Massnahmen zur Kostendämpfung im Bereich Ergänzungsleistungen

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Amt für AHV und IV
Ausgleichskasse/IV-Stelle

Massnahmen zur Kostendämpfung im
Bereich Ergänzungsleistungen
Bericht der vom Regierungsrat eingesetzten Arbeitsgruppe

4. Juni 2013

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      1. Inhaltsverzeichnis

1.      Inhaltsverzeichnis                                                           2

2.      Einleitung und Zusammenfassung                                               3

3.      Ausgangslage                                                                 4

3.1     Entwicklung EL                                                               4

3.2     Bericht betreffend Massnahmen zur Erreichung des Haushaltgleichgewichts      5

3.3     Projektauftrag und Einsetzung einer Arbeitsgruppe durch den Regierungsrat    9

3.4     Bearbeitung durch die Arbeitsgruppe                                         11

4.      Massnahmen                                                                  11

4.1   Massnahmen in der Kompetenz des Amtes für AHV und IV                          11
4.1.1 Prüfung Vermögensverzicht                                                     11
4.1.2 Intensivierung Bekämpfung Versicherungsmissbrauch (BVM) in Bezug auf
      die Überprüfung des Lebensmittelpunktes                                       12
4.1.3 Integrationsmassnahmen bei EL-Bezügern und -Bezügerinnen
      mit Integrations-Potenzial                                                    13

4.2   Massnahmen in der Kompetenz des Kantons                                       15
4.2.1 Kostendämpfung bei der Pflegeversorgung                                       15
4.2.2 Kostendämpfung bei EL für IV-Rentner und -Rentnerinnen                        19

4.3     Massnahmen in der Kompetenz des Bundes                                      20
4.3.1   Begrenzung finanzieller Umfang der EL                                       20
4.3.2   Vorsorgekapital und Vorsorgefähigkeit                                       21
4.3.3   Pflegeversicherung                                                          26
4.3.4   Anrechnung Erwerbseinkommen                                                 30
4.3.5   Vermögensfreibeträge                                                        32
4.3.6   Anspruchsvoraussetzungen                                                    33
4.3.7   Krankenversicherung                                                         34

5.      Hinweise auf Anhänge                                                        37
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   2. Einleitung und Zusammenfassung

Die bundesrechtlich geregelten Ergänzungsleistungen (EL) zu den Leistungen der AHV und der
IV sind eine segensreiche und sinnvolle Sozialversicherung. Sie verhindern einerseits, dass die
Bezügerinnen und Bezüger von Leistungen der AHV und der IV in materielle Not geraten und
stellen andererseits sicher, dass keine Personen Ergänzungsleistungen erhalten, welche nicht
darauf angewiesen sind. Gemäss der geltenden bundesrechtlichen Regelung werden die Ge-
samtkosten der EL zu rund einem Drittel vom Bund und zu zwei Dritteln vom Kanton getragen.

Ohne das System und dessen Errungenschaften in Frage zu stellen, beunruhigt das überaus
starke Kostenwachstum der Ergänzungsleistungen. Im Jahre 2012 betrugen sie im Kanton
Thurgau knapp 101 Mio. Franken und damit 55 % mehr als noch im Jahre 2004. Hinzu kamen
2012 Kosten von 33 Mio. Franken für die individuellen Prämienverbilligungsauszahlungen mit
EL - hier sogar 86 % mehr als 2004. Das Kostenwachstum in diesem Bereich hat ein Ausmass
angenommen, das zum Handeln ruft. Entsprechend hat der Regierungsrat entschieden, einen
ausführlichen Bericht zu konkreten Massnahmen und deren finanziellen Auswirkungen erarbei-
ten zu lassen. Diese sollen zu einer Dämpfung der Kostensteigerungen beitragen.

Der vorliegende Bericht zeigt Massnahmen auf, welche geeignet sind, das Kostenwachstum im
Bereich der EL zu dämpfen, ohne den Kern des Systems der Ergänzungsleistungen zu verlet-
zen. Im Vordergrund steht das Vermeiden von kostentreibenden Anreizen. Die Umsetzung der
empfohlenen Massnahmen wird nicht zu Härtefällen führen. Die Spareffekte können zum Teil
berechnet oder geschätzt werden, bei einzelnen der vorgeschlagenen Massnahmen muss eine
Quantifizierung im jetzigen Zeitpunkt ausbleiben. Das auf den Kanton Thurgau entfallende ku-
mulierte Einsparpotenzial der vorgeschlagenen Massnahmen kann auf 15 bis 20 Mio. Franken
pro Jahr geschätzt werden.

Die geprüften Massnahmen werden im Bericht gegliedert in solche, die in der Kompetenz des
Amts für AHV und IV, des Kantons und des Bundes liegen.

Die Arbeitsgruppe schlägt im Bericht vor, dass die dafür zuständigen Instanzen (Amt, Kanton,
Bund) folgende Massnahmen umsetzen:

      Verlängerung der Rückverfolgung von Vermögensverzichten (Amt, Ziffer 4.1.1)
      Personalaufstockung zur Missbrauchsbekämpfung (Amt, Ziffer 4.1.2)
      Verstärkte Integration von EL-IV-Berechtigten in den Arbeitsmarkt (Amt und Kanton, Zif-
       fer 4.1.3)
      Stärkung der ambulanten Pflegeversorgung (Kanton, Ziffer 4.2.1)
      Einbezug der Hilflosenentschädigung in das anrechenbare Einkommen (Bund, Ziffer
       4.2.2)
      Obergrenze bei den EL (Bund, Ziffer 4.3.1)
      Anpassung des BVG zur Wahrung des Vorsorgekapitals und der Vorsorgefähigkeit
       (Bund, Ziffer 4.3.2)
      Reduktion der Einkommensprivilegierung bei Teilinvalidität sowie Anrechnung von Ein-
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       künften der Ehegatten (Bund, Ziffer 4.3.4)
      Änderungen bei den Ansätzen der Vermögensfreibeträge (Bund, Ziffer 4.3.5)
      Systemkonforme Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen für die EL (Bund, Ziffer
       4.3.6)
      Anpassungen der Berechnungsart der IPV für EL-Berechtigte (Bund, Ziffer 4.3.7)

Von der Arbeitsgruppe geprüft, aber verworfen wurden Massnahmen zur Lancierung einer Pfle-
geversicherung (Bund, Ziffer 4.3.3).

   3. Ausgangslage

Die Gesamtausgaben für Ergänzungsleistungen zur AHV und IV sind seit 2004 um 55 % ge-
stiegen. Da der Kanton seit 2008 rund zwei Drittel dieser Kosten zu tragen hat, belastet die
Kostensteigerung den Kantonshaushalt erheblich. Ohne Massnahmen zur Kostendämpfung
drohen die Ausgaben ausser Kontrolle zu geraten.

   3.1 Entwicklung EL

Die Entwicklung der EL-Gesamtausgaben und der Ausgaben, die dem Kanton verbleiben, so-
wie der Auszahlung der individuellen Prämienverbilligung mit EL (IPV-EL) zeigen seit 2004 eine
deutliche Zunahme:

              Ausgaben EL AHV/IV           davon Kanton          IPV-EL (zuzüglich)

2004           64’987’294                  24’347’931            17’949’104
2005           73’847’882                  27’613’554            20’185’766
2006           72’911’344                  28’406’872            22’093’766
2007           75’804’140                  29’646’585            22’972’825
2008           82’033’011                  57’446’286            23’416’613
2009           87’925’387                  56’646’086            24’893’914
2010           93’845’829                  60’310’171            27’661’043
2011           98’692’568                  66’369’673            30’684’111
2012          100’772’371                  67’632’744            33’447’782

Der hauptsächliche Grund für dieses Wachstum liegt in der Zunahme der Bezüger und Bezüge-
rinnen. Weitere Gründe sind die Teuerung, die Anpassung der Höchstbeträge bei den Tagesta-
xen, das über der Teuerung liegende Kostenwachstum im Gesundheitswesen und die Neuord-
nung der Pflegefinanzierung. Für den sprunghaften Anstieg bei den Kantonsausgaben von
2007 auf 2008 verantwortlich ist die Abschaffung der Gemeindebeteiligung im Rahmen der kan-
tonalen Umsetzung der Neugestaltung des Finanzausgleichs und Aufgabenteilung (NFA).
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Die Finanzplanzahlen für die Jahre 2014 bis 2016 gehen von einem jährlichen Wachstum von
4 % aus. Ein solches Wachstum kam in der Vergangenheit beinahe alleine schon durch die all-
gemeine Teuerung und die Zunahme der Bezüger und Bezügerinnen zustande und muss des-
halb als optimistische Prognose beurteilt werden.

