Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg

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Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
Naturschutz und
Landschaftspflege

                    Maßnahmenprogramm
                    Biologische Vielfalt
                    Brandenburg
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
Impressum

Herausgeber:
Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und
Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUL)
Heinrich-Mann-Allee 103
14473 Potsdam
pressestelle@mlul.brandenburg.de
www.mlul.brandenburg.de

Text und Redaktion:
Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und
Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUL)
Heinrich-Mann-Allee 103                                               Entera Umweltplanung & IT,
14473 Potsdam                                                         Fischerstr. 3,
pressestelle@mlul.brandenburg.de                                      30167 Hannover
www.mlul.brandenburg.de

Fotos:
Thomas Bich (S. 10), Steffen Bohl (S. 21, 31), Naturwacht Brandenburg (S. 57),
Sebastian Hennigs (S. 59), Dr. Andreas Langer (S. 49), Thomas Lüdicke (S. 54),
Jan Noack (S. 7), Richard Nothdorf (S. 52), Dr. Michael Tautenhahn(S. 46),
Dr. Frank Zimmermann (S. 6, 8, 11, 12, 14, 15, 16, 18, 29, 38, 42).

Auflage: 1.000

Stand: 2014

Satz und Druck: LGB (Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg)

Titelbild: Thomas Kläber; Mohn, Kornblumen und Hundskamille - Artenvielfalt am Ackerrrand

Die Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und
Landwirtschaft des Landes Brandenburg des Landes Brandenburg. Sie wird kostenlos abgegeben
und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf nicht zu Zwecken der Wahlwerbung verwendet werden.
Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung der Herausgeber.
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
Vorwort

                                 Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt

                                  Die biologische Vielfalt Brandenburgs, ihre Schönheit und Er-
                                  lebbarkeit zu erhalten, ist eine Herausforderung, der sich das
                                  Land seit seiner Wiedergründung 1990 stellt.
                                  Wer einmal den Einflug der Kraniche in der Abenddämmerung
                                  an den Linumer Teichen oder die Balz der Großtrappen in den
                                  Belziger Landschaftswiesen beobachtet hat, wird tief berührt
                                  sein und sich wünschen, dass auch nachfolgende Generationen
                                  diese Naturschauspiele erleben können.
                                  Brandenburg trägt bundes- und sogar europaweit eine besonde-
                                  re Verantwortung für eine Reihe von Lebensräumen und Arten.
                                  Die Großtrappe, die Rotbauchunke oder die Sumpfschildkröte,
nährstoffarme Klarwasserseen wie der Stechlinsee oder alte Buchenwälder wie der Grumsin,
unser UNESCO-Weltnaturerbe im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, sind Beispiele dafür.
Mit dem am 15. April 2014 von der Landesregierung beschlossenen „Maßnahmenprogramm Bio-
logische Vielfalt“ bündeln wir die Ziele und Maßnahmen, die wir für den Schutz der biologischen
Vielfalt in Brandenburg für besonders wichtig halten. Dabei reicht die Spannbreite von Natur-
schutzmaßnahmen, wie der Sicherung von Natura-2000-Gebieten und der Umsetzung von Ar-
tenschutzprogrammen bis zum Bau von Grünbrücken, die zerschnittene Wildtier-Lebensräume
wieder verbinden.
Der Schutz der biologischen Vielfalt ist nicht nur eine Aufgabe staatlicher oder ehrenamtlich wir-
kender Naturschützer. Vielmehr sind auch viele andere Akteure, insbesondere in der Land- und
Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft, der Verkehrsplanung oder der Energiepolitik, gefragt, sich
für Fragen der Biodiversität zu interessieren und engagieren. Besonderes Augenmerk gilt den
Lebensräumen und Arten der Agrarlandschaft. Wir wollen mit maßgeschneiderten Agrarumwelt-
und Vertragsnaturschutzmaßnahmen die biologische Vielfalt auf heimischen Wiesen, Weiden
und Äckern erhöhen und damit Schmetterlingen und Bienen, Feldlerchen und Kiebitzen wieder
bessere Lebensbedingungen bieten.
Dass sich konsequent durchgeführte Schutzbemühungen lohnen, lässt sich am Beispiel der einhei-
mischen Fischarten gut aufzeigen. Dank zahlreicher Maßnahmen haben sich die Gewässerqualität
und die Durchgängigkeit vieler Fließgewässer deutlich verbessert. Das führte zu einer positiven
Entwicklung der Bestände von etwa einem Viertel aller Fischarten. Dazu gehören die nach der
FFH-Richtlinie einem besonderen Schutz unterliegenden Arten Steinbeißer und Schlammpeitzger.
Lachs und Stör wurden in Brandenburg wiederangesiedelt und breiten sich aus.
Solche Erfolge brauchen wir noch viel mehr. Ich möchte alle staatlichen und gesellschaftlichen
Akteure herzlich dazu einladen, das „Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt“ mit uns ge-
meinsam umzusetzen, um die Naturschätze Brandenburgs auch für künftige Generationen zu
bewahren.

Jörg Vogelsänger,
Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft

                                                                                     VORWORT         3
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
Inhalt

    1      Einleitung                                                                       6
           1.1 Die Bedeutung der „Biologischen Vielfalt“                                    6
           1.2 Internationale, europäische und nationale Strategien und Ziele               6
           1.3 Brandenburgs besondere Verantwortung für die biologische Vielfalt            8
           1.4 Leistungen und Erfolge Brandenburgs im Naturschutz                          10
           1.5 Gefährdungen der biologischen Vielfalt in Brandenburg                       11

    2      Das brandenburgische Maßnahmenprogramm zur biologischen Vielfalt                12
           2.1 Leitbilder und Ziele                                                        12
           2.2 Die Grundprinzipien des Maßnahmenprogramms                                  14
           2.3 Finanzierung                                                                15

    3 Erhaltung, Entwicklung und nachhaltige Nutzung der biologischen
      Vielfalt in Brandenburg 		                                                           16
      3.1 Handlungsfeld Naturschutz                                                        16
    		       3.1.1		 Grundsätze und Instrumente zur Sicherung der biologischen Vielfalt    16
    		       3.1.2		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                       23
      3.2 Handlungsfeld Landwirtschaft und Gartenbau                                       28
    		       3.2.1		 Bedeutung der Agrarlandschaft und der
    				 Landwirtschaft für die biologische Vielfalt                                       28
    		       3.2.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt                    32
    		       3.2.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                       34
      3.3 Handlungsfeld Forstwirtschaft                                                    37
    		       3.3.1		 Bedeutung der Wälder für die biologische Vielfalt                     37
    		       3.3.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt                    38
    		       3.3.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                       40
      3.4 Handlungsfeld Wasserwirtschaft                                                   41
    		       3.4.1		 Bedeutung der Gewässer für die biologische Vielfalt                   41
    		       3.4.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt                    42
    		       3.4.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                       43
      3.5 Handlungsfeld Fischerei und Aquakultur                                           45
    		       3.5.1		 Bedeutung der Fischerei und Aquakultur für die biologische Vielfalt   45
    		       3.5.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt                    46
    		       3.5.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                       47
      3.6 Handlungsfeld Ländliche Entwicklung und Siedlungen                               48
    		       3.6.1		 Bedeutung der biologischen Vielfalt in Städten und Dörfern            48
    		       3.6.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt                    48
    		       3.6.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                       50
      3.7 Handlungsfeld Verkehr                                                            51
    		       3.7.1		 Biologische Vielfalt und Verkehr                                      51
    		       3.7.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt                    51
    		       3.7.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                       52

4       INHALT
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
3.8  Handlungsfeld erneuerbare Energien		                                   53
		     3.8.1		 Biologische Vielfalt und erneuerbare Energien                  53
		     3.8.2 		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt            53
		     3.8.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                55
  3.9 Handlungsfeld Tourismus                                                 56
		     3.9.1		 Biologische Vielfalt und (nachhaltiger) Tourismus              56
		     3.9.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt             56
		     3.9.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                                57
  3.10 Handlungsfeld Bildung für nachhaltige Entwicklung                      58
		     3.10.1		 Bedeutung der Bildung für nachhaltige Entwicklung
				 für die biologische Vielfalt                                             58
		     3.10.2		 Grundsätze zur Sicherung der biologischen Vielfalt            58
		     3.10.3		 Ziele und Maßnahmenschwerpunkte                               60

Abkürzungsverzeichnis                                                         62

                                                                     INHALT        5
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
1         Einleitung

                                                            Das Abkommen hat drei übergeordnete Zie-
                                                            le: Erhaltung der biologischen Vielfalt (Gene,
                                                            Arten, Lebensräume), nachhaltige Nutzung
                                                            ihrer Bestandteile sowie gerechte Aufteilung
                                                            der aus der Nutzung genetischer Ressour-
                                                            cen gewonnenen Vorteile.

