Liverpool Care Pathway for the Dying (LCP) - Leitfaden zur Begleitung von PflegeheimbewohnerInnen am Lebensende
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Liverpool Care Pathway for the Dying (LCP) Leitfaden zur Begleitung von PflegeheimbewohnerInnen am Lebensende Elke Müller, Peter Oster Im Auftrag der Robert Bosch Stiftung Stuttgart 25.11.2010
DANK Der Liverpool Care Pathway for the Dying (LCP) ist ein weltweit eingesetzter Leitfaden zur Sterbebegleitung, der aus der Britischen Hospizbewegung hervor gegangen ist. Im deutschen Sprachraum wird er überwiegend und fast ausnahmslos auf Palliativstationen in Akutkrankenhäusern eingesetzt. Erfahrungen aus anderen Settings – z.B. Pflegeheimen, ambulanter häuslicher Versorgung, Hospiz – existieren deutschsprachig nicht. Auf Initiative von PD Dr. M. Pfisterer, ärztlicher Leiter des Zentrums Palliativmedizin des AGAPLESION ELISABETEHSTIFTES EVANGELISCHES KRANKENHAUS Darmstadt wurde die Idee in ein Konzept umgewandelt, den LCP in zwei der AGAPLESION gGmbH zugehörigen Pflegeheimen einzuführen und zu erproben. Die Wahl fiel auf das AGAPLESION ELISABETEHNSITIFT Wohnen & Pflegen, Luise Karte Haus in Darmstadt und den AGAPLESIONA BETHANIEN LINDENHOF Wohnen & Pflegen Heidelberg. Dr. M. Pfisterer ist als Ideengeber vor allem in dem Darmstädter Teilprojekt präsent und unterstützt das Heidelberger Teilprojekt aus der Ferne insbesondere dann, wenn es Fragen der medizinischen Versorgung auf den Weg zu bringen gilt. Für seine wertvollen Impulse aus der Ferne ist ihm sehr zu danken. Vor Ort in Heidelberg sind es eine Reihe weiterer Personen, die das Projekt sehr unterstützen – hier insbesondere Michael Thomas, Heimleiter des AGAPLESION BETHANIEN LINDENHOF, der die Durchführung des Projektes durch seine Befürwortung ermöglichte und sich vor allem für dessen Absicherung einsetzt. Kurt Hofmann, Pflegedienstleiter, ist immer dann zur Stelle, wenn Personalengpässe zu meistern sind oder Schulungsangebote für die PflegemitarbeiterInnen in die vorhandene Planung zu integrieren sind – und dies durch unbürokratische und zuweilen ungewöhnliche Weichenstellungen. Christina Schwenkschuster, die gleich in mehreren Funktionen das Projekt voran gebracht hat: als interne Projektkoordinatorin, stellvertretende PDL und als Wohnbereichsleitung – ihr ist es ganz wesentlich zu verdanken, dass das Projekt "in der Praxis angekommen ist", indem sie die MitarbeiterInnen in schwierigen Zeiten zu motivieren weiß, mit Zielstrebigkeit die abgesprochenen Schritte und Aufgaben verfolgt und komplizierte Situationen mit den HausärztInnen unerschrocken freundlich meistert. Unterstützt wird sie dabei von den Wohnbereichsleitungen der anderen beiden Wohnbereiche Lilly Appelhans und Susan Zschoche. Sowohl ihnen als auch den 2
PflegemitarbeiterInnen in den Wohnbereichen Neckartal, Bergstraße und Königstuhl ist sehr zu danken, weil sie sich auf das gelegentlich ungewisse Abenteuer einlassen, vertraute Pfade hinter sich zu lassen und neue Wege zu erkunden. Als Internist, Geriater und Palliativmediziner steuert Dr. Martin Hestermann wichtige Impulse gerade zur medizinischen Versorgung Sterbender bei und unterstützt die Pflegefachkräfte darin, mehr Handlungssicherheit zu gewinnen. Auch die Therapieempfehlungen zu den zentralen Symptomen des Sterbens unterzog er einer kritischen Prüfung. Pfarrer Helmut Gehrig ist "der gute Geist" im Hintergrund, der mit seiner seelsorgerlichen Annäherung an die BewohnerInnen wichtige Anregungen für das Erleben des Lebensendes einzelner BewohnerInnen gab, die zum Nachdenken einluden. Wir wünschen uns noch viele solcher Hinweise. Zu hoffen bleibt, dass allen AkteurInnen bewusst ist, dass sie Anteil an einem einmaligen Projekt haben, das für die bundesdeutsche Altenpflege und –betreuung wegweisend ist. Schließlich ist der Robert Bosch Stiftung Stuttgart zu danken, die bereit war, die Implementierungsphase zum Projekt zu finanzieren und so entscheidende Erkenntnisse und Erfahrungen zu ermöglichen. Heidelberg, im November 2010 Elke Müller, Peter Oster 3
Inhalt 0 Zusammenfassung............................................................................................ 6 1 Allgemeine Aufgaben........................................................................................ 8 1.1 Rahmendaten zum Projekt........................................................................... 8 1.2 MitarbeiterInnen des Projektes..................................................................... 8 1.3 Teilnehmende Einrichtung............................................................................ 8 2 Ziele .................................................................................................................. 10 3 Projektvorbereitung ........................................................................................ 11 3.1 Registrierung in Liverpool........................................................................... 11 3.2 Registrierung St. Gallen ............................................................................. 11 3.3 Begleitung/Beratung einer Diplomarbeit..................................................... 12 3.4 Übersetzungsarbeiten zum LCP im Pflegeheim ......................................... 12 3.5 Ablauf ......................................................................................................... 13 3.5.1 Zeitlicher Ablauf des LCP-Projektes.................................................... 13 3.5.2 Schwierigkeiten ................................................................................... 14 3.5.3 Probleme............................................................................................. 14 4 Durchführung .................................................................................................. 16 4.1 Projektverlauf ............................................................................................. 16 4.2 Änderungen gegenüber der Planung ......................................................... 16 4.3 Änderung in der Schulungsplanung ........................................................... 16 4.4 Kooperationspartner................................................................................... 17 4.5 Mitarbeit der TeilnehmerInnen.................................................................... 17 4.6 Methoden der Datenerfassung................................................................... 18 5 Nachbereitung ................................................................................................. 19 6 Zielerreichung.................................................................................................. 