MARÍA DE BUENOS AIRES - Tiroler Symphonieorchester ...
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Beim Tango sind Mann und Frau auf der Suche nacheinander. Es ist die Suche nach einer Umarmung, nach einer Möglichkeit des Zusammenseins, wo der Mann sich als Mann und die Frau sich als Frau fühlt – ohne jeden machismo. Ihr gefällt es, geführt zu werden; ihm gefällt es, zu führen. Später mag es zu Unstimmigkeiten kommen oder auch nicht. Wenn das geschieht, ist es wichtig, dass beide zu einem positiven, produktiven Dialog bereit sind. Die Musik erregt und quält, der Tanz ist die Paarung zweier Menschen, die der Welt ohnmächtig gegenüberstehen und nicht fähig sind, die Dinge zu ändern. Das ist, glaube ich, die beste Definition des Tangos als Tanz. JUAN CARLOS CAPES JETZT ABONNENT WERDEN www.landestheater.at/abo
MARÍA DE BUENOS AIRES MUSIKALISCHE LEITUNG Tommaso Turchetta TANGO OPERITA VON ASTOR PIAZZOLLA REGIE & CHOREOGRAFIE Enrique Gasa Valga LIBRETTO VON HORACIO FERRER BÜHNE Helfried Lauckner KOSTÜME Andrea Kuprian GROSSES HAUS CHOREOGRAFISCHE ASSISTENZ / BALLETTMEISTERIN Martine Reyn Aufführungsdauer ca. 2 Stunden . Eine Pause TRAININGSLEITER / CHOREOGRAFISCHE ASSISTENZ Filip Veverka LICHT Florian Weisleitner DRAMATURGIE Axel Gade REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Lukas Thurnwalder MARÍA Julieta Anahi Frias MUSIKALISCHE ASSISTENZ & BALLETTKORREPETITION Valérie Timofeeva PAYADOR Andrea De Majo CHOREINSTUDIERUNG Michel Roberge DUENDE Alexander Medem AUSSTATTUNGSASSISTENZ Angela Karpouzi BANDONEONIST Santiago Cimadevilla INSPIZIENZ Ellen Piendl SOUFFLAGE Erika Gostner BESUCHER*INNEN DER BAR Lara Brandi, Deia Cabalé, Oumy Cissé, Camilla Danesi, ÜBERSETZUNG UND EINRICHTUNG DER ÜBERTITEL Axel Gade Pilar Fernández, Sayumi Nishii, Chiara Ranca, Gabrielle Salvatto, Paula Tarragüel Aguilar; Carlos Campo Vecino, Kyle Davis, Addison Ector, Mingfu Guo, Mitsuro Ito, TECHNISCHE LEITUNG Alexander Egger TECHNISCHER PRODUKTIONSASSISTENT Marco Marangio, Gabriel Marseglia, Federico Moiana, Martin Segeťa Gerhard Müller BÜHNENMEISTER Gerhard Schwazer TON Andreas Lamprecht, Quirin Kramhöller LEITERIN DER KOSTÜMABTEILUNG Andrea Kuprian KOSTÜMWERKSTÄTTEN Chor des Tiroler Landestheaters Ines Federspiel, Christa Obererlacher MASKE UND FRISUREN Rudolf Sieb REQUISITEN Tiroler Symphonieorchester Innsbruck Philipp Baumgartner LEITER DER DEKORATIONSWERKSTÄTTEN Alexander Egger TISCHLEREI Rainer Ebenbichler SCHLOSSEREI Karl Gögele TAPEZIEREREI Roman Fender MALERSAAL Gerald Kofler AUFFÜHRUNGSRECHTE Tonos Music Publishing ohG, Baden-Baden, Deutschland KANTINEN DER PODCAST DES TIROLER LANDESTHEATERS GESPRÄCHE ZUM STÜCK Zur Einstimmung, zum Nachhören & Nach-Denken
HANDLUNG Der Betreiber der Bar erinnert sich vor allem an María de Buenos Aires. Sie kam Eine Bar Notables in Buenos Aires. Hier aus den Armenvierteln der Vorstadt, trifft man sich, um einen Kaffee zu trin- versuchte ihr Glück in der Metropole, ken oder einen Wein, die Musik spielt den endete im Bordell, wurde schwanger … ewigen Tango, Paare finden sich und gehen Ein Schicksal in der Stadt der tausend wieder auseinander. Es ist ein Ort der Er- Seelen. Ein Schicksal, in das sich die Be- innerungen: an Liebe und Leidenschaft, sucherinnen – und Besucher – der Bar Freude und Trauer, Eifersucht und Streit, hineinfühlen können. Sie alle sind María. Leben und Tod. Andrea De Majo, Julieta Anahi Frias, Alexander Medem
WISSENSW E RTE S NOTIZEN ZUM KOMPONISTEN, LIBRETTISTEN UND ZUM TANGO • Astor Piazzolla (1921–1992) war ein Buenos Aires, die 1968 uraufgeführt ebenso berühmter Tango-Komponist wurde, schrieben sie unzählige Tan- wie Bandoneonist. In jungen Jahren go-Lieder, die bis heute im kulturel- zog er mit seiner Familie von Argen- len Gedächtnis erhalten sind. tinien in die USA – nach New York. • Wenn man eine kurze Geschichte Hier wuchs Piazzolla auf, hier wurde über den Tango schreiben wollte, er von verschiedenen musikalischen könnte sie lauten: Geboren und auf- Richtungen beeinflusst, bevor er mit gewachsen ist der heute so populäre 16 Jahren nach Argentinien zurück- Standardtanz in den Bars und Bor- kehrte und sich in der Metropole dellen der Arbeiterviertel von Bue- Buenos Aires niederließ. Der Besuch nos Aires. Als er gerade erwachsen Alexander Medem, Julieta Anahi Frias, Andrea De Majo, Ensemble einer Aufführung des Tango-Ensem- wurde, machte ihn eine berufliche bles von Elvino Vardaro bestärkte ihn Reise in die damalige Kulturmetro- darin, neue musikalische Formen für pole Paris eher zufällig zum Weltstar. Julieta Anahi Frias, den Tango zu finden. Mit neuem Glanz kehrte er so nach Andrea De Majo • Der aus Uruguay stammende Horacio Argentinien zurück und ging einer- Ferrer (1933–2014) galt als Mul- seits den bereits eingeschlagenen titalent, er war Lyriker, Liedtext- Weg konsequent weiter, entdeckte dichter, Rezitator, Librettist, Jour- andererseits aber auch neue Talente nalist, Schriftsteller und Tango- in sich und erfand sich teilweise neu. historiker. Er entstammte einer Bis heute verzaubert er die Men- künstlerisch interessierten, bürgerli- schen und bringt sie dazu, tief in die chen Familie aus Montevideo. Schon Leidenschaften von Liebe und Hass, als Kind schrieb er Gedichte, Mario- Kraft und Anmut, Stolz und Intimität nettenstücke und Milongas (Lieder einzutauchen. der Gauchos), die er auch selbst auf- • María de Buenos Aires ist im Opern- führte und für Aufnahmen einsang. Universum ein Unikum – und erhielt • Piazzolla und Ferrer lernten sich deshalb von Piazzolla die Gattungs- 1955 kennen, da war der Erstere ein bezeichnung „Tango Operita“, also aufstrebender Komponist und Letz- etwa: kleine Tango-Oper. Die Musik terer ein junger Student. Bis 1973 nutzt die Bandbreite des Tango nue- dauerte ihre Zusammenarbeit, und vo, der Text ist ebenso von der Kultur neben der „Tango Operita“ María de Lateinamerikas beeinflusst.
