Luft holen - Klinikum Esslingen
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Lunge Schwerpunktthema – Seiten 6 bis 15 Luft holen Atmen heißt Leben. Das hat jüngst Sars-CoV-2 gezeigt, jenes neuartige Virus, das die Lunge angreift. Atemwegs- beschwerden sollte man aber immer abklären lassen, nicht nur zu Corona-Zeiten. Hinter Luftnot oder anhal- tendem Husten können zum Beispiel auch chronische Lungenkrankheiten wie COPD und Asthma stecken. 6 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2020
„Je länger und stärker geraucht wird, desto höher das COPD-Risiko.“ PD Dr. Martin Faehling Dr. Silke Hellmich Kaum hat ein Neugeborenes das Licht der Welt erblickt, schnappt Daneben kann der Arzt einen Lungenfunktionstest anordnen, um es zum ersten Mal nach Luft. Die Lungenbläschen entfalten sich. die Atemleistung der Lunge zu messen. Der Test kann ambulant Die Lunge, die im Mutterleib noch mit Flüssigkeit gefüllt war, beim Lungenfacharzt oder im Krankenhaus durchgeführt werden nimmt ihren Dienst auf. Von da an atmen wir ein und aus, ein Leben und liefert oft die ersten Hinweise auf Asthma oder COPD. lang. Ein Neugeborenes circa 40 Mal pro Minute, ein Erwachsener 14 Mal. COPD: Schleichendes Leiden „Neun von zehn COPD-Patienten sind langjährige Raucher“ sagt Beim Einatmen strömt sauerstoffhaltige Luft über den Rachen und Dr. Silke Hellmich, niedergelassene Fachärztin für Lungen- und die Luftröhre in den Brustraum. Unterwegs wird die Luft gereinigt: Bronchialerkrankungen in Esslingen. Sie warnt: „Je länger und Flimmerhärchen fangen Fremdkörper wie Bakterien und Staub ab. stärker geraucht wird, desto höher das COPD-Risiko. Auch ein frü- Am Ende der Luftröhre verzweigt sich unser Atemsystem. Die Luft her Beginn des Rauchens in der Jugend ist besonders schädlich.“ gelangt durch die beiden Hauptbronchien in den rechten und lin- ken Lungenflügel. Sie fließt durch immer feinere Verästelungen Dr. Hellmich erklärt, welche Kettenreaktion das Rauchen auslöst: und erreicht die Lungenbläschen (Alveolen). Dort findet ein stän- „Nach einer Zigarette sind die Flimmerhärchen in der Lunge vor- diger Gasaustausch statt: Durch die hauchdünnen Wände der übergehend gelähmt und können die Atemluft nicht mehr reini- Alveolen wird Sauerstoff ins Blut abgegeben. Umgekehrt gelangt gen. Schadstoffe dringen in die Lunge. Es kommt zu vermehrter Kohlendioxid aus dem Blut in die Lunge und wird von da ausge- Schleimbildung in den Bronchien und damit zum typischen, von atmet. Dieser Gasaustausch ist lebenswichtig, denn der Sauer- Auswurf begleiteten Raucherhusten. Längerfristig kommt es zu stoff, der über die Blutzirkulation im ganzen Körper verteilt wird, einer dauerhaften Entzündung.“ ist der „Treibstoff“ für alle Stoffwechselvorgänge. Das Kohlendi- oxid wiederum, ein Abfallprodukt des Stoffwechsels, würde uns Diese Entzündung kann wiederrum dazu führen, dass es in den vergiften, würde es nicht aus dem Körper abtransportiert. Bronchien zu irreparablen Umbauprozessen kommt mit Narben- gewebe, welches die Atemwege verengt. Ab nun spricht man von Einatmen, ausatmen: Was für die meisten ein Automatismus ist, einer COPD. „Die Patienten husten nicht nur, sondern verspüren verliert seine Selbstverständlichkeit, wenn die Lunge erkrankt. zusätzlich auch Atemnot“, so Dr. Hellmich. „Auch pfeifende oder In Deutschland leiden geschätzt 6,8 Millionen Menschen an rasselnde Atemgeräusche sind ein Alarmsignal.