MAGAZIN 02 - GCSC.MAGAZIN

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MAGAZIN 02 - GCSC.MAGAZIN
02                                                         german council
18. Jahrgang
€ 12 | ISSN 1614-7804
German Council of Shopping Centers e. V.          MAgazin
IN MOTION
Anfangen, wo andere aufhören | Unternehmer ändern sich, Manager machen weiter, wie gewohnt
MAGAZIN 02 - GCSC.MAGAZIN
HERAUSRAGENDE
                                                                      ERGEBNISSE

                         DURCH UNSERE VERMIETUNG, BERATUNG UND KONZEPTION.

Neumarkt Galerie, Köln            SEVENS, Düsseldorf                        Dodenhof, Posthausen   Münster ARKADEN

                                                       Tel. 0211 540063-0
                                                         www.comfort.de
MAGAZIN 02 - GCSC.MAGAZIN
Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

»Wenn man stillsteht, wird man schnell über-         »Alle Filialkettenpleiten der letzten 30 Jahre
rollt« ist einer der Leitsätze von Lee Iacocca,      scheiterten meines Erachtens an Unbeweglich-
dem früheren Präsidenten der FORD Motor              keit«, ist Professor Götz Werner überzeugt. Er

                                                                                                                                                           © Tom Pennington / Getty Images News
Company. Der Sohn italienischer Einwanderer          verrät der GC MAGAZIN Redaktion in einem ex-
startete 1946 als Praktikant bei Ford und gilt als   klusiven Gespräch in Stuttgart die K&K-Formel,
US-Managementikone, der sich auch im Ruhe-           spricht über Rhythmus und zitiert Goethe: eine
stand – mittlerweile 89 Jahre alt – engagiert zu     Sternstunde über Mensch und Handel, die Sie
Wort meldet. In seinem Buch »Where have all          mit Genuss lesen werden.
the leaders gone?« kritisierte er 2007 mutig
US-Politiker und -unternehmer und hält fest:         In dieser Ausgabe des GC Magazin beschäfti-
»Man kommt nirgendwo hin, indem man dar-             gen wir uns daher ganz bewusst mit dem The-
auf wartet, dass jemand anderes was tut!«            ma IN MOTION und möchten Sie in Bewegung
                                                     bringen oder halten. Sie werden dabei feststel-     US-Präsident Barack Obama
Lieber Herr Iacocca, wir wissen zumindest, wo        len, dass sich das Magazin kontinuierlich wei-
unsere Industry Leader im April waren: in Istan-     terentwickelt und zunehmend Top-Journalisten
bul. Die ICSC European Conference im April hat       für die Arbeit gewinnt. Damit wollen wir dem        stätten. Der GCSC nimmt diese Aufgabe ernst
die 600 Teilnehmer dabei ganz sicher fasziniert      Anspruch als professionelle Stimme der Han-         und wird seine politische Arbeit weiter ausbau-
und bewegt. Jörg Nowicki von der TEXTILWIRT-         delsimmobilienwirtschaft Rechnung tragen.           en. Dazu mehr schon in der nächsten Ausgabe.
SCHAFT hat genau zugehört und nachgefragt,
lesen Sie seine spannende Zusammenfassung            Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) lud         Lassen wir uns noch einmal von Herr Iacocca
in dieser Ausgabe.                                   anlässlich der Hannover Messe vor wenigen           inspirieren. »Kurs halten? Das ist wohl ein
                                                     Wochen zu einem Gipfeltreffen mehrerer Ar-          Witz, wir reden nicht von der verdammten Tita-
                                                     beitskreise und Niedersachsens Minister Olaf        nic!«, schimpft er und ergänzt: »Ich will ein
                                                     Lies (Wirtschaft, Arbeit, Verkehr) ein. Ich konn-   Feuer entzünden. Ich melde mich, weil ich
                                                     te in diesem Rahmen von der erfolgreichen           Hoffnung habe.« Ich bewundere Menschen,
                                                     Kampagne unseres internationalen Verbandes          die sich bewegen und andere bewegen. Damit
                                                     ICSC berichten, dem es gelungen ist, mit einer      Sie nicht überrollt werden, bitte ich Sie herz-
                                                     »Marketplace Fairness Act«-Kampagne US-             lich:
                                                     Senatoren und den Congress für eine Chancen-
                                                     gleichheit von stationärem Handel und Online-
                                                     handel zu sensibilisieren. Die Abstimmung er-
                                                     gab eine beeindruckende 2/3-Mehrheit und            Bleiben Sie in Bewegung!
                                                     Präsident Obama hat seine Zustimmung zu
                                                     dem Gesetz avisiert.

                                                     In der Diskussion mit Minister Lies wurde deut-
                                                     lich, dass wir in Deutschland noch ein großes
                                                     Stück Arbeit vor uns haben, wenn es darum
                                                     geht, um Chancengleichheit für den stationä-
Buchempfehlung:                                      ren Handel zu werben. Deregulierung und fai-
»Where have all the leaders gone?«                   rer Wettbewerb sind essentiell für den Erhalt
Lee Iacocca / Catherine Whitney                      unserer großartigen Innenstädte und Einkaufs-
MAGAZIN 02 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . inhalt

in motion
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           GerMan CounCil . in Motion                                                                                                                                                                                                                                                            GerMan CounCil . in Motion

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Weil sich die Oterser nicht kilometerweit zum Einkaufen bewegen wollten, schoben
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           sie ihren eigenen Dorfladen an. Mit Erfolg. Und der hat Folgen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Wenn Bauer Paul mit Enkel Jonas einkaufen geht, ziehen sie vorm Ge-       dachten die Oterser und entschieden sich für Engagement statt Unter-                                                                                          Gemeinsamkeit zählt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           schäft die Schuhe aus. Ihren Stalldreck möchten sie nicht in den Laden    versorgung. Mit 75.000 Euro Invest lässt sich das Problem beheben,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           tragen. Zu Hause sind derlei Höflichkeitsgesten normal, beim Shoppen      errechnete Dorfbewohner Günter Lühning, von Beruf Sparkassenfilial-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           dürften sie ein Oterser Unikum sein. Otersen, 520 Seelen, ein Dorf ir-    leiter. Er schlug vor, eine Minigenossenschaft zu gründen, um die nach
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           gendwo zwischen Hannover und Bremen. Die Landschaft ist idyllisch,        Abzug der Gemeindezuschüsse fehlenden 50.000 Euro zu finanzieren.
                           GERMAN COUNCIL . IN MOtION                                                                                                                                                                                                                                                    GERMAN COUNCIL . IN MOtION
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           die Schafe sind schmuck, die Gehöfte sind es auch. Hier wird beim Erle-   »Im schlimmsten Fall ist das Geld weg. Keiner haftet persönlich«, klär-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           digen der Besorgungen eher geduzt als gesiezt, geschnackt als gesmall-    te der heutige Vorsitzende des Dorfladen-Netzwerk.de seine Mitstrei-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           talkt, und was im Sortiment fehlt, besorgt der Krämer extra.              ter auf. Tatsächlich kauften 70 Bürger Anteilsscheine im Wert von je
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     250 Euro. Es war eine riskante Investition. Eine, die auf Lebensqualität
                           Kauftypen 202                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            spekuliert, nicht auf geldwerte Rendite. Damals konnte jeder nur hof-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Ohne den Laden hätte vermutlich bis heute niemand weiter Notiz von        fen, dass der Laden schwarze Zahlen schreiben werde. 13 Jahre später
                           Wie werden wir morgen shoppen?
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           dem Ackerbürgerdörfchen genommen. Aber Nahversorger in flau be-           besitzen 120 Bürger Anteilsscheine und jeder weiß, mit 370.000 Euro
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           siedelten Landstrichen sind mittlerweile erfreuliche Ausnahmen. Sind      Nettojahresumsatz trägt sich das Geschäft.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           sie dazu noch auf 180 Quadratmeter in tipptopp renoviertem Bauern-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           haus und in Bürgerbesitz, ist das schon außergewöhnlich. Wie es zur       Hätten die Oterser nicht zur Selbsthilfe gegriffen, wären sie, wie acht
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Kollektivierung der Nahversorgung kam, daran erinnert sich noch je-       Millionen andere Deutsche, in die Unterversorgung gerutscht. Allein
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           der im Ort. Es war 2000, als der letzte Krämer altersbedingt seine Se-    in Bayern haben 70 % der kleinen Dörfer keinen Krämer mehr. Und