setzungen der Gattung initiiert sowie die ursprüngliche Unterhaltungs- und Tanzmusik konzertfähig gemacht, wo- bei die Grenzen zur Kunstmusik flie- ßend sind. Seine schon früh definierte DE R „Doppellaufbahn“ wurde zu einem ent- scheidenden Merkmal seines künstle- KOMPO N IST rischen Schaffens. Piazzolla selbst hat sein „akademisches“ Œuvre häufig mit dem von Gershwin verglichen, da er – Astor Pantaleón Piazzolla, * 11. März wie jener – Werke für den Konzertsaal 1921 in Mar del Plata, Argentinien; komponiert habe, deren Tonsprache † 4. Juli 1992 in Buenos Aires, Kompo- ihren Ausgangspunkt in der städti- nist, Dirigent und Bandoneon-Spieler. schen Popularmusik hatte. Von diesen Als er vier Jahre alt war, emigrierte Werken sind besonders das Konzert für die Familie in die USA und ließ sich Bandoneon und Orchester (1979) sowie zwischen 1925 und 1936 in New York die Suite Punta del Este für Bandoneon nieder, mit einer kurzen Rückkehr nach und Kammerorchester (1980) hervor- Mar del Plata im Jahr 1930. 1929 be- zuheben. gann Piazzolla seine musikalischen Piazzolla erhielt erst spät die Anerken- Studien bei verschiedenen Lehrern. nung, die ihm gebührte. Ein Großteil 1937 war er bereits als Bandoneon- seiner klassischen Werke wird noch Spieler in Tangoorchestern in Buenos heute häufig aufgeführt, zahlreiche Aires aktiv. Zwei Jahre später trat er Kompositionen sind von namhaften in das Orchester von Aníbal Troilo ein, internationalen Interpreten der Kunst- dem er bis 1944 angehörte. Dort ent- musik eingespielt worden, u. a. vom standen auch seine ersten Arrange- Kronos Quartet (Five Tango Sensati- ments. Von 1940 bis 1946 studierte ons), Daniel Barenboim, Gidon Kremer er Komposition, Orchestrierung und und Yo-Yo Ma (Tango Nuevo). Kontrapunkt bei Alberto Ginastera und Omar García Brunelli begann damit seine zweigleisige Lauf- bahn als klassischer Komponist und Unterhaltungsmusiker. […] Piazzolla kehrte 1937 in seine Geburts- Astor Piazzolla hat die Entwicklung stadt zurück und zog zwei Jahre später des Tangos entscheidend geprägt. nach Buenos Aires, wo er bei etlichen Kaum ein Tangomusiker ist von seiner Tango-Kapellen Bandoneon spielte. Je- Musik unbeeinflusst geblieben. Er hat den Abend ging er in das Café Germinal, zahlreiche neue Entwicklungen und Be- um Troilo zuzuhören. Eines Abends rief Santiago Cimadevilla
ihn der ältere Musiker zu sich und for- dafür, was der Tango sein und nicht Horacio Ferrer (* 2. Juni 1933 in Mon- derte ihn auf, ihm etwas vorzuspielen, sein sollte. Piazzolla spielte im Stehen tevideo, Uruguay; † 21. Dezember 2014 da er nach einem Ersatz-Bandoneon- und stützte das Instrument auf seinem in Buenos Aires, Argentinien) war ein spieler suchte. Piazzolla entschied sich, rechten Bein ab, Troilo musizierte in uruguayischer Lyriker, Liedtextdich- sein Talent mit Gershwins Rhapsody in der herkömmlichen Weise, im Sitzen. ter, Rezitator, Librettist, Journalist, Blue zu beweisen, und blieb danach bis Und während Troilo „der letzte Bohe- Schriftsteller und Tangohistoriker. Eine 1944 als Bandeonist und Arrangeur bei mien von Buenos Aires“ war und das lange Zusammenarbeit mit „Tango-Kö- Troilo. 1946 als Bandoneonist gründe- Nachtleben der Stadt in vollen Zügen nig“ Astor Piazzolla und ein umfang- te er sein erstes eigenes Ensemble, und genoss, empfand Piazzolla eine heftige reiches Werk ließen ihn zu einer der DE R 1960 rief er sein einflussreiches Quin- Abneigung gegen das Boheme-Leben. bedeutenden Gestalten des Tangos in teto Nuevo Tango ins Leben, das aus Unter Wahrung des wesentlichen Cha- der zweiten Hälfte des zwanzigsten LIB RE TTIST Bandoneon, Klavier, Geige, Gitarre und rakters des Tangos führte Piazzolla Jahrhunderts werden. Kontrabass bestand. Dissonanzen, chromatische Harmonien Horacio Ferrer entstammte einer Piazzolla war ein äußerst engagierter und eine größere Rhythmusbreite ein, künstlerisch interessierten, bürgerli- Auch war er als ordentlicher Journalist und disziplinierter Musiker. In den Jah- was dazu führte, dass seine Musik von chen Familie aus Montevideo. Schon als kurzzeitig für die Morgenzeitung El Dia ren, in denen er mit Troilo bis vier Uhr den Puristen heftig abgelehnt wur- Kind schrieb er Gedichte, Marionetten- tätig. Oftmals rezitierte er bei Ver- morgens im Tibidabo auftrat, ging er de und dass sie sich für die meisten stücke und Milongas, die er nicht sel- anstaltungen seine eigenen Gedichte bereits drei Stunden später wieder zu tangueros als zu kompliziert erwies. Zu ten auch selbst aufführte und einsang. ohne oder mit Musik. Proben mit dem Orquesta Filarmónica seinen Konzerten drängten Jazzfans Die Besuche bei einem in Buenos Aires Der eigentliche, endgültige Durchbruch an der Opera Colón. Er studierte bei und Freunde der klassischen Musik: Er lebenden Onkel weckten sein Interesse gelang ihm 1967 mit der Vertonung Alberto Ginastera in Buenos Aires und spielte keinen Tango für Tänzer. Auch am Tango. Zu Beginn der 1950er Jah- einer Reihe seiner Gedichte unter dem bei der inzwischen legendären Nadia die Preisgestaltung der Eintrittskar- re entstanden erste Texte für Tangos, Titel Romancero Canuyengue in Argenti- Boulanger in Paris. Nadia Boulanger ten erregte Unmut, so dass er in den aber er wurde dadurch noch nicht be- nien, was ihn im ganzen Land bekannt war es dann, die ihm riet, lieber Tan- Straßen von Buenos Aires häufig be- kannt. Während seines Architekturstu- machte, vor allem, weil der berühmte go als klassische Musik zu spielen. Er schimpft wurde. […] diums begann er mit Radiosendungen, Agustín Carlevaro dabei die Gitarre betrachtete sich als Musiker aus Bue- Piazzolla war ein sehr produktiver in denen Tangos aufgeführt wurden, spielte. nos Aires, der die volkstümliche Musik Komponist, der mehr als 750 Werke die auch seine Texte enthielten, mit Das wohl – auch weltweit – bekann- seines Landes interpretierte — so wie schrieb: Konzerte ebenso wie Film- und dem Titel Seleccion de Tangos. 