Libyen: Italiens Außenminister fordert: Wir müssen den Krieg stoppen

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Libyen: Italiens Außenminister fordert: Wir müssen den Krieg stoppen
Libyen: Italiens Außenminister fordert: Wir müssen den
Krieg stoppen
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Italiens Außenminister Luigi di Maio (33, „5-Sterne-Bewegung“) beobachtet das aktuelle Geschehen in
    Libyen mit Sorge. Im BILD-am-SONNTAG-Interview stellt er seinen Plan für die neue EU-Mission
                             vorFoto: Domenico Stinellis / AP Photo / dpa

Es ist ein dramatischer Appell, den Italiens Außenminister Luigi di Maio im BILD-am-SONNTAG-
Interview an Deutschland richtet: Der Bürgerkrieg in Libyen muss beendet werden. Sonst droht
Europa ein doppeltes Sicherheitsrisiko. Außerdem spricht der Minister über die Frage, wie es
nach den krassen Verbalattacken von Ex-Innenminister Matteo Salvini um die deutsch-
italienischen Beziehungen steht. Und welche Hoffnungsschimmer er in Italiens ewiger
Finanzkrise sieht.

BILD am SONNTAG: Herr Minister, bei der Libyen-Konferenz in Berlin wurde eine
Waffenruhe vereinbart, aber sie wird täglich gebrochen: Diese Woche wurden z. B.
der Hafen von Tripoli von Gegnern der international anerkannten Regierung
beschossen. Was kann Europa beitragen, um den blutigen Konflikt zu lösen?

Luigi Di Maio: „Deutschland hat, in Person von Bundeskanzlerin Angela und
Außenminister Heiko Maas, bereits Bemerkenswertes geleistet: Durch die Konferenz in
Berlin ist es gelungen, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen – Premier al-Sarradsch,
General Haftar und jene Länder, die auf die beiden Einfluss haben. Letzteres ist
entscheidend, weil in Libyen ein Stellvertreterkrieg tobt. Es besteht Einigkeit in der EU,
dass Diplomatie der einzig richtige Weg ist, auch wenn es Rückschläge gibt. Die Straße
der Diplomatie braucht nun einmal mehr Zeit als die des Krieges.“

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Seit neun Jahren kommt Libyen nicht nur Ruhe. In der Hauptstadt des Landes, Tripolis, feuert ein
 Kämpfer der Regierung der nationalen Einheit (GNA) auf Streitkräfte von General HaftarFoto: picture
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Im Rahmen einer neuen EU-Mission sollen bald Marineschiffe den
Waffenschmuggel nach Libyen stoppen. Befürchten Sie, dass durch die Präsenz der
Schiffe die Zahl der Bootsflüchtlinge wieder steigt?

Di Maio: „Um die Waffenlieferungen zu stoppen, brauchen wir eine Mission, die neben
dem Einsatz von Marineschiffen auch Kontrollen aus der Luft und an Land umfasst. Viele
Länder, auch Italien, sind besorgt, dass der Einsatz der Marineschiffe zu einem
Anschwellen der Flüchtlingsströme führen könnte. Deshalb soll der Einsatz auf die
östliche Mittelmeer-Küste, auf die Route der Waffenschmuggler, begrenzt bleiben. Es
gibt eine Klausel, wonach der Marine-Einsatz abgebrochen wird, sollte durch die Schiffe
dennoch ein Anreiz zur Flucht entstehen. Es ist das erste Mal, dass die EU diesen ‚Pull-
Faktor‘ anerkennt, von dem wir Italiener seit Langem sprechen.“

Also schließen Sie eine neue Flüchtlingskrise aus?

Di Maio: „In Libyen sind 700 000 Flüchtlinge. Die meisten davon wollen nicht nach
Europa, solange sie dort in Frieden leben können und eine Perspektive haben. Aber
können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn in der Hauptstadt Straßenkämpfe
ausbrechen? Für mich ist klar: Wir müssen diesen Krieg stoppen. Sonst haben wir eine
neue Flüchtlingskrise. Es ist im Übrigen auch der einzige Weg, dem Terrorismus den
Nährboden zu entziehen. Das Außenministerium in Tripoli gibt es nicht mehr, weil ISIS-
Terroristen es in die Luft gesprengt haben. Das passiert nur 200 Kilometer von Sizilien
entfernt, vor Europas Küsten.“

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Flüchtlinge verlassenen im Juli 2019 ihr Schlauchboot vor der libyschen Küste. Sie wurden vom Schiff
               der Rettungsorganisation Sea-Eye gerettetFoto: Fabian Heinz/Sea-Eye/dpa

Ist Russland, das als Unterstützer von General Haftar gilt, der von einer
Gegenregierung im Osten des Landes unterstützt wird, Teil des Problems oder Teil
der Lösung?

