MAGAZIN - GRUNDRENTE - ERSTE BESCHEIDE VERSCHICKT SOVD GIBT ANTWORTEN AUF DIE WICHTIGSTEN FRAGEN - SOZIALVERBAND DEUTSCHLAND
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Juli | August 2021 Magazin Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland Grundrente – erste Bescheide verschickt SoVD gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen
2 Über uns Inhalt 3 Eine starke Gemeinschaft Gerechtigkeitslücke geschlossen Der Sozialverband Deutschland (SoVD) rungssysteme ein. Der Sozialstaat ist ein Mit dem Beginn der Auszahlung der vertritt die Interessen der Rentner, der wichtiges Auffangnetz für die Menschen Grundrente gibt es Zulagen für Gering- Patienten und gesetzlich Krankenversi- – das zeigt sich gerade in Zeiten wirt- verdienende. cherten sowie der pflegebedürftigen und schaftlicher Krisen. Uns geht es auch um Seite 4–11 behinderten Menschen. Wir setzen uns für Chancengleichheit, zum Beispiel um die Ihre Rechte ein und bie- Bildung und Ausbildung, Pflegereform reicht nicht aus ten unseren Mitgliedern die unsere Gesellschaft Beratungsstellen in ganz behinderten und benach- SoVD kritisiert verabschiedete Reform – Deutschland. Dort erhal- teiligten Kindern und Ju- Kostensteigerungen auf dem Rücken der ten sie Hilfe bei Fragen gendlichen bietet. Patient*innen. zur gesetzlichen Kranken-, Der SoVD ist eine starke Renten- und Pflegeversicherung oder in Gemeinschaft mit rund 600.000 Mitglie- Seite 12–19 behindertenrechtlichen Dingen. Soziale dern. Bei uns können Sie sich engagieren Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt un- und mit anderen gemeinsam aktiv wer- Stubenhocker wider Willen serer Arbeit. Wir setzen uns für den Aus- den. Einer von über 2.000 Ortsverbänden Kinder und Jugendliche verpassen im bau und den Erhalt der sozialen Siche- befindet sich bestimmt auch in Ihrer Nähe. Lockdown wichtige Entwicklungsschritte. Seite 30–41 20 Jahre SGB IX Das Gesetz sollte vor allem für mehr Teil- habe sorgen. Nun ist es an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Seite 20–23 Miete frisst Einkommen Arme Haushalte müssen einen großen Die bundesweit über 600.000 Mitglieder des SoVD bilden eine starke Gemeinschaft. Teil ihres verfügbaren Geldes für die Mietzahlungen aufbringen. Seite 42–45 Foto Titelbild: cicisbeo / Adobe Stock
4 Titelthema Titelthema 5 Zulagen für Geringverdienende – SoVD begrüßt Beginn der Grundrentenzahlungen Gerechtigkeitslücke geschlossen Seit Januar 2021 ist die Grundren- te in Kraft. Beschlossen wurde das Gesetz bereits im Sommer 2020. Noch ist aber kein Geld geflossen. Ab Juli sollen nun die ersten Be- scheide verschickt werden. Doch wer ist überhaupt anspruchsbe- rechtigt? Wann und wie erfahren Rentner*innen die Höhe eventu- eller Zulagen? Und in welchem Zeitrahmen erfolgt die Auszah- lung? Der SoVD, der die Grund- rente im Kern sehr befürwortet, gibt Antworten auf diese und an- dere Fragen. Foto: absolut / Adobe Stock Jahrelange Erziehungs- und Pflegeleis- tungen werden mit der Grundrente stär- ker anerkannt. Die ersten Bescheide ge- hen im Juli raus.
6 Titelthema Titelthema 7 Foto: absolut / Adobe Stock Die Grundrente ist ein Plus zur be- Auszahlungen. Bauer betont, dass neintritts bereits gestellt wurde stehenden Rente. Mit ihr erhalten es dabei auch darum gehe, Erzie- oder noch zu stellen ist. Die Prü- Geringverdienende, die 33 Jahre hungs- und Pflegeleistungen stär- fung erfolgt automatisch, ebenso Pflichtbeiträge aus Beschäftigung, ker anzuerkennen. Diese leisten die Auszahlung. Kindererziehung oder Pflegetätig- nach wie vor überwiegend Frauen. Künftige Ruheständler*innen er- keit vorweisen können, individu- Um einen Grundrentenzuschlag halten mit ihrem ersten Renten- elle Zuschläge auf ihre knappen zu erhalten, kann und muss kein bescheid zugleich die Information, Altersbezüge. gesonderter Antrag gestellt wer- ob ein Anspruch auf eine Zulage Von bundesweit insgesamt 21 den. Es reicht der normale Ren- aus der Grundrente besteht und in Millionen Rentner*innen haben tenantrag, der für die normale welcher Höhe. laut Schätzungen etwa 1,3 Milli- Altersrente zu Beginn des Rente- Für alle, die bereits in Rente sind, onen Anspruch darauf – unabhän- wird der Zuschlag rückwirkend gig davon, ob sie sich bereits im zum 1. Januar 2021 gezahlt. Die Ruhestand befinden oder der Ren- Überprüfung startet mit den älte- teneintritt noch bevorsteht. ren Jahrgängen; die jüngeren fol- Rentenzuschläge