Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
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Impressum Herausgeber: Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUL) Heinrich-Mann-Allee 103 14473 Potsdam pressestelle@mlul.brandenburg.de www.mlul.brandenburg.de Text und Redaktion: Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUL) Heinrich-Mann-Allee 103 Entera Umweltplanung & IT, 14473 Potsdam Fischerstr. 3, pressestelle@mlul.brandenburg.de 30167 Hannover www.mlul.brandenburg.de Fotos: Thomas Bich (S. 10), Steffen Bohl (S. 21, 31), Naturwacht Brandenburg (S. 57), Sebastian Hennigs (S. 59), Dr. Andreas Langer (S. 49), Thomas Lüdicke (S. 54), Jan Noack (S. 7), Richard Nothdorf (S. 52), Dr. Michael Tautenhahn(S. 46), Dr. Frank Zimmermann (S. 6, 8, 11, 12, 14, 15, 16, 18, 29, 38, 42). Auflage: 1.000 Stand: 2014 Satz und Druck: LGB (Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg) Titelbild: Thomas Kläber; Mohn, Kornblumen und Hundskamille - Artenvielfalt am Ackerrrand Die Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg des Landes Brandenburg. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf nicht zu Zwecken der Wahlwerbung verwendet werden. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung der Herausgeber.
Vorwort Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Die biologische Vielfalt Brandenburgs, ihre Schönheit und Er- lebbarkeit zu erhalten, ist eine Herausforderung, der sich das Land seit seiner Wiedergründung 1990 stellt. Wer einmal den Einflug der Kraniche in der Abenddämmerung an den Linumer Teichen oder die Balz der Großtrappen in den Belziger Landschaftswiesen beobachtet hat, wird tief berührt sein und sich wünschen, dass auch nachfolgende Generationen diese Naturschauspiele erleben können. Brandenburg trägt bundes- und sogar europaweit eine besonde- re Verantwortung für eine Reihe von Lebensräumen und Arten. Die Großtrappe, die Rotbauchunke oder die Sumpfschildkröte, nährstoffarme Klarwasserseen wie der Stechlinsee oder alte Buchenwälder wie der Grumsin, unser UNESCO-Weltnaturerbe im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, sind Beispiele dafür. Mit dem am 15. April 2014 von der Landesregierung beschlossenen „Maßnahmenprogramm Bio- logische Vielfalt“ bündeln wir die Ziele und Maßnahmen, die wir für den Schutz der biologischen Vielfalt in Brandenburg für besonders wichtig halten. Dabei reicht die Spannbreite von Natur- schutzmaßnahmen, wie der Sicherung von Natura-2000-Gebieten und der Umsetzung von Ar- tenschutzprogrammen bis zum Bau von Grünbrücken, die zerschnittene Wildtier-Lebensräume wieder verbinden. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist nicht nur eine Aufgabe staatlicher oder ehrenamtlich wir- kender Naturschützer. Vielmehr sind auch viele andere Akteure, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft, der Verkehrsplanung oder der Energiepolitik, gefragt, sich für Fragen der Biodiversität zu interessieren und engagieren. Besonderes Augenmerk gilt den Lebensräumen und Arten der Agrarlandschaft. Wir wollen mit maßgeschneiderten Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen die biologische Vielfalt auf heimischen Wiesen, Weiden und Äckern erhöhen und damit Schmetterlingen und Bienen, Feldlerchen und Kiebitzen wieder bessere Lebensbedingungen bieten. Dass sich konsequent durchgeführte Schutzbemühungen lohnen, lässt sich am Beispiel der einhei- mischen Fischarten gut aufzeigen. Dank zahlreicher Maßnahmen haben sich die Gewässerqualität und die Durchgängigkeit vieler Fließgewässer deutlich verbessert. Das führte zu einer positiven Entwicklung der Bestände von etwa einem Viertel aller Fischarten. Dazu gehören die nach der FFH-Richtlinie einem besonderen Schutz unterliegenden Arten Steinbeißer und Schlammpeitzger. Lachs und Stör wurden in Brandenburg wiederangesiedelt und breiten sich aus. Solche Erfolge brauchen wir noch viel mehr. Ich möchte alle staatlichen und gesellschaftlichen Akteure herzlich dazu einladen, das „Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt“ mit uns ge- meinsam umzusetzen, um die Naturschätze Brandenburgs auch für künftige Generationen zu bewahren. Jörg Vogelsänger, Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft VORWORT 3
Inhalt 1 Einleitung 6 1.1 Die Bedeutung der „Biologischen Vielfalt“ 6 1.2 Internationale, europäische und nationale Strategien und Ziele 6 1.3 Brandenburgs besondere Verantwortung für die biologische Vielfalt 8 1.4 Leistungen und Erfolge Brandenburgs im Naturschutz 10 1.5 Gefährdungen der biologischen Vielfalt in Brandenburg 11 2 Das brandenburgische Maßnahmenprogramm zur biologischen Vielfalt 12 2.1 Leitbilder und Ziele 12 2.2 Die Grundprinzipien des Maßnahmenprogramms 14 2.3 Finanzierung 15 3 Erhaltung, Entwicklung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt in Brandenburg 16 3.1 Handlungsfeld Naturschutz 16 3.1.1 Grundsätze und Instrumente zur Sicherung der biologischen Vielfalt 16 3.1.2 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 23 3.2 Handlungsfeld Landwirtschaft und Gartenbau 28 3.2.1 Bedeutung der Agrarlandschaft und der Landwirtschaft für die biologische Vielfalt 28 3.2.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 32 3.2.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 34 3.3 Handlungsfeld Forstwirtschaft 37 3.3.1 Bedeutung der Wälder für die biologische Vielfalt 37 3.3.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 38 3.3.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 40 3.4 Handlungsfeld Wasserwirtschaft 41 3.4.1 Bedeutung der Gewässer für die biologische Vielfalt 41 3.4.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 42 3.4.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 43 3.5 Handlungsfeld Fischerei und Aquakultur 45 3.5.1 Bedeutung der Fischerei und Aquakultur für die biologische Vielfalt 45 3.5.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 46 3.5.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 47 3.6 Handlungsfeld Ländliche Entwicklung und Siedlungen 48 3.6.1 Bedeutung der biologischen Vielfalt in Städten und Dörfern 48 3.6.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 48 3.6.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 50 3.7 Handlungsfeld Verkehr 51 3.7.1 Biologische Vielfalt und Verkehr 51 3.7.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 51 3.7.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 52 4 INHALT
