Älterwerden in Taunusstein - Zweiter Senior/innenplan der Stadt Taunusstein 2006 bis 2011
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miteinander– aktiv– in die Zukunft Älterwerden in Taunusstein Zweiter Senior/innenplan der Stadt Taunusstein 2006 bis 2011 Stand Juli 2006 Seite 1 von 60
Vorwort Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger, eine „Gesellschaft des langen Lebens“ zu gestalten und den entstehenden Anforderungen gerecht zu werden, die im Zusammenhang mit dem aller Orten zitierten demographischen Wandel einhergehen, stellt eine zentrale Herausforderung für die Weiterentwicklung der Altenhilfeplanung in Taunusstein dar. Dieser Herausforderung ist sich Taunusstein bewusst und stellt sich dieser Aufgabe schon seit vielen Jahren. Beleg hierfür ist, dass Taunusstein eine der ersten Städte im Rheingau –Taunus -Kreis war, die einen demokratisch gewählten Seniorenbeirat installiert hat. 1992 hat der erste Seniorenbeirat in der Stadt Taunusstein die ersten seniorenpolitischen Grundsätze entwickelt und im Jahr 2000 wurde der erste Taunussteiner Seniorenplan verabschiedet. Wie der Vergleich mit den damals aufgestellten Forderungen für die Taunussteiner Seniorenarbeit zeigt, wurden diese umgesetzt und mit Leben erfüllt. Mit dem heute vorliegenden zweiten Senior/innenplan der Stadt Taunusstein miteinander – aktiv - in die Zukunft Älterwerden in Taunusstein legt die Stadt Taunusstein eine Basis für die im Aufbruch und Umbruch befindliche Seniorenarbeit. Fokus des Berichtes sind die Sammlung der Daten zur Lebens- und Wohnwelt der älteren Menschen, die noch weitgehend selbständig ihren Lebensalltag gestalten. Der umfassende Seniorenplan ist eine Fortsetzung des Ansatzes, neue organisatorische und inhaltliche Wege in der Altenarbeit zu gehen. Der nun vorliegende Bericht soll als Arbeits- und Diskussionsgrundlage für Politik, Verwaltung, Verbände, Interessensvertretungen und die Öffentlichkeit dienen, um Planungen und Entscheidungen bedarfsgerecht und transparent gestalten zu können. Was wir damit beeinflussen wollen und können beschreibt das folgende Zitat der Gerontologin Ursula Lehr. „Es kommt nicht darauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.“ Michael Hofnagel Bürgermeister Seite 2 von 60
Grußwort Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche mir eine junge dynamische Stadt Taunusstein, in der sich auch die älteren Menschen wohlfühlen. Dies sollte das Ziel sein, denn eine Lebensweisheit aus Japan sagt: „Die größte Kulturleistung eines Volkes sind die zufriedenen Alten.“ Diesem Ziel hat sich auch der Seniorenbeirat Taunusstein, der sich aus 15 gewählten und 8 beratenden Mitgliedern aus Sozialeinrichtungen und anderen Trägern zusammensetzt, verpflichtet. Die Seniorenvertretung hat das Ziel, die spezifischen Interessen der älteren Menschen in die politischen Entscheidungsprozesse gegenüber der kommunalen Verwaltung und im kulturellen sowie sozialen Bereich einzubringen. Der Seniorenbeirat ist deshalb eine politische Interessensvertretung, weil er die Teilnahme älterer Menschen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sichern soll. Die Erfüllung dieser Aufgaben erfordert parteipolitische und konfessionelle Neutralität sowie Unabhängigkeit von Interessenverbänden jeglicher Art. Die seit 1992 bestehende Ordnung für den Seniorenbeirat in der Stadt Taunusstein wurde mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 17.12.2004 durch eine neue Geschäftsordnung ersetzt, die sich an einschlägige Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung anlehnt. Mit dieser freiwilligen Handhabung hat der Seniorenbeirat Taunusstein bereits einen Status erhalten, wie er in einer Resolution anlässlich der Mitgliederversammlung der Landesseniorenvertretung Hessen e.V. am 29.05.2006 verabschiedet und der Hessischen Landesregierung als Forderung zugeleitet wurde. Der Stellenwert des Seniorenbeirates und seine Mitwirkungsmöglichkeiten in den städtischen Gremien, wie Stadtverordnetenversammlung und den Ausschüssen, wurde damit deutlich erhöht. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der älteren Menschen über 60 Jahre in Deutschland und sicher auch in Taunusstein auf 35 bis 40 % (derzeit rund 26 % in Taunusstein) steigen. Die Seniorenpolitik wird deshalb zwangsläufig noch wichtiger, auch der Wunsch des Seniorenbeirates, im vorparlamentarischen Raum beteiligt und gehört zu werden, um auf die Entscheidungsfindung in seniorenrelevanten Fragen noch Einfluss nehmen zu können. Anders gesagt, die Umsetzung der neuen Geschäftsordnung muss noch mehr mit Leben erfüllt werden. Bei der Mitarbeit an diesem Seniorenplan, einer Zusammenfassung und Analyse der vielseitigen Aktivitäten im Seniorenbereich in Taunusstein, ist mir noch mehr bewusst geworden, auf wie vielen Schultern die Seniorenarbeit in Taunusstein ruht. Eine gute Basis für die Zukunft, die man unbedingt unterstützen und fördern sollte. Zum Schluss noch ein Dankeschön für die gute und von gegenseitigem Vertrauen getragene Zusammenarbeit mit allen Beteiligten in der Seniorenarbeit. Willi Heiler Vorsitzender Seniorenbeirat Seite 3 von 60
Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 6 1.1 Einführung 6 1.2 Planungsansatz 7 1.3 Ziele 8 2 ÄLTERE MENSCHEN IN TAUNUSSTEIN – IST-ANALYSE 9 2.1 Datengrundlage 9 2.2 Altersstruktur der Gesamtbevölkerung 9 2.3 Altersstruktur der Taunussteiner Seniorinnen und Senioren 10 2.4 Sozialräumliche Verteilung der älteren Menschen 11 2.5 Bevölkerungsentwicklung 13 2.6 Familienstand 16 2.7 Einkommenssituation 19 2.8 Zusammenfassung 19 3 BESTANDSERHEBUNG DER VORHANDENEN ANGEBOTE 20 3.1 Pflegeversicherungsgesetz 20 3.1.1 Voraussetzungen zur Anerkennung der Pflegebedürftigkeit 21 3.1.2 Pflegeleistungsergänzungsgesetz 22 3.1.3 Höhe des Pflegegeldes 22 3.1.4 Ambulante Pflegedienste 23 3.1.5 Hauswirtschaftsdienste 24 3.1.6 Hausnotruf 24 3.1.7 Essen auf Rädern 25 3.1.8 Teilstationäre und stationäre Versorgung 25 3.1.9 Gerontopsychiatrische Versorgung 28 3.1.10 Statistische Daten zur Gerontopsychiatrie 29 3.1.11 Versorgungssituation 30 3.1.12 Sterbebegleitung und Hospizarbeit 31 3.1.13 Ärztliche Versorgung 32 3.2 Wohnen im Alter 33 3.2.1 Wohnberatung 33 3.2.2 Wohnmöglichkeiten im Alter in Taunusstein 36 3.2.3 Altenwohnanlagen 37 Seite 4 von 60