“ Bei manchen greift der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD. Rund 8 die COPD zusätzlich auch die Lungenbläschen an, ein Lungen Millionen leben mit Asthma bronchiale. emphysem entsteht. „Die Patienten können weniger Sauerstoff aufnehmen und auch nicht mehr vollständig ausatmen, das nennt Lungenkrankheiten erkennen man Überblähung“, sagt die Pneumologin. >>> Je eher chronische Lungenkrankheiten diagnostiziert werden, desto besser sind die Therapiemöglichkeiten. „Ein mehrwöchiger Husten, Brustschmerzen, Husten in Verbindung mit blutigem Auswurf, Luftnot: Diese und weitere Symptome können unter anderem auf eine chronische Lungenkrankheit hindeuten und müssen ärztlich abgeklärt werden“, sagt PD Dr. Martin Faehling, Leitender Arzt der Pneumologie am Klinikum Esslingen. Lungensport Zu Beginn der Diagnostik steht ein ausführliches Arzt-Patienten- Gespräch: „Ich frage zum Beispiel nach Art, Entwicklung und Sport hilft Patienten mit chronischen Atemwegs Dauer der Beschwerden. Dann höre ich die Lunge, aber auch das erkrankungen, ihren Alltag besser zu bewältigen und Herz ab. Denn hinter Beschwerden wie Atemnot kann auch eine ist daher ein wichtiger Therapiebaustein am Klinikum Herzerkrankung stecken“, erklärt Dr. Faehling. Esslingen: Die Lungensportgruppe bietet ein speziell auf die Patienten zugeschnittenes Ausdauer- und Zur genaueren Untersuchung der Lunge stehen diverse bildgebende Muskelaufbau-Programm, kombiniert mit Atem- Verfahren wie CT, MRT und endoskopische Methoden zur Verfü- übungen. gung. „Mit diesen Verfahren können wir unter anderem feststellen, ob ein Tumor die Beschwerden verursacht“, so Dr. Faehling. 2 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 7
>>> Ein Mittel, das die Krankheit heilt, wurde bisher nicht gefunden. Ausatmen: Mit jedem Atemzug kommt Luft hinein, aber nicht Erleichterung für COPD-Patienten bringen Medikamente, die die genug hinaus. Die Lunge überbläht sich und es ist nicht mehr Bronchien erweitern und antientzündlich wirken. In den späten genug Platz für frische Luft“, so Dr. Hellmich. Bei einem Asthma Stadien schafft auch die ständige Sauerstoffzufuhr Erleichterung. anfall ist es wichtig, möglichst langsam und ruhig auszuatmen, „Ich empfehle auch Physiotherapie mit spezialisierter damit sich die Lunge wieder entleeren kann. Spezielle Atemtherapie oder auch für den Hausgebrauch Atemtechniken helfen dabei. Asthmatiker sollten das Cornet, ein bogenförmiges Atemtherapie- außerdem immer ein Notfall-Spray bei sich gerät, das per Vibration Bronchialschleim lösen kann und somit Husten und Aus- wurf reduziert“, so Dr. Hellmich. 5 führen. Innerhalb weniger Minuten ent- spannen diese Sprays die verkrampfte Muskulatur der Bronchien. Eine COPD entwickelt sich schlei- chend über Jahre und schreitet Prozent Bis jetzt gibt es zwar keine Mög lichkeit, Asthma zu heilen. Mit einer immer weiter fort. Anfangs treten der Erwachsenen individuell abgestimmten Behand- Atembeschwerden nur unter Belas- lung gelingt es aber oft, den Patien- tung auf, später auch im Ruhezu- ten ein weitestgehend beschwerde- stand. Appetitmangel, Müdigkeit und in Deutschland leben freies Leben zu ermöglichen. Denn Depressivität mindern zunehmend die anders