Di Maio: „Da erlaube ich mir, Kanzlerin Merkel zu zitieren: ‚Wir müssen an der Sicherheit
Europas arbeiten, aber gemeinsam mit, nicht gegen Russland.‘ Die Tatsache, dass
Präsident Putin zur Libyen-Konferenz nach Berlin gekommen ist, zeigt: Moskau kann und
muss Teil der Lösung sein.“

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Italiens neue Regierung ist seit einem halben Jahr im Amt. Inwiefern sehen Sie es
nach dem Ausscheiden von Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega-
Partei als Ihre Aufgabe, verloren gegangenes Vertrauen zwischen Rom und Berlin
wieder aufzubauen?

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Di Maio: „Ich erlebe in Berlin maximale Offenheit für unsere Anliegen. Deutschland ist
der natürliche Gesprächspartner für Italien, was unsere Zukunft in Europa anbelangt: Mit
keinem anderen Land verbinden uns mehr Werte und Ziele. Vergessen wir nicht, welche
Schwierigkeiten wir überwinden mussten beim Aufbau unserer Demokratien nach der
Tragödie des Nationalsozialismus und Faschismus. Aktuell verbindet uns der Kampf
gegen Extremismus jeglicher Art, besonders des Rechtsextremismus.“

Ex-Innenminister Salvini hat viel außenpolitisches Porzellan zerschlagen mit
seinen Angriffen auf die EU und auf die Regierung Merkel. Nicht vergessen ist in
Deutschland der Tweet, in dem er in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen
schrieb, zu Kriegszeiten würde man Merkel „wegen Hochverrat den Prozess
machen“.

Di Maio: „Matteo Salvini hat es vorgezogen, Tweets abzusetzen, statt für die Interessen
seines Landes zu arbeiten. Er hat in vielen Ländern der internationalen Gemeinschaft
damit Schaden angerichtet, zum Glück aber nicht zwischen den Völkern. Salvini ist ein
Mensch, der in Slogans und in Schlagzeilen denkt, nicht in Prozessen, die zu konkreten
Resultaten führen. Seine Wortwahl kann dies in diesem Fall aber nicht entschuldigen.“

      Das Kabinett „Conte I“ bestand aus Matteo Salvini als Innenminister, Giuseppe Conte als
  Ministerpräsident und Luigi Di Maio als Minister (v.l.). Das Trio war am Ende völlig zerstrittenFoto:
                                    FILIPPO MONTEFORTE / AFP

Im Vorfeld der Europawahl 2019 gab es auch bitteren Streit zwischen Rom und
Brüssel. Sind die ehemals Europa-begeisterten Italiener Europa-müde geworden?

Di Maio: „Auch hier gilt es, den Blick nach vorn zu richten: Die Ankündigungen der neuen
Kommission haben Hoffnungen und Erwartungen in Italien geweckt, im Hinblick auf den
‚Green New Deal‘ von Ursula von der Leyen, im Hinblick auf einen möglichen

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europäischen Mindestlohn und dem Schutz von Arbeitnehmerrechten. Es ist wichtig,
dass den Worten Taten folgen.“

Sowohl Salvini als auch Sie haben Millionen Follower in den sozialen Netzwerken.
Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass Politik nur noch für Likes und Herzchen
inszeniert wird?

Di Maio: „Die sozialen Medien sind ein wichtiges Mittel der Kommunikation geworden,
gesellschaftlich wie politisch. Solange man verantwortungsvoll damit umgeht, dienen sie
durchaus der Information der Bürger. Ich sehe das nicht so pessimistisch: Wer statt
Inhalten nur Wut und Hass transportiert, wird meiner Meinung nach auf Dauer damit
scheitern.“

Warum schafft es Italien nicht, einen Weg aus der Finanzkrise zu finden, wie es z.
B. Spanien gelungen ist?

Di Maio: „Als Exportnation treffen uns die Auswirkungen von internationalen Krisen
besonders stark: der Handelsstreit zwischen den USA und China, die Sanktionen gegen
Russland und den Iran, der Bürgerkrieg in Libyen. Aber weder ‚Made in Italy‘ noch ‚Made
in Germany‘ stecken in der Krise, sondern unsere Absatzmärkte. Auf dem Arbeitsmarkt
tragen unsere Anstrengungen bereits Früchte: Italien hat die höchste
Beschäftigungsquote seit 1977 erreicht, fast 60 Prozent, überwiegend mit stabilen
Arbeitsverhältnissen.“

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