3.8 Handlungsfeld erneuerbare Energien 53 3.8.1 Biologische Vielfalt und erneuerbare Energien 53 3.8.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 53 3.8.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 55 3.9 Handlungsfeld Tourismus 56 3.9.1 Biologische Vielfalt und (nachhaltiger) Tourismus 56 3.9.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 56 3.9.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 57 3.10 Handlungsfeld Bildung für nachhaltige Entwicklung 58 3.10.1 Bedeutung der Bildung für nachhaltige Entwicklung für die biologische Vielfalt 58 3.10.2 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt 58 3.10.3 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte 60 Abkürzungsverzeichnis 62 INHALT 5
1 Einleitung Das Abkommen hat drei übergeordnete Zie- le: Erhaltung der biologischen Vielfalt (Gene, Arten, Lebensräume), nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile sowie gerechte Aufteilung der aus der Nutzung genetischer Ressour- cen gewonnenen Vorteile. Die 10. UN-Konferenz zum Schutz der biolo- gischen Vielfalt im japanischen Nagoya be- kräftigte im Oktober 2010 die Ziele von Rio und beschloss insbesondere vor dem Hinter- grund der bislang unbefriedigenden Zielerrei- Wiesen-Kuhschelle an den Oderhängen bei Lebus chung eine weitergehende Strategie für den globalen Schutz der biologischen Vielfalt von 1.1 Die Bedeutung der 2011 bis 2020. Die Ziele von Rio 1992 wurden „Biologischen Vielfalt“ im Juni 2012 auf dem UN-Gipfel „Rio+20“ in Rio de Janeiro noch einmal betont. Die biologische Vielfalt ist eine existentiel- le Grundlage für das menschliche Leben. Als Umsetzungsschritt für Deutschland hat Trotz vielfacher nationaler und internationa- die Bundesregierung am 7. November 2007 ler Maßnahmen schwindet die Biodiversität die Nationale Strategie zur biologischen Viel- weltweit in erheblichem Ausmaß. Neben öko- falt beschlossen. Durch die Verwirklichung logischen, ethischen, sozialen und kulturel- der dort aufgeführten Ziele und Maßnahmen len Gründen rechtfertigen auch ökonomische mit einem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 soll Argumente1 umfangreiche Anstrengungen, der Rückgang der biologischen Vielfalt auf- um dem Verlust der biologischen Vielfalt ent- gehalten und der Trend umgekehrt werden. gegenzuarbeiten. Zerstören wir die biologi- Die Bundesregierung legt in jeder Legislatur- sche Vielfalt, gefährden wir unsere Lebens- periode einen Bericht über die Erreichung der grundlagen und berauben uns und künftige Ziele und die Realisierung der Maßnahmen Generationen wichtiger Entwicklungsmög- in den verschiedenen Aktionsfeldern vor. lichkeiten. Erstmalig ist dies mit dem Rechenschaftsbe- richt 2013 erfolgt. Der Bericht zeigt, dass sich 1.2 Internationale, europäische und eine Vielzahl der formulierten Maßnahmen in nationale Strategien und Ziele der Umsetzung befindet, sich jedoch bislang häufig keine positiven Wirkungen abzeich- Im Juni 1992 haben die Vereinten Nationen nen. Die Trendanalyse zeigt zwar ein über- auf der Konferenz für Umwelt und Entwick- wiegend positives Bild, die Werte liegen aber lung in Rio de Janeiro das Übereinkommen oftmals noch weit bzw. sehr weit vom Zielbe- über die biologische Vielfalt (Convention reich entfernt.2 on Biological Diversity, CBD) beschlossen. Deutschland ist seit ihrem Inkrafttreten am 29. Dezember 1993 Vertragspartei der CBD. 2 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Gemeinsam für die biologische Vielfalt 1 Vgl. u.a. Hansjürgens, B. et al.: Natur- Rechenschaftsbericht 2013 zur Umsetzung der kapital Deutschland – TEEB DE: Über Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. den Wert der Natur für den Menschen h t t p : / / w w w. b m u . d e / s e r v i c e / p u b l i k a t i o n e n / https://www.ufz.de/index.php?de=30710 downloads/details/artikel/bmu-hintergrundpapier/ 6
Wölfe sind mittlerweile in einigen Regionen Brandenburgs wieder heimisch geworden. In die Neufassung des Bundesnaturschutzge- Die Europäische Union verabschiedete setzes3 wurde die biologische Vielfalt explizit im Mai 2011 die EU-Biodiversitätsstrategie und ergänzend zu dem weiterhin enthaltenen „Lebensversicherung und Naturkapital“. Ne- Begriff „Vielfalt von Natur und Landschaft“ ben der Absicht, den Biodiversitätsverlust zu aufgenommen. § 1 konkretisiert dazu: stoppen, betont die Strategie erstmals den Wert von Ökosystemdienstleistungen sowie (2) Zur dauerhaften Sicherung der biologi- die Notwendigkeit, diese Leistungen zum schen Vielfalt sind entsprechend dem jeweili- Nutzen der Umwelt und der Gesellschaft glei- gen Gefährdungsgrad insbesondere chermaßen wiederherzustellen. 1. lebensfähige Populationen wild lebender Tie- In Brandenburg hat der Schutz der natürlichen re und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstät- Lebensgrundlagen Verfassungsrang. Nach Art. ten zu erhalten und der Austausch zwischen 39 Absatz 1 der Landesverfassung (LV) ist den Populationen sowie Wanderung/Ausbrei- der Schutz der Natur, der Umwelt und der ge- tung und Wiederbesiedelung zu ermöglichen, wachsenen Kulturlandschaft als Grundlage ge- genwärtigen und künftigen Lebens Pflicht des 2. Gefährdungen von natürlich vorkommen- Landes und aller Menschen. Gemäß Art. 39 den Ökosystemen, Biotopen und Arten ent- Abs. 3 Satz 2 LV sind Art und artgerechter Le- gegenzuwirken, bensraum von Tieren und Pflanzen zu erhalten und zu schützen. Diesem Verfassungsziel dient 3. Lebensgemeinschaften und Biotope mit der Erhalt der biologischen Vielfalt. Der Erhalt ihren strukturellen und geografischen Eigen- der biologischen Vielfalt ist somit eine gesamt- heiten in einer repräsentativen Verteilung zu gesellschaftliche Aufgabe, die nur ressortüber- erhalten; bestimmte Landschaftsteile sollen greifend und gemeinsam mit den Menschen der natürlichen Dynamik überlassen bleiben. bewältigt werden kann. Der Landtag Branden- burg hat am 9. November 2011 in einem Be- schluss die Landesregierung aufgefordert, 3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG vom • „den Schutz der biologischen Vielfalt bei der 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 07.08.2013 Erarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie zu (BGBl. I S. 3154) berücksichtigen, 7
