VVENC UND VVDEC: FRAUNHOFER HHI STELLT OFFENE, OPTIMIERTE IMPLEMENTIERUNGEN DES NEUEN VIDEOKODIER STANDARDS H.266/VVC BEREIT
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
32 Forschung & Entwicklung _ Beiträge Dezember 2020 FKT VVENC UND VVDEC: FORSCHUNG FRAUNHOFER HHI STELLT OFFENE, OPTIMIERTE IMPLEMENTIERUNGEN DES NEUEN VIDEOKODIER STANDARDS H.266/VVC BEREIT ADAM WIECKOWSKI, BENJAMIN BROSS, DR. DETLEV MARPE Einleitung gegenüber VTM wurde erst kürzlich in formalen VVC Verifi- cation Tests offiziell bestätigt. Komprimierte Videodaten machen heute den mit Abstand größten Anteil an Bits im Internet so- Versatile Video Coding wie im mobilen Datenverkehr aus. Dabei ist die Tendenz weiter steigend. Im Juli 2020 wurde der Bei der Entwicklung des neuen VVC-Standards standen zwei neue Videokodierstandard Versatile Video Coding wesentliche Ziele im Vordergrund. Als erstes sollte VVC eine (H.266/VVC) verabschiedet. H.266/VVC wurde deutliche Steigerung der Kodiereffizienz gegenüber HEVC ermöglichen. Die erst kürzlich veröffentlichten Ergebnisse gemeinsam von ITU-T und ISO/IEC entwickelt und der formalen subjektiven Verification Tests bestätigen eine soll helfen, alle zukünftigen Herausforderungen im Bitrateneinsparung zwischen 40 und 50 Prozent bei gleicher Bereich der Videoübertragung zu meistern. subjektiver Qualität. Das zweite Ziel steckt bereits im Namen des neuen Stan- dards und heißt Vielseitigkeit (Englisch: Versatility/versatile). So sollte bereits die erste Version des Standards ein breites P arallel zur Entwicklung der VVC-Standardspezifikation in Textform wurde eine Referenzimplementierung in Soft- ware gepflegt, das sogenannte VVC Test Model (VTM). Das Spektrum an Anwendungen effizienter als je zuvor unterstüt- zen. Dazu gehören die Kodierung von Computer-generiertem Video (zum Beispiel im Bereich Gaming, Bildschirminhalte VTM wurde während der Standardisierungsphase genutzt, für Videokonferenzen oder Remote-Desktop-Anwendun- um neu vorgeschlagene Technologien im Hinblick auf Ko- gen), immersive Anwendungen wie 360-Grad-Video sowie diereffizienz und Komplexität zu erproben. Die Entwicklung Verbesserungen für adaptives Streaming mit wechselnden der Kodiereffizienz (Bitratenreduktion) sowie der Enkoder-/ Bildauflösungen. Dekoderkomplexität (Laufzeit) für die verschiedenen Versio- Beide Ziele werden durch den Einsatz neuer Algorithmen nen von VTM gegenüber der HEVC-Referenzsoftware (HM) ist erreicht, wobei VVC genauso wie seine Vorgänger H.265/ in Abbildung 1 dargestellt. HEVC und H.264/AVC auf einem hybriden, blockbasierten Es ist zu sehen, dass neben der Kodiereffizienz (grüne Kodieransatz beruht. Dabei wird jedes Videobild in kleinere Kurve) auch die Enkoder-/Dekoderkomplexität (graue bzw. Blöcke aufgeteilt, die jeweils entweder mittels Intra- (im Bild) schwarze Kurve) gestiegen ist. Hierbei ist zu bemerken, dass oder Inter-Bild-Prädiktion (mithilfe von Bewegungskompen- der Anstieg für den Dekoder deutlich moderater ausfällt, wo- sation) prädiziert werden. Der daraus resultierende Prädik- bei diese Asymmetrie für alle Anwendungen im Broadcast- tions- oder Restfehler wird mithilfe von Transformation und oder Streamingbereich durchaus beabsichtigt ist. Getreu Quantisierung statistisch dekorreliert und zusammen mit dem Paradigma „einmal Enkodieren und mehrfach Dekodie- allen weiteren Daten zur Partitionierung und Prädiktion mit- ren“ (engl. encode once, decode many times), verfügen End- hilfe von Entropiekodierung in einen standard-konformen geräte wie Smartphones oder Fernsehgeräte typischerwei- Bitstrom geschrieben. Während im Großen und Ganzen kei- se nur über einen Dekoder. Dahingegen kommen Enkoder ner der Bausteine wie Prädiktion und Transformation neu ist, oftmals nur in leistungsstärkeren Rechnern, zum Beispiel in wurden diese jedoch methodisch erweitert und verbessert. Sendezentren oder in der Cloud, zum Einsatz. Im Folgenden sind lediglich die neuen VVC-Algorithmen kurz Nur zwei Monate nach der Fertigstellung des neuen aufgeführt. Diese sind durch ihre Komplexität für die im Wei- Standards hat das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut im teren diskutierten VVC-Implementierungen relevant. September 2020 seine optimierten Implementierungen ei- • Bi-Directional Optical Flow (BDOF): Ermöglicht