im Rahmen des Moduls „Kartierung“ konnte jungfer und Vogel-Azurjungfer zu arbeiten. Das das Projektteam innerhalb von 19 Hangquell- Biodiversitätsprojekt „Libellengräben in Schwa- mooren und Grabensystemen Erfassungs ben“ dient der Umsetzung des Biodiversitäts- lücken schließen sowie bereits bekannte, aber programm Bayern 2030 (Bayerische Staatsregie - seit mehreren Jahren nicht mehr bestätigte rung 2014). Fundorte überprüfen. In 13 Gebieten, also etwa 70 % der überprüften Gebiete, konnten die 3. Artporträts Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) Becken vor. In Bayern liegt der Verbreitungs- schwerpunkt südlich der Donau in Schwaben und Oberbayern. In Schwaben sind 85 Fundorte aus der Arten- schutzkartierung (ASK, Stand 2001–2019) b ekannt. Diese liegen innerhalb von Quell- standorten im Alpenvorland und in Gräben im mittleren Mindel- und Günztal, im Westall- gäu nördlich Lindau, im Zusamtal bei Ziemets hausen, im Donautal südlich von Dillingen sowie im Lechtal östlich von Gersthofen. Im Alpenvorland tritt die Helm-Azurjungfer bis 900 m NN innerhalb kalkreicher Quell- austritte und Rieselfluren, Mehlprimel-Kopf binsenriede (Schoenetum furruginei) und Davallse ggenriede (Caricetum davallianae) Abbildung 2 Nahaufnahme der Die streng geschützte Helm-Azurjungfer auf, während sie außerhalb des Alpenvorlan- Helm-Azurjungfer (Anhang II FFH-RL) ist in Bayern vom Aus- des zwischen 400 und 500 m NN grundwas- (C. mercuriale) sterben bedroht und deutschlandweit stark serbeeinflusste Gräben in Flusstälern und (Foto: Norbert gefährdet. Das Männchen der etwa 3 cm Niedermooren mit niederwüchsigen Bach- Steffan, Zeichnung großen Libelle ist an ihrer typischen „Wikin- röhrichten (Glycero-Sparganion) b esiedelt. Josephine Jedicke). gerhelm-Zeichnung“ auf dem zweiten Hin- Die wesentlichen Habitatansprüche sind flie- terleibssegment zu erkennen. ßendes, sauerstoffreiches Wasser mit Grund wassereinfluss, freier und besonnter Flugraum In Deutschland kommt die Helm-Azurjung- im Grabenprofil, lückige Vegetationsde- fer vorwiegend in der Oberrheinebene so- ckung d er Sohle, Böschungsvegetation wie in der Vorderpfalz, im westlichen Boden- außerhalb des Grabenprofils und geringe seeraum, in Südbayern und im Thüringer Schlammauflage. 46 ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer Artenschutz Bearbeiter eine der beiden Zielarten bestätigen unteren Naturschutzbehörden, Landschafts- oder wiederentdecken, in sechs Bereichen er- pflegeverbänden (LPV) und Kommunen durch folgte kein Nachweis. Hier ist davon auszuge- und erarbeitete Konzepte zur Pflege und Ent- hen, dass die Zielarten nicht mehr vorhanden wicklung innerhalb von 10 Gebieten, die zeit- sind. Während der Projektlaufzeit entdeckten nah umgesetzt wurden. Dritte erfreulicherweise bisher unbekannte Populationen der Helm-Azurjungfer (Norbert Die Projektstrategie lag in der gemeinsamen Steffan im Landkreis Aichach-Friedberg und Entwicklung praxisnaher Konzepte mit lokalen Annika Sezi im Zusamtal, Landkreis Günzburg). Akteuren, die zum Großteil noch während der Projektlaufzeit umgesetzt werden konnten. Ziel Auf Basis der Erfassungsergebnisse und Gelän- war es, regelmäßige Pflegemaßnahmen zu eta- debegehungen formulierte das Team ortspezi- blieren, um die Libellenbestände nachhaltig zu fische Empfehlungen zur Pflege und Entwick- stabilisieren. Darüber