für Niedrigver- gen nach. Rentner*innen, die nicht dienende und Freibeträge in den anspruchsberechtigt sind, erhal- Grundsicherungssystemen ent- ten keinen gesonderten Bescheid. sprechen langjährigen Forderun- gen des SoVD. Zeiten von Kindererziehung „Nach jahrzehntelanger Arbeit und und Pflege zählen dazu Erziehungs- oder Pflegeleistungen Insgesamt prüft die Deutsche müssen Menschen darauf bauen Rentenversicherung (DRV) rund können, dass ihre Rente zum Leben 26 Millionen Bestandsrenten auf reicht – gerade, wenn sie bereits in Zulagenansprüche und rechnet der Erwerbsphase zu gering ent- auch deren Höhe aus. lohnt wurden. Sie verdienen im Al- Die DRV addiert Zeiten, in denen ter mehr als Menschen, die wenig Pflichtbeiträge aus Berufstätig- oder gar nicht gearbeitet haben“, keit oder Selbstständigkeit ge- begrüßt SoVD-Präsident Adolf zahlt wurden. Aber auch Zeiten für Bauer deshalb die nun startenden Kindererziehung und Pflege von
8 Titelthema Titelthema 9 Angehörigen sowie Phasen von Stunde würde mit einem monat- Krankheit und Rehabilitation zäh- lichen Einkommen in Vollzeit von len. Nicht berücksichtigt werden 1.536 Euro somit zu Grundrenten- hingegen Zeiten der Arbeitslosig- ansprüchen führen. keit mit Bezug von Arbeitslosen- Auf die gleiche Weise werden geld I oder II (Hartz IV). alle anderen „Grundrentenbewer- tungszeiten“ geprüft. Da so viele Persönliche Einkommen im Renten überprüft werden müssen, Vergleich zum Durchschnitt kann dies in Einzelfällen bis Ende Eine weitere Voraussetzung lautet: 2022 dauern. Der persönliche Durchschnittsver- dienst muss über den gesamten Freibeträge in der Zeitraum, der für die Berechnung Grundsicherung der Grundrente relevant ist, min- Die Grundrentenzuschläge kön- destens 30 Prozent und höchs- nen nicht für alle Geringverdie- tens 80 Prozent des allgemeinen nenden sicherstellen, dass die Durchschnittsverdienstes betra- Altersbezüge den Lebensunter- gen haben. halt im Alter abdecken. Das kann Ob in Vollzeit oder als Nebenbe- zum Beispiel der Fall sein, wenn schäftigung, ist dabei nebensäch- die Miete relativ hoch ausfällt, die lich. Geringfügige Beschäftigun- laut Gesetz zu den individuellen gen erfüllen die Voraussetzungen Bedarfen gerechnet wird. nicht. Legt man als Beispiel den durch- schnittlichen Verdienst des Jahres 2020 von 3.379 Euro brutto zu- grunde, liegt die Spanne für das Foto: industrieblick / Adobe Stock vergangene Jahr zwischen 1.013 Jahrzehnte prekär entlohnt und kein und 2.703 Euro. Auskommen im Alter? Mit der Grund- Eine Beschäftigung zum aktuellen rente erhalten Geringverdienende in- Mindestlohn von 9,60 Euro pro dividuelle Zuschläge auf ihre knappen Altersbezüge.
10 Titelthema Titelthema 11 Für Menschen, die mindestens zialen Ungerechtigkeit auf. Denn 33 Jahre an Grundrentenzeiten Einkommen und Vermögen kamen vorweisen können, aber trotz der vorher im Rahmen der – dem Er- Zuschläge auf Grundsicherungs- halt von Grundsicherung vorge- leistungen angewiesen sind, hat lagerten – Bedürftigkeitsprüfung der Gesetzgeber Freibeträge für zum Abzug. Jetzt führt jeder ein- die gesetzliche Rente eingeführt. gezahlte gesetzliche Rentenbei- Solche Freibeträge werden dann trag zu einem Gesamteinkommen nicht auf die Grundsicherung an- oberhalb der Grundsicherungs- gerechnet. grenze. Aus Sicht des SoVD räumen die Der SoVD wird sich auch weiter- Freibeträge mit einer großen so- hin dafür einsetzen, das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversiche- rung wieder zu stärken. Denn die- se ist für viele Menschen die zen- trale Einkommensquelle im Alter. Foto: Ingo Bartussek / Adobe Stock Der SoVD kämpft für eine sichere Ver- sorgung im Ruhestand
12 Sozialpolitik Sozialpolitik 13 SoVD kritisiert die verabschiedeten Pflegepläne – Kostensteigerungen auf dem Rücken der Pflegebedürftigen Pflegereform, die den Namen nicht verdient Auf den letzten Metern vor der Wahl hat die Koalition für die dringend benötig- ten Pflegekräfte doch noch eine Ausgestaltung der Löhne nach Tarif auf den Weg gebracht. Zumindest sehen dies die Pläne vor, auf die sich die Bundesminister Hubertus Heil (SPD) und Jens Spahn (CDU) letztlich einigen konnten. Der SoVD bewertet das Ergebnis als „äußerst enttäuschend“. Von der angekündigten und lange versprochenen „Reform“ könne keine Rede mehr sein. Foto: bilderstoeckchen / Adobe Stock Pflegekräfte in Altenheimen müssen künftig nach Tarif oder tarifähnlich bezahlt werden.