   3.2 Bericht betreffend Massnahmen zur Erreichung des Haushaltgleichgewichts

Mit Schreiben vom 3. Januar 2012 beauftragte der Chef des Departementes für Inneres und
Volkswirtschaft (DIV), Regierungsrat Dr. Kaspar Schläpfer, das Amt für AHV und IV (AAI),
Massnahmen zur Wiederherstellung des Haushaltgleichgewichts im AAI zu prüfen und mittels
Bericht mitzuteilen. Mit Bericht vom 14. Februar 2012 leistete das AAI diesem Auftrag Folge.

Im Bericht wird aufgezeigt, dass das AAI bereits sehr aktiv ist, um ein unkontrolliertes Wachs-
tum der EL-Ausgaben zu verhindern:

      Periodische Prüfungen (Art. 30 der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Al-
       ters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung/ELV):
       Die ELV schreibt eine Revision der EL Fälle zwingend mindestens alle vier Jahre vor.
       Die EL-Stelle Thurgau hat 2006 entschieden, diese Revision alle zwei Jahre durchzufüh-
       ren. Dies bringt zwar einen Mehraufwand an Arbeit mit sich, jedoch sind die Daten prak-
       tisch stets auf dem neusten Stand. Allfällige Rückforderungen fallen zeitnah an, sodass
       die Verluste durch Abschreibungen gering gehalten werden können.
      Jährliche Anpassung:
       Leistungsbeeinflussende Datengrundlagen, welche grösseren Schwankungen unterlie-
       gen können (Löhne, Renten der beruflichen Vorsorge/BVG und der Unfallversiche-
       rung/UVG, ausländische Renten etc.), müssen von den Bezügern und Bezügerinnen
       jährlich dokumentiert werden, sodass allfällige Änderungen zeitnah vorgenommen wer-
       den können.
      Abklärungen:
       Die Abklärung bei EL-Anträgen erfolgt akribisch genau und aus Sicht einiger Kunden
       sehr kleinlich. Ebenfalls werden – fallentsprechend – Steuerveranlagungen der Vorjahre
       verlangt und die Daten verglichen. Vielfach geben die Kunden Vermögen bei der EL an,
       welches bei den Steuern nicht gemeldet wurde oder umgekehrt. Anzumerken bleibt,
       dass die EL keine Verjährungsfrist für verzichtetes Vermögen kennt. Das Steuerrecht
       kennt eine Verjährungsfrist von zehn Jahren und die Veranlagungen sind oft nicht länger
       verfügbar.
      Barauszahlung via Post:
       Bei EL-Bezügern und -Bezügerinnen, bei denen Verdacht darauf besteht, dass sie ihren
       Lebensmittelpunkt nicht im Kanton Thurgau haben, werden die Ergänzungsleistungen
       bar per Post angewiesen. Mit der Aufhebung der durchgehenden Grenzkontrollen ist es
       schwierig geworden, anhand von Pässen das Aufenthalts- und Reiseverhalten dieser
       Personen nachzuvollziehen.
      Verstärkte und konsequentere Zuteilung bei Nachzahlungen der IPV-EL:
       Die IPV-EL wird aus dem Topf der allgemeinen Prämienverbilligung finanziert. Seit 2011
       wird verstärkt darauf geachtet, dass Nachzahlungen konsequent diesem Topf zugeteilt
       werden. Dadurch wird unter Umständen die Netto-EL nicht so stark steigen, wenn nicht
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       sogar leicht sinken. Demgegenüber wird aber der Prämienverbilligungs-Topf mehr be-
       lastet.
      Bekämpfung Versicherungsmissbrauch (BVM):
       Seit 2011 ist ein Mitarbeiter im Team BVM speziell für EL-Fälle zuständig. Auf Grund
       von Meldungen aus den Gemeinden oder intern aus der EL-Stelle oder der IV-Stelle
       überprüft dieser Verdachtsfälle und leitet Rückforderungen ein.

Auf diesem Hintergrund sind gemäss Bericht amtsintern lediglich folgende zusätzliche Mass-
nahmen prüfenswert:

      Periodische Prüfungen (Art. 30 ELV):
       Generell könnte eine jährliche Revision anstelle der heute zweijährigen Revision durch-
       geführt werden, was jedoch einen Ausbau der personellen Ressourcen bedingen und
       einen erhöhten Verwaltungsaufwand bedeuten würde.
      Prüfung Vermögensverzicht:
       Auch die generelle Überprüfung von Vermögensverzicht aufgrund der Steuerveranla-
       gungen der letzten zehn Jahre liesse sich ausbauen. Zu prüfen ist diesbezüglich, ob
       dem AAI seitens Steuerverwaltung neben den Veranlagungen auch die Steuererklärun-
       gen zur Verfügung gestellt werden können und dürfen und ob dies auf 20 Jahre zurück
       machbar ist.
      Intensivierung BVM:
       Die Fachstelle BVM ist bereit, vermehrt auch bei aufwändigen EL-Fällen und
       -Revisionen unterstützend mitzuwirken. So ist in diesen Fällen vor allem die Überprü-
       fung des Lebensmittelpunktes, zusätzlicher Einnahmen sowie des Verzichtsvermögens
       gezielt vorzunehmen.

Der Bericht zeigt weiter auf, dass der Spielraum, Massnahmen zur Dämpfung der Kostenstei-
gerung in der Kompetenz des Kantons zu ergreifen, klein ist. Hierzu ein Blick auf die kanto-
nale Umsetzung der EL-Gesetzgebung:

Spielraum Bund an Kanton            Vollzug Thurgau             Fazit Spielraum
Art. 10 Abs. 1 Bst. a ELG           Mindestanforderung          Keinen
Lebensbedarf
Art. 10 Abs. 1 Bst. b ELG           Mindestanforderung          Keinen
Miete
Art. 10 Abs. 2 Bst. a ELG           § 4 TG ELG / § 6 TG         Minim / Senkung der beste-
Tagestaxe Heim (in der Regel        ELV                         henden Heimtaxbegren-
keine Sozialhilfe-Abhängigkeit)     verschiedene Ansätze        zungsansätze

Art. 10 Abs. 2 Bst. b ELG           § 6 TG ELG                  Minim: Ansätze sind bereits
Persönliche Auslagen im Heim        2 Ansätze                   sehr tief angesetzt (Alters-
                                                                /Invalidenwohnheim bei 25 %
                                                                und Pflegeheim bei 15 % des
                                                                allgemeinen Lebensbedarfs
                                                                von derzeit Fr. 19’210)
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Art. 11 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2     § 5 TG ELG                 Keinen
ELG                                  Maximal 1/5 für im Heim
Vermögensverzehr bis maximal         oder Spital lebende Per-
1/5 für im Heim oder Spital leben-   sonen
de Personen
Art. 14 ELG                          § 7 TG ELG                 Keinen, Kanton hat Mindest-
Krankheits- und Behinderungskos-                                ansätze zu Höchstansätzen
ten, Bund gibt Mindestanforderun-                               erklärt.
gen vor

Die innerkantonalen Handlungsspielräume beschränken sich gemäss Bericht daher auf
folgende Punkte:

      Mitfinanzierung der EL durch die Gemeinden:
       Durch eine Wiedereinführung der Kostenbeteiligung der Gemeinden an den EL-
       Ausgaben würden diese dazu angehalten, eingehende EL-Gesuche vertiefter auf die
       tatsächlichen finanziellen und persönlichen Verhältnisse der Gesuchsteller oder mögli-
       che Missbräuche hin zu überprüfen, um damit ihre Kostenbeteiligung möglichst tief zu
       halten.
      Einheitliche Taxe:
       Im Pflegeheimbereich könnte eine einheitliche Taxe eingeführt werden (Hotellerie, Ei-
       genanteil an Pflege, Betreuungskosten = X). Vielfach ist festzustellen, dass die Pflege-
       heime nebst den Pflegekosten hohe Betreuungskosten in Rechnung stellen. Pauscha-
       lierte Betreuungskosten könnten sich an den günstigeren Heimen orientieren und wür-
       den so zu tieferen EL-Kosten führen.
      Vorgaben an Pflegeheime:
       Im Alterskonzept des Kantons Thurgau werden Einerzimmer als Standard gewünscht
       und eine wettbewerblich organisierte Gesamtplanung postuliert, damit genügend Pfle-
       geheimplätze für die Wahlfreiheit bestehen und die Taxen im Wettbewerb tief gehalten
       werden können. Der Raum- und Personalbedarf für Einerzimmer ist höher als für Zwei-
       er- und Dreierzimmer, letztere können jedoch kaum mehr belegt werden. Dies wirkt sich
       natürlich auch auf die Kosten der Heime aus.

