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02 german council 18. Jahrgang € 12 | ISSN 1614-7804 German Council of Shopping Centers e. V. MAgazin IN MOTION Anfangen, wo andere aufhören | Unternehmer ändern sich, Manager machen weiter, wie gewohnt
HERAUSRAGENDE ERGEBNISSE DURCH UNSERE VERMIETUNG, BERATUNG UND KONZEPTION. Neumarkt Galerie, Köln SEVENS, Düsseldorf Dodenhof, Posthausen Münster ARKADEN Tel. 0211 540063-0 www.comfort.de
Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, »Wenn man stillsteht, wird man schnell über- »Alle Filialkettenpleiten der letzten 30 Jahre rollt« ist einer der Leitsätze von Lee Iacocca, scheiterten meines Erachtens an Unbeweglich- dem früheren Präsidenten der FORD Motor keit«, ist Professor Götz Werner überzeugt. Er © Tom Pennington / Getty Images News Company. Der Sohn italienischer Einwanderer verrät der GC MAGAZIN Redaktion in einem ex- startete 1946 als Praktikant bei Ford und gilt als klusiven Gespräch in Stuttgart die K&K-Formel, US-Managementikone, der sich auch im Ruhe- spricht über Rhythmus und zitiert Goethe: eine stand – mittlerweile 89 Jahre alt – engagiert zu Sternstunde über Mensch und Handel, die Sie Wort meldet. In seinem Buch »Where have all mit Genuss lesen werden. the leaders gone?« kritisierte er 2007 mutig US-Politiker und -unternehmer und hält fest: In dieser Ausgabe des GC Magazin beschäfti- »Man kommt nirgendwo hin, indem man dar- gen wir uns daher ganz bewusst mit dem The- auf wartet, dass jemand anderes was tut!« ma IN MOTION und möchten Sie in Bewegung bringen oder halten. Sie werden dabei feststel- US-Präsident Barack Obama Lieber Herr Iacocca, wir wissen zumindest, wo len, dass sich das Magazin kontinuierlich wei- unsere Industry Leader im April waren: in Istan- terentwickelt und zunehmend Top-Journalisten bul. Die ICSC European Conference im April hat für die Arbeit gewinnt. Damit wollen wir dem stätten. Der GCSC nimmt diese Aufgabe ernst die 600 Teilnehmer dabei ganz sicher fasziniert Anspruch als professionelle Stimme der Han- und wird seine politische Arbeit weiter ausbau- und bewegt. Jörg Nowicki von der TEXTILWIRT- delsimmobilienwirtschaft Rechnung tragen. en. Dazu mehr schon in der nächsten Ausgabe. SCHAFT hat genau zugehört und nachgefragt, lesen Sie seine spannende Zusammenfassung Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) lud Lassen wir uns noch einmal von Herr Iacocca in dieser Ausgabe. anlässlich der Hannover Messe vor wenigen inspirieren. »Kurs halten? Das ist wohl ein Wochen zu einem Gipfeltreffen mehrerer Ar- Witz, wir reden nicht von der verdammten Tita- beitskreise und Niedersachsens Minister Olaf nic!«, schimpft er und ergänzt: »Ich will ein Lies (Wirtschaft, Arbeit, Verkehr) ein. Ich konn- Feuer entzünden. Ich melde mich, weil ich te in diesem Rahmen von der erfolgreichen Hoffnung habe.« Ich bewundere Menschen, Kampagne unseres internationalen Verbandes die sich bewegen und andere bewegen. Damit ICSC berichten, dem es gelungen ist, mit einer Sie nicht überrollt werden, bitte ich Sie herz- »Marketplace Fairness Act«-Kampagne US- lich: Senatoren und den Congress für eine Chancen- gleichheit von stationärem Handel und Online- handel zu sensibilisieren. Die Abstimmung er- gab eine beeindruckende 2/3-Mehrheit und Bleiben Sie in Bewegung! Präsident Obama hat seine Zustimmung zu dem Gesetz avisiert. In der Diskussion mit Minister Lies wurde deut- lich, dass wir in Deutschland noch ein großes Stück Arbeit vor uns haben, wenn es darum geht, um Chancengleichheit für den stationä- Buchempfehlung: ren Handel zu werben. Deregulierung und fai- »Where have all the leaders gone?« rer Wettbewerb sind essentiell für den Erhalt Lee Iacocca / Catherine Whitney unserer großartigen Innenstädte und Einkaufs-
GERMAN COUNCIL . inhalt in motion GerMan CounCil . in Motion GerMan CounCil . in Motion Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil Weil sich die Oterser nicht kilometerweit zum Einkaufen bewegen wollten, schoben sie ihren eigenen Dorfladen an. Mit Erfolg. Und der hat Folgen. Wenn Bauer Paul mit Enkel Jonas einkaufen geht, ziehen sie vorm Ge- dachten die Oterser und entschieden sich für Engagement statt Unter- Gemeinsamkeit zählt schäft die Schuhe aus. Ihren Stalldreck möchten sie nicht in den Laden versorgung. Mit 75.000 Euro Invest lässt sich das Problem beheben, tragen. Zu Hause sind derlei Höflichkeitsgesten normal, beim Shoppen errechnete Dorfbewohner Günter Lühning, von Beruf Sparkassenfilial- dürften sie ein Oterser Unikum sein. Otersen, 520 Seelen, ein Dorf ir- leiter. Er schlug vor, eine Minigenossenschaft zu gründen, um die nach gendwo zwischen Hannover und Bremen. Die Landschaft ist idyllisch, Abzug der Gemeindezuschüsse fehlenden 50.000 Euro zu finanzieren. GERMAN COUNCIL . IN MOtION GERMAN COUNCIL . IN MOtION die Schafe sind schmuck, die Gehöfte sind es auch. Hier wird beim Erle- »Im schlimmsten Fall ist das Geld weg. Keiner haftet persönlich«, klär- digen der Besorgungen eher geduzt als gesiezt, geschnackt als gesmall- te der heutige Vorsitzende des Dorfladen-Netzwerk.de seine Mitstrei- talkt, und was im Sortiment fehlt, besorgt der Krämer extra. ter auf. Tatsächlich kauften 70 Bürger Anteilsscheine im Wert von je 250 Euro. Es war eine riskante Investition. Eine, die auf Lebensqualität Kauftypen 202 spekuliert, nicht auf geldwerte Rendite. Damals konnte jeder nur hof- Ohne den Laden hätte vermutlich bis heute niemand weiter Notiz von fen, dass der Laden schwarze Zahlen schreiben werde. 13 Jahre später Wie werden wir morgen shoppen? dem Ackerbürgerdörfchen genommen. Aber Nahversorger in flau be- besitzen 120 Bürger Anteilsscheine und jeder weiß, mit 370.000 Euro siedelten Landstrichen sind mittlerweile erfreuliche Ausnahmen. Sind Nettojahresumsatz trägt sich das Geschäft. sie dazu noch auf 180 Quadratmeter in tipptopp renoviertem Bauern- haus und in Bürgerbesitz, ist das schon außergewöhnlich. Wie es zur Hätten die Oterser nicht zur Selbsthilfe gegriffen, wären sie, wie acht Kollektivierung der Nahversorgung kam, daran erinnert sich noch je- Millionen andere Deutsche, in die Unterversorgung gerutscht. Allein der im Ort. Es war 2000, als der letzte Krämer altersbedingt seine Se- in Bayern haben 70 % der kleinen Dörfer keinen Krämer mehr. Und © brickrena / Thinkstock.com gel strich. Gerade mal ein Dreivierteljahr Zeit blieb den Dorfbewoh- von 125.000 eigenständigen Kaufleuten, die es 1970 bundesweit gab, Dorfladen Otersen: Bürger zwischen 17 und 77 erbrachten 5.000 Std. Eigenleistung Spitzenköche Open-Air in Otersen Wie stark das allgegenwärtige Internet unseren Alltag verändert, erle- Im Gegensatz zu Trends und Prognosen prophezeien Szenarien nicht ben wir täglich am eigenen Leib: Schnell