                                                            Die 10. UN-Konferenz zum Schutz der biolo-
                                                            gischen Vielfalt im japanischen Nagoya be-
                                                            kräftigte im Oktober 2010 die Ziele von Rio
                                                            und beschloss insbesondere vor dem Hinter-
                                                            grund der bislang unbefriedigenden Zielerrei-
Wiesen-Kuhschelle an den Oderhängen bei Lebus               chung eine weitergehende Strategie für den
                                                            globalen Schutz der biologischen Vielfalt von
           1.1      Die Bedeutung der                       2011 bis 2020. Die Ziele von Rio 1992 wurden
                    „Biologischen Vielfalt“                 im Juni 2012 auf dem UN-Gipfel „Rio+20“ in
                                                            Rio de Janeiro noch einmal betont.
           Die biologische Vielfalt ist eine existentiel-
           le Grundlage für das menschliche Leben.          Als Umsetzungsschritt für Deutschland hat
           Trotz vielfacher nationaler und internationa-    die Bundesregierung am 7. November 2007
           ler Maßnahmen schwindet die Biodiversität        die Nationale Strategie zur biologischen Viel-
           weltweit in erheblichem Ausmaß. Neben öko-       falt beschlossen. Durch die Verwirklichung
           logischen, ethischen, sozialen und kulturel-     der dort aufgeführten Ziele und Maßnahmen
           len Gründen rechtfertigen auch ökonomische       mit einem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 soll
           Argumente1 umfangreiche Anstrengungen,           der Rückgang der biologischen Vielfalt auf-
           um dem Verlust der biologischen Vielfalt ent-    gehalten und der Trend umgekehrt werden.
           gegenzuarbeiten. Zerstören wir die biologi-      Die Bundesregierung legt in jeder Legislatur-
           sche Vielfalt, gefährden wir unsere Lebens-      periode einen Bericht über die Erreichung der
           grundlagen und berauben uns und künftige         Ziele und die Realisierung der Maßnahmen
           Generationen wichtiger Entwicklungsmög-          in den verschiedenen Aktionsfeldern vor.
           lichkeiten.                                      Erstmalig ist dies mit dem Rechenschaftsbe-
                                                            richt 2013 erfolgt. Der Bericht zeigt, dass sich
           1.2      Internationale, europäische und         eine Vielzahl der formulierten Maßnahmen in
                    nationale Strategien und Ziele          der Umsetzung befindet, sich jedoch bislang
                                                            häufig keine positiven Wirkungen abzeich-
           Im Juni 1992 haben die Vereinten Nationen        nen. Die Trendanalyse zeigt zwar ein über-
           auf der Konferenz für Umwelt und Entwick-        wiegend positives Bild, die Werte liegen aber
           lung in Rio de Janeiro das Übereinkommen         oftmals noch weit bzw. sehr weit vom Zielbe-
           über die biologische Vielfalt (Convention        reich entfernt.2
           on Biological Diversity, CBD) beschlossen.
           Deutschland ist seit ihrem Inkrafttreten am
           29. Dezember 1993 Vertragspartei der CBD.        2   Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
                                                                und Reaktorsicherheit (BMU): Gemeinsam für die
                                                                biologische Vielfalt
           1     Vgl. u.a. Hansjürgens, B. et al.: Natur-       Rechenschaftsbericht 2013 zur Umsetzung der
                 kapital Deutschland – TEEB DE: Über            Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt.
                 den Wert der Natur für den Menschen            h t t p : / / w w w. b m u . d e / s e r v i c e / p u b l i k a t i o n e n /
                 https://www.ufz.de/index.php?de=30710          downloads/details/artikel/bmu-hintergrundpapier/

       6
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
Wölfe sind mittlerweile in einigen Regionen Brandenburgs wieder heimisch geworden.

In die Neufassung des Bundesnaturschutzge-              Die Europäische Union verabschiedete
setzes3 wurde die biologische Vielfalt explizit         im Mai 2011 die EU-Biodiversitätsstrategie
und ergänzend zu dem weiterhin enthaltenen              „Lebensversicherung und Naturkapital“. Ne-
Begriff „Vielfalt von Natur und Landschaft“             ben der Absicht, den Biodiversitätsverlust zu
aufgenommen. § 1 konkretisiert dazu:                    stoppen, betont die Strategie erstmals den
                                                        Wert von Ökosystemdienstleistungen sowie
(2) Zur dauerhaften Sicherung der biologi-              die Notwendigkeit, diese Leistungen zum
schen Vielfalt sind entsprechend dem jeweili-           Nutzen der Umwelt und der Gesellschaft glei-
gen Gefährdungsgrad insbesondere                        chermaßen wiederherzustellen.

1. lebensfähige Populationen wild lebender Tie-         In Brandenburg hat der Schutz der natürlichen
re und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstät-        Lebensgrundlagen Verfassungsrang. Nach Art.
ten zu erhalten und der Austausch zwischen              39 Absatz 1 der Landesverfassung (LV) ist
den Populationen sowie Wanderung/Ausbrei-               der Schutz der Natur, der Umwelt und der ge-
tung und Wiederbesiedelung zu ermöglichen,              wachsenen Kulturlandschaft als Grundlage ge-
                                                        genwärtigen und künftigen Lebens Pflicht des
2. Gefährdungen von natürlich vorkommen-                Landes und aller Menschen. Gemäß Art. 39
den Ökosystemen, Biotopen und Arten ent-                Abs. 3 Satz 2 LV sind Art und artgerechter Le-
gegenzuwirken,                                          bensraum von Tieren und Pflanzen zu erhalten
                                                        und zu schützen. Diesem Verfassungsziel dient
3. Lebensgemeinschaften und Biotope mit                 der Erhalt der biologischen Vielfalt. Der Erhalt
ihren strukturellen und geografischen Eigen-            der biologischen Vielfalt ist somit eine gesamt-
heiten in einer repräsentativen Verteilung zu           gesellschaftliche Aufgabe, die nur ressortüber-
erhalten; bestimmte Landschaftsteile sollen             greifend und gemeinsam mit den Menschen
der natürlichen Dynamik überlassen bleiben.             bewältigt werden kann. Der Landtag Branden-
                                                        burg hat am 9. November 2011 in einem Be-
                                                        schluss die Landesregierung aufgefordert,
3   Bundesnaturschutzgesetz      (BNatSchG       vom    • „den Schutz der biologischen Vielfalt bei der
    29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert
    durch Artikel 4 des Gesetzes vom 07.08.2013
                                                           Erarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie zu
    (BGBl. I S. 3154)                                      berücksichtigen,

                                                                                                           7
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
• bis Mitte 2012 ein Maßnahmenpaket                  im ureigenen Interesse des Landes und sei-
        ‚Schutz der biologischen Vielfalt‘ zu erstel-    ner Bevölkerung. Darüber hinaus hat Bran-
        len, um die Nationale Strategie in Bran-         denburg aber auch eine Verantwortung, die
        denburg umzusetzen,                              naturräumlich typische biologische Vielfalt
    • in das Maßnahmenpaket konkrete und                 als einen Baustein im Gefüge der deutschen
        überprüfbare Maßnahmen und Ziele                 und weltweiten biologischen Vielfalt zu si-
        aufzunehmen, die an einzelne Ressorts            chern. In der Nationalen Strategie zur biologi-
        adressiert sind.“                                schen Vielfalt sind Kriterien für die besondere
    Das hiermit vorliegende Maßnahmenpaket bil-          Verantwortung Deutschlands genannt. Nach
    det den abschließenden Baustein eines Ziel-          diesen Kriterien trägt Brandenburg für die Er-
    systems, dass die Erfordernisse zum Schutz           haltung von 36 Lebensräumen (25 Lebens-
    der biologischen Vielfalt von der globalen Per-      raumtypen nach FFH und weitere 11 Nicht-
    spektive (Rio 1992, Nagoya 2010), über die           FFH-Lebensräume) und mehreren hundert
    EU-weite und die nationale Ebene bis zu den          Arten sowie weiteren Schwerpunkten der
    Umsetzungsschritten in Brandenburg konkre-           biologischen Vielfalt im Sinne der CBD eine
    tisiert. Als Zielhorizont für wesentliche Erfolge    deutschlandweite und in zahlreichen Fällen
    wurde einheitlich das Jahr 2020 festgelegt.          darüber hinaus reichende Verantwortung4.
                                                         Es handelt sich um
    1.3    Brandenburgs besondere                        • Arten, die in Brandenburg ihren Verbrei-
           Verantwortung für die biologische                tungsschwerpunkt (weltweit, in Mitteleuro-
           Vielfalt

                                                         4    Abgeleitet aus den Kriterien für die besondere Ver-
    Die biologische Vielfalt Brandenburgs, ihre               antwortung Deutschlands: BMU (Hrsg.) Nationale
    Schönheit und Erlebbarkeit zu erhalten, liegt             Strategie zur biologischen Vielfalt. Berlin, 2007,
                                                              S. 18

    Das Frühlings-Adonisröschen ist eine Charakterart der außerordentlich artenreichen Steppenrasen an den
    Oderhängen zwischen Frankfurt (Oder) und Seelow.