3.3 Soziale und kulturelle Angebote 38 3.3.1 Kommunale Seniorenclubs 38 3.3.2 Senioren - Kulturkreis 39 3.3.3 Angebote der Kirchengemeinden 41 3.3.4. Sozialverband VdK Hessen/Thüringen 41 3.3.5 Bildungsangebote 42 3.3.6. Sonstige Seniorenangebote und Seniorengemeinschaften 42 3.3.7 Rentenberatungsstelle 43 4 QUERSCHNITTSAUFGABEN 44 4.1 Leitstelle Älterwerden 44 4.1.1 Einzelprojekte der Leitstelle Älterwerden 45 4.2 Seniorenbeirat 49 5 SOLL/ IST-VERGLEICH BEZOGEN AUF DEN SENIORENPLAN 2000 51 6 FAZIT 55 7 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 57 8 ANHANG 58 8.1 Abkürzungsverzeichnis 58 8.2 Literaturliste 59 Herausgeber: Magistrat der Stadt Taunusstein In Zusammenarbeit mit dem Leitstelle Älterwerden Seniorenbeirat der Stadt Taunusstein Verfasserinnen: Uta Feix Waltraud Möhrlein Taunusstein Juli 2006 Seite 5 von 60
1 Einleitung 1.1 Einführung Seniorenarbeit, die in der heutigen Zeit Erfolg haben will, muss sich aus mehreren Gründen vom kalendarischen Alter der Menschen als einzige Bezugsgröße für seniorenpolitisches Handeln in der Kommune verabschieden. Denn bekanntermaßen gibt es heute „d e n alten Menschen“ nicht mehr. Die Zeitspanne vom Beginn des Rentenalters bis zum Tod umfasst in unserer heutigen Gesellschaft einen Zeitraum von ungefähr 25 bis 30 Jahren oder mehr und wird in der Altersforschung mit dem Begriff der Generation des „Dritten Lebensalters“ beschrieben. In Taunusstein ist diese Generation gemessen an der Gesamtbevölkerung, eine große Gruppe. Schon heute ist in Taunusstein mehr als jede/r vierte Einwohner/in älter als 60 Jahre. In Taunusstein ist diese Generation geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensentwürfe und Lebenslagen. Mit dem Eintritt in das „Dritte Lebensalter“ ist diese Bevölkerungsgruppe geistig und körperlich aktiv, verfügt über wertvolle Wissensressourcen, Zeitkontingente und ein hohes Maß an Lebenserfahrung. Sicherlich ist ein körperlicher Abbau im Alter letztlich ein unvermeidbarer Prozess. Aber der Verlauf dieses Prozesses ist entsprechend der Lebenssituation des Einzelnen sehr unterschiedlich. Aus der Altersforschung ist uns bekannt, dass beispielsweise materieller Wohlstand auch im Durchschnitt längeres Leben bedeutet. Noch größer sind die individuellen Ausprägungen bei der geistigen Entwicklung eines Menschen. Hier entscheidet besonders die Lerngeschichte eines Menschen über seine geistigen Fähigkeiten. Auch die lange angenommene Überlegenheit Jüngerer bei der Gedächtnisleistung hat sich als Irrtum herausgestellt. Ein älterer Mensch, der seine geistigen Fähigkeiten Zeit seines Lebens trainiert hat und auch im Alter weiter trainiert, vermag aufgrund seines Wissens- und Erfahrungsschatzes wesentlich höhere Leistungen zu vollbringen, als manch junger Mensch.1 Die städtischen seniorenpolitischen Ansätze in Taunusstein sind geprägt von den heutigen Erkenntnissen der Altersforschung und einer sich verändernden Lebenswirklichkeit älterer Menschen. Die Taunussteiner Seniorinnen und Senioren zeigen eindrucksvoll: Ein Altersbild und eine Seniorenpolitik, die sich einzig auf die Defizite im Alter und auf die Phase des Abbaus körperlicher und geistiger Fähigkeiten älterer Menschen begrenzt, ist heute veraltet. Eine Seniorenarbeit, die sich einzig auf konsumierende Angebote stützt und die Kompetenz und Eigeninitiative älterer Menschen außer Acht lässt, ist nicht mehr zeitgemäß. So unterschiedlich die Lebenswirklichkeit und die Biografien älterer Menschen sein mögen, ist ihnen eines gemeinsam: Das elementare Bedürfnis und der Wunsch nach selbstbestimmter Lebensführung und gesellschaftlicher Teilhabe im kommunalen Gemeinwesen bis ins hohe Alter. Diese Erkenntnisse und die formulierten Wünsche von Seniorinnen und Senioren verfehlten ihre Wirkung nicht und bilden den roten Faden für die städtische Seniorenarbeit Taunussteins: Weg vom Defizitmodell und Hinwendung zu einer ressourcenorientierten Betrachtungsweise des Alters, bei der Begriffe wie Selbstständigkeit, Anerkennung von 1 Lucas, Hans: Neue Ansätze im bürgerschaftlichen Engagement älterer Menschen. In: Roland Koch (Hrsg.): Die Zukunft der Bürgergesellschaft. Ehrenamt: Neue Ideen und Projekte. Olzog-Verlag 2002 Seite 6 von 60
Erfahrungswissen und gesellschaftliche Teilhabe Ausgangspunkt und Gradmesser einer erfolgreichen und vorwärts gewandten Seniorenpolitik sind. Ein solcher Paradigmenwechsel vom Verständnis des Alters ist Ausgangspunkt der Taunussteiner Seniorenarbeit und bedeutet in der Konsequenz:2 • Alter ist eine eigenständige Lebensphase • Alter wird als aktives und kompetentes Altern betrachtet • Alter wird nicht allein als ein von Defiziten geprägter Lebensabschnitt gesehen • Ältere Menschen werden nicht als homogene Gruppe betrachtet Der gesellschaftliche und demographische Wandel, den die Bundesrepublik Deutschland in den nächsten drei Jahrzehnten zu gestalten hat, spiegelt sich auch in Taunussstein wieder und erfordert einen Perspektivenwechsel in der Betrachtungsweise von alterspezifischen Fragestellungen: Altersfragen gehören nicht mehr ausschließlich in das Gebiet Altenhilfe, Sozialamt und Kirchen, sondern reicht als Querschnittsaufgabe in die Bereiche der Wohnungswirtschaft, Städtebaupolitik sowie der Bildung-, Freizeit- und Kulturpolitik und bedarf einer professionellen Planung und Umsetzung. Für die zukünftigen strukturellen Veränderungen im Gemeinwesen der Stadt Taunusstein gilt es, auch die städtische Seniorenarbeit den zukünftigen Erfordernissen anzupassen: Bei der Planung und Umsetzung seniorenpolitischer Handlungsfelder geht es in Taunusstein um eine professionelle, kontinuierliche, zielgerichtete und bedarfsgerechte Ausrichtung, die sich als Querschnittsaufgabe versteht. 1.2 Planungsansatz Der vorliegende Seniorenplan hat zum Ziel, einen Gesamtüberblick über den Bestand der Altenarbeit in Taunusstein zu geben. Darüber hinaus werden anhand der ermittelten Daten in der Bestandserhebung und in Verbindung mit dem Wissen über die jeweiligen Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren Empfehlungen ausgesprochen, wie die seniorenpolitische Arbeit in den nächsten Jahren ausgerichtet werden soll. Der Plan ist ausgerichtet auf den Zeitraum 2006 bis 2011. Die Erhebung des Ist-Bestandes wurde mittels Quellenanalyse, Literaturrecherchen sowie schriftlicher und telefonischer Befragungen durchgeführt. Dabei wurden auf anerkannte Institutionen und Quellen zurückgegriffen, wie beispielsweise den Altenbericht der Bundesregierung, Befragungen des Kuratoriums deutscher Altershilfe, Pflegebedarfsgutachten des Rheingau-Taunus-Kreises und der Freiwilligensurvey der Bundesregierung aus dem Jahr 2004. All diese Quellen lassen sich sehr gut nutzen, um die Situation in Taunusstein differenziert beschreiben zu können. Die statistischen Daten des „Statistischen Bundesamtes“ des „Statistischen Landesamts Hessen“ und der Einwohnermeldedatei Taunussteins und des Rheingau-Taunus-Kreises lieferten weitere wichtige Datengrundlagen. In diesem Zusammenhang sei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung und allen Taunussteiner Institutionen für ihre vertrauensvolle und kooperative Bereitstellung des Datenmaterials ganz herzlich gedankt. 2 Älterwerden in Offenbach: aktiv- lebenswert - solidarisch, Hrsg: Magistrat der Stadt Offenbach, 2002 Seite 7 von 60