hinaus sollten bestehende lung für die einzelnen Fundorte. Im Modul und funktionierende Prozesse sowie bereits „Maßnahmenumsetzung“ führte das Projekt- umgesetzte Maßnahmen bekannt gemacht und team Beratungstermine mit den zuständigen weitergetragen werden (siehe Kapitel 6 unten). Vogel-Azurjungfer (Coenagrion ornatum) Die streng geschützte Vogel-Azurjungfer (Anhang II FFH-RL) ist in Bayern und Deutschland stark gefährdet. Die Vogel- ist der Helm-Azurjungfer sehr ähnlich, die Männchen sind an ihrer vogelähnlichen Zeichnung auf dem zweiten Hinterleibs segment zu erkennen. In Deutschland kommt die Vogel-Azurjung- fer vorwiegend in Bayern und im Grenzraum zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen s owie vereinzelt in weiteren Bundesländern vor. In Bayern liegt der Verbreitungsschwer- punkt in Mittelfranken, im schwäbischen Donautal und oberbayerischen Donaumoos, der Münchner Schotterebene sowie dem Unteren Isartal. In Schwaben sind 46 ASK-Fundorte (Stand (Glycero-Sparganion) vor. Hier sind die we- Abbildung 3 Nahaufnahme der 2001–2019) bekannt. Diese liegen innerhalb sentlichen Habitatansprüche der Helm-Azur- Vogel-A zurjungfer von Gräben im Donautal nördlich Günzburg, jungfer sehr ähnlich. D ie Vogel-Azurjungfer (C. ornatum) (Foto: südlich Dillingen und bei Schwenningen, erträgt jedoch einen geringeren Sauerstoff- Norbert Steffan, im Lechtal bei Thierhaupten, im Winterrieder gehalt und höhere Wassertemperaturen. Zeichnung R ied und östlich von Pöttmes. Josephine Jedicke). Die Vogel-Azurjungfer kommt zwischen 300 und 550 m NN innerhalb grund wasser-beeinflusster, wärmebegünstigter Gräben in Flusst älern und Niedermooren mit nieder w üchsigen Bachröhrichten ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021 47
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Artenschutz Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer Abbildung 4 Anzahl an Fundorten der Helm- (grün) und der Vogel-A zurjungfer (blau) in Bayern, Quelle: Artendaten- bank (LfU Bayern) zwi- schen 2005 und 2020, Bayerische Vermes- sungsverwaltung. Zur Verbreitung der Arten in Deutschland siehe BFN (2019) (Grafik: Christopher Meyer) Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) > 10 Vogel-Azurjungfer (Coenagrion ornatum) 6 bis 10 Regierungsbezirk 1 bis 5 Natura 2000 (FFH)-Gebiete 4. Wesentliche Gefährdungsfaktoren (Hochstauden, Schilf, Gehölze) verstärkt wach- Da die Vorkommen beider Arten außerhalb des sen sowie Sedimente ablagern. Entwickelt sich Alpenvorlandes auf Entwässerungsgräben be- die Vegetation zu stark, reduziert sich der Was- schränkt sind, hängen die wesentlichen Gefähr- serabfluss. Das sorgt neben einem Sauerstoff- dungsfaktoren mit der landwirtschaftlichen defizit für die Libellenlarven im Gewässer auch Nutzung im Umfeld besiedelter Gräben und für einen eingeschränkten Flugraum der Imagi- der Grabenunterhaltung zusammen. nes innerhalb des Grabenprofils für die Paarung und Eiablage. Wenn Gräben verkrauten und ver- Grenzen intensiv genutzte landwirtschaftliche schlammen, muss die Sohle häufiger geräumt Flächen unmittelbar an, kommt es zu Nähr werden. Das wiederum gefährdet die an der stoff- und Sedimenteinträgen. Das führt dazu, Sohle lebenden Larven. Durch Biberdämme auf- dass Wasserpflanzen, Algen und Ufervegetation gestaute Gräben und durch Gehölzaufwuchs 48 ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer Artenschutz Abbildung 5 (links) Intensive Aus- bringung von Gülle ohne ausreichenden Abstand zum Gewässer führt zu starken Nähr- stoffeinträgen im angrenzenden Graben im Donauried (Foto: Susanne Kling). Abbildung 6 (rechts) Ein Graben ist durch Schilfröhricht völlig verwachsen und wird so für die beiden Coenagrion-Arten unattraktiv (Foto: Martin Königsdorfer). verschattete Gewässerabschnitte beeinträch Akteuren um. Wesentlich ist dabei eine an den tigen den Lebensraum ebenfalls. Seit den Entwicklungszyklus der beiden Zielarten an 2000er-Jahren fallen immer häufiger besiedelte gepasste Grabenunterhaltung, um die vorhan Gräben, insbesondere während der Sommer- denen Populationen dauerhaft zu erhalten. monate, trocken. Zwar konnten sich bisher die Weitere wichtige Faktoren für eine nachhaltige betroffenen Bestände zumindest auf einem Entwicklung der Libellengräben sind die Nähr- niedrigen Niveau halten, langfristig ist jedoch stoffpufferung durch Uferrandstreifen und Ab- bei anhaltenden sommerlichen Trockenperio- setzbecken, ein angepasster Maschineneinsatz den damit zu rechnen, dass Populationen bei der Mahd, Sohlräumung und Mähgutber- innerhalb trockengefallener Grabensysteme gung, wie auch Mähgutnutzung. Diese Aspekte komplett verschwinden. sind in einem während des Projektes erarbeite- Abbildung 7 An die Phänologie ten Leitfaden zusammengefasst (siehe Kapitel 7). 5. Hinweise zur Pflege und Entwicklung der beiden Arten angepasster Zeit- Im Rahmen des Biodiversitätsprojekts „Libellen- In der folgenden Grafik sind Unterhaltungs- plan der Graben gräben in Schwaben“ entwickelten die Bearbei- maßnahmen von Gräben dargestellt, die an die unterhaltung und ter praxisnahe Konzepte zur Pflege und Ent- Phänologie der beiden Zielarten zeitlich ange- -entwicklung (Grafik: Martin wicklung und setzten diese mit den lokalen passt sind. Königsdorfer). Zeitplan Grabenunterhaltung und -entwicklung Arbeiten an und Grabenunterhaltung in der Gewässersohle und -entwicklung Entbuschung Entbuschung 1. Mahd 2. Mahd und Mähgut- Helm- und Vogelazurjungfer Imago Entwicklungszyklus Larve an Gewässergrund Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021 49
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Artenschutz Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer 6. Best Practice-Beispiele Folgende Umsetzungsprojekte aus dem Regie- rungsbezirk Schwaben dienen als erfolgreiche Beispiele im Grabenmanagement: Grabenmanagement im Eppisburger Ried (Landkreis Dillingen) Betreuung und Ansprechpartner: Donautal- Abbildung 8 Grabenmahd mit Aktiv e.V., Susanne Kling Randstreifen bei Eppisburg (Foto: Förderinstrumente: Landschaftspflege- und Martin Königsdorfer). Naturparkr ichtlinie (LNPR) Beschreibung: Bereits seit der Entdeckung des Vorkommens von Helm- und Vogel-Azurjungfer im Grabensystem des Eppisburger Rieds (Land- kreis Dillingen) im Jahr 1994 arbeiten die anlie- genden Kommunen (Binswangen, Dillingen, Holzheim, Villenbach und Zusamaltheim) und die Naturschutzbehörden für eine angepasste Abbildung 9 Messerbalkenmahd Unterhaltung der besiedelten Gräben eng zu- am Ausleger bei sammen. Allen voran erbrachte die Gemeinde Eppisburg (Foto: Holzheim wichtige Grundlagen, um den Be- Martin Königsdorfer). stand zu erhalten, indem sie einen auf die L ibellenvorkommen ausgerichteten