8
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
pa, in Deutschland)                           deutschen Brutbestandes auf. Das Vorkom-
• oder besonders bedeutende Arealantei-          men einzelner Arten ist sogar ausschließlich
   le haben, wandernde Arten, von denen          auf Brandenburg begrenzt, so kommt die Fon-
   bedeutende Teile der Weltpopulation in        tane-Maräne endemisch im Stechlinsee vor.
   Brandenburg rasten oder überwintern,          Unter den Pflanzen haben z. B. Graue Ska-
• in Deutschland und angrenzenden Gebie-         biose und Sumpf-Enzian sowie verschiedene
   ten stark gefährdete oder vom Aussterben      Sumpf-Löwenzahn-Arten in Brandenburg gro-
   bedrohte einheimische Arten,                  ße Teile ihrer weltweiten Areale. Sie stehen
• Arten, die in Brandenburg und angrenzen-       beispielhaft für eine größere Zahl von Pflan-
   den Räumen endemisch sind, also nur hier      zenarten, die nur hier und in wenigen anderen
   vorkommen,                                    Gebieten der Erde erhalten werden können.
• ausschließlich oder schwerpunktmäßig in        Für das Märkische Schwingelschilf und das
   Brandenburg vorkommende Lebensräu-            Deutsche Federgras trägt Brandenburg die
   me und Ökosysteme.                            alleinige Erhaltungsverantwortung, weil au-
Die meisten Lebensräume und viele Arten sind     ßerhalb des Landes keine Vorkommen mehr
Gegenstand von Natura 2000. Bei Lebens-          bekannt sind.
räumen sind dabei vor allem nährstoffarme
Klarwasserseen, Kessel- und Verlandungs-         Schwerpunkträume der biologischen
moore, artenreiche Flachlandmähwiesen,           Vielfalt in Brandenburg5
subkontinentale Trocken- und Halbtrockenra-      Schwerpunkträume mit hoher Bedeutung für
sen, kontinentale Heiden sowie Trockenwäl-       Arten und Lebensräume, für deren Erhaltung
der und Buchenwälder und deren charakte-         eine besondere Verantwortung besteht, sind:
ristische Arten hervorzuheben. Aber auch für     • Mittleres und Unteres Odertal einschließ-
Flussauen, Binnensalzstellen, Quellen und           lich der angrenzenden Hochflächen und
Quellmoore, Moorwälder und verschiedene             Seitentäler sowie das Untere Elbtal
andere Waldtypen trägt Brandenburg interna-      • Südteil des Nördlichen Landrückens mit
tionale, deutschlandweite bzw. überregionale        dem Stechlingebiet, dem Feldberg-Lyche-
Verantwortung. Eine wichtige Rolle spielen          ner Wald- und Seengebiet sowie Choriner
auch die nach der Ramsar Konvention von             und Angermünder Endmoräne mit deren
1971 gemeldeten, international bedeutenden          Vor- und Rückland,
Feuchtgebiete als Rastplätze für Zugvögel wie    • Havelniederung einschließlich der mittle-
z. B. Kraniche, Limikolen und Wasservogel-          ren und unteren Havelniederung und des
arten. Aber auch Sekundärlebensräume wie            Oberen Rhinluchs
(ehemalige) Truppenübungsplätze und Berg-        • Märkische Schweiz, Barnimplatte und
baufolgelandschaften bieten vielen stark ge-        Freienwalder Waldgebiet,
fährdeten Arten Rückzugsräume und bergen         • Dahme-Heideseengebiet sowie Nuthe-
weitere Entwicklungspotenziale.                     Notte- und Nuthe-Nieplitz-Niederung,
                                                 • Spreewald, Luckau-Calauer Becken ein-
In Bezug auf die Arten trägt Brandenburg            schließlich von Teilen des Niederlausitzer
ebenfalls eine hohe Verantwortung. So be-           Landrückens und der Niederlausitzer Heide,
steht beispielsweise eine besondere Verpflich-
tung für den Schutz der Rotbauchunke, der
                                                 5   In Anlehnung an: „Räume mit einer besonders ho-
Sumpfschildkröte, der Östlichen Smaragdei-           hen Artenvielfalt sowie besonderer Bedeutung für die
dechse, sowie verschiedener Adlerarten. Die          Erhaltung von Arten und Lebensräumen mit beson-
                                                     derer Verantwortlichkeit.“ (Zimmermann, F., 2012, in:
Kleinralle sowie die Großtrappe weisen in            Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg
Brandenburg den weitaus größten Anteil ihres         (NundL), Heft 3, 2012, S.98. Potsdam)

                                                                                                             9
Maßnahmenprogramm Biologische Vielfalt Brandenburg
Artenschutzmaßnahmen und ein reiches Futterangebot lassen den Bestand des Fischadlers stetig anwachsen.

     • Unzerschnittene Flächen der Lieberoser              räume, auch in Brandenburg einen Meilenstein
        Heide und der Kyritz-Ruppiner Heide.               dar. Das Netzwerk Natura 2000 ist ein zentraler
     Wesentliche Teile dieser Landschaftsräume             Beitrag zur Sicherung der Biodiversität.
     werden durch die Nationalen Naturlandschaf-
     ten Brandenburgs (Nationalpark, Biosphären-           Wichtige Voraussetzung bildete u. a. die Ein-
     reservate und Naturparks) abgedeckt.                  richtung der ersten Großschutzgebiete in der
                                                           Zeit des Übergangs 1989/1990 (das „Tafelsil-
     Im Förderprogramm „Biologische Vielfalt“ des          ber“ der deutschen Wiedervereinigung). Heu-
     Bundes werden deutschlandweit 30 „Hot-                te nehmen der Nationalpark Unteres Odertal,
     spots“ der Biodiversität benannt. In Branden-         die drei Biosphärenreservate und die elf Na-
     burg sind dies die Hotspots Nr. 25 und 26             turparke ein Drittel der Fläche Brandenburgs
     mit Teilen des Nationalparks „Unteres Oder-           ein (Nationale Naturlandschaften). Zusam-
     tal“, des Biosphärenreservates „Schorfheide           men repräsentieren sie die Lebensräume
     Chorin“, der Naturparke „Uckermärkische               und Landschaften Brandenburgs und sind zu
     Seen“ und „Stechlin-Ruppiner Land.“ Hotspot           einem Markenzeichen des Landes geworden.
     Nr. 20 umfasst auch die Heide- und Teichge-
     biete südlich von Ruhland in der Lausitz.             Durch umfangreiche Schutzmaßnahmen ha-
                                                           ben sich die landesweiten Bestände einiger
     1.4    Leistungen und Erfolge                         Arten positiv entwickelt. Hervorzuheben sind
            Brandenburgs im Naturschutz                    u. a. die Zunahme einiger Greifvogelarten, lokal
                                                           positive Trends bei einzelnen Amphibienarten,
     Die Brandenburger Naturschutzpolitik hat in           sowie die anhaltend positive Bestandsentwick-
     den letzten 20 Jahren ein umfangreiches und           lung bei Fischotter und Biber und verschiede-
     erfolgreiches Instrumentarium zum Schutz, zur         nen Arten von Wasserpflanzen.
     Pflege und zur Entwicklung wertvoller Flächen
     und bedrohter Arten entwickelt.                       Sowohl die Verbesserung der Kenntnisse
                                                           über die Vorkommen und Gefährdungsur-
     Die Errichtung des Natura 2000-Netzwerks              sachen der in Brandenburg vorkommenden
     stellt, mit der Meldung der FFH-und Vogel-            Arten als auch die Umsetzung landeswei-
     schutzgebiete und den Maßnahmen zum Erhalt            ter Artenschutzprogramme und zahlreicher
     und zur Entwicklung der Arten und ihrer Lebens-       weiterer Schutzmaßnahmen wären ohne