eine de- nes VVC-Enkoders (VVenC) und eines VVC-Dekoders (VVdeC) koderseitige Verfeinerung der Bewegungskompensation veröffentlicht. Diese sind seitdem auf der Plattform GitHub basierend auf dem Modell des optischen Flusses. als Quelltext frei verfügbar. Sie bringen neben erheblichen • Decoder-side Motion Vector Refinement (DMVR): Er- Beschleunigungen gegenüber der VTM-Referenzsoftware laubt ebenfalls eine dekoderseitige Bewegungsverfei- enkoderseitig zusätzlich noch Optimierungsoptionen im nerung, allerdings durch zusätzliche Suche mittels Block Hinblick auf die subjektiv wahrgenommene Bildqualität. Die Matching. höhere subjektive Qualität bei gleicher Bitrate von VVenC • Affine motion model: Ermöglicht die Erweiterung der
FKT Dezember 2020 Forschung & Entwicklung _ Beiträge 33 FORSCHUNG Abbildung 1: Progression der Kodie- reffizienz sowie Enkoder- und Deko- derkomplexität des VVC-Testmodells (VTM) während der Standardentwick- lung gegenüber des HEVC-Testmo- dells (HM). translatorischen Bewegungskompensation auf affine Be- tuelle Version ist nun mit dem finalen VVC-Standard konform wegung wie Rotation, Scherung und Parallelstreckung. und erlaubt eine sehr gut skalierende Parallelisierung. Diese • Luma Mapping with Chroma Scaling (LMCS): Ermöglicht enthält zudem strukturelle sowie algorithmische Optimie- eine adaptive Anpassung des Dynamikbereichs. rungen, die im Folgenden anhand diverser empirisch ermit- • Adaptive Loop Filter (ALF): Zusätzlicher, adaptiver In- telter Daten näher erklärt werden sollen. Loop-Filter zur Verbesserung des Rekonstruktionssig- In Abbildung 2 sind die Dekoder-Laufzeiten für fünf nals. Sekunden lange Ultra High-Definition (UHD) Videosequen- • Deblocking Filter (DBF): Der von HEVC und anderen Stan- zen dargestellt, die jeweils in der Referenzimplementierung dards bekannte Deblocking Filter wird in VVC mit feine- VTM-10 sowie in der optimierten Implementierung VVdeC rer Granularität (4x4 Block-Raster) angewandt. von jeweiligen Komponenten in Anspruch genommen wer- • Adaptive Motion Vector Resolution (AMVR): Ermöglicht den. Vor allem durch eine entschlackte Softwarestruktur die Signalisierung der Bewegungsvektoren mit einer und eine Optimierung der Sample-Operationen konnten adaptiven Auflösung mit Genauigkeiten von 1/4 eines viele Teile des Dekoders beschleunigt werden. Letztere Bildpunktes bis 4 Bildpunkte. konnten vor allem durch den umfangreichen Einsatz von • Symmetric Motion Vector Difference (SMVD): Erlaubt es, Vektorisierung mit Single-Instruction Multiple-Data (SIMD) bei Bi-Prädiktion aus zwei Richtungen nur einen Bewe- erreicht werden (z. B. Advanced Vector Extensions – AVX2). gungsvektor explizit zu übertragen. Unter der Annahme Im Gegensatz zu früheren Referenzimplementierungen wie symmetrischer Bewegung wird dieser dann verwendet HM für HEVC oder JM für AVC, enthält VTM eine ganze Reihe um den Vektor der anderen Richtung herzuleiten. laufzeitoptimierter Algorithmen. Das betrifft vor allem die • Merge plus Motion Vector Difference (MMVD) und Geo- Interpolationsfilter und ALF. Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, metric Partitioning Mode (GPM) sind weitere Algorith- konnten diese in VTM bereits optimierten Routinen in VVdeC men, die es ermöglichen, den von HEVC bekannten Mer- noch einmal um das Zweifache beschleunigt werden. ge-Modus zur effizienten Kodierung von Bewegungsin- Der VVdeC-Dekoder kann das Dekodieren sehr effizient formationen adaptiv weiter zu verfeinern. über mehrere Rechenkerne eines modernen Prozessors ver- teilen. So können je nach Rechenleistung, Anzahl der Kerne VVdeC Software Dekoder sowie Bitrate des Videos UHD-Videosignale mit bis zu 60 Bil- Das Fraunhofer HHI hat die Arbeiten an einem optimierten dern pro Sekunde (frames per second – fps) dekodiert wer- Softwaredekoder schon früh während der Standardentwick- den. Im Abbildung 3 sind die erreichten Dekodiergeschwin- lung aufgenommen (siehe. FKT 8–9 2019, S. 60–63). Die ak- digkeiten für UHD-Videos auf einer modernen Workstation Abbildung 2: Durchschnittliche Verarbeitungsdauer einzelner Dekoderkomponenten für 5s lange UHD Sequenzen auf einem modernen Rechner mit AVX2-Un- terstützung (IF = Interpolations- filter, MIDER= Herleitung der Bewegungsinformationen, SAO = Sample Adaptive Offset Filter).