• bis Mitte 2012 ein Maßnahmenpaket im ureigenen Interesse des Landes und sei- ‚Schutz der biologischen Vielfalt‘ zu erstel- ner Bevölkerung. Darüber hinaus hat Bran- len, um die Nationale Strategie in Bran- denburg aber auch eine Verantwortung, die denburg umzusetzen, naturräumlich typische biologische Vielfalt • in das Maßnahmenpaket konkrete und als einen Baustein im Gefüge der deutschen überprüfbare Maßnahmen und Ziele und weltweiten biologischen Vielfalt zu si- aufzunehmen, die an einzelne Ressorts chern. In der Nationalen Strategie zur biologi- adressiert sind.“ schen Vielfalt sind Kriterien für die besondere Das hiermit vorliegende Maßnahmenpaket bil- Verantwortung Deutschlands genannt. Nach det den abschließenden Baustein eines Ziel- diesen Kriterien trägt Brandenburg für die Er- systems, dass die Erfordernisse zum Schutz haltung von 36 Lebensräumen (25 Lebens- der biologischen Vielfalt von der globalen Per- raumtypen nach FFH und weitere 11 Nicht- spektive (Rio 1992, Nagoya 2010), über die FFH-Lebensräume) und mehreren hundert EU-weite und die nationale Ebene bis zu den Arten sowie weiteren Schwerpunkten der Umsetzungsschritten in Brandenburg konkre- biologischen Vielfalt im Sinne der CBD eine tisiert. Als Zielhorizont für wesentliche Erfolge deutschlandweite und in zahlreichen Fällen wurde einheitlich das Jahr 2020 festgelegt. darüber hinaus reichende Verantwortung4. Es handelt sich um 1.3 Brandenburgs besondere • Arten, die in Brandenburg ihren Verbrei- Verantwortung für die biologische tungsschwerpunkt (weltweit, in Mitteleuro- Vielfalt 4 Abgeleitet aus den Kriterien für die besondere Ver- Die biologische Vielfalt Brandenburgs, ihre antwortung Deutschlands: BMU (Hrsg.) Nationale Schönheit und Erlebbarkeit zu erhalten, liegt Strategie zur biologischen Vielfalt. Berlin, 2007, S. 18 Das Frühlings-Adonisröschen ist eine Charakterart der außerordentlich artenreichen Steppenrasen an den Oderhängen zwischen Frankfurt (Oder) und Seelow. 8
pa, in Deutschland) deutschen Brutbestandes auf. Das Vorkom- • oder besonders bedeutende Arealantei- men einzelner Arten ist sogar ausschließlich le haben, wandernde Arten, von denen auf Brandenburg begrenzt, so kommt die Fon- bedeutende Teile der Weltpopulation in tane-Maräne endemisch im Stechlinsee vor. Brandenburg rasten oder überwintern, Unter den Pflanzen haben z. B. Graue Ska- • in Deutschland und angrenzenden Gebie- biose und Sumpf-Enzian sowie verschiedene ten stark gefährdete oder vom Aussterben Sumpf-Löwenzahn-Arten in Brandenburg gro- bedrohte einheimische Arten, ße Teile ihrer weltweiten Areale. Sie stehen • Arten, die in Brandenburg und angrenzen- beispielhaft für eine größere Zahl von Pflan- den Räumen endemisch sind, also nur hier zenarten, die nur hier und in wenigen anderen vorkommen, Gebieten der Erde erhalten werden können. • ausschließlich oder schwerpunktmäßig in Für das Märkische Schwingelschilf und das Brandenburg vorkommende Lebensräu- Deutsche Federgras trägt Brandenburg die me und Ökosysteme. alleinige Erhaltungsverantwortung, weil au- Die meisten Lebensräume und viele Arten sind ßerhalb des Landes keine Vorkommen mehr Gegenstand von Natura 2000. Bei Lebens- bekannt sind. räumen sind dabei vor allem nährstoffarme Klarwasserseen, Kessel- und Verlandungs- Schwerpunkträume der biologischen moore, artenreiche Flachlandmähwiesen, Vielfalt in Brandenburg5 subkontinentale Trocken- und Halbtrockenra- Schwerpunkträume mit hoher Bedeutung für sen, kontinentale Heiden sowie Trockenwäl- Arten und Lebensräume, für deren Erhaltung der und Buchenwälder und deren charakte- eine besondere Verantwortung besteht, sind: ristische Arten hervorzuheben. Aber auch für • Mittleres und Unteres Odertal einschließ- Flussauen, Binnensalzstellen, Quellen und lich der angrenzenden Hochflächen und Quellmoore, Moorwälder und verschiedene Seitentäler sowie das Untere Elbtal andere Waldtypen trägt Brandenburg interna- • Südteil des Nördlichen Landrückens mit tionale, deutschlandweite bzw. überregionale dem Stechlingebiet, dem Feldberg-Lyche- Verantwortung. Eine wichtige Rolle spielen ner Wald- und Seengebiet sowie Choriner auch die nach der Ramsar Konvention von und Angermünder Endmoräne mit deren 1971 gemeldeten, international bedeutenden Vor- und Rückland, Feuchtgebiete als Rastplätze für Zugvögel wie • Havelniederung einschließlich der mittle- z. B. Kraniche, Limikolen und Wasservogel- ren und unteren Havelniederung und des arten. Aber auch Sekundärlebensräume wie Oberen Rhinluchs (ehemalige) Truppenübungsplätze und Berg- • Märkische Schweiz, Barnimplatte und baufolgelandschaften bieten vielen stark ge- Freienwalder Waldgebiet, fährdeten Arten Rückzugsräume und bergen • Dahme-Heideseengebiet sowie Nuthe- weitere Entwicklungspotenziale. Notte- und Nuthe-Nieplitz-Niederung, • Spreewald, Luckau-Calauer Becken ein- In Bezug auf die Arten trägt Brandenburg schließlich von Teilen des Niederlausitzer ebenfalls eine hohe Verantwortung. So be- Landrückens und der Niederlausitzer Heide, steht beispielsweise eine besondere Verpflich- tung für den Schutz der Rotbauchunke, der 5 In Anlehnung an: „Räume mit einer besonders ho- Sumpfschildkröte, der Östlichen Smaragdei- hen Artenvielfalt sowie besonderer Bedeutung für die dechse, sowie verschiedener Adlerarten. Die Erhaltung von Arten und Lebensräumen mit beson- derer Verantwortlichkeit.“ (Zimmermann, F., 2012, in: Kleinralle sowie die Großtrappe weisen in Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Brandenburg den weitaus größten Anteil ihres (NundL), Heft 3, 2012, S.98. Potsdam) 9
Artenschutzmaßnahmen und ein reiches Futterangebot lassen den Bestand des Fischadlers stetig anwachsen. • Unzerschnittene Flächen der Lieberoser räume, auch in Brandenburg einen Meilenstein Heide und der Kyritz-Ruppiner Heide. dar. Das Netzwerk Natura 2000 ist ein zentraler Wesentliche Teile dieser Landschaftsräume Beitrag zur Sicherung der Biodiversität. werden durch die Nationalen Naturlandschaf- ten Brandenburgs (Nationalpark, Biosphären- Wichtige Voraussetzung bildete u. a. die Ein- reservate und Naturparks) abgedeckt. richtung der ersten Großschutzgebiete in der Zeit des Übergangs 1989/1990 (das „Tafelsil- Im Förderprogramm „Biologische Vielfalt“ des ber“ der deutschen Wiedervereinigung). Heu- Bundes werden deutschlandweit 30 „Hot- te nehmen der Nationalpark Unteres Odertal, spots“ der Biodiversität benannt. In Branden- die drei Biosphärenreservate und die elf Na- burg sind dies die Hotspots Nr. 25 und 26 turparke ein Drittel der Fläche Brandenburgs mit Teilen des Nationalparks „Unteres Oder- ein (Nationale Naturlandschaften). Zusam- tal“, des Biosphärenreservates „Schorfheide men repräsentieren sie die Lebensräume Chorin“, der Naturparke „Uckermärkische und Landschaften Brandenburgs und sind zu Seen“ und „Stechlin-Ruppiner Land.“ Hotspot einem Markenzeichen des Landes geworden. Nr. 20 umfasst auch die Heide- und Teichge- biete südlich von Ruhland in der Lausitz. Durch umfangreiche Schutzmaßnahmen ha- ben sich die landesweiten Bestände einiger 1.4 Leistungen und Erfolge Arten positiv entwickelt. Hervorzuheben sind Brandenburgs im Naturschutz u. a. die Zunahme einiger Greifvogelarten, lokal positive Trends bei einzelnen Amphibienarten, Die Brandenburger Naturschutzpolitik hat in sowie die anhaltend positive Bestandsentwick- den letzten 20 Jahren ein umfangreiches und lung bei Fischotter und Biber und verschiede- erfolgreiches Instrumentarium zum Schutz, zur nen Arten von Wasserpflanzen. Pflege und zur Entwicklung wertvoller Flächen und bedrohter Arten entwickelt. Sowohl die Verbesserung der Kenntnisse über die Vorkommen und Gefährdungsur- Die Errichtung des Natura 2000-Netzwerks sachen der in Brandenburg vorkommenden stellt, mit der Meldung der FFH-und Vogel- Arten als auch die Umsetzung landeswei- schutzgebiete und den Maßnahmen zum Erhalt ter Artenschutzprogramme und zahlreicher und zur Entwicklung der Arten und ihrer Lebens- weiterer Schutzmaßnahmen wären ohne 10