20 6.1 Ergebnisse ................................................................................................. 20 6.2 Definition/Präzisierung klarer Outcome-Parameter .................................... 20 6.3 Ökonomisierung der KlientInnendokumentation......................................... 21 6.4 Reduktion der Verlegungsrate ins Krankenhaus "im letzten Augenblick"... 23 6.5 Resonanz aller Beteiligten.......................................................................... 23 6.6 Einbeziehung von Angehörigen.................................................................. 24 6.7 Anwendungsfragen im Zusammenhang mit Übungen zum LCP................ 25 6.8 Das Sterben diagnostizieren ...................................................................... 26 6.9 Positive und negative Beobachtungen und Erfahrungen............................ 27 6.10 Langfristige Auswirkungen ......................................................................... 27 7 Öffentlichkeitsarbeit........................................................................................ 29 7.1 Aktivitäten................................................................................................... 29 7.2 Hausinterne Diskussionsplattform – Wissenschafts-besprechung ............. 29 7.3 Resonanz ................................................................................................... 30 8 Perspektiven .................................................................................................... 31 8.1 Fortführung des Konzeptes ........................................................................ 31 8.2 Vertiefende Schulungsangebote ................................................................ 31 8.3 Überführung des Projektes in andere Einrichtungen .................................. 32 8.4 Kooperationen ............................................................................................ 32 4
8.5 Öffentlichkeitsarbeit.................................................................................... 32 9 Schlussfolgerungen und Ausblick................................................................. 33 9.1 Interne Erfolge............................................................................................ 33 9.2 Extern auszurichtende Initiativen................................................................ 34 Literaturhinweise.................................................................................................... 35 Anlagen ................................................................................................................... 36 5
0 Zusammenfassung Fragestellung Inwiefern gelingt es, mit Hilfe des LCP, BewohnerInnen die Sterbephase im (vertrauten) Umfeld des Pflegeheims zu ermöglichen (Senkung der Verlegungsrate "im letzten Augenblick") das Sterben – neben geistig-seelischer Unterstützung – auf der Grundlage der Kontrolle der fünf zentralen Symptome nach LCP-Kriterien wie Schmerzen, Angst/Unruhe, Atemnot, Bronchialsekretion, Übelkeit/Erbrechen engmaschige zu begleiten (4-Stunden-Turnus) Angehörige, soweit vorhanden, in das Geschehen einzubeziehen die multiprofessionelle Begleitung Sterbender praxisnah zu unterstützen interdisziplinäre Entscheidungsfindungsprozesse unter systematischen Gesichtspunkten zu lenken Stärken und Schwächen in der eigenen Institution aufzudecken Schulungsprogramme in Anpassung an die jeweiligen Handlungsfelder zu entwickeln bzw. zu ergänzen Anforderungen an die Klientendokumentation zu ökonomisierten Projektdesign/Methoden Das Projekt folgt dem Design einer Interventionsstudie mit den drei Phasen a) Basiserhebung/Base-review: quantitative Erfassung von Daten aus der BewohnerInnendokumentation nach den Vorgaben des MCPCIL; qualitative Analyse von Stärken und Schwächen in der Dokumentation zum Thema Sterben (vor der Förderphase durch die RBS Stuttgart) b) Intervenion: Anwendungsschulungen zum LCP – Einführung und Überblick, Anwendungsschulungen in der Praxis; Gespräche und Feldnotizen über Besonderheiten hinsichtlich der LCP-Anwendung; Fixierung vertiefender Schulungsinhalte, Steuergruppensitzungen c) Postintervention/Postinterventions-review: wie Base-review, Vorher-Nachher- Vergleich, Vergleich mit den Daten der Partnereinrichtung in Darmstadt (außerhalb der Förderphase durch die RBS Stuttgart) Ergebnisse • Die zielgerichtete Steuerung von Sterbesituationen im Pflegeheim mit Hilfe des LCP unterstützt die frühzeitige Berücksichtigung relevanter Einflussfaktoren auf das Lebensende der BewohnerInnen (z.B. die Differenzierung zwischen erforderlicher und nicht mehr angemessener Pflege/Therapie) 6
• Sie hat Einfluss auf die Frühzeitigkeit wichtiger Absprachen zwischen Pflegefachkräften und HausärztInnen, selbst wenn letztere an einem LCP- begleiteten Ablauf kein Interesse zeigen • Der LCP regt zu Reflexionsprozessen über die Bedeutung pflegerischen Handelns in Sterbesituationen an – z.B. aktivierende Konzepte der Altenpflege zugunsten palliativer Aspekte der Pflege zu verlassen • Er lenkt die Aufmerksamkeit der Pflegenden (besonders der Pflegefachkräfte) auf die individuellen Momente des Sterbens, da die Ziele so offen formuliert sind, dass sie von der Pflegefachkraft auf die individuelle Sterbesituation zugeschnitten werden müssen (im Sinne einer situationsangemessenen Operationalisierung) • Die Anwendung des LCP geht in der Einübungsphase mit einem vermehrten zeitlichen Aufwand einher, der von den Pflegefachkräften insbesondere bei Arbeitsgipfeln als eher belastend empfunden wird • Wünschenswert ist die Überführung der LCP-gesteuerten Dokumentation in das vorhandene elektronische DAN-System, das die zeitnahe Protokollierung des Pflegeverlaufs von Eingabeterminals in der Nähe der BewoherInnenzimmer aus ermöglicht • Eine Optimierung der mit dem LCP intendierten Ziele wird in der Zusammenarbeit mit einem Palliativen Netzwerk in der Region gesehen, die a) positiven Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft der bislang nicht erreichbaren HausärztInnen haben könnte und b) überdies die Möglichkeit Palliativer Fallbesprechungen zwischen allen AkteurInnen unter Einbeziehung der Angehörigen in Aussicht stellt • Die Fortführung und Intensivierung der LCP-gesteuerten Sterbebegleitung hat für die Projekteinrichtung längerfristig nur dann Sinn, wenn die Partnereinrichtungen des Trägers in der Region zu vergleichbaren Anstrengungen verpflichtet werden. Die Projekteinrichtung ist sich ihrer Leuchtturmfunktion bewusst und die MitarbeiterInnen sind prinzipiell bereit, daraus folgernde Projekte mit ihrem neuen Know-how zu unterstützen. 7