1.3 Ziele Grundsätzlich wird die Altenplanung als dynamischer Prozess angesehen und muss sich in ihren Handlungsempfehlungen auf neue Bedarfe einstellen können. Durch die Erhebungsergebnisse und Diskussionen kommen neue Erkenntnisse hinzu, durch die sich die jeweiligen Ziele der Altenplanung verändern können. Offene Altenarbeit wird verstanden als die Summe der Einrichtungen und Maßnahmen, Angebote und Veranstaltungen, die sich nicht ausschließlich mit der Bereitstellung professioneller Pflegehilfen befasst, sondern mit dem Aufgabengebiet der allgemeinen Beratung, des Wohnens, der Freizeitgestaltung, der Förderung des ehrenamtlichen Engagements und der Vernetzungsarbeit innerhalb aller Träger der Altenhilfe. Zweifelsfrei ist die stationäre und ambulante Versorgung und Betreuung ein wichtiger Bestandteil des Altenplanes. Wie sich im Folgenden zeigt, ist Taunusstein in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Weiterhin soll die Qualität und Professionalität des Dienstleistungssystems „Altenhilfe“ beleuchtet und weiter entwickelt werden. Angesichts der demografischen Entwicklung und der sich stetig verändernden Bedarfslage in der Altenarbeit bedeutet dies: • Weiterentwicklung einer Stadt, die (auch) älteren Bürgerinnen und Bürgern gerecht wird. Gedacht ist hier an die Stadt als öffentlicher Lebensraum, in dem sich ältere Menschen aufhalten und wohl fühlen • Ermöglichung von altersgerechtem und selbstbestimmtem Wohnen. Durch veränderte Lebensformen (Singularisierung) und durch die Erhöhung des Bedarfes an Kommunikation und Kontakten alleinlebender älterer Menschen werden auch im ländlichen Raum neue Wohnformen notwendig, die die Vereinsamung alter Menschen abfedert. Gewachsene Nachbarschaftsstrukturen und eine durchmischte Alterstruktur sollen erhalten bleiben und gegebenenfalls notwendige, unterstützende Infrastrukturmaßnahmen eingeleitet werden • Förderung von Vernetzung und Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang soll ein aufeinander abgestimmtes Hilfesystem entwickelt beziehungsweise bedarfsgerecht ausgebaut werden, das beispielsweise Mehrfachbetreuung verhindert und hilfebedürftige ältere Menschen und ihre Bezugspersonen unterstützt • Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements. Die Schaffung von Rahmenbedingungen und Annerkennungsstrukturen für freiwilliges Engagement ist die wichtigste Forderung der ehrenamtlich Tätigen aus der Erhebung zum freiwilligen 3 Engagement in Deutschland von 1999 – 2004 3 Kurzfassung der Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement, TNS Infratest, München, Dezember 2005 Seite 8 von 60
2 Ältere Menschen in Taunusstein – Ist-Analyse 2.1 Datengrundlage Im folgenden Abschnitt wird die Alters- und Sozialstruktur der älteren Menschen in Taunusstein dargestellt. Datengrundlage bildet die seniorenrelevante Zielgruppe der über Fünfzigjährigen mit Hauptwohnsitz in Taunusstein.4 Zwar zählt die Altersgruppe der 50 bis 60-Jährigen statistisch heute noch nicht zur Gruppe der Seniorinnen und Senioren, wird aber als eine relevante Größe der zukünftigen Alterspyramide dennoch in die Auswertung aufgenommen. Der prozentuale Anteil der ausschließlich mit Nebenwohnsitz in Taunusstein gemeldeten Seniorinnen und Senioren stellt statistisch keine signifikante Größe dar und bleibt deshalb in der Auswertung unberücksichtigt.5 Die Daten wurden anonymisiert der Einwohnermeldedatei der Stadtverwaltung Taunusstein entnommen und durch die Leitstelle Älterwerden ausgewertet. Erhebungsstand der ausgewerteten Daten ist Juli 2006. 2.2 Altersstruktur der Gesamtbevölkerung Im Juli 2006 hat Taunusstein eine Gesamtbevölkerung von 28.996 Personen. Die Altersverteilung stellt sich folgendermaßen dar: Altersverteilung in Taunusstein Juli 2006 7.648 Personen über 60 Jahre 26% 17.420 3.928 Personen Personen bis 49 Jahre von 50 - 59 60% Jahre 14% Abb.1 Das Diagramm zeigt, dass heute der Anteil der Seniorinnen und Senioren ab 60 Jahre bei circa 26 Prozent liegt. Damit gehört heute mehr als jeder vierte Einwohner Taunussteins zu 4 Einwohnerzahlen Stand Juli 2006 5 Im Juli 2006 waren gemäß der Meldedatei von Taunusstein 314 Personen ab 50 Jahren mit Nebenwohnsitz in Taunusstein gemeldet Seite 9 von 60
der Altersgruppe der über 60-Jährigen. Innerhalb dieser Altersgruppe leben 289 Personen mit Migrationshintergrund in Taunusstein, das entspricht einem Anteil von 3,8 %.6 2.3 Altersstruktur der Taunussteiner Seniorinnen und Senioren Um eine differenzierte Sicht auf die aktuelle Einwohnerstruktur der Seniorinnen und Senioren in Taunusstein zu erhalten, wird in der nachfolgenden Grafik die Alterstruktur nach Altersgruppen aufgeschlüsselt. Auch in diesem Zusammenhang sind die Menschen der Altersgruppe von 50 bis 59 Jahren miteinbezogen, weil sie zur zukünftigen Seniorengeneration in Taunusstein zählen werden. 50 - 59 Jahre 3928 60 - 69 Jahre 3983 70 - 79 Jahre 2408 80 - 89 Jahre 1061 90 - 99 Jahre 188 über 100 Jahre 8 0 1000 2000 3000 4000 5000 Abb.2 Wie aus der Darstellung hervorgeht, konzentriert sich zurzeit der stärkste Anteil der älteren Menschen in Taunusstein auf die Altersgruppen der 60 bis 69-Jährigen und der 70 bis 79- Jährigen mit insgesamt 6391 Menschen. Anhand dieser beiden Altersgruppen zeichnet sich heute bereits ab, dass bei prognostisch steigender Lebenserwartung auch zukünftig in Taunusstein ein hoher Anteil alter und hochaltriger Menschen beheimatet sein wird. Die Grafik zeigt aber auch, dass bereits heute insgesamt 1257 hochaltrige Menschen in Taunusstein leben. Obwohl man sich in der Altersforschung von einer starren Altersklassifizierung wegbewegt hat und stattdessen von dem Begriff des Alterns spricht, werden Menschen ab dem 80. Lebensjahr statistisch als hochaltrig bezeichnet.7 Bei dieser Bevölkerungsgruppe treten vermehrt multiple Krankheitsprozesse auf, die mit Pflegebedürftigkeit verbunden sind. Im Schlussbericht der Enquete-Kommission zum demografischen Wandel wird festgestellt8, dass mehr als die Hälfte aller Krankheitsfälle auf 6 Einwohnerzahlen Stand Juli 2006 7 Prahl, Hans-Werner/Schroeter, Klaus R.: Soziologie des Alterns, 13 8 Bundesdrucksache 14/8800 März 2002, 234 Seite 10 von 60