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        © brickrena / Thinkstock.com
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           gel strich. Gerade mal ein Dreivierteljahr Zeit blieb den Dorfbewoh-      von 125.000 eigenständigen Kaufleuten, die es 1970 bundesweit gab,         Dorfladen Otersen: Bürger zwischen 17 und 77 erbrachten 5.000 Std. Eigenleistung   Spitzenköche Open-Air in Otersen
                           Wie stark das allgegenwärtige Internet unseren Alltag verändert, erle-   Im Gegensatz zu Trends und Prognosen prophezeien Szenarien nicht
                           ben wir täglich am eigenen Leib: Schnell prüfen wir auf dem Smart-       die eine – richtige – Zukunft. Das EHI hat sich deshalb für diese Metho-                                                                                                                                                                                               nern, um die 15 Kilometer lange Fahrt zum Einkaufen abzuwenden.           waren vorletztes Jahr 25.000 übrig, bilanziert der deutsche Lebensmit-
                           phone, ob der Zug pünktlich ist, scannen den QR-Code auf der Rot-        de entschieden, weil sie alternativ denkbare Situationen in der Zukunft
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Allerdings entpuppte sich die Nachfolgersuche als aussichtslos und Fi-    teleinzelhandel. In den gleichen 42 Jahren sank die Zahl der Geschäfte
                           wein-Flasche, um mehr über den Winzer zu erfahren und rufen Gut-         beschreibt, die auf einem Netzwerk der wichtigsten Schlüsselfaktoren
                           scheine für den Einkauf ab. Längst bewegen wir uns zwischen den          beruhen. Die Werthaltung der Konsumenten gehört genauso dazu wie                                                                                                                                                                                                       lialketten winkten entschieden ab. »Stirbt der Laden, stirbt das Dorf«,   von 160.000 auf 36.866. Denn mit den Filialisten setzte sich die Maxi-
                           Welten: online wie offline. Unser Kommunikations- und Shopping-All-      die Mediennutzung, das Einkaufsverhalten und die Markentreue.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                me durch: Lieber wenige Große als viele Kleine. Für ihren geübten                  Weil ihnen ihr 140-qm-Laden nicht den nötigen Platz bot, kaufte die
                           tag wird ins Netz verlagert und das Netz in unseren Alltag integriert.
                                                                                                    Szenarien sind keine Strategie, sondern das Ergebnis einer Teamleis-       egal sind. Für sie zählt nur das Preis-Leistungs-Verhältnis. Andere – die   hofs Roma Ostiense mit 23 Restaurants und Cafes, einer Kafferösterei                                                                                                                                                                                                 Renditeblick sind die Miniaturstädte nur eins – Verlustgeschäfte.                  Ladeninitiative ein baufälliges kleines Bauernhaus.
                                                                                                    tung. Das EHI hat gemeinsam mit führenden Marketingexperten aus            Wertorientierten – werden neue Geschäftsmodelle verlangen, weil sie         und einer Brauerei seine Leidenschaft für Lebensmittel und Genuss.
                           Wie also werden wir morgen shoppen? Was wollen die Menschen in           Handel, Medien und Dienstleistern Zukunftsbilder entwickelt, die die       ihre Produkte lieber mieten statt kaufen wollen. Wieder andere, die
                           Zukunft? Was sind ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse? Wie muss Kommu-        Lebenswelten der Konsumenten von morgen lebendig werden lassen             Cyberflaneure, absolvieren einen großen Teil ihrer Shopper-Journey in       Für die emotionale Bindung des Kunden ist die eigene Verkaufsstelle                                                                                                                                                                                                  Und vielen Orten blüht erst noch, was Otersen bereits um 1980 erlebte.             Diesmal griffen die aktiven Bürger nicht nur zur Kohle, sondern auch
                           nikation beschaffen sein, damit sie im Markt erfolgreich ist? Wie        und daraus die Konsequenzen für die Kommunikation des Handels bis          den digitalen Welten, bevor sie den Laden betreten und sich von digi-       der ideale Ort. Der Einsatz »cooler«, dem Zeitgeist entsprechender
                           spricht der Handel die Sinne des Menschen an, wie wird die Lust zum      zum Jahr 2025 abgeleitet.                                                  talen Informationssystemen beraten lassen.                                  Technologien am Regal ergänzt die Inszenierung auf der Fläche und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Es schrumpfte von 500 auf 400 Einwohner. Eigentlich war der Heideort               zur Kelle. Insgesamt steckten 70 Bürger 5.000 Stunden Eigenleistun-
                           Kauf geweckt? Kommt der Kunde auch künftig noch ans Regal oder                                                                                                                                                                  hilft, Produkte auf eine neue Art spannend zu inszenieren und sie be-                                                                                                                                                                                                auf dem besten Weg zum toten Dorf; dann brachte 1991 die Aufnahme                  gen in den alten Fachwerkhof, für den sie 70.000 Euro bezahlten. Ge-
                           wird die rasante Entwicklung des Online-Shoppings das Ende des sta-      2025 klingt nach den unendlichen Weiten des Cyberspace, in dem der         Der Genusskäufer wiederum liebt seine Marke und die theatralische           gehrenswert und kaufenswert zu machen. Bei Burberry in London wer-
                           tionären Handels bedeuten?                                               stationäre Handel maximal noch im Museum auftaucht. Doch das Jahr          Inszenierung auf der Fläche. Kampfpreise lassen die Kunden im Szena-        den Spiegel auf der Fläche zum Verkaufs- und Unterhaltungsscreen,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                ins Dorferneuerungsprogramm die Wende. Die Fördergelder sanierten                  schätzte 600.000 Euro ist der Kollektivbesitz heute wert. Mit EU- und,
                                                                                                    2025 liegt gerade mal elf Jahre voraus. Und obwohl wir uns alle einig      rio: »Küss mich, berühr mich, verführ mich« absolut kalt. Wofür sie         die dem Kunden Empfehlungen à la »das passt dazu« oder »Kunden                                                                                                                                                                                                       heruntergekommene Häuser und das geschundene Selbstbewusstsein                     Gemeindegeldern sowie der Verdoppelung von Bürgereinlagen auf
                           Trends, Prognosen und Expertenmeinungen zur Zukunft gibt es wie          sind, dass die Digitalisierung den Alltag der Menschen drastisch ver-      sich jedoch erwärmen, sind die Erlebniswelten beim Einkauf, vor al-         kauften auch« anbieten oder auch die neuesten Making-of Videos akti-
                           Sand am Meer. Dass solche Vorhersagen im Allgemeinen jedoch we-          ändern wird, zeigen die acht alternativen Szenarien, dass es nicht nur     lem im Store, aber auch im Internet. Das sinnliche Erleben der Produk-      vieren, sobald sich der Kunde mit dem getaggte Produkt nähert.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                ihrer Bewohner gleich mit. Statt weiter Energie mit Mangelklagen an                100.000 Euro wurde die Anschubfinanzierung gestemmt. Statt Miete
                           nig verlässlich sind, zeigen die Irrtümer berühmter Experten. So be-     den einen – richtigen – Weg zum Kunden von morgen gibt. So wird es         te, das Fühlen, Riechen, Ausprobieren, steht im Mittelpunkt. Das                                                                                                                                                                                                                                                                                 Gemeinde- und Landesväter zu vergeuden, half der Revitalisierungs-                 zu zahlen, tilgt man nun 218.000 Euro Darlehen. Das Beste: Neben 40
                           hauptete Bill Gates 1995 »Das Internet ist nur ein Hype.«                kritische Verbraucher geben, denen statusorientierte Marken völlig         Brand Victim liebt seine Marke, ob Handelsmarke samt Eigenmarke             Einkaufen wird durch emotionale Shop-Gestaltung als Erlebnis insze-
                                                                                                                                                                               oder Markenartikel. Einkauf ist für diese Kunden nicht Bedarfs              niert und erzeugt dadurch eine Bindung des Kunden. Erlebnisarchitek-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                schub, die Welt wieder aktiv zu gestalten. Mit 520 Menschen leben                  Quadratmetern mehr Verkaufsfläche gibt es nun 70 Extraquadratme-
                                                                                                                                                                               deckung, sondere elementarer Teil der Freizeitgestaltung.                   tur und ganzheitliche Raumkonzepte schaffen außergewöhnliche Ein-                                                                                                                                                                                                    heute mehr in Otersen als vor dem Abschwung. Bei den Neubürgern                    ter Café. Hier strickt der Knüddelclub, schnuddeln die Dorfältesten
                                                                                                                                                                                                                                                           kaufserlebnisse, die in jedem Augenblick die Seele der Marke leben-
                                                                                                                                                                               Daraus ergibt sich für den Handel die zentrale Kundenbotschaft: Hier        dig und mit allen Sinnen erfahrbar werden zu lassen. Händler stellen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                nachgefragt, stellten die Einheimischen verblüfft fest, dass Bauland zu            und freitags gibt’s Suppe. Klappt alles wie geplant, wird künftig täg-
                                                                                                                                                                               könnt ihr was erleben! Das Marketing zielt darauf ab, das Marken-           ihre Kompetenz unter Beweis, indem sie alle Details so orchestrieren,                                                                                                                                                                                                Schnäppchenpreisen von 35 Euro pro Quadratmeter gar nicht der An-                  lich ein Mittagsgericht serviert.
                                                                                                                                                                               Image zu stärken. Hier gilt: klotzen statt kleckern. Genauso wichtig ist    dass sie als sinnliche Wahrnehmung im Unterbewusstsein der Genuss-
                                                                                                                                                                               es, ein einmaliges Einkaufserlebnis zu schaffen und sich damit vom          käufer positiv geladene Stimmungen erzeugen.                                                                                                                                                                                                                         siedlungsgrund Nummer eins war. Entscheidender waren der örtliche
                                                                                                                                                                               Wettbewerb zu differenzieren.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Kindergarten und – der Laden. Der ist gewissermaßen Akupunktur fürs                All dies ist Dienst am Kunden, bahnt aber auch den Weg zum Extrage-
                                                                                                                                                                                                                                                           So vielfältig die Wege zum Kunden sind, eins haben sie gemeinsam:
                                                                                                                                                                               Genau wie der neue Department Store von Breuninger in Düsseldorf.           Kommunikation kann nur vom Kunden ausgehen und konsequent vom                                                                                                                                                                                                        Dorf. Mit einem gezielten Stich hält er die Gemeinschaftsenergie in                schäft. Der Einzugsradius des Dorfladens ist mit 520 Oterser, 190 Witt-
                                                                                                                                                                               Auf fünf Etagen bietet er ein Einkaufserlebnis der Extraklasse. Breunin-    Kunden gedacht werden, wenn sie erfolgreich sein will. Statt wie bis-                                                                                                                                                                                                Fluss – Alte müssen nicht abwandern, Junge wollen bleiben und Neue                 lohern und 900 Gelegenheitskäufern aus den Nachbargemeinden
                                                                                                                                                                               ger inszeniert im Kö-Bogen seine Markenwelt in hochwertigen Flag-           her den richtigen Kommunikationsmix für die Marke zu suchen, müs-
                                                                                                                                                                               ship-Stores und gastronomischen Angeboten. Wer sein Shoppingerleb-          sen künftig die Lebenswelten und Konsumverfassungen der Kunden                                                                                                                                                                                                       ziehen zu. Betrieben wird der Laden wohlgemerkt nicht von Profis,                  überschaubar klein. Der Deckungsgrad des Lebensmittelsbedarfs zählt
                                                                                                                                                                               nis lieber in privater Atmosphäre mit persönlicher Beratung genießt,        berücksichtigt werden.                                                                                                                                                                                                                                               sondern von Bürgern, die sich, getrieben von Wunsch nach Lebensqua-                mit 35 % schon zu den hohen. Was aber, wenn die jährlich 6000 Rad-
                                                                                                                                                                               kann den speziellen »Personal Shopping Service« des Hauses in An-
                                                                                                                                                                               spruch nehmen. Oder Bikini Berlin: Das etwas andere Shopping Center                                                                                                                                                                                                                                                                              lität, ermächtigen. Doch die Gesetze des Handels sind erbarmungslos                wanderer lokale Köstlichkeiten zu schätzen lernen? Oder sich vorbei-
                                                                                                                                                                               in der Nachbarschaft des Berliner Zoos, das mit seiner eindrucksvollen                             Ein Gastbeitrag von                                                                                                                                                                                                                           und überall gleich: Nur wer am Ball bleibt, bleibt für Kunden attraktiv.           fahrende Autos zum Snack-Shop-Stop hinreißen ließen?
                                                                                                                                                                               Dachlandschaft und seinen Freizeit- und Erlebniswelten Menschen posi-                              Marco Atzberger,
                                                                                                                                                                               tiv überraschen will und nachhaltig zufrieden machen möchte. Der Le-                               Mitglied der Geschäftsleitung,                                                                                                                                                                                                                2010 stand die Modernisierung an. »Vor 13 Jahren hat sich noch kein
                                                                                                                                                                               bensmittelhandel hat ebenfalls beachtliche Beispiele zu bieten: Der                                EHI Retail Institute
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Dorfladen mit Kaffeeecke gegründet, heute gehört sie mit dazu«, be-                Wer allerdings in romantischer Verklärung eine emsige Emma in der
                                                                                                                                                                               Edekaner Niemerzein steht für die Liebe zum Detail: ein historischer
                                                                                                                                                                               Kaufmannsladen aus der Sammlung des Circus-Roncalli-Gründers Bern-                                                                                                                          Dorfladen Otersen mit Aller Café                                                                                                                     schreibt Lühning den bundesweit zu beobachtenden Konzeptwandel.                    Tenne erwartet, der wird sich wundern. »Emmas Enkel« sind spürbar
                                                                                                                                                                               hard Paul sorgt für das besondere Ambiente im Store: Shoppen wie zu
                                                                                                                                                                               Tante Emmas Zeiten. Oder Eataly: Der international agierende italieni-
                                                                                                                                                                               sche Feinkost Händler zelebriert in dem ehemaligen Terminal des Bahn-                                                                                                                          GCM 2 / 2014                                                                                                                                                                                                                                                                                  GCM 2 / 2014   
                              GCM 2 / 2014                                                                                                                                                                                                                                                                          GCM 2 / 2014   