1 Allgemeine Aufgaben 1.1 Rahmendaten zum Projekt Modellprojekt: Einführung, Erprobung und Evaluierung des Liverpool Care Pathway for the Dying (deutschsprachige Version) in einem Pflegeheim Bewilligungs-Nummer 32.5.1364.0024.0 (aus Rahmenbewilligungs-Nr. 21.2.1364.0008.1 Dauer des Projektes November 2008 – Juni 2011 Dauer der Förderung 28.10.2009 – 30.09.2010 Antragsteller AGAPLESION BETHANIEN-KRANKENHAUS Heidelberg, Geriatrisches Zentrum, vertreten durch: Prof. Dr. Peter Oster (ärztlicher Leiter) 1.2 MitarbeiterInnen des Projektes Dr. phil. Elke Müller Pflegewissenschaftlerin, externe Projektkoordination, AGAPLESION BETHANIEN-KRANKENHAUS, Geriatrisches Zentrum Heidelberg, Datenerhebungen, Übersetzungsarbeiten, Anwendungsschulungen zum LCP, Sitzungsleitung, Koordination zwischen den kooperierenden Institutionen (25 % einer VZ-Stelle) Christina Schwenkschuster Gesundheits- und Krankenpflegerin, BETHANIEN LINDENHOF Heidelberg, Wohnbereichsleitung WB Bergstraße, stellv. PDL, interne Projektkoordination – Koordination der beruflichen Akteure vor Ort, QM- Koordination, (25 % einer VZ-Stelle) Dr. med. Martin Hestermann Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie und Palliativmedizin; Schulungen, Kontrolle der Therapieempfehlungen zur Behandlung der zentralen Symptome des Sterbens (Mitarbeit auf Honorarbasis) 1.3 Teilnehmende Einrichtung AGAPLESION BETHANIEN LINDENHOF vertreten durch: Wohnen und Pflegen Heidelberg Michael Thomas, Heimleitung Franz Kruckenbergstraße 2 Kurt Hofmann, Pflegedienstleitung 69126 Heidelberg 8
Weitere für das Projekt relevante Einrichtungen (ohne Förderung durch RBS) Palliativzentrum des Kantonsspitals St. Dr. med. Steffen Eychmüller (Leitender Gallen (Schweiz, Koordinationszentrum LCP Arzt Palliativzentrum) für den deutschsprachigen Raum) Barbara Grossenbacher-Gschwend Kantonsspital St.Gallen (Verantwortliche Palliativstandard, Palliativzentrum Palliativzentrum) CH-9007 St. Gallen Marie Curie Palliative Care Institute der Deborah Murphy, Associate Director, Universität Liverpool (MCPCIL, Marie Curie Palliative Care Institute Großbritannien, Registrierung als Anwender, Liverpool, Directorate Manager, statistische Auswertung zur Anwendung des Directorate of Specialist Palliative Care LCP vor und nach der Implementierung) Marie Curie Palliative Care Institute Liverpool Marie Curie Palliative Care Institute Liverpool The Directorate of Specialist Palliative Care st 1 Floor Linda McCartney Centre The Royal Liverpool University Hospitals Prescot Street Liverpool L7 8XP England/UK AGAPLESION ELISABETHENSTIFT Vertreten durch: Darmstadt, Wohnen und Pflegen (Luise Frank Huhn (Heimleitung/ Pflegedienst- Karte Haus, Partnerprojekt und Vergleichs- leitung) einrichtung zur Absicherung der gewonnenen Erkenntnisse PD Dr. Mathias Pfisterer (Leitender Arzt; Erbacher Straße 29 Zentrum für Palliativmedizin am AGAPLESION ELISABETHENSTIFT 64287 Darmstadt EVANGELISCHES KRANKENHAUS Darmstadt) Anita Steininger (Pflegefachkraft Altenpflege, WBL, stellv. PDL, interne Projektkoordination) 9
2 Ziele − Modellhafte Erprobung des praktischen Einsatzes des LCP im Pflegeheim − Erkenntnisgewinnung zu dessen Einführung im Hinblick auf dessen a) unternehmensweite Implementierung (AGAPLESION Wohnen und Pflegen) und b) dessen bundesweite Implementierung − praxisnahe Unterstützung der multiprofessionellen Begleitung Sterbender − Aufdeckung von Stärken und Schwächen in der eigenen Institution − Entwicklung von Schulungsprogrammen in Anpassung an das Handlungsfeld Pflegeheim (Schwerpunkt: Anwendung des LCP) − Schaffung von Grundlagen für die Qualitäts(-weiter-)entwicklung in der Begleitung Sterbender (nach Grossenbacher-Gschwend & Eychmüller 2007). Hinsichtlich der Anwendung des LCP in der geförderten Projekteinrichtung werden darüber hinaus folgende Ziele angestrebt: − Interdisziplinäre Entscheidungsfindungsprozesse unter systematischen Gesichtspunkten zu flankieren – hier vor allem zwischen MitarbeiterInnen der Pflege im Pflegeheim und niedergelassenen HausärztInnen sowie der Seelsorge und gegebenenfalls anderen involvierten Berufen − klare Outcome-Parameter zu definieren/zu präzisieren und damit − Anforderungen an die KlientInnendokumentation zu ökonomisieren − den Datenschutz zu fördern − die Verlegungsrate ins Krankenhaus "im letzten Augenblick" zu reduzieren 10
3 Projektvorbereitung Die Anwendung des LCP ist an verschiedene Bedingungen geknüpft. Zu Beginn steht daher die Entscheidung, sich an zwei Stellen zentral registrieren zu lassen. Die Registrierungen sind sinnvoll, ermöglichen sie doch zum einen die Gewinnung eines weltweiten Datenpools, der auswertbare Daten zur Anwendung des LCP im internationalen und interkulturellen Vergleich gestattet. Zum anderen werden auf der Grundlage der quantitativen Ergebnisse Empfehlungen für Schulungsthemen in den Einzelprojekten angeboten, Veränderungsprozesse vor Ort auch von außen begleitet, und Daten für das Benchmarking einer Einrichtung gewonnen. 3.1 Registrierung in Liverpool Die Registrierung beim Marie Curie Palliative Care Institute in Liverpool (MCPCIL) ist verpflichtend und geht mit der retrospektiven Ersterhebung von 20 Dokumentationen zuletzt Verstorbener in der Antrag stellenden Einrichtung einher. Gegenwärtig erfolgt die Registrierung noch kostenfrei. Die Daten werden statistisch im Sinne einer Deskription ausgewertet und als Basisdatenfundus aus Liverpool rückgemeldet. Das gleiche Verfahren wird in der Postinterventionsphase eingesetzt, um einen vorher- nachher-Vergleich zu ermöglichen. Die Arbeiten zur Registrierung in Liverpool fanden November 2008 bis März 2009 statt und wurden von der Pflegewissenschaftlerin vorgenommen. Eine Rückmeldung der Daten erfolgte im April 2009 in englischer Sprache. 3.2 Registrierung St. Gallen Die Registrierung in St. Gallen hat den Zweck, LCP-Initiativen im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) zu bündeln und ein konsentiertes Vorgehen der Einzelprojekte zu ermöglichen. Dazu finden mindestens einmal jährlich Arbeits- und Abstimmungstreffen statt. Auch werden Schulungsmaterialien und Informationsbroschüren zur Verfügung gestellt. Bislang ist das hier beschriebene Projekt das einzige, das im deutschsprachigen Raum in Einrichtungen der Altenhilfe angesiedelt ist. Da die Initiativen vor allem im akutstationären Bereich in Deutschland zunehmen, ist daran gedacht, diese in einer eigenen Koordinierungsstelle in Deutschland zusammen zu fassen. Die Teilnahme an Konsentierungstreffen erfolgte im Oktober 2007 in der Universitätsklinik Köln (Zentrum für Palliativmedizin) und im März 2008 sowie im April 2010 im Kantonsspital St. Gallen (Palliativmedizinisches 11