die engagierte Mitwirkung ehrenamtlicher So zeigen beispielsweise die Roten Listen6 Naturschützer undenkbar. Eine besondere für 15 Artengruppen, dass sich zwischen Bedeutung kommt auch der Stiftung Natur- 1997 und 2011 die Bestandssituation vieler schutzfonds Brandenburg zu, die kontinu- Arten nicht verbessert hat. Insgesamt gelten ierlich Naturschutzprojekte durchführt und derzeit rund 50 % aller Arten als gefährdet, fördert und damit einen erheblichen Beitrag knapp 10 % aller Arten in Brandenburg sind zum Schutz der biologischen Vielfalt leistet. vom Aussterben bedroht. Etwa drei Viertel aller Lebensräume sind in unterschiedlichem 1.5 Gefährdungen der biologischen Maße in ihren Beständen gefährdet. Beson- Vielfalt in Brandenburg ders negative Entwicklungen zeigen sich im Rückgang vieler bodenbrütender Vogelarten Trotz der bisherigen Anstrengungen ist ins- und von Arten trocken-warmer Offenlandle- gesamt keine Trendwende beim Verlust der bensräume. Der weitere Rückgang einiger biologischen Vielfalt erreicht worden, da die Amphibienarten sowie der Rückgang konkur- Wirkungen der Schutzaktivitäten von belas- renzschwacher Pflanzen der Moore, Feucht- tenden Effekten überlagert werden. Detailliert wiesen, Trockenrasen und Wälder sind wird auf Gefährdungsursachen in den Kapi- ebenfalls erheblich. Insgesamt konnten die teln „Handlungsfelder“ eingegangen. ursprünglich für 2010 gesetzten Ziele auch in Brandenburg nicht erreicht werden. Nach wie vor sind gravierende Rückgänge bei der Mehrzahl von Organismengruppen 6 Herausgegeben durch das Landesamt für Umwelt, und deren Lebensräumen zu verzeichnen. Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV) Moore gehören zu den sensibelsten Ökosystemen unserer Natur. Hier findet auch der seltene Sonnentau Lebensraum. 11
Das brandenburgische Maßnahmen- 2 programm zur biologischen Vielfalt 2.1 Leitbilder und Ziele und mit dem Schutz der Naturgüter führt zu Synergieeffekten und fördert die Identifika- Das Maßnahmenprogramm Biologische Viel- tion der Bevölkerung mit Biodiversitätszie- falt 2020 soll einen wirksamen Beitrag zur len. Landnutzerinnen und Landnutzer sowie Erreichung der Ziele der Nationalen Strate- Grundeigentümerinnen und Grundeigen- gie leisten. Es enthält die Schwerpunkte der tümer nehmen die Verantwortung für nach- Brandenburger Naturschutzpolitik sowie die haltiges Wirtschaften im Rahmen ihrer Ver- Beiträge der Ressorts zum Schutz der biolo- pflichtungen und darüber hinausgehender gischen Vielfalt. Dem Maßnahmenprogramm Möglichkeiten wahr. Das Naturbewusstsein liegt folgendes Leitbild zugrunde: ist weiter entwickelt und die Zusammenhän- ge zwischen biologischer Vielfalt, dem Wohl- Nachhaltige Nutzung und Identifikation befinden und der Erholung in der Natur sind der Menschen mit den Themen der in der Bevölkerung etabliert. biologischen Vielfalt Ziele: Leitbild für die Zukunft: Die Sicherung der biologischen Vielfalt wird Natur und Landschaft sind als wichtiger in alle relevanten Strategien und Programme Standortfaktor und Ressource in der Politik Brandenburgs integriert. Dies betrifft auch die etabliert und das Bewusstsein für die Bedeu- Nachhaltigkeitsstrategie des Landes. Natur- tung von Ökosystemdienstleistungen ist ge- verträglichkeit wird künftig ein Schlüsselindi- stärkt. Regionale Wertschöpfung durch den kator für nachhaltiges Wirtschaften sein. Durch angepasste Beweidung werden wertvolle Lebensräume der Kulturlandschaft erhalten. 12
Die Wertschätzung der Bevölkerung für stark gefährdeten Biotoptypen an Fläche die biologische Vielfalt ist durch geeigne- und Anzahl wieder zu. Degradierungen sind te Weiterbildungsmaßnahmen erhöht. Das nicht mehr zu verzeichnen und die Regene- Bewusstsein für die biologische Vielfalt und ration hat begonnen. ihre Schutzbedürftigkeit wird bei Landwirtin- nen und Landwirten, Waldbesitzerinnen und Bis 2020 besitzt Brandenburg auf 10 % der Waldbesitzern und anderen Landnutzerin- Landesfläche ein repräsentatives System nen und Landnutzern gestärkt. Ihre Kennt- vernetzter Biotope. Dieses Netz ist geeig- nis und Bereitschaft vom Land angebotene net, die Lebensräume der wildlebenden Ar- Fördermöglichkeiten zu nutzen, werden er- ten dauerhaft zu verbinden und ist integraler höht. Sie werden zu eigenen Initiativen auf Bestandteil eines europäischen Biotopver- der kommunalen und individuellen Ebene bunds. und zur Beteiligung an bereits laufenden Ak- tionen ermutigt und beraten. Neue Formen Bis zum Jahre 2020 kann sich die Natur auf der Landnutzung werden von vornherein 2 % (60.000 ha) der Fläche Brandenburgs naturschutzfachlich flankiert. Ansätze zur wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkei- regionalen Wertschöpfung, insbesondere ten ungestört entwickeln und Wildnis entste- in den Großschutzgebieten, werden weiter hen. gefördert. Arten Lebensräume Leitbild für die Zukunft: Leitbild für die Zukunft: Brandenburg beherbergt eine gebietstypi- In Brandenburg ist eine naturraumtypische sche, natürlich und historisch entstandene Vielfalt von Lebensräumen dauerhaft gesi- Artenvielfalt in für die einzelnen Lebens- chert. Die Lebensräume und ihre Lebens- räume charakteristischer Ausprägung. Die gemeinschaften sind in ein funktionsfähiges Populationen der jeweiligen Arten leben in ökologisches Netzwerk eingebunden und nachhaltig gesicherten, vernetzten Lebens- befinden sich in einem günstigen Erhaltungs- räumen in ausreichender art- und lebens- zustand. raumspezifischer Größe und sind für die Menschen erlebbar. Ziele entsprechend der Nationalen Strate- gie: Die Ziele der Nationalen Strategie bedeuten Bis 2020 weisen die überwiegenden Bestän- übertragen auf Brandenburg: de der Lebensraumtypen (gem. Anhang I Spätestens 2020 setzt eine Trendwende hin der FFH-Richtlinie), der geschützten (§ 30 zu einer höheren Vielfalt und (Wieder-)Aus- BNatSchG und § 18 BbgNatSchAG) und ge- breitung heimischer Arten in der Fläche ein. fährdeten Biotoptypen sowie solcher, für die Bis zum Jahre 2020 ist der Anteil der vom Deutschland eine besondere Verantwortung Aussterben bedrohten und stark gefährdeten trägt bzw. die von besonderer Bedeutung Arten verringert. Bis 2020 erreichen Arten, für wandernde Arten sind, einen gegenüber für die Brandenburg eine besondere Erhal- 2005 signifikant besseren Erhaltungszu- tungsverantwortung trägt, überlebensfähige stand auf, sofern ein guter Erhaltungszu- Populationen. Vor dem Hintergrund zu erwar- stand noch nicht erreicht ist. Danach neh- tender klimatischer Veränderungen werden men die heute nach den Roten Listen von Voraussetzungen für eine Ausbreitung bzw. vollständiger Vernichtung bedrohten und die Wanderung verbessert. 13