Da die Rahmenbedingungen der EL-Gesetzgebung auf Bundesebene festgelegt werden, weist
der Bericht darauf hin, dass zur Dämpfung der Kostensteigerung an erster Stelle der Bund ge-
fragt ist. Folgende Vorschläge werden genannt:

      EL auf ein durchschnittliches Einkommen begrenzen:
       Bis zu einem Einkommen vor Invalidität von Fr. 60’000 resp. 80’000 pro Jahr für einen
       IV-Bezüger oder eine IV-Bezügerin mit unterstützungspflichtigen Kindern sind die Er-
       satzraten danach zusammen mit der EL höher als das Einkommen vor Invalidität. Um
       dies zu verhindern, könnte für Nichtheimbewohner ein Maximalwert für EL eingeführt
       werden.
      Vorsorgekapital für verfassungsmässigen Vorsorgezweck wahren:
       Gemäss Art. 111 und 113 der Bundesverfassung (BV) soll die berufliche Vorsorge den
       Senioren und den Invaliden ermöglichen, ihren vormaligen Lebensstandard in ange-
       brachter Weise zu erhalten. Nun erlaubt aber die Gesetzgebung den Versicherten, das
       ganze oder einen Teil ihres BVG-Kapitals zu beziehen, um sich selbstständig zu ma-
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       chen. Scheitert das aufgezogene Unternehmen, so besteht die Gefahr, dass ein Teil
       oder das ganze investierte Vermögen verloren geht, was zu einer bedeutenden Verrin-
       gerung der Leistungen der Pensionskasse im Zeitpunkt der Pensionierung und somit oft
       zum Anspruch auf EL führt. Ebenfalls erlaubt ist die Verwendung von Vorsorgekapital
       zum Erwerb von Wohneigentum, was im Falle eines Preiszerfalls zu einer eingeschränk-
       ten Vorsorge führen kann. Im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-
       und Invalidenvorsorge (BVG) sollten Beschränkungen eingebaut werden, damit der Vor-
       sorgezweck nicht gefährdet wird.
      Vorsorgefähigkeit erhöhen:
       Einige Personen fallen durch das Netz der beruflichen Vorsorge, selbst wenn sie einer
       Arbeit nachgehen. Die 2. Säule ist für selbstständig Erwerbende (SE) nicht obligatorisch.
       Diese machen nur selten davon Gebrauch, freiwillig Beiträge zu zahlen. Geraten die SE
       bei der Pensionierung oder im Invaliditätsfall in finanzielle Engpässe, so sind sie rasch
       auf EL angewiesen. Dasselbe gilt für jene Personen mit geringem Einkommen, die auf
       Grund des Koordinationsabzuges nur wenig Vorsorgekapital äufnen. Ein Obligatorium
       auch für SE und eine Abschaffung des Koordinationsabzuges können diesen Risiken
       abhelfen.
      Pflegeversicherung prüfen:
       Rund die Hälfte der in Alters- oder Pflegeheimen lebenden Personen sind EL-Bezüger
       und -Bezügerinnen, weil die hohen Kosten die Einnahmen aus Renten und beruflicher
       Vorsorge übersteigen und allfällig vorhandene Vermögen rasch verzehrt sind. Dies trifft
       je länger je mehr auch den Mittelstand. Die öffentlich finanzierte EL stösst aber zuneh-
       mend an ihre Grenzen, weshalb eine privat zu finanzierende Pflegeversicherung geprüft
       werden sollte, auch um die Eigenverantwortung für das Alter wieder zu stärken.
      Einführung Plafonierung EL:
       Mit der Einführung der NFA per 1. Januar 2008 wurde der Höchstbetrag der EL (alt Art.
       3a des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und
       Invalidenversicherung/ELG und alt Art. 1d ELV) – sei es für Heimbewohner wie auch für
       zu Hause lebende EL-Bezüger und -Bezügerinnen – aufgehoben. Es ist anzustreben,
       dass wieder eine Plafonierung eingeführt wird, da sonst aufgrund der Systematik einzel-
       ne Bezüger und Bezügerinnen im Endeffekt mehr erhalten, als sie – allenfalls vor Eintritt
       einer Invalidität – je verdient haben.
      Abschaffung Einkommensprivilegierung:
       Gemäss Art. 11 Abs. 1 Bst. a ELG werden nach Abzug eines Freibetrags (Alleinstehen-
       de Fr. 1’000, Ehepaare oder Alleinstehende mit Kindern Fr. 1’500) nur zwei Drittel der
       Erwerbseinkünfte als Einnahmen angerechnet. In Zukunft sollte es keine Einkommens-
       privilegierung bei nichtinvaliden Ehegatten mehr geben.
      Gesetzliche Regulierung der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens:
       Derzeit ist die Anrechnung eines hyp. Erwerbseinkommens bei Teilinvaliden oder nicht-
       invaliden Ehegatten von Rentnern nur in der ELV (Art. 14a und 14b) – also auf Verord-
       nungsstufe – geregelt. Deshalb haben die Gerichte die Möglichkeit, anderslautende
       Werte festzulegen. Mit der Definition im Gesetz wären auch die Gerichte daran gebun-
       den.
      Als Anspruchsvoraussetzung wird zwingend eine Rente der Alters- und Hinterlassenen-
       versicherung (AHV) oder der Invalidenversicherung (IV), eine Hilflosenentschädigung
       (HE) der IV oder ein IV-Taggeld (Bezug mindestens ununterbrochen sechs Monate) vor-
       ausgesetzt:
       Heute ist es möglich, dass je nach Konstellation auch ein EL-Anspruch besteht, obwohl
       keine Rentenleistungen der AHV/IV ausbezahlt werden (Art. 4 und 5 ELG). Dadurch
9/37

       kommen Personen in den Genuss von Leistungen, obwohl sie nie Beiträge an die AHV
       oder IV bezahlt haben. Die Sozialversicherungsabkommen sind generell zu prüfen und
       allenfalls anzupassen.
      Minderjährige Kinder, für welche eine Kinderrente ausgerichtet wird, haben generell kei-
       nen eigenen EL-Anspruch:
       Derzeit ist es möglich, dass minderjährige Kinder, welche eine Kinderrente ausgerichtet
       erhalten, unter gewissen Umständen (vor allem bei Fremdplatzierungen) einen An-
       spruch auf EL-Leistungen generieren können (Art. 7 ELV). Dies sollte generell nicht
       möglich sein.

Der Bericht kommt zusammenfassend zum Schluss, dass die darin aufgezeigten Massnah-
men verschiedene Auswirkungen bezüglich der Dämpfung der Kostensteigerung haben. Die
kurzfristig im Rahmen der Möglichkeiten innerhalb des Amtes lancierbaren Massnahmen haben
einen verhältnismässig kleinen Effekt und sind mit zusätzlichen Ressourcenkosten verbunden.
Die mittelfristig auf kantonaler Ebene möglichen Massnahmen sind nur dort effektiv, wo sie kei-
ne Kostenverlagerung anstelle einer Dämpfung der Kostensteigerung bedeuten. Auf Bundes-
ebene sind die effektivsten Möglichkeiten anzutreffen, doch lassen sich diese wenn überhaupt
nur langfristig realisieren. Der Bericht schlägt vor, für die Prüfung der Massnahmen auf ihre Ef-
fekte und Ausgestaltung eine Arbeitsgruppe einzusetzen.