als bei COPD lassen sich asthma Lebensqualität. Im Endstadium schädigt mit Asthma. bedingte Veränderungen in der Lunge der Sauerstoffmangel das Herz und andere rückgängig machen: „Eine Cortisontherapie Organe. „Im Verlauf können Schübe auftreten, kann bewirken, dass die chronische Entzün- bei denen sich die Lungenfunktion vorübergehend dung der Bronchien abklingt. Ist die Entzündung deutlich verschlechtert. Dann wird ein Krankenhausauf- beseitigt, treten Asthmaanfälle viel seltener auf“, so enthalt, Cortison-Infusionen und mitunter auch eine Masken Dr. Hellmich. Bei allergischem Asthma erreicht man zudem mit beatmung notwendig“, so Dr. Faehling. „Jeder Schub zieht eine der Hyposensibilisierung, einer mehrjährigen Therapie, dass die insgesamte Verschlechterung nach sich. Patienten sollten also Lunge weniger empfindlich auf allergieauslösende Stoffe reagiert. spätestens den ersten Krankenhausaufenthalt als Weckruf begreifen“, mahnt der Pneumologe. Patienten können außerdem durch ihre Lebensweise die Anzahl der Asthmaanfälle reduzieren: „Allergiker sollten alles vermeiden, Denn obwohl COPD nicht heilbar ist, lässt sich ihr Fortschreiten was eine allergische Reaktion auslöst. Nicht-Allergiker sollten verlangsamen oder aufhalten. Einerseits durch die oben genann- Stress und seelische Belastungen reduzieren. Wichtig für beide ten Therapien. Andererseits können die Patienten selbst einen Gruppen ist es, nicht zu rauchen, regelmäßig Sport zu treiben und Beitrag leisten, erklärt Dr. Faehling: „An erster Stelle steht ein Übergewicht abzubauen. Außerdem empfehle ich den Patienten sofortiger Rauchstopp. Regelmäßige Bewegung ist wichtig. Außer- Meditationstechniken zu erlernen, welche eine bewusste Körper- dem gilt es, alles zu vermeiden, was einen Schub auslösen könnte, wahrnehmung und Atmung trainieren“, so Dr. Hellmich. lj wie zum Beispiel Infekte.“ Um die Nachwirkungen eines akuten Schubs abzufangen, sollte möglichst früh eine pneumologische Rehabilitation mit Muskelaufbau- und Ausdauertraining erfolgen. „Wir beginnen damit schon während des Krankenhausaufent- halts“, sagt Dr. Faehling. Er betont noch einmal: „Das wirksamste Mittel gegen COPD ist, nicht mit dem Rauchen anzufangen." Am Klinikum Esslingen Wie Sie Ihre Lunge schützen und betreut er daher die Aktion „Ohne Kippe“, eine monatlich statt- stärken findende Präventionsveranstaltung für Schüler und Azubis. 1) Nicht rauchen. Leben mit Asthma bronchiale 2) Ausdauersport trainiert den Atemmuskel. In Deutschland leben etwa 10 Prozent der Kinder und 5 Prozent 3) Lungenentzündungen werden häufig durch Pneu- der Erwachsenen mit Asthma. Die allermeisten leiden an allergi- mokokken ausgelöst. Eine Impfung schützt und ist schem Asthma. Es tritt oft familiär gehäuft auf und macht sich insbesondere für Risikopatienten ratsam. meist schon im Kindes- oder Jugendalter bemerkbar. Wenn 4) Auf ausreichend frische Luft achten. Erwachsene Asthma bekommen, handelt es sich dagegen meist 5) Tragen Sie bei Tätigkeiten mit hoher Staub- oder um intrinsisches Asthma, das unter anderem durch Atemwegs Schadstoffbelastung eine Atemmaske. infektionen ausgelöst wird. Bei beiden Asthma-Formen kommt 6) Gesund ernähren, ausreichend trinken. es zu einer chronischen Entzündung der Bronchien, ausgelöst 7) Übergewicht vermeiden: Das Fettgewebe im