2.2 Die Grundprinzipien des sich die Fachressorts zum Schutz und zur Maßnahmenprogramms Entwicklung der biologischen Vielfalt setzen. Anschließend werden die Ziele und Maßnah- Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der men tabellarisch dargestellt. Zum Teil wurden biologischen Vielfalt sind eine gesamtgesell- hier konkrete, quantifizierte Ziele festgelegt. schaftliche Aufgabe. Alle Verwaltungen des In Bereichen, in denen diese Festlegung Landes sind aufgefordert, im Rahmen ihrer nicht möglich war, sind die Ziele allgemeiner Zuständigkeit konkrete Beiträge zu leisten. gehalten, so dass der Konkretisierungsgrad Deshalb umfasst das Maßnahmenprogramm variiert. neben dem Naturschutz die Bereiche Land- wirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft In die inhaltliche Darstellung der einzelnen und Fischerei, Ländliche Entwicklung und Handlungsfelder sind zudem Ergebnisse des Siedlungen, Verkehr, erneuerbare Energi- Workshops „Maßnahmenprogramm Biologi- en, Tourismus und Bildung für nachhaltige sche Vielfalt“ mit eingeflossen, der unter Be- Entwicklung. Diese werden im Folgenden teiligung von Verbänden, Vereinen, Stiftun- jeweils als ein Handlungsbereich definiert. gen und Verwaltung am 7. Dezember 2012 in Zu jedem Handlungsbereich werden Grund- Potsdam stattgefunden hat. sätze formuliert, die aufzeigen, welche Ziele Der Fischotter - noch vor 30 Jahren vom Aussterben bedroht - ist heute wieder im ganzen Land verbreitet und besiedelt von hier aus weitere Teile Deutschlands. 14
Die Nordische Moosjungfer gehört zu den Besonderheiten in Brandenburger Mooren wie hier im FFH- Gebiet Löcknitztal bei Erkner. 2.3 Finanzierung biologischen Vielfalt aufzuhalten, im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglichkeiten aus- Es ist beabsichtigt, das Maßnahmenpro- reichend Mittel für den Vertragsnaturschutz gramm Biologische Vielfalt im Rahmen der bereitzustellen. Daneben sollen aus dem EU-Fonds und anderer Finanzierungsquel- Wassernutzungsentgelt im Rahmen der Um- len der EU, des Bundes und des Landes setzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) umzusetzen. Den Schwerpunkt bilden dabei Mittel für Maßnahmen eingesetzt werden, die Maßnahmen zur Umsetzung von Natura die der Erhaltung und Entwicklung der bio- 2000. Eines der wichtigsten Finanzierungs- logischen Vielfalt von gewässergebundenen mittel ist der Europäische Landwirtschafts- Lebensräumen dienen. fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), dessen Budget zu mindes- Die Verfügbarkeit der hier jeweils angegebe- tens 30 % zur Eindämmung des Klimawan- nen Fonds- oder sonstigen Finanzierungs- dels und Anpassung an seine Auswirkungen mittel steht unter Haushaltsvorbehalt. Die sowie für Umweltbelange zu verwenden ist. genaue Festlegung von finanziellen Budgets Für Schwerpunktbereiche sollen weiterhin bzw. Finanzierungen von Maßnahmen erfolgt Projekte des EU-Programms LIFE+ und des für die Fonds im Rahmen der Erstellung der Bundesnaturschutzprogramms „Chance Na- jeweiligen Operationellen Programme und ist tur“ unter der Bereitstellung der notwendigen derzeit noch nicht abgeschlossen. Kofinanzierung durch das Land umgesetzt werden. Seit 2011 steht außerdem das „Bun- desprogramm Biologische Vielfalt“ zur Verfü- gung. Die Landesregierung beabsichtigt, bis zur Erreichung des Ziels, den Rückgang der 15
Erhaltung, Entwicklung und nachhaltige 3 Nutzung der biologischen Vielfalt in Brandenburg 3.1 Handlungsfeld Naturschutz Diese Instrumente überlagern sich, greifen ineinander und sind in großen Teilen ge- 3.1.1 Grundsätze und Instrumente zur meinsam durch den Naturschutz und ande- Sicherung der biologischen Vielfalt re Ressorts umzusetzen. Die wichtigsten Für den Naturschutz ist die Erhaltung und Grundsätze und Ziele für die Anwendung der Entwicklung der biologischen Vielfalt das Instrumente werden im Folgenden skizziert, zentrale Anliegen, für dessen Umsetzung ein die konkreten Festlegungen und Maßnah- breit gefächertes Instrumentarium zur Ver- men am Ende des Kapitels in einer Tabelle fügung steht. Die Wirkungsweisen reichen zusammengefasst. dabei über den Schutz der Natura 2000-Ge- biete hinaus von „Vermeidung der weiteren a. Natura 2000 Verschlechterung“ (z. B. durch Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung Ausgehend von der stetigen Verschlechte- oder artenschutzrechtlicher Bestimmungen), rung des Zustandes der Lebensräume und über den Flächenschutz hochwertiger Gebie- der zunehmenden Zahl bedrohter Tier- und te bis zur gezielten Entwicklung neuer Struk- Pflanzenarten im Gebiet der Mitgliedstaaten turen (Biotopverbund) und Maßnahmen zur der EU wurde als Hauptziel der FFH-Richtli- Förderung einzelner besonders gefährdeter nie im Jahr 1992 formuliert, die Erhaltung der Arten und Lebensräume. biologischen Vielfalt zu fördern. Artenreiche Feuchtwiesen – hier mit dem Breitblättrigen Knabenkraut im Naturpark Märkische Schweiz – gehören zu den "Sorgenkindern" des Naturschutzes. 16
Die Landesregierung hat insgesamt 620 FFH- fachlich wertvollsten Landschaftsräume sind Gebiete und 27 Europäische Vogelschutzge- in Brandenburg als Naturparke, Biosphären- biete benannt. Damit ist rund ein Viertel der reservate und Nationalpark geschützt. Diese Fläche des Landes Bestandteil des Europäi- „Nationalen Naturlandschaften“ beinhalten schen Netzes Natura 2000. Die dauerhafte etwa zwei Drittel der Gesamtfläche der Na- Erhaltung und Sicherung dieses Netzwerks ist tura-2000-Gebiete Brandenburgs und beher- eine der wichtigsten Naturschutzaufgaben des bergen einen Großteil des Bestandes der am Landes Brandenburg. Bis zum Jahr 2020 ste- stärksten gefährdeten Arten. hen folgende Anforderungen im Vordergrund: • Verbesserung des Erhaltungszustandes Der Nationalpark Unteres Odertal ist der von FFH-Lebensräumen und -Arten sowie einzige Auen-Nationalpark in Deutschland. von Vogelarten, für die Brandenburg in Natürlich ablaufende Prozesse und die Ent- der kontinentalen Region eine besondere wicklung möglichst weitgehend natürlicher Verantwortung trägt. Dies sind z. B. Offen- Lebensräume sind hier zentrale Schutzziele. land-Lebensraumtypen wie Trockene Die Biosphärenreservate Schorfheide-Cho- europäische Heiden, Wald-Lebensraum- rin, Spreewald und Flusslandschaft Elbe (län- typen wie z. B. Hainsimsen-Buchenwälder derübergreifend) sind Bestandteile des Welt- und Gewässer-Lebensraumtypen, wie netzes der UNESCO-Biosphärenreservate z. B. nährstoffarme Seen, Klarwasserseen und Schwerpunkträume für die Gestaltung und Teiche sowie Arten, wie z. B. Schrei- und Erforschung der Beziehungen zwischen adler, Großtrappe, Wachtelkönig, Europä- Mensch und Umwelt und für die internatio- ische Sumpfschildkröte, Rotbauchunke, nale Zusammenarbeit. Ziele sind auf Nach- Bitterling, Heldbock, Große Moosjungfer haltigkeit ausgerichtete Landnutzung und die oder Sumpf-Engelwurz. Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstel- • Aufhalten der Verschlechterung des lung der für einzelne Landschaftsräume oder günstigen Erhaltungszustandes von FFH- Landschaftsbestandteile charakteristischen Lebensräumen (z. B. Hainsimsen- und Biodiversität. Darüber hinaus sollen sie bei- Waldmeister-Buchenwald) und -Arten spielhaft der Entwicklung und Erprobung (z. B. Zwerg- und Breitflügelfledermaus, nachhaltiger Wirtschaftsweisen in allen Wirt- Stromgründling, Großer Feuerfalter) so- schaftssektoren dienen. wie von Vogelarten wie Mittelspecht und Heidelerche. Die 11 Naturparke sind großräumige Kultur- • Sicherung aller Natura 2000 Gebiete landschaften, in denen der Schutz und die durch gesetzliche Regelungen, Verord- Erhaltung der Biotop- und Artenvielfalt mit nungen oder vertragliche Regelungen. der Erholungsfunktion der Landschaften für • Erstellung und Umsetzung von Manage- den Menschen verbunden sind. In ihnen wer- mentplänen für Natura 2000-Gebiete. den umweltverträglicher Tourismus und dau- • Etablierung eines Monitoringsystems für erhaft umweltverträgliche Landnutzungen Natura 2000 Gebiete durch Gebietsbetreuer. unterstützt. Darüber hinaus leisten sie einen • Erfüllung der Natura 2000-Berichtspflichten. erheblichen Beitrag zur Regionalentwicklung. Alle 15 Nationalen Naturlandschaften stellen b. Großschutzgebiete/ der Gesellschaft Ökosystemdienstleistungen Nationale Naturlandschaften zur Verfügung, z. B. für Erholung und Natur- tourismus oder beim Gewässerschutz. Als Wesentliche Teile der am wenigsten zersie- Kommunikationszentren und Lernorte neh- delten bzw. zerschnittenen und naturschutz- men sie beim Schutz der biologischen Viel- 17
falt, auch in Hinblick auf die Umweltbildung, ler zwischen Mensch und Natur wirken. Lokale eine Schlüsselrolle ein. und regionale Partnerschaften, z. B. mit Kom- munen, Fördervereinen, Tourismusvereinen, Die Aufgaben der Nationalen Naturlandschaf- Verbänden und Bildungseinrichtungen sind ten sind querschnittsorientiert. Sie wirken in wichtige Bestandteile des Gebietsmanage- allen Handlungsfeldern des Maßnahmenpro- ments. Zentrale Anlaufstellen für Urlauberinnen gramms mit, insbesondere durch ihren An- und Urlauber sowie Akteurinnen und Akteure satz, den Naturschutz in die Landnutzungen vor Ort sind die Besucherinformationszentren. zu integrieren. c. Biologische Vielfalt in Offenlandschaften Zur Erhaltung und Entwicklung der Nationalen Naturlandschaften werden Pflege- und Entwick- Brandenburg beherbergt vielfältige Lebens- lungspläne aufgestellt und umgesetzt. Alle 15 räume des Offenlandes. Hierzu zählen sowohl Gebiete verfügen über eine den Aufgaben ent- verschiedene Lebensräume der trockenen sprechende personell ausgestattete Schutzge- Sandheiden und Dünen als auch die der kon- bietsverwaltung sowie über hauptamtliche Na- tinentalen Trocken- und Halbtrockenrasen. turwächterinnen und Naturwächter (unter der Brandenburg verfügt über rund 40 % der Hei- Trägerschaft Naturschutzfonds Brandenburg), defläche Deutschlands und trägt damit eine die u. a. Artenschutzmaßnahmen durchführen besondere Verantwortung zur Sicherung und und vor allem vor Ort als Mittlerinnen und Mitt- zum Erhalt dieser Flächen. Viele dieser Flä- Baumweißlinge in einer artenreichen Feuchtwiese im Naturpark Märkische Schweiz 18
chen sind durch natürliche Sukzession auf lange Zeiträume zur Zerstörung von Natur- armen Standorten aus zerstörten Naturland- und Kulturlandschaft und zum Verlust von schaften infolge militärischer Nutzung hervor- Lebensräumen. Bergbaufolgelandschaften gegangen. Ehemalige und zum geringeren bieten einerseits wieder neue Chancen für Teil auch aktiv genutzte Truppenübungsplätze den Erhalt der Biodiversität, stellen aber bilden hier die Schwerpunkte. So ist beispiels- auch ein erhebliches Gefährdungspoten- weise die Kyritz-Wittstocker Heide eines der tial für aquatische Ökosysteme oder auch größten Heidegebiete in Deutschland. Auf- die Kulturlandschaft (z. B. Spreewald) dar. grund seiner übergeordneten Bedeutung wur- Die Braunkohlenbergbaufolgelandschaften den 4.000 ha dieses ehemaligen Übungsplat- (BFL) zeichnen sich durch Großflächigkeit, zes dem nationalen Naturerbe zugeordnet. Unzerschnittenheit und weitgehende Nähr- Eine Reihe von Tierarten, die besonders eng stoffarmut bzw. bergbaubedingt spezifische an Calluna-Heiden angepasst sind, haben Substrateigenschaften aus. Können sich die- deutschlandweit größte oder sehr wichtige se Gebiete nach der Bergsicherung frei ent- Vorkommen in Brandenburg. Dazu gehören wickeln, kommt es zu räumlich heterogenen u.a. Wiedehopf, Ziegenmelker, Heidelerche, Sukzessionsstadien unterschiedlichster Aus- Brachpieper, Steinschmätzer, Raubwürger prägung, von Rohbodenstandorten über Tro- und Smaragdeidechse. Darüber hinaus finden ckenrasen, Zwergstrauchheiden, Vorwäldern andere Offenlandbewohner in den Heideland- bis hin zu strukturreichen Wäldern. Restge- schaften Rückzugsräume, die eine ausrei- wässer, die aufgrund ihrer chemischen Ei- chende Reproduktion ermöglichen. genschaften (niedriger pH-Wert) zur Versau- erung neigen können allenfalls von wenigen Angesichts der oftmals ungeklärten Frage Spezialisten besiedelt werden. Hier wird es der Beräumung von Munition und hoher Kos- ohne Zutun des Menschen noch lange dau- ten für Pflegemaßnahmen stellt die Erhal- ern, bis diese z. Z. lebensfeindlichen Ge- tung dieser Heidelandschaften eine dauer- wässer wieder zu artenreichen Gewässern hafte Herausforderung dar. Naturschutz- und werden. Andererseits können Restgewässer, Forstverwaltungen, Stiftungen und Verbände die kaum zur Versauerung neigen, langfristig erproben und realisieren daher unterschiedli- vielfältige Lebensraumfunktionen überneh- che Methoden zum Erhalt und zur Nutzung. men (z. B. Helenesee). Hervorzuheben sind Maßnahmen wie Schaf- beweidung, Holznutzung und Pflege durch Der Wert dieser Flächen wird