   3.3 Projektauftrag und Einsetzung einer Arbeitsgruppe durch den Regierungsrat

An seiner Sitzung vom 12. Juni 2012 erteilte der Regierungsrat des Kantons Thurgau in der
Folge einen Projektauftrag und setzte eine Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, Massnahmen zur
Kostendämpfung im Bereich Ergänzungsleistungen zu erarbeiten. Ziel des Regierungsrates ist
es, das Wachstum in Schranken zu halten. Zu seinen Handen ist bis zum 31. März 2013 durch
die Arbeitsgruppe ein umfassender Bericht auszuarbeiten, der die folgenden Massnahmen
konkretisiert und deren finanzielle Auswirkungen abschätzt:

Massnahmen in der Kompetenz des AAI
   Abklärung eines allfälligen Vermögensverzichts: Zu prüfen ist, ob dem AAI von der
      Steuerverwaltung nebst den Veranlagungen auch die Steuererklärungen der letzten 20
      Jahre zur Verfügung gestellt werden können.
   Intensivierung BVM: Für die Fachstelle BVM ist ein erweitertes Mandat zu erarbeiten.
      Sie soll vermehrt auch bei aufwendigen EL-Fällen und -Revisionen unterstützend mitwir-
      ken, insbesondere bezüglich Überprüfung des Lebensmittelpunktes, zusätzlicher Ein-
      nahmen sowie des Vermögensverzichts.
   Bei „ausserordentlichen“ EL sind Integrationsmassnahmen zu prüfen.
   Suche nach allfälligen weiteren sinnvollen Massnahmen.

Massnahmen in der Kompetenz des Kantons
   In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt ist zu prüfen, mit welchen Massnahmen
      insbesondere im Pflegeheimbereich eine einheitliche Taxe eingeführt werden kann (Ho-
10/37

        tellerie, Eigenanteil an Pflege, Betreuungskosten). Das Vorgehen und die Terminierung
        der Umsetzung sind aufzuzeigen.
       In Zusammenarbeit mit dem Verband Thurgauer Gemeinden (VTG) und dem Gesund-
        heitsamt ist zu prüfen, mit welchen Massnahmen die altersbedingte ambulante und sta-
        tionäre Pflegeversorgung bei gleicher Qualität insgesamt kostendämpfender erfolgen
        kann (Hinauszögern von Pflegeheimaufenthalten).
       In Zusammenarbeit mit dem Fürsorgeamt sind Massnahmen im Bereich der Ergän-
        zungsleistungen für Behinderte zu definieren und zu prüfen.

Massnahmen in der Kompetenz des Bundes
Für die folgenden Massnahmen ist zu prüfen, ob und wie sie auf Bundesebene eingebracht
werden könnten (Standesinitiativen, parlamentarische Vorstösse von Thurgauer Mitgliedern des
Bundesparlaments, gemeinsame Vorstösse mit andern Kantonen, Vorstösse beim Bundesamt
für Sozialversicherungen etc.). Aufgrund des gewählten Vorgehens sind entsprechende Text-
grundlagen zu entwerfen:

       Begrenzung der EL auf ein durchschnittliches Einkommen
       Wahrung des Vorsorgekapitals für den verfassungsmässigen Vorsorgezweck
       Erhöhung der Vorsorgefähigkeit
       Prüfung der Pflegeversicherung
       Einführung einer Plafonierung der EL
       Abschaffung der Einkommensprivilegierung, Überprüfung der Anrechenbarkeit von Er-
        werbseinkommen (derzeit 2/3-Regelung)
       Gesetzliche Regulierung der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens
       Überprüfung der Höhe und der Berechnung der Vermögensfreibeträge bzw. des anre-
        chenbaren Vermögens
       AHV- oder IV-Rente als zwingende Anspruchsvoraussetzung
       Kein EL-Anspruch für Minderjährige
       Bemessungsgrundlagen für Immigranten mit Flüchtlingsstatus, die bis anhin kein versi-
        cherungspflichtiges Erwerbseinkommen erzielt haben bzw. erzielen konnten, überprüfen
       Zugangsvoraussetzungen von zurückkehrenden Auslandschweizern (ab der zweiten
        Generation)
       Zugangsvoraussetzungen von Einwanderern

Der Regierungsrat benannte folgende Personen als Mitglieder der Arbeitsgruppe:

       Anders Stokholm, Amtschef AAI (Leitung)
       Christina Angst, lic. iur., Rechtsdienst DIV
       René Forrer, AAI, Abteilungsleiter Leistungen (EL, Renten, ELKK/IPV/PF)
       Lorenz Joos, lic. iur., AAI, Assistent der Geschäftsleitung
       Stefan Kesseli, AAI, Teamleiter Ergänzungsleistungen
       Wolfgang Rau, AAI, Teamleiter BVM
       Dr. Susanna Schuppisser Fessler, Amtschefin Gesundheitsamt
       Florentina Wohnlich, Amtschefin Fürsorgeamt
11/37

Für die Bearbeitung der Fragestellungen zusammen mit Vertretern des VTG wurden Elsbeth
Aepli, Stadträtin Frauenfeld, Kurt Baumann, Gemeindeammann Sirnach und Präsident VTG,
sowie Beatrix Kesselring, Geschäftsführerin VTG, beigezogen.

   3.4 Bearbeitung durch die Arbeitsgruppe

Die Arbeitsgruppe hat am 10. Juli 2012 ihre Arbeit aufgenommen. An insgesamt fünf Sitzungen
der Gesamtarbeitsgruppe hat sie den vorliegenden Bericht erstellt. Auf Grund des Auftragsum-
fanges musste die Prüfung und Konkretisierung der einzelnen Massnahmen in Unterarbeits-
gruppen vorgenommen werden, die sich zu insgesamt über zwanzig Sitzungen und Bespre-
chungen trafen. Der Bericht wurde an der Sitzung vom 12. März 2013 durch die Mitglieder der
Gesamtarbeitsgruppe einstimmig gutgeheissen. Letzte Anpassungen wurden mit Zustimmung
der Mitglieder Anfang Juni 2013 vorgenommen.

   4. Massnahmen

   4.1 Massnahmen in der Kompetenz des Amtes für AHV und IV

   4.1.1 Prüfung Vermögensverzicht

Verzichtet jemand auf Teile seines Vermögens, kann dies dazu führen, dass die Mittel, den ei-
genen Lebensunterhalt zu bestreiten, mit der Zeit fehlen und so die Begehrlichkeit nach zusätz-
lichen Einnahmen, etwa Ergänzungsleistungen entsteht. Die EL-Stelle kann jedoch in ihrer Be-
rechnung des Anspruches das Verzichtvermögen mit einbeziehen. Bei dieser Überprüfung des
Vermögensverzichtes ging die EL-Stelle bisher auf zehn Jahre zurück. Da aber Vermögensver-
zicht keine Verjährungsfrist kennt, könnte sie grundsätzlich noch weiter zurückgehen. Zu prüfen
war diesbezüglich, ob dem AAI seitens Steuerverwaltung neben den Veranlagungen auch die
Steuererklärungen zur Verfügung gestellt werden können und dürfen und ob dies auf 20 Jahre
zurück machbar ist.

Die Arbeitsgruppe hat dies bei der kantonalen Steuerverwaltung abgeklärt. Die Steuererklärun-
gen sind bei den Gemeinden archiviert, nicht bei der kantonalen Steuerverwaltung. Die Aufbe-
wahrungsfrist von Steuererklärungen wie auch von Veranlagungen beträgt 15 Jahre. Seit 1999
werden die Veranlagungen zentral bei der kantonalen Steuerverwaltung aufbewahrt. Ein gene-
reller Zugriff auf diese elektronisch verfügbaren Daten für die EL-Stelle ist aus Gründen des
Steuergeheimnisses nicht möglich. Ein periodischer Abgleich von Steuerdaten von EL-
Bezügern und -Bezügerinnen ist ebenfalls nicht möglich, weil dazu die rechtliche Grundlage
fehlt.

Eine generelle Überprüfung aller knapp 7’000 EL-Bezüger und -Bezügerinnen macht aus Sicht
der Arbeitsgruppe keinen Sinn. Entsprechend ist auch keine gesetzliche Grundlage für den pe-
riodischen Abgleich von Steuerdaten EL beziehender Personen notwendig. Die EL-Stelle wird
jedoch in Zukunft den Vermögensverzicht in Fällen mit Verdachtsmomenten so weit zurückver-
12/37

folgen, wie dies die zur Verfügung stehenden Steuerakten zulassen. Eine Empfehlung zu
Handen des Regierungsrates ist in diesem Zusammenhang nicht nötig.