Zentrum). Darüber hinaus finden zeitnah erforderliche Entscheidungen und Rückmeldungen im Emailverkehr statt. 3.3 Begleitung/Beratung einer Diplomarbeit Zum Zeitpunkt der Registrierungsarbeiten für Liverpool wurde eine Diplomarbeit an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt begleitet (Theresa Kowalew: Sterbende Menschen im Pflegeheim. Der Liverpool Care Pathway als Bezugsrahmen zur Darstellung der IST-Situation, Erstbegutachtung durch die Pflegewissenschaftlerin des Projektes). Dies geschah vor dem Hintergrund, dass das Projekt ursprünglich als Interventionsprojekt mit Vergleichscharakter zwischen zwei Einrichtungen der Altenhilfe angelegt war, das von einem gemeinsamen Förderer unterstützt würde. Der Untersuchungsteil der Diplomarbeit konzentrierte sich auf die Partnereinrichtung im Darmstadt und war mit den Erhebungsschritten im AGAPLSION BETHANIEN LINDENHOF parallelisiert. Die Literaturrecherche und - analyse sowie die Erkenntnisse aus der Datenerhebung brachten bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Projektes zielführende Einsichten für das gesamte Projekt (Kowalew 2009). 3.4 Übersetzungsarbeiten zum LCP im Pflegeheim Das Interventionsprojekt wurde mit der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Version 11 begonnen. Mit Hilfe der angelsächsischen Version für Nursing Homes und der deutschsprachigen "Masterversion" (Grundlagenversion) wurde eine adaptierte Pflegeheimversion durch die Pflegewissenschaftlerin erarbeitet. Nach Überprüfung im Koordinationszentrum in St. Gallen wurde diese Version November 2009 bis Mai 2010 in die Erprobungsphase aufgenommen. Bereits im Dezember 2009 wurde anlässlich einer internationalen Arbeitstagung zum LCP in Liverpool die Version 12 (englisch) konsentiert und den anderssprachigen Projekten zur Übersetzung freigegeben. Auf dem deutschsprachigen Arbeitstreffen in St. Gallen im April 2010 wurde die erste Übersetzungsfassung diskutiert und vier Wochen später für die erste Erprobung freigegeben. Da das hier beschriebene Projekt nach wie vor das einzige im Altenhilfebereich ist, wurde die Teilnahme an dieser neuen Erprobungsphase erwartet (s.a. Pkt. 4.3). 12
3.5 Ablauf 3.5.1 Zeitlicher Ablauf des LCP-Projektes 2008 2009 2010 2011 N D J F M A M Jn Jl A S O N D J F M A M Jn Jl A S O N D J F M A M J Base-Renview: 20 Konkretisierung der Anwendungsschulungen Version 11, Anwendung Verstetigungsprozesse Bewohnerdokumen- Projektziele und –schritte, in der Praxis (Sterbende) (punktuelle Begleitung) (Haus tationen (MCPCIL) A und B) Akquise von Teilnehmende Beobachtung und Kurzinterviews Literaturrecherche Projektgeldern Ergänzende Anwendungsschulungen Version 12, Anwendung Schulungsangebote (Haus A qualiat. Dokumen- Schulungen Version 11 in der Praxis (Sterbende + komplex Abschlussbericht RBS und B) Ergebnisdiskussion tenanalyse Pflegebedürftige) (Vergleich mit Broschüre "Palliative Begleitung am Lebensende" Paralleleinrichtung – Haus A und B Verfahrensregelung Initiierung LCP-Einsatz Postinterventions-Review von je 20 LCP-begleiteten Dokumentationen (MCPCIL) Abschlussbericht Teilprojekt DA Gesamtübersicht beide Teilprojekte Intervention (Haus A) Vorarbeiten Haus A Basisphase (Haus A) (Förderung durch RBS) Postinterventionsphase (Haus A) Vorarbeiten Haus B Basisphase m. Unterbrechungen (Haus B) Intervention (Haus B) Postintervention Abb. 1 zeitlicher Ablauf in Haus A und B Vorbereitende Arbeitsschritte fanden bereits, wie zuvor dargestellt, vor der Förderphase durch die Robert Bosch Stiftung Stuttgart statt. Während der 10- monatigen eigentlichen Förderphase war der Wechsel der LCP Version 11 zu Version 12 aus den oben genannten Gründen zu bewältigen. Dieser Wechsel ging zwangsläufig mit einer neuen Schulungsrunde einher, die allerdings weniger aufwendig war als zur Version 11, da die zentralen Ideen und wesentliche Prinzipien erhalten blieben. Diese zweite Schulungsrunde fand im Juni 2010 statt und konzentrierte sich auf a) eine Übersicht verschaffende Einführung für die Wohnbereichsleitungen bzw. deren Vertretungen im Rahmen der Steuergruppensitzung sowie der Stärkung ihrer Rollen als MultiplikatorInnen, b) eine allgemeine Einführung in zwei Plenarsitzungen, um möglichst viele MitarbeiterInnen zu erreichen und c) im Zuge der Anwendungsschulungen in der Pflegepraxis, bei der die Pflegewissenschaftlerin tageweise einen Frühdienst auf jedem Wohnbereich begleitete. Fragen und Probleme wurden durch wöchentliche Begleitungsrunden der Pflegewissenschaftlerin vor Ort oder durch Telefonate zwischen externer und interner Projektkoordinatorin geklärt. 13
3.5.2 Schwierigkeiten In Abstimmung der Projektschritte mit den kooperierenden Einrichtungen – hier vor allem mit dem MCPCIL und dem Palliativzentrum in St. Gallen – erwies es sich in der Interventions- und Postinterventionsphase als ausgesprochen schwierig, innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit die erforderliche Anzahl unter LCP-Begleitung verstorbener BewohnerInnen zu erhalten: sowohl für den Base-review als auch den Postintervention-review sind jeweils 20 Dokumentationen erforderlich. Da beim Base- Review retrospektiv vorgegangen wurde, spielte der Zeitfaktor keine Rolle. Für die Postinterventionsphase stellten sich allerdings Engpässe ein, für die mehrere Gründe in Betracht zu ziehen sind: zum einen starben die BewohnerInnen plötzlich und unvorhersehbar, so dass der LCP nicht initiiert werden konnte. Oder eine akute Zustandsverschlechterung ging mit der Verlegung in ein Krankenhaus einher. Ein dritter Grund war die unsichere Entscheidungsfindungssituation vor allem in der Nacht und an Wochenenden, wenn die primären EntscheiderInnen (vor allem HausärztInnen und Wohnbereichsleitungen) nicht im Dienst waren. Dann wurde aus Absicherungsgründen eine Verlegung in ein Krankenhaus initiiert. Ein weiterer Grund ist im Fehlen eines ambulant arbeitenden Palliativnetzwerkes vor Ort zu sehen, das in schwierigen Entscheidungssituationen hätte herangezogen werden können (ein entsprechendes Netzwerk befindet sich im Raum Heidelberg im Aufbau, dessen Start wird für Mitte 2011 erwartet). Insbesondere der letztgenannte Punkt deckte einen eindeutigen strukturellen und verfahrensbezogenen Handlungsbedarf auf. Um aber dennoch mit dem LCP vertraut zu werden, schlugen die Pflegefachkräfte dieser Einrichtung von sich aus vor, die Handhabung des LCP unabhängig von strukturell zu regulierenden Voraussetzungen zunächst nur berufsgruppenintern in einem "geschützten Rahmen" einzuüben und entschieden sich hierzu für BewohnerInnen mit komplexer Pflegebedürftigkeit. 3.5.3 Probleme Da der LCP einen multidisziplinären Ansatz verfolgt, ist es unabdingbar, dass vor allem HausärztInnen und Pflegefachkräfte der Pflegeheime, aber auch SeelsogerInnen und gegebenenfalls andere berufliche AkteurInnen an der Entscheidungsfindung, ob jemand sterbend ist, beteiligt werden. Um die HausärztInnen in das Projekt und seine Ziele einzuführen, wurden dieser Zielgruppe 14