10
die engagierte Mitwirkung ehrenamtlicher            So zeigen beispielsweise die Roten Listen6
Naturschützer undenkbar. Eine besondere             für 15 Artengruppen, dass sich zwischen
Bedeutung kommt auch der Stiftung Natur-            1997 und 2011 die Bestandssituation vieler
schutzfonds Brandenburg zu, die kontinu-            Arten nicht verbessert hat. Insgesamt gelten
ierlich Naturschutzprojekte durchführt und          derzeit rund 50 % aller Arten als gefährdet,
fördert und damit einen erheblichen Beitrag         knapp 10 % aller Arten in Brandenburg sind
zum Schutz der biologischen Vielfalt leistet.       vom Aussterben bedroht. Etwa drei Viertel
                                                    aller Lebensräume sind in unterschiedlichem
1.5    Gefährdungen der biologischen                Maße in ihren Beständen gefährdet. Beson-
       Vielfalt in Brandenburg                      ders negative Entwicklungen zeigen sich im
                                                    Rückgang vieler bodenbrütender Vogelarten
Trotz der bisherigen Anstrengungen ist ins-         und von Arten trocken-warmer Offenlandle-
gesamt keine Trendwende beim Verlust der            bensräume. Der weitere Rückgang einiger
biologischen Vielfalt erreicht worden, da die       Amphibienarten sowie der Rückgang konkur-
Wirkungen der Schutzaktivitäten von belas-          renzschwacher Pflanzen der Moore, Feucht-
tenden Effekten überlagert werden. Detailliert      wiesen, Trockenrasen und Wälder sind
wird auf Gefährdungsursachen in den Kapi-           ebenfalls erheblich. Insgesamt konnten die
teln „Handlungsfelder“ eingegangen.                 ursprünglich für 2010 gesetzten Ziele auch in
                                                    Brandenburg nicht erreicht werden.
Nach wie vor sind gravierende Rückgänge
bei der Mehrzahl von Organismengruppen              6   Herausgegeben durch das Landesamt für Umwelt,
und deren Lebensräumen zu verzeichnen.                  Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg
                                                        (LUGV)

Moore gehören zu den sensibelsten Ökosystemen unserer Natur. Hier findet auch der seltene Sonnentau
Lebensraum.

                                                                                                        11
Das brandenburgische Maßnahmen-
2      programm zur biologischen Vielfalt

     2.1    Leitbilder und Ziele                         und mit dem Schutz der Naturgüter führt zu
                                                         Synergieeffekten und fördert die Identifika-
     Das Maßnahmenprogramm Biologische Viel-             tion der Bevölkerung mit Biodiversitätszie-
     falt 2020 soll einen wirksamen Beitrag zur          len. Landnutzerinnen und Landnutzer sowie
     Erreichung der Ziele der Nationalen Strate-         Grundeigentümerinnen und Grundeigen-
     gie leisten. Es enthält die Schwerpunkte der        tümer nehmen die Verantwortung für nach-
     Brandenburger Naturschutzpolitik sowie die          haltiges Wirtschaften im Rahmen ihrer Ver-
     Beiträge der Ressorts zum Schutz der biolo-         pflichtungen und darüber hinausgehender
     gischen Vielfalt. Dem Maßnahmenprogramm             Möglichkeiten wahr. Das Naturbewusstsein
     liegt folgendes Leitbild zugrunde:                  ist weiter entwickelt und die Zusammenhän-
                                                         ge zwischen biologischer Vielfalt, dem Wohl-
     Nachhaltige Nutzung und Identifikation              befinden und der Erholung in der Natur sind
     der Menschen mit den Themen der                     in der Bevölkerung etabliert.
     biologischen Vielfalt
                                                         Ziele:
     Leitbild für die Zukunft:                           Die Sicherung der biologischen Vielfalt wird
     Natur und Landschaft sind als wichtiger             in alle relevanten Strategien und Programme
     Standortfaktor und Ressource in der Politik         Brandenburgs integriert. Dies betrifft auch die
     etabliert und das Bewusstsein für die Bedeu-        Nachhaltigkeitsstrategie des Landes. Natur-
     tung von Ökosystemdienstleistungen ist ge-          verträglichkeit wird künftig ein Schlüsselindi-
     stärkt. Regionale Wertschöpfung durch den           kator für nachhaltiges Wirtschaften sein.

     Durch angepasste Beweidung werden wertvolle Lebensräume der Kulturlandschaft erhalten.

12
Die Wertschätzung der Bevölkerung für           stark gefährdeten Biotoptypen an Fläche
die biologische Vielfalt ist durch geeigne-     und Anzahl wieder zu. Degradierungen sind
te Weiterbildungsmaßnahmen erhöht. Das          nicht mehr zu verzeichnen und die Regene-
Bewusstsein für die biologische Vielfalt und    ration hat begonnen.
ihre Schutzbedürftigkeit wird bei Landwirtin-
nen und Landwirten, Waldbesitzerinnen und       Bis 2020 besitzt Brandenburg auf 10 % der
Waldbesitzern und anderen Landnutzerin-         Landesfläche ein repräsentatives System
nen und Landnutzern gestärkt. Ihre Kennt-       vernetzter Biotope. Dieses Netz ist geeig-
nis und Bereitschaft vom Land angebotene        net, die Lebensräume der wildlebenden Ar-
Fördermöglichkeiten zu nutzen, werden er-       ten dauerhaft zu verbinden und ist integraler
höht. Sie werden zu eigenen Initiativen auf     Bestandteil eines europäischen Biotopver-
der kommunalen und individuellen Ebene          bunds.
und zur Beteiligung an bereits laufenden Ak-
tionen ermutigt und beraten. Neue Formen        Bis zum Jahre 2020 kann sich die Natur auf
der Landnutzung werden von vornherein           2 % (60.000 ha) der Fläche Brandenburgs
naturschutzfachlich flankiert. Ansätze zur      wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkei-
regionalen Wertschöpfung, insbesondere          ten ungestört entwickeln und Wildnis entste-
in den Großschutzgebieten, werden weiter        hen.
gefördert.
                                                Arten
Lebensräume
                                                Leitbild für die Zukunft:
Leitbild für die Zukunft:                       Brandenburg beherbergt eine gebietstypi-
In Brandenburg ist eine naturraumtypische       sche, natürlich und historisch entstandene
Vielfalt von Lebensräumen dauerhaft gesi-       Artenvielfalt in für die einzelnen Lebens-
chert. Die Lebensräume und ihre Lebens-         räume charakteristischer Ausprägung. Die
gemeinschaften sind in ein funktionsfähiges     Populationen der jeweiligen Arten leben in
ökologisches Netzwerk eingebunden und           nachhaltig gesicherten, vernetzten Lebens-
befinden sich in einem günstigen Erhaltungs-    räumen in ausreichender art- und lebens-
zustand.                                        raumspezifischer Größe und sind für die
                                                Menschen erlebbar.
Ziele entsprechend der Nationalen Strate-
gie:                                            Die Ziele der Nationalen Strategie bedeuten
Bis 2020 weisen die überwiegenden Bestän-       übertragen auf Brandenburg:
de der Lebensraumtypen (gem. Anhang I           Spätestens 2020 setzt eine Trendwende hin
der FFH-Richtlinie), der geschützten (§ 30      zu einer höheren Vielfalt und (Wieder-)Aus-
BNatSchG und § 18 BbgNatSchAG) und ge-          breitung heimischer Arten in der Fläche ein.
fährdeten Biotoptypen sowie solcher, für die    Bis zum Jahre 2020 ist der Anteil der vom
Deutschland eine besondere Verantwortung        Aussterben bedrohten und stark gefährdeten
trägt bzw. die von besonderer Bedeutung         Arten verringert. Bis 2020 erreichen Arten,
für wandernde Arten sind, einen gegenüber       für die Brandenburg eine besondere Erhal-
2005 signifikant besseren Erhaltungszu-         tungsverantwortung trägt, überlebensfähige
stand auf, sofern ein guter Erhaltungszu-       Populationen. Vor dem Hintergrund zu erwar-
stand noch nicht erreicht ist. Danach neh-      tender klimatischer Veränderungen werden
men die heute nach den Roten Listen von         Voraussetzungen für eine Ausbreitung bzw.
vollständiger Vernichtung bedrohten und die     Wanderung verbessert.