Gewäs- serentwicklungsplan zügig aufstellte und sich seit Jahrzehnten engagiert. Zunächst setzte sich das Projektmanagement der Regierung von Schwaben für die Gräben im Eppisburger Ried ein. Seit 2007 entwickelt der Landschafts- pflegeverband bei D onautal-Aktiv e.V. das M onitoring und setzt eine angepasste Graben- Abbildung 10 Absetzbecken bei unterhaltung sowie weitere Schutzmaßnahmen Eppisburg (Foto: um. Bis heute konnte der Bestand, wenn auch Martin Königsdorfer). auf niedrigem Individuenniveau, gehalten wer- den. Aktuell mäht der Verein Donautal-Aktiv auf einer Länge von etwa 18 km die Gräben an die Libellenb estände angepasst. Dabei testete der Verband verschiedene Mahdtechniken und Verwertungsansätze des Mähgutes in Zusam- menarbeit mit örtlichen Landwirten und Land- schaftspflegeunternehmen. Dazu g ehört auch, Nährstoffeinträge durch Absetzbecken zu mini- mieren und Flächen als Nährstoffpuffer zu erwerben. Entscheidend für eine nachhaltige angepasste Unterhaltung ist dabei, dass die Verantwortung des kompletten Grabenmanage- ments (Mahd, Räumung, Unterhalt, Förderanträ- ge) von der Kommune an Donautal-Aktiv als Landschaftspflegeverband übergeben wurde. 50 ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer Artenschutz Angepasste Mahd für C. mercuriale und Phengaris nausithous im Mindeltal (Landkreis Günzburg) Betreuung und Ansprechpartner: Land- Abbildung 11 schaftspflegeverband Landkreis Günzburg, Typischer Graben im Verena Weitmann Mindeltal (Landkreis Günzburg), im Vor- Förderinstrumente: LNPR dergrund der Große Wiesenknopf (San- guisorba officinalis) – Beschreibung: Wenn der Dunkle Wiesenk nopf- Habitat von C. mer- Ameisenbläuling (Phengaris nausithous) entlang curiale und Phengaris der Grabenböschungen sowie eine der beiden nausithous (Foto: Libellen-Zielarten im Graben gemeinsam vor- Martin Königsdorfer). kommen, ist die Mahd und Gewässerunterhal- tung an die Phänologie sowohl der Schmetter- lings-, wie auch der beiden Libellenarten, Abbildung 12 anzupassen. Die für den Bläuling notwendige Dunkler Wiesen Bewirtschaftungsruhe zwischen dem 15.06. knopf-Ameisen- und dem 31.08. entspricht auch den Pflegean- bläuling (Phengaris forderungen für die Vogel- und Helm-Azur- nausithous) (Foto: Christopher Meyer). jungfer. Seit 2020 mäht der LPV die Gräben im Mindeltal zwischen Mindelzell und Jettingen auf einer Grabenlänge von 47 km entsprechend den oben genannten Vorgaben. Alle anliegen- den Kommunen (Balzhausen, Burtenbach, Jet- tingen-Scheppach, Münsterhausen, Thannhau- sen und Ursberg) unterstützen das Projekt. Wiederherstellung von Quellschüttungen und Quellbachgestaltung Betreuung und Ansprechpartner: Land- Abbildung 13 schaftspflegeverband Landkreis Augsburg, Beweideter Quell- Werner Burkhart bach (Foto: Martin Königsdorfer). Förderinstrumente: Mittel der Dorferneuerung und LNPR Beschreibung: Im Jahr 2000 wurden im Rah- men des Dorferneuerungsverfahrens Thier- haupten rund 5,5 ha Ackerland für ökologische Zwecke angekauft, die anschließend in das Ei- gentum des Marktes Thierhaupten übergingen. In der Folge legte der Landschaftspflegever- Abbildung 14 band verfüllte Quellaustritte frei und stellte ei- Quellaustritt (blauer nen Quellbach entsprechend historischer Kar- Kreis), beweideter ten wieder her. Seit 2005 weiden Heckrinder Quellbach (blaue Pfeile), auf der renaturierten Fläche. 2013 erfolgte der Schwerpunkt der Vo- gel-Azurjungfer im ge- Erstnachweis von Coenagrion ornatum durch mähten Grabenab- Kathrin Zander. Der Populationsschwerpunkt schnitt (rote Markie- liegt in den regelmäßig gemähten Grabenab- rung) (Grafik Martin schnitten knapp unterhalb des beweideten Königsdorfer, Karten- Quellbachabschnittes. quelle: Bayernatlas). ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021 51