drei Informationstermine angeboten. Dazu wurden sie in persönlichen Anschreiben eingeladen. Die Resonanz auf dieses Angebot war allerdings sehr gering und ging mit mehreren Verschiebungen einher, bis es ganz aufgegeben wurde. Aufgewogen wird diese Situation durch den Umstand, dass einer der Hausärzte, Palliativmediziner und Geriater, mit 42 (44) von 99 BewohnerInnen einen hohen Anteil betreut und sich aktiv in das Projekt einbringt. Parallel dazu wurden Informationspakete für diejenigen HausärztInnen zusammengestellt, deren PatientIn als sterbend eingeschätzt wurde, um sie situationsnah auf dem schnellen Wege wenigstens ansatzweise über das Projekt zu informieren (dieses Informationspaket setzt sich zusammen aus: einem Blankobogen des LCP, diversen Veröffentlichungen zum LCP sowie einem Protokoll der Einrichtung, in dem die Entscheidung zur Anwendung des LCP erläutert wird. Es wird dann an die HausärztInnen ausgeteilt, wenn deren BewohnerInnen LCP-gestützt betreut werden). Die Resonanz der angesprochenen HausärztInne auf dieses Informationspaket lässt sich mit freundlich gleichgültig am ehesten umschreiben. Dennoch gelang es in zwei Situationen, den Anspruch eines multidisziplinären koordinierten Vorgehens zu verwirklichen (weitere Ausführungen s. Pkt. 6.1). 15
4 Durchführung 4.1 Projektverlauf Nimmt man eine Einteilung des Projektes in Basisphase (1) – Interventionsphase (2) – Postinterventionsphase (3) vor, so liegen die Phasen (1) und (3) außerhalb der eigentlichen Förderphase durch die Robert Bosch Stiftung Stuttgart, die Phase (2) ist direkter Gegenstand der Förderung (s.a. Zeittafel zum zeitlichen Ablauf, Pkt. 3.5.1). Abschließende Ergebnisse sind erst dann zu erwarten, wenn diese mit den Erkenntnissen in der Paralleleinrichtung verglichen worden sind. Dies wird März bis Mai 2011 der Fall sein. Teilergebnisse, die ausschließlich das hier beschriebene Projekthaus betreffen, lassen sich aber auch jetzt schon gut darstellen. 4.2 Änderungen gegenüber der Planung Wie unter den Punkten "Schwierigkeiten" und "Probleme" dargelegt, waren verschiedene Faktoren ausschlaggebend dafür, dass vom geplanten Verlauf abgewichen werden musste. Dies betraf zum Einen Verzögerungen im Projektablauf durch veränderte Fördermodalitäten, zum Anderen die Schwierigkeit, die geforderte Anzahl von 20 BewohnerInnen in einer überschaubaren Zeit LCP-unterstützt zu begleiten. Weitere nicht absehbare zeitliche Verschiebungen ergaben sich durch den Umstand, dass die Rückmeldung zum Base-review nicht, wie vom Institut in Liverpool in Aussicht gestellt, nach sechs Wochen erfolgte, sondern sich drei Monate hinzog. 4.3 Änderung in der Schulungsplanung Obwohl zunächst geplant worden war, ein thematisch aufeinander aufbauendes Schulungsprogramm mit vertiefenden Aspekten zu entwickeln, wurde dieser Ansatz während der Intervention verlassen, um sich zunächst auf die reine Anwendungsschulung zu konzentrieren. Diese Entscheidung wurde aufgrund zeitweiser Personalengpässe vor allem in den Sommermonaten und des Wechsels von Version 11 nach 12 beschlossen. Zentrale Themen wie "Begleitung von BewohnerInnen in der Sterbephase", "Trauerkultur: Begleitung Sterbender" und "medikamentöse Palliativversorgung" wurden im Rahmen vorhandener Ressourcen angeboten. Das zuerst geplante Vorgehen hätte sonst zu weiteren Belastungen der PflegemitarbeiterInnen geführt. Dadurch erklärt sich aber, weshalb der ursprünglich beantragte Etat für DozentInnenhonorare nur zu einem Bruchteil verbraucht wurde. 16
Aus diesem veränderten Vorgehen ergab sich die Konsequenz, den MitarbeiterInnen zur Erleichterung der Übungsschritte einen LCP-Bogen mit Mustereinträgen zur Verfügung zu stellen, der relvante Aspekte von sterbenden Menschen im Pflegeheim aufgreift und der sowohl von der internen Projektkoordinatorin und dem kooperierenden Hausarzt auf Praxisnähe überprüft wurde (s. Anlage 5) 4.4 Kooperationspartner Die unmittelbaren und die mittelbaren Kooperationspartner wurden bereits in der Auflistung unter Pkt. 1.3 genannt. Als unmittelbare Kooperationspartner fungieren die MitarbeiterInnen des Luise-Karte-Hauses in Darmstadt, das als AGAPLESION ELISABETHENSTIFT DARMSTADT Wohnen & Pflegen zum selben Träger gehört wie der AGAPLESION BETHANIEN LINDENHOF in Heidelberg. Aus der Parallelisierung der Erprobung des LCP in beiden Einrichtungen erwarten wir eine Ergebnislage, die für weitere Initiativen in diese Richtung verwertbar sind. Erste Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse aus dem hier beschriebenen Projekthaus deuten bestätigend in diese Richtung. 4.5 Mitarbeit der TeilnehmerInnen Anfänglich wurde das Projekt im Pflegealltag als zusätzliche Mehrarbeit wahrgenommen. Auch war die Tatsache, dass die stellvertretende PDL extra für das Projekt frei gestellt war und damit eine Entlastung darstellte, nicht allen immer als solche gegenwärtig. Dennoch war die Bereitschaft, sich auf das Thema LCP einzulassen, insgesamt sehr hoch. Dies zeigte sich insbesondere darin, dass die ersten LCP-Einsätze erst nach wiederholtem Aufsuchen der Wohnbereiche initiiert werden konnten. Mit wachsender Sicherheit in der Anwendung wuchs die Eigeninitiative zu LCP-begleiteten Sterbesituationen. Darüber hinaus zeigten sich nach ersten praxisnahen Begleitungen zur Anwendung des LCP deutliche Entwicklungssprünge: "… das hat jetzt aber mal gut getan, dass ich das unter Anleitung machen konnte. Vieles ist jetzt viel klarer und ich weiß, wie ich welche Einträge vornehmen muss. Das hat mir vorher manches Mal gefehlt." (PFK 4). So vergrößerte sich der Kreis derjenigen, die sich als MultiplikatorInnen in ihrem Wohnbereich zur Verfügung stellten, von selbst, ohne dass dies immer "angeordnet" werden musste. Inzwischen fühlen sich neben den drei Wohnbereichsleitungen bzw. deren Vertretungen jeweils ein bis zwei Pflegefachkräfte in der Lage, weniger erfahrene KollegInnen in der LCP-Anwendung zu unterstützen. 17