prüfen wir auf dem Smart- die eine – richtige – Zukunft. Das EHI hat sich deshalb für diese Metho- nern, um die 15 Kilometer lange Fahrt zum Einkaufen abzuwenden. waren vorletztes Jahr 25.000 übrig, bilanziert der deutsche Lebensmit- phone, ob der Zug pünktlich ist, scannen den QR-Code auf der Rot- de entschieden, weil sie alternativ denkbare Situationen in der Zukunft Allerdings entpuppte sich die Nachfolgersuche als aussichtslos und Fi- teleinzelhandel. In den gleichen 42 Jahren sank die Zahl der Geschäfte wein-Flasche, um mehr über den Winzer zu erfahren und rufen Gut- beschreibt, die auf einem Netzwerk der wichtigsten Schlüsselfaktoren scheine für den Einkauf ab. Längst bewegen wir uns zwischen den beruhen. Die Werthaltung der Konsumenten gehört genauso dazu wie lialketten winkten entschieden ab. »Stirbt der Laden, stirbt das Dorf«, von 160.000 auf 36.866. Denn mit den Filialisten setzte sich die Maxi- Welten: online wie offline. Unser Kommunikations- und Shopping-All- die Mediennutzung, das Einkaufsverhalten und die Markentreue. me durch: Lieber wenige Große als viele Kleine. Für ihren geübten Weil ihnen ihr 140-qm-Laden nicht den nötigen Platz bot, kaufte die tag wird ins Netz verlagert und das Netz in unseren Alltag integriert. Szenarien sind keine Strategie, sondern das Ergebnis einer Teamleis- egal sind. Für sie zählt nur das Preis-Leistungs-Verhältnis. Andere – die hofs Roma Ostiense mit 23 Restaurants und Cafes, einer Kafferösterei Renditeblick sind die Miniaturstädte nur eins – Verlustgeschäfte. Ladeninitiative ein baufälliges kleines Bauernhaus. tung. Das EHI hat gemeinsam mit führenden Marketingexperten aus Wertorientierten – werden neue Geschäftsmodelle verlangen, weil sie und einer Brauerei seine Leidenschaft für Lebensmittel und Genuss. Wie also werden wir morgen shoppen? Was wollen die Menschen in Handel, Medien und Dienstleistern Zukunftsbilder entwickelt, die die ihre Produkte lieber mieten statt kaufen wollen. Wieder andere, die Zukunft? Was sind ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse? Wie muss Kommu- Lebenswelten der Konsumenten von morgen lebendig werden lassen Cyberflaneure, absolvieren einen großen Teil ihrer Shopper-Journey in Für die emotionale Bindung des Kunden ist die eigene Verkaufsstelle Und vielen Orten blüht erst noch, was Otersen bereits um 1980 erlebte. Diesmal griffen die aktiven Bürger nicht nur zur Kohle, sondern auch nikation beschaffen sein, damit sie im Markt erfolgreich ist? Wie und daraus die Konsequenzen für die Kommunikation des Handels bis den digitalen Welten, bevor sie den Laden betreten und sich von digi- der ideale Ort. Der Einsatz »cooler«, dem Zeitgeist entsprechender spricht der Handel die Sinne des Menschen an, wie wird die Lust zum zum Jahr 2025 abgeleitet. talen Informationssystemen beraten lassen. Technologien am Regal ergänzt die Inszenierung auf der Fläche und Es schrumpfte von 500 auf 400 Einwohner. Eigentlich war der Heideort zur Kelle. Insgesamt steckten 70 Bürger 5.000 Stunden Eigenleistun- Kauf geweckt? Kommt der Kunde auch künftig noch ans Regal oder hilft, Produkte auf eine neue Art spannend zu inszenieren und sie be- auf dem besten Weg zum toten Dorf; dann brachte 1991 die Aufnahme gen in den alten Fachwerkhof, für den sie 70.000 Euro bezahlten. Ge- wird die rasante Entwicklung des Online-Shoppings das Ende des sta- 2025 klingt nach den unendlichen Weiten des Cyberspace, in dem der Der Genusskäufer wiederum liebt seine Marke und die theatralische gehrenswert und kaufenswert zu machen. Bei Burberry in London wer- tionären Handels bedeuten? stationäre Handel maximal noch im Museum auftaucht. Doch das Jahr Inszenierung auf der Fläche. Kampfpreise lassen die Kunden im Szena- den Spiegel auf der Fläche zum Verkaufs- und Unterhaltungsscreen, ins Dorferneuerungsprogramm die Wende. Die Fördergelder sanierten schätzte 600.000 Euro ist der Kollektivbesitz heute wert. Mit EU- und, 2025 liegt gerade mal elf Jahre voraus. Und obwohl wir uns alle einig rio: »Küss mich, berühr mich, verführ mich« absolut kalt. Wofür sie die dem Kunden Empfehlungen à la »das passt dazu« oder »Kunden heruntergekommene Häuser und das geschundene Selbstbewusstsein Gemeindegeldern sowie der Verdoppelung von Bürgereinlagen auf Trends, Prognosen und Expertenmeinungen zur Zukunft gibt es wie sind, dass die Digitalisierung den Alltag der Menschen drastisch ver- sich jedoch erwärmen, sind die Erlebniswelten beim Einkauf, vor al- kauften auch« anbieten oder auch die neuesten Making-of Videos akti- Sand am Meer. Dass solche Vorhersagen im Allgemeinen jedoch we- ändern wird, zeigen die acht alternativen Szenarien, dass es nicht nur lem im Store, aber auch im Internet. Das sinnliche Erleben der Produk- vieren, sobald sich der Kunde mit dem getaggte Produkt nähert. ihrer Bewohner gleich mit. Statt weiter Energie mit Mangelklagen an 100.000 Euro wurde die Anschubfinanzierung gestemmt. Statt Miete nig verlässlich sind, zeigen die Irrtümer berühmter Experten. So be- den einen – richtigen – Weg zum Kunden von morgen gibt. So wird es te, das Fühlen, Riechen, Ausprobieren, steht im Mittelpunkt. Das Gemeinde- und Landesväter zu vergeuden, half der Revitalisierungs- zu zahlen, tilgt man nun 218.000 Euro Darlehen. Das Beste: Neben 40 hauptete Bill Gates 1995 »Das Internet ist nur ein Hype.« kritische Verbraucher geben, denen statusorientierte Marken völlig Brand Victim liebt seine Marke, ob Handelsmarke samt Eigenmarke Einkaufen wird durch emotionale Shop-Gestaltung als Erlebnis insze- oder Markenartikel. Einkauf ist für diese Kunden nicht Bedarfs niert und erzeugt dadurch eine Bindung des Kunden. Erlebnisarchitek- schub, die Welt wieder aktiv zu gestalten. Mit 520 Menschen leben Quadratmetern mehr Verkaufsfläche gibt es nun 70 Extraquadratme- deckung, sondere elementarer Teil der Freizeitgestaltung. tur und ganzheitliche Raumkonzepte schaffen außergewöhnliche Ein- heute mehr in Otersen als vor dem Abschwung. Bei den Neubürgern ter Café. Hier strickt der Knüddelclub, schnuddeln die Dorfältesten kaufserlebnisse, die in jedem Augenblick die Seele der Marke leben- Daraus ergibt sich für den Handel die zentrale Kundenbotschaft: Hier dig und mit allen Sinnen erfahrbar werden zu lassen. Händler stellen nachgefragt, stellten die Einheimischen verblüfft fest, dass Bauland zu und freitags gibt’s Suppe. Klappt alles wie geplant, wird künftig täg- könnt ihr was erleben! Das Marketing zielt darauf ab, das Marken- ihre Kompetenz unter Beweis, indem sie alle Details so orchestrieren, Schnäppchenpreisen von 35 Euro pro Quadratmeter gar nicht der An- lich ein Mittagsgericht serviert. Image zu stärken. Hier gilt: klotzen statt kleckern. Genauso wichtig ist dass sie als sinnliche Wahrnehmung