1955 teste Werk, an dem Ferrer beteiligt Bartòk, Strawinski und Villa Lobos die Theatermusiken. In den siebziger und lernte er dann Astor Piazzolla kennen, war, war die einzige Oper, die Piazzolla Musik ihrer Länder. achtziger Jahren war er auch zuneh- den größten Tangokomponisten des geschrieben hatte und die 1968 auf- „No, pibe, eso no es tango“ (Nein, mein mend in Europa und den Vereinigten zwanzigsten Jahrhunderts, mit dem er geführt wurde: María de Buenos Aires, Junge, das ist kein Tango), sagte Troilo Staaten erfolgreich, und es erschienen eine jahrelange Zusammenarbeit und ein Werk, das in Argentinien 100 Auf- einmal zu Piazzolla über dessen Musik viele Platten von ihm – nach seinem eine tiefe Freundschaft pflegte. Die führungen erfuhr, große Erfolge feierte — eine Bemerkung, die den Jüngeren Tod 1992 sogar mehr als vorher. Zusammenarbeit zwischen beiden hielt und auch auf Tonträgern eingespielt so verletzte, dass ihre Freundschaft María Susana Azzi bis 1973. […] wurde. Ferrer spielte selbst in dem danach nie mehr so war wie vorher, Seit 1967 waren seine Tangos und er Stück die Rolle des El Duende. Die auch wenn sie nicht ganz zerbrach. Je- häufig Gast in Radio und Fernsehen, Oper umfasst 16 Bilder. Das gesamte der der beiden Männer ist ein Symbol vor allem in Uruguay und Argentinien. Libretto stammt von Ferrer.
Seit diesem Erfolg war Ferrer ein be- 1967 begann Astor Piazzolla mit dem kannter und berühmter Künstler in begabten Dichter Horacio Ferrer zu ar- Uruguay und Argentinien und einigen beiten. Ihr erstes größeres Werk, eine Teilen Lateinamerikas. „operita“, war Maria de Buenos Aires Mitte der 1980er Jahre hatte er auch mit der Sängerin Amelita Baltar in der die argentinische Staatsangehörigkeit Hauptrolle. 1969 landeten Piazzolla angenommen. Buenos Aires blieb bis und Ferrer dann einen überraschenden zu seinem Tod seine Wahlheimat. Er Hit mit dem Lied „Ballada Para un Loco“ war bis zu seinem Ableben Präsident („Ballade für einen Wahnsinnigen“), der Nationalen Tango-Akademie in das in ganz Lateinamerika großen Er- Buenos Aires (Academica Nacional del folg hatte. Der Song hat mit einem tra- Tango), die von ihm 1990 gegründet ditionellen Tango-Lied absolut nichts worden war. gemein – weder Thema noch Stil, Reim Am 21. Dezember 2014 verstarb Ho- oder Rhythmus. Er ist surreal, witzig, racio Ferrer mit 81 Jahren in einem und erzählt in sehr modernen Worten, Krankenhaus in Buenos Aires an einem die für ein Tango-Lied ungewöhnlich Herzleiden. lange Geschichte eines Gespenstes mit Alexander Medem, Männer der Tanzcompany Wikipedia Bowlerhut, das dem Sänger auf einer Straße von Buenos Aires erscheint und – halb tanzend, halb fliegend – verkün- Julieta Anahi Frias, Frauen der Tanzcompany det: „Ich weiß, dass ich verrückt bin, verrückt, verrückt, verrückt, ... dass eine Schar Astronauten und Kinder um mich herum Walzer tanzt.“ Das war so fernab jeder Tradition, dass der Song eine endgültige Trennlinie zwischen dem Vor- und dem Post-Piazzolla- Tango markierte. Noch heute lehnen tangueros dieses Lied entschieden ab, und als es im Luna Park [in Buenos Aires] erstmals der Öffentlichkeit vor- gestellt wurde, bewarfen die empörten Zuhörer den Sänger mit Münzen. Doch schon vier Tage später waren 200 000 Platten davon verkauft. Piazzolla und Ferrer schufen noch weitere Stücke der klassischen Moderne. María Susana Azzi
schriftliche Überlieferungen dazu gibt. Aber die Wurzeln des Tangos lassen sich einerseits über die Geschichte des Wortes „Tango“ offenlegen, anderer- seits über konkrete Tanzformen, die TA N G O. ihm vorausgingen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand Argentinien als Na- E IN E tion zwar zur Unabhängigkeit, doch blieb noch lange Zeit der Einfluss Euro- BIOGR A FIE pas auf die Kultur vorherrschend. Ge- rade auf den Gebieten Musik und Tanz Wenn man eine kurze Geschichte über zeigte sich dies – und führte dazu, dass diesen heute so populären Standard- Walzer und Polka, Mazurka und Schot- tanz schreiben wollte, könnte sie lau- tischer den Takt vorgaben. Erst mit der ten: Geboren und aufgewachsen ist der Habanera, die nach dem spanisch-ku- Tango in den Bars und Bordellen der banischen Rhythmus getanzt wurde, Julieta Anahi Frias, Andrea De Majo, Camilla Danesi Arbeiterviertel von Buenos Aires. Als wie er auch in Bizets Carmen erklingt, er gerade erwachsen wurde, machte begann wohl so etwas wie die Suche ihn eine berufliche Reise in die dama- nach einem eigenen, argentinischen lige Kulturmetropole Paris eher zufällig Tanz – und aus Habanera und Polka zum Weltstar. Mit neuem Glanz kehrte entwickelte sich in den 1870er Jahren er so nach Argentinien zurück und ging die Milonga, die auch als „Habanera einerseits den bereits eingeschlage- des armen Mannes“ bekannt wurde. nen Weg konsequent weiter, entdeckte Die Milonga hatte ihren Ursprung in aber auch neue Talente in sich und er- einer Liedform und war eine Variation fand sich teilweise neu. Bis heute ver- der Improvisationen mit Gitarrenbe- zaubert er die Menschen und bringt gleitung, die das Markenzeichen der sie dazu, tief in die Leidenschaften Payadores waren. Diese „Volkssänger von Liebe und Hass, Kraft und Anmut, der Pampa“ spielten in der unterge- Stolz und Intimität einzutauchen. henden Welt der Gauchos – also der argentinischen Viehhirten, die nun in VORGESCHICHTE der boomenden Metropole nach Arbeit Aber der Reihe nach. Entstanden ist suchten und die Armenviertel bevöl- der Tango in den 1860er und 1870er kerten – eine wichtige Rolle. Im städti- Jahren in den Armenvierteln von Bue- schen Umfeld wurde das Tempo der Mi- nos Aires. Wobei die Entstehungsge- longa gedrosselt und es entstand eine schichte nicht bis ins letzte Detail aus- eigene Schrittfolge. Diese Milonga gilt geleuchtet werden kann, da es kaum als embryonale Form des Tangos. Marco Marangio, Lara Brandi, Santiago Cimadevilla, Julieta Anahi Frias, Ensemble Vorname Nachname