34 Forschung & Entwicklung _ Beiträge Dezember 2020 FKT Idealerweise würde ein Enkoder alle Möglichkeiten aus- probieren und jene Kombination wählen, die bei gegebener FORSCHUNG Rate die beste Qualität liefert. Dieser Brute-Force-Ansatz ist aber nicht praktikabel, weshalb üblicherweise verschiede- ne Heuristiken verwendet werden, die den Parameterraum deutlich einschränken, ohne viel an Effizienz einzubüßen. Die vielen Freiheitsgrade erlauben es auch, einen Enkoder an- wendungsspezifisch zu optimieren. Für Video-on-Demand- Anwendungen kann ein Enkoder viele Möglichkeiten testen und somit auf Kosten der Laufzeit die Kodiereffizienz stei- gern. Bei Videokonferenzen oder Live-Streaming/-Broadcas- ting hingegen muss ein Enkoder den Suchraum aufgrund von Realzeitanforderungen und Latenz auf Kosten der Effizienz einschränken. Im Allgemeinen, aber auch bei VVC im Speziellen, kann man – vereinfacht gesagt – zwischen zwei Arten von Kodier algorithmen unterscheiden. Die einen, beispielsweise die Abbildung 3: Dekodiergeschwindigkeit in Abhängigkeit von der dekoderseitige Verfeinerung der Bewegungsvektoren mit Anzahl der genutzten Rechenkerne (Threads) sowie der Videobitrate BDOF oder DMVR, werden implizit angewandt und können auf einer modernen Workstation. pro Bild oder pro Videosequenz eingeschaltet werden. Die anderen haben einen deutlich größeren Parameter- bzw. Suchraum. Das beinhaltet die Blockaufteilung, die für je- des Bild ermittelt und signalisiert werden muss, oder die mit Core-i9-9980XE Prozessor für verschiedenen Bitraten Intra-Prädiktionsmodi und Parameter zur Bewegungskom- und Anzahl von parallel genutzten Rechenkernen (Threads) pensation, die für jeden einzelnen Block explizit signalisiert abgebildet. werden. In letzterem Fall muss der Enkoder pro Block ent- Die dargestellten Zahlen zeigen zum einen, dass der De- scheiden, ob der spezifische Algorithmus angewandt werden koder ziemlich gut über die Anzahl der Kerne skaliert. Zum soll, was zu Komplexitätssteigerungen führt. Deswegen ist anderen wird auch bei höheren Bitraten deutlich, dass die die enkoderseitige Komplexität von VVC weniger von der Optimierung noch nicht abgeschlossen ist. Hier muss VVdeC, Komplexität der einzelnen Algorithmen bestimmt (wie im speziell was die Softwarestruktur und die Speicherzugriffe Falle des Dekoders), sondern vielmehr von der Anzahl an betrifft, noch weiter verbessert werden, um auch flüssiges möglichen Enkoderentscheidungen, also dem zugrunde ge- Abspielen von UHD-Videos auf weniger leistungsstarken legten Suchraum. Bei VVC ist dieser Suchraum sehr hochdi- Rechnern zu ermöglichen. mensional, was zur Folge hat, dass die potenziell hohe Bitra- tenreduktion mit einer ebenfalls deutlich erhöhten Enkoder- VVenC Software Enkoder komplexität einhergeht. Dies ist in der anfangs diskutierten Neben den Arbeiten am optimierten Dekoder VVdeC haben Abbildung 1 gut zu erkennen. die Forscher des Fraunhofer HHI zusätzlich eine optimierte Für die Entwicklung des Enkoders haben die HHI-For- Enkoder-Implementierung namens VVenC entwickelt. Im scher mit einem sehr einfachen Grundgerüst angefangen. Gegensatz zum Dekoder, der das Video aus komprimierten Dieses wurde nach und nach um weitere in VVC verfügba- VVC-Bitströmen streng nach Standard parst und dekodiert, re Algorithmen ergänzt, wobei zuerst diejenigen integriert hat eine Enkoderimplementierung viel mehr Freiheiten. wurden, die eine hohe Kodiereffizienz bei vergleichsweise