im Unterbewusstsein der Genuss- es, ein einmaliges Einkaufserlebnis zu schaffen und sich damit vom käufer positiv geladene Stimmungen erzeugen. siedlungsgrund Nummer eins war. Entscheidender waren der örtliche Wettbewerb zu differenzieren. Kindergarten und – der Laden. Der ist gewissermaßen Akupunktur fürs All dies ist Dienst am Kunden, bahnt aber auch den Weg zum Extrage- So vielfältig die Wege zum Kunden sind, eins haben sie gemeinsam: Genau wie der neue Department Store von Breuninger in Düsseldorf. Kommunikation kann nur vom Kunden ausgehen und konsequent vom Dorf. Mit einem gezielten Stich hält er die Gemeinschaftsenergie in schäft. Der Einzugsradius des Dorfladens ist mit 520 Oterser, 190 Witt- Auf fünf Etagen bietet er ein Einkaufserlebnis der Extraklasse. Breunin- Kunden gedacht werden, wenn sie erfolgreich sein will. Statt wie bis- Fluss – Alte müssen nicht abwandern, Junge wollen bleiben und Neue lohern und 900 Gelegenheitskäufern aus den Nachbargemeinden ger inszeniert im Kö-Bogen seine Markenwelt in hochwertigen Flag- her den richtigen Kommunikationsmix für die Marke zu suchen, müs- ship-Stores und gastronomischen Angeboten. Wer sein Shoppingerleb- sen künftig die Lebenswelten und Konsumverfassungen der Kunden ziehen zu. Betrieben wird der Laden wohlgemerkt nicht von Profis, überschaubar klein. Der Deckungsgrad des Lebensmittelsbedarfs zählt nis lieber in privater Atmosphäre mit persönlicher Beratung genießt, berücksichtigt werden. sondern von Bürgern, die sich, getrieben von Wunsch nach Lebensqua- mit 35 % schon zu den hohen. Was aber, wenn die jährlich 6000 Rad- kann den speziellen »Personal Shopping Service« des Hauses in An- spruch nehmen. Oder Bikini Berlin: Das etwas andere Shopping Center lität, ermächtigen. Doch die Gesetze des Handels sind erbarmungslos wanderer lokale Köstlichkeiten zu schätzen lernen? Oder sich vorbei- in der Nachbarschaft des Berliner Zoos, das mit seiner eindrucksvollen Ein Gastbeitrag von und überall gleich: Nur wer am Ball bleibt, bleibt für Kunden attraktiv. fahrende Autos zum Snack-Shop-Stop hinreißen ließen? Dachlandschaft und seinen Freizeit- und Erlebniswelten Menschen posi- Marco Atzberger, tiv überraschen will und nachhaltig zufrieden machen möchte. Der Le- Mitglied der Geschäftsleitung, 2010 stand die Modernisierung an. »Vor 13 Jahren hat sich noch kein bensmittelhandel hat ebenfalls beachtliche Beispiele zu bieten: Der EHI Retail Institute Dorfladen mit Kaffeeecke gegründet, heute gehört sie mit dazu«, be- Wer allerdings in romantischer Verklärung eine emsige Emma in der Edekaner Niemerzein steht für die Liebe zum Detail: ein historischer Kaufmannsladen aus der Sammlung des Circus-Roncalli-Gründers Bern- Dorfladen Otersen mit Aller Café schreibt Lühning den bundesweit zu beobachtenden Konzeptwandel. Tenne erwartet, der wird sich wundern. »Emmas Enkel« sind spürbar hard Paul sorgt für das besondere Ambiente im Store: Shoppen wie zu Tante Emmas Zeiten. Oder Eataly: Der international agierende italieni- sche Feinkost Händler zelebriert in dem ehemaligen Terminal des Bahn- GCM 2 / 2014 GCM 2 / 2014 GCM 2 / 2014 GCM 2 / 2014 4 Kauftypen 2025 8 Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil german council insight 01 Vorwort 36 GCSC stellt sich vor 38 Termine 2014 titelthema in motion 04 Kauftypen 2025 vor ort 06 Frisch vom Sofa muss warten 42 Fließende Grenzen 08 Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil 48 Gesammeltes Wissen 14 Unternehmer ändern sich, Manager 50 »Aus Frequenz Umsatz machen« machen weiter, wie gewohnt 54 Regional Dinner im Faber-Castell’schen Schloss 22 Anfangen, wo andere aufhören – 2. Teil 56 Moving Tea 2014 25 Wettbewerbsverzerrung durch Online- Handel 26 Den Online-Shop immer im Hinterkopf foren 30 Vom Online-Handel lernen 58 Wie ein Shopping Center eine Geschichte erzählt 34 Kommentar: Von der Seitenlinie impressum herausgeber redaktion bezug verlag übernommen werden. erscheinungsdatum German Council of Ingmar Behrens Mitgliederzeitschrift für Verlag Müller + Busmann Namentlich gekennzeichnete dieser ausgabe: Shopping Centers e. V. Prof. Dr. Johannes Busmann Mitglieder des GCSC e. V. GmbH & Co. KG Beiträge müssen nicht die Mai 2014 Bahnhofstraße 29 Stephan Jung (viSdP) Hofaue 63 Meinung der Redaktion D-71638 Ludwigsburg Rüdiger Pleus auflage 42103 Wuppertal widerspiegeln. Die Redaktion das das nchste german Telefon 07141.38 80 83 Markus Trojansky 13.000 Telefon 0202.248 36 0 behält sich die Kürzung council magazin Telefax 07141.38 80 84 Klaus Striebich Telefax 0202.248 36 10 eingesandter Manuskripte vor. erscheint im juli 2014. office@gcsc.de bankverbindung mb@mueller-busmann.com Erfüllungsort und www.gcsc.de geschftsstelle Deutsche Bank AG, Gerichtsstand ist Ludwigsburg. des gcsc e. v. Ludwigsburg druck Nachdruck oder sonstige verantwortlich i.s.d.p. Bahnhofstraße 29 BLZ 604 700 24 Silber Druck oHG, Niestetal Reproduktion (auch Stephan Jung D-71638 Ludwigsburg Konto 149 807 auszugsweise) nur mit Telefon 07141.38 80 83 Das German Council Magazin Genehmigung des Telefax 07141.38 80 84 Covermotiv basiert auf Informationen, die Herausgebers. office@gcsc.de P. Behrens wir als zuverlässig ansehen, www.gcsc.de eine Haftung kann nicht GCM 2 / 2014
german council . inhalt GERMAN COUNCIL . IN MOtION GERMAN COUNCIL . IN MOtION Unternehmer ändern sich, Manager machen weiter, wie gewohnt Ein Gespräch mit dem Handelsweisen und dm-Drogeriemarktvorstand Prof. Götz Werner über die Wichtigkeit von Bewusstsein, Sinnstiftung und Rhythmusgefühl. Ein Treffen im April mit Prof. Götz W. Werner im Althoff Hotel am IB War dm damals Vorreiter? Schlossgarten Stuttgart. Gut gelaunt kommt der dm-Gründer und Visi- Wo gibt es Vorreiter? »Alles Gescheite ist schon gedacht worden«, so onär per pedes. In gelöster Stimmung genießen die Interviewer die zwei hat es Goethe gesagt. Der Drogeriemarkt von heute war damals die Stunden im Hotelfoyer, in denen Prof. Werner ihren gewohnten Blick discountierende Drogerie: attraktiveres Sortiment, absolute Selbst- auf den Handel aus den Angeln hebt. Ein Handelsweiser über die Wich- bedienung – oder besser, die Einbeziehung des Kunden in den Ar- tigkeit von Bewusstsein, Kulturverständnis und Rhythmusgefühl. GERMAN COUNCIL . vOR ORt GERMAN COUNCIL . vOR ORt beitsablauf – und entsprechend günstigere Preise. Vorbilder gab es bereits in der Lebensmittelbranche – Aldi oder Migros in der Schweiz. Die Idee lag damals in der Luft, da der Wegfall der Preisbindung dis- RW Herr Prof. Werner, 1973 setzten Sie sich mit den dm-Drogerie- märkten in Gang – und machten so ziemlich alles anders als die alt- kutiert und schließlich beschlossen wurde. Fließende Grenzen eingesessene Drogistenfamilie, aus der Sie stammen ... IB Die erste dm-Filiale eröffneten Sie in einer Karlsruher Lauflage; erin- Die »EuroShop 2014« in Düsseldorf Mein Vater war ein sehr kundenorientierter Mensch, musste aber sein nern Sie sich noch an Ihre erste Eröffnung in einem Shopping Center? Geschäft verkaufen. Er hatte zwei Slogans. Der erste hieß »Drogerie Wer- Das war noch vor dm-Zeiten, im Hessen Center, einem der frühen ECE- ner – vielseitig, höflich, preiswert«. Damit ist er gewachsen. Er hatte für Center. Ich arbeitete damals für eine Drogerie als Prokurist. Die Firma © Messe Düsseldorf, Tillmann © Messe Düsseldorf, Tillmann die 50er- und 60er Jahre verhältnismäßig hohe Einnahmen mit seinen zu- schrieb Verluste. Ihr Geschäftsmodell war nicht produktiv genug für die letzt etwa 20 Läden und rund 200 Mitarbeitern. Der zweite Slogan lautete Kosten, die im Center auf sie zukamen. Die damaligen Drogerien waren © Detlef Göckeritz »Drogerie Werner führt alles oder be- meist kleine Läden mit wenig Umsatz sorgt es schnell«. Das war der Sargna- und hohem Aufwand. Oft wurden sie Das rasante Wachstum des Online-Handels betrachten viele klassische ›Sollen Kunden auf uns fliegen, müssen wir in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ausgerichtete Mes- gel für seinen Betrieb. In Heidelberg in einer eigenen Immobilie geführt Einzelhändler als Bedrohung. Zugleich kann das Geschäft im Netz für sie se war die größte »EuroShop« seit dem Gründungsjahr 1966. Doch Oculus Rift Tablet im Einsatz im Laden aber enorme Chancen bergen. Wird künftig nur bestehen, wer den Kun- allen Get-togethers und Cocktail-Partys zum Trotz war es auch das gab es viele Gastprofessoren oder ausländische Studierende, die sich einen Sog erzeugen‹ und die Mieten waren gewisserma- ßen subventioniert. Also warnte ich den auf möglichst vielen verschiedenen Kanälen anspricht? Eine Suche nach Antworten auf der Fachmesse »EuroShop 2014« in Düsseldorf. Treffen einer Branche, die Ähnliches erlebt wie der Foto-Händler aus Krefeld. ihre Drogeriewaren in die ganze Welt Prof. Götz Werner die Geschäftsleitung: »Geht das so »Die globale Handelsbranche steht derzeit vor den größten Heraus- nachschicken ließen und manchmal weiter, sind wir bald pleite.« Das hö- RW Shopping Centern haftet das Stigma der perfekt organisierten müsste mal wieder etwas Neues zum Anziehen kaufen. So kann ich ei- Eines Tages war der Moment gekommen, an dem Wolfgang und forderungen seit Jahrzehnten«, sagte Michael Gerling, der Geschäfts- Dagmar Lennertz die Schnauze voll hatten. Sie klebten einen Zettel führer des EHI Retail Institute bei der Eröffnungspressekonferenz. die Rechnung nicht beglichen. Mein Vater war dennoch davon begeistert, ren erfahrene Unternehmer ungern von jungen Angestellten. Als ich ih- Verkaufsmaschine an, wie ... gentlich nicht schon wieder kommen«. Der Slogan war ein Vorschlag ins Schaufenster ihres Krefelder Fotogeschäfts: »Wir sind es satt!«, Besonders der Online-Handel sei es, der für eine Veränderung in der jeden Wunsch zu erfüllen. Hätte ich die elterliche Drogerie übernom- nen dann erklärte, wie man es ändern kann, hörten sie es noch weniger Nein, wie kommen Sie darauf? Es gibt eine gewisse Überhöhung des der Agentur, ist aber an ein Goethezitat angelehnt. Viele im Unterneh- haben sie darauf in fetten roten Lettern geschrieben – und in einem Branche sorge, die es in Deutschland in dieser Dimension seit der kurzen Text haben sie erklärt, warum sie nach einem Vierteljahrhun- Einführung der Selbstbedienung 1938 nicht mehr gegeben habe. men, wäre es mir viel schwerer gefallen und dm wäre vermutlich nie das gern. Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbstständig zu ma- Konsums und eine Verdichtung – die man nicht übertreiben darf. Bei men sagten dazu: »Oh Gott, was für ein Quatsch!« und ich sagte: »Ge- dert ihren Laden dichtmachen. Es war ihr Unmut über Kunden, die Unternehmen geworden, was es heute ist. Dass ich selbst bei null anfan- chen. Damals war ich 28 Jahre. Mit meinem ersten Ladenlokal in Karlsru- dem Immer-mehr-und-immer-mehr muss man sich fragen, ob der nau das ist es«. Es war ein Evidenzerlebnis! Das ist der Sog, den wir eine gute Beratung nicht mehr würdigen. Ihre Verärgerung über Ja, Online boomt: Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Händler erwirt- Kunden, die im Laden nur gucken und später im Internet kaufen. Mit schaften im Netz Milliarden-Umsätze und sie erzielen Wachstumsra- gen konnte, war eine biografisch günstige Situation. Die Drogerien von he hatte ich Glück. Es war zentral und preiswert dazu. Nein, billig muss Kunde in manchen Momenten nicht überfordert ist. brauchen, dieses: Hier kann ich mich einbringen und ausdrücken. der Protestaktion hat das Ehepaar scheinbar einen Nerv getroffen: ten, von denen der stationäre Einzelhandel nur träumen kann. »Das © Microsoft, 2014 damals waren ein Auslaufmodell. man sagen – denn preiswert kann auch teuer sein (lacht). Der Wut-Zettel verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Net- Wachstum wird zurzeit vor allem durch reine Online-Händler und zen, bundesweit wurde über die Krefelder Fachhändler berichtet. klassische Versandhändler getrieben, aber auch die Unternehmen RW Ist das der Grund, warum Ihre Läden entschleunigen? Eigentlich IB Ist das ein Mix aus Bauchgefühl und Beobachtung, wie sich Markt mit Ursprung im stationären Handel machen Fortschritte im Online- bauen Sie ja die Lichtung im Einkaufswalde. und Menschen verändern? Knapp 20 Kilometer sind es von »Wolfgangs Digital- und Fotoser- Geschäft«, sagte EHI-Geschäftsführer Gerling. vice« in Krefeld bis zur Messe Düsseldorf. Mitte Februar fand dort die mymuesli, Muenchen Microsoft Store, Berlin Ja, vielleicht ist das ein Punkt des Erfolgs. Man kommt am besten zu Es braucht beides und dann zieht man ein unternehmerisches Fazit. »EuroShop« statt: 109.000 Besucher, 2.200 Aussteller aus 57 Län- Der stationäre Handel darf die Augen vor der Netz-Konkurrenz nicht einer Erfolgsformel, wenn man weiß, was man kann und die Bedürf- Ein Unternehmer denkt stets: »Wir sind zwar erfolgreich, aber so dern, 115.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Die alle drei Jahre verschließen. »Die Händler sollten alles tun, um durch eigene On- nisse seiner Kunden im Auge hat. Seit meinem Einstieg hat sich im geht es nicht weiter.« Er lässt die Dinge nicht so, wie sie sind. Das un- line-Shops zumindest einen Teil der Umsätze im eigenen Unterneh- 2009, heute gibt es bereits ein gutes Dutzend Verkaufsgeschäfte. Aus Handel dramatisch viel verändert – die Gesetzmäßigkeiten waren terscheidet ihn vom Manager, der sagt: »Das haben wir prima ge- men zu halten«, sagt Prof. Dr. Gerrit Heinemann von der Hochschule dem Unternehmen heißt es, das Netz-Geschäft habe durch die selbst Niederrhein (siehe Interview). gemachte stationäre Konkurrenz »keinen signifikanten Kannibalisie- früher völlig andere. Mit der Zeit sind Unternehmen und ganze Be- macht, das machen wir jetzt immer so.