Neben den Vierteln der in die Metro- – schon wieder dieser Name – genannt desto besser) sowie unvermitteltes pole flüchtenden Gauchos gab es einen hätten und der Anklänge an den Stil Innehalten im Tanz – dann in die beste- weiteren wichtigen Ort für die Entste- und die Bewegungen des Condombe hende Milonga gemischt. Dieser neue hung des Tangos, und die Spur zu die- gehabt hätte. Wesentlich für ihn war, Milonga machte unter dem Namen sem Ort führt über den Namen: Denn dass Paare sich dabei nicht umarmten, Tango auf den Tanzveranstaltungen in Bandoneon zusammengedrückt oder in vielen Teilen des spanisch-amerika- sondern sich getrennt im Rhythmus Buenos Aires Furore. Aber er blieb zu- auseinandergezogen wird. nischen Weltkreises bezeichnete das bewegten. nächst ein Phänomen der unteren so- Aus der Anfangszeit des Tangos Wort „Tango“ einen Ort, an dem afri- zialen Schichten, der Bordelle und Bars stammt übrigens auch eine Besonder- kanische Sklaven oder in die Freiheit DER TANGO ENTSTEHT im ärmlichen Süden von Buenos Aires. heit, die auf den ersten Blick bis heute entlassene Schwarze – von denen es in Buenos Aires war zu dieser Zeit eine seltsam anmutet, nämlich die Akzep- den spanischen Kolonien mehr gab als boomende Metropole, die viele Ein- BANDONEON UND MÄNNER- tanz reiner Männerpaare – und später im britischen Empire – zusammenka- wanderer aus Europa und Afrika an- PAARE auch reiner Frauenpaare – im Tango. men, um zu tanzen. Auch in den Ghet- zog. Die Stadt wuchs, die Menschen Nach und nach wurden der Tanz und Da es im Einwandererland Argentinien tos der Schwarzen in Argentinien gab bewegten sich in ihr, mischten sich die dazu passende Musik durch Im- einen Überschuss an Männern gab, wa- es diese Plätze, und ein beliebter Tanz und nahmen die kulturellen Gewohn- provisation und Variation verfeinert, ren die Frauen in der komfortablen Si- war der Condombe, ein sehr rhythmi- heiten der Anderen wahr. Dabei gab es als Instrumente kamen zunächst Flöte, tuation, unter mehreren Liebesanwär- scher, oft improvisierter Tanz, der ver- ein soziologisches Gefälle: Die Kultur Geige und Harfe zum Einsatz, recht tern den Einen für sich auszuwählen. schiedene musikalische Traditionen Europas wurde höher bewertet als die bald aber auch Gitarre und Klarinette. Die Männer, die untereinander in einem aus Afrika in sich vereinte. Afrikas. So kam es, dass Afro-Argenti- Erst am Ende des 19. Jahrhunderts kam Wettkampf um die Gunst der Frauen Zum Rätsel um die Entstehungsge- nier sich europäische Tänze wie Mazur- das Bandoneon hinzu, ein Export aus standen, versuchten bei den Damen schichte des Tangos gehört, dass in ka und Polka aneigneten, um bei einem Deutschland und mit dem Akkordeon Pluspunkte zu sammeln, indem sie sich manchen Teilen der damaligen spa- angestrebten Aufstieg schneller ge- verwandt. Während das Akkordeon als gute Tangotänzer erwiesen. Dafür nischsprachigen Welt der Begriff „Tan- sellschaftliche Anerkennung zu finden. auf der rechten Seite eine Tastatur aus galt es, regelmäßig zu trainieren. Al- go“ zum Synonym für „schwarze“ Tänze Und alt eingesessene Argentinier sowie Tasten oder Knöpfen hat, die je einen leine konnte man zwar ein paar Grund- wurde. In Spanien zum Beispiel diente europäische Einwanderer eigneten sich Ton spielen können, befindet sich auf schritte üben, aber für mehr brauchte das Wort als Bezeichnung für afroame- afrikanische Tänze an, um diese wäh- der linken Seite eine Anordnung von es einen Tanzpartner. Also taten sich, rikanische oder afrikanisch inspirier- rend der jährlichen Karnevalsumzüge Knöpfen, die teils einen einzelnen Ton, auch zu ganz normalen, öffentlichen te Tänze transatlantischer Herkunft. zu imitieren – oder, genauer gesagt, zu in der überwiegenden Zahl aber ganze Tanzanlässen, Männer zusammen und So wurde in Spanien manchmal die parodieren. Doch wie es manchmal im Akkorde erklingen lassen können. Das tanzten gemeinsam Tango. Dieses Habanera als „Tango Americano“ be- Leben ist: Zuerst macht man sich über Gehäuse des Bandoneons hat, anders Verhalten wurde akzeptiert, in den zeichnet, und eine spanische Variante etwas lustig, dann findet man Gefallen als das rechteckig gebaute Akkordeon, 1920er Jahren sind auf europäischen der Habanera erhielt den Titel „Tango daran. So war es auch hier: Der oben meist einen quadratischen Quer- Darstellungen des Tangos auch reine Andaluz“. In einem Zeitungsartikel aus genannte, auf den Condombe zurück- schnitt, auf beiden Seiten befinden Frauenpaare zu sehen. Und noch in dem Jahr 1913 berichtet dann „ein Au- gehende „Tango“ wurde als Parodie in sich reine Kopftastaturen. Es gibt Ban- den 1980ern, als die Tanzshow Tango genzeuge“ davon, dass 1877 die Afro- die Tanzdielen der weißen Argentinier doneons, bei denen pro Knopf nur ein Argentino auf Welttournee ging, wurde Argentinier von Mondongo, einem geholt, die markantesten Merkmale Ton erklingt, andere wiederum sind so jede Vorstellung mit einer Darbietung Stadtteil von Buenos Aires, einen neu- dieser Parodie – improvisierte, ruck- gebaut, dass jeder Knopf zwei Töne eröffnet, in der zwei Männerpaare den en Tanz kreiert hätten, den sie „Tango“ artige Verrenkungen (je dramatischer, erzeugen kann – je nachdem, ob das Tango tanzten.
