Live-Einsatz der Paintbox für die 'tagesschau'

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Live-Einsatz der Paintbox für die 'tagesschau'
Live-Einsatz der Paintbox für die 'tagesschau'

Auf der ARD-Bühne der IFA 2005 wurden täglich mehrere Versionen der
'tagesschau' produziert. NDR-Grafikerin Nicola Boysen war mit der neuen Paintbox
von Quantel für die Illustrationen und Animationen vor Ort zuständig.

Für die 'tagesschau'-Sendungen live von der IFA mussten die Grafiken besonders zeitnah erstellt werden

Die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin nutzen alle Fernsehanstalten zu
Live-Ausstrahlungen und Sendungen mit Zuschauer-Beteiligung. Für einen
reibungslosen Ablauf auch außerhalb der gewohnten Senderumgebung zu sorgen ist
für die Mitarbeiter im Hintergrund oft eine Herausforderung. Das 'tagesschau'-
Produktionsteam des Norddeutschen Rundfunks (NDR) war täglich mit bis zu sechs
Sendungen 'Zuschauer lesen die tagesschau' und einer dreiminütigen regulären
'tagesschau' auf der Live-Bühne präsent. Für die Sendungen waren zahlreiche Stills,
Illustrationen und Animationen notwendig, die von der Grafikdesignerin Nicola
Boysen an einer Paintbox von Quantel erstellt wurden. Durch die zahlreichen Live-
Sendungen mussten die Grafiken sehr schnell (Stichwort 'Close to air') fertig sein,
aber die gewohnte hohe Bildqualität der 'tagesschau' bieten.

Der Weg zur Grafik
Nicola Boysen, seit 1998 beim NDR und bei der 'tagesschau' hauptsächlich in der
Trickproduktion beschäftigt, kennt Quantel bereits seit längerem. Schon während
ihrer Ausbildung an der Hanseatischen Akademie für Marketing und Medien
(HAMM), an der die klassischen Grafikbereiche wie Zeichnen, Malen und Fotografie
unterrichtet werden, hat sie parallel beim NDR gearbeitet und dabei erste
Erfahrungen mit den Quantel-Systemen HAL, Editbox und der ersten Paintbox-
Live-Einsatz der Paintbox für die 'tagesschau'
Version gemacht. Dazu kamen der Schriftgenerator Aston Ethos, discreets Inferno,
Viz RT, Wige Control Center sowie weitere Grafikprogramme.

Nicola Boysen an ihrem Paintbox-Arbeitsplatz auf der IFA 2005
Live-Einsatz der Paintbox für die 'tagesschau'
Zudem sammelte Boysen als freie Mitarbeiterin bei Neteye in Hamburg Erfahrungen
mit Webdesign-Programmen. 2004, nach Vorstellung der neuen Paintbox von
Quantel auf der IBC machte Nicola Boysen dann mit dem neuen System
Bekanntschaft: 'Der Ein- und Umstieg Paintbox fiel mir immer sehr leicht, da die
Oberfläche vertraut ist und der Arbeitsweise als Grafikerin sehr entgegenkommt',
erinnert sie sich.

Die 'neue' Paintbox
Die 'neue' Paintboc basiert auf dem bekannten Funktionsset der älteren Version,
wurde aber technisch komplett erneuert und arbeitet sowohl mit Standard Definition-
Video als auch optional im High Definition-Format.

Das Funktionsportfolio umfasst die bekannten Tools Desk (Cliparchiv/-management),
Paint, Keyer in jeder Form, DVE für die Anordnung auf der X-, Y- und Z-Achse mit
Camera-Funktion, Lichtsetzung und verschiedene 'Views' für die Ansicht im 3D-
Raum, sowie mit Color Correction eine umfangreiche Farbkorrektur. Dazu kommen
die Funktionen Blur, I/O für Video- und Netzwerk-Integration. Die Netzwerkintegration
erfolgt entweder über ein separates Ober-Menü, wenn die Paintbox an ein
Serversystem angeschlossen ist, oder direkt über die Clip-Bin ('Library'). Die I/O-
Funktion bietet verschiedene Kompressoren an, so dass das System in der Lage ist,
alle gängigen Formate, inklusive Photoshop, mit Layern und Alpha-Kanälen zu
importieren und in Video umzuwandeln. Utilities, d.h. zahlreiche Plug-ins sowie
Scribe, ein auflösungsunabhängiger Schriftgenerator für die Erstellung von Stills,
Rolls und Crawls, runden das Funktionsportfolio ab.