Grundsätzlich bietet jeder Videokompressionsstandard vie- geringer Laufzeit aufwiesen. Darüber hinaus wurden die le Möglichkeiten, ein Video zu kodieren. Das fängt an mit der VTM-Suchalgorithmen in VVenC dahingehend optimiert oder Wahl der Partitionierung und setzt sich fort über die Anzahl durch neue oder angepasste Algorithmen ersetzt, die ein der Prädiktions- und Transformationsmodi bis hin zu den noch besseres Verhältnis zwischen Laufzeit- und Effizienz umfangreichen Parametern der Filter. steigerung erreichen. Abbildung 4: Durchschnitt- liche Zeit pro Bild in der Enkodersuche. VTM-10 wurde in einer Konfigura- tion benutzt, die die gleiche Menge an Kodierwerkzeu- gen wie VVenC unterstützt. Für VvenC-VTM-comp wurde VVenC mit gleichem Suchalgorithmus gesteuert (MVD – Bewegungsvektor- differenzensuche).
FKT Dezember 2020 Forschung & Entwicklung _ Beiträge 35 FORSCHUNG Abbildung 5: Verhältnis von Laufzeit- und Bitratendifferenz für VVenC bei unterschiedlichen Presets mit und ohne Parallelisierung im Ver- gleich zum HM-16.22 HEVC-Referenzenkoder. Zusätzlich sind die Ergebnisse des VTM-10 VVC-Referenzenkoders sowie des libAOM AV1-En- koders bei unterschiedlichen Presets abgebildet. Die Bitratendifferenzen basieren auf Messungen von Bitrate vs. PSNR. Abbildung 4 zeigt die Laufzeiten für verschiedene dierwerkzeuge von VVC benutzt, für die jedoch die oben VVC-Enkodieraspekte in der VTM-Referenzsoftware (VTM- diskutierten, angepassten Suchalgorithmen genutzt werden. 10.0) in VVenC mit den gleichen Suchalgorithmen wie in In der langsamsten Konfiguration werden viele der schnel- VTM (VVenC-VTM-comp) sowie in VVenC mit optimierten len Entscheidungsalgorithmen abgeschwächt sowie weitere Suchalgorithmen (VVenC medium). Hier ist zu bemerken, Werkzeuge dazu genommen, um in etwa auf die Kodier dass die ersten beiden Konfigurationen aufgrund der glei- effizienz von VTM zu kommen. In Abbildung 5 sind die Lauf- chen Enkoderentscheidungen die gleiche Kodiereffizienz zeiten sowie Kodiereffizienz durch Bitrateneinsparung bei aufweisen. VVenC in der „medium“-Konfiguration hingegen gleichem Peak-Signal-to-Noise-Ratio (PSNR) der vier Presets ist deutlich schneller, weist aber, wie im nächsten Abschnitt von VVenC gegenüber der HEVC-Referenzsoftware HM dar- beschrieben, eine etwas geringere Kodiereffizienz auf. Es ist gestellt. Man sieht, dass die langsamste Konfiguration (slow) sehr deutlich zu erkennen, wo VVenC gegenüber VTM-10 die gleichen hohen Rateneinsparungen wie VTM bei unge- Laufzeit einsparen kann. Der Unterschied zwischen VTM und fähr der Laufzeit von HM erzielt. VVenC-VTM-comp zeigt lediglich die verbesserte Implemen- Die zweitlangsamste Einstellung (medium) bietet dreifa- tierung des jeweiligen Algorithmus in VVenC, wobei viele che Beschleunigung gegenüber HM, behält jedoch weiter- Optimierungen aus dem Dekoder übernommen wurden. Der hin noch einen Großteil der VTM-Gewinne. Darüber hinaus Vergleich von VVenC-VTM-comp zu VVenC medium zeigt, wieviel Laufzeit eingespart werden kann, wenn bei gleicher Implementierung zusätzlich noch der Suchalgorithmus an- gepasst wird. Die angepassten Suchalgorithmen betreffen ADAM WIECKOWSKI vor allem die Bewegungskompensation und Blockaufteilung (wobei letzteres in der Abbildung nicht direkt erkennbar ist, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Quelle: Fraunhofer HHI weil sich dieses auf alle Suchbereiche auswirkt). Fraunhofer HHI. Er leitet die