AUF NACH PARIS Die Musik zum Tango wurde zunächst ne Ballettcompany, die Ballets Russes, live von kleinen Orchestern gespielt, und griff dabei auf bereits erfolgreiche manchmal auch nur von einem Pianis- Produktionen zurück, u. a. Les Sylphi- ten, doch zunehmend machte ihnen des und Schwanensee. Der Erfolg die- eine neue Darbietungsform Konkur- ser Aufführungen in der französischen renz: die Schallplatte. Eigentlich waren Hauptstadt war phänomenal. die live spielenden Musiker*innen un- Warum gerade das Ballett so gefeiert ersetzlich, da nur sie in einen Dialog wurde? Es spielten wohl mehrere Grün- mit den Tänzer*innen treten konnten. de eine Rolle. Zum einen die neue, zu- Doch die Schalplatte war, auf lange vor auf den westeuropäischen Bühnen Sicht, kostengünstiger – und sie war nie gesehene Bewegungsdynamik der immer verfügbar. Da die musikalische Russ*innen, die die Zuschauer*innen Qualität der Aufnahme von entschei- nahezu schwindelig machte. Dazu kam dender Bedeutung war, zog es zu die dominierende Rolle der männlichen Beginn des 20. Jahrhunderts immer Tänzer mit ihrer athletischen Dynamik Chiara Ranca, Gabriel Marseglia, Deia Cabalé öfter argentinische Tangomusiker*in- und exzessiven Ausdruckskraft. Fer- nen nach Paris, weil hier die tech- ner lösten sich die Choreografen der nisch besten Tonaufnahmen gemacht Ballets Russes mehr und mehr von werden konnten. Paris war zu diesem traditionellen Schrittkombinationen, Zeitpunkt eine vibrierende Weltstadt suchten ein ideales Zusammenspiel mit und der Hotspot für die künstlerische dem Charakter der jeweiligen Musik Avantgarde. Am besten verdeutlichen und setzten dabei den ganzen Körper kann man diese „Lust am Neuen“ an als Ausdrucksmittel ein. der Person Sergej Djagilew. Der Rus- Die Pariser*innen suchten also nach se war kein ausgesprochener Künstler, neuen Tanzformen – nicht nur auf den kannte sich aber gut in dieser Welt Theaterbühnen, sondern auch in ihren aus und hatte zahlreiche Kontakte Ballsälen. Und sie entdeckten dabei ei- zur Künstlerszene. So organisierte er nen neuen Tanz, der in den Aufnahme- ab 1906 Kunstaustellungen in Paris studios zu hören war und von argen- und ab 1907 Konzertveranstaltungen. tinischen Musiker*innen angestimmt 1908 setzte er dann eine Aufführung wurde: den Tango. Das Wilde, das Ver- von Mussorgskis Oper Boris Godunow ruchte, das Rhythmisch-Pointierte be- an der Grand Opéra durch. 1909 sollte geisterte die Hautevolee von Paris. Und eine weitere Opernaufführung durch dann Berlin, London, New York, Sankt mehrere Ballettvorstellungen ergänzt Petersburg – der Tango wurde zum werden. Zu diesem Zweck gründete Weltstar. Djagilew in St. Petersburg eine eige- Deia Cabalé, Gabriel Marseglia, Chiara Ranca
vorne: Camilla Danesi, Carlos Campo Vecino TRIUMPHALE RÜCKKEHR Auf seiner Erfolgstournee um die Welt gelangte der Tango auch wieder nach Argentinien. Und das einstige Schmud- delkind, auf das die argentinische Zuhörer*innen vor allem eine Unter- Oberschicht hochmütig herabgeblickt malung und Vorgabe für das eigene hatte, war gesellschaftlich rehabilitiert. Tanzen, so wurde der Tango zuneh- Immerhin tanzte gerade die ganze Welt mend zu einem Konzertereignis: Die einen originär argentinischen Tanz, Menschen kauften sich eine Eintritts- wenn auch in der europäischen Varian- karte, setzten sich auf einen Stuhl te. Da sich nun auch die argentinische und hörten passiv zu. Die Tango-Mu- Hautevolee dem Tango zuwandte und siker*innen waren also nicht mehr da- der Tanz zu einem Nationalgut wurde, ran gebunden, ihre Musik auf tanzende setzte dies neue künstlerische Krea- Paare abzustimmen und konnten so die tivität für den argentinischen Tango Abfolge verschiedener Tangos unter frei. So wurde der Gesang, der bislang rein musikalischen Gesichtspunkten gelegentlich die hauptsächlich instru- gestalten. mentalen Stücke frei und assoziativ Während ein großer Teil der Tango- begleitete, zur Gattung Tango-Lied. In Komponist*innen den ursprünglichen diesen Liedern ging es vornehmlich um Charakter des Tanzes in Rhythmus, die Liebe – genauer gesagt: um die un- Klangfarbe und musikalischem Aufbau glückliche Liebe. Aber auch um das Le- beibehielt, gab es auch einige Kompo- ben in den Vororten von Buenos Aires. nist*innen, die dem Tango auf diesen Dass wir heute mit dem Tango Schwer- Gebieten neue Richtungen gaben. Die- mut und Melancholie verbinden, rührt se Tango nuevo genannte Stilrichtung, aus dieser Zeit. die sich in den 1950er- und 60er-Jahren Aber auch die instrumental vorgetra- entwickelte, wurde dann sehr stark von genen Tangos entwickelten sich wei- Astor Piazzolla geprägt. Und es mutet ter, was vor allem mit der Evolution schon ein wenig seltsam an, dass in der zunächst kleinen Tangokapellen Europa viele beim Stichwort „Tango“ hin zu beinahe orchestraler Fülle der zuerst an Piazzolla denken – denn bis Musikgruppen zu tun hat. Ein weiterer heute gibt es in Argentinien (und bei Faktor, der neue Formen in der Musik Tangofans weltweit) eine große Pha- ermöglichte, war die Tatsache, dass lanx an Verfechter*innen des traditio- sich die Art änderte, wie die Musik kon- nellen Tangos, die bestreiten, dass es sumiert wurde. Wurde der Tango bis- sich beim Tango nuevo überhaupt um lang hauptsächlich bei Tanzveranstal- „Tango“ handelt. tungen gespielt und war somit für die Axel Gade Camilla Danesi, Julieta Anahi Frias
Marco Marangio, Mitsuro Ito, Carlos Campo Vecino, Ensemble Gabrielle Salvatto Mitsuro Ito, Kyle Davis
Alexander Medem, Pilar Fernández, Martin Segeťa, Mingfu Guo, Ensemble
Martin Segeťa, Oumy Cissé, Gabriel Marseglia, Julieta Anahi Frias, Ensemble