die Altersgruppe der 80 bis 89-Jährigen entfällt. Dies betrifft insbesondere die klassischen Alterserkrankungen wie Diabetes mellitus, Schlaganfall, Herz- Kreislauferkrankungen und Hirnleistungsstörungen. Insbesondere die Demenz tritt mit fortschreitendem Lebensalter immer häufiger auf. Bereits ab 70 Jahren besteht ein erhöhtes Risiko an einer Demenz zu erkranken, ab dem 80. Lebensjahr erhöht sich dieses Risiko signifikant.9 Diese Altersgruppe wird in der neueren gerontologischen Forschung auch von der „Generation des vierten Lebensalters“ gesprochen. 2.4 Sozialräumliche Verteilung der älteren Menschen Taunusstein besteht aus zehn Stadtteilen mit ländlicher oder kleinstädtischer Siedlungsstruktur. Entsprechend verschiedenartig gestaltet sich auch die Infrastruktur der einzelnen Stadtteile. In den größten Stadtteilen Bleidenstadt, Hahn und Wehen gibt es strukturell verdichtete Ortskerne oder Ortsmitten, die im Vergleich zu den Stadtteilen in der Peripherie über ein dichteres Netz an Infrastruktur verfügen. Eine ausreichende Infrastruktur ist für die ältere Generation von besonderem Belang, weil diese eine wesentliche Voraussetzung zur Mobilität und selbstständigen Lebensführung bis ins hohe Alter bietet. Interessanterweise führt diese Tatsache, wie die folgende Tabelle zeigt, in den infrastrukturschwächeren peripheren Stadtgebieten nicht zum Wegzug von Seniorinnen und Senioren. Es ist davon auszugehen, dass gerade in den sehr dörflich strukturierten Gebieten Taunussteins die Identitäts- und Heimatbindung der älteren Bewohnerinnen und Bewohner zum Verbleib in diesen Stadtteilen erheblich beiträgt. In der folgenden Tabelle wird die Altersstruktur nach Stadtteilen dargestellt: 9 Klie 1996, 9 Seite 11 von 60
Anteil der über 60 jährigen in Taunusstein alle Senioren ab 60 Jahre in 60 - 69 Jahre in % an der bis 59 Jahre in % an der Gesamtbevölkerung Gesamtbevölkerung Gesamtbevölkerung ab 70 Jahren in % ab 80 Jahren in % 70 bis 79 Jahre 60 bis 69 Jahre bis 59 Jahre 80 und älter % Stadtteile Bleidenstadt 7487 5348 71,43% 1157 15,45% 670 8,95% 312 4,17% 28,57% Hahn 7027 5092 72,46% 911 12,96% 614 8,74% 410 5,83% 27,54% Hambach 421 307 72,92% 65 15,44% 33 7,84% 16 3,80% 27,08% Neuhof 3342 2688 80,43% 365 10,92% 196 5,86% 93 2,78% 19,57% Niederlibbach 537 400 74,49% 72 13,41% 40 7,45% 25 4,66% 25,51% Orlen 1209 896 74,11% 181 14,97% 95 7,86% 37 3,06% 25,89% Seitzenhahn 1347 1000 74,24% 227 16,85% 88 6,53% 32 2,38% 25,76% Watzhahn 261 200 76,63% 23 8,81% 28 10,73% 10 3,83% 23,37% Wehen 6642 4887 73,58% 872 13,13% 581 8,75% 302 4,55% 26,42% Wingsbach 723 530 73,31% 110 15,21% 63 8,71% 20 2,77% 26,69% Gesamt 28996 21348 73,62% 3983 13,74% 2408 8,30% 1257 4,34% 26,38% Abb. 3 Die Zahlen zeigen, dass in den einwohnerstärksten Stadtteilen Bleidenstadt, Hahn und Wehen erwartungsgemäß auch die meisten Seniorinnen und Senioren leben. Zu berücksichtigen ist, dass im Stadtteil Hahn zwei stationäre Altenhilfeeinrichtungen beheimatet sind. In allen anderen Stadtteilen sind keine bedeutsamen Konzentrationen von Seniorinnen und Senioren über 60 Jahre zu verzeichnen. Im Durchschnitt zählt jeder Stadtteil einen Anteil von 26,38 % Menschen, die 60 Jahre und älter sind. Der etwas geringere Anteil der Seniorinnen und Senioren in Taunusstein-Neuhof von 19,57 % der dort lebenden Gesamtbevölkerung hängt voraussichtlich mit dem quantitativ hohen Anteil der dort errichteten Neubausiedlungen zusammen. Der weit verbreitete Wunsch älterer Menschen, möglichst lange selbstständig wohnen und sich versorgen zu können, lässt sich für die meisten Menschen nur verwirklichen, wenn sie eine erreichbare passende Infrastruktur vor Ort haben. Es geht also nicht allein um die Wohnung, sondern auch um die Nähe zu Service- und Unterstützungseinrichtungen und um ein Umfeld, das den subjektiven Sicherheitsbedürfnissen entspricht. Die Bedeutung dieser Infrastrukturen steigt, weil immer weniger alte Menschen auf bewährte Netzwerke durch Familie und Verwandtschaft zurückgreifen können. Auch in den ländlichen Strukturen Taunussteins wird diese Entwicklung einsetzen. Aus diesem Grund werden Zentralität und Dichte wichtige Kriterien für „altengerechte Wohnstandorte.“ Auch in Taunusstein ist zu erwarten, das es Wanderungsbewegungen von der Peripherie in die infrastrukturstärkeren Seite 12 von 60
Zentren geben wird. Die Verdichtung von Ortskernen ist deshalb ein wichtiger Standortfaktor für ältere Menschen. 2.5 Bevölkerungsentwicklung Auch in Taunusstein gilt, was in der Bundesrepublik Deutschland bereits in vielerlei Facetten diskutiert wird: Die demografische Entwicklung von der „Alterspyramide zum Pilz“. In Deutschland werden weniger Kinder geboren als zur Erhaltung der Bevölkerungsstärke notwendig wären. Jede Generation verkleinert sich etwa um ein Drittel; andererseits leben die Menschen länger. Ähnlich wie der bundesweite Trend lässt sich diese „Pilzentwicklung“ auch in Taunusstein anhand der Geburtenjahrgänge von 1902 bis 1985 ablesen. Die nachfolgende Tabelle stellt die Geburtenjahrgänge 1902 bis 1985 geschlechtsspezifisch dar.10 Bevölkerung in Taunusstein der Geburtsjahrgänge 1902 bis 1985 Jahr 1905 Frauen Männer Jahr 1910 Jahr 1915 Jahr 1920 Jahr 1925 Jahr 1930 Jahr 1935 Jahr 1940 Jahr 1945 Jahr 1950 Jahr 1955 Jahr 1960 Jahr 1965 Jahr 1970 Jahr 1975 Jahr 1980 Jahr 1985 Abb.4 10 Einwohnermeldedatei Stand Januar 2005. Eigene Berechnungen Seite 13 von 60
Die Geburtenstatistik zeigt, dass es seit dem Ende des zweiten Weltkrieges im Jahr 1945 bis zum Jahr 1965 ein kontinuierliches Wachstum der Gesamtbevölkerung in Taunusstein gegeben hat. In der Zeit vor 1945 sind die Geburtenzahlen infolge des 2. Weltkrieges rückläufig. Heute ist die Gruppe der 40 bis 60-Jährigen die am stärksten vertretene Bevölkerungsgruppe in Taunusstein. Legt man für die Zukunft eine annähernd gleichbleibende Zuzugs-, Wegzugs- und Sterberate in Taunusstein zu Grunde, wird die zukünftige Bevölkerungsentwicklung durch zwei wesentliche Faktoren bestimmt sein: • Durch die stark vertretenen Jahrgänge um die Geburtsjahrgänge 1940 (die heute 65- jährigen) und 1965 (die heute 40-jährigen) wird die Zahl der alten und hochaltrigen Menschen zukünftig kontinuierlich anwachsen • Die niedrigen Geburtenraten der Geburtsjahrgänge ab1965 lassen den Anteil der jüngeren Bevölkerung in Zukunft kleiner werden Damit bestätigen sich in Taunusstein die hessen- und bundesweiten Bevölkerungsprognosen: die Bevölkerungsgruppe der alten und hochaltrigen Menschen in Taunusstein wächst weiter an und kann von dem Anteil der jüngeren Menschen in der Bevölkerung nicht kompensiert oder gar aufgehalten werden. Das