14 Sozialpolitik Sozialpolitik 15 Greifen sollen die nun im Bundes- kabinett beschlossenen Vorhaben, die als Änderungsanträge zum laufenden Gesetzgebungsverfah- ren in die Debatte eingebracht wurden, ab September 2022. Al- ten- und Pflegeheime sollen ab dann nur noch eine Zulassung er- halten, wenn sie Tariflöhne oder zumindest tarifähnlich bezahlen. Damit Tarifverträge über dem re- gional üblichen Niveau zustan- de kommen, gibt es für Arbeitge- ber*innen und Betreiber*innen einen zusätzlichen Anreiz: Die Pflegekassen sind gehalten, nicht tarifgebundenen Arbeitgeber*in- nen den in der Region geltenden tige ab Januar 2022 Zuschläge, Durchschnitts-Tariflohn zuzüglich die den Eigenanteil für die reine zehn Prozent zu erstatten. Pflege senken. Bei den geplanten Zur Gegenfinanzierung soll der Entlastungszuschlägen für Pflege- Zuschlag für Kinderlose beim bedürftige (wie berichteten in der Pflegebeitrag um 0,1 Punkte auf Juni-Ausgabe) gab es zuletzt noch künftig 0,35 Prozentpunkte an- Änderungen: So soll der Eigenan- gehoben werden. Damit steigt teil für die reine Pflege jetzt schon der Beitrag für sie von 3,3 auf 3,4 im ersten Jahr im Heim um 5, im Prozent des Bruttolohns. Der Bund zweiten dann um 25, im dritten um soll darüber hinaus ab 2022 eine 45 und ab dem vierten Jahr um 70 Foto: reddragonfly / Adobe Stock Milliarde Euro für die Pflegeversi- Prozent sinken. Zunächst waren Die bessere Bezahlung von Pflegekräf- cherung zuschießen. Zuschüsse erst ab dem zweiten ten war im Koalitionsvertrag verabre- Zugleich erhalten Pflegebedürf- Jahr geplant. det worden.
16 Sozialpolitik Sozialpolitik 17 Zuschüsse schützen nicht vor stei- zahlen müssen. Die Zuschüsse Lohnsteigerungen kalkuliert wür- genden Pflegekosten schützen sie keineswegs vor stei- den, nicht die steigenden Kosten Ziel der Zuschüsse ist es, Pflege- genden Pflegekosten insgesamt“, insgesamt. So begrüßt der SoVD bedürftige von steigenden Kosten betont SoVD-Präsident Adolf es zwar, dass die Zuschüsse zu- zu entlasten. Doch genau dieses Bauer. Zumal bei den Zuschüssen mindest im stationären Bereich Ziel wird aus Sicht des SoVD weit allein die auf Basis der Tarifver- Langzeitpflegebedürftige in den verfehlt. „Pflegebedürftige werden handlungen steigenden Kosten Heimen erheblich entlasten. „Als künftig in jedem Falle mehr Geld für mehr Personal und überfällige Teilkostenversicherung mit be- grenzten Zuschüssen je Pflege- grad tragen Pflegebedürftige je- doch weiterhin im Wesentlichen Kostensteigerungen selbst. Das bedeutet ein Armutsrisiko.“ Darüber hinaus bemängelt der SoVD, dass für ambulant Versorgte und pflegende Angehörige keine Entlastungen oder Verbesserun- gen vorgesehen sind. Heimbewohnende zahlen auch für Unterkunft und Kost Die bessere Bezahlung dringend benötigter Pflegekräfte war er- klärtes Ziel der Großen Koalition. In der Altenpflege mit rund 1,2 Foto: haily_copter / Adobe Stock Für Pflegebedürftige werden die Kos- ten steigen, kritisiert der SoVD.
18 Sozialpolitik Sozialpolitik 19 Millionen Beschäftigten bekommt laut Arbeitsministerium derzeit nur knapp die Hälfte Tariflohn. Auf der anderen Seite steigen die selbst zu zahlenden Anteile für Pflegebedürftige in Heimen seit Jahren. Zuletzt lagen sie bei 2.068 Euro pro Monat im Bundesschnitt, wobei es große regionale Unter- schiede gibt. Enthalten ist in den Kosten vor allem der Eigenanteil für die rei- ne Pflege. Denn die Pflegeversi- cherung trägt – anders als es bei der Krankenversicherung der Fall ist – nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner*innen kommen aber auch noch Kosten für Unter- kunft und Verpflegung hinzu. Auch Investitionen in die Einrichtungen werden anteilig auf sie umgelegt. Refinanzierung viel zu knapp bemessen des demografischen Wandels sei „Mit einer Pflegereform hat das die Refinanzierung viel zu knapp alles wenig zu tun“, resümiert So- bemessen. „Und zwar gerade, weil VD-Präsident Adolf Bauer. „Es ist unbedingt zusätzliches Pflegeper- nicht mal die viel zitierte Pflege- sonal benötigt wird. Die Folgen reform ‚light‘.“ Angesichts des an- müssen die Pflegebedürftigen Foto: Kzenon / Adobe Stock haltenden Pflegepersonalnotstan- und ihre Angehörigen ausbaden“, Kosten für Unterkunft und Verpflegung des, steigender Pflegekosten und so der SoVD-Präsident. bleiben Sache der Heimbewohner*innen.