Sämtliche Menüs sind keyframebasiert und verfügen über eine neuartige
Layerstruktur. Sie ermöglicht, eine unbegrenzte Anzahl von Layern zu selektieren
und in den einzelnen Menüs zu bearbeiten, z.B. in Paint oder Color Correction. Die
kreativen Gestaltungsvarianten bei Kompositionen sind daher nahezu unbegrenzt.

Die Paintbox-Workstation von Nicola Boysen auf der IFA war ein 'Close to air'-
System für die Produktion in Standard Definition (SD) mit 180 Minuten SD-Speicher
(720x576 Auflösung, 10 bit, 25 Frames/Sekunde). Für die Bedienung standen neben
dem Tablett (DIN A4-Grösse) und Stift, die Tastatur mit Maus sowie eine weitere
Handsteuerung (die sogenannte 'Ratte') zur Verfügung.

Der IFA-Workflow
Die Paintbox war über ein Netzwerk in die 'tageschau'-Produktion auf der IFA
eingebunden: Via LAN waren ein PC angehängt und via Kreuzschiene die
Verbindung zum Übertragungswagen vor Ort gewährleistet. Über eine 2 Mbit-
Standleitung zum Server im Hauptquartier der 'tagesschau'-Produktion in Hamburg-
Lokstedt konnte die Grafikerin auf Archiv-Material oder Material von Bildagenturen
zugreifen. Der Workflow ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig die Kompatibilität
eines Grafiksystems innerhalb einer Fernsehproduktion ist. Material in allen
Formaten und Auflösungen wird zu Grafiken verarbeitet, die wiederum in
unterscheidlichsten Formaten und Auflösungen zur Weiterverarbeitung und zum
Playout zur Verfügung stehen müssen.

Tagesablauf
Der Tagesablauf von Nicola Boysen war bestimmt durch bis zu sechs Sendungen
'Zuschauer lesen die tagesschau', mittags unterbrochen durch eine reguläre,
Live-Einsatz der Paintbox für die 'tagesschau'
dreiminütige 'tagesschau'-Version. Pro Tag mussten maximal 27 Stills (Standbilder
aus Clips) produziert werden, Illustrationen und Animationen.

Für die fiktiven 'tageschau'-Meldungen der Zuschauer waren Illustrationen, d.h.
Bildcollagen oder Fotoarbeiten mit unterschiedlichen Materialien notwendig, sowie
Stills der beteiligten Zuschauer, die sie als Ausdruck unmittelbar nach ihrem Auftritt
erhielten. Die reguläre 'tagesschau'-Sendung benötigte Stills aus Filmbeiträgen oder
aktuelle Fotos von Bildagenturen.

Auf dem Desktop liegen mehrere Arbeiten, der Clip-Bin ist offen. Vom Desktop wurde eine Illustration für
'Zuschauer lesen…' geladen, indem das Bild auf die Arbeitsfläche (rechts) gezogen wurde. Dort muss noch eine
Zeile einfügt werden.

Nicola Boysen arbeitete parallel an den Anforderungen für beide Sendungen. Ihr Tag
begann morgens um 9 Uhr in der Redaktion vor Ort, um dort die ersten Meldungen
für den Nachmittagsdurchlauf entgegen zu nehmen.

Danach begann das Arbeiten an den Grafiken: Da Nicola Boysen bei den fiktiven
'tageschau'-Meldungen nicht auf bestehendes Material zugreifen konnte, suchte sie
an einem PC im Internet nach geeigneten Bildern für ihre Illustrationen. Das Ergebnis
speicherte sie ab und schickte sie über die LAN-Verbindung an die Paintbox.
Anschließend importierte sie die Bilder im JPG-Format mittels der IO-Funktion in die
Paintbox, speicherte sie im Tages-Ordner 'Material' um anschließend mit dem
Freistellen der einzelnen Bilder in 'Paint' zu beginnen.

Für Farbkorrekturen schob sie das Bild in 'Colour Correction' und retouchierte dort
die Layer einzeln, um die optimale Bildqualität zu erhalten. Hier profitierte sie von den
temporären Speichern, die es in allen Menüs gibt. Sie legte z.B. Settings für den
farblich gleichen 'Look' bei der 'tagesschau' in der Library ab und transferierte sie auf
alle Layer.

Zur endgültigen Illustration wurden die einzelnen Ebenen dann anschließend mit
Hilfe der DVE-Funktion zusammengefügt und angepasst. Das Ergebnis musste in
einen 'tagesschau'-Hintergrund eingefügt und mit einer Textzeile versehen werden.
Besonders bei den Animationen war es eine große Zeitersparnis, dass die Paintbox
alles in Echtzeit verarbeitet. Nach Abnahme der Illustration durch die Redaktion
schickte Boysen sie als SD-Video an den Bildmischer im Übertragungswagen vor
Ort.