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Artenschutz Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer Schonende Grabenabflachung innerhalb von C. mercuriale- Habitaten im Zusamtal bei Ziemetshausen (Landkreis Günzburg) Betreuung und Ansprechpartner: Land Abbildung 15 Vorsichtige Ufer schaftsp flegeverband Landkreis Günzburg, abflachung ohne Verena Weitmann Eingriff in die Sohle. Die Grabensohle Förderinstrumente: LNPR wurde während der Ufergestaltung nicht beeinträch- Beschreibung: Für den langfristigen Erhalt der tigt (Foto: Martin Habitate von Helm- und Vogel-Azurjungfer ist Königsdorfer). eine maschinelle Mahd unabdingbar. Häufig sind die Böschungen und Ufer jedoch sehr steil und der Grabenverlauf selbst sehr schmal, so- dass Maschinen nicht oder nur bedingt einge- setzt werden können. Beispielhaft hat der LPV Abbildung 16 Vegetationsent Günzburg in Schönebach (Markt Ziemetshau- wicklung im sen) die Böschungen eines von C. mercuriale darauffolgenden besiedelten Grabens maschinengerecht mit ei- Sommer (Foto: nem Bagger abgeflacht, ohne in die Sohle und Martin Königsdorfer). damit in die Larvalhabitate der Art einzugrei- fen. Bereits im darauffolgenden Sommer war submerse Vegetation in der Sohle vorhanden und die Helm-Azurjungfer konnte bei der Ei ablage beobachtet werden. Libellenpaten – Netzwerkarbeit Betreuung und Ansprechpartner: Land- Abbildung 17 Libellenpaten vertiefen schaftspflegeverband Landkreis Unterallgäu, ihr Wissen bei einer Jens Franke Schulung im Gelände (Foto: Michael Projektträger und -förderung: LPV, BUND Schneider). Naturschutz, Landkreis Unterallgäu, Bayerischer Naturschutzfonds Beschreibung: Im Rahmen des Biodiversitäts- projektes „Bachmuschel- und Libellenbäche im Landkreis Unterallgäu“ (S chneider 2020) führte das Projektteam neben umfangreichen Monito- ring-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen Abbildung 18 Bei einer Fortbildung auch Umweltbildung, Öffentlichkeits- und bestimmen Libellen Netzwerkarbeit durch (siehe www.azurjungfer.de). paten verschiedene Als „Libellenpaten“ kümmern sich seitdem inter- Arten (Foto: Michael essierte Laien um ausgewählte Libellengräben. Schneider). N ach einer biologischen Fortbildung suchen die Libellenpaten ihre Gewässerabschnitte nach Libellen ab und senden Fotos zur Nach- bestimmung durch Fachleute in eine Cloud. Das erhöht das Interesse a n der Natur, bringt neue Libellenfunde und schafft Aufmerksam- keit für eine angepasste Grabenpflege. 