Statistische Bundesamt vergleicht das Verhältnis der Personen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 59 Jahren zu den Personen im nicht mehr erwerbsfähigen Alter ab 60 Jahren zur Ermittlung des Altenquotienten.11 Bei diesem Vergleich lag der Altenquotient, bezogen auf das Bundesgebiet im Jahre 2000 bei 40, im Jahre 2002 bei 44,3 und im Jahre 2003 bei 44,9. Das Bundesamt prognostiziert einen fortschreitenden Anstieg des Altenquotienten.12 Der Altenquotient in Taunusstein beträgt zur Zeit 48,65 und liegt damit über dem Bundesdurchschnitt. In konkreten Zahlen ausgedrückt stehen in Taunusstein aktuell 52 Menschen im Erwerbsalter 48 Menschen im Rentenalter gegenüber. Mit dem „Wegweiser demografischer Wandel 2006 - Analysen und Handlungsergebnisse für Städte und Gemeinden“ der Bertelsmann-Stiftung ist erstmalig in Deutschland eine bundesweit abgestimmte Prognose auf Gemeindeebene durchgeführt worden.13 Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurden die einzelnen Kommunen in unterschiedliche Demographietypen eingeteilt. Taunusstein gehört in diesem Zusammenhang zum Demographietyp 3. Dieser besagt, dass sich die Bevölkerungsentwicklung zunächst durch eine stabile oder wachsende Einwohnerzahl auszeichnet, ab dem Jahr 2015 allerdings keine signifikanten Wachstumsströme mehr zu verzeichnen sind. Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, kann das Bevölkerungswachstum der letzten Jahrzehnte in die Zukunft nicht langfristig fortgesetzt werden. 11 Vergleichsgruppen 15 Jahre und 64 Jahre oder 20 Jahre und 59 Jahre 12 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bevölkerung Deutschlands bis zum Jahr 2050. S.31 13 Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Wegweiser Demographischer Wandel. Analysen und Handlungskonzepte für Städte und Gemeinden. Gütersloh 2006 Seite 14 von 60
Prognostizierte Einwohnerzahl gemäß der Erhebung der Bertelsmannstiftung von 2003 bis 2020 31000 Einwohnerzahl 30500 30000 29500 29000 28500 Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner 2003 2005 2010 2015 2020 Abb. 514 Auf die unterschiedlichen Altersgruppen bezogen, zeichnet sich für Taunusstein für den Zeitraum 2003 bis 2020 dementsprechend folgendes prognostisches Bild ab: Demographische Entwicklung / Bevölkerungspotenzial15 Frauenanteil an den 20 bis 34−Jährigen (%) 49,1 Fertilitätsindex (%)16 4,6 Ausländeranteil (%) 9,7 Familienwanderung (pro 1000 Ew.) 9,3 Bildungswanderung (pro 1000 Ew.) 13,3 Durchschnittsalter 2003 (Jahre) 42,0 Durchschnittsalter 2020 (Jahre) 46,6 Median−Alter 2003 (Jahre)17 41,1 Median−Alter 2020 (Jahre) 48,0 Anteil unter 18−Jährige 2003 (%) 18,1 Anteil unter 18−Jährige 2020 (%) 15,0 Anteil 60− bis 79−Jährige 2003 (%) 21,2 Anteil 60− bis 79−Jährige 2020 (%) 24,1 Anteil ab 80−Jährige 2003 (%) 3,5 Anteil ab 80−Jährige 2020 (%) 7,6 Abb.6 14 www.wegweiserdemographie.de/prognose - Quelle: Statistische Landesämter eigene Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung 15 ebenda 16 Fertilitätsindex: Geburten pro Frau im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Der Indikator zeigt an , wie groß die Abweichung vom Bundeswert 1,34 Geburten pro Frau ist (2003). Zu berücksichtigen ist, dass auch ein überdurchschnittlicher Prozentwert für eine Gemeinde nicht ohne weiteres für eine stabile natürliche Bevölkerungsentwicklung steht. 17 Das Medianalter (auch Zeitwert) bezeichnet das Lebensalter, das die Grenze zwischen zwei gleich großen Gruppen bildet: 50% der Bevölkerung sind jünger, und 50% der Bevölkerung sind älter als dieser Wert. Im Gegensatz zum Durchschnittsalter werden Verzerrungen durch Extremwerte vermieden. Gibt eine Hinweis auf den Fortschritt des Alterungsprozesses Seite 15 von 60
Der Anteil der Kinder und Jugendlichen sinkt im Jahr 2003 von 18,1 Prozent auf 15 Prozent im Jahr 2020. Gleichzeitig steigt der Anteil der 60 bis 79 -Jährigen im Jahr 2003 von 21,2 Prozent auf 24,1 Prozent im Jahr 2020. Der Anteil der über 80-Jährigen verdoppelt sich innerhalb dieses Zeitraums von 3,5 auf 7,6 Prozent. Insgesamt erhöht sich damit der Anteil der älteren Menschen ab 60 Jahre auf über 30 Prozent der Gesamtbevölkerung im Jahr 2020. Auch wenn die Werte dieses Demographietyps 3, der für Taunusstein gilt, vergleichbar oder sogar besser sind als andere Cluster, wird der Alterungsprozess in diesen Kommunen erhebliche Konsequenzen für die Infrastruktur und die soziale Entwicklung Taunussteins haben. 2.6 Familienstand Im folgenden Balkendiagramm wird der Familienstand der Haushalte in Taunusstein dargestellt. Beginnend mit der Altersgruppe der über 54-jährigen wird zunächst das Verhältnis der Einpersonenhaushalte gegenüber der Mehrpersonenhaushalte aufgezeigt.18 Familienstand nach Altergruppen über 54 Jahre 113 85 und älter 242 75 -84 Jahre 977 verheiratet 779 2671 ledig, geschieden, 65 - 74 Jahre 924 verwitwet,getrennt 3370 55 - 64 Jahre 788 0 1000 2000 3000 4000 Abb. 7 Hier zeigt sich, dass von den insgesamt 16.772 Haushalten im Stadtgebiet 9.446 gemeldete Haushalte existieren, in denen Menschen aus den verschiedenen Altersgruppen in Einpersonenhaushalten leben. Auf die seniorenrelevanten Altersgruppen ab 54 Jahren bezogen gibt es insgesamt 2.733 Einpersonenhaushalte. Das entspricht einem Anteil von über 16 Prozent auf die Gesamthaushalte Taunussteins bezogen. Die Grafik zeigt weiter, dass mit zunehmendem Alter der prozentuale Anteil der Einpersonenhaushalte deutlich zunimmt. So leben in Taunusstein ab dem 75. Lebensjahr 1.021 Menschen, ab dem 65. Lebensjahr 1.945 Menschen und ab dem 55. Lebensjahr 2.733 Menschen alleine. Gemessen an der Gesamtzahl aller Menschen in Taunusstein ab 55 Jahren (9.864 Personen) nehmen die alleinlebenden älteren Menschen einen Anteil von knapp 28 Prozent 18 Einwohnermeldedatei Taunusstein Stand Juni 2006 Seite 16 von 60