20 Sozialpolitik Sozialpolitik 21 Weg von der Fürsorge, hin zur Teilhabe: Sozialleistungen für Menschen mit Behinderungen noch mit Defiziten 20 Jahre SGB IX – mehr Selbstbestimmung? Es ist Zeit für eine Bilanz. Am 1. Juli 2001, vor 20 Jahren, trat das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Kraft. Es fasste das Verfahrensrecht für Rehabilitati- on zusammen, regelt nun, wie Menschen mit Behinderungen an ihre Leistungen Foto: Andi Weiland / Gesellschaftsbilder kommen und die Träger sich abstimmen müssen. Auch sollte es für einen Perspek- Echte Teilhabe für Menschen mit Be- tivwechsel sorgen: von der Fürsorge zur Teilhabe. Dieses Ziel verfolgten später hinderungen heißt auch Inklusion am auch Reformgesetze. Ist das gelungen? Nur zum Teil, meint der SoVD. ersten Arbeitsmarkt.
22 Sozialpolitik Sozialpolitik 23 (BTHG) wurde das SGB IX erstmals auch Leistungsrecht, statt nur Ab- läufe und Verfahren zu regeln. In vier Stufen von 2017 bis 2023 strukturierte es das Gesetzbuch um und fasste es neu. Das BTHG schärfte die Zusam- menarbeit und Transparenz im Reha-Prozess und machte Vorga- ben zur Bedarfsermittlung. 2020 löste es die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe des SGB XII und fügte sie ins SGB IX ein. Der SoVD kritisiert aber, dass hier die Sozialpolitisch sollte es dazu füh- Arbeitsleben geht es darum, die Einkommens- und Vermögensan- ren, dass Menschen mit Behinde- Eingliederung am Jobmarkt zu för- rechnung weiter besteht und ein rungen selbstbestimmt leben und dern und passende Arbeitsplätze Kostenvorbehalt das Wunsch- und umfassend an der Gesellschaft zu schaffen. Wahlrecht begrenzt. teilhaben können. Die neuen Ver- Das SGB IX stärkte Schwerbehin- Auch im gerade erst beschlos- fahrensregeln sollten Gleichbe- dertenvertretungen in Betrieben, senen Teilhabestärkungsgesetz rechtigung fördern und Benach- ebenso die Integrationsämter. In (TSG) betrifft vieles das SGB IX. Ei- teiligung bekämpfen. Das SGB IX diesen und vielen beratenden nige Änderungen sieht der SoVD setzte das Benachteiligungsver- Gremien ist der SoVD vertreten. durchaus positiv. Das gilt etwa für bot aus Artikel 3 des Grundgeset- Bis heute begleiten Verbände die das ausgeweitete Budget für Aus- zes um, der erst 1994 um „Behin- Gesetzgebung. Zur vollen Teilhabe bildung und die Ausgestaltung derung“ erweitert worden war. und Selbstbestimmung ist es noch Darum erhalten schwerbehinder- ein Weg. te Menschen zusätzlich zu allge- Foto: Andi Weiland / Gesellschafsbilder meinen Leistungen besondere Bundesteilhabegesetz und Das SGB IX regelt Hilfen für die beruf- Hilfen, um Nachteile und Mehr- Teilhabestärkungsgesetz liche Integation von Menschen mit Be- aufwendungen auszugleichen. Im Mit dem Bundesteilhabegesetz hinderung.
24 Sozialpolitik Sozialpolitik 25 des leistungsberechtigten Perso- der Arbeitgeber, schwerbehin- nenkreises in der Eingliederungs- derte Menschen zu beschäftigen hilfe. Doch beim neu eingeführten – hierfür dauerhaft zusätzliche Gewaltschutz, an sich zu begrüßen, Informationsangebote zu finan- sind dringend Konkretisierungen zieren, erscheint kaum einsichtig“, nötig. sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Auch sonst sieht der SoVD noch Zudem soll die Finanzierung aus Nachbesserungsbedarf. Gerade der Ausgleichsabgabe der Betrie- im Bereich Arbeit bleibt das Ge- be kommen. Künftig könnte also setz vieles schuldig. Die Zahl der noch weniger Geld da sein für För- Betriebe mit null Prozent schwer- derprojekte. „Die unterlassene Er- behinderten Angestellten nimmt höhung der Ausgleichsabgabe ist nicht ab, sondern seit Jahren kon- umso bitterer für die Betroffenen“, tinuierlich zu. so Bauer. Statt dafür zu sorgen, dass Unter- Da der Gesetzgeber der SoVD-Kri- nehmen die Beschäftigungsquo- tik nicht folgte, geht es nun um die ten erfüllen, schuf das TSG „Ein- Umsetzung in den Bundesländern. heitliche Ansprechstellen“. Die Landesverbände sollten da- für eintreten, dass wenigstens die Einheitliche Ansprechstellen sto- Integrationsfachdienste den Zu- ßen auf SoVD-Kritik schlag erhalten. Sie haben Erfah- Sie sollen Arbeitgeber beim Aus- rung und eine „Scharnierfunktion“ bilden, Einstellen und Beschäfti- zwischen Unternehmen und Be- gen schwerbehinderter Menschen schäftigten. Der SoVD gehört den beraten und unterstützen. Offen Beiräten der Integrationsämter an, ist, wer die Aufgabe vor Ort über- die über die Vergabe entscheiden. nimmt. Genannt sind sowohl die „Begleiten wir die neuen Entwick- Foto: Firma V / Adobe Stock Integrationsfachdienste als auch lungen weiter kritisch-aufmerk- Der SoVD fordert eine höhere Aus- „andere geeignete Träger“. gleichsabgabe für Unternehmen, die sam!“, rief der SoVD-Präsident auf. Der SoVD sieht das kritisch. „Es keine Menschen mit Behinderung ein- gibt bereits eine Gesetzespflicht stellen.