Zwischen durch verfolgte Boysen die live stattfindenden Sendungen 'Zuschauer
lesen die tagsschau' an ihrer Paintbox, um geeignete Stills für die Ausdrucke zu
finden. Mittels der IO-Funktion erhält die Paintbox verschiedene Kamerapositionen
oder fertig gemischte Bilder aus dem Ü-Wagen. Mit 'Record' hielt Boysen dann den
passenden Gesichtsausdruck eines Beteiligten fest und schickte das Still an ihren
Videoprinter. Sobald die notwendigen drei Ausdrucke fertig waren, wurden sie zur
Bühne dem Aufnahmeleiter gebracht. Anschließend fuhr die Grafikerin mit den
Illustrationen fort. 'Alles musste schnell und ohne Verzögerungen parallel ablaufen',
erinnert sich Boysen. 'Da durfte es keine Verzögerungen geben, unabhängig wie viel
Material und in welchem Format die Paintbox gerade zu bearbeiten hatte.'

3 Minuten 'tagesschau'
Sobald die Redaktion der Grafikerin erste Informationen über den Inhalt der
regulären 'tagesschau'-Sendung am Mittag gab, nahm sie mit ihren Kollegen im
Hauptquartier der Sendeproduktion in Hamburg-Lokstedt Kontakt auf um nach den
gewünschten aktuellen Bildern von Bildagenturen oder Standard-Bildern suchen zu
lassen. Das Ergebnis packten die Kollegen in einen Order auf den HP Proliand
DL380 mit Windows 2000-Server vor Ort, auf den Boysen über die Standleitung
Zugriff hatte. Sie importierte sie im JPG-Format in die entsprechende Paintbox-
Applikation und bereitete sie mit dem notwendigen Text in Scribe für den Ü-Wagen
vor.
Fertige Grafik für die reguläre 'tagesschau'-Sendung mit eingeschalteter 'Safe-area' . Dies dient zur Kontrolle, ob
sich die Bilder 'im Rahmen' des 'normalen' Fernsehers befinden.

Parallel lief die Arbeit an den Illustrationen für die fiktiven 'tagesschau'-Meldungen
sowie die Beobachtungen der aktuellen Sendungen auf der Bühne für passende
Ausdrucke ab. Am Nachmittag begannen dann bereits die Vorbereitungen für die
Sendungen am nächsten Vormittag.

'In der Grafikproduktion beim Fernsehen gibt es selten ein reguläres Arbeiten, Schritt
für Schritt, alles nacheinander' kommentiert Nicola Boysen den Arbeitsablauf. 'Ob live
oder nicht, ich muss mit meinem System parallel an unterschiedlichsten Jobs
arbeiten und flexibel hin und her wechseln können.' Diese Flexibilität und Vielfalt bot
ihr die Paintbox: 'Sicher hätte ich zum Beispiel für die Stills auch Photoshop
verwenden können, aber eben nur für die Stills. So konnte ich nebenbei etwas
animieren und auf den Ü-Wagen rausspielen. Außerdem', fügt sie hinzu, 'mag ich die
Paintbox-Oberfläche und das Arbeiten mit dem Stift und der Handsteuerung. Das ist
wie eine Verlängerung meiner Hand.'

'Close to air'
Die Vielfältigkeit der Aufgaben während einer Sendeproduktion, vor allem beim
parallelen Live-Betrieb stellt hohe Anforderungen an ein Grafiksystem. Ob einfache
Bildausschnitte oder komplexe Layerstrukturen mit aufwendiger Farbkorrektur, das
System muss schnell und zuverlässig sein. 'Da darf das System einfach nicht in die
Knie gehen, egal wie stark ich es gerade belaste', betont Nicola Boysen.
'Sendetermine sind grausam, sie lassen sich nicht verschieben!'
Mit Blick auf HD
Neben ihrer Tätigkeit auf der IFA hat Nicolay Boysen bereits Erfahrungen mit HD-
Material auf der Paintbox sammeln können. Selbst bei vielschichtigen
Layerstrukturen umfangreicher HD-Clips von 1000 Bildern mit zusätzlichen
Animationen und Plug-ins, mit Keyern und Blurs versehen lief das System
zuverlässig und schnell. 'Bei der Schnelligkeit wird das Arbeiten in HD-Auflösung
selbstverständlich', meint sie, 'Man vergisst, dass mit was für einer Datenmenge
eigentlich gerade gearbeitet wird. Das verwöhnt ganz schön!'
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