Entwicklungsarbeiten an den Gerade durch die Vielzahl neuer Möglichkeiten der Dar- optimierten VVC-Software-Implementierungen VVenC stellung von Bewegungsvektordifferenzen (MVD inklusive und VVdeC. SMVD, Affine MVD, AMVR) sowie Merge-Modi (Merge inklusi- https://www.hhi.fraunhofer.de/ ve MMVD und GPM, Affine Merge) ist der Suchraum in diesem Bereich sehr groß. Durch neue Algorithmen können Entschei- dungen in VVenC in diesem Bereich schon sehr früh getrof- fen werden, was die Laufzeit für VVenC medium effektiv BENJAMIN BROSS reduziert. Weitere Bestandteile der Enkodierung, bei denen ist Leiter der Gruppe "Videokodiersysteme" am Fraunho- Quelle: Fraunhofer HHI durch die optimierte Suche in VVenC medium die Laufzeit si- fer HHI und Editor der HEVC- und VVC-Standards. Seine gnifikant reduziert wurde, sind die Quantisierung sowie ALF. Veröffentlichungen zu H.265/HEVC wurden mehrfach Neben der erwähnten medium Konfiguration bietet ausgezeichnet. VVenC drei weitere vorkonfigurierte Presets: slow, fast und https://www.hhi.fraunhofer.de/ faster. Jedes dieser Presets stellt einen anderen Operations- punkt bezüglich Laufzeit und Kodiereffizienz dar. So werden in den Presets „faster“ und „fast“ nur eine grundlegende, etwas eingeschränkte Blockaufteilung sowie Algorithmen, DR.-ING. DETLEV MARPE für die keine Entscheidungen getroffen werden müssen, angeschaltet. Beide Konfigurationen sind vor allem durch ist Leiter der Abteilung „Videokodierung und Maschinel- Quelle: Fraunhofer HHI die Softwarestruktur und die Komplexität dieser Basisalgo- les Lernen” am Fraunhofer HHI. 2015 wurde er zum IEEE rithmen beschränkt. Das heißt, weitere Beschleunigungen Fellow ernannt. sind nur noch durch eine verbesserte Struktur und Imple- https://www.hhi.fraunhofer.de/ mentierungen der Algorithmen ohne Suche möglich. In der „medium“ Konfiguration werden eine Vielzahl weiterer Ko-
36 Forschung & Entwicklung _ Beiträge Dezember 2020 FKT beinhaltet VVenC einige rein enkoderseitige Optimierungen, Eine weitere Beschleunigung von Enkodern kann durch wie eine bewegungsoptimierte Vorfilterung, die weder in HM Parallelisierung erzielt werden. Für VVenC ist diese in der ak- FORSCHUNG noch in VTM angeschaltet sind. In der Grafik sind zusätzlich tuellen Version sehr einfach gehalten, ermöglicht jedoch für fünf Arbeitspunkte des AV1-Enkoders (Version libaom v-2.0) UHD eine fast vierfache Beschleunigung bei sechs Threads unter weitgehend angepassten und somit vergleichbaren oder eine dreifache Beschleunigung für UHD und HD bei Kodierbedingungen dargestellt. Obwohl VVC erst im Juli vier Threads. Die erreichte Kodiergeschwindigkeit ist abhän- 2020 fertiggestellt wurde und der AV1-Enkoder über zwei gig von der verwendeten CPU-Architektur und soll hier nicht Jahre massiv optimiert wurde, ermöglicht die erste Version weiter im Detail diskutiert werden. von VVenC bereits bei ähnlicher Laufzeit eine deutlich hö- here Bitrateneinsparung. Zusammenfassung Während sich der PSNR zur Entwicklung von Kodieral- Lediglich zwei Monate nach der Fertigstellung des VVC-Stan- gorithmen durchaus als ein valides Maß objektiver Video- dards hat das Fraunhofer HHI im September 2020 optimierte qualität etabliert hat, zählt am Ende doch die subjektiv Implementierungen von VVC-Enkoder- und -Dekodersoft- wahrgenommene Bildqualität. VVenC enthält daher zur Stei- ware (VVenC und VVdeC) frei verfügbar auf GitHub veröf- gerung der subjektiv wahrgenommenen Qualität die Option