26 Aus dem Verband Aus dem Verband 27 Versicherungszeiten werden nicht gelöscht: SoVD-Mitglied mit beispielhaftem Fall Sieg vor Bundessozialgericht Ein SoVD-Mitglied übernahm für mehrere Jahre die Pflege seines Sohnes mit Be- hinderung. Vor Gericht ging es um die Frage nach der Rechtmäßigkeit der daraus entstandenen Rentenansprüche. Es urteilte wie bereits die Vorinstanzen – für das SoVD-Mitglied. Konkret ging es in dem Fall um Pflege in den Jahren 1995 bis 2006 für den 1987 geborenen Sohn. Das Mitglied stellte 1996 bei der Pflegeversicherung des Sohnes einen Antrag auf Versiche- rungspflicht als nicht erwerbsmä- ßig tätige Pflegeperson. Die Pfle- gekasse übermittelte daraufhin Foto: benjaminnolte / Adobe Stock Entgelte für die Pflegetätigkeit Aus der Pflege von Angehörigen mit Be- an die Rentenversicherung des hinderung können sich Rentenansprüche SoVD-Mitgliedes. ergeben.
28 Aus dem Verband Aus dem Verband 29 Nach einer (vom Mitglied ver- angeordnete Fiktion gilt auch für anlassten) Überprüfung des Ver- von der Pflegekasse zu Unrecht sicherungsverlaufes stellte die entrichtete Pflichtbeiträge zur Pflegekasse fest, die Beiträge zu Rentenversicherung wegen nicht Unrecht gezahlt zu haben. Es habe erwerbsmäßiger Pflege (BSG, Az.: keine Rentenversicherungspflicht B 5 RE 5 / 20 R). bestanden, da die wöchentliche Pflegezeit weniger als 14 Stunden betrug. Die Zeiten sollten aus dem Versicherungsverlauf gelöscht werden. Dagegen erhob das SoVD-Mit- glied Widerspruch. Es argumen- tierte, dass es auf die bestehende Versicherungspflicht vertraut und dementsprechende Entscheidun- gen zur Altersvorsorge getroffen habe. Mehrfach über die elf Jahre der Pflegetätigkeit hatte es Be- scheide und Renteninformatio- nen der Pflegekasse zugeschickt bekommen. Eine Rückabwicklung nach so langer Zeit verstoße ge- gen den Vertrauensschutz. Wie schon das Sozialgericht und das Landessozialgericht folgte in der mündlichen Verhandlung auch das Bundessozialgericht die- Foto: mjowra / Adobe Stock ser Auffassung. Die Beiträge gel- Das Gericht bestätigte die Rechtsauffas- ten gemäß § 26 Abs 1 Satz 3 SGB sung des SoVD-Mitglieds, das so seine IV als zu Recht entrichtet. Die dort Rentenansprüche behalten konnte.
30 Sozialpolitik Sozialpolitik 31 Kinder und Jugendliche verpassen im Lockdown wichtige Entwicklungsschritte Stubenhocker statt Weltentdecker Kitas, Schulen und Sportvereine blieben geschlossen, Kontakt zu Gleichaltrigen gab es allenfalls virtuell. Der Mangel an Austausch und Bewegung infolge der Corona-Pandemie zeigt bei Kindern und Jugendli- chen deutliche Folgen: Sie leiden vermehrt unter Angstzuständen und Depressionen. Kinder- und Ju- gendärzt*innen fordern daher die schnelle Rückkehr in ein normales soziales Leben. Foto: 24K-Produktions / Adobe Stock Kinder lernen im sozialen Kontakt untereinander, Beziehungen aufzu- bauen und sich zu behaupten. Was bedeutet der durch das Coronavirus erzwungene „Stubenarrest“ für ihre Entwicklung?
32 Sozialpolitik Sozialpolitik 33 War die pauschale Schließung von zeitig hin. Schon zu Beginn der Schulen und Kitas in der ersten Pandemie forderte Bundesfrau- Phase der Pandemie noch nach- ensprecherin Jutta König, Familien vollziehbar, mehrt sich nun die eine Perspektive zu bieten. Nach Kritik am politischen Vorgehen. anderthalb Jahren „Zwangspau- Der Berufsverband der Kinder- se“ brauchen Kinder und Jugend- und Jugendärzte (BVKJ) etwa warf liche diese sowohl in der Schule der Bundesregierung vor, Kinder als auch im Freizeitbereich umso und Jugendliche massiv vernach- mehr. lässigt zu haben. Selbst Bundes- bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) erklärte kürzlich, die Lage der jungen Generation stehe im- mer noch viel zu wenig im Mittel- punkt der Diskussion. Wie sehr die Maßnahmen zur Ein- dämmung des Coronavirus Kinder und Heranwachsende belasten, merken zunehmend auch die psy- chiatrischen Einrichtungen. War der Bedarf an Therapie schon vor der Krise hoch, ist eine stationäre Behandlung mittlerweile nur noch in Extremfällen möglich, etwa bei einer Suizidgefahr. Immer häufiger leiden Kinder und Jugendliche da- bei unter Ängsten, Zwängen oder Essstörungen. Auf zu befürchtende Probleme bei Foto: pridannikov / Adobe Stock‚ der Entwicklung von Kindern und Freizeitangebote und Aktivitäten bra- Jugendlichen wies der SoVD früh- chen in der Pandemie weg.