                          4 Kauftypen 2025                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             8 Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil

                                                 german council                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       insight
                          01 Vorwort                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   36 GCSC stellt sich vor
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       38 Termine 2014

                                                 titelthema in motion
                           04                    Kauftypen 2025                                                                                                                                                                                                                                                                                                        		             vor ort
                           06                    Frisch vom Sofa muss warten                                                                                                                                                                                                                                                                                            42            Fließende Grenzen
                           08                    Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil                                                                                                                                                                                                                                                                                 48            Gesammeltes Wissen
                           14                    Unternehmer ändern sich, Manager                                                                                                                                                                                                                                                                                       50            »Aus Frequenz Umsatz machen«
                          		                     machen weiter, wie gewohnt                                                                                                                                                                                                                                                                                             54            Regional Dinner im Faber-Castell’schen Schloss
                           22                    Anfangen, wo andere aufhören – 2. Teil                                                                                                                                                                                                                                                                                 56            Moving Tea 2014
                           25                    Wettbewerbsverzerrung durch Online-
                          		                     Handel
                           26                    Den Online-Shop immer im Hinterkopf                                                                                                                                                                                                                                                                                                  foren
                           30                    Vom Online-Handel lernen                                                                                                                                                                                                                                                                                              58 Wie ein Shopping Center eine Geschichte erzählt
                           34                    Kommentar: Von der Seitenlinie

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herausgeber               redaktion                                                                                                                                            bezug                                                                                                                                                                                   verlag                                                                                                       übernommen werden.                                                                                                 erscheinungsdatum
German Council of         Ingmar Behrens                                                                                                                                       Mitgliederzeitschrift für                                                                                                                                                               Verlag Müller + Busmann                                                                                      Na­ment­lich gekennzeichnete                                                                                       dieser ausgabe:
Shopping Centers e. V.    Prof. Dr. Johannes Busmann                                                                                                                           Mitglieder des GCSC e. V.                                                                                                                                                               GmbH & Co. KG                                                                                                Bei­träge müssen nicht die                                                                                         Mai 2014
Bahnhofstraße 29          Stephan Jung (viSdP)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Hofaue 63                                                                                                    Meinung der Redaktion
D-71638 Ludwigsburg       Rüdiger Pleus                                                                                                                                        auflage                                                                                                                                                                                 42103 Wuppertal                                                                                              widerspiegeln. Die Redaktion                                                                                       das das nchste german
Telefon 07141.38 80 83    Markus Trojansky                                                                                                                                     13.000                                                                                                                                                                                  Telefon 0202.248 36 0                                                                                        behält sich die Kürzung                                                                                            council magazin
Telefax 07141.38 80 84    Klaus Striebich                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Telefax 0202.248 36 10                                                                                       eingesandter Ma­nus­kripte vor.                                                                                    erscheint im juli 2014.
office@gcsc.de                                                                                                                                                                 bankverbindung                                                                                                                                                                          mb@mueller-busmann.com                                                                                       Er­füll­ungs­ort und
www.gcsc.de               geschftsstelle                                                                                                                                      Deutsche Bank AG,                                                                                                                                                                                                                                                                                    Ge­richts­stand ist Ludwigsburg.
                          des gcsc e. v.                                                                                                                                       Ludwigsburg                                                                                                                                                                             druck                                                                                                        Nach­­druck oder sonstige
verantwortlich i.s.d.p.   Bahnhofstraße 29                                                                                                                                     BLZ 604 700 24                                                                                                                                                                          Silber Druck oHG, Niestetal                                                                                  Repro­duktion (auch
Stephan Jung              D-71638 Ludwigsburg                                                                                                                                  Konto 149 807                                                                                                                                                                                                                                                                                        auszugsweise) nur mit
                          Telefon 07141.38 80 83                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Das German Council Magazin                                                                                   Geneh­mi­gung des
                          Telefax 07141.38 80 84                                                                                                                               Covermotiv                                                                                                                                                                              ba­siert auf In­for­mationen, die                                                                            Heraus­gebers.
                          office@gcsc.de                                                                                                                                       P. Behrens                                                                                                                                                                              wir als zuverlässig ansehen,
                          www.gcsc.de                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  eine Haftung kann nicht

   GCM 2 / 2014
MAGAZIN 02 - GCSC.MAGAZIN
german council . inhalt

                       GERMAN COUNCIL . IN MOtION                                                                                                                                                                                                                                                                               GERMAN COUNCIL . IN MOtION

                       Unternehmer ändern sich,
                       Manager machen weiter, wie gewohnt
                       Ein Gespräch mit dem Handelsweisen und dm-Drogeriemarktvorstand Prof. Götz
                       Werner über die Wichtigkeit von Bewusstsein, Sinnstiftung und Rhythmusgefühl.