Darüber hinaus wurde eine Verfahrensregelung zur Initiierung des LCP entwickelt, die den Einstieg für alle MitarbeiterInnen erleichtert. Sie hat inzwischen die Funktion einer Checkliste erhalten. Wegen ihres konkreten Praxisbezuges wurde sie als Anregung in der Paralleleinrichtung in Darmstadt aufgegriffen. 4.6 Methoden der Datenerfassung Wie geschildert, ist ein wesentlicher Bestandteil der Datenerfassung der LCP- gesteuerten BewohnerInnendokumentation durch die Kooperation mit dem MCPCIL vorgegeben. Hierzu werden die Daten aus den Dokumentationen in vorgegebene Erfassungsbögen des MCPCIL übertragen (s. Anlage 1), die dann in ein statistisches Programm in Liverpool eingelesen werden. Parallel dazu werden von jeder LCP- Dokumentation Kopien zur systematischen qualitativen Analyse angefertigt, die gemäß dem Datenschutz anonymisiert, d.h. verschlüsselt werden. Darüber hinaus erfolgt die Notierung von persönlichen Aussagen der Pflegefachkräfte zur LCP- Anwendung oder zur Sterbebegleitung handschriftlich als Feldnotizen, um diese für eine umfassende qualitative Auswertung heran zu ziehen (Glaser & Strauss 2010). Anlässe zur Protokollierung waren Anwendungsschulungen, monatliche Steuergruppensitzungen und begleitete Übungsschritte auf den Wohnbereichen. Als Abrundung wurde am 16.11.2010 – also außerhalb der Förderphase – ein problemzentriertes Gruppeninterview (Witzel 2000) mit fünf Pflegefachkräften aller drei Wohnbereiche geführt. Dieses Interview hatte die Dauer von 90 Minuten, konnte aber nicht von allen Teilnehmerinnen gleichzeitig wahrgenommen werden: drei Teilnehmerinnen waren 50 Minuten anwesend, zwei Teilnehmerinnen ließen sich anschließend 40 Minuten befragen (Interviewleitfaden s. Anlage 8). Die Befragung wurde mit Einverständnis der Befragten auf Tonband aufgezeichnet. Damit die Aussagen anonymisiert wiedergegeben werden können, wählten die Teilnehmerinnen selber einen Tarnnamen, mit dem sie zitiert werden. Eine Verschriftlichung des gesamten Gesprächsverlaufs erfolgt nach Erstellung dieses Berichtes. Hierin zitierte Gesprächsauszüge erfolgen auf der Grundlage punktueller Mitschriften. Auch die Analyse des Gesamtinterviews erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt, hier werden die Prinzipien der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2002) zugrunde gelegt. 18
5 Nachbereitung Nachbereitungsaktivitäten sind hauptsächlich im Jahr 2011 vorgesehen. Gegenwärtig ist auf die winterliche Adventszeit mit zahlreichen bewohnerInnenbezogenen Aktivitäten Rücksicht zu nehmen, ebenso auf die bevorstehende Weihnachts- und Jahreswechselzeit, so dass LCP-bezogene Schulungsinhalte vorübergehend ausgesetzt werden. Zu den Aktivitäten werden gehören: ─ Fortsetzung der Begleitung von LCP-gesteuerten Sterbesituationen unter Verstetigungsgesichtspunkten – hier in Form von Stichproben nach Bedarf ─ Vorbereitung der Diskussion innerhalb der Trägerinstanzen AGAPLESION zur weiteren Verbreitung des LCP (nach Projektende in Darmstadt) ─ Vertiefende und weiterführende Schulungsangebote zu Begleitthemen ─ Feierlicher Abschluss der Projektphase für alle beteiligten PflegemitarbeiterInnen, Geschäftsleitung, Heimleitung, Pflegedienstleitung (1. Quartal 2011) ─ Durchführung des Postinterventions-review, nachdem die Dokumentation von 20 LCP-begleiteten Sterbesituationen vorliegt ─ Veröffentlichung der Projekterfahrungen ─ Planung einer Tagung nach Beendigung des Teilprojektes in Darmstadt, um die Gesamtdatenlage zur Diskussion zu stellen. 19
6 Zielerreichung 6.1 Ergebnisse Flankierung interdisziplinärer Entscheidungsfindungsprozesse unter systematischen Gesichtspunkten – hier vor allem zwischen MitarbeiterInnen der Pflege im Pflegeheim und niedergelassenen HausärztInnen sowie der Seelsorge und gegebenenfalls anderen involvierten Berufen In der Projekteinrichtung wurden in der Basis- und der Implementationsphase 107 BewohnerInnen von 31 HausärztInnen betreut. In einer ersten Informationsrunde im Januar 2010 wurden alle HausärztInnen in einem Kurzbrief über das Projekt in Kenntnis gesetzt und dazu befragt, inwiefern sie Interesse an weiteren Informationen haben, die dann in einer Veranstaltung zur Diskussion gestellt werden würden. Interesse wurde von 9 HausärztInnen bekundet, 2 Hausärztinnen äußerten ganz gezielt kein Interesse, ein Hausarzt sagte zu, sich in das Projekt aktiv einzubringen. Bei den übrigen 19 HausärztInnen ist die Interessenlage unklar bzw. es erfolgte gar keine Rückmeldung. Die Hausärztinnen mit ablehnender Einstellung betreuten seinerzeit jeweils eine Bewohnerin, die übrigen HausärztInnen sind im Durchschnitt für 1 bis 3 BewohnerInnen zuständig, der Hausarzt mit der Zusage, sich aktiv einzubringen, betreut bis heute 42 bis 44 BewohnerInnen. Damit bestätigt sich hier das im Vorfeld identifizierte Problem, dass die Versorgung Sterbender im Pflegeheim ganz wesentlich von einer entwickelten Kooperationsstruktur vor allem zwischen Pflegefachkräften eines Pflegeheimes und den niedergelassenen HausärztInnen beeinflusst wird (Diakonisches Werk der EKD e.V. 2006). 6.2 Definition/Präzisierung klarer Outcome-Parameter Vor dem Hintergrund eines Gruppeninterviews, das am 16.11.2010 in der Porjekteinrichtung durchgeführt wurde und in dem 5 Pflegefachkräfte zu Ihren Erfahrungen mit dem LCP befragt wurden (Interviewleitfaden s. Anlage 8), lassen sich folgende Ergebnisparameter benennen, die sehr für den Einsatz des LCP im Pflegeheim sprechen. Der LCP … • bewährt sich als Navigationshilfe in der Begleitung und Versorgung von BewohnerInnen am Lebensende durch die zu überprüfenden Ziele – hiervon profitieren insbesondere die Pflegefachkräfte • erleichtert Entscheidungsprozesse dadurch, dass diese frühestmöglich veranlasst werden und alle potenziell zu beteiligenden AkteurInnen (HausärztInnen, Pflegefachkräfte, Seelsorge u.a.) die Chance haben, zur Entscheidungsfindung beizutragen – diese Chance wurde in Einzelfällen genutzt, anzustreben ist eine 20
generelle und verbindliche Regelung, von der sich alle HausärztInnen angesprochen fühlen • unterstützt die beteiligten beruflichen AkteurInnen darin, alltägliche und zumeist aktivierende Routinehandlungen zu beenden und Handlungsalternativen auf die individuelle Situation des Sterbenden abzustimmen • begleitet die Pflegefachkräfte darin, die eher allgemein formulierten Ziele des LCP auf die individuelle Situation des Sterbenden konkret abzustimmen (Operationalisierung) • trägt dazu bei, inner- und interdisziplinär bestehende unterschiedliche Einstellungen zur Sterbebegleitung offen zu legen und damit diskutierbar zu machen • regt vor allem die PflegeheimmitarbeiterInnen an, relevante Aspekte der Sterbebegleitung zu berücksichtigen, zu reflektieren und erforderliche Handlungen rechtzeitig zu initiieren • fördert die Eigeninitiative der MitarbeiterInnen, situationsangemessen mit betroffenen BewohnerInnen und Angehörigen deren Wünsche und Bedürfnisse zu kommunizieren und Lösungen anzubahnen • veranlasst die MitarbeiterInnen, zentrale Symptome des Sterbens (Schmerzen, Verwirrtheit/Agitiertheit/Delir, Übelkeit/Erbrechen, Atemnot, terminales bronchiales Rasseln) in ihrer jeweiligen Relevanz für den/die BewohnerIn (und die Angehörigen) wahrzunehmen und Linderung herbei zu führen • bestärkt die Pflegefachkräfte darin, gezielt mit den Angehörigen über die zentralen Symptome des Sterbens ins Gespräch zu kommen und diese zu erläutern – als unterstützende Kommunikationshilfe wird die Broschüre "Palliative Betreuung am Lebensende" eingestuft, die nach der Freigabe durch die Trägerinstanzen eingesetzt werden soll • stellt eine zum AGAPLESION-Leitbild und zum Handbuch Sterben – Tod – Trauer des Trägers kompatible Steuerungshilfe dar, die Verabschiedung Verstorbener nach den Grundsätzen der Einrichtung zu gestalten und abzuschließen. 