34 Sozialpolitik Sozialpolitik 35 Interview mit Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Prof. Dr. Julia Asbrand „Zu wenig auf die Kinder geachtet“ Prof. Dr. Julia Asbrand Prof. Dr. Julia Asbrand ist Professorin für klinische Kinder- und Jugendlichenpsy- chologie und Psychotherapie. Bei ihren Forschungen beschäftigt sich die Wis- senschaftlerin vor allem mit Angststörungen. Zudem ist sie in der Lehre tätig und bildet an der Humboldt-Universität zu Berlin Studierende in klinischer Kin- derpsychologie aus. Seit Juni leitet Prof. Dr. Asbrand zudem eine neu geschaffene Spezialambulanz für Kinder, Jugendliche und Familien. Wir sprachen mit der Kin- Foto: Ricochet64 / Adobe Stock der- und Jugendpsychotherapeutin über die Auswirkungen der Corona-Pandemie Bei Kindern und Jugendlichen gibt es in auf Kinder und Jugendliche. der Corona-Krise einen deutlich erhöh- ten psychologischen Beratungsbedarf.
36 Sozialpolitik Sozialpolitik 37 Foto: Maria Sbytova / Adobe Stock ___Was war der Anlass, eine Spe- der Debatte zu sehr um Bildungs- zialambulanz für Kinder, Jugendli- defizite ging. Darüber, dass Kinder che und Familien zu gründen? und Jugendliche in der Schule auch Zum einen verbinden wir damit die sozio-emotionale Erfahrungen ma- bei uns betriebene Lehre und For- chen, die ein ganz entscheidender schung mit der Therapie. Zum ande- Teil ihrer persönlichen Entwick- ren hat das aber natürlich auch mit lung sind, haben wir seit Beginn der dem Bedarf zu tun. Erwachsene war- Pandemie dagegen zu wenig ge- ten in Deutschland durchschnittlich sprochen. Jetzt wird überlegt, Lern- vier Monate auf einen ambulanten rückstände in den Sommerferien Psychotherapieplatz, bei Kindern aufzuholen. Bevor wir von Kindern dauert es oft noch länger. sofort die nächste Leistung einfor- dern, würde ich erst einmal fragen, ___Hat sich dieses Problem durch wie es ihnen überhaupt geht. die Pandemie zusätzlich ver- schärft? ___Was den Stress infolge der Co- Für diesen Zeitraum liegen noch rona-Krise angeht, würden wohl keine Studien vor. Aber es gibt einen auch Erwachsene diese Herange- deutlichen Anstieg an Nachfragen lastbare Daten. Ein Risikofaktor kann an Rückzugsmöglichkeiten. Es gibt ei- hensweise begrüßen. für Therapien und Erstgespräche eine frühere psychische Störung sein. gentlich nie diesen einen Faktor, der Ich fände es generell großartig, bei niedergelassenen Kolleginnen Wer das System schon einmal kennen- alles erklärt. Aber umso mehr Dinge wenn wir das Thema psychische Ge- und Kollegen sowie in Kliniken. Die gelernt hat, weiß allerdings auch, wen zusammenkommen, desto höher ist sundheit insgesamt mehr im Blick Praxen sind also voll. Darunter sind man ansprechen kann und wo man das Risiko, dass sich eine psychische hätten. Die Grundvoraussetzung für auch Kinder und Jugendliche, die Hilfe bekommt. Gerade fehlendes Wis- Störung entwickelt. Erfolg ist ja, dass es uns gut geht. vorher schon einmal in Behandlung sen ist oft eine Hürde zur Aufnahme Da sind wir wieder bei der Leistung. waren und nun wiederkommen, es einer Psychotherapie. ___Haben wir Jugendliche und Kin- Meiner Meinung nach unterschät- gibt aber auch viele Neuanfragen. Bei anderen Faktoren muss man eben- der während der Pandemie vernach- zen wir oft, wie wichtig es eigent- falls differenzieren. So können finanzi- lässigt? lich für das Funktionieren unserer ___Sind bestimmte Gruppen hier- elle Sorgen innerhalb der Familie zu Ich würde sagen, wir haben auf jeden Gesellschaft ist, dass es Menschen von besonders betroffen? Konflikten führen. Lebt man in einer Fall zu wenig auf sie geachtet. Mich langfristig nicht nur körperlich, son- Auch hier fehlen uns leider noch be- kleinen Wohnung, fehlt es zusätzlich persönlich hat gestört, dass es bei dern eben auch psychisch gut geht.