                                                                                                13
2.2    Die Grundprinzipien des                           sich die Fachressorts zum Schutz und zur
            Maßnahmenprogramms                                Entwicklung der biologischen Vielfalt setzen.
                                                              Anschließend werden die Ziele und Maßnah-
     Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der               men tabellarisch dargestellt. Zum Teil wurden
     biologischen Vielfalt sind eine gesamtgesell-            hier konkrete, quantifizierte Ziele festgelegt.
     schaftliche Aufgabe. Alle Verwaltungen des               In Bereichen, in denen diese Festlegung
     Landes sind aufgefordert, im Rahmen ihrer                nicht möglich war, sind die Ziele allgemeiner
     Zuständigkeit konkrete Beiträge zu leisten.              gehalten, so dass der Konkretisierungsgrad
     Deshalb umfasst das Maßnahmenprogramm                    variiert.
     neben dem Naturschutz die Bereiche Land-
     wirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft            In die inhaltliche Darstellung der einzelnen
     und Fischerei, Ländliche Entwicklung und                 Handlungsfelder sind zudem Ergebnisse des
     Siedlungen, Verkehr, erneuerbare Energi-                 Workshops „Maßnahmenprogramm Biologi-
     en, Tourismus und Bildung für nachhaltige                sche Vielfalt“ mit eingeflossen, der unter Be-
     Entwicklung. Diese werden im Folgenden                   teiligung von Verbänden, Vereinen, Stiftun-
     jeweils als ein Handlungsbereich definiert.              gen und Verwaltung am 7. Dezember 2012 in
     Zu jedem Handlungsbereich werden Grund-                  Potsdam stattgefunden hat.
     sätze formuliert, die aufzeigen, welche Ziele

     Der Fischotter - noch vor 30 Jahren vom Aussterben bedroht - ist heute wieder im ganzen Land verbreitet
     und besiedelt von hier aus weitere Teile Deutschlands.

14
Die Nordische Moosjungfer gehört zu den Besonderheiten in Brandenburger Mooren wie hier im FFH-
Gebiet Löcknitztal bei Erkner.

2.3    Finanzierung                               biologischen Vielfalt aufzuhalten, im Rahmen
                                                  der haushaltsmäßigen Möglichkeiten aus-
Es ist beabsichtigt, das Maßnahmenpro-            reichend Mittel für den Vertragsnaturschutz
gramm Biologische Vielfalt im Rahmen der          bereitzustellen. Daneben sollen aus dem
EU-Fonds und anderer Finanzierungsquel-           Wassernutzungsentgelt im Rahmen der Um-
len der EU, des Bundes und des Landes             setzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
umzusetzen. Den Schwerpunkt bilden dabei          Mittel für Maßnahmen eingesetzt werden,
die Maßnahmen zur Umsetzung von Natura            die der Erhaltung und Entwicklung der bio-
2000. Eines der wichtigsten Finanzierungs-        logischen Vielfalt von gewässergebundenen
mittel ist der Europäische Landwirtschafts-       Lebensräumen dienen.
fonds für die Entwicklung des ländlichen
Raums (ELER), dessen Budget zu mindes-            Die Verfügbarkeit der hier jeweils angegebe-
tens 30 % zur Eindämmung des Klimawan-            nen Fonds- oder sonstigen Finanzierungs-
dels und Anpassung an seine Auswirkungen          mittel steht unter Haushaltsvorbehalt. Die
sowie für Umweltbelange zu verwenden ist.         genaue Festlegung von finanziellen Budgets
Für Schwerpunktbereiche sollen weiterhin          bzw. Finanzierungen von Maßnahmen erfolgt
Projekte des EU-Programms LIFE+ und des           für die Fonds im Rahmen der Erstellung der
Bundesnaturschutzprogramms „Chance Na-            jeweiligen Operationellen Programme und ist
tur“ unter der Bereitstellung der notwendigen     derzeit noch nicht abgeschlossen.
Kofinanzierung durch das Land umgesetzt
werden. Seit 2011 steht außerdem das „Bun-
desprogramm Biologische Vielfalt“ zur Verfü-
gung. Die Landesregierung beabsichtigt, bis
zur Erreichung des Ziels, den Rückgang der

                                                                                                  15
Erhaltung, Entwicklung und nachhaltige
3      Nutzung der biologischen Vielfalt in Brandenburg

     3.1    Handlungsfeld Naturschutz                    Diese Instrumente überlagern sich, greifen
                                                         ineinander und sind in großen Teilen ge-
     3.1.1 Grundsätze und Instrumente zur                meinsam durch den Naturschutz und ande-
             Sicherung der biologischen Vielfalt         re Ressorts umzusetzen. Die wichtigsten
     Für den Naturschutz ist die Erhaltung und           Grundsätze und Ziele für die Anwendung der
     Entwicklung der biologischen Vielfalt das           Instrumente werden im Folgenden skizziert,
     zentrale Anliegen, für dessen Umsetzung ein         die konkreten Festlegungen und Maßnah-
     breit gefächertes Instrumentarium zur Ver-          men am Ende des Kapitels in einer Tabelle
     fügung steht. Die Wirkungsweisen reichen            zusammengefasst.
     dabei über den Schutz der Natura 2000-Ge-
     biete hinaus von „Vermeidung der weiteren           a. Natura 2000
     Verschlechterung“ (z. B. durch Anwendung
     der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung        Ausgehend von der stetigen Verschlechte-
     oder artenschutzrechtlicher Bestimmungen),          rung des Zustandes der Lebensräume und
     über den Flächenschutz hochwertiger Gebie-          der zunehmenden Zahl bedrohter Tier- und
     te bis zur gezielten Entwicklung neuer Struk-       Pflanzenarten im Gebiet der Mitgliedstaaten
     turen (Biotopverbund) und Maßnahmen zur             der EU wurde als Hauptziel der FFH-Richtli-
     Förderung einzelner besonders gefährdeter           nie im Jahr 1992 formuliert, die Erhaltung der
     Arten und Lebensräume.                              biologischen Vielfalt zu fördern.

     Artenreiche Feuchtwiesen – hier mit dem Breitblättrigen Knabenkraut im Naturpark Märkische Schweiz –
     gehören zu den "Sorgenkindern" des Naturschutzes.