« rungs-Effekt« erfahren. Im Gegenteil: Umsätze und Kundenbestand triebsformen verschwunden. »Kaufhof bietet tausendfach alles unter Das Netz muss demnach auch als eine Chance wahrgenommen wer- seien an manchen Standorten sogar gestiegen, seit es den mymuesli- den: »Das Internet ist das, was Sie draus machen«, sagte GCSC-Vor- Laden in der Fußgängerzone gibt. einem Dach« – das war früher eine Erfolgsformel. Heute würde Kauf- RW »Man kann nicht so weitermachen, wie man zum Erfolg gekom- standschef Stephan Jung während eines Vortrags beim »EuroShop hof das nicht mehr behaupten wollen. Rückblickend sind wir damals men ist«, kommentierten Sie 2012 die Schleckerpleite. Wie haben Sie Forum« in Düsseldorf. Jung sprach über das Thema »Innovationspo- Service, Beratung und persönlicher Kontakt zum Kunden sind we- tenziale und Chancen im Handel«. Er unterstrich die vielfältigen sentliche Unterscheidungsmerkmale zum reinen Online-Kauf. Selbst auch archaisch aufgetreten, fanden es aber hochmodern, mit »Große dm über die Zeit verändert? Möglichkeiten, die das Internet bietet, und wies zugleich darauf hin, Unternehmen, von denen man lange dachte, dass sie auf Ladenloka- Marken, kleine Preise« zu werben. Vor 20 Jahren wechselten wir Sie dürfen Ihr Geschäft immer nur so weit verändern, dass der Kunde dass auch der stationäre Handel Stärken habe, auf die er setzen müs- le verzichten können, weil sie ihr Geld mit Bits und Bytes verdienen, se. Warum sonst ließe sich derzeit beobachten, dass Unternehmen, treten in der Offline-Welt an die Kunden heran. Microsoft hat sich an dann zu »Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein«. die Verbindung nicht verliert. Sonst ergeht es Ihnen wie einem mei- die einst als Internet-Start-up begonnen haben, jetzt dazu überge- der renommierten Adresse »Unter den Linden« in Berlin niedergelas- © Detlef Göckeritz © Detlef Göckeritz ner Neffen. Er war früher fast kugelrund und nahm mit 20 so richtig hen, Ladenlokale anzumieten? sen, der Suchmaschinen-Riese Google hat im vergangenen Septem- ber ein Shop-in-Shop-Konzept an der Hamburger Mönckebergstraße IB Was gab den Anlass, umzuschwenken? ab. Als er stolz in die Kneipe kam, haben ihn selbst seine Freunde © Messe Düsseldorf, Tillmann Ein Beispiel ist das Unternehmen »mymuesli«, das in diesem Jahr realisiert. Und die kalifornische Computer-Schmiede Apple macht Es war eine konstruktive Unzufriedenheit mit dem alten Slogan (lacht). nicht mehr erkannt. So etwas kann einem mit dem »Outfit« eines auf dem Neujahrsempfang des GCSC in Frankfurt mit dem Innovati- vor, wie das Store-Erlebnis sogar zum Massen-Event werden kann: onspreis in der Kategorie Handel ausgezeichnet wurde. mymuesli Bei jeder Neueröffnung campieren die Fans vor dem Laden. So war es Manchmal schauen Sie in den Spiegel und sagen sich: »Verdammt, ich Handelsunternehmens auch passieren. begann 2007 als reiner Online-Shop. Die »Firmenzentrale« war zu auch beim Apple-Start im neuen Düsseldorfer Kö-Bogen zu beobach- Anfang noch eine Studenten-WG in Passau. Heute verschickt das Un- ten: Der 16-jährige Schüler Maksym Trilenkko harrte trotz Kälte und ternehmen sein Müsli europaweit – und hat den Schritt aus der vir- Nieselregen fast 18 Stunden vor dem Store aus. Mit ihm warteten am GCM 2 / 2014 GCM 2 / 2014 tuellen in die reale Einkaufswelt gewagt. Der erste Laden öffnete Ende Hunderte auf den Startschuss. Kaufen wollte er eigentlich gar GCM 2 / 2014 GCM 2 / 2014 14 Unternehmer ändern sich, Manager machen weiter, wie gewohnt 42 Fließende Grenzen innenstadt marktplatz – advertorial 62 Entwicklungsdynamik der Leipziger Innenstadt und 78 Agentur Randolph Hopp Integration der Höfe am Brühl 79 Agentur Fashion Time International GmbH 80 PayLife Bank GmbH recht und gesetz 66 Großflächiger Einzelhandel und Atypik gcsc mitglieder (§ 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO) 82 Mitgliederverzeichnis 68 Promotionaktionen im Shopping Center 86 Neue Mitglieder im GCSC 87 Aufnahmeantrag center 70 Center Eröffnungen Deutschland 2014 – 2018 74 Center Umstrukturierungen Deutschland international 76 Netzwerk Europa GCM 2 / 2014
GERMAN COUNCIL . In motion Kauftypen 2025 Wie werden wir morgen shoppen? Wie stark das allgegenwärtige Internet unseren Alltag verändert, erle- Im Gegensatz zu Trends und Prognosen prophezeien Szenarien nicht ben wir täglich am eigenen Leib: Schnell prüfen wir auf dem Smart- die eine – richtige – Zukunft. Das EHI hat sich deshalb für diese Metho- phone, ob der Zug pünktlich ist, scannen den QR-Code auf der Rot- de entschieden, weil sie alternativ denkbare Situationen in der Zukunft wein-Flasche, um mehr über den Winzer zu erfahren und rufen Gut- beschreibt, die auf einem Netzwerk der wichtigsten Schlüsselfaktoren scheine für den Einkauf ab. Längst bewegen wir uns zwischen den beruhen. Die Werthaltung der Konsumenten gehört genauso dazu wie Welten: online wie offline. Unser Kommunikations- und Shopping-All- die Mediennutzung, das Einkaufsverhalten und die Markentreue. tag wird ins Netz verlagert und das Netz in unseren Alltag integriert. Szenarien sind keine Strategie, sondern das Ergebnis einer Teamleis- tung. Das EHI hat gemeinsam mit führenden Marketingexperten aus Wie also werden wir morgen shoppen? Was wollen die Menschen in Handel, Medien und Dienstleistern Zukunftsbilder entwickelt, die die Zukunft? Was sind ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse? Wie muss Kommu- Lebenswelten der Konsumenten von morgen lebendig werden lassen nikation beschaffen sein, damit sie im Markt erfolgreich ist? Wie und daraus die Konsequenzen für die Kommunikation des Handels bis spricht der Handel die Sinne des Menschen an, wie wird die Lust zum zum Jahr 2025 abgeleitet. Kauf geweckt? Kommt der Kunde auch künftig noch ans Regal oder wird die rasante Entwicklung des Online-Shoppings das Ende des sta- 2025 klingt nach den unendlichen Weiten des Cyberspace, in dem der tionären Handels bedeuten? stationäre Handel maximal noch im Museum auftaucht. Doch das Jahr 2025 liegt gerade mal elf Jahre voraus. Und obwohl wir uns alle einig Trends, Prognosen und Expertenmeinungen zur Zukunft gibt es wie sind, dass die Digitalisierung den Alltag der Menschen drastisch ver- Sand am Meer. Dass solche Vorhersagen im Allgemeinen jedoch we- ändern wird, zeigen die acht alternativen Szenarien, dass es nicht nur nig verlässlich sind, zeigen die Irrtümer berühmter Experten. So be- den einen – richtigen – Weg zum Kunden von morgen gibt. So wird es hauptete Bill Gates 1995 »Das Internet ist nur ein Hype.« kritische Verbraucher geben, denen statusorientierte Marken völlig GCM 2 / 2014