durch die Aus- Brand, die – zum Teil in Kombination – zu weisung einer Reihe von Schutzgebieten ge- guten Erfolgen führen. Gleichzeitig bieten die sichert. In den Sanierungs- bzw. Braunkoh- oft sehr großen, unzerschnittenen Flächen lenplänen wurden seit den 1990-er Jahren der ehemaligen Truppenübungsplätze auch rund 15 % der BFL als Renaturierungsflä- die Chance zur Entwicklung großflächiger, chen ausgewiesen. Die sich hier ergebenden störungsarmer Sukzessionslandschaften, die Spielräume sind konsequent für den Erhalt sich auf natürliche Weise zum Klimax entwi- der biologischen Vielfalt zu nutzen. Grundvo- ckeln sollen (Wildnisgebiete, s. u.). raussetzung für die Umsetzung dieser Ziel- stellungen und deren langfristiger Sicherung d. Biologische Vielfalt in den Bergbaufolge- ist oft auch die eigentumsrechtliche Übernah- landschaften der Niederlausitz me. In der Niederlausitzer Bergbaufolgeland- schaft haben sich beim Erwerb von Flächen Der Braunkohlenbergbau führt durch die Stiftungen bzw. Verbände bereits stark enga- völlige Beseitigung von Landschaften über giert. 19
e. Wildnis repräsentative Ökosysteme in ausreichender Größe vorhanden sein. Der Kernzonenan- Wildnisgebiete bieten bei ausreichender Grö- teil in den Biosphärenreservaten Flussland- ße u.a. zahlreichen gefährdeten Pflanzen- schaft Elbe – Brandenburg und Spreewald und Tierarten Lebensraum, sind notwendige wird auf den nach den MAB-Kriterien vorge- „Laboratorien“ für die Erforschung der biolo- gebenen Anteil von jeweils mindestens 3 % gischen Vielfalt und von natürlichen Prozes- der Gesamtfläche erhöht. Im Nationalpark sen, stellen Genbanken für die Zukunft dar Unteres Odertal wird die Nutzungsfreiheit in und erbringen weitere wichtige Ökosystem- der Schutzzone I b gemäß Nationalparkge- dienstleistungen. Außerdem bieten sie eine setz Unteres Odertal im Rahmen des Unter- hohe Attraktivität für das Naturerleben. nehmensflurbereinigungsverfahrens Unteres Odertal hergestellt. Das Europäische Parlament forderte in seiner Entscheidung vom 3. Februar 2009 eine um- f. Biotopverbund8 fassende europäische Strategie zum Schutz von Wildnis (Agenda für Europas Wildnis – Der Schutz der biologischen Vielfalt erfor- Die Botschaft von Prag). Brandenburg orien- dert nicht nur Kernflächen (z. B. Schutzge- tiert sich an dem nationalen Ziel, den Anteil biete), in denen die Lebensbedingungen für der Wildnisgebiete von heute deutlich weniger Tier- und Pflanzenarten besonders gut aus- als 1 % auf 2 % der Landesfläche zu steigern7. geprägt sind, sondern auch Verbindungskor- Das Land prüft derzeit die Möglichkeiten, bis ridore. Für mobile Tierarten können auch so- 2020 bzw. mittelfristig auf ca. 60.000 ha u. a. genannte Trittsteine, d. h. kleinere, zwischen im Nationalpark Unteres Odertal, in den Kern- den Kerngebieten liegende Flächen eine zonen der Biosphärenreservate, in Naturpar- Verbundfunktion übernehmen. Durch den im ken, auf ehemaligen Truppenübungsplätzen, Bundesnaturschutzgesetz verankerten Bio- in Bergbaufolgelandschaften, in nutzungsfrei- topverbund9 sollen trotz ausgebauter Infra- en Mooren und in Wäldern wieder Wildnis ent- struktur und moderner Landnutzung natürli- stehen zu lassen. che Austauschprozesse zwischen den Po- pulationen erhalten bzw. wieder hergestellt Zur Erreichung der Zielsetzung werden vor- werden, so dass keine genetische Verar- rangig solche Flächen für die Wildnisent- mung eintritt. Der Biotopverbund dient auch wicklung ausgewählt, die sich entweder im als „Autobahn“ für wandernde Tierarten und Eigentum des Landes befinden oder Fläche- als Verbindungsglied z. B. zwischen Som- neigentümerinnen und Flächeneigentümern mer- und Winterlebensräumen bestimmter gehören, die sich freiwillig zur Nutzungsauf- Tierarten. Eine wachsende Bedeutung wird gabe verpflichten oder denen Flächen bereits der Biotopverbund in Zukunft erfahren, wenn mit der Maßgabe übertragen wurden, Wild- Arten in Anpassung an die klimatischen Ver- nisentwicklung zuzulassen. änderungen ihre Arealgrenzen verschieben. In dem zu etablierenden System von Wildnis- 8 Vgl. hierzu auch detaillierte Darstellung in Kap. 3.7. des Landschaftsprogramms Brandenburg, Entwurf, gebieten sollen für Brandenburg typische und Stand Nov. 2012 9 „Der Biotopverbund dient der dauerhaften Siche- rung der Populationen wild lebender Tiere und 7 Vgl. Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt: Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Bioto- Bis zum Jahre 2020 kann sich die Natur auf min- pe und Lebensgemeinschaften sowie der Bewah- destens 2 % der Landesfläche Deutschlands wie- rung, Wiederherstellung und Entwicklung funkti- der nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwi- onsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen“ ckeln. (§ 21 (1) BNatSchG 2009). 20
Der frei mäandrierende Polsbach im Naturpark Hoher Fläming ist Teil eines Feuchtgebietsverbundes. Ein wichtiger Teilaspekt, insbesondere hin- gigkeit kann mit Hilfe von Regionalplänen, sichtlich des Schutzes der an Feuchtgebiete der Landschaftsplanung oder mit Maßnah- gebundenen Arten und der vom Wasser ge- men der Wasserrahmenrichtlinie gesichert prägten Lebensräume, ist neben dem Moor- werden. Für Brandenburg liegt ein Konzept schutz der „Feuchtgebietsverbund“, d.h. ein der erforderlichen Verbundstrukturen für barrierefreier Verbund von Feuchtgebieten Wildtiere vor.10 Das Konzept bezieht sich auf und Gewässern. Hierbei kommt der Revita- die großräumigen Verbindungen bzw. Barrie- lisierung von nutzungsfreien Niedermooren, ren auf Bundes- und Landesebene. Regiona- dem Erhalt naturnaher Moore und der Revi- le Aspekte werden auf der Ebene der Land- talisierung entwässerter Moore, der Wieder- kreise in den Verbundplanungen, z. B. in den herstellung der Verbindung von Fluss und Landschaftsrahmenplänen, dargestellt. Aue und der Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit von Fließgewässern eine Große Wälder (> 100 km²) sollen als Kernle- besondere Bedeutung zu. Nicht alle Ver- bensräume (Kernflächen) erhalten und durch bindungsflächen müssen als Schutzgebiete Verbindungskorridore großräumig miteinan- ausgewiesen werden. Mit Festlegung ei- der vernetzt werden. Hierbei sind vor allem nes großräumigen Freiraumverbundes im die Wälder (> 1 ha) entlang der Verbindungs- Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg korridore als Trittsteine (Verbindungsflächen) (LEP B-B 2009), der neben weiteren hoch- zu erhalten, aber auch Barrieren zu beseiti- wertigen Freiräumen alle naturschutzfachlich geschützten Gebiete umfasst, werden auch 10 Herrmann, M., Klar, N., Fuß, A. & F. Gottwald: Bio- die für den Biotopverbund notwendigen Flä- topverbund Brandenburg - Teil Wildtierkorridore. Stand 17.11.2010. Im Auftrag und mit Unterstüt- chen überwiegend berücksichtigt. Die für die zung des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Biotopverbundfunktion wichtige Durchgän- Umwelt und Verbraucherschutz. 21