                       Ein Treffen im April mit Prof. Götz W. Werner im Althoff Hotel am             IB War dm damals Vorreiter?
                       Schlossgarten Stuttgart. Gut gelaunt kommt der dm-Gründer und Visi-           Wo gibt es Vorreiter? »Alles Gescheite ist schon gedacht worden«, so
                       onär per pedes. In gelöster Stimmung genießen die Interviewer die zwei        hat es Goethe gesagt. Der Drogeriemarkt von heute war damals die
                       Stunden im Hotelfoyer, in denen Prof. Werner ihren gewohnten Blick            discountierende Drogerie: attraktiveres Sortiment, absolute Selbst-
                       auf den Handel aus den Angeln hebt. Ein Handelsweiser über die Wich-          bedienung – oder besser, die Einbeziehung des Kunden in den Ar-
                       tigkeit von Bewusstsein, Kulturverständnis und Rhythmusgefühl.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    GERMAN COUNCIL . vOR ORt                                                                                                                                                                                                                                                                               GERMAN COUNCIL . vOR ORt
                                                                                                     beitsablauf – und entsprechend günstigere Preise. Vorbilder gab es
                                                                                                     bereits in der Lebensmittelbranche – Aldi oder Migros in der Schweiz.
                                                                                                     Die Idee lag damals in der Luft, da der Wegfall der Preisbindung dis-
                       RW Herr Prof. Werner, 1973 setzten Sie sich mit den dm-Drogerie-
                       märkten in Gang – und machten so ziemlich alles anders als die alt-
                                                                                                     kutiert und schließlich beschlossen wurde.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Fließende Grenzen
                       eingesessene Drogistenfamilie, aus der Sie stammen ...                         IB Die erste dm-Filiale eröffneten Sie in einer Karlsruher Lauflage; erin-                                                                                                                                                                                                                                    Die »EuroShop 2014« in Düsseldorf
                       Mein Vater war ein sehr kundenorientierter Mensch, musste aber sein nern Sie sich noch an Ihre erste Eröffnung in einem Shopping Center?
                       Geschäft verkaufen. Er hatte zwei Slogans. Der erste hieß »Drogerie Wer- Das war noch vor dm-Zeiten, im Hessen Center, einem der frühen ECE-
                       ner – vielseitig, höflich, preiswert«. Damit ist er gewachsen. Er hatte für Center. Ich arbeitete damals für eine Drogerie als Prokurist. Die Firma

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      © Messe Düsseldorf, Tillmann

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        © Messe Düsseldorf, Tillmann
                       die 50er- und 60er Jahre verhältnismäßig hohe Einnahmen mit seinen zu- schrieb Verluste. Ihr Geschäftsmodell war nicht produktiv genug für die
                       letzt etwa 20 Läden und rund 200 Mitarbeitern. Der zweite Slogan lautete Kosten, die im Center auf sie zukamen. Die damaligen Drogerien waren

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               © Detlef Göckeritz
                       »Drogerie Werner führt alles oder be-                                                                             meist kleine Läden mit wenig Umsatz
                       sorgt es schnell«. Das war der Sargna-                                                                            und hohem Aufwand. Oft wurden sie                                                                                                                                                                                                                                          Das rasante Wachstum des Online-Handels betrachten viele klassische
                                                                  ›Sollen Kunden auf uns fliegen, müssen wir
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ausgerichtete Mes-
                       gel für seinen Betrieb. In Heidelberg                                                                             in einer eigenen Immobilie geführt                                                                                                                                                                                                                                         Einzelhändler als Bedrohung. Zugleich kann das Geschäft im Netz für sie   se war die größte »EuroShop« seit dem Gründungsjahr 1966. Doch                                         Oculus Rift                                                             Tablet im Einsatz im Laden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    aber enorme Chancen bergen. Wird künftig nur bestehen, wer den Kun-       allen Get-togethers und Cocktail-Partys zum Trotz war es auch das
                       gab es viele Gastprofessoren oder
                       ausländische Studierende, die sich
                                                                             einen Sog erzeugen‹                                         und die Mieten waren gewisserma-
                                                                                                                                         ßen subventioniert. Also warnte ich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    den auf möglichst vielen verschiedenen Kanälen anspricht? Eine Suche
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    nach Antworten auf der Fachmesse »EuroShop 2014« in Düsseldorf.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Treffen einer Branche, die Ähnliches erlebt wie der Foto-Händler aus
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Krefeld.

                       ihre Drogeriewaren in die ganze Welt                                Prof. Götz Werner                             die Geschäftsleitung: »Geht das so                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   »Die globale Handelsbranche steht derzeit vor den größten Heraus-
                       nachschicken ließen und manchmal                                                                                  weiter, sind wir bald pleite.« Das hö-                         RW Shopping Centern haftet das Stigma der perfekt organisierten          müsste mal wieder etwas Neues zum Anziehen kaufen. So kann ich ei-                                                                 Eines Tages war der Moment gekommen, an dem Wolfgang und                  forderungen seit Jahrzehnten«, sagte Michael Gerling, der Geschäfts-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Dagmar Lennertz die Schnauze voll hatten. Sie klebten einen Zettel        führer des EHI Retail Institute bei der Eröffnungspressekonferenz.
                       die Rechnung nicht beglichen. Mein Vater war dennoch davon begeistert, ren erfahrene Unternehmer ungern von jungen Angestellten. Als ich ih-                                     Verkaufsmaschine an, wie ...                                             gentlich nicht schon wieder kommen«. Der Slogan war ein Vorschlag                                                                  ins Schaufenster ihres Krefelder Fotogeschäfts: »Wir sind es satt!«,      Besonders der Online-Handel sei es, der für eine Veränderung in der
                       jeden Wunsch zu erfüllen. Hätte ich die elterliche Drogerie übernom- nen dann erklärte, wie man es ändern kann, hörten sie es noch weniger                                       Nein, wie kommen Sie darauf? Es gibt eine gewisse Überhöhung des         der Agentur, ist aber an ein Goethezitat angelehnt. Viele im Unterneh-                                                             haben sie darauf in fetten roten Lettern geschrieben – und in einem       Branche sorge, die es in Deutschland in dieser Dimension seit der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    kurzen Text haben sie erklärt, warum sie nach einem Vierteljahrhun-       Einführung der Selbstbedienung 1938 nicht mehr gegeben habe.
                       men, wäre es mir viel schwerer gefallen und dm wäre vermutlich nie das gern. Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbstständig zu ma-                                    Konsums und eine Verdichtung – die man nicht übertreiben darf. Bei       men sagten dazu: »Oh Gott, was für ein Quatsch!« und ich sagte: »Ge-                                                               dert ihren Laden dichtmachen. Es war ihr Unmut über Kunden, die
                       Unternehmen geworden, was es heute ist. Dass ich selbst bei null anfan- chen. Damals war ich 28 Jahre. Mit meinem ersten Ladenlokal in Karlsru-                                  dem Immer-mehr-und-immer-mehr muss man sich fragen, ob der               nau das ist es«. Es war ein Evidenzerlebnis! Das ist der Sog, den wir                                                              eine gute Beratung nicht mehr würdigen. Ihre Verärgerung über             Ja, Online boomt: Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Händler erwirt-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Kunden, die im Laden nur gucken und später im Internet kaufen. Mit        schaften im Netz Milliarden-Umsätze und sie erzielen Wachstumsra-
                       gen konnte, war eine biografisch günstige Situation. Die Drogerien von he hatte ich Glück. Es war zentral und preiswert dazu. Nein, billig muss                                  Kunde in manchen Momenten nicht überfordert ist.                         brauchen, dieses: Hier kann ich mich einbringen und ausdrücken.                                                                    der Protestaktion hat das Ehepaar scheinbar einen Nerv getroffen:         ten, von denen der stationäre Einzelhandel nur träumen kann. »Das