GERMAN COUNCIL . In motion © brickrena / Thinkstock.com egal sind. Für sie zählt nur das Preis-Leistungs-Verhältnis. Andere – die hofs Roma Ostiense mit 23 Restaurants und Cafes, einer Kafferösterei Wertorientierten – werden neue Geschäftsmodelle verlangen, weil sie und einer Brauerei seine Leidenschaft für Lebensmittel und Genuss. ihre Produkte lieber mieten statt kaufen wollen. Wieder andere, die Cyberflaneure, absolvieren einen großen Teil ihrer Shopper-Journey in Für die emotionale Bindung des Kunden ist die eigene Verkaufsstelle den digitalen Welten, bevor sie den Laden betreten und sich von digi- der ideale Ort. Der Einsatz »cooler«, dem Zeitgeist entsprechender talen Informationssystemen beraten lassen. Technologien am Regal ergänzt die Inszenierung auf der Fläche und hilft, Produkte auf eine neue Art spannend zu inszenieren und sie be- Der Genusskäufer wiederum liebt seine Marke und die theatralische gehrenswert und kaufenswert zu machen. Bei Burberry in London wer- Inszenierung auf der Fläche. Kampfpreise lassen die Kunden im Szena- den Spiegel auf der Fläche zum Verkaufs- und Unterhaltungsscreen, rio: »Küss mich, berühr mich, verführ mich« absolut kalt. Wofür sie die dem Kunden Empfehlungen à la »das passt dazu« oder »Kunden sich jedoch erwärmen, sind die Erlebniswelten beim Einkauf, vor al- kauften auch« anbieten oder auch die neuesten Making-of Videos akti- lem im Store, aber auch im Internet. Das sinnliche Erleben der Produk- vieren, sobald sich der Kunde mit dem getaggte Produkt nähert. te, das Fühlen, Riechen, Ausprobieren, steht im Mittelpunkt. Das Brand Victim liebt seine Marke, ob Handelsmarke samt Eigenmarke Einkaufen wird durch emotionale Shop-Gestaltung als Erlebnis insze- oder Markenartikel. Einkauf ist für diese Kunden nicht Bedarfs niert und erzeugt dadurch eine Bindung des Kunden. Erlebnisarchitek- deckung, sondere elementarer Teil der Freizeitgestaltung. tur und ganzheitliche Raumkonzepte schaffen außergewöhnliche Ein- kaufserlebnisse, die in jedem Augenblick die Seele der Marke leben- Daraus ergibt sich für den Handel die zentrale Kundenbotschaft: Hier dig und mit allen Sinnen erfahrbar werden zu lassen. Händler stellen könnt ihr was erleben! Das Marketing zielt darauf ab, das Marken- ihre Kompetenz unter Beweis, indem sie alle Details so orchestrieren, Image zu stärken. Hier gilt: klotzen statt kleckern. Genauso wichtig ist dass sie als sinnliche Wahrnehmung im Unterbewusstsein der Genuss- es, ein einmaliges Einkaufserlebnis zu schaffen und sich damit vom käufer positiv geladene Stimmungen erzeugen. Wettbewerb zu differenzieren. So vielfältig die Wege zum Kunden sind, eins haben sie gemeinsam: Genau wie der neue Department Store von Breuninger in Düsseldorf. Kommunikation kann nur vom Kunden ausgehen und konsequent vom Auf fünf Etagen bietet er ein Einkaufserlebnis der Extraklasse. Breunin- Kunden gedacht werden, wenn sie erfolgreich sein will. Statt wie bis- ger inszeniert im Kö-Bogen seine Markenwelt in hochwertigen Flag- her den richtigen Kommunikationsmix für die Marke zu suchen, müs- ship-Stores und gastronomischen Angeboten. Wer sein Shoppingerleb- sen künftig die Lebenswelten und Konsumverfassungen der Kunden nis lieber in privater Atmosphäre mit persönlicher Beratung genießt, berücksichtigt werden. kann den speziellen »Personal Shopping Service« des Hauses in An- spruch nehmen. Oder Bikini Berlin: Das etwas andere Shopping Center in der Nachbarschaft des Berliner Zoos, das mit seiner eindrucksvollen Ein Gastbeitrag von Dachlandschaft und seinen Freizeit- und Erlebniswelten Menschen posi- Marco Atzberger, tiv überraschen will und nachhaltig zufrieden machen möchte. Der Le- Mitglied der Geschäftsleitung, bensmittelhandel hat ebenfalls beachtliche Beispiele zu bieten: Der EHI Retail Institute Edekaner Niemerzein steht für die Liebe zum Detail: ein historischer Kaufmannsladen aus der Sammlung des Circus-Roncalli-Gründers Bern- hard Paul sorgt für das besondere Ambiente im Store: Shoppen wie zu Tante Emmas Zeiten. Oder Eataly: Der international agierende italieni- sche Feinkost Händler zelebriert in dem ehemaligen Terminal des Bahn- GCM 2 / 2014
GERMAN COUNCIL . In motion Frisch vom Sofa muss warten Warum der Online-Handel mit Lebensmitteln nur langsam vorankommt und was sich ändern muss, damit es besser läuft Zwei Sätze, gesprochen vom Rewe-Chef Alain Caparros, bringen das gibt es sonst nirgends in Europa. Das könnte den Ladenbetreibern hel- ganze Dilemma, in dem die Lebensmittelverkäufer in Deutschland ste- fen, der Konkurrenz aus dem Netz zu trotzen. Aber sicher ist das nicht. cken, auf den Punkt: »Wir steigen in einen Zug, wissen nicht, wie Und untätig dasitzen und darauf vertrauen, dass die Kunden ihnen schnell er fährt und ob wir Geld verdienen können. Wir wissen nur, dass hoffentlich die Treue halten werden, will auch niemand. Zu tief sitzt wir dabei sein müssen.« Gemeint ist der Online-Handel mit Milch, der Schock, den zuvor schon Amazon, der weltgrößte Online-Händler, Fleisch, Salat und all den anderen Waren, die die Deutschen heute noch und Zalando, der Mode-Verkäufer aus dem Netz, anderen stationären bevorzugt bei Discountern, Supermärkten oder SB-Warenhäusern kau- Ketten bereitet haben. Die hatten die neuen Wettbewerber zunächst fen. Vom Umsatz in Höhe von 175 Milliarden Euro, den Edeka, Aldi, nicht ernst genommen – und dafür später teuer bezahlt. Der Buchver- Real und andere Food-Anbieter im vergangenen Jahr erwirtschafteten, käufer Thalia beispielsweise weiß heute nicht, wie er die großzügigen entfielen mehr als 99 Prozent auf das stationäre Geschäft. Online-Be- Flächen in seinen Läden füllen soll – Flächen, die er noch vor drei Jah- stellungen machten allenfalls 0,2 oder 0,3 Prozent aus. ren für unverzichtbar hielt. Auch Schuhhändler wie Deichmann, Reno oder Görtz hatten sich lange Zeit sicher gefüllt vor den Konkurrenten aus dem Internet. Denn Schuhe, da waren sie sicher, wollen die Kun- Verglichen mit anderen Warengruppen ist das minimal. Zumal auch den befühlen, anprobieren und ein paar Schritte in ihnen laufen. Bis noch ein Großteil der Erlöse aus dem Verkauf von Delikatessen und Zalando kam und den etablierten Verkäufern zeigte, dass dies nicht Spirituosen resultierte und weniger aus Gütern des täglichen Bedarfs. zwingend im Laden passieren muss, sondern ebenso gut bei den Kun- Bei Unterhaltungselektronik, Büchern und Spielwaren dagegen wird den zu Hause – vorausgesetzt, sie haben die Möglichkeit, die Ware bei in Deutschland bereits jeder vierte Euro im Netz umgesetzt. »Der Le- Nichtgefallen ohne großen Aufwand und kostenfrei