38 Sozialpolitik Sozialpolitik 39 ___Seelische Erkrankungen sind doch aber immer noch ein Ta- buthema, oder? Da hat sich schon viel gewandelt und ich bin eigentlich recht optimis- tisch. Angesichts einer steigenden Zahl von psychischen Erkrankungen wird oft gefragt, woran das liegt. Ich glaube, ein entscheidender Punkt ist einfach, dass wir aufmerksamer geworden sind. Es gibt mittlerweile auch in diesem Bereich ein höheres Bewusstsein dafür, sich im Zwei- felsfall Hilfe zu holen. Aber an vie- len Stellen herrscht leider trotzdem noch die Idee vor, eine psychische Erkrankung habe etwas mit Schwä- che zu tun und man müsse sich qua- si einfach mal zusammenreißen. Auf so eine Idee würde jemand, der zum Beispiel an Diabetes erkrankt ist, nie kommen. Foto: New Africa / Adobe Stock Auf die Belange von Kindern wurde in der Pandemie zu wenig Rücksicht ge- nommen, sagt die Kinderpschychothe- rapeutin Julia Asbrand.
40 Sozialpolitik Sozialpolitik 41 Beratungsstellen helfen weiter Auswege aus der Krise Unter der Corona-Pandemie leiden Kinder und Jugend- de ins Gespräch kommen. Im Hin- liche besonders. Kontaktverluste und Perspektivlosig- tergrund wirken hauptamtliche keit führen laut Expert*innen immer häufiger zu psychi- Fachkräfte mit. Die Kontaktaufnah- schen Problemen – bis hin zu Selbsttötungsgedanken. me erfolgt anonym über die Web- Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nahmen seite. sich im Jahr 2019 insgesamt 22 Kinder im Alter zwi- Die Beratung unter www. schen 10 und 15 Jahren in Deutschland das Leben. Im nethelp4u.de funktioniert nach dem Vergleich zu Erwachsenen ist diese Zahl zwar deutlich gleichen Prinzip. Über einen Link geringer, aber kaum weniger erschreckend. Das Deut- geht es von dort direkt und anonym sche Ärzteblatt wies 2017 auf Untersuchungen hin, zu einer sicheren E-Mail-Plattform. nach denen über ein Drittel der Schüler*innen bereits Ein offenes Ohr für Menschen einmal Suizidgedanken hatten. Bis zu neun Prozent von jeden Alters hat die Telefonseel- ihnen berichteten sogar von einem konkreten Selbsttö- sorge. Die ehrenamtlichen Mitar- tungsversuch. beiter*innen dort sind unter Tel.: 0800 / 11 10 111 erreichbar. Wer nicht älter als 19 Jah- re ist, kann die Internetseite www.jugendnotmail.de besuchen. Mit Sorgen und Nöten raten lassen. Dort beraten Psycholog*innen und nicht allein bleiben Unter www.krisenchat.de ist rund Sozialpädagog*innen zu diversen Wenn Kinder und Jugendliche Hil- um die Uhr eine professionelle Be- Themen. ferufe senden, sollten Eltern zu- ratung erreichbar. Kommuniziert Wer einer anderen Person hel- nächst das Gespräch suchen, im wird über den Nachrichtendienst fen möchte, kann sich unter Zweifelsfall aber ärztlichen Rat WhatsApp. www.dubistmirwichtig.de Tipps ho- Foto: Valerii Honcharuk / Adobe Stock einholen. Doch auch die jungen Mit Gleichaltrigen kann man da- len, wie man dabei am besten vor- Bei dunklen Gedanken gibt es viele Menschen selbst können sich be- gegen unter www.u25-deutschland. Hilfsangebote. geht.
42 Sozialpolitik Sozialpolitik 43 Haushalte an der Armutsgrenze zahlen fast die Hälfte des Einkommens für Warmmiete Mieten in Großstädten belasten Ärmere Nicht erst die Debatten um den gekippten Berliner „Mietendeckel“ und die In deutschen Großstädten bleibt bundesweite „Mietpreisbremse“ haben vor Augen geführt, dass die Wohn- die Lage für Mieter*innen ange- kosten immer mehr zur sozialen Frage werden. Eine neue Studie zeigt jetzt spannt. Nach einer Studie der auf, dass arme Menschen in deutschen Großstädten einen großen Teil ihres Hans-Böckler-Stiftung muss na- Einkommens für die Miete aufbringen müssen. hezu die Hälfte der rund 8,4 Mil- lionen Haushalte, die in Deutsch- lands Großstädten zur Miete wohnen, mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Warm- miete ihrer Wohnung ausgeben. Dies sind mehr als 4 Millionen Haushalte, in denen insgesamt 6,5 Millionen Menschen leben. Unter- stützende Maßnahmen wie Wohn- geldbezug und Sozialtransfers sind dabei schon eingerechnet. Weitere Kosten, beispielsweise für Strom, Telefon- und Internetan- Foto: James Qube /pixabay Das Leben in der Großstadt zieht viele an. Doch mit niedrigem Einkom- men wird es immer schwerer, eine Blei- be zu bezahlen.