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        © Microsoft, 2014
                       damals waren ein Auslaufmodell.                                                man sagen – denn preiswert kann auch teuer sein (lacht).                                                                                                                                                                                                                                                      Der Wut-Zettel verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Net-       Wachstum wird zurzeit vor allem durch reine Online-Händler und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    zen, bundesweit wurde über die Krefelder Fachhändler berichtet.           klassische Versandhändler getrieben, aber auch die Unternehmen
                                                                                                                                                                                                        RW Ist das der Grund, warum Ihre Läden entschleunigen? Eigentlich        IB Ist das ein Mix aus Bauchgefühl und Beobachtung, wie sich Markt                                                                                                                                           mit Ursprung im stationären Handel machen Fortschritte im Online-
                                                                                                                                                                                                        bauen Sie ja die Lichtung im Einkaufswalde.                              und Menschen verändern?                                                                                                            Knapp 20 Kilometer sind es von »Wolfgangs Digital- und Fotoser-           Geschäft«, sagte EHI-Geschäftsführer Gerling.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    vice« in Krefeld bis zur Messe Düsseldorf. Mitte Februar fand dort die                                                                                                           mymuesli, Muenchen                                                      Microsoft Store, Berlin
                                                                                                                                                                                                        Ja, vielleicht ist das ein Punkt des Erfolgs. Man kommt am besten zu     Es braucht beides und dann zieht man ein unternehmerisches Fazit.                                                                  »EuroShop« statt: 109.000 Besucher, 2.200 Aussteller aus 57 Län-          Der stationäre Handel darf die Augen vor der Netz-Konkurrenz nicht
                                                                                                                                                                                                        einer Erfolgsformel, wenn man weiß, was man kann und die Bedürf-         Ein Unternehmer denkt stets: »Wir sind zwar erfolgreich, aber so                                                                   dern, 115.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Die alle drei Jahre        verschließen. »Die Händler sollten alles tun, um durch eigene On-

                                                                                                                                                                                                        nisse seiner Kunden im Auge hat. Seit meinem Einstieg hat sich im        geht es nicht weiter.« Er lässt die Dinge nicht so, wie sie sind. Das un-                                                                                                                                                                                                                                           line-Shops zumindest einen Teil der Umsätze im eigenen Unterneh-        2009, heute gibt es bereits ein gutes Dutzend Verkaufsgeschäfte. Aus
                                                                                                                                                                                                        Handel dramatisch viel verändert – die Gesetzmäßigkeiten waren           terscheidet ihn vom Manager, der sagt: »Das haben wir prima ge-                                                                                                                                                                                                                                                     men zu halten«, sagt Prof. Dr. Gerrit Heinemann von der Hochschule      dem Unternehmen heißt es, das Netz-Geschäft habe durch die selbst
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Niederrhein (siehe Interview).                                          gemachte stationäre Konkurrenz »keinen signifikanten Kannibalisie-
                                                                                                                                                                                                        früher völlig andere. Mit der Zeit sind Unternehmen und ganze Be-        macht, das machen wir jetzt immer so.«                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      rungs-Effekt« erfahren. Im Gegenteil: Umsätze und Kundenbestand
                                                                                                                                                                                                        triebsformen verschwunden. »Kaufhof bietet tausendfach alles unter                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Das Netz muss demnach auch als eine Chance wahrgenommen wer-            seien an manchen Standorten sogar gestiegen, seit es den mymuesli-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     den: »Das Internet ist das, was Sie draus machen«, sagte GCSC-Vor-      Laden in der Fußgängerzone gibt.
                                                                                                                                                                                                        einem Dach« – das war früher eine Erfolgsformel. Heute würde Kauf-       RW »Man kann nicht so weitermachen, wie man zum Erfolg gekom-                                                                                                                                                                                                                                                       standschef Stephan Jung während eines Vortrags beim »EuroShop
                                                                                                                                                                                                        hof das nicht mehr behaupten wollen. Rückblickend sind wir damals        men ist«, kommentierten Sie 2012 die Schleckerpleite. Wie haben Sie                                                                                                                                                                                                                                                 Forum« in Düsseldorf. Jung sprach über das Thema »Innovationspo-        Service, Beratung und persönlicher Kontakt zum Kunden sind we-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     tenziale und Chancen im Handel«. Er unterstrich die vielfältigen        sentliche Unterscheidungsmerkmale zum reinen Online-Kauf. Selbst
                                                                                                                                                                                                        auch archaisch aufgetreten, fanden es aber hochmodern, mit »Große        dm über die Zeit verändert?                                                                                                                                                                                                                                                                                         Möglichkeiten, die das Internet bietet, und wies zugleich darauf hin,   Unternehmen, von denen man lange dachte, dass sie auf Ladenloka-
                                                                                                                                                                                                        Marken, kleine Preise« zu werben. Vor 20 Jahren wechselten wir           Sie dürfen Ihr Geschäft immer nur so weit verändern, dass der Kunde                                                                                                                                                                                                                                                 dass auch der stationäre Handel Stärken habe, auf die er setzen müs-    le verzichten können, weil sie ihr Geld mit Bits und Bytes verdienen,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     se. Warum sonst ließe sich derzeit beobachten, dass Unternehmen,        treten in der Offline-Welt an die Kunden heran. Microsoft hat sich an
                                                                                                                                                                                                        dann zu »Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein«.                        die Verbindung nicht verliert. Sonst ergeht es Ihnen wie einem mei-                                                                                                                                                                                                                                                 die einst als Internet-Start-up begonnen haben, jetzt dazu überge-      der renommierten Adresse »Unter den Linden« in Berlin niedergelas-
  © Detlef Göckeritz

                                                                                                                                                                                   © Detlef Göckeritz

                                                                                                                                                                                                                                                                                 ner Neffen. Er war früher fast kugelrund und nahm mit 20 so richtig                                                                                                                                                                                                                                                 hen, Ladenlokale anzumieten?                                            sen, der Suchmaschinen-Riese Google hat im vergangenen Septem-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             ber ein Shop-in-Shop-Konzept an der Hamburger Mönckebergstraße
                                                                                                                                                                                                        IB Was gab den Anlass, umzuschwenken?                                    ab. Als er stolz in die Kneipe kam, haben ihn selbst seine Freunde

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     © Messe Düsseldorf, Tillmann
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Ein Beispiel ist das Unternehmen »mymuesli«, das in diesem Jahr         realisiert. Und die kalifornische Computer-Schmiede Apple macht
                                                                                                                                                                                                        Es war eine konstruktive Unzufriedenheit mit dem alten Slogan (lacht).   nicht mehr erkannt. So etwas kann einem mit dem »Outfit« eines                                                                                                                                                                                                                                                      auf dem Neujahrsempfang des GCSC in Frankfurt mit dem Innovati-         vor, wie das Store-Erlebnis sogar zum Massen-Event werden kann:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     onspreis in der Kategorie Handel ausgezeichnet wurde. mymuesli          Bei jeder Neueröffnung campieren die Fans vor dem Laden. So war es
                                                                                                                                                                                                        Manchmal schauen Sie in den Spiegel und sagen sich: »Verdammt, ich       Handelsunternehmens auch passieren.                                                                                                                                                                                                                                                                                 begann 2007 als reiner Online-Shop. Die »Firmenzentrale« war zu         auch beim Apple-Start im neuen Düsseldorfer Kö-Bogen zu beobach-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Anfang noch eine Studenten-WG in Passau. Heute verschickt das Un-       ten: Der 16-jährige Schüler Maksym Trilenkko harrte trotz Kälte und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     ternehmen sein Müsli europaweit – und hat den Schritt aus der vir-      Nieselregen fast 18 Stunden vor dem Store aus. Mit ihm warteten am
                          GCM 2 / 2014                                                                                                                                                                                                                                                                                                   GCM 2 / 2014                                                                                                                                                                                                                                            tuellen in die reale Einkaufswelt gewagt. Der erste Laden öffnete       Ende Hunderte auf den Startschuss. Kaufen wollte er eigentlich gar

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       GCM 2 / 2014                                                                                                                                                                                                                                                                                               GCM 2 / 2014   

14 Unternehmer ändern sich, Manager machen weiter, wie gewohnt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      42 Fließende Grenzen

                                       innenstadt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                marktplatz – advertorial
 62 Entwicklungsdynamik der Leipziger Innenstadt und                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    78 Agentur Randolph Hopp
		 Integration der Höfe am Brühl                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        79 Agentur Fashion Time International GmbH
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        80 PayLife Bank GmbH

                                       recht und gesetz
 66 Großflächiger Einzelhandel und Atypik                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        gcsc mitglieder
		 (§ 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          82 Mitgliederverzeichnis
 68 Promotionaktionen im Shopping Center                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                86 Neue Mitglieder im GCSC
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        87 Aufnahmeantrag

                                       center
 70 Center Eröffnungen Deutschland 2014 – 2018
 74 Center Umstrukturierungen Deutschland

                                       international
 76 Netzwerk Europa

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                GCM 2 / 2014   
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Kauftypen 2025
Wie werden wir morgen shoppen?