ein: Anders gesagt: Gut ein Viertel aller Taunussteinerinnen und Taunussteiner ab 55 Jahren leben alleine. Aussagekräftig in diesem Zusammenhang ist eine geschlechtsspezifische Auswertung des Familienstandes der Seniorengeneration. Die folgende Tabelle zeigt bei den Einpersonenhaushalten eine deutliche Erhöhung des weiblichen Bevölkerungsanteils in allen Altersgruppen. Ab dem 70. Lebensjahr steigt jedoch der Anteil der alleinlebenden Frauen überdurchschnittlich an. Geschlechtsspezifischer Anteil der Einpersonenhaushalte in Taunusstein weiblich männlich 85 und älter 33 209 80 - 84 Jahre 65 336 Altersgruppen 75 -79 Jahre 96 282 70- 74 Jahre 120 307 65 - 69 Jahre 145 352 60- 64 Jahre 98 257 55 - 59 Jahre 180 253 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Einpersonenhaushalte insgesamt Abb.8 Hintergrund dieser Entwicklung ist die immer noch deutlich höhere Lebenserwartung der weiblichen Bevölkerung.19 Dieser Trend bestätigt die bekannten bundesrepublikanischen Zahlen des Familienstandes und der Haushaltsstruktur. Während aktuell nur ein kleiner Prozentsatz der heutigen Männer ab dem sechzigsten Lebensjahr alleine lebt, führten bereits ab Mitte der 90er Jahre sieben von zehn der über 75-jährigen Frauen einen Ein-Personen- Haushalt. Dieser Trend wird sich zukünftig noch verstärken und sich auch in Taunusstein abbilden. Bis zum Jahr 2030 sollen über 70% aller Ein-Personen-Haushalte, in denen Menschen über 60 Jahre alt sind, Frauenhaushalte sein. 20 Allerdings ist prognostisch zu erwarten, dass es auch in der Gruppe der Männer zu einer stärkeren Pluralisierung der Familienstandsformen kommen wird. Für das Jahr 2030 wird 19 Statistisches Bundesamt Wiesbaden 2004 20 Niederfranke/Naegele. Funkkolleg Altern 2: 13 Seite 17 von 60
vorhergesagt, dass nur noch zwei Drittel der über 60-jährigen Männer verheiratet sein werden, während das restliche Drittel geschieden, ledig oder verwitwet sein wird. 21 Der Anteil der in Einpersonenhaushalten lebenden älteren Menschen ist für die Seniorenarbeit in Taunusstein deshalb von besonderem Interesse, weil Hochaltrigkeit ein erhöhtes Krankheitsrisiko und eine längere Krankheitsdauer implizieren. Alleinlebende hochaltrige Menschen sind im Falle von kurz- oder längerfristiger Erkrankung oder Immobilität häufiger und dauerhafter auf außerfamiliären Unterstützungsbedarf und Fremdhilfe angewiesen als hochaltrige Menschen in Mehrpersonenhaushalten. Im Rheingau- Taunus-Kreis wird sich bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 1995 die Anzahl der Pflegebedürftigen auf 50% bis 60% erhöhen.22 Taunusstein als größte Stadt im Rheingau- Taunus-Kreis wird von dieser Entwicklung spürbar betroffen sein. Geschlechtsspezifischer Anteil der Einpersonenhaushalte ab 55 Jahre in Taunusstein Alleinlebend Altersgruppen gemeldete davon weiblich davon männlich insgesamt absolut % absolut % 55 - 59 Jahre 433 253 58,43% 180 41,57% 60 - 64 Jahre 355 257 72,39% 98 27,61% 65 - 69 Jahre 497 352 70,82% 145 29,18% 70 - 74 Jahre 427 307 71,90% 120 28,10% 75 - 79 Jahre 378 282 74,60% 96 25,40% 80 - 84 Jahre 401 336 83,79% 65 16,21% 85 und älter 242 209 86,36% 33 13,64% insgesamt 2733 1996 73,03% 737 26,97% Abb.9 21 Niederfranke/Naegele: 12 22 Hilfe –und Pflegebedürftigkeit in Hessen. HLT –Report Nr.:560. Fortschreibung der regionalisierten Vorausschätzung bis zum Jahr 2020. Seite 18 von 60
2.7 Einkommenssituation Über die Einkommenssituation der Menschen ab 60 Jahre und älter liegen keine zuverlässigen Daten vor, die Rückschlüsse auf die soziale Situation zulassen würden. Fußend auf Daten vom Rheingau-Taunus-Kreis aus dem Jahr 2006, beziehen in Taunusstein 96 Menschen ab 65 Jahre 23 Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Teil 12 (SGBXII).24 Zum 1.1. 2003 wurde im SGBXII die bedarfsorientierte „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ als eigenständige Sozialleistung auf der Grundlage des Grundsicherungsgesetzes (GsiG) eingeführt. Ziel der Grundsicherung ist die Sicherstellung des grundlegenden Bedarfs für den Lebensunterhalt von Personen, die wegen Alters oder auf Grund voller Erwerbsminderung endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und deren Einkünfte oder Vermögen für den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichen. Von den 93 Personen ab 65 Jahren, die in Taunusstein Grundsicherung erhalten, sind zwei Drittel Frauen. 2.8 Zusammenfassung • Im Juli 2006 leben in Taunusstein 7648 Menschen, die 60 Jahre und älter sind. Das entspricht schon heute einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von über 26 Prozent • Der Altenquotient liegt in Taunusstein bei 48,65 und damit knapp 4 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt von 44,9 • 6391 Menschen sind in Taunusstein zwischen 60 und 79 Jahren • 1257 Seniorinnen und Senioren zählen zur Gruppe der Hochbetagten ab 80 Jahre • In Taunusstein gibt es eine stark nachrückende Seniorengeneration der heute 50-59- Jährigen mit insgesamt 3928 Personen • In Taunusstein gibt es eine große Gruppe aktiver „junger Alter“, die heute im Alter zwischen 55 und 70 Jahren sind • Im Zuge der steigenden Lebenserwartung alter Menschen und der langfristig anhaltend niedrigen Geburtenrate wird der Anteil der älteren und hochaltrigen Menschen in Taunusstein zukünftig weiter ansteigen • Der Anteil der pflege- und betreuungsbedürftigen Seniorinnen und Senioren wird in Taunusstein analog zum Rheingau-Taunus Kreis im Laufe der nächsten 10 Jahre spürbar zunehmen 23 Rheingau-Taunus-Kreis. Fachdienst Jugend, Soziales und Gesundheit. Stand Juli 2006 24 SGB I bis SGB XII. Mit allen wichtigen Durchführungsverordnungen. Walhalle und Praetoria Verlag. 2006 Seite 19 von 60
• In diesem Zusammenhang steigt auch die Zahl der demenzkranken Menschen an • Es konnten keine bemerkenswerten Konzentrationen älterer und alter Menschen in speziellen Stadtteilen angetroffen werden. Vielmehr spiegelt sich der stadtweite Durchschnitt des Anteils der älteren und alten Bewohnerinnen und Bewohner (26%) in allen Stadtteilen ausgewogen. Lediglich in Neuhof gibt es weniger ältere Menschen als in allen übrigen Stadtteilen • Im Zuge mittel- und langfristiger demographischer Entwicklungen wird es durch die zunehmende Pluralisierung der Lebensformen weniger alte Menschen in Taunusstein geben, die in familiäre Gemeinschaften direkt eingebunden sind und dort direkt durch Familienangehörige versorgt werden. Deshalb wird es auch in Taunusstein eine Wanderungsbewegung von der Peripherie in die Ortszentren geben, weil für alte Menschen der Standortfaktor Infrastruktur eine immer bedeutendere Rolle spielen wird. • Gemessen an der Gesamtzahl aller Menschen in Taunusstein ab 55 Jahren (9.864 Personen) nehmen die alleinlebenden älteren Menschen einen Anteil von knapp 28 Prozent ein: Anders gesagt: Gut ein Viertel aller Taunussteinerinnen und Taunussteiner ab 55 Jahren leben alleine. Ab dem 75. Lebensjahr sind dies 1.021 Menschen, ab dem 65. Lebensjahr 1.945 Menschen und ab dem 55. Lebensjahr 2.733 Menschen • Statistisch auffallend ist der Anteil der alleinlebenden älteren Frauen in Taunusstein 3 Bestandserhebung der vorhandenen Angebote 3.1 Pflegeversicherungsgesetz 1994 wurde nach mehr als zwanzigjähriger Diskussion das Pflegeversicherungsgesetz verabschiedet. Grund für die Einführung war die Entlastung pflegender Angehöriger zu Hause und der Grundsatz „ambulant vor stationär“. Hauptmerkmal der ambulanten Pflege ist somit, dass sämtliche Leistungen in der gewohnten Umgebung, also zu Hause, erbracht werden. Da 74% der Pflegebedürftigen in Hessen zu Hause versorgt werden, halten wir es für sinnvoll und notwendig, auf die Grundlagen der Pflegeversicherung etwas ausführlicher einzugehen.25 Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.26 Krankheiten oder Behinderungen sind: 25 Statistisches Landesamt Hessen: „Eckdaten“ der Pflegestatistik 2003. Wiesbaden 2005 26 SGB I bis SGB XII. Mit allen wichtigen Durchführungsverordnungen. Walhalle und Praetoria Verlag. 2006 Seite 20 von 60
• Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat • Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane • Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen. 3.1.1 Voraussetzungen zur Anerkennung der Pflegebedürftigkeit Die Pflegekassen haben durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Es gibt drei Stufen der Pflegebedürftigkeit: • Erheblich Pflegebedürftige Das sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. • Schwerpflegebedürftige Das sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. • Schwerstpflegebedürftige Das sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt: • in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen. Hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. • in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen. Hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen. • in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen. Hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen27. 27 Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung - Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.): Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes buch (XI) –Soziale Pflegeversicherung. Gesetz vom 26. Mai 1994 Seite 21 von 60
3.1.2 Pflegeleistungsergänzungsgesetz Durch das Pflegeleistungsergänzungsgesetz wurde die Pflegeversicherung zum 1. April 2002 um Leistungen für Menschen mit besonders zeitaufwändiger Betreuung erweitert. Für Pflegebedürftige mit mindestens der Pflegestufe I sowie einem besonderen Betreuungsbedarf erstatten die Pflegekassen auf Antrag Betreuungsleistungen von bis zu 460 EUR pro Jahr. Ein besonderer Betreuungsbedarf liegt zum Beispiel vor, wenn der Pflegebedürftige zum Weglaufen neigt, gefährliche Situationen nicht richtig einschätzen kann, sehr vergesslich ist oder sich in seiner vertrauten Umgebung nicht mehr zurechtfindet. Was Pflege leistet: Die Hilfe besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen: • zum Bereich der Körperpflege gehören das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung • zum Bereich der Ernährung gehören das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung • zum Bereich der Mobilität gehören das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung • zum Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung gehören das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. 3.1.3 Höhe des Pflegegeldes Pflegegeld Pflegebedürftige erhalten Pflegegeld, wenn die Pflege durch selbst organisierte Personen, z.B. Angehörige, in geeigneter Weise übernommen wird. Die Geldleistung beträgt monatlich • in der Pflegestufe I: 205 EUR • in der Pflegestufe II: 410 EUR • in der Pflegestufe III: 665 EUR Wer das Pflegegeld in Anspruch nimmt, ist gesetzlich verpflichtet, regelmäßig einen Beratungsbesuch durch einen zugelassenen Pflegedienst durchführen zu lassen (Pflegestufen I und II halbjährlich, Pflegestufe III vierteljährlich). Die Beratungsbesuche sollen die Pflegepersonen entlasten, bei der Pflege unterstützen und damit die Qualität der häuslichen Pflege sicherstellen. Die Kosten für diesen Einsatz trägt die Pflegekasse. Pflegesachleistung: Leistungserbringer sind ambulante Pflegedienste, die mit der Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen haben. Leistungen, die jeweils die Pflegstufe übersteigen, sind privat zu erbringen. Die häusliche Pflegesachleistung umfasst hier monatlich: Seite 22 von 60
• in der Pflegestufe I bis zu 384 EUR • in der Pflegestufe II bis zu 921 EUR • in der Pflegestufe III bis zu 1.432 EUR In besonderen Fällen können bis zu 1.918 EUR zur Verfügung gestellt werden. Kombinationsleistung: Der Pflegebedürftige kann sich auch für eine Kombination aus Pflegesachleistung und Pflegegeld entscheiden. Er bestimmt den Umfang der Inanspruchnahme des Sachleistungsbudgets durch professionelle Pflegekräfte und erhält zusätzlich ein anteiliges Pflegegeld für die ergänzende Pflege durch Familienangehörige, Nachbarn oder ehrenamtlich Pflegende. Verhinderungspflege: Ist die Pflegeperson aufgrund von Erholungsurlaub, Krankheit oder anderen Gründen an der Pflege gehindert, übernimmt die Pflegekasse einen Teil der Kosten der notwendigen Ersatzpflege für längstens 4 Wochen und höchstens 1.432 EUR je Kalenderjahr. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen bereits 12 Monate gepflegt hat. Beispielsweise kann das Angebot der Kurzzeitpflege in den Taunussteiner stationären Einrichtungen hiervon finanziert werden. 3.1.4 Ambulante Pflegedienste Häufig kommt es vor, dass nach Krankheit oder bei Pflegebedürftigkeit längere Zeit oder sogar dauerhaft pflegerische oder hauswirtschaftliche Hilfen benötigt werden. Können diese nicht oder nicht ausreichend von Angehörigen oder anderen nahestehenden Personen übernommen werden, so kommt ein ambulanter Pflegedienst in Betracht. Ambulante Pflegedienste erbringen sowohl pflegerische und betreuerische als auch hauswirtschaftliche und sonstige ergänzende Leistungen, je nach Bedarf des Pflegebedürftigen oder Kranken. In Taunusstein gibt es fünf ambulante Pflegedienste. Davon sind vier private Anbieter und ein Anbieter unter gemeinnütziger Trägerschaft. Diese versorgen insgesamt ca. 400 Patienten im Stadtgebiet. Die Pflegedienste haben Klienten, die sowohl nur nach Sozialgesetzbuch V, das heißt Leistungen der Behandlungspflege, nach Leistungen des Sozialgesetzbuches XI (Pflegeversicherung) und auch gemischt auf Grund beider gesetzlicher Grundlagen versorgt werden. Ein Pflegedienst hat auf Nachfrage erklärt, dass ca. Zweidrittel seiner Klienten gerontopsychiatrische28 Veränderungen aufweisen und dementsprechend versorgt werden. Hierzu zählt zum Beispiel, dass versucht wird, eine Bezugspflege durchzuführen, damit der Klient sich nicht immer auf andere Personen einstellen muss. Außerdem werden die Klienten ausschließlich von ausgebildeten Alten – und Krankenpflegerinnen aufgesucht und gepflegt. 28 Erläuterung siehe unter Punkt 3.1.9. Seite 23 von 60