   4.1.2 Intensivierung Bekämpfung Versicherungsmissbrauch (BVM) in Bezug auf
         die Überprüfung des Lebensmittelpunktes

Bis 2010 konzentrierte sich das Hauptaugenmerk der BVM bei den EL auf die Bearbeitung von
Meldungen über Auffälligkeiten durch Externe und der EL-Stelle. Seit 2011 ist nun die Fachstel-
le BVM, die im Zusammenhang mit der 5. IV-Revision für die IV aufgebaut wurde, auch für BVM
im Bereich EL zuständig. Seit Jahresbeginn 2012 erfolgt zusätzlich - einhergehend mit einer
steten Professionalisierung - eine vertiefte sukzessive Überprüfung aller EL-Bezüger und
-Bezügerinnen unter Abgleich mit dem IV-Dossier hinsichtlich folgender Kriterien:

       Medizinische Diagnose mit Verweisen auf die Verwertbarkeit einer etwaig ausgewiese-
        nen Restarbeitsfähigkeit auf dem effektiven Arbeitsmarkt
       Bei der Leistungsbemessung angerechnete hypothetische Einkommen
       Auffällige Kontobewegungen
       Hinweise auf nicht gemeldete Einnahmen bzw. Liegenschaften im Ausland
       Hinweise, die Zweifel am gewöhnlichen Aufenthaltsort aufkommen lassen

Für die Überprüfung werden folgende Massnahmen ergriffen:

       Vertiefte Dossierüberprüfung
       Einholen von Informationen bei Drittstellen und Abgleich der Daten (z.B. bei der Steuer-
        erklärung geltend gemachte einkommensmindernde Hypothekarzinsen)
       Passkontrollen durch Vorlage der Pässe: Überprüfung der Abwesenheiten durch Rekon-
        struktion der Grenzübertritte durch Rückgriff auf Daten der eidgenössischen Zollverwal-
        tung
       Observationen zur Beweissicherung
       Strafanzeigen zum Erhalt weitergehender verwaltungsrechtlich relevanter Erkenntnisse

Im Rahmen des Auftrages des Regierungsrates gilt es, ein erweitertes Mandat für die Fachstel-
le BVM zu erarbeiten, um die Missbrauchsbekämpfung zu intensivieren. Das Hauptaugenmerk
liegt dabei auf der Überprüfung des Lebensmittelpunktes, allfälliger zusätzlicher Einnahmen und
des Vermögensverzichtes. Bezüglich der letztgenannten beiden Punkte sind zu den bereits ge-
troffenen Massnahmen keine weiteren zu ergreifen.

Als eine der grundlegenden Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug von kantonalen Ergän-
zungsleistungen schreibt der Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 1 ELG mit Verweis auf Art. 13 des
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) nicht nur
die gewöhnliche Wohnsitznahme, sondern explizit den tatsächlichen Aufenthalt (abgesehen von
leistungsunschädlichen befristeten Auslandsabwesenheiten) in der Schweiz vor. Für die Inten-
sivierung der Überprüfung des Lebensmittelpunktes kommen folgende Massnahmen in Frage:
13/37

       Unregelmässige Einladungen von Personen nach festzulegenden Kriterien (sog. organi-
        sche Anwesenheitskontrolle) durch die AHV-Zweigstellen
       Unangemeldete Hausbesuche
       Vertiefte Kooperation mit dem kantonalen Migrationsamt, der Fremdenpolizei und den
        AHV-Zweigstellen (Kontrolle Aufenthalt)
       Observation

Die finanziellen Auswirkungen dieser Massnahmen sind schwierig zu veranschlagen. Schät-
zungen ergeben, dass in rund 100 von insgesamt rund 5’200 Fällen solche verstärkte Überprü-
fungen vorgenommen werden müssten. Die tatsächliche Zahl lediglich der aufgrund des Auf-
enthaltsstatus zu Unrecht ausgerichteten Ergänzungsleistungen dürfte sich aber eher auf nied-
rigerem Niveau bewegen. Die durchschnittliche monatliche Ergänzungsleistung inkl. IPV-EL be-
trägt pro Leistungsberechtigtem rund Fr. 1’600. Bei acht aufgedeckten Fällen pro Jahr ergäben
sich Einsparungen von rund Fr. 150’000, wovon zwei Drittel dem Kanton zugute kämen.

Wird die organische Anwesenheitskontrolle durch die AHV-Zweigstellen durchgeführt, so ist mit
keinen zusätzlichen Kosten zu rechnen, denn die AHV-Zweigstelle ist bei der Wohnsitzgemein-
de des Versicherten angesiedelt, die Mitarbeitenden der AHV-Zweigstelle kennen die Versicher-
ten oft persönlich, eine Akzeptanz als Kontrollstelle darf unterstellt werden und die Anwesen-
heitskontrolle ist in den normalen Kundenverkehr und Arbeitsalltag integrierbar.

Für unangemeldete Hausbesuche und Observationen müsste aber mit zusätzlichen Aufwen-
dungen gerechnet werden, sei es zur Aufstockung der Personalressourcen in der Fachstelle
BVM, sei es für Observationsmandate an externe Detekteien. Geht man von einer Aufstockung
um 30 Stellenprozente und 2 bis 3 aufwändigeren Observationen pro Jahr aus, dann ergeben
sich Kosten von rund Fr. 85’000, womit sich die Investition lohnen würde. Da mit den Mass-
nahmen auch eine präventive Wirkung erzielt wird, weil sie sich herumsprechen wird, dürfte der
Nutzen noch grösser sein.

Empfehlung:

Auf diesem Hintergrund empfiehlt die Arbeitsgruppe dem Regierungsrat, das Mandat der
Fachstelle BVM für den Bereich EL um die genannten Massnahmen zu erweitern und die
Vergütung des Mandatsauftrages EL um diese Aufwendungen aufzustocken. Zur Sicherstel-
lung, dass die Einsparungen die Mehrausgaben decken, muss ein Kostenmonitoring instal-
liert werden.

   4.1.3 Integrationsmassnahmen bei EL-Bezügern und -Bezügerinnen
         mit Integrationspotenzial

Im Kanton Thurgau gibt es keine ausserordentlichen EL. Es gibt jedoch besondere Konstellati-
onen, bei denen ein EL-Anspruch entsteht und denen durch Integrationsmassnahmen begegnet
werden kann. Ergänzungsleistungen werden ausgerichtet, um vornehmlich Bezügern und Be-
14/37

zügerinnen von Renten der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung das
Existenzminimum zu gewährleisten, ohne das die Versicherten Sozialhilfe beziehen müssten.
Mit den Leistungen gemäss ELG sollen somit der gegenwärtige Grundbedarf und die laufenden
Lebensbedürfnisse gedeckt werden.

Als Zugangsvoraussetzung sieht der Gesetzgeber neben dem Bezug einer Versicherungsleis-
tung (Rente der AHV/IV, HE/Taggeld der IV) sowie dem gewöhnlichen Wohnsitz und tatsächli-
chem Aufenthalt in der Schweiz für Ausländerinnen und Ausländer eine zehnjährige und für
Flüchtlinge und Staatenlose eine fünfjährige ununterbrochene Aufenthaltsfrist vor. Diese Ka-
renzfrist entfällt für Bürgerinnen und Bürger eines EU- oder EFTA-Mitgliedstaates, für die das
Freizügigkeitsabkommen zur Anwendung kommt, sowie für Personen nach Art. 5 Abs. 3
ELG/Note C, mit deren Herkunftsländern entsprechende bilaterale Vereinbarungen getroffen
wurden.

Wer keine oder während einer zu kurzen Dauer (< 12 Monate) AHV- und IV-Beiträge entrichtet
hat (z.B. Flüchtlinge innerhalb der Karenzzeit), kann unter bestimmten Voraussetzungen eben-
falls einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen geltend machen.