fentlicht. Diese zeigen, dass VVC nicht nur auf dem Papier einer psychovisuellen Optimierung. Diese wird durch eine und für das PSNR-Qualitätsmaß ausgezeichnete Ergebnisse Adaption der Quantisierungsschrittweite auf Basis der lo- liefert, sondern auch großes Potenzial für praktische Anwen- kalen zeitlichen und örtlichen Signalaktivität mithilfe des dungen mit hoher subjektiver Qualität bei kleinen Bitraten am Fraunhofer HHI entwickelten XPSNR-Modells ermög- aufweist. Während der Softwaredekoder noch etwas Arbeit licht. Durch die Nutzung dieser Optimierung hat VVenC im braucht, um auch auf älteren Geräten Live-Dekodierung zu medium Preset bei formalen subjektiven Tests zur Verifizie- ermöglichen, kann der VVenC-Enkoder jetzt schon einge- rung der Kodiereffizienz von VVC sogar besser als das VTM setzt werden, um das große Potenzial von VVC in praktischen abgeschnitten und dies bei ungefähr 110-fach schnellerer Anwendungen zu erproben. Laufzeit. NEUER MASTERSTUDIENGANG „DIGITALE TECHNOLOGIEN“ AN FH SÜDWESTFALEN D ie Fachhochschule Südwestfalen in Soest bietet zum Sommersemester 2021 den neuen Masterstudiengang "Digitale Technologien" an, der sich mit den Schwerpunkten gesteuerten Fabrik oder in der automatisierten Landwirt- schaft zu überdenken. Mit seiner interdisziplinären Ausrich- tung ist der Masterstudiengang "Digitale Technologien" für Big Data, künstliche Intelligenz und IT-Sicherheit befasst. Studenten aus verschiedenen Fachrichtungen interessant. Die digitale Zukunft stelle sowohl Entwickler als auch An- So werden Bachelor-Absolventen der Agrarwirtschaft, des wender vor neue Herausforderungen, heißt es in Soest. Die Maschinenbaus, des Wirtschaftsingenieurwesens ebenso technische Realisierung der Digitalisierung über Hardware wie Absolventen interdisziplinärer Studiengänge mit techni- und Software muss entwickelt und permanent optimiert scher, design- oder managementorientierter Ausrichtung auf werden. Wirtschaftliche Prozesse ändern sich durch Digita- die Herausforderungen einer immer stärker digitalisierten lisierung maßgeblich und müssen demzufolge neu definiert Zukunft vorbereitet. Das Studium verknüpft fachspezifische und kompetent gesteuert werden. Nicht zuletzt ist auch die Anwendungen mit Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt Rolle des Menschen in einer durch künstliche Intelligenz und IT-Wissen. Absolventen werden aber nicht zu IT-Spe- zialisten ausgebildet, sie sind aufgrund ihres technischen Hintergrunds vielmehr in der Lage, Digitalisierungs-Techno- logien adäquat einzusetzen, die Ergebnisse anwendbar ein- zuordnen und die Möglichkeiten und Grenzen zu verstehen. Das mache den Studiengang "Digitale Technologien" an der Fachhochschule Südwestfalen einzigartig, teilt die Fach- hochschule mit Im Masterstudium werden Kenntnisse aus den Berei- chen Big Data, IT-Netzwerke und IT-Sicherheit, maschinelles Lernen, Arbeitswelt 4.0 und digitale Geschäftsmodelle ver- Quelle: Shutterstock/Phonlamai Photo mittelt. Individuell können bereits zu Beginn des Studiums Schwerpunkte gewählt werden, wie beispielsweise Additive Fertigung, Automatisierung, Simulation, Interaktionsdesign, E-Business/Online-Marketing oder Smart Farming. Die Re- gelstudienzeit beträgt drei bzw. vier Semester je nach Vor- kenntnissen. Berufstätige können "Digitale Technologien" auch parallel zum Beruf studieren. In der Regel verlängert sich dadurch die Gesamtstudiendauer. www.fh-swf.de/soest
Sie können auch lesen