16
Die Landesregierung hat insgesamt 620 FFH-       fachlich wertvollsten Landschaftsräume sind
Gebiete und 27 Europäische Vogelschutzge-        in Brandenburg als Naturparke, Biosphären-
biete benannt. Damit ist rund ein Viertel der    reservate und Nationalpark geschützt. Diese
Fläche des Landes Bestandteil des Europäi-       „Nationalen Naturlandschaften“ beinhalten
schen Netzes Natura 2000. Die dauerhafte         etwa zwei Drittel der Gesamtfläche der Na-
Erhaltung und Sicherung dieses Netzwerks ist     tura-2000-Gebiete Brandenburgs und beher-
eine der wichtigsten Naturschutzaufgaben des     bergen einen Großteil des Bestandes der am
Landes Brandenburg. Bis zum Jahr 2020 ste-       stärksten gefährdeten Arten.
hen folgende Anforderungen im Vordergrund:
• Verbesserung des Erhaltungszustandes           Der Nationalpark Unteres Odertal ist der
   von FFH-Lebensräumen und -Arten sowie         einzige Auen-Nationalpark in Deutschland.
   von Vogelarten, für die Brandenburg in        Natürlich ablaufende Prozesse und die Ent-
   der kontinentalen Region eine besondere       wicklung möglichst weitgehend natürlicher
   Verantwortung trägt. Dies sind z. B. Offen-   Lebensräume sind hier zentrale Schutzziele.
   land-Lebensraumtypen wie Trockene             Die Biosphärenreservate Schorfheide-Cho-
   europäische Heiden, Wald-Lebensraum-          rin, Spreewald und Flusslandschaft Elbe (län-
   typen wie z. B. Hainsimsen-Buchenwälder       derübergreifend) sind Bestandteile des Welt-
   und Gewässer-Lebensraumtypen, wie             netzes der UNESCO-Biosphärenreservate
   z. B. nährstoffarme Seen, Klarwasserseen      und Schwerpunkträume für die Gestaltung
   und Teiche sowie Arten, wie z. B. Schrei-     und Erforschung der Beziehungen zwischen
   adler, Großtrappe, Wachtelkönig, Europä-      Mensch und Umwelt und für die internatio-
   ische Sumpfschildkröte, Rotbauchunke,         nale Zusammenarbeit. Ziele sind auf Nach-
   Bitterling, Heldbock, Große Moosjungfer       haltigkeit ausgerichtete Landnutzung und die
   oder Sumpf-Engelwurz.                         Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstel-
• Aufhalten der Verschlechterung des             lung der für einzelne Landschaftsräume oder
   günstigen Erhaltungszustandes von FFH-        Landschaftsbestandteile charakteristischen
   Lebensräumen (z. B. Hainsimsen- und           Biodiversität. Darüber hinaus sollen sie bei-
   Waldmeister-Buchenwald) und -Arten            spielhaft der Entwicklung und Erprobung
   (z. B. Zwerg- und Breitflügelfledermaus,      nachhaltiger Wirtschaftsweisen in allen Wirt-
   Stromgründling, Großer Feuerfalter) so-       schaftssektoren dienen.
   wie von Vogelarten wie Mittelspecht und
   Heidelerche.                                  Die 11 Naturparke sind großräumige Kultur-
• Sicherung aller Natura 2000 Gebiete            landschaften, in denen der Schutz und die
   durch gesetzliche Regelungen, Verord-         Erhaltung der Biotop- und Artenvielfalt mit
   nungen oder vertragliche Regelungen.          der Erholungsfunktion der Landschaften für
• Erstellung und Umsetzung von Manage-           den Menschen verbunden sind. In ihnen wer-
   mentplänen für Natura 2000-Gebiete.           den umweltverträglicher Tourismus und dau-
• Etablierung eines Monitoringsystems für        erhaft umweltverträgliche Landnutzungen
   Natura 2000 Gebiete durch Gebietsbetreuer.    unterstützt. Darüber hinaus leisten sie einen
• Erfüllung der Natura 2000-Berichtspflichten.   erheblichen Beitrag zur Regionalentwicklung.
                                                 Alle 15 Nationalen Naturlandschaften stellen
b. Großschutzgebiete/                            der Gesellschaft Ökosystemdienstleistungen
   Nationale Naturlandschaften                   zur Verfügung, z. B. für Erholung und Natur-
                                                 tourismus oder beim Gewässerschutz. Als
Wesentliche Teile der am wenigsten zersie-       Kommunikationszentren und Lernorte neh-
delten bzw. zerschnittenen und naturschutz-      men sie beim Schutz der biologischen Viel-

                                                                                                 17
falt, auch in Hinblick auf die Umweltbildung,       ler zwischen Mensch und Natur wirken. Lokale
     eine Schlüsselrolle ein.                            und regionale Partnerschaften, z. B. mit Kom-
                                                         munen, Fördervereinen, Tourismusvereinen,
     Die Aufgaben der Nationalen Naturlandschaf-         Verbänden und Bildungseinrichtungen sind
     ten sind querschnittsorientiert. Sie wirken in      wichtige Bestandteile des Gebietsmanage-
     allen Handlungsfeldern des Maßnahmenpro-            ments. Zentrale Anlaufstellen für Urlauberinnen
     gramms mit, insbesondere durch ihren An-            und Urlauber sowie Akteurinnen und Akteure
     satz, den Naturschutz in die Landnutzungen          vor Ort sind die Besucherinformationszentren.
     zu integrieren.
                                                         c. Biologische Vielfalt in Offenlandschaften
     Zur Erhaltung und Entwicklung der Nationalen
     Naturlandschaften werden Pflege- und Entwick-       Brandenburg beherbergt vielfältige Lebens-
     lungspläne aufgestellt und umgesetzt. Alle 15       räume des Offenlandes. Hierzu zählen sowohl
     Gebiete verfügen über eine den Aufgaben ent-        verschiedene Lebensräume der trockenen
     sprechende personell ausgestattete Schutzge-        Sandheiden und Dünen als auch die der kon-
     bietsverwaltung sowie über hauptamtliche Na-        tinentalen Trocken- und Halbtrockenrasen.
     turwächterinnen und Naturwächter (unter der         Brandenburg verfügt über rund 40 % der Hei-
     Trägerschaft Naturschutzfonds Brandenburg),         defläche Deutschlands und trägt damit eine
     die u. a. Artenschutzmaßnahmen durchführen          besondere Verantwortung zur Sicherung und
     und vor allem vor Ort als Mittlerinnen und Mitt-    zum Erhalt dieser Flächen. Viele dieser Flä-

     Baumweißlinge in einer artenreichen Feuchtwiese im Naturpark Märkische Schweiz

18
chen sind durch natürliche Sukzession auf         lange Zeiträume zur Zerstörung von Natur-
armen Standorten aus zerstörten Naturland-        und Kulturlandschaft und zum Verlust von
schaften infolge militärischer Nutzung hervor-    Lebensräumen. Bergbaufolgelandschaften
gegangen. Ehemalige und zum geringeren            bieten einerseits wieder neue Chancen für
Teil auch aktiv genutzte Truppenübungsplätze      den Erhalt der Biodiversität, stellen aber
bilden hier die Schwerpunkte. So ist beispiels-   auch ein erhebliches Gefährdungspoten-
weise die Kyritz-Wittstocker Heide eines der      tial für aquatische Ökosysteme oder auch
größten Heidegebiete in Deutschland. Auf-         die Kulturlandschaft (z. B. Spreewald) dar.
grund seiner übergeordneten Bedeutung wur-        Die Braunkohlenbergbaufolgelandschaften
den 4.000 ha dieses ehemaligen Übungsplat-        (BFL) zeichnen sich durch Großflächigkeit,
zes dem nationalen Naturerbe zugeordnet.          Unzerschnittenheit und weitgehende Nähr-
Eine Reihe von Tierarten, die besonders eng       stoffarmut bzw. bergbaubedingt spezifische
an Calluna-Heiden angepasst sind, haben           Substrateigenschaften aus. Können sich die-
deutschlandweit größte oder sehr wichtige         se Gebiete nach der Bergsicherung frei ent-
Vorkommen in Brandenburg. Dazu gehören            wickeln, kommt es zu räumlich heterogenen
u.a. Wiedehopf, Ziegenmelker, Heidelerche,        Sukzessionsstadien unterschiedlichster Aus-
Brachpieper, Steinschmätzer, Raubwürger           prägung, von Rohbodenstandorten über Tro-
und Smaragdeidechse. Darüber hinaus finden        ckenrasen, Zwergstrauchheiden, Vorwäldern
andere Offenlandbewohner in den Heideland-        bis hin zu strukturreichen Wäldern. Restge-
schaften Rückzugsräume, die eine ausrei-          wässer, die aufgrund ihrer chemischen Ei-
chende Reproduktion ermöglichen.                  genschaften (niedriger pH-Wert) zur Versau-
                                                  erung neigen können allenfalls von wenigen
Angesichts der oftmals ungeklärten Frage          Spezialisten besiedelt werden. Hier wird es
der Beräumung von Munition und hoher Kos-         ohne Zutun des Menschen noch lange dau-
ten für Pflegemaßnahmen stellt die Erhal-         ern, bis diese z. Z. lebensfeindlichen Ge-
tung dieser Heidelandschaften eine dauer-         wässer wieder zu artenreichen Gewässern
hafte Herausforderung dar. Naturschutz- und       werden. Andererseits können Restgewässer,
Forstverwaltungen, Stiftungen und Verbände        die kaum zur Versauerung neigen, langfristig
erproben und realisieren daher unterschiedli-     vielfältige Lebensraumfunktionen überneh-
che Methoden zum Erhalt und zur Nutzung.          men (z. B. Helenesee).
Hervorzuheben sind Maßnahmen wie Schaf-
beweidung, Holznutzung und Pflege durch           Der Wert dieser Flächen wird durch die Aus-
Brand, die – zum Teil in Kombination – zu         weisung einer Reihe von Schutzgebieten ge-
guten Erfolgen führen. Gleichzeitig bieten die    sichert. In den Sanierungs- bzw. Braunkoh-
oft sehr großen, unzerschnittenen Flächen         lenplänen wurden seit den 1990-er Jahren
der ehemaligen Truppenübungsplätze auch           rund 15 % der BFL als Renaturierungsflä-
die Chance zur Entwicklung großflächiger,         chen ausgewiesen. Die sich hier ergebenden
störungsarmer Sukzessionslandschaften, die        Spielräume sind konsequent für den Erhalt
sich auf natürliche Weise zum Klimax entwi-       der biologischen Vielfalt zu nutzen. Grundvo-
ckeln sollen (Wildnisgebiete, s. u.).             raussetzung für die Umsetzung dieser Ziel-
                                                  stellungen und deren langfristiger Sicherung
d. Biologische Vielfalt in den Bergbaufolge-      ist oft auch die eigentumsrechtliche Übernah-
   landschaften der Niederlausitz                 me. In der Niederlausitzer Bergbaufolgeland-
                                                  schaft haben sich beim Erwerb von Flächen
Der Braunkohlenbergbau führt durch die            Stiftungen bzw. Verbände bereits stark enga-
völlige Beseitigung von Landschaften über         giert.