6.3 Ökonomisierung der KlientInnendokumentation In der Erprobungsphase ging es in erster Linie darum, die alltagspraktische Tauglichkeit des LCP zu überprüfen. Dies brachte zwangsläufig zunächst ein Mehr an Arbeit mit sich, bis die "Architektur" des LCP durchschaut und gezielt gehandhabt werden konnte (s.a. Pkt. 6.7). Allerdings ist gerade in Bezug auf den Abschnitt 2, der je nach Dauer des Sterbeprozesses bis zu drei oder vier Tagen bearbeitet werden muss, Kritik zum Arbeitsauswand deutlich geworden: angesichts der vor allem Nachts und am Wochenende häufig reduzierten Personalsituation fiel es einigen Pflegefachkräften schwer, alle vier Stunden die Überprüfung der Betreuungsziele vorzunehmen, wiewohl ihnen klar war, dass dieses Prüfraster helfen soll, 21
Veränderungen, die gelindert werden können (z.B. Schmerzen, Atemnot), frühzeitig wahrzunehmen und zu handeln. Im Hinblick auf das Anliegen, mit dem LCP Sterbesituationen zu begleiten, kann in jedem Fall von einer gezielten Herangehensweise gesprochen werden, die regelgeleitete Prozesse steuern hilft, die ausdrücklich einen individualisierenden Anspruch haben. Vor dem Hintergrund aber, dass der LCP zahlreiche Ziele und Empfehlungen enthält, die in der bisherigen Praxis eher zufällig oder nur aufgrund vereinzelter fachlicher Expertise mitgedacht bzw. zum Tragen kamen (oder nicht), wurde deren verschriftlichte Form oftmals als zusätzliche Arbeit wahrgenommen: "… Als besonders aufwendig habe ich es empfunden, wenn ein Bewohner zunächst sterbend schien und wir dann die ganzen Ziele vom Sterben beachten mussten. Und wenn er sich dann wieder erholte und dieses Spielchen zwei, dreimal so ging, dann mussten wir jedes Mal von DAN- Dokumentation auf Papierdokumentation vom LCP umschalten. Im DAN-System war die Reaktivierung der normalen Dokumentation dann jedes Mal sehr, sehr aufwendig. Da würde ich mir auf Dauer eine einfachere Lösung wünschen. Ich glaube, sonst weigern sich auch einige von uns. … aber so, für's Projekt, war's eben eine wichtige Sache und in Ordnung". (GD 1, Lilie, 1150 – 1158). Für die Zukunft wünschen sich die MitarbeiterInnen eine Überführung der Papierdokumentation in die PC-gestützte Dokumentation mit entsprechender Software. Damit wäre es dann auch möglich, die vierstündlichen Zielkontrollen von bewohnerinnennahen Eingabeterminals aus zu protokollieren. Andere Gesprächsteilnehmerinnen merkten an: " … Ich finde das toll, dass wir jetzt mit dem Leitfaden in der Bestimmung von Zielen unterstützt werden. Gerade der Pflege fällt dieser Schritt (im Pflegeprozess – Ergänzung EM) ja immer noch schwer und jetzt haben wir gerade für ein schwieriges Thema eine große Hilfe." (GD 1, Lotusblüte, 99 – 112). … "Das ist was ganz Entscheidendes, was Du gerade gesagt hast, das hilft uns dann nämlich auch bei anderen Sachen, also, wenn wir zu anderen AEDLs was aufschreiben müssen." (GD 1, Sternensommer, 117 – 124). Während der Base-Review-Erhebungen zeigte sich deutlich, dass Einträge zum Sterben kaum gezielt erfolgten. Auch die AEDL-Sparte " mit existentiellen Erfahrungen des Lebens umgehen" (Krohwinkel 1998, 2007) wurde kaum für nachvollziehbare Einträge genutzt. Meistens begrenzten sich diese auf Mitteilungen zur konfessionellen Zugehörigkeit, vereinzelt auch zur im Bedarfsfall einzubeziehenden Seelsorge oder Bestattungsinstitut. Parallel zu den Erhebungen aus den LCP-Bögen für das Postinterventions-Review durch das MCPCIL werden 22
daher die normalen PC-gestützten Dokumentationen nicht-sterbender BewohnerInnen dahin gehend zu überprüfen sein, inwiefern sich auch dort Einträge zu "existentiellen Erfahrungen des Lebens" (Krohwinkel ebda) verändert haben und diese Einträge durch das LCP-Projekt inspiriert wurden. 6.4 Reduktion der Verlegungsrate ins Krankenhaus "im letzten Augenblick" Im Projektzeitraum (November 2009 bis September 2010) verstarben in der Einrichtung insgesamt 27 BewohnerInnen, davon 17 BewohnerInnen ohne LCP- Begleitung. Davon wiederum wurden 14 BewohnerInnen wegen akuter Zustandsverschlechterung in ein Krankenhaus verlegt, wo sie auch verstarben; drei BewohnerInnen starben unvorhersehbar, d.h., sie wurden in den frühen Morgenstunden tot in ihrem Zimmer aufgefunden. 10 BewohnerInnen wurden insgesamt LCP-gesteuert begleitet, 6 BewohnerInnen in der German Version12 (ab Juli 2010), davon zwei BewohnerInnen bei komplexer Pflegebedürftigkeit, ohne zu versterben (Einübung der Initiierung des LCP), vier BewohnerInnen konnten bis an ihr Lebensende begleitet werden. Zuvor wurden vier BewohnerInnen mit dem LCP German Version 11 begleitet (bis Juni 2010), davon zwei BewohnerInnen bis zu ihrem Tod, bei zwei BewohnerInnen erfolgte ein Abbruch wegen Zustandsverbesserung. Damit stehen für die quantitative Auswertung durch das MCPCIL gegenwärtig acht Dokumentationen zur Verfügung. Die Anzahl der im letzten Augenblick verlegten BewohnerInnen zeigt, dass das Thema auf der Agenda für die laufende Postinterventionsphase bleiben muss. Mit Blick auf erste Erfahrungen in der Partnereinrichtung in Darmstadt deutet vieles darauf hin, dass ein funktionsfähiges palliatives Netzwerk in der Region, das zu Konsultationszwecken um Rat und Hilfe ersucht werden kann, ganz entscheidend dazu beiträgt, die Verlegungsrate und damit letzen Endes auch Kosten für Krankenhausaufenthalte zu dämpfen. 6.5 Resonanz aller Beteiligten Nachdem Vorbehalte und Sorgen gegenüber vor allem dem Bearbeitungsumfang des LCP ausgeräumt werden konnten und erste hilfreiche Erfahrungen vorlagen, brachten sich die MitarbeiterInnen der Projekteinrichtung vermehrt mit kreativen Ideen ein: so regten diese eine Checkliste zum LCP an, die vor allem die Pflegefachkräfte darin unterstützt, bei Initiierung einer LCP-begleiteten 23