zurückzuschicken. bensmittelhandel scheint eine letzte Bastion des stationären Handels zu sein«, meint Thomas Harms, Handelsexperte bei der Beratungs- So soll es den Lebensmittelhändlern nicht gehen. Deshalb testet und und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. experimentiert die Branche, was das Zeug hält. Jeder sucht die beste Lösung. Aber im Grunde geht es allen wie Rewe-Chef Caparros: Sie Die Frage ist: Wird diese Bastion fallen? Und werden damit vielen Le- wissen, dass sich der Markt verändert, aber sie wissen nicht, in welche bensmittelgeschäften die Kunden abhanden kommen? Branchenken- Richtung. Es steht viel auf dem Spiel. Die Experten von Ernst & Young ner schätzen, dass jeder Bundesbürger innerhalb von nur sieben Mi- prognostizieren eine »regelrechte Explosion der digital beeinflussten nuten einen Laden erreichen kann. Ein so dichtes Verkaufsstellennetz Lebensmitteleinkäufe«. Schon 2020 würden zehn Prozent des Bran- chenumsatzes von dann etwa 200 Milliarden Euro im reinen Online- Geschäft erlöst. Weitere 20 Prozent, so Harms, entfielen dann auf so- genannte Cross-Channel-Einkäufe. Dabei kombiniert der Kunde bei seinen Besorgungen stationäre und digitale Kanäle. Etwa, in dem er seinen Warenkorb zu Hause zusammenstellt und im Geschäft abholt. Behält Harms recht, werden in den nächsten Jahren etwa 30 Prozent des Lebensmittelhandels oder 60 Milliarden Euro Umsatz neu verteilt. Und das in einem Markt, der kaum wächst und in dem – angetrieben von den mächtigen Discountern – ein gnadenloser Preiswettbewerb herrscht. Unter den vielen Studien und Befragungen zur Zukunft des Online- Handels, die gegenwärtig kursieren, ist die Untersuchung von Ernst & Young die Spektakulärste. Niemand sonst prognostiziert eine solche Revolution. Aber alle sind sich einig, dass es nicht bei den 400 oder 500 Milliarden Euro bleiben wird, die gegenwärtig im Internetge- © Thinkstock.com schäft erlöst werden. Deshalb herrscht Aufbruchstimmung. Etablierte Supermarkt-Betreiber wie Edeka, Rewe oder Tengelmann haben Ver- suchsballons gestartet. Mit regional tätigen Lieferdiensten aus den Fi- lialen heraus oder in Form eines sogenannten Click-and-Collect-Ser- GCM 2 / 2014
GERMAN COUNCIL . In motion vice, bei dem der Verbraucher online bestellt und die Ware selbst in der Filiale oder einem Zentrallager abholt. Zudem beteiligen sich La- denbetreiber an jungen Internet-Firmen aus anderen Branchen, um zu lernen, wie das Geschäft im Netz funktioniert. Dahinter stehen noch keine riesigen Investments. Zu groß ist offenbar die Angst, Geld zu verbrennen. Aber die Großen im stationären Geschäft wollen gewapp- net sein – für den Fall, dass der Markt anspringt und Branchenfremde ihnen Marktanteile abjagen wollen. Es geht um Kundenbindung und Marktanteile. Zunächst. Aber natürlich treibt alle die Frage um: Wie lässt sich mit Le- bensmitteln, deren Marge aufgrund des starken Preiswettbewerbs na- hezu ausgereizt ist, im Online-Geschäft Geld verdienen? In einem Me- tier also, in dem die besonderen Herausforderungen in der Logistik das Geschäft teuer machen. Problem Nummer eins: der Lieferwagen. Die Fahrzeuge müssen über drei unterschiedliche Temperaturzonen verfügen – für gefrorene, ge- kühlte und temperaturunempfindliche Waren. Das schränkt die Lade- © Thinkstock.com kapazität ein und verschlingt hohe Summen für Anschaffung und Un- terhalt. Problem Nummer zwei: die Ungeduld der Kunden. Wer Milch, Jo- ghurts und Obst online ordert, möchte die Sachen zügig angeliefert bekommen. Und möglichst persönlich in Empfang nehmen – nicht beim Nachbarn oder einer Paketstation abholen. Das hat eine Studie Problem Nummer sieben: die niedrigen Einkaufsbons. Bei Lebensmit- des IFH Instituts für Handelsforschung gezeigt. teln liegt der durchschnittliche Einkaufsbetrag im Online-Geschäft bei unter zehn Euro. Da fallen ein paar Euro Aufschlag für die Zustellung Problem Nummer drei: die Zustellung. Der Bote muss den Kunden an- stark ins Gewicht. Ein Mindestbestellwert könnte die Lösung sein. treffen. Aber niemand will den ganzen Vormittag zu Hause bleiben Doch der, so meint Experte Heinemann, müsste mindestens 100 Euro und auf seine Einkäufe warten. Eine zeitgenaue Lieferung ist teuer. betragen. Aber das lässt sich mit einer verbesserten Technik möglicherweise in den Griff bekommen. Manche Lieferdienste sind schon heute in der Wenn Skeptiker die vielen Herausforderungen auflisten, vor denen die Lage, exakte Zeitfenster anzugeben, in denen sie die Ware anliefern. Netz-Verkäufer von Lebensmitteln stehen, verweisen Online-Enthusi- Nur: Ist das Zeitfenster zu eng, kann es passieren, dass eine Straße asten gerne auf die Verhältnisse in Großbritannien. In keinem ande- mehrfach angefahren werden muss, weil die Kunden unterschiedliche ren Land haben große Ketten wie Tesco in den vergangenen Jahren so Lieferzeiten gewählt haben. viel in den digitalen Handel investiert. Und nirgendwo werden inzwi- schen so viele Lebensmittel per Klick gekauft. Knapp sechs Milliarden Problem Nummer vier: die hohe Empfindlichkeit der Waren. Erdbee- Euro setzten die Internet-Verkäufer im vergangenen Jahr um. Nur: Gut ren, Joghurts oder Salate sind leicht verderblich. Gehen sie durch viele verdient haben sie dabei nicht, im Gegenteil. In vielen Fällen haben Hände, steigt das Risiko, dass sie beschädigt werden und aussortiert die Kosten die Erträge aufgefressen. Und das, obwohl die Margen in werden müssen. Großbritannien sehr viel größer sind als in Deutschland. Nein, der Kö- nigsweg im Online-Vertrieb mit Lebensmitteln ist noch nicht gefun- Problem Nummer fünf: der Qualitätsanspruch der Kunden. Die Frische den. Gut möglich, dass die Bastion LEH für die Internet-Verkäufer noch der Produkte sind der Studie des IHH Instituts für Handelsforschung auf sehr lange Zeit uneinnehmbar ist. zufolge die wichtigste Voraussetzung für den Online-Kauf. Kunden, die in diesem Punkt einmal enttäuscht werden, kehren dem Online- Händler möglicherweise erst einmal für längere Zeit den Rücken. Ein Beitrag von Problem Nummer sechs: die Preisempfindlichkeit der Kunden. In kei- Stefan Weber nem anderen Land besitzen Discounter eine ähnlich starke Marktposi- tion wie in Deutschland. Die Folge: Nirgendwo sonst sind Lebensmit- tel so preiswert wie hierzulande. Eine Belieferung ist jedoch in der Mehrzahl der Fälle ohne einen Aufschlag nicht wirtschaftlich zu be- treiben. Ob es ausreichend viele Online-Besteller gibt, die diesen Ext- rapreis zu zahlen bereit sind? Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb Re- search Centers an der Fachhochschule Niederrhein, ist sicher: »Nein, die gibt es nicht.« Vielleicht in Ballungszentren, aber keineswegs flä- chendeckend. Andere Experten vermuten, dass es vor allem Senioren, Familien und beruflich stark engagierten Menschen durchaus ein paar Stefan Weber berichtet seit mehr als 20 Jahren für die Wirtschaftsredaktion Euro wert sein wird, Fleisch, Getränke oder Obst an die Haustür gelie- der Süddeutschen Zeitung aus Nordrhein-Westfalen. Seine Themen findet der fert zu bekommen. Ob das genügt für eine Revolution im Lebensmit- Diplom-Kaufmann vor allem in der Welt des Handels – schließlich ist die Regi- telhandel? on an Rhein und Ruhr die Heimat der meisten großen Handelsunternehmen. GCM 2 / 2014