Ich bin mit Tango groß geworden. Das Zentrum von Buenos Aires war mein Zuhause, dort bin ich aufgewachsen. Es war dort laut und hektisch – und überall hörte man Tango. Du machtest das Radio an: Tango. Warst in einer Bar: Tango. Zuhause: Tango. Das ist überhaupt meine erste Erinnerung an Tango: Wie mein Onkel und meine Mutter Tangolieder singen, im Duett. Sie hatten eine Stimme wie ein Gott – ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich daran denke. Und Piazzolla habe ich sogar live gesehen, da war ich vielleicht acht. Enrique Gasa Valgas Idee, das Stück in einer Tango-Bar spielen zu lassen, finde ich perfekt. Denn: In Cafés in Buenos Aires passiert alles! Es gibt dort keinen „Coffee to go“, selbst für einen schnellen Espresso bleibt man fünf Minuten dort, schaut kurz auf den Fernseher, auf dem Fußball läuft, redet ein kurzes Wort mit der Bedienung und geht dann wieder weiter. Meine Eltern haben auch so ein Café, das war mein zweites Zuhause. Und manchmal hätte ich gerne eine Mini-Kamera gehabt, um die Menschen zu filmen, wie sie diskutieren über Fußball und Politik – und natürlich immer alles besser wissen. Dann sitzt einer in der Ecke und trinkt aus Liebeskummer. Es ist einfach so: Wenn du wissen willst, was im Viertel los ist – gehst du in ein Café. Du setzt dich hin und findest sofort jemanden zum Reden. Als ich die María damals in London zum ersten Mal gesungen habe, war ich zum einen eingeschüchtert von meinen Kolleg*innen wie Tony Award-Preisträgerin Elizabeth Seal oder Schauspieler Timothy Davies, der in „Das Parfüm“ mitgespielt hat. Ich war aber auch, glaube ich, damals einfach zu jung für die Rolle. Heute ist das anders, ich bin reifer geworden, habe mehr Lebenserfahrung. Jetzt weiß und fühle ich, wovon María singt. Jetzt fühle ich mich in dieser Rolle zu Hause. JULIETA ANAHI FRIAS Julieta Anahi Frias, Andrea De Majo
Im Gegensatz zu einigen meiner Kolleg*innen in dieser Produktion bin ich – als Südtiroler – nicht mit dem Tango aufgewachsen. Aber die Musik von Astor Piazzolla kenne ich seit meiner Jugendzeit – und ich liebe sie. Ich finde sie musikalisch spannend, ihre Emotionen erreichen mich sofort. Ein Lied wie „Oblivion“ macht mich sehr schnell melancholisch, andere Musikstücke vermitteln mir Kraft und Leidenschaft. Als ich die Gesangsnummern für „María de Buenos Aires“ einstudierte, gab es eigentlich nur eine Hürde: die Sprache. Ich spreche kein Spanisch, habe mir die Texte akustisch über eine CD-Aufnahme angeeignet und eine italienische Übersetzung parallel dazu gelesen. Aber die Musik von Piazzollas Komposition hat mich direkt angesprochen, ich habe mich schnell darin zu Hause gefühlt, ich spürte sofort: das ist „meine“ Musik. Meine Rolle im Stück, so wie ich sie mit Enrique Gasa Valga entwickelt habe, hat viele Farben. Einerseits bin ich, wie der Kellner, ein Erzähler, der über Marías Schicksal berichtet. Aber ich bin ihr näher, manchmal so nahe wie ein Liebhaber. Ich möchte sie schützen, weiß aber gleichzeitig, dass ihr Leben nicht gut verlaufen wird. Ich möchte den Menschen Marías Geschichte in all ihren Facetten und Bedeutungen nahebringen – aber ich bin auch derjenige, der dafür verantwortlich ist, dass Marías Leben ungut endet. Ein bisschen wie ein Teufel … ANDREA DE MAJO Andrea De Majo, Sayumi Nishii
Da ich über eine gemischte Herkunft mit Wurzeln aus Peru, Russland und Deutschland verfüge, fühle ich mich der argentinischen Kultur, die viele Ethnien verbindet, und speziell auch „María de Buenos Aires“ sehr verbunden – denn Piazzollas Tango Operita hat von allen Gattungen der darstellenden Kunst ein bisschen etwas. Meine Rolle, die im Original „El Duende“ (zu Deutsch: Der Kobold) heißt und bei Enrique Gasa Valga als Kellner angelegt ist, hat in meinen Augen etwas von Horacio Ferrer, ist auch Dichter und Künstler. Meine Begeisterung für dieses Werk und meine Rolle rühren sicher auch daher, dass ich Ferrer als Duende live erlebt habe und zwar in der allerersten europäischen „María“ 1998 im Wiener Musikverein. Das war für mich ein Meilenstein! Als Erzähler führe ich durch das Stück, greife nur selten aktiv in das Geschehen ein. Die Rolle hat dabei etwas zutiefst Melancholisches: Der Kellner liebt die Frauen – aber sie lieben ihn leider nicht zurück. Die Besonderheit meiner Rolle in dieser Oper ist, dass ich nicht singe. Aber natürlich muss ich, wenn ich spreche, mich dem Rhythmus der Musik anpassen. So fühle ich mich der Sprache von Horacio Ferrer besonders nahe. Und seine Sprache ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Es gibt in dieser Oper kaum Dialoge zwischen den Figuren, es sind eher Gedichte, die gesungen werden. Diese Gedichte stecken voller rätselhafter Bilder – etwas ungemein Typisches für die südamerikanische Kultur, denken wir nur an den magischen Realismus eines García Márquez oder an die hybride Vermischung von katholischen Heiligen und afrikanischen Göttern in den religiösen Zeremonien des afrobrasilianischen Candomble. Dabei machen drei Charakteristika die Komplexität von Ferrers Sprache aus: Er verwendet viele Begriffe aus dem Lunfardo, einem Slang, der in der Zeit der ersten Migration aus Europa nach Argentinien im 19. Jahrhundert in Buenos Aires entstanden ist. Dann mischt Ferrer Sprache gerne, z. B. musikwissenschaftliche/musikalische Begriffe mit Lauten oder Begriffen anderer Disziplinen oder sogar englischen Worten und Namen (un golpe en Ay menor = ein Raub/oder Stoß in Ach-Moll). Nicht zuletzt erfindet er Worte wie zum Beispiel „Tangamente“ oder „Tristeria“ oder „Mariamenete“ oder „Bandoneonera“. Einige davon sind durch den Kontext der Geschichte in „María de Buenos Aires“ leichter erklärbar, andere wiederum nicht. Überhaupt: Auch für Spanischsprechende ist es völlig normal, dass sie nach einer Vorstellung von „María de Buenos Aires“ nicht alles „verstanden“ haben. Ferrer schafft aber mit seinen Texten eine reichhaltige Klanglichkeit und Originalität, sozusagen eine zusätzliche quasi-musikalische Ebene zur Musik von Piazzolla. ALEXANDER MEDEM Alexander Medem, Julieta Anahi Frias