Sterbesituation eine bestimmte Abfolge hausinterner organisatorischer und informierender Schritte umzusetzen. Sie selber gehen davon aus, dass dieser "Fahrplan" nach erfolgter Verstetigung des LCP nicht mehr erforderlich ist (s. Anlage 6). Eine Anregung aus dem Palliativzentrum des Kantonsspital St. Gallen (Schweiz) als deutschsprachigem Koordinationszentrum aufgreifend, entwickelten die MitarbeiterInnen der Projekteinrichtung eine Broschüre "Palliative Betreuung am Lebensende" (s. Anlage 7), in der Besonderheiten und Veränderungen der Sterbephase allgemeinverständlich erläutert werden. Nach Durchlaufen aller institutionsbezogenen Genehmigungsinstanzen soll sie vor allen Dingen für Angehörige zur Verfügung stehen, um Gespräche über dieses sensible Thema zu initiieren. Sie ist darüber hinaus impulsgebend für die Partnereinrichtung in Darmstadt. Der Seelsorger der Einrichtung, der durch seine Teilnahme an den monatlichen Steuergruppensitzungen das Projekt sehr förderte, legte das Protokoll eines Gespräches zwischen ihm und einem sterbenden Bewohner vor, das sehr zur Diskussion anregte. Es gab den MitarbeiterInnen eine Grundlage für eigene Reflexionen, eingefahrene Handlungsroutinen zu überdenken und Alternativen zu suchen. 6.6 Einbeziehung von Angehörigen Angesichts der sechs abgeschlossenen LCP-begleiteten Sterbesituationen sind kaum richtungweisende Aussagen von Angehörigen zu treffen, wie diese die Sterbebegleitung empfunden haben. Die PflegemitarbeiterInnen berichten zwar wiederholt über positive Äußerungen der Angehörigen bezüglich der "guten Betreuung", ein Zusammenhang zur LCP-begleiteten Sterbesituation ist jedoch nicht eindeutig herstellbar, da die Informationslage der Angehörigen zum Projekt nicht unmittelbar geprüft wurde. Entsprechende Gesprächsinhalte waren zudem immer auch Gegenstand der Kommunikation zwischen HausärztInnen und Angehörigen, die die Hausärzte dann an die Pflegefachkräfte weiter gaben. Die Wahrnehmung der Angehörigen wird daher in der Verstetigungsphase genauer zu verfolgen sein. 24
6.7 Anwendungsfragen im Zusammenhang mit Übungen zum LCP Während der Übungsangebote auf den Wohnbereichen standen Umsetzungsfragen im Vordergrund wie (s.a. Anlage 2: LCP Version 11, Anlage 3: LCP 12 und Anlage 4: Angehörigen Informationsblatt): Komplexität des LCP und Zeitfaktor: Der LCP umfasst bei mehrtägigem Einsatz etwa 20 bis 30 Blattseiten, vor allem durch den Dokumentationsabschnitt 2 hervorgerufen. Die Frage war daher naheliegend, wie schnell ein dauerhafter Überblick über die Systematik des LCP möglich ist, um die richtige Eintragungsstelle aufzufinden und bis zu welchem Zeitaufwand Eintragungen noch zumutbar sind. Auch war Anfangs viel Sucharbeit erforderlich, um Ziele und ihre Aussagen treffsicher aufzufinden: "… da kannst Du Dich schon mal zu Tode blättern, vor allem wenn Du in Eile bist." (Schulung 4, PFK 3) Kriterien und Vorgehen bei der Feststellung, dass jemand sterbend ist: nachdem die in Version 11 vorgegebenen vier Merkmale für das Pflegeheim als unzureichend identifiziert worden waren, wird das Vorgehen in Version 12 als deutlich hilfreicher erlebt. Vor allem die Möglichkeit, die LCP-gesteuerte Betreuungssituation zu unterbrechen, weil sich der Allgemeinzustand der betreffenden Person verbessert hat, wird als Erleichterung wahrgenommen. Begrenztheit des LCP: Dadurch, dass der LCP zu Übungszwecken auch bei zwei komplex pflegebedürftigen BewohnerInnen eingesetzt wurde, die nicht sterbend waren, tauchten weitere Frage auf wie: wie wichtig ist in der terminalen Phase die Protokollierung von Flüssigkeitsaufnahme und –ausfuhr, von Lagerungswechseln, aber auch der Einsatz von Risikoskalen etc, weil diese bei externen Qualitätskontrollen von Bedeutung sind? An dieser Stelle gilt es, mit den externen Qualitätskontrollinstanzen wie MDK und Heimaufsicht Gespräche zu führen, in denen über das Projekt ausführlich informiert wird. Eine allgemeine Vorabinformation durch die Pflegedienstleitung hat stattgefunden. Kommunikation mit Menschen am Lebensende: Begleitend zu den Anwendungsübungen tauchten tiefer greifende Fragen auf, die sich darauf verdichten lassen, wie ein aufmerksameres Erkennen verschlüsselter Sterbebotschaften der BewohnerInnen erlernbar und erfahrbar gemacht werden kann und wie entsprechend darauf eingegangen werden kann. Dies war im Weiteren an Fragen geknüpft wie: Wie gehe ich auf sterbende BewohnerInnen und 25
Angehörige zu, um persönliche Wünsche und Sorgen aufzunehmen und den aktuellen Pflegeplan zu besprechen? Was bedeutet dieser Schritt für BewohnerInnen mit einer Demenz oder anderen mentalen Beeinträchtigungen? Gerade bezüglich der Begleitung sterbender Menschen mit Demenz wünschen sich die MitarbeiterInnen – ähnlich wie bei anderen vorgegebenen Items wie z.B. "ist komatös" auch die Ankreuzmöglichkeit "ist dement". Zu häufig müssen sonst Varianteneinträge als Abweichung von "erreichten Zielen" vorgenommen werden, in denen wiederholt auf die Demenz verwiesen wird, um transparent zu machen, weshalb bestimmte Betreuungsaspekte nicht so kommuniziert werden konnten wie bei Menschen ohne Demenz. Die Anwendung des LCP führte letztlich zu der Erkenntnis, dass die bwohnerInnenbezogene Sterbebegleitung besonders in schwierigen Situationen mit der Möglichkeit hätte einher gehen sollen, auf die Konsultation eines externen Palliativnetzwerkes zurückgreifen zu können. Wahrscheinlich ist, dass sich einige der erfolgten Verlegungen ins Krankenhaus dadurch hätten vermeiden lassen. 6.8 Das Sterben diagnostizieren Sterbeverläufe im Pflegeheim stellen sich nicht so linear und "eindeutig" dar wie meistens im Akutbereich, sondern sie entwickeln sich eher wellenförmig. Student und Napiwotzky (2007) sprechen auch von einem diskontinuierlichen Verlauf insbesondere bei nichtonkologischen Erkrankungen und im Alter. Das heißt, eine plötzliche Zustandsverschlechterung kann für ein akutes Krankheitsgeschehen, das möglicherweise im Krankenhaus behandelt werden muss, ebenso stehen wie für eine vorübergehende Befindlichkeits- und Wohlbefindensbeeinträchtigung, aber auch für den Beginn der Sterbephase an sich. Bei manchen BewohnerInnen kann sich der Wechsel zwischen Auf- und Abwärtsbewegungen über mehrere Wochen und Monate hinziehen. Dies zeigt, wie wichtig differenzierende multiprofessionelle Entscheidungshilfen an dieser Stelle ansetzen müssten. Eine Pflegefachkraft merkt hierzu an: "Das kannst Du nie mit Sicherheit sagen, ob das jetzt hier was Akutes ist, oder ob der Sensemann vor der Tür steht. Wenn ich nur an Frau S. denke, wie oft hatten wir da schon das Gefühl, die verabschiedet sich jetzt, klappt die Augen zu. Und, was war am nächsten Tag? Hat sie einen angestrahlt wie wenn nichts gewesen wäre. Das hat sie in diesem Jahr schon dreimal fertig gebracht". (Schulung 1, PFK 26
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