GERMAN COUNCIL . In motion Anfangen, wo andere aufhören – 1. Teil Weil sich die Oterser nicht kilometerweit zum Einkaufen bewegen wollten, schoben sie ihren eigenen Dorfladen an. Mit Erfolg. Und der hat Folgen. Wenn Bauer Paul mit Enkel Jonas einkaufen geht, ziehen sie vorm Ge- dachten die Oterser und entschieden sich für Engagement statt Unter- schäft die Schuhe aus. Ihren Stalldreck möchten sie nicht in den Laden versorgung. Mit 75.000 Euro Invest lässt sich das Problem beheben, tragen. Zu Hause sind derlei Höflichkeitsgesten normal, beim Shoppen errechnete Dorfbewohner Günter Lühning, von Beruf Sparkassenfilial- dürften sie ein Oterser Unikum sein. Otersen, 520 Seelen, ein Dorf ir- leiter. Er schlug vor, eine Minigenossenschaft zu gründen, um die nach gendwo zwischen Hannover und Bremen. Die Landschaft ist idyllisch, Abzug der Gemeindezuschüsse fehlenden 50.000 Euro zu finanzieren. die Schafe sind schmuck, die Gehöfte sind es auch. Hier wird beim Erle- »Im schlimmsten Fall ist das Geld weg. Keiner haftet persönlich«, klär- digen der Besorgungen eher geduzt als gesiezt, geschnackt als gesmall- te der heutige Vorsitzende des Dorfladen-Netzwerk.de seine Mitstrei- talkt, und was im Sortiment fehlt, besorgt der Krämer extra. ter auf. Tatsächlich kauften 70 Bürger Anteilsscheine im Wert von je 250 Euro. Es war eine riskante Investition. Eine, die auf Lebensqualität spekuliert, nicht auf geldwerte Rendite. Damals konnte jeder nur hof- Ohne den Laden hätte vermutlich bis heute niemand weiter Notiz von fen, dass der Laden schwarze Zahlen schreiben werde. 13 Jahre später dem Ackerbürgerdörfchen genommen. Aber Nahversorger in flau be- besitzen 120 Bürger Anteilsscheine und jeder weiß, mit 370.000 Euro siedelten Landstrichen sind mittlerweile erfreuliche Ausnahmen. Sind Nettojahresumsatz trägt sich das Geschäft. sie dazu noch auf 180 Quadratmeter in tipptopp renoviertem Bauern- haus und in Bürgerbesitz, ist das schon außergewöhnlich. Wie es zur Hätten die Oterser nicht zur Selbsthilfe gegriffen, wären sie, wie acht Kollektivierung der Nahversorgung kam, daran erinnert sich noch je- Millionen andere Deutsche, in die Unterversorgung gerutscht. Allein der im Ort. Es war 2000, als der letzte Krämer altersbedingt seine Se- in Bayern haben 70 % der kleinen Dörfer keinen Krämer mehr. Und gel strich. Gerade mal ein Dreivierteljahr Zeit blieb den Dorfbewoh- von 125.000 eigenständigen Kaufleuten, die es 1970 bundesweit gab, nern, um die 15 Kilometer lange Fahrt zum Einkaufen abzuwenden. waren vorletztes Jahr 25.000 übrig, bilanziert der deutsche Lebensmit- Allerdings entpuppte sich die Nachfolgersuche als aussichtslos und Fi- teleinzelhandel. In den gleichen 42 Jahren sank die Zahl der Geschäfte lialketten winkten entschieden ab. »Stirbt der Laden, stirbt das Dorf«, von 160.000 auf 36.866. Denn mit den Filialisten setzte sich die Maxi- Dorfladen Otersen mit Aller Café GCM 2 / 2014
german council . In motion Gemeinsamkeit zählt Dorfladen Otersen: Bürger zwischen 17 und 77 erbrachten 5.000 Std. Eigenleistung Spitzenköche Open-Air in Otersen me durch: Lieber wenige Große als viele Kleine. Für ihren geübten Weil ihnen ihr 140-qm-Laden nicht den nötigen Platz bot, kaufte die Renditeblick sind die Miniaturstädte nur eins – Verlustgeschäfte. Ladeninitiative ein baufälliges kleines Bauernhaus. Und vielen Orten blüht erst noch, was Otersen bereits um 1980 erlebte. Diesmal griffen die aktiven Bürger nicht nur zur Kohle, sondern auch Es schrumpfte von 500 auf 400 Einwohner. Eigentlich war der Heideort zur Kelle. Insgesamt steckten 70 Bürger 5.000 Stunden Eigenleistun- auf dem besten Weg zum toten Dorf; dann brachte 1991 die Aufnahme gen in den alten Fachwerkhof, für den sie 70.000 Euro bezahlten. Ge- ins Dorferneuerungsprogramm die Wende. Die Fördergelder sanierten schätzte 600.000 Euro ist der Kollektivbesitz heute wert. Mit EU- und, heruntergekommene Häuser und das geschundene Selbstbewusstsein Gemeindegeldern sowie der Verdoppelung von Bürgereinlagen auf ihrer Bewohner gleich mit. Statt weiter Energie mit Mangelklagen an 100.000 Euro wurde die Anschubfinanzierung gestemmt. Statt Miete Gemeinde- und Landesväter zu vergeuden, half der Revitalisierungs- zu zahlen, tilgt man nun 218.000 Euro Darlehen. Das Beste: Neben 40 schub, die Welt wieder aktiv zu gestalten. Mit 520 Menschen leben Quadratmetern mehr Verkaufsfläche gibt es nun 70 Extraquadratme- heute mehr in Otersen als vor dem Abschwung. Bei den Neubürgern ter Café. Hier strickt der Knüddelclub, schnuddeln die Dorfältesten nachgefragt, stellten die Einheimischen verblüfft fest, dass Bauland zu und freitags gibt’s Suppe. Klappt alles wie geplant, wird künftig täg- Schnäppchenpreisen von 35 Euro pro Quadratmeter gar nicht der An- lich ein Mittagsgericht serviert. siedlungsgrund Nummer eins war. Entscheidender waren der örtliche Kindergarten und – der Laden. Der ist gewissermaßen Akupunktur fürs All dies ist Dienst am Kunden, bahnt aber auch den Weg zum Extrage- Dorf. Mit einem gezielten Stich hält er die Gemeinschaftsenergie in schäft. Der Einzugsradius des Dorfladens ist mit 520 Oterser, 190 Witt- Fluss – Alte müssen nicht abwandern, Junge wollen bleiben und Neue lohern und 900 Gelegenheitskäufern aus den Nachbargemeinden ziehen zu. Betrieben wird der Laden wohlgemerkt nicht von Profis, überschaubar klein. Der Deckungsgrad des Lebensmittelsbedarfs zählt sondern von Bürgern, die sich, getrieben von Wunsch nach Lebensqua- mit 35 % schon zu den hohen. Was aber, wenn die jährlich 6000 Rad- lität, ermächtigen. Doch die Gesetze des Handels sind erbarmungslos wanderer lokale Köstlichkeiten zu schätzen lernen? Oder sich vorbei- und überall gleich: Nur wer am Ball bleibt, bleibt für Kunden attraktiv. fahrende Autos zum Snack-Shop-Stop hinreißen ließen? 2010 stand die Modernisierung an. »Vor 13 Jahren hat sich noch kein Dorfladen mit Kaffeeecke gegründet, heute gehört sie mit dazu«, be- Wer allerdings in romantischer Verklärung eine emsige Emma in der schreibt Lühning den bundesweit zu beobachtenden Konzeptwandel. Tenne erwartet, der wird sich wundern. »Emmas Enkel« sind spürbar GCM 2 / 2014
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