LEBENSLÄUFE Tommaso Turchetta Enrique Gasa Valga Helfried Lauckner Andrea Kuprian Martine Reyn Filip Veverka MUSIKALISCHE LEITUNG REGIE & CHOROGRAFIE BÜHNE KOSTÜME BALLETTMEISTERIN & CHO- TRAININGSLEITER & CHO- REOGRAFISCHE ASSISTENTIN REOGRAFISCHER ASSISTENT 2018 wurde er Kapellmeister Nach nur fünf Jahren Aus- Der gebürtige Stuttgarter Die Innsbruckerin studierte und Korrepetitor am TLT, seit bildung an den Ballettschulen studierte Malerei an der Aka- Mode und Bekleidungstech- Die gebürtige Holländerin Filip Veverka wurde im tsche- dieser Saison ist er der Erste in Zaragoza und Barcelona ge- demie der bildenden Künste nik in Wien sowie Bühnen- studierte Tanz am Königlichen chischen Brno geboren und am Kapellmeister. Er dirigierte am winnt er das begehrte Stipen- seiner Heimatstadt sowie gestaltung in Graz, wo sie Konservatorium in Den Haag. dortigen Konservatorium für Haus bisher u. a. Vorstellun- dium an der weltbekannten Bühnenbild bei Prof. Jürgen die Meisterklasse von Prof. Als Solistin wurde sie an das Tanz ausgebildet. Sieben Jahre gen des Musicals Chicago Escuela Nacional Cubana de Rose. Auf Assistenzen an den Schavernoch besuchte. Sie Nationaltheater Mannheim lang tanzte er als Solist am sowie der Opern Carmen, Don Ballet, die er mit Auszeich- Münchner Kammerspielen, arbeitet freiberuflich als Büh- geholt. 2003 wechselte sie Nationaltheater Prag. Danach Giovanni, Il trittico und Samson nung abschließt. Erfolgreich dem Nationaltheater Mann- nen- und Kostümbildnerin an ans TLT und präsentierte sich folgten zahlreiche Engage- et Dalila und übernahm die tanzt er sich durch die größten heim sowie dem Staatstheater vielen verschiedenen Theatern in zahlreichen Produktionen. ments u. a. am Tulsa Ballett Musikalische Leitung der Bühnen der Welt. Als Direktor Karlsruhe folgten Engage- im In- und Ausland, u. a. am Seit über zehn Jahren ist sie in Oklahoma, als Solist an der Kammeroper Der Leucht- und Choreograf gründet und ments am Theater Freiburg, Schauspielhaus Graz, am Ballettmeisterin sowie As- Deutschen Oper am Rhein so- turm. Der in Neapel geborene leitet Gasa Valga das Festival den Städtischen Bühnen Staatstheater Oldenburg, am sistentin des Ballettdirektors wie u. a. als Solist am König- Dirigent studierte Komposi- Internacional de Dansa Münster (als Ausstattungs- Landestheater Niederbayern der Tanzcompany des TLT und lichen Ballett in Stockholm. Er tion, Klavier und Dirigieren d’Esparreguera in Barcelona. leiter) sowie am Tiroler Lan- und bei den Tiroler Volks- somit u. a. für das Training arbeitete mit so bedeutenden in Italien und absolvierte 2009 übernimmt er die Di- destheater, wo er seit 1996 schauspielen. Seit 2020 ist sie und die technische Perfektion Choreografen wie Jiří Kylián, sein Aufbaustudium im Fach rektion der Tanzcompany des Ausstattungsleiter des Großen die Leiterin der Kostümabtei- der Company verantwort- Yuri Grigorovich, Nacho Orchesterdirigieren bei Mark TLT und begeistert seither das Hauses ist. Auch für andere lung am TLT. Für die beiden lich. Außerdem ist sie als Duato, Youri Vámos und Boris Stringer an der Universität für Publikum. 2013 erhält er für Häuser entwarf Lauckner mit dem Österreichischen Choreografin tätig, u. a. schuf Bregvadze zusammen und Musik und darstellende Kunst Frida Kahlo den Österreichi- Bühnenbilder und Kostüme, Musiktheaterpreis als „Beste sie am TLT Tanzszenen für gastierte an verschiedenen in Wien. Nach der Teilnahme schen Musiktheaterpreis. Zu u. a. für die Theater in Mann- Ballettproduktion“ ausge- Schauspielproduktionen sowie Theatern. Für den Petruchio in am Kurs Korrepetition an seinen Choreografien zählen heim, Karlsruhe, Berlin, Kassel, zeichneten Innsbrucker Tanz- für The Rocky Horror Show, Die Crankos Der Widerspenstigen der Accademia della Scala in zahlreiche Musicals, Opern Ingolstadt, Luzern, Passau, stücke Frida Kahlo – Pasión Fledermaus, Le nozze di Figaro Zähmung erhielt er den Thalia Mailand war er für zwei Jahre und mehr als 15 abendfüllende Ulm, Göttingen, Kiel und por la vida (von Enrique Gasa und Carmen. Auch als Sängerin Award. Außerdem wirkte am Opernstudio der Opéra Ballettstücke. Gasa Valga und Graz. Die Zusammenarbeit Valga) und Charlie Chaplin (von konnte sie in Innsbruck bereits er bei Enrique Gasa Valgas National du Rhin (Straßburg) sein Team konnten außerdem mit Enrique Gasa Valga ist Marie Stockhausen) entwarf ihre Musikalität unter Beweis Multimedia Ski- und Tanzper- als Korrepetitor und Chef de den begehrten Kreativ-Award eng und dauerhaft: Seit über sie Bühnenbild und Kostüme. stellen, beispielsweise in den formance Gaia – Stubai Mutter chant tätig. Weitere Stationen Tirolissimo in den Kategorien zehn Jahren gestaltet Helfried Für Enrique Gasa Valga schuf Musicals Evita, Jesus Christ Erde mit. Filip Veverka ist auch waren das Gerhart-Haupt- beste Werbefotografie, bester Lauckner den Bühnenraum für sie zuletzt u. a. die Kostüme Superstar, Les Misérables und als Choreograf tätig, in der mann-Theater in Görlitz, das Werbespot und beste Werbe- die Tanzstücke und Inszenie- für Orphée et Euridice, West Jekyll & Hyde. Spielzeit 2021.22 wird am TLT Konzert Theater Bern und die kampagne entgegennehmen. rungen Gasa Valgas, zuletzt Side Story und Terra baixa. sein Cyrano de Bergerac zu koreanische Nationaloper in u. a. Chicago, The Tempest und sehen sein. Seoul. Terra Baixa.