Wie stark das allgegenwärtige Internet unseren Alltag verändert, erle-   Im Gegensatz zu Trends und Prognosen prophezeien Szenarien nicht
ben wir täglich am eigenen Leib: Schnell prüfen wir auf dem Smart-       die eine – richtige – Zukunft. Das EHI hat sich deshalb für diese Metho-
phone, ob der Zug pünktlich ist, scannen den QR-Code auf der Rot-        de entschieden, weil sie alternativ denkbare Situationen in der Zukunft
wein-Flasche, um mehr über den Winzer zu erfahren und rufen Gut-         beschreibt, die auf einem Netzwerk der wichtigsten Schlüsselfaktoren
scheine für den Einkauf ab. Längst bewegen wir uns zwischen den          beruhen. Die Werthaltung der Konsumenten gehört genauso dazu wie
Welten: online wie offline. Unser Kommunikations- und Shopping-All-      die Mediennutzung, das Einkaufsverhalten und die Markentreue.
tag wird ins Netz verlagert und das Netz in unseren Alltag integriert.
                                                                         Szenarien sind keine Strategie, sondern das Ergebnis einer Teamleis-
                                                                         tung. Das EHI hat gemeinsam mit führenden Marketingexperten aus
Wie also werden wir morgen shoppen? Was wollen die Menschen in           Handel, Medien und Dienstleistern Zukunftsbilder entwickelt, die die
Zukunft? Was sind ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse? Wie muss Kommu-        Lebenswelten der Konsumenten von morgen lebendig werden lassen
nikation beschaffen sein, damit sie im Markt erfolgreich ist? Wie        und daraus die Konsequenzen für die Kommunikation des Handels bis
spricht der Handel die Sinne des Menschen an, wie wird die Lust zum      zum Jahr 2025 abgeleitet.
Kauf geweckt? Kommt der Kunde auch künftig noch ans Regal oder
wird die rasante Entwicklung des Online-Shoppings das Ende des sta-      2025 klingt nach den unendlichen Weiten des Cyberspace, in dem der
tionären Handels bedeuten?                                               stationäre Handel maximal noch im Museum auftaucht. Doch das Jahr
                                                                         2025 liegt gerade mal elf Jahre voraus. Und obwohl wir uns alle einig
Trends, Prognosen und Expertenmeinungen zur Zukunft gibt es wie          sind, dass die Digitalisierung den Alltag der Menschen drastisch ver-
Sand am Meer. Dass solche Vorhersagen im Allgemeinen jedoch we-          ändern wird, zeigen die acht alternativen Szenarien, dass es nicht nur
nig verlässlich sind, zeigen die Irrtümer berühmter Experten. So be-     den einen – richtigen – Weg zum Kunden von morgen gibt. So wird es
hauptete Bill Gates 1995 »Das Internet ist nur ein Hype.«                kritische Verbraucher geben, denen statusorientierte Marken völlig

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                                                                                                                                                         © brickrena / Thinkstock.com
egal sind. Für sie zählt nur das Preis-Leistungs-Verhältnis. Andere – die   hofs Roma Ostiense mit 23 Restaurants und Cafes, einer Kafferösterei
Wertorientierten – werden neue Geschäftsmodelle verlangen, weil sie         und einer Brauerei seine Leidenschaft für Lebensmittel und Genuss.
ihre Produkte lieber mieten statt kaufen wollen. Wieder andere, die
Cyberflaneure, absolvieren einen großen Teil ihrer Shopper-Journey in       Für die emotionale Bindung des Kunden ist die eigene Verkaufsstelle
den digitalen Welten, bevor sie den Laden betreten und sich von digi-       der ideale Ort. Der Einsatz »cooler«, dem Zeitgeist entsprechender
talen Informationssystemen beraten lassen.                                  Technologien am Regal ergänzt die Inszenierung auf der Fläche und
                                                                            hilft, Produkte auf eine neue Art spannend zu inszenieren und sie be-
Der Genusskäufer wiederum liebt seine Marke und die theatralische           gehrenswert und kaufenswert zu machen. Bei Burberry in London wer-
Inszenierung auf der Fläche. Kampfpreise lassen die Kunden im Szena-        den Spiegel auf der Fläche zum Verkaufs- und Unterhaltungsscreen,
rio: »Küss mich, berühr mich, verführ mich« absolut kalt. Wofür sie         die dem Kunden Empfehlungen à la »das passt dazu« oder »Kunden
sich jedoch erwärmen, sind die Erlebniswelten beim Einkauf, vor al-         kauften auch« anbieten oder auch die neuesten Making-of Videos akti-
lem im Store, aber auch im Internet. Das sinnliche Erleben der Produk-      vieren, sobald sich der Kunde mit dem getaggte Produkt nähert.
te, das Fühlen, Riechen, Ausprobieren, steht im Mittelpunkt. Das
Brand Victim liebt seine Marke, ob Handelsmarke samt Eigenmarke             Einkaufen wird durch emotionale Shop-Gestaltung als Erlebnis insze-
oder Markenartikel. Einkauf ist für diese Kunden nicht Bedarfs              niert und erzeugt dadurch eine Bindung des Kunden. Erlebnisarchitek-
deckung, sondere elementarer Teil der Freizeitgestaltung.                   tur und ganzheitliche Raumkonzepte schaffen außergewöhnliche Ein-
                                                                            kaufserlebnisse, die in jedem Augenblick die Seele der Marke leben-
Daraus ergibt sich für den Handel die zentrale Kundenbotschaft: Hier        dig und mit allen Sinnen erfahrbar werden zu lassen. Händler stellen
könnt ihr was erleben! Das Marketing zielt darauf ab, das Marken-           ihre Kompetenz unter Beweis, indem sie alle Details so orchestrieren,
Image zu stärken. Hier gilt: klotzen statt kleckern. Genauso wichtig ist    dass sie als sinnliche Wahrnehmung im Unterbewusstsein der Genuss-
es, ein einmaliges Einkaufserlebnis zu schaffen und sich damit vom          käufer positiv geladene Stimmungen erzeugen.
Wettbewerb zu differenzieren.
                                                                            So vielfältig die Wege zum Kunden sind, eins haben sie gemeinsam:
Genau wie der neue Department Store von Breuninger in Düsseldorf.           Kommunikation kann nur vom Kunden ausgehen und konsequent vom
Auf fünf Etagen bietet er ein Einkaufserlebnis der Extraklasse. Breunin-    Kunden gedacht werden, wenn sie erfolgreich sein will. Statt wie bis-
ger inszeniert im Kö-Bogen seine Markenwelt in hochwertigen Flag-           her den richtigen Kommunikationsmix für die Marke zu suchen, müs-
ship-Stores und gastronomischen Angeboten. Wer sein Shoppingerleb-          sen künftig die Lebenswelten und Konsumverfassungen der Kunden
nis lieber in privater Atmosphäre mit persönlicher Beratung genießt,        berücksichtigt werden.
kann den speziellen »Personal Shopping Service« des Hauses in An-
spruch nehmen. Oder Bikini Berlin: Das etwas andere Shopping Center
in der Nachbarschaft des Berliner Zoos, das mit seiner eindrucksvollen                             Ein Gastbeitrag von
Dachlandschaft und seinen Freizeit- und Erlebniswelten Menschen posi-                              Marco Atzberger,
tiv überraschen will und nachhaltig zufrieden machen möchte. Der Le-                               Mitglied der Geschäftsleitung,
bensmittelhandel hat ebenfalls beachtliche Beispiele zu bieten: Der                                EHI Retail Institute
Edekaner Niemerzein steht für die Liebe zum Detail: ein historischer
Kaufmannsladen aus der Sammlung des Circus-Roncalli-Gründers Bern-
hard Paul sorgt für das besondere Ambiente im Store: Shoppen wie zu
Tante Emmas Zeiten. Oder Eataly: Der international agierende italieni-
sche Feinkost Händler zelebriert in dem ehemaligen Terminal des Bahn-

                                                                                                                                      GCM 2 / 2014   
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                   Frisch vom Sofa muss warten
                   Warum der Online-Handel mit Lebensmitteln nur langsam vorankommt und was
                   sich ändern muss, damit es besser läuft