Da diese versicherungsrechtlichen Zugangsvoraussetzungen völlig losgelöst sind von den per-
sönlichen und erwerblichen Ressourcen der Bezüger und Bezügerinnen, tun sich hier in mehr-
facher Hinsicht berufsintegrative Hindernisse auf:

Zwar hat sich die EL-Stelle mit Bezug auf die invaliditätsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbs-
tätigkeit grundsätzlich an die Invaliditätsbemessung durch die Invalidenversicherung zu halten
(BGE 117 V 202 E. 2b S. 205), gleichwohl hat sie abweichend von der IV-Regelung zusätzlich
zu prüfen, ob gemäss Art. 9 Abs. 5 Bst. c ELG i.V.m. Art. 14a und 14b ELV invaliditätsfremde
Gründe bestehen, welche die Verwertung der verbleibenden Erwerbstätigkeit verunmöglichen.
Dasselbe gilt für die nichterwerbstätigen Ehegatten, welche keine Leistungen der IV beziehen.
Ferner kann sie ebenfalls nicht analog der IV auf den ausgeglichenen Arbeitsmarkt abstellen,
sondern hat Rücksicht zu nehmen auf den effektiven Arbeitsmarkt im fraglichen Zeitpunkt in der
Nähe des Wohnortes der betreffenden Person.

Hier kommen neben dem immer wieder zentralen Integrationshemmnis des ungenügenden
mündlichen und schriftlichen Sprachvermögens und -verständnisses aufgrund der derzeitigen
gesetzlichen Regelung zusätzliche "importierte" Eingliederungshemmnisse (IV-fremde Faktoren
wie Alter, fehlende oder ungenügend verwertbare Ausbildung, fragliche Anwendbarkeit von Be-
rufserfahrung aus dem angestammten Bereich, fragliche persönliche Anpassungsfähigkeit) zum
Tragen.

Gerade Bürgerinnen und Bürger mit eher bildungsfernem Migrationshintergrund bedürfen dies-
bezüglich eines professionellen Eingliederungssupports, um das zur Verfügung stehende Ar-
beitsvermögen auf dem regionalen Arbeitsmarkt (wieder) verwerten zu können und so eine An-
rechenbarkeit von Einkommen zu ermöglichen bzw. die Nichtanrechenbarkeit eines hypotheti-
schen Einkommens wegen fehlender Vermittlungsfähigkeit möglichst zu verhindern (Art. 14a
ELV).
15/37

Um hier Einsparungen zu erzielen, könnte mithin als Basisinstrument auf den von der Fachstel-
le Integration entwickelten Katalog Integrationsmassnahmen (siehe Anhang 1) für vorläufig auf-
genommene erwachsene Personen sowie vorläufig aufgenommene und anerkannte erwachse-
ne Flüchtlinge im Kanton Thurgau zurückgegriffen und entsprechend der Zielsetzung angepasst
werden. Darauf aufbauend wären folgende Massnahmen zu ergreifen:

       Deutschkurse für Erwachsene mit Abschluss auf Niveau B1
       Qualifizierungs-, Bildungs-, Coaching-, Einsatzprogramme zur Ein- und Angewöhnung
       Probearbeiten und Begleitung on the job
       Nachbetreuung by the job

Das hierzu notwendige Case-Management könnte bei der Wohnsitzgemeinde, bei einer Institu-
tion für Arbeitsmarktintegration oder bei der Fachstelle Integration angesiedelt werden.
Unabhängig kantonaler Vorleistungen gewährt das Bundesamt für Migration (BFM) Beiträge,
um Projekte und kantonale Integrationsprogramme zu fördern. Die finanziellen Beiträge für kan-
tonale Programme werden vom BFM mit den Kantonen vertraglich vereinbart. Zusätzlich zu
diesen Einnahmen ist bei einer erfolgreichen Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen
mit einem grossen Einsparpotenzial zu rechnen. Eine Stichprobenanalyse und darauf gründen-
de Berechnungen haben ergeben, dass bei knapp 500 Personen Eingliederungspotenzial be-
steht. Geht man von der bei Arbeitsmarktintegration üblichen Erfolgsrate von 30 % und einer
durchschnittlichen monatlichen EL von Fr. 1’600 aus, ergeben sich potenzielle Einsparungen
von 3.2 Mio. Franken/Jahr. Zunächst müsste aber während zweier Jahre in die Eingliede-
rungsarbeit investiert werden. Rechnet man mit durchschnittlich 6 Monaten à Fr. 1’500, so müs-
sen 4.5 Mio. Franken investiert werden. Bereits im zweiten Jahr würde sich die Investition zu
rechnen beginnen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen leitet sich
aus der Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht ab (Art. 21 Abs. 4, Art. 28 und 43 Abs. 2
ATSG).

Empfehlung:

Auf diesem Hintergrund empfiehlt die Arbeitsgruppe dem Regierungsrat, das Mandat einer
Institution zur Arbeitsmarktintegration um den Auftrag der Integration von durch die EL-Stelle
gemeldeten EL-Bezügern und -Bezügerinnen zu erweitern und entsprechend zu finanzieren.

   4.2 Massnahmen in der Kompetenz des Kantons

   4.2.1 Kostendämpfung bei der Pflegeversorgung

Im Alterskonzept des Kantons Thurgau werden Leitlinien der ambulant und stationär wün-
schenswerten Entwicklung aus gesellschaftlicher Sicht aufgezeigt. Grundlage für die Sicherstel-
16/37

lung der effektiv regional notwendigen Altershilfe und -pflege wären lokal und regional durch die
Gemeinden zu entwickelnde Alterskonzepte. Im kantonalen Alterskonzept wird eine wettbe-
werblich organisierte Gesamtplanung postuliert. Mit genügend Pflegeheimplätzen (93 % Auslas-
tung) soll Wahlfreiheit bestehen und mit diesem Wettbewerb sollen die Gesamtkosten gedämpft
werden. Als wünschenswerter Standard werden Einerzimmer aufgeführt, da Mehrbettzimmer
kaum mehr belegt werden können. Der Raum- und Personalbedarf für Einerzimmer ist höher
als für Zweier- und Dreierzimmer. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Kosten der Heime aus,
womit ein Zielkonflikt zwischen Finanzierung und Leistungsanspruch entsteht. Zudem steigt die
Pflegebedürftigkeit der eintretenden Personen stetig an. Die Personaldotation und zeitliche Ab-
deckung mit Pflegepersonal muss der Pflegeintensität angepasst werden. Weiter steigt das Ein-
trittsalter und die Pflegeaufenthalte werden kürzer (1’000 Tage), aber kostenintensiver. Die Per-
sonalknappheit führt zu höheren Löhnen und damit höheren Beiträgen pro Leistungseinheit.

Das Gesundheitsamt (GA) zeigt auf (siehe Anhang 2), dass in den kommenden Jahren und
Jahrzehnten im Bereich der Pflegeversorgung ohne rechtzeitiges Gegensteuern mit einer mas-
siven Kostensteigerung gerechnet werden muss:
     Die demographische Entwicklung führt in den nächsten Jahren zu einer starken Zunah-
       me der Hochbetagten, aus denen sich die meisten Pflegebedürftigen rekrutieren.
     Mit dem Wachstum dieser Bevölkerungsgruppe einher geht die bevorstehende Zunahme
       an Demenz erkrankter Personen. Die Pflege und Betreuung dieser Personen ist auf-
       wändig und kostenintensiv.
     Der Anteil von Personen in Heimen wird steigen. Ende 2012 verfügte der Kanton Thur-
       gau über rund 2’900 Pflegeheimplätze; bis ins Jahr 2016 sind bereits 330 zusätzliche
       Pflegeheimplätze im Aufbau.
     Der Pflegeheim-Markt dehnt sich stark aus. Private Pflegeheimketten sind im Vor-
       marsch. Gemeinden ziehen sich zunehmend aus der Finanzierung, Eigentümerschaft
       und zur Verfügungstellung geeigneter, günstiger Standorte und Infrastrukturen zurück.
       Damit steigen die Tagestaxen.
     Kostentreiber bei Heimen sind die Personalkosten. Die jetzigen Stellenpläne wurden
       zwar in Zusammenarbeit mit dem Heimverband Curaviva Thurgau erstellt, es musste
       aber festgestellt werden, dass viele Heime die Richtwerte von sich aus teilweise massiv
       überschreiten. Die Personaldotation ist abhängig von den örtlichen Gegebenheiten, eine
       angemessene Pflege und Betreuung kann offenbar mit den Richtwerten vielfach nicht
       erreicht werden.
     Die Gemeinden haben einen grösseren Anteil an die ambulanten Pflegekosten zu leis-
       ten als an die stationären. Doch der stationäre Anteil (Beteiligung an der Pflegefinanzie-
       rung) wird auf Grund der Demographie stark steigen, sodass die Gemeinden ein Inte-
       resse an der Dämpfung dieses Wachstums haben.
     20 % der Pflegeheimplätze im Kanton Thurgau werden heute von Personen belegt, die 0
       bis 40 Minuten Pflege pro Tag brauchen. Dieser Aufwand wäre auch ambulant durch
       Spitex-Leistungen abdeckbar.