gen. In Brandenburg sind 20 Grünbrücken stellung und Entwicklung von Lebensräumen vordringlich zu realisieren, um die funktionale weitergeführt. Für die Vernetzung gleichar- Verknüpfung des Biotopverbundes zu sichern tiger Biotoptypen liegen Vorschläge auf der und für Wildtiere die Fernwanderkorridore of- Grundlage von Biotopverbund-Konzepten fen zu halten. vor. Für weitere Biotoptypen muss die Ab- leitung von Handlungsschwerpunkten noch Ein aktuelles Beispiel der Umsetzung des vorgenommen werden. Die Aktualisierung Biotopverbundes ist das von der Deutschen des Biotopkatasters stellt hierfür eine wichti- Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte ge Arbeitsgrundlage dar. Projekt „Ökologischer Korridor Südbranden- burg“. Für den Erhalt zahlreicher Tier- und Pflan- Die Umsetzung des Biotopverbundes erfor- zenarten mit stärker gefährdeten Vorkommen dert in besonderer Weise Beiträge verschie- sind spezielle Vorkehrungen innerhalb und dener Ressorts: außerhalb von Schutzgebieten erforderlich. • Verkehr: Beachtung von Verbundstruktu- Für bestimmte Arten werden Artenschutzpro- ren und Vermeidung von Zerschneidung gramme entwickelt, in denen Maßnahmen im bei der Trassenplanung; Wiederherstel- Einzelnen beschrieben und in ein Gesamt- lung von Wanderkorridoren bei beste- konzept eingebunden werden. Bei der Aus- henden Trassen gemäß dem Bundespro- wahl stehen insbesondere Arten im Vorder- gramm Wiedervernetzung; grund, für die Brandenburg eine besondere • Wasserwirtschaft: Wiederherstellung der Verantwortung trägt (s. Kap. 1.3), sowie Durchgängigkeit und Qualität von Fließge- • Arten, die besonders wertvolle und ge- wässern einschließlich der Randstreifen; fährdete Lebensräume repräsentieren und • Forstwirtschaft: Gewährleistung einer an- • wandernde Arten, die vorübergehend gepassten Nutzung der Wald-Kernflächen Rast- und Nahrungsräume in den Agrar- (siehe oben); landschaften beanspruchen (z. B. Gänse, • Landwirtschaft: Erhaltung und Neuschaf- Kraniche). fung von Landschaftselementen; Verbes- serungen der Lebensbedingungen für Nicht für alle gefährdeten Arten gewährleis- Tier- und Pflanzenarten auch außerhalb ten Maßnahmen des Flächenschutzes und von Schutzgebieten durch Erhöhung der zum Biotopverbund allein die dauerhafte Nutzungs- und Kulturartenvielfalt; Sicherung überlebensfähiger Populationen. • Landentwicklung/Flurneuordnung: Flä- Dazu gehören z. B. chenbereitstellung, Sicherung und Vernet- • besonders stark gefährdete oder vom zung naturnaher Flächen. Aussterben bedrohte Arten, bei denen vorübergehend direktes menschliches g. Biotop- und Artenschutzmaßnahmen Eingreifen (z. B. Gelegeschutz, Hege- maßnahmen, Erhaltungskulturen, Auswil- Für viele Biotoptypen und Arten in Bran- derungsaktionen) erforderlich ist; denburg sind Gefährdungsgrade und -ur- • sogenannte Problemarten, die wirtschaft- sachen hinreichend bekannt. Auf der Basis liche Schäden verursachen können (z. B. vorliegender Konzepte wird – insbesondere Biber) und daher ein besonderes Ma- in Zusammenhang mit der Umsetzung von nagement erfordern; FFH-Managementplänen sowie Pflege- und • in Ausnahmefällen Wiederansiedlungs- Entwicklungsplänen in Nationalen Naturland- projekte (Auerhuhn, Lachs, Stör, Küchen- schaften – die Sicherung, Pflege, Wiederher- schellen, Enzian-Arten). 22
Für folgende Arten liegen bereits Schutz- Das brandenburgische programme vor: Adler, Auerhuhn, Birkhuhn, Moorschutzprogramm Elbebiber und Fischotter, Rotbauchunke und Laubfrosch. Für einige Tierarten ist die Moore sind auf Grund ihrer Eigenschaften Entwicklung zu einem günstigen Erhaltungs- Extremlebensräume für Tiere und Pflanzen, zustand und dessen Sicherung auch daran sie beherbergen eine Vielzahl seltener und geknüpft, dass Schäden, die durch diese vom Aussterben bedrohter Arten, für deren Arten verursacht werden können, verringert Erhalt das Land Brandenburg eine besonde- werden. Ein Beispiel hierfür ist der Wolfsma- re Verantwortung hat. Der heutige Moorbe- nagementplan11, der den Umgang mit dieser stand in Brandenburg stellt einen sehr klei- geschützten Tierart in Brandenburg regelt. nen Teil der ursprünglichen Fläche dar; ein Ziel ist es, Konflikte, die durch die natürliche großer Teil dieses verbliebenen Restes weist Ausbreitung des Wolfs entstehen, zu mini- einen schlechten Erhaltungszustand auf. mieren und die Akzeptanz zu steigern. Ähnli- Die Landesregierung erarbeitet derzeit ein che Pläne werden für das Management von Moorschutzprogramm, das u.a. Handlungs- Bibern ausgearbeitet. empfehlungen und Maßnahmen für die Po- litikbereiche Wasserwirtschaft, Naturschutz, Zum verbesserten Schutz wild lebender, hei- Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Förder- mischer Pflanzen wurde in Brandenburg ein politik beinhaltet. Aufgezeigt werden ferner Florenschutzkonzept entwickelt. Es weist Ansätze zur Öffentlichkeitsarbeit, der For- die Schwerpunkte für den Schutz heimischer schungsbedarf sowie Empfehlungen für eine Pflanzen aus und benennt Arten, für die ein umsetzungsorientierte Projektorganisation. besonders hoher Handlungsbedarf besteht. Konkret sieht das Programm vor, in An- Für Pflanzen mit ihren eigenen und sehr ver- lehnung an die Forderung in der nationa- schiedenen Formen der Ausbreitung und len Biodiversitätsstrategie, bis zu 10 % der Ansiedelung sind die in der jüngeren Vergan- Moorfläche in eine natürliche Entwicklung zu genheit verlorenen Ausbreitungswege gezielt übergeben oder moorerhaltend zu bewirt- wieder herzustellen und neue Ausbreitungs- schaften. Im Interesse des Ressourcenschut- möglichkeiten zu schaffen. Triftsysteme im zes sollen vorrangig aufgelassene Moore re- Zusammenhang der Nutzflächen von Schaf- vitalisiert werden. Im forstlichen Bereich wird zucht-Betrieben, die Erhöhung des Anteils der Schwerpunkt auf die Erhaltung, Stabili- offener und halboffener Strukturen in Wald- sierung und Revitalisierung naturnaher Moo- landschaften und ein höherer Anteil extensiv re in bewaldeten Einzugsgebieten gelegt. genutzter Flächen in der Landwirtschaft gehö- ren dazu ebenso wie gezielte Maßnahmen zur Ausbringung und zum genetischen Austausch zwischen benachbarten Populationen. 11 MUGV (Dezember 2012): Managementplan für den Wolf in Brandenburg 2013 – 2017. h t t p : / / w w w. m u g v. b r a n d e n b u r g . d e / s i x c m s / media.php/4055/wmp_2013_2017.pdf 23
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