Brust- durch eine Störung des Immunsystems. Die Entzündung verengt und Bauchbereich drückt auf die Atemorgane und die Atemwege und führt dazu, dass die Bronchien hypersensibel verstärkt Luftnot. auf Reize wie kalte Luft, Pollen oder Staub reagieren. Asthma 8) Atemwegs-Infekte nicht auf die leichte Schulter typische Beschwerden sind pfeifende Atmung, Kurzatmigkeit, nehmen. Luftnot oder Husten. Die Symptome treten aber nicht ständig, 9) Insbesondere zu Corona-Zeiten die AHA-Regeln sondern anfallartig auf: „Bei einem Asthma-Anfall versucht die einhalten: Abstand, Hygiene, Alltagsmasken. Lunge sich vor äußeren Reizen zu schützen, indem sich die Bron- chien zusammenziehen. Probleme bereitet das vor allem beim 8 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2020
Experteninterview: Lungenentzündung Jährlich erkranken um die 500.000 Deutsche an einer Lungenentzündung (Pneumonie). Meist wird sie ausgelöst durch Bakterien, seltener durch Viren, Pilze oder Parasiten. Privatdozent Dr. Martin Faehling, Leitender Arzt der Pneumologie am Klinikum Esslingen, über Krankheitsbild und Therapie. Herr Dr. Faehling, das neue Corona-Virus kann im Extremfall Welche Symptome treten typischerweise auf? eine lebensbedrohliche Lungenentzündung auslösen. Wie Hohes Fieber, Husten, Schmerzen im Brustkorb und Atembe- gefährlich ist dagegen eine „normale“ bakterielle Pneumonie? schwerden. In schweren Fällen kommen Luftnot und Sauerstoff- Auch eine bakterielle Lungenentzündung ist eine ernstzuneh- mangel hinzu, so dass die Patienten mitunter beatmet werden mende Erkrankung. Insbesondere, wenn sie nicht rechtzeitig müssen. erkannt und behandelt wird, kann sie einen lebensgefährlichen Verlauf nehmen. Wie wird eine Pneumonie behandelt? Das kommt immer darauf an, was der Auslöser ist. Eine bakteri- Wer ist besonders gefährdet? elle Pneumonie lässt sich gut mit Antibiotika therapieren. Wir Jeder kann erkranken. Ein erhöhtes Risiko tragen Säuglinge, bestimmen den individuellen Erreger möglichst genau und wäh- Kleinkinder und ältere Menschen sowie diejenigen, die ein len dann den passenden Wirkstoff. Dieses gezielte Vorgehen ist geschwächtes Immunsystem haben. Patienten mit chronischen Teil unseres „Antibiotic Stewardship“-Konzepts: Wir wollen dazu Herz-, Kreislauf- und Lungenerkrankungen (wie COPD und beitragen, dass Antibiotikaresistenzen nicht weiter zunehmen. Asthma) sind ebenfalls besonders anfällig. Helfen Antibiotika auch gegen eine durch Covid-19 ausgelöste Wie wirkt sich eine bakterielle Pneumonie in der Lunge aus? Lungenentzündung? Durch die Infektion entzünden sich die Lungenbläschen und das Nein. Antibiotika wirken nur gegen Bakterien, nicht gegen Viren. Lungengewebe. Dies beeinträchtigt den Gasaustausch zwischen Lunge und Blutgefäßen. Der Körper wird folglich nicht mehr aus- Das Gespräch führte reichend mit Sauerstoff versorgt. Lena Jauernig Kontakt Klinikum Esslingen Pneumologie am Schelztor Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie Ärzte für Lungen- und Bronchialheilkunde Leitender Arzt der Pneumologie Dr. Silke Hellmich Privatdozent Dr. Martin Faehling Schelztorstr. 6 Telefon 0711 3103-2401 73728 Esslingen m.faehling@klinikum-esslingen.de Telefon 0711 359565 2 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 9
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