Die Qualitätsparameter für die Heime sind Mitte 2012 durch den Regierungsrat in Kraft gesetzt
worden. Die vorgegebenen Richtwerte werden durch die Heime jedoch mehrheitlich überschrit-
ten. Die Vorgaben werden mittels eines externen Projektes über die Jahre 2013 bis 2015 mit
anderen Kantonen verglichen und die Qualitätstreiber mit den zugehörigen Kosten herausgear-
beitet.
17/37

Der Trend, dass viele Pflegebedürftige bevorzugt in ein Einerzimmer wollen, obwohl diese teu-
rer sind als Zweierzimmer, führt zu einer Diskrepanz bei den EL-Bezügern und -Bezügerinnen
resp. zwischen dem Alterskonzept und der EL-Durchführung (Einer- / Zweierzimmer). Die EL
übernimmt im Grundsatz nur die Kosten der günstigsten Zimmerkategorie in einem Heim. Bietet
aber ein Heim ausschliesslich Einerzimmer an und keine Zweierzimmer, wird die Taxe trotzdem
übernommen, da es keine Alternative gibt.

Die Finanzierung der Pflegerestkosten erfolgt je hälftig durch Kanton und Gemeinden. Der Ge-
meindeanteil wird gemäss der Einwohnerzahl verteilt. Jene Gemeinden, die dank grossem En-
gagement im ambulanten Bereich für ihre Pflegebedürftigen das Kostenwachstum im stationä-
ren Bereich dämpfen, werden finanziell benachteiligt. Ein wichtiger Anreiz für die Förderung der
ambulanten Pflegeversorgung fehlt.

Damit die Kosten für die Pflegeversorgung, die auch die Kosten im Bereich Ergänzungsleistun-
gen stark beeinflussen, nicht ins Unermessliche wachsen, müssen frühzeitig
Massnahmen eingeleitet werden. Eine Entwicklung ist anzustreben, die die Demographie be-
rücksichtigt und dazu beiträgt, dass die Pflegeheimkosten nicht so stark wachsen. Auf diesem
Hintergrund ist zu prüfen, mit welchen Massnahmen die altersbedingte ambulante und stationä-
re Pflegeversorgung bei gleicher Qualität insgesamt kostendämpfender erfolgen kann, etwa
durch das Hinauszögern von Pflegeheimaufenthalten, sowie zu prüfen, mit welchen Massnah-
men im Pflegeheimbereich eine einheitliche Taxe eingeführt werden kann (Hotellerie, Eigenan-
teil an Pflege, Betreuungskosten).

Geeignete Massnahmen sind zum einen Anreize für die Gemeinden zur Stärkung der ambulan-
ten Pflegeversorgung. Dazu ist eine Verdeutlichung des gesetzlichen Auftrages notwendig, wo-
bei die Richtwerte für stationäre Pflegeheimplätze und die Berechnung der stationären Pflege-
kosten anzupassen resp. zu überprüfen sind (weg von der Pro-Kopf-Berechnung). Zum ande-
ren ist der Kanton gefordert. Er bewilligt Pflegeheimplätze auf Grundlage der Pflegeheimpla-
nung. Dabei berücksichtigt er die demographische Entwicklung. Im Gesundheitsgesetz sollen
die Gemeinden mit der regionalen Angebotssicherung von Pflegeheimplätzen beauftragt wer-
den. Die Verteilung der Pflegerestkosten sind im TG KVG zu regeln und die Anforderungen für
gesundheitspolizeiliche Bewilligungen für die Pflegeheime in den Weisungen des zuständigen
Departementes.

Über die Verkürzung der Aufenthaltsdauer in den Pflegeheimen ist langfristig mit einer Dämp-
fung der Entwicklung der Ergänzungsleistungen zu rechnen. Für eine Quantifizierung kann an-
genommen werden, dass die stationären EL-Kosten der beiden tiefsten Pflegestufen durch am-
bulante EL-Kosten substituiert würden. Die Berechnungen der EL-Stelle gehen von rund 150
Fällen in den Pflegestufen 1 und 2 aus, die länger zu Hause bleiben könnten und somit statt ei-
ner EL im Heim die EL zu Hause beanspruchen würden. Laut den Berechnungen (siehe An-
hang 3) würden die EL-Kosten um knapp 3 Mio. Franken sinken, würden jedoch zum Teil durch
höhere Krankheitskosten aufgewogen werden.
18/37

Empfehlung:

Für die Gemeinden sind Anreize zu schaffen:

       Neue Verteilung der stationären Kosten: Effektiv pro Gemeinde ausgewiesene Rest-
        finanzierung der Pflegekosten, gewichtet auf Grund eines Soziallastenausgleichs
        oder kombiniert mit einem Soziallastenausgleich. Dies ist mittels Revision des TG
        KVG zu realisieren, sinnvollerweise aber nur, wenn im Zuge der Aufgabenüberprü-
        fung an der subjektorientierten Subjektfinanzierung festgehalten wird.
       Verpflichtung der Gemeinden mittels Gesetz und Verordnung zu einer regionalen
        ambulanten und stationären Angebotssicherung unter Vorgabe von deutlich reduzier-
        ten kantonalen Bedarfswerten für die Gesamtzahl der Pflegeheimplätze.
       Verknappung der Pflegeheimplätze, um den Druck zur Bereitstellung ambulanter An-
        gebote aufrecht zu erhalten.
       Entsprechende Anpassungen sind im kantonalen Gesundheitsgesetz (regelt bisher
        nur die Verantwortlichkeiten in der Spitex) und im TG KVG (regelt die Finanzierung)
        vorzusehen.

Damit diese Massnahmen auf politischer Ebene Zustimmung erfahren, bedarf es vorgängig der
politischen Meinungsbildung. Dies kann geschehen durch das Erstellen eines Pflegeheimbe-
richts (durch GA aufgrund der Ergebnisse des externen Projektes), eines Gesundheitsberichtes
aufgrund der Gesundheitsbefragung der Bevölkerung und der Ergebnisse zum Projekt Via (Ge-
sundheitsförderung im Alter), da diese Berichte und Konzepte im Grossen Rat diskutiert wer-
den, bevor es zu gesetzgeberischen Arbeiten kommt. Die Berichte sollen 2014 - 2015 erarbei-
tet, 2016 diskutiert und in gesetzliche Form gegossen werden, damit sie ihre Wirkung ab dem
Jahre 2017 entfalten können. Die Totalrevision des Gesundheitsgesetzes wird allerdings
voraussichtlich deutlich früher behandelt. Sollte die Zuständigkeit der Gemeinden für die regio-
nale Koordination und Sicherung des Angebotes nicht aufgenommen werden, ist ein Moratori-
um der Pflegeheimliste auf dem Sollbestand 2015 in Erwägung zu ziehen.

Empfehlung:

Spitex, Nachbarschaftshilfe, Freiwilligenarbeit und Entlastungsdienste sind auszubauen:

       Analog zum vorliegenden Regelungsvorschlag in der IPV und den Public-Health-
        Aufgaben wird angeregt, dass die Altersdienstleistungen als Verbundaufgabe von
        Kanton und Gemeinden mitfinanziert werden, da volkswirtschaftlich hier sinnvoll in-
        vestiert wird, um an anderen Orten Kosten einzusparen bzw. die Kostenentwicklung
        zu dämpfen.

Da der politische Wille zum Ausbau der Spitex breit vorhanden ist, wenn der Bedarf evident ist,
gilt es, den Bedarf aufzuzeigen mittels oben stehenden Berichten und daraus folgenden Infor-
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mationskampagnen. VTG und Spitex Verband Thurgau sollten dies mit allfälliger Moderation
des GA im gleichen Zeitraum wie oben erwähnt angehen.