                                                                                                  19
e. Wildnis                                                repräsentative Ökosysteme in ausreichender
                                                               Größe vorhanden sein. Der Kernzonenan-
     Wildnisgebiete bieten bei ausreichender Grö-              teil in den Biosphärenreservaten Flussland-
     ße u.a. zahlreichen gefährdeten Pflanzen-                 schaft Elbe – Brandenburg und Spreewald
     und Tierarten Lebensraum, sind notwendige                 wird auf den nach den MAB-Kriterien vorge-
     „Laboratorien“ für die Erforschung der biolo-             gebenen Anteil von jeweils mindestens 3 %
     gischen Vielfalt und von natürlichen Prozes-              der Gesamtfläche erhöht. Im Nationalpark
     sen, stellen Genbanken für die Zukunft dar                Unteres Odertal wird die Nutzungsfreiheit in
     und erbringen weitere wichtige Ökosystem-                 der Schutzzone I b gemäß Nationalparkge-
     dienstleistungen. Außerdem bieten sie eine                setz Unteres Odertal im Rahmen des Unter-
     hohe Attraktivität für das Naturerleben.                  nehmensflurbereinigungsverfahrens Unteres
                                                               Odertal hergestellt.
     Das Europäische Parlament forderte in seiner
     Entscheidung vom 3. Februar 2009 eine um-                 f. Biotopverbund8
     fassende europäische Strategie zum Schutz
     von Wildnis (Agenda für Europas Wildnis –                 Der Schutz der biologischen Vielfalt erfor-
     Die Botschaft von Prag). Brandenburg orien-               dert nicht nur Kernflächen (z. B. Schutzge-
     tiert sich an dem nationalen Ziel, den Anteil             biete), in denen die Lebensbedingungen für
     der Wildnisgebiete von heute deutlich weniger             Tier- und Pflanzenarten besonders gut aus-
     als 1 % auf 2 % der Landesfläche zu steigern7.            geprägt sind, sondern auch Verbindungskor-
     Das Land prüft derzeit die Möglichkeiten, bis             ridore. Für mobile Tierarten können auch so-
     2020 bzw. mittelfristig auf ca. 60.000 ha u. a.           genannte Trittsteine, d. h. kleinere, zwischen
     im Nationalpark Unteres Odertal, in den Kern-             den Kerngebieten liegende Flächen eine
     zonen der Biosphärenreservate, in Naturpar-               Verbundfunktion übernehmen. Durch den im
     ken, auf ehemaligen Truppenübungsplätzen,                 Bundesnaturschutzgesetz verankerten Bio-
     in Bergbaufolgelandschaften, in nutzungsfrei-             topverbund9 sollen trotz ausgebauter Infra-
     en Mooren und in Wäldern wieder Wildnis ent-              struktur und moderner Landnutzung natürli-
     stehen zu lassen.                                         che Austauschprozesse zwischen den Po-
                                                               pulationen erhalten bzw. wieder hergestellt
     Zur Erreichung der Zielsetzung werden vor-                werden, so dass keine genetische Verar-
     rangig solche Flächen für die Wildnisent-                 mung eintritt. Der Biotopverbund dient auch
     wicklung ausgewählt, die sich entweder im                 als „Autobahn“ für wandernde Tierarten und
     Eigentum des Landes befinden oder Fläche-                 als Verbindungsglied z. B. zwischen Som-
     neigentümerinnen und Flächeneigentümern                   mer- und Winterlebensräumen bestimmter
     gehören, die sich freiwillig zur Nutzungsauf-             Tierarten. Eine wachsende Bedeutung wird
     gabe verpflichten oder denen Flächen bereits              der Biotopverbund in Zukunft erfahren, wenn
     mit der Maßgabe übertragen wurden, Wild-                  Arten in Anpassung an die klimatischen Ver-
     nisentwicklung zuzulassen.                                änderungen ihre Arealgrenzen verschieben.

     In dem zu etablierenden System von Wildnis-               8   Vgl. hierzu auch detaillierte Darstellung in Kap. 3.7.
                                                                   des Landschaftsprogramms Brandenburg, Entwurf,
     gebieten sollen für Brandenburg typische und                  Stand Nov. 2012
                                                               9   „Der Biotopverbund dient der dauerhaften Siche-
                                                                   rung der Populationen wild lebender Tiere und
     7   Vgl. Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt:       Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Bioto-
         Bis zum Jahre 2020 kann sich die Natur auf min-           pe und Lebensgemeinschaften sowie der Bewah-
         destens 2 % der Landesfläche Deutschlands wie-            rung, Wiederherstellung und Entwicklung funkti-
         der nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwi-           onsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen“
         ckeln.                                                    (§ 21 (1) BNatSchG 2009).

20
Der frei mäandrierende Polsbach im Naturpark Hoher Fläming ist Teil eines Feuchtgebietsverbundes.

Ein wichtiger Teilaspekt, insbesondere hin-          gigkeit kann mit Hilfe von Regionalplänen,
sichtlich des Schutzes der an Feuchtgebiete          der Landschaftsplanung oder mit Maßnah-
gebundenen Arten und der vom Wasser ge-              men der Wasserrahmenrichtlinie gesichert
prägten Lebensräume, ist neben dem Moor-             werden. Für Brandenburg liegt ein Konzept
schutz der „Feuchtgebietsverbund“, d.h. ein          der erforderlichen Verbundstrukturen für
barrierefreier Verbund von Feuchtgebieten            Wildtiere vor.10 Das Konzept bezieht sich auf
und Gewässern. Hierbei kommt der Revita-             die großräumigen Verbindungen bzw. Barrie-
lisierung von nutzungsfreien Niedermooren,           ren auf Bundes- und Landesebene. Regiona-
dem Erhalt naturnaher Moore und der Revi-            le Aspekte werden auf der Ebene der Land-
talisierung entwässerter Moore, der Wieder-          kreise in den Verbundplanungen, z. B. in den
herstellung der Verbindung von Fluss und             Landschaftsrahmenplänen, dargestellt.
Aue und der Herstellung der ökologischen
Durchgängigkeit von Fließgewässern eine              Große Wälder (> 100 km²) sollen als Kernle-
besondere Bedeutung zu. Nicht alle Ver-              bensräume (Kernflächen) erhalten und durch
bindungsflächen müssen als Schutzgebiete             Verbindungskorridore großräumig miteinan-
ausgewiesen werden. Mit Festlegung ei-               der vernetzt werden. Hierbei sind vor allem
nes großräumigen Freiraumverbundes im                die Wälder (> 1 ha) entlang der Verbindungs-
Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg            korridore als Trittsteine (Verbindungsflächen)
(LEP B-B 2009), der neben weiteren hoch-             zu erhalten, aber auch Barrieren zu beseiti-
wertigen Freiräumen alle naturschutzfachlich
geschützten Gebiete umfasst, werden auch             10   Herrmann, M., Klar, N., Fuß, A. & F. Gottwald: Bio-
die für den Biotopverbund notwendigen Flä-                topverbund Brandenburg - Teil Wildtierkorridore.
                                                          Stand 17.11.2010. Im Auftrag und mit Unterstüt-
chen überwiegend berücksichtigt. Die für die              zung des Ministeriums für Ländliche Entwicklung,
Biotopverbundfunktion wichtige Durchgän-                  Umwelt und Verbraucherschutz.