52 ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer Artenschutz 7. Öffentlichkeitsarbeit: Erfahrungs entwickelte. Wünschenswert ist, die im Rah- austausch, Libellenführungen, Leitfaden men des Projektes initiierten „schwäbischen Im Rahmen des Biodiversitätsprojektes „Libel- Netzwerke zur schonenden Grabenpflege“ der lengräben in Schwaben“ beriet das Projektteam Landschaftspflegeverbände gemeinsam mit lokale Akteure (vor allem Landschaftspflege der Naturschutzverwaltung aufrechtzuerhalten. verbände und untere Naturschutzbehörden). Dabei fanden Libellenführungen zur Arten- Ausschlaggebend für den nachhaltigen Umset- kenntnis und Habitatfaktoren der Libellenarten zungserfolg im Anschluss an die Projektphase statt. Zwei Workshops, an denen schwäbische sind in erster Linie etablierte Trägerstrukturen. Akteure im Libellenschutz teilnahmen, dienten Die Landschaftspflegeverbände in Schwaben, vor allem der Netzwerkarbeit: Landschaftspfle- insbesondere Günzburg, Unterallgäu, Augsburg geverbände sowie untere und höhere Natur- und Donautal-Aktiv, engagieren sich seit Jahren schutzbehörden diskutierten gemeinsam mit erfolgreich, Gräben schonend zu unterhalten. den Projektmanagern den Einsatz von Maschi- Das Biodiversitätsprojekt „Libellengräben in nen, Möglichkeiten des Mahdregimes und die Schwaben“ konnte dabei mit konkreten, umset- Finanzierung zur Grabenpflege. Aus den ausge- zungsreifen Pflege- und Entwicklungsmaßnah- tauschten Erfahrungen der Beteiligten konnte men die Stabilisierung der Populationen unter- ein Leitfaden erarbeitet werden, der Hinweise stützen. zur Pflege und Entwicklung von Gräben mit sensiblen Libellenvorkommen gibt (Königsdorfer Bei allen Bemühungen um eine schonende et al. 2020). Dieser kann unter nachfolgendem G ewässerunterhaltung und Nährstoffpufferung, Link heruntergeladen werden: s owie geeignete Habitate für die Helm- und Vogel-Azurjungfer zu erhalten, sollte im Be- www.anl.bayern.de/fachinformationen/doc/ wusstsein bleiben: Diese Maßnahmen behan- biodiv_libellengraeben_leitfaden.pdf deln letztendlich Symptome. Die beiden Arten sind vor allem aufgrund der stetigen Intensi Um eine kontinuierlich gute Pflege der Libellen- vierung und hohen Nährstoffeinträge der an- gewässer zu gewährleisten, bietet sich eine jähr- grenzenden landwirtschaftlichen Nutzung ge- liche Begehung an. Im Rahmen des Projektes fährdet. So haben B urbach & Winterholler (2017) „Bachmuschel- und Libellenbäche im Landkreis bereits festgestellt, dass „ohne Änderung der Unterallgäu“ (siehe Best Practice-Beispiel oben) agrarp olitischen Rahmenbedingungen wahr- hat sich eine jährliche Begehung von Vertreterin- scheinlich nur wenige Vorkommen (der beiden nen und Vertretern der jeweiligen Gemeinden, Arten, Anmerkung Verfasser) in Deutschland Behörden, Landwirte, Naturschutzverbände, dauerhaft überlebensfähig“ sind. Die Änderun- Biber- und Libellenberater sowie LPV etabliert, gen des Bayerischen Naturschutzgesetzes von bei der die jährlichen Unterhaltungsmaßnah 2019 in Bezug auf den Biotopverbund, unter an- men einvernehmlich abgestimmt werden. derem entlang von Gewässern (Art. 19 [1]), so- wie die Einführung von zumindest 5 m breiten 8. Fazit Gewässerrandstreifen (Art. 16 [1] 3) ändern zwar Die Erfolgsstrategie eines Projektes muss nicht noch nicht grundlegend die agrarpolitischen zwangsläufig in einem innovativen Ansatz be- Rahmenbedingungen, stärken aber zumindest gründet sein. Der klassische Aufbau mit Daten- die Bedeutung der Gewässer mit ihren Organis- recherche, Kartierungen und Maßnahmenent- men. Dies gilt allerdings leider explizit nicht für wicklung hat sich im Artenschutz bewährt. Entwässerungsgräben und damit die bevorzug- Dieses Grundmuster wurde auch im Biodiver ten Habitate der Helm- und Vogel-Azurjungfer. sitätsprojekt „Libellengräben in Schwaben“ verfolgt. Der wesentliche Fokus lag allerdings darin, gemeinsam praxisnahe Konzepte zu ent- wickeln, deren Qualität zu sichern und sich über bereits bestehende und funktionierende Prozesse unter den Akteuren innerhalb der Um- setzungsgebiete in Schwaben auszutauschen. Diese Ziele erreichte das Projektteam, indem es mehrere Workshops und zahlreiche Ortstermine durchführte sowie einen gemeinsamen Leit faden zur Pflege und Entwicklung von Gräben ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021 53
Königsdorfer , Jedicke, M eyer & K ling: Artenschutz Libellengräben in Schwaben – Grabenpflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer Literatur Autoren Bayerische Staatsregierung (2014): Biodiversitätspro- gramm Bayern 2030 (NaturVielfaltBayern). – Hrsg. Martin Königsdorfer, Dipl.-Biologe, Bayerische Staatsregierung, Bayerisches Staats ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz Jahrgang 1965. (StMUV), München. Studium der Biologie an der Universität Ulm. Bundesamt für Naturschutz (2019): Nationaler Bericht nach Art. 17 FFH-Richtlinie in Deutschland (2019), 1991–2002 freiberufliche Tätigkeit in der Land- Teil Arten, Kombinierte Vorkommen- und Verbrei- schaftsökologie. Von 2003 bis 2012 Manage- tungskarte der Pflanzen- und Tierarten der ment von Landschaftspflege- und Naturschutz- FFH-Richtlinie (Libellen); www.bfn.de/fileadmin/ projekten im Schwäbischen Donautal (in BfN/natura2000/Dokumente/Nationaler_FFH_ Anstellung bei der Regierung von Schwaben Bericht_2019/Verbreitungskarten/ODON_ 2003–2007, anschließend bei Donautal-Aktiv e.V. Kombination.pdf. bis 2012). Seit 2013 Fachbereichsleiter Ökologie Burbach, K. & Winterholler, M. (2017): Libellen – die und Artenschutz bei der LARS consult GmbH. Luftakrobaten Bayerns. – ANLiegen Natur 39(2): 59–64; www.anl.bayern.de/publikationen/ LARS consult GmbH anliegen/meldungen/wordpress/libellen/. Memmingen-Augsburg Königsdorfer, M., Jedicke, J. & Meyer, C. (2020): Leit martin.koenigsdorfer@lars-consult.de faden: Pflege und Entwicklung von Libellengräben – Empfehlungen zur Grabenpflege für die Helm- und Vogel-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale und C. ornatum). – Regierung von Schwaben, Augsburg. Josephine Jedicke, M. Eng., LARS consult (2018 und 2020): Biodiversitätsprojekt Jahrgang 1994. „Libellengräben in Schwaben“. – Abschlussberichte der Projektabschnitte 2016–2017 und 2018–2019, Regierung von Schwaben, Augsburg. seit 06/2020 Bayerisches Landesamt für Umwelt Schneider, M. (2020): Biodiversitäts-Projekt „Bach muschel- und Libellen-Bäche im Landkreis Artenschutzzentrum Unterallgäu“ – Abschlussbericht. – Unveröffentlich- josephine.jedicke@lfu.bayern.de tes Gutachten, Landschaftspflegeverband Unter +49 821 9071-1271 allgäu, Mindelheim. Christopher Meyer, M. Sc., Jahrgang 1992. seit 09/2020 Regierung von Oberbayern christopher.meyer@reg-ob.bayern.de +49 89 2176-2806 Susanne Kling, Dipl.-Ing. (FH), Zitiervorschlag Jahrgang 1977. Königsdorfer M., Jedicke, J., M eyer, C. & Kling, S. (2021): L ibellengräben in Schwaben – Graben Landschaftspflegeverband Donautal-Aktiv e. V. pflege für Helm- und Vogel-Azurjungfer. – kling@donautal-aktiv.de ANLiegen Natur 43(1): 45–54, Laufen; w ww.anl. bayern.de/publikationen. 54 ANLIEGEN NATUR 43(1), 2021
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