Empfehlung:

Es sollen im Pflegeheimbereich einheitliche Taxen eingeführt werden:

       Im Bereich EL anstelle einer Tagestaxlimitierung (Hotellerie, Betreuung und Eigenan-
        teil) auf eine Limitierung der Hotellerie und eine Limitierung der Betreuung sowie des
        vorgegebenen Eigenanteils der Pflege umschwenken.

Hierzu muss eine Verordnungsänderung auf 2014 hin entworfen werden auf Grund von Be-
rechnungen des GA und des AAI mit anschliessender Besprechung mit dem VTG.

   4.2.2 Kostendämpfung bei EL für IV-Rentner und -Rentnerinnen

Die Zusammenarbeit zwischen dem kantonalen Fürsorgeamt und dem AAI im Bereich der Er-
gänzungsleistungen ist auf Effizienz und Effektivität der eingesetzten Mittel ausgerichtet. Grös-
sere Abstriche im Leistungskatalog des kantonalen Fürsorgeamtes oder der EL-Stelle würden
automatisch zu Kostenumschichtungen führen. In kleinen Teilbereichen können Massnahmen
zu einer Dämpfung des Kostenwachstums beitragen, allerdings nicht auf Ebene Kanton, son-
dern auf Ebene Bund:

       Der Assistenzbeitrag der IV soll auch auf Familienangehörige ausgeweitet werden kön-
        nen. Dazu ist eine Anpassung bei der IV-Gesetzgebung durch das Bundesparlament
        notwendig. Ein entsprechender Vorstoss ist dort hängig. Mit dem Assistenzbeitrag wird
        Behinderten ermöglicht, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und zu Hause zu leben.
        Die Zahl der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner wird damit beeinflusst.
       Neu soll Art. 11 Abs. 3 Bst. d ELG aufgehoben werden, d.h. die Hilflosenentschädigun-
        gen (HE) als Ersatzeinkommen gelten und als anrechenbare Einnahmen in Art. 11 Abs.
        1 Bst. d ELG überführt werden. Damit wird die HE als Einkommensbestandteil ange-
        rechnet, wodurch sich der EL-Anspruch reduziert. Dazu ist eine Anpassung bei der EL-
        Gesetzgebung durch das Bundesparlament notwendig (siehe Anhang 4).

Nach Auskunft des kantonalen Fürsorgeamtes beziehen 400 in Heimen betreute Personen HE
im Thurgau im Umfang von Fr. 1’449’707/Jahr. Damit diese Kosten nicht in die Betriebsbeiträge
des Fürsorgeamtes verschoben werden, müssten die Tagestaxbegrenzungen entsprechend
angepasst werden. Die Berechnungen der EL-Stelle (siehe Anhang 3) für zu Hause lebende
Personen beruhen auf 205 Fällen. Diese würden Einsparungen von Fr. 158’224 generieren,
wenn die HE als Ersatzeinkommen angerechnet würden.
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 Empfehlung:

 Auf den Bund ist einzuwirken, dass die EL-Gesetzgebung angepasst wird, damit die HE neu
 als anrechenbares Einkommen gelten.

   4.3 Massnahmen in der Kompetenz des Bundes

   4.3.1 Begrenzung finanzieller Umfang der EL

Unter gewissen Umständen erhalten die EL auf Grund der heutigen gesetzlichen Systematik ei-
nen Umfang, der das von der betroffenen Person bisher erzielte Gesamteinkommen übersteigt:

       Bis zu einem Einkommen vor Invalidität von Fr. 60’000 resp. 80’000 pro Jahr für einen
        IV-Bezüger oder eine IV-Bezügerin mit unterstützungspflichtigen Kindern sind die Er-
        satzraten danach zusammen mit der EL höher als das Einkommen vor Invalidität.

Um zu verhindern, dass die Ersatzraten höher sind als das Einkommen vor Invalidität, müsste
für Nichtheimbewohner eine Plafonierung der EL eingeführt werden. Eine solche Regelung be-
stand bereits. Bis zum 31. Dezember 2007 war die maximal mögliche Ergänzungsleistung für
zu Hause wohnende Personen plafoniert:

       Art. 3a Abs. 2 ELG (alt): „Der Jahresbetrag der jährlichen Ergänzungsleistung darf im
        Kalenderjahr das Vierfache des jährlichen Mindestbetrages der einfachen Altersrente
        nach Artikel 34 Absatz 5 AHVG nicht übersteigen. Besteht der Anspruch auf Ergän-
        zungsleistungen nicht während eines ganzen Jahres, so ist der Höchstbetrag nach
        Massgabe der Anspruchsdauer zu begrenzen.“
       Art. 26a ELV (alt): „Der Höchstbetrag der jährlichen Ergänzungsleistungen (Art. 3a Abs.
        2 und 3 ELG) kann um den jährlichen Pauschalbetrag für die obligatorische Kranken-
        pflegeversicherung nach Artikel 3b Absatz 3 Buchstabe d ELG überschritten werden“.

Von der Wiedereinführung einer Plafonierung müssten aber die im Heim wohnenden Personen
ausgenommen werden. Denn eine Plafonierung der EL für im Heim wohnende Personen ist
nicht notwendig, da in § 6 TG ELV der Steuerungsmechanismus gegeben ist. In der Regel ist
der Heimaufenthalt nicht steuerbar/beeinflussbar.

Mit der Einführung der altrechtlichen Plafonierung sollte in der Regel für zu Hause wohnende
Personen keine Sozialhilfeabhängigkeit entstehen (ausgenommen Verzichtsvermögen, Ver-
zichtseinkommen, hypothetische Erwerbseinkommen, Vorbezugskürzungen/Kapitalvorbezug
AHV + BV).
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Die gesetzlichen Anpassungsvorschläge sind im Anhang 5 ersichtlich.

Es handelt sich hierbei um einzelne Fälle, die aber zum Teil zu sehr stossenden Ergebnissen
führen. Die uns bekannten zehn Fälle würden zu jährlichen Einsparungen von knapp
Fr. 100’000 führen (siehe Anhang 3).

Empfehlung:

Auf den Bund ist einzuwirken, dass die EL-Gesetzgebung angepasst wird, damit der finanzi-
elle Umfang der EL begrenzt werden kann mittels Plafonierung der EL für zu Hause woh-
nende Personen.

   4.3.2 Vorsorgekapital und Vorsorgefähigkeit

Art. 111 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV) verlangt vom Bund, dafür zu sorgen, dass die eid-
genössische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die berufliche Vorsorge
ihren Zweck dauernd erfüllen können. Dabei hat er nach Art. 113 Abs. 2 Bst. a BV den Grund-
satz zu beachten, dass die berufliche Vorsorge zusammen mit der AHV und IV die Fortsetzung
der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglicht. Mit anderen Worten will Art.
113 BV mit der beruflichen Vorsorge einzig und allein die Altersvorsorge sicherstellen und we-
der die selbstständige Erwerbstätigkeit noch den Erwerb von Wohneigentum fördern.

Gemäss Art. 6 BV nimmt jede Person für sich selber Verantwortung wahr und trägt nach ihren
Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei. Übertragen auf die Vor-
sorge heisst dies, dass durchaus Massnahmen zumutbar sind, die Fehlanreize ausmerzen
und/oder den Bürger anhalten, die Auswirkungen seiner finanziellen Entscheide auf seine Al-
tersvorsorgeansprüche gut abzuwägen und sich der möglichen finanziellen Nachteile im Ren-
tenalter bewusst zu werden. Zudem weiss man, dass die hohen kombinierten Ersatzraten aus
der ersten und zweiten Säule die Sparanreize für alle Versicherten von kleineren und mittleren
Einkommen schon ohne die Möglichkeit von EL reduzieren. Viele dieser Personen werden ver-
mutlich eher sparen, wenn sie mit empfindlichen Einbussen des Lebensstandards bei der Pen-
sionierung rechnen müssen.

Nichtsdestotrotz kommt es immer häufiger vor, dass EL an Personen ausgerichtet werden müs-
sen, weil diese ihr Vorsorgekapital vor oder bei der Pensionierung so stark reduziert haben,
dass sie früher oder später auf EL angewiesen sind. Zum anderen gibt es einen Personenkreis,
der nicht genügend Vorsorgekapital hat aufbauen können, um im Alter aus eigenen Mitteln sei-
nen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Zur Wahrung des Vorsorgekapitals für das Alter sind darum folgende Massnahmen zu er-
wägen:
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