44 Sozialpolitik Sozialpolitik 45 schluss sind dagegen noch nicht ter ausgestatteten Wohnungen Wohnungsbau allein löst eingespreist und belasten die nutzen, müssen Mieter*innen mit das Problem nicht Haushalte zusätzlich. geringen Einkommen einen über- Nach Ansicht der Wissenschaft- durchschnittlichen Anteil davon ler*innen der Humboldt-Universi- Problematische Quote wird für die Bruttowarmmiete aufwen- tät rund um den Soziologen Andrej häufig überschritten den. Haushalte an der Armutsgren- Holm ist Neubau allein nicht die Mehr als ein Viertel der Haushalte ze müssen in den Großstädten 46 Lösung für das Problem mangeln- in den 77 deutschen Großstädten Prozent ihres Einkommens für die den Wohnraums in Städten. Ne- muss mindestens 40 Prozent sei- Miete ausgeben. Miethaushalte ben einer Verstärkung des sozi- nes Einkommens für Warmmie- mit einem hohen Einkommen von alen Wohnungsbaus sei es nötig, te und Nebenkosten aufwenden, mehr als 140 Prozent des Medians Instrumente zu entwickeln und zu knapp 12 Prozent oder fast eine zahlen dagegen nicht einmal ein nutzen, die dafür sorgen, dass be- Million Haushalte sogar mehr als Fünftel ihres Einkommens für die stehende Mieten nicht zu schnell die Hälfte. Zu den Großstädten Warmmiete. steigen. Wichtig sei es auch, durch zählen dabei alle Städte mit mehr höhere Löhne das Haushaltsein- als 100.000 Einwohner*innen. kommen der Mieter*innen zu stei- Eine Belastungsquote von mehr gern. als 30 Prozent des Haushaltsein- kommens sehen Sozialwissen- schaftler*innen und Immobili- enexpert*innen besonders bei Menschen mit niedrigem Ein- kommen als problematisch an, da dann nur noch wenig Geld für die sonstige Lebensführung und ge- sellschaftliche Teilhabe bleibt. Für ärmere Haushalte ist die Mie- te ein besonders großes finanziel- les Problem. Obwohl sie im Schnitt Foto: Kadir Celeb /unsplash spürbar weniger Wohnraum und Ärmere Haushalte geben bis zur Hälfte diesen in älteren und schlech- ihres Einkommens für die Miete aus.
46 Kinder- Jugendseite Kinder- Jugendseite 47 Voll durchgeblickt Kann eine Steuer den Klimawandel stoppen? Wer einfach nicht „auf einen grünen Zweig kommt“, dem ist in seinem Leben we- Um Erfolg der unser noch KlimaGlück zu schützen, müssen beschieden. wir unser Hinweise Verhalten auf diese ändern. finden Redewendung Schrittsich für Die meisten Autos fahren mit Ben- stoffe schrittweise teurer werden. Schritt soll bereits daher in der über Bibel. dieauch Doch nächsten Jahreeines beim Kauf etwaGrundstückes das Autofahren teurer spielte einwerden. grüner zin oder Diesel. Bei der Verbren- Einigen Politiker*innen dauert das Eine hierfür Zweig früher vorgesehene eine nicht ganzSteuer ist jedoch unerhebliche zwischen den politischen Parteien Rolle. nung dieser Kraftstoffe entsteht jedoch zu lange. Sie sagen, um den umstritten: Während die einen sie für sozial ungerecht halten, sehen die anderen das Gas Kohlenstoffdioxid (CO2). Klimawandel aufzuhalten, müssen darin die letzte Chance, den Klimawandel doch noch aufhalten zu können. Das gilt auch für viele Wohnungen, wir so schnell wie möglich damit die mit Öl oder Gas beheizt wer- aufhören, Öl oder Gas zu verbren- den. In den letzten Jahrzehnten ist nen. Sie fordern daher eine höhere auf diese Weise immer mehr CO2 CO2-Steuer. Menschen mit einem entstanden. Das wiederum führ- geringen Einkommen sollen dabei te weltweit zu einem Anstieg der eine Unterstützung erhalten. Da Durchschnittstemperatur. Diese in wenigen Monaten eine Bundes- Erderwärmung bezeichnet man tagswahl stattfindet, wird dieses auch als Klimawandel. Thema wohl eine wichtige Rolle Wer CO2 verursacht, muss daher spielen. seit Beginn dieses Jahres hierfür zusätzlich Steuern bezahlen. Da- durch wurden Benzin und Diesel teurer. Damit wollen die politisch Verantwortlichen erreichen, dass mehr Menschen auf klimafreund- liche Energien umsteigen. Dafür Foto: Daniel Jędzura / Adobe Stock müssten die sich dann aber zum Autos, die mit Benzin oder Diesel fah- Beispiel ein neues Auto kaufen. ren, schaden dem Klima. Sollten diese Weil hierfür aber nicht jede*r auch Kraftstoffe also schneller als geplant genügend Geld hat, sollen Kraft- teurer werden?
Mit spitzer Feder Schnelles Vergessen Impressum Das Online-Magazin erscheint monatlich in Ergänzung zur Mitglie- derzeitung „Soziales im Blick“. Gelesen werden kann es online un- ter www.sovd.de sowie (mit Zusatzfunktionen) über die App „SoVD Maga- zin“. Herausgeber ist der Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD), Stralauer Straße 63, 10179 Berlin, E-Mail: redaktion@sovd.de, Telefon: 030 / 72 62 22 – 0. Redaktion: Veronica Sina (verantwortlich), Joachim Schöne, Brigitte Grahl, Sebastian Triesch, Denny Brückner, Eva Lebenheim.
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