                                                                                                                21
gen. In Brandenburg sind 20 Grünbrücken           stellung und Entwicklung von Lebensräumen
     vordringlich zu realisieren, um die funktionale   weitergeführt. Für die Vernetzung gleichar-
     Verknüpfung des Biotopverbundes zu sichern        tiger Biotoptypen liegen Vorschläge auf der
     und für Wildtiere die Fernwanderkorridore of-     Grundlage von Biotopverbund-Konzepten
     fen zu halten.                                    vor. Für weitere Biotoptypen muss die Ab-
                                                       leitung von Handlungsschwerpunkten noch
     Ein aktuelles Beispiel der Umsetzung des          vorgenommen werden. Die Aktualisierung
     Biotopverbundes ist das von der Deutschen         des Biotopkatasters stellt hierfür eine wichti-
     Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte            ge Arbeitsgrundlage dar.
     Projekt „Ökologischer Korridor Südbranden-
     burg“.                                            Für den Erhalt zahlreicher Tier- und Pflan-
     Die Umsetzung des Biotopverbundes erfor-          zenarten mit stärker gefährdeten Vorkommen
     dert in besonderer Weise Beiträge verschie-       sind spezielle Vorkehrungen innerhalb und
     dener Ressorts:                                   außerhalb von Schutzgebieten erforderlich.
     • Verkehr: Beachtung von Verbundstruktu-          Für bestimmte Arten werden Artenschutzpro-
       ren und Vermeidung von Zerschneidung            gramme entwickelt, in denen Maßnahmen im
       bei der Trassenplanung; Wiederherstel-          Einzelnen beschrieben und in ein Gesamt-
       lung von Wanderkorridoren bei beste-            konzept eingebunden werden. Bei der Aus-
       henden Trassen gemäß dem Bundespro-             wahl stehen insbesondere Arten im Vorder-
       gramm Wiedervernetzung;                         grund, für die Brandenburg eine besondere
     • Wasserwirtschaft: Wiederherstellung der         Verantwortung trägt (s. Kap. 1.3), sowie
       Durchgängigkeit und Qualität von Fließge-       • Arten, die besonders wertvolle und ge-
       wässern einschließlich der Randstreifen;           fährdete Lebensräume repräsentieren und
     • Forstwirtschaft: Gewährleistung einer an-       • wandernde Arten, die vorübergehend
       gepassten Nutzung der Wald-Kernflächen             Rast- und Nahrungsräume in den Agrar-
       (siehe oben);                                      landschaften beanspruchen (z. B. Gänse,
     • Landwirtschaft: Erhaltung und Neuschaf-            Kraniche).
       fung von Landschaftselementen; Verbes-
       serungen der Lebensbedingungen für              Nicht für alle gefährdeten Arten gewährleis-
       Tier- und Pflanzenarten auch außerhalb          ten Maßnahmen des Flächenschutzes und
       von Schutzgebieten durch Erhöhung der           zum Biotopverbund allein die dauerhafte
       Nutzungs- und Kulturartenvielfalt;              Sicherung überlebensfähiger Populationen.
     • Landentwicklung/Flurneuordnung: Flä-            Dazu gehören z. B.
       chenbereitstellung, Sicherung und Vernet-       • besonders stark gefährdete oder vom
       zung naturnaher Flächen.                           Aussterben bedrohte Arten, bei denen
                                                          vorübergehend direktes menschliches
     g. Biotop- und Artenschutzmaßnahmen                  Eingreifen (z. B. Gelegeschutz, Hege-
                                                          maßnahmen, Erhaltungskulturen, Auswil-
     Für viele Biotoptypen und Arten in Bran-             derungsaktionen) erforderlich ist;
     denburg sind Gefährdungsgrade und -ur-            • sogenannte Problemarten, die wirtschaft-
     sachen hinreichend bekannt. Auf der Basis            liche Schäden verursachen können (z. B.
     vorliegender Konzepte wird – insbesondere            Biber) und daher ein besonderes Ma-
     in Zusammenhang mit der Umsetzung von                nagement erfordern;
     FFH-Managementplänen sowie Pflege- und            • in Ausnahmefällen Wiederansiedlungs-
     Entwicklungsplänen in Nationalen Naturland-          projekte (Auerhuhn, Lachs, Stör, Küchen-
     schaften – die Sicherung, Pflege, Wiederher-         schellen, Enzian-Arten).

22
Für folgende Arten liegen bereits Schutz-                                        Das brandenburgische
programme vor: Adler, Auerhuhn, Birkhuhn,                                        Moorschutzprogramm
Elbebiber und Fischotter, Rotbauchunke
und Laubfrosch. Für einige Tierarten ist die                                     Moore sind auf Grund ihrer Eigenschaften
Entwicklung zu einem günstigen Erhaltungs-                                       Extremlebensräume für Tiere und Pflanzen,
zustand und dessen Sicherung auch daran                                          sie beherbergen eine Vielzahl seltener und
geknüpft, dass Schäden, die durch diese                                          vom Aussterben bedrohter Arten, für deren
Arten verursacht werden können, verringert                                       Erhalt das Land Brandenburg eine besonde-
werden. Ein Beispiel hierfür ist der Wolfsma-                                    re Verantwortung hat. Der heutige Moorbe-
nagementplan11, der den Umgang mit dieser                                        stand in Brandenburg stellt einen sehr klei-
geschützten Tierart in Brandenburg regelt.                                       nen Teil der ursprünglichen Fläche dar; ein
Ziel ist es, Konflikte, die durch die natürliche                                 großer Teil dieses verbliebenen Restes weist
Ausbreitung des Wolfs entstehen, zu mini-                                        einen schlechten Erhaltungszustand auf.
mieren und die Akzeptanz zu steigern. Ähnli-                                     Die Landesregierung erarbeitet derzeit ein
che Pläne werden für das Management von                                          Moorschutzprogramm, das u.a. Handlungs-
Bibern ausgearbeitet.                                                            empfehlungen und Maßnahmen für die Po-
                                                                                 litikbereiche Wasserwirtschaft, Naturschutz,
Zum verbesserten Schutz wild lebender, hei-                                      Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Förder-
mischer Pflanzen wurde in Brandenburg ein                                        politik beinhaltet. Aufgezeigt werden ferner
Florenschutzkonzept entwickelt. Es weist                                         Ansätze zur Öffentlichkeitsarbeit, der For-
die Schwerpunkte für den Schutz heimischer                                       schungsbedarf sowie Empfehlungen für eine
Pflanzen aus und benennt Arten, für die ein                                      umsetzungsorientierte Projektorganisation.
besonders hoher Handlungsbedarf besteht.
                                                                                 Konkret sieht das Programm vor, in An-
Für Pflanzen mit ihren eigenen und sehr ver-                                     lehnung an die Forderung in der nationa-
schiedenen Formen der Ausbreitung und                                            len Biodiversitätsstrategie, bis zu 10 % der
Ansiedelung sind die in der jüngeren Vergan-                                     Moorfläche in eine natürliche Entwicklung zu
genheit verlorenen Ausbreitungswege gezielt                                      übergeben oder moorerhaltend zu bewirt-
wieder herzustellen und neue Ausbreitungs-                                       schaften. Im Interesse des Ressourcenschut-
möglichkeiten zu schaffen. Triftsysteme im                                       zes sollen vorrangig aufgelassene Moore re-
Zusammenhang der Nutzflächen von Schaf-                                          vitalisiert werden. Im forstlichen Bereich wird
zucht-Betrieben, die Erhöhung des Anteils                                        der Schwerpunkt auf die Erhaltung, Stabili-
offener und halboffener Strukturen in Wald-                                      sierung und Revitalisierung naturnaher Moo-
landschaften und ein höherer Anteil extensiv                                     re in bewaldeten Einzugsgebieten gelegt.
genutzter Flächen in der Landwirtschaft gehö-
ren dazu ebenso wie gezielte Maßnahmen zur
Ausbringung und zum genetischen Austausch
zwischen benachbarten Populationen.

11   MUGV (Dezember 2012): Managementplan
     für den Wolf in Brandenburg 2013 – 2017.
     h t t p : / / w w w. m u g v. b r a n d e n b u r g . d e / s i x c m s /
     media.php/4055/wmp_2013_2017.pdf

                                                                                                                                   23
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