                   Zwei Sätze, gesprochen vom Rewe-Chef Alain Caparros, bringen das          gibt es sonst nirgends in Europa. Das könnte den Ladenbetreibern hel-
                   ganze Dilemma, in dem die Lebensmittelverkäufer in Deutschland ste-       fen, der Konkurrenz aus dem Netz zu trotzen. Aber sicher ist das nicht.
                   cken, auf den Punkt: »Wir steigen in einen Zug, wissen nicht, wie         Und untätig dasitzen und darauf vertrauen, dass die Kunden ihnen
                   schnell er fährt und ob wir Geld verdienen können. Wir wissen nur, dass   hoffentlich die Treue halten werden, will auch niemand. Zu tief sitzt
                   wir dabei sein müssen.« Gemeint ist der Online-Handel mit Milch,          der Schock, den zuvor schon Amazon, der weltgrößte Online-Händler,
                   Fleisch, Salat und all den anderen Waren, die die Deutschen heute noch    und Zalando, der Mode-Verkäufer aus dem Netz, anderen stationären
                   bevorzugt bei Discountern, Supermärkten oder SB-Warenhäusern kau-         Ketten bereitet haben. Die hatten die neuen Wettbewerber zunächst
                   fen. Vom Umsatz in Höhe von 175 Milliarden Euro, den Edeka, Aldi,         nicht ernst genommen – und dafür später teuer bezahlt. Der Buchver-
                   Real und andere Food-Anbieter im vergangenen Jahr erwirtschafteten,       käufer Thalia beispielsweise weiß heute nicht, wie er die großzügigen
                   entfielen mehr als 99 Prozent auf das stationäre Geschäft. Online-Be-     Flächen in seinen Läden füllen soll – Flächen, die er noch vor drei Jah-
                   stellungen machten allenfalls 0,2 oder 0,3 Prozent aus.                   ren für unverzichtbar hielt. Auch Schuhhändler wie Deichmann, Reno
                                                                                             oder Görtz hatten sich lange Zeit sicher gefüllt vor den Konkurrenten
                                                                                             aus dem Internet. Denn Schuhe, da waren sie sicher, wollen die Kun-
                   Verglichen mit anderen Warengruppen ist das minimal. Zumal auch           den befühlen, anprobieren und ein paar Schritte in ihnen laufen. Bis
                   noch ein Großteil der Erlöse aus dem Verkauf von Delikatessen und         Zalando kam und den etablierten Verkäufern zeigte, dass dies nicht
                   Spirituosen resultierte und weniger aus Gütern des täglichen Bedarfs.     zwingend im Laden passieren muss, sondern ebenso gut bei den Kun-
                   Bei Unterhaltungselektronik, Büchern und Spielwaren dagegen wird          den zu Hause – vorausgesetzt, sie haben die Möglichkeit, die Ware bei
                   in Deutschland bereits jeder vierte Euro im Netz umgesetzt. »Der Le-      Nichtgefallen ohne großen Aufwand und kostenfrei zurückzuschicken.
                   bensmittelhandel scheint eine letzte Bastion des stationären Handels
                   zu sein«, meint Thomas Harms, Handelsexperte bei der Beratungs-           So soll es den Lebensmittelhändlern nicht gehen. Deshalb testet und
                   und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.                        experimentiert die Branche, was das Zeug hält. Jeder sucht die beste
                                                                                             Lösung. Aber im Grunde geht es allen wie Rewe-Chef Caparros: Sie
                   Die Frage ist: Wird diese Bastion fallen? Und werden damit vielen Le-     wissen, dass sich der Markt verändert, aber sie wissen nicht, in welche
                   bensmittelgeschäften die Kunden abhanden kommen? Branchenken-             Richtung. Es steht viel auf dem Spiel. Die Experten von Ernst & Young
                   ner schätzen, dass jeder Bundesbürger innerhalb von nur sieben Mi-        prognostizieren eine »regelrechte Explosion der digital beeinflussten
                   nuten einen Laden erreichen kann. Ein so dichtes Verkaufsstellennetz      Lebensmitteleinkäufe«. Schon 2020 würden zehn Prozent des Bran-
                                                                                             chenumsatzes von dann etwa 200 Milliarden Euro im reinen Online-
                                                                                             Geschäft erlöst. Weitere 20 Prozent, so Harms, entfielen dann auf so-
                                                                                             genannte Cross-Channel-Einkäufe. Dabei kombiniert der Kunde bei
                                                                                             seinen Besorgungen stationäre und digitale Kanäle. Etwa, in dem er
                                                                                             seinen Warenkorb zu Hause zusammenstellt und im Geschäft abholt.
                                                                                             Behält Harms recht, werden in den nächsten Jahren etwa 30 Prozent
                                                                                             des Lebensmittelhandels oder 60 Milliarden Euro Umsatz neu verteilt.
                                                                                             Und das in einem Markt, der kaum wächst und in dem – angetrieben
                                                                                             von den mächtigen Discountern – ein gnadenloser Preiswettbewerb
                                                                                             herrscht.

                                                                                             Unter den vielen Studien und Befragungen zur Zukunft des Online-
                                                                                             Handels, die gegenwärtig kursieren, ist die Untersuchung von Ernst &
                                                                                             Young die Spektakulärste. Niemand sonst prognostiziert eine solche
                                                                                             Revolution. Aber alle sind sich einig, dass es nicht bei den 400 oder
                                                                                             500 Milliarden Euro bleiben wird, die gegenwärtig im Internetge-
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                                                                                             schäft erlöst werden. Deshalb herrscht Aufbruchstimmung. Etablierte
                                                                                             Supermarkt-Betreiber wie Edeka, Rewe oder Tengelmann haben Ver-
                                                                                             suchsballons gestartet. Mit regional tätigen Lieferdiensten aus den Fi-
                                                                                             lialen heraus oder in Form eines sogenannten Click-and-Collect-Ser-

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vice, bei dem der Verbraucher online bestellt und die Ware selbst in
der Filiale oder einem Zentrallager abholt. Zudem beteiligen sich La-
denbetreiber an jungen Internet-Firmen aus anderen Branchen, um zu
lernen, wie das Geschäft im Netz funktioniert. Dahinter stehen noch
keine riesigen Investments. Zu groß ist offenbar die Angst, Geld zu
verbrennen. Aber die Großen im stationären Geschäft wollen gewapp-
net sein – für den Fall, dass der Markt anspringt und Branchenfremde
ihnen Marktanteile abjagen wollen. Es geht um Kundenbindung und
Marktanteile.

Zunächst. Aber natürlich treibt alle die Frage um: Wie lässt sich mit Le-
bensmitteln, deren Marge aufgrund des starken Preiswettbewerbs na-
hezu ausgereizt ist, im Online-Geschäft Geld verdienen? In einem Me-
tier also, in dem die besonderen Herausforderungen in der Logistik
das Geschäft teuer machen.

Problem Nummer eins: der Lieferwagen. Die Fahrzeuge müssen über
drei unterschiedliche Temperaturzonen verfügen – für gefrorene, ge-
kühlte und temperaturunempfindliche Waren. Das schränkt die Lade-

                                                                                                                                                              © Thinkstock.com
kapazität ein und verschlingt hohe Summen für Anschaffung und Un-
terhalt.

Problem Nummer zwei: die Ungeduld der Kunden. Wer Milch, Jo-
ghurts und Obst online ordert, möchte die Sachen zügig angeliefert
bekommen. Und möglichst persönlich in Empfang nehmen – nicht
beim Nachbarn oder einer Paketstation abholen. Das hat eine Studie          Problem Nummer sieben: die niedrigen Einkaufsbons. Bei Lebensmit-
des IFH Instituts für Handelsforschung gezeigt.                             teln liegt der durchschnittliche Einkaufsbetrag im Online-Geschäft bei
                                                                            unter zehn Euro. Da fallen ein paar Euro Aufschlag für die Zustellung
Problem Nummer drei: die Zustellung. Der Bote muss den Kunden an-           stark ins Gewicht. Ein Mindestbestellwert könnte die Lösung sein.
treffen. Aber niemand will den ganzen Vormittag zu Hause bleiben            Doch der, so meint Experte Heinemann, müsste mindestens 100 Euro
und auf seine Einkäufe warten. Eine zeitgenaue Lieferung ist teuer.         betragen.
Aber das lässt sich mit einer verbesserten Technik möglicherweise in
den Griff bekommen. Manche Lieferdienste sind schon heute in der            Wenn Skeptiker die vielen Herausforderungen auflisten, vor denen die
Lage, exakte Zeitfenster anzugeben, in denen sie die Ware anliefern.        Netz-Verkäufer von Lebensmitteln stehen, verweisen Online-Enthusi-
Nur: Ist das Zeitfenster zu eng, kann es passieren, dass eine Straße        asten gerne auf die Verhältnisse in Großbritannien. In keinem ande-
mehrfach angefahren werden muss, weil die Kunden unterschiedliche           ren Land haben große Ketten wie Tesco in den vergangenen Jahren so
Lieferzeiten gewählt haben.                                                 viel in den digitalen Handel investiert. Und nirgendwo werden inzwi-
                                                                            schen so viele Lebensmittel per Klick gekauft. Knapp sechs Milliarden
Problem Nummer vier: die hohe Empfindlichkeit der Waren. Erdbee-            Euro setzten die Internet-Verkäufer im vergangenen Jahr um. Nur: Gut
ren, Joghurts oder Salate sind leicht verderblich. Gehen sie durch viele    verdient haben sie dabei nicht, im Gegenteil. In vielen Fällen haben
Hände, steigt das Risiko, dass sie beschädigt werden und aussortiert        die Kosten die Erträge aufgefressen. Und das, obwohl die Margen in
werden müssen.                                                              Großbritannien sehr viel größer sind als in Deutschland. Nein, der Kö-
                                                                            nigsweg im Online-Vertrieb mit Lebensmitteln ist noch nicht gefun-
Problem Nummer fünf: der Qualitätsanspruch der Kunden. Die Frische          den. Gut möglich, dass die Bastion LEH für die Internet-Verkäufer noch
der Produkte sind der Studie des IHH Instituts für Handelsforschung         auf sehr lange Zeit uneinnehmbar ist.
zufolge die wichtigste Voraussetzung für den Online-Kauf. Kunden,
die in diesem Punkt einmal enttäuscht werden, kehren dem Online-
Händler möglicherweise erst einmal für längere Zeit den Rücken.
                                                                                                       Ein Beitrag von
Problem Nummer sechs: die Preisempfindlichkeit der Kunden. In kei-                                     Stefan Weber
nem anderen Land besitzen Discounter eine ähnlich starke Marktposi-
tion wie in Deutschland. Die Folge: Nirgendwo sonst sind Lebensmit-
tel so preiswert wie hierzulande. Eine Belieferung ist jedoch in der
Mehrzahl der Fälle ohne einen Aufschlag nicht wirtschaftlich zu be-
treiben. Ob es ausreichend viele Online-Besteller gibt, die diesen Ext-
rapreis zu zahlen bereit sind? Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb Re-
search Centers an der Fachhochschule Niederrhein, ist sicher: »Nein,
die gibt es nicht.« Vielleicht in Ballungszentren, aber keineswegs flä-
chendeckend. Andere Experten vermuten, dass es vor allem Senioren,
Familien und beruflich stark engagierten Menschen durchaus ein paar         Stefan Weber berichtet seit mehr als 20 Jahren für die Wirtschaftsredaktion
Euro wert sein wird, Fleisch, Getränke oder Obst an die Haustür gelie-      der Süddeutschen Zeitung aus Nordrhein-Westfalen. Seine Themen findet der
fert zu bekommen. Ob das genügt für eine Revolution im Lebensmit-           Diplom-Kaufmann vor allem in der Welt des Handels – schließlich ist die Regi-
telhandel?                                                                  on an Rhein und Ruhr die Heimat der meisten großen Handelsunternehmen.