3.1.5 Hauswirtschaftsdienste Zu den im Einzelfall festzulegenden Tätigkeiten eines Hauswirtschaftsdienstes gehört das Putzen der Wohnung und/ oder die Erledigung von Einkäufen der Betroffenen. In Taunusstein kann man diese Leistungen über die ambulanten Pflegedienste, den Arbeiter- Samariter Bund (ASB) und die Gesellschaft für Weiterbildung und Beschäftigung (GBW) abrufen. Die Leistungen können zum Teil über die häusliche Krankenpflege nach Sozialgesetzbuch Teil V über die Krankenkasse abgerechnet werden. Bei den ambulanten Pflegediensten in Taunusstein gibt es insgesamt 27 Seniorinnen und Senioren, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen. Die Träger der hauswirtschaftlichen Dienste bekommen ihre Leistungen mit zur Zeit 15 bis 20 EUR pro Arbeitsstunde vergütet. 3.1.6 Hausnotruf Der Hausnotruf bietet insbesondere für allein lebende Menschen und ihre Angehörigen einen Gewinn an Sicherheit. An das vorhandene Telefon wird ein Zusatzgerät mit einer Ruftaste angeschlossen. Zusätzlich bekommt jeder Nutzer einen sogenannten Funkfinger, ein kleines Gerät, das man in der häuslichen Umgebung immer bei sich trägt. Wenn Hilfe benötigt wird, löst man durch Knopfdruck am Funkfinger oder am Zusatzgerät einen Hilferuf aus und ist sofort mit einem Mitarbeiter der ASB-Hausnotrufzentrale verbunden. Der Hilfesuchende kann jetzt von jedem Raum aus seine Notsituation mitteilen und die Zentrale im gesamten Wohnbereich des Anrufenden mit ihm sprechen. Die notwendige Hilfe wird sofort eingeleitet, auch dann, wenn der Hilfesuchende nicht mehr sprechen kann, da die Zentrale alle erforderlichen Angaben des Teilnehmers besitzt und für den Notfall auch ein Schlüssel in einem Tresor hinterlegt ist. Zusätzliche Sicherheit bietet die wahlfreie Funktion einer „Tagestaste“. Mit dem Teilnehmer wird ein Zeitfenster vereinbart, in dem er täglich durch den Druck der „Tagestaste“ dem Gerät mitteilt, dass alles in Ordnung ist. Sollte diese Bestätigung nicht erfolgen, nimmt der ASB sofort Kontakt auf und schaut notfalls auch beim Teilnehmer vorbei. In dem monatlich zu zahlenden Pauschalbetrag sind alle Kosten, wie die Bereitstellung des Teilnehmergerätes, die technische Wartung und Betreuung, das Schlüsseldepot, die Rund- um-die-Uhr-Erreichbarkeit der Zentrale und Einsätze des ASB Hintergrunddienstes zu jeder Tageszeit enthalten. Im Falle der Pflegebedürftigkeit kann auf Antrag ein Teil der Kosten auch durch die Pflegekasse übernommen werden. In Taunusstein nutzen zurzeit 350 Menschen diese Serviceleistung; in der Regel über den ASB Taunusstein. Bei der Auswertung der Alarme durch die Hausnotrufkunden zeigt sich ein interessantes Bild: Von den 1.337 Alarmmeldungen im 1. Halbjahr 2006 wurden nur 181 (13,54%) als Notfall eingestuft. In 61 Fällen (4,56%) wurde der Rettungsdienst und in 21 Fällen der hausärztliche Vertretungsdienst angefordert. 155 Hilfeleistungen wurden durch den Hintergrunddienst des ASB durchgeführt. Fast 40% der Notrufe stuft der ASB als Informationsrufe ein. Die ASB Mitarbeiter informieren dann zum Beispiel über die aktuelle Uhrzeit oder führen ein Gespräch gegen die Einsamkeit. 308 Mal kontrollierte die ASB Zentrale, ob beim Teilnehmer alles in Ordnung war, nach dem die optionale 24 – Stunden - Kontrolle des Geräts Alarm schlug. Seite 24 von 60
3.1.7 Essen auf Rädern Essen auf Rädern wird durch den ASB Taunusstein seit 1973 angeboten und organisiert. Menü-Kuriere liefern täglich warmes Essen an etwa 160 Seniorinnen und Senioren in Taunusstein aus. Die Kunden stellen sich ihre Menüs monatlich individuell aus einer Speisekarte zusammen, wobei Vollkostgerichte ebenso zur Wahl stehen, wie diätetische Mahlzeiten. Alle Menüs sind nach ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengestellt und zubereitet. Eine noch größere Auswahl bietet das tiefgekühlte Menüangebot, das eine Auswahl aus über 250 Mahlzeiten eröffnet. Hier kann sich der Kunde seine persönliche Wochenspeisekarte erstellen und bekommt die gewünschten sieben Menüs geliefert. Wann die einfach zuzubereitende Mahlzeit eingenommen wird, kann man selbst bestimmen. 3.1.8 Teilstationäre und stationäre Versorgung Neben der ambulanten Betreuung durch Pflegedienste gibt es für ältere und hochbetagte Menschen das System der stationären Versorgung in Altenpflegeheimen. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Grundsatz „ambulant vor stationär“ etabliert, der auch im Pflegeversicherungsgesetz festgeschrieben ist. Gemeint ist damit, dass vor einer Heimaufnahme alle Möglichkeiten zur Betreuung und Pflege in den eigenen vier Wänden durch eine Case–Managementberatung ausgeschöpft und gefördert werden sollen. Case- Management beschreibt eine Form des Unterstützungsmanagements und ist ein aus der USA stammender ganzheitlicher Ansatz zur Betreuung von Menschen, vor allem im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens. Der zu versorgende Mensch wird beim Case- Management in den Mittelpunkt gestellt. „Durch eine Gesamtsicht und Nutzung aller Möglichkeiten aller Institutionen wird angestrebt, Wirksamkeit und Qualität der Betreuung zu steigern und gleichzeitig Kosten zu sparen. Dies soll insbesondere durch schnelle, abgestimmte Reaktion und Berücksichtigung auch längerfristiger Entwicklungen im Rahmen eines Gesamtkonzepts für den einzelnen Fall erreicht werden.“29 Dieser Grundsatz hat zur Folge, dass die meisten alten und hochbetagten Menschen erst dann den Schritt in eine stationäre Einrichtung suchen, wenn im Rahmen der ambulanten Betreuung die tägliche Versorgung auf Grund von Überforderung der pflegenden Angehörigen, dem Fehlen einer dauerhaften familiären Pflegesituation oder der Schwere der Erkrankung nicht mehr gewährleistet werden kann. Die Finanzierung eines Altenheimplatzes setzt sich aus Anteilen der Pflegeversicherung, des eigenen Einkommens und bei Bedarf aus einem Zuschuss des örtlichen Sozialhilfeträgers nach dem Sozialgesetzbuch Teil XI (SGB XI) „Hilfen zur Pflege“ zusammen. Grundsätzlich gilt, dass das eigene Vermögen für die Pflege zunächst bis auf einen Freibetrag aufgebraucht werden muss, bevor der Sozialhilfeträger die Kosten mitfinanziert. Bei Menschen unter 65 Jahren ist an Stelle des örtlichen Sozialhilfeträgers der Landeswohlfahrtsverband zur Mitfinanzierung eines stationären Heimplatzes zuständig. In Taunusstein existieren im Stadtteil Hahn zwei stationäre Pflegeheime mit insgesamt 318 Plätzen. Belegt sind derzeit insgesamt 277 Plätze. Von den Bewohnern beider Heime sind 29 www.oelv.de in online -Verwaltungslexikon olev.de Version 1.1 Seite 25 von 60
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