Julieta Anahi Frias Andrea De Majo Alexander Medem Santiago Cimadevilla MARÍA PAYADOR DUENDE BANDONEONIST Die in Buenos Aires geborene Der Italiener absolvierte Der Deutsch-Peruaner Santiago Cimadevilla spielte Künstlerin absolvierte in ihrem seine Ausbildung an der Alexander Medem studier- bereits in jungen Jahren Heimatland eine Klassische Theater- und Musicalakademie te Musikwissenschaft und Gitarre und studierte Klavier Tanzausbildung, u. a. am Fonderia delle Arti in Rom. Kulturmanagement in Wien am Konservatorium Manuel Instituto Superior de arte Auf eine Italien-Tournee als und Theaterregie am Drama de Falla in seinem Geburtsort des Teatro Colón in Buenos Dorian Gray im gleichnamigen Centre London. Der aus- Buenos Aires. Später studierte Aires. Danach zog es sie Musical folgte die Rolle des gebildete Pianist und Sänger er Bandoneon bei Victor nach Deutschland, wo sie in Guy in Once in Südtirol. Er tritt auch als Erzähler und Villena und Leo Vervelde sowie mehreren Ballettensembles wirkte im Ensemble der Ver- Schauspieler auf, u. a. im Komposition und Arrangement tanzte, u. a. am Staatstheater einigten Bühnen Bozen mit, Wiener Musikverein oder im bei Gustavo Beytelmann am Wiesbaden, Stadttheater Gör- u. a. in Anatevka und Ein Som- Brucknerhaus Linz. Als Regie- Rotterdamer Konservatorium. litz und beim MDR Deutsches mernachtstraum. Außerdem assistent am Burgtheater, am Während seines Studiums Fernsehballett in Berlin. Ihr spielte er in der Schweiz die Theater an der Wien, am Royal erhielt er den Förderpreis der erstes Musical-Engagement Hauptrolle Jim Farrell in Titanic Opera House Covent Garden Rotterdamer Hochschule sowie war Aida, danach folgten Die bei den Seefestspielen in oder an der Hamburgischen das renommierte Huygens- Schöne und das Biest, Miami Melide und Swing in Saturday Staatsoper arbeitete er mit Stipendium zur Weiterentwick- Nights, West Side Story, Jesus Night Fever bei den Sommer- Plácido Domingo, Christof lung seines Kompositionsstils. Christ Superstar, Der Schuh des festspielen auf der Walen- Loy, Thaddeus Strassberger, Santiago hat mit namhaften Manitu, Ich war noch niemals in see-Bühne – und in Duisburg Peter Konwitschny, Jürgen Künstler*innen und Ensembles New York und Chicago. Bei der und Köln trat er im Musical Flimm und Graham Vick zusammengearbeitet und als britischen Premiere von María Vom Geist der Weihnacht auf. zusammen. Höhepunkte der Solist verschiedene Orches- de Buenos Aires sang Julieta Sein Debüt am TLT gab er als jüngeren Vergangenheit waren terwerke von Astor Piazzolla Anahi Frias die Hauptrolle, A-Rab in der West Side Story, eigene Regiearbeiten wie die aufgeführt. Er ist derzeit als was ihr dann in Folge einen seit 2018 ist er Ensemblemit- Inszenierung der UA von Nor- Lehrer für Bandoneon und Live-Auftritt bei BBC London glied am TLT. Er verkörperte bert Zehms Strange Meeting Künstlerische Forschung am einbrachte. Zuletzt war sie u. a. Lillas Pastia in Carmen, in Innsbruck, La Traviata am Rotterdamer Konservatorium in den Konzerten der „MS Barnaby Tucker in Hello, Dolly! Slowakischen Nationaltheater Codarts tätig. Europa“ (Route Kapstadt- und den Conférencier in Chica- Košice oder eine Produktion Buenos Aires) mit ihrem eige- go. Zuletzt war er als Teufel in für Kinder von Lortzings Undi- nen Programm zu sehen. Teufels Küche und Page Francis ne an der Wiener Staatsoper, in Der süßeste Wahnsinn zu die auch auf DVD erschien. sehen.
TA N ZCO M PANY Lara Brandi Deia Cabalé Oumy Cissé Carlos Campo Vecino Kyle Davis Addison Ector Camilla Danesi Pilar Fernández Sayumi Nishii Mingfu Guo Mitsuro Ito Marco Marangio Chiara Ranca Gabrielle Salvatto Paula Tarragüel Aguilar Gabriel Marseglia Federico Moiana Martin Segeťa
TEXTNACHWEISE ZITAT JUAN CARLOS CAPES aus: Simon Collier / Artemis Cooper / María Susana Azzi / Richard Martin, Tango – Mehr als nur ein Tanz, München 1995. HANDLUNG Axel Gade. WISSENSWERTES zusammengestellt von Axel Gade. DER KOMPONIST Omar García Brunelli, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Personenteil, Band 13, Stuttgart 2005; María Susana Azzi, in: Collier/Cooper/Azzi/Martin, a.a.O. DER LIBRETTIST wikipedia.org; María Susana Azzi, a.a.O. TANGO - EINE BIOGRAFIE Originalbeitrag von Axel Gade, beruhend auf folgenden Quellen: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Sachteil, Band 9, Stuttgart 1998; Collier/Cooper/Azzi/Martin, a.a.O; Dieter Reichardt, Tango, Frankfurt a.M. 1984; Raimund Allebrand, Tango, Bad Honnef 1998. ZITATE FRIAS – DE MAJO – MEDEM aufgezeichnet von Axel Gade. BILDNACHWEISE UMSCHLAGFOTO Günther Egger. FOTOS Birgit Gufler. KÜNSTLERPORTRAITS Alan Byland, Mercedes Cimadevilla, Günther Egger, Emanuel Kaser, Thomas Schrott, Casanova Sorolla und privat. Dieses Theater ist mit einem halbautomatischen externen Defibrillator für kardiale Notfälle ausgestattet, der vom Österreichischen Herzfonds zur Verfügung gestellt wurde. HERAUSGEBER Tiroler Landestheater & Orchester GmbH Innsbruck Rennweg 2 . 6020 Innsbruck . T +43 512 52074 . tiroler@landestheater.at INTENDANT Johannes Reitmeier REDAKTION Mag. Axel Gade GESTALTUNG Simone Berthold & Magdalena Rainer DRUCK Alpina Druck GmbH, 6020 Innsbruck PREIS € 3 SPIELZEIT 2020.21 Wir versichern Unterhaltung. SOCIALIZE WITH US FACEBOOK-SQUARE instagram YOUTUBE Partner der Tanzcompany des Tiroler Landestheaters Steinmayr & Co Insurance Brokers GmbH • Meraner Straße 1 • A-6020 Innsbruck T + 43 / (0)512 / 23 92 80-0 • www.steinmayr.co TLT_123x188mm-Buenos-Aires_LO3.indd 1 10.05.21 18:49
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