                                                                                                                                           GCM 2 / 2014   
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Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil
Weil sich die Oterser nicht kilometerweit zum Einkaufen bewegen wollten, schoben
sie ihren eigenen Dorfladen an. Mit Erfolg. Und der hat Folgen.

Wenn Bauer Paul mit Enkel Jonas einkaufen geht, ziehen sie vorm Ge-       dachten die Oterser und entschieden sich für Engagement statt Unter-
schäft die Schuhe aus. Ihren Stalldreck möchten sie nicht in den Laden    versorgung. Mit 75.000 Euro Invest lässt sich das Problem beheben,
tragen. Zu Hause sind derlei Höflichkeitsgesten normal, beim Shoppen      errechnete Dorfbewohner Günter Lühning, von Beruf Sparkassenfilial-
dürften sie ein Oterser Unikum sein. Otersen, 520 Seelen, ein Dorf ir-    leiter. Er schlug vor, eine Minigenossenschaft zu gründen, um die nach
gendwo zwischen Hannover und Bremen. Die Landschaft ist idyllisch,        Abzug der Gemeindezuschüsse fehlenden 50.000 Euro zu finanzieren.
die Schafe sind schmuck, die Gehöfte sind es auch. Hier wird beim Erle-   »Im schlimmsten Fall ist das Geld weg. Keiner haftet persönlich«, klär-
digen der Besorgungen eher geduzt als gesiezt, geschnackt als gesmall-    te der heutige Vorsitzende des Dorfladen-Netzwerk.de seine Mitstrei-
talkt, und was im Sortiment fehlt, besorgt der Krämer extra.              ter auf. Tatsächlich kauften 70 Bürger Anteilsscheine im Wert von je
                                                                          250 Euro. Es war eine riskante Investition. Eine, die auf Lebensqualität
                                                                          spekuliert, nicht auf geldwerte Rendite. Damals konnte jeder nur hof-
Ohne den Laden hätte vermutlich bis heute niemand weiter Notiz von        fen, dass der Laden schwarze Zahlen schreiben werde. 13 Jahre später
dem Ackerbürgerdörfchen genommen. Aber Nahversorger in flau be-           besitzen 120 Bürger Anteilsscheine und jeder weiß, mit 370.000 Euro
siedelten Landstrichen sind mittlerweile erfreuliche Ausnahmen. Sind      Nettojahresumsatz trägt sich das Geschäft.
sie dazu noch auf 180 Quadratmeter in tipptopp renoviertem Bauern-
haus und in Bürgerbesitz, ist das schon außergewöhnlich. Wie es zur       Hätten die Oterser nicht zur Selbsthilfe gegriffen, wären sie, wie acht
Kollektivierung der Nahversorgung kam, daran erinnert sich noch je-       Millionen andere Deutsche, in die Unterversorgung gerutscht. Allein
der im Ort. Es war 2000, als der letzte Krämer altersbedingt seine Se-    in Bayern haben 70 % der kleinen Dörfer keinen Krämer mehr. Und
gel strich. Gerade mal ein Dreivierteljahr Zeit blieb den Dorfbewoh-      von 125.000 eigenständigen Kaufleuten, die es 1970 bundesweit gab,
nern, um die 15 Kilometer lange Fahrt zum Einkaufen abzuwenden.           waren vorletztes Jahr 25.000 übrig, bilanziert der deutsche Lebensmit-
Allerdings entpuppte sich die Nachfolgersuche als aussichtslos und Fi-    teleinzelhandel. In den gleichen 42 Jahren sank die Zahl der Geschäfte
lialketten winkten entschieden ab. »Stirbt der Laden, stirbt das Dorf«,   von 160.000 auf 36.866. Denn mit den Filialisten setzte sich die Maxi-

Dorfladen Otersen mit Aller Café

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                                                                                   Gemeinsamkeit zählt

Dorfladen Otersen: Bürger zwischen 17 und 77 erbrachten 5.000 Std. Eigenleistung   Spitzenköche Open-Air in Otersen

me durch: Lieber wenige Große als viele Kleine. Für ihren geübten                  Weil ihnen ihr 140-qm-Laden nicht den nötigen Platz bot, kaufte die
Renditeblick sind die Miniaturstädte nur eins – Verlustgeschäfte.                  Ladeninitiative ein baufälliges kleines Bauernhaus.

Und vielen Orten blüht erst noch, was Otersen bereits um 1980 erlebte.             Diesmal griffen die aktiven Bürger nicht nur zur Kohle, sondern auch
Es schrumpfte von 500 auf 400 Einwohner. Eigentlich war der Heideort               zur Kelle. Insgesamt steckten 70 Bürger 5.000 Stunden Eigenleistun-
auf dem besten Weg zum toten Dorf; dann brachte 1991 die Aufnahme                  gen in den alten Fachwerkhof, für den sie 70.000 Euro bezahlten. Ge-
ins Dorferneuerungsprogramm die Wende. Die Fördergelder sanierten                  schätzte 600.000 Euro ist der Kollektivbesitz heute wert. Mit EU- und,
heruntergekommene Häuser und das geschundene Selbstbewusstsein                     Gemeindegeldern sowie der Verdoppelung von Bürgereinlagen auf
ihrer Bewohner gleich mit. Statt weiter Energie mit Mangelklagen an                100.000 Euro wurde die Anschubfinanzierung gestemmt. Statt Miete
Gemeinde- und Landesväter zu vergeuden, half der Revitalisierungs-                 zu zahlen, tilgt man nun 218.000 Euro Darlehen. Das Beste: Neben 40
schub, die Welt wieder aktiv zu gestalten. Mit 520 Menschen leben                  Quadratmetern mehr Verkaufsfläche gibt es nun 70 Extraquadratme-
heute mehr in Otersen als vor dem Abschwung. Bei den Neubürgern                    ter Café. Hier strickt der Knüddelclub, schnuddeln die Dorfältesten
nachgefragt, stellten die Einheimischen verblüfft fest, dass Bauland zu            und freitags gibt’s Suppe. Klappt alles wie geplant, wird künftig täg-
Schnäppchenpreisen von 35 Euro pro Quadratmeter gar nicht der An-                  lich ein Mittagsgericht serviert.
siedlungsgrund Nummer eins war. Entscheidender waren der örtliche
Kindergarten und – der Laden. Der ist gewissermaßen Akupunktur fürs                All dies ist Dienst am Kunden, bahnt aber auch den Weg zum Extrage-
Dorf. Mit einem gezielten Stich hält er die Gemeinschaftsenergie in                schäft. Der Einzugsradius des Dorfladens ist mit 520 Oterser, 190 Witt-
Fluss – Alte müssen nicht abwandern, Junge wollen bleiben und Neue                 lohern und 900 Gelegenheitskäufern aus den Nachbargemeinden
ziehen zu. Betrieben wird der Laden wohlgemerkt nicht von Profis,                  überschaubar klein. Der Deckungsgrad des Lebensmittelsbedarfs zählt
sondern von Bürgern, die sich, getrieben von Wunsch nach Lebensqua-                mit 35 % schon zu den hohen. Was aber, wenn die jährlich 6000 Rad-
lität, ermächtigen. Doch die Gesetze des Handels sind erbarmungslos                wanderer lokale Köstlichkeiten zu schätzen lernen? Oder sich vorbei-
und überall gleich: Nur wer am Ball bleibt, bleibt für Kunden attraktiv.           fahrende Autos zum Snack-Shop-Stop hinreißen ließen?
2010 stand die Modernisierung an. »Vor 13 Jahren hat sich noch kein
Dorfladen mit Kaffeeecke gegründet, heute gehört sie mit dazu«, be-                Wer allerdings in romantischer Verklärung eine emsige Emma in der
schreibt Lühning den bundesweit zu beobachtenden Konzeptwandel.                    Tenne erwartet, der wird sich wundern. »Emmas Enkel« sind spürbar

                                                                                                                                             GCM 2 / 2014   
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