Maulkörbe als Mittel zur Bissprävention - Geschichte, Maulkorbpflicht, Tierschutz- und Sicherheitsaspekte
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) Ethik- und Tierschutzkommission1 der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Informations- und Dokumentationsstelle für Tierschutz- & Veterinärrecht2 und Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung3, Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinär- medizin, Veterinärmedizinische Universität Wien; Stabsstelle für Qualitätsentwicklung, Evaluierung und strategische Projekte4 der Veterinärmedizinischen Universität Wien; Tierärztliche Praxis für Ver- haltensmedizin, Hamburg5 Maulkörbe als Mittel zur Bissprävention – Geschichte, Maulkorbpflicht, Tierschutz- und Sicherheitsaspekte S. Chvala-Mannsberger1*, M. Forster4, B. Schöning5 und R. Binder1,2,3 Eingelangt am 29. November 2022 Angenommen am 9. Jänner 2023 Veröffentlicht am 10. Februar 2023 Schlüsselwörter: Hunde, Maulkorb, Beißvorfälle, Keywords: dogs, muzzle, dog bites, safety, legislation, Sicherheit, Gefahrenhundegesetzgebung, Tierschutz. dog welfare. Zusammenfassung Summary Eine historische Betrachtung der Entwicklung von Muzzles as a means of bite prevention – history, Maulkörben zeigt, dass die im geltenden Tierschutz- legislation, welfare and safety aspects und Sicherheitspolizeirecht verankerten Anforderungen an dieses Hilfsmittel bereits zu Beginn des 20. Jh. the- A historical review of the development of muzzles matisiert wurden. Da Maulkörbe als wirksames Mittel shows that the requirements for these devices, which zur Bissprävention gelten, ordnen die sicherheits- are anchored in modern animal protection and securi- polizeilichen Bestimmungen z.T. sehr weitreichende ty police law, were discussed as early as the beginning Verpflichtungen an, Hunde im öffentlichen Raum mit of the 20th century. As muzzles are regarded as a safe Maulkörben zu versehen. Ziel dieser Studie war es, ers- means of preventing bites, security police legislation te Informationen über Probleme im Zusammenhang imposes far-reaching obligations on muzzles for dogs mit der Sicherheit von Maulkörben bzw. einzelnen in public spaces. We have collected initial information Maulkorbtypen zu erheben. on problems related to the safety of muzzles or individ- In einer 2022 durchgeführten Umfrage unter ual muzzle types. Hundetrainern und Tierärzten in Österreich und In 2022, we conducted a survey of dog trainers and Deutschland wurden Informationen über Vorfälle er- veterinarians in Austria and Germany to gather infor- hoben, in welchen maulkorbtragende Hunde eine mation on incidents in which muzzled dogs caused a (Biss-)Verletzung verursacht haben. Weiters wurden (bite) injury. We also collected information on the pop- Informationen darüber erhoben, wie beliebt verschiede- ularity of certain muzzle types among dog owners and ne Maulkorbtypen bei Hundehaltern sind und wie häufig on the recommendations of different muzzle types by sie von Hundetrainern empfohlen werden. dog trainers. Es wurde über 63 Vorfälle mit maulkorbtragenden There have been 63 reported incidents involving Hunden berichtet, die zu einem Biss oder einer sons- muzzled dogs that resulted in a bite or other injury to a tigen Verletzung eines Menschen oder eines anderen human or other animal. During the (biting) incident, the Tieres geführt haben. Während des (Beiß-)Vorfalls tru- dogs wore muzzles made of biothane (27 %), leather gen die Hunde Maulkörbe aus Biothane (27 %), ge- (25.4 %), metal (22.2 %) or hard plastic (9.5 %). More folgt von Maulkörben aus Leder (25,4 %), aus Metall than 60% of bite injuries with muzzles made of bio- *E-Mail: sonja.chvala@vetmeduni.ac.at 1 /20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) (22,2 %) oder Hartplastik (9,5 %). Die Bissverletzungen thane and hard plastic led to perforation of skin and mit Perforation von Haut oder auch tieferliegender tissue, while more than 50 % of injuries with muzzles Gewebeschichten lagen bei Maulkörben aus Biothane made of leather had no tissue perforation. Bites with und Hartplastik bei über 60 %, während bei Maulkörben muzzles made of metal generally (78.6 %) resulted aus Leder Verletzungen ohne Gewebeperforation in impact injuries. At initial consultations, dog owners in über 50 % überwogen und Maulkörbe aus Metall mostly used muzzles made of hard plastic, followed überwiegend zu Schlagverletzungen (78,6 %) führten. by muzzles made of biothane or metal. Dog trainers Hundehalter verfügten bei Erstkonsultationen meist recommended muzzles made of biothane, followed by über Maulkörbe aus Hartplastik, gefolgt von Maulkörben muzzles made of metal or hard plastic. aus Biothane und Metall. Die Hundetrainer empfeh- The results show that the safety of individual muzzle len bevorzugt Maulkörbe aus Biothane, gefolgt von types is sometimes overestimated, as muzzle-wear- Maulkörben aus Metall und Hartplastik. ing dogs can also cause bite injuries and there are dif- Die hier vorgestellte Studie hat gezeigt, dass die ferences between the muzzle types with regard to the Sicherheit einzelner Maulkorbtypen z.T. überschätzt severity of (bite) injury. Our results suggest that mesh wird, da Hunde trotz Maulkorbes Bissverletzungen muzzles made of metal should be recommended for verursachen können und auch im Hinblick auf den dogs with a body weight of approx. 20 kg or more. Schweregrad einer (Biss-)Verletzung Unterschiede zwi- schen verschiedenen Maulkorbtypen bestehen. Nach den Ergebnissen dieser Studie sollten für Hunde mit einem Körpergewicht ab ca. 20 kg Gittermaulkörbe aus Metall empfohlen werden. Abkürzungen: 2. ThVO = 2. Tierhaltungsverordnung; APA = Austria Presseagentur; APA-OTS = APA-Originaltextservice; B = Burgenland, burgen- ländisches; BHV = Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater; B-VG = Bundes-Verfassungsgesetz; DSG = DatenschutzG; DSGVO = Datenschutz-Grundverordnung; G = Gesetz, -es; GTVMT = Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie; iVm = in Verbindung mit; K = Kärnten, Kärntner; K- LSiG = Kärntner LandessicherheitsG; KGW = Körpergewicht; LG = Landesgesetz; LGBl. = Landesgesetzblatt; MK = Maulkorb, -es, Maulkörbe, -n; NÖ = Niederösterreich, niederösterreichisch, -es; OÖ, Oö = Oberösterreich, oberösterreichisch, -es; S = Salzburg, Salzburger; St = Steiermark, steiermärkisch, -es; StLSG = Steiermärkisches Landes-SicherheitsG; T = Tirol, Tiroler; TierSchG = deutsches Tierschutzgesetz; TSchG = österreichisches Tierschutzgesetz; TVT = Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz; V = Vorarlberg, -er; VO = Verordnung; W = Wien; Wr. = Wiener. Einleitung und Fragestellungen Tollwut durch einen Hundebiss eine weitere Gefahr für den Menschen dar (De Nardo et al. 2018; Dhayhi et al. Die Partnerschaft zwischen Mensch und Hund gilt 2019). Das Risiko, von einem Hund gebissen zu wer- als einzigartig, wird weithin als Bereicherung des den, ist bei Angehörigen bestimmter Berufsgruppen menschlichen Lebens betrachtet und als Geschenk (z.B. Tierärzte, Tierpfleger und Jäger) besonders der Evolution bezeichnet (Pörtl & Jung 2014). hoch; sie werden überwiegend im Bereich der obe- Manche Verhaltensforscher halten es in Anbetracht ren oder unteren Extremitäten verletzt (Jacobs 2013; der Besonderheiten dieser Beziehung sogar für „un- Owczarczak-Garstecka et al. 2019). Andererseits passend, Hunde als Tiere zu bezeichnen“ (Kotrschal laufen vor allem Kinder Gefahr, von Hunden gebis- 2016). Trotz dieser außerordentlich positiven und sen zu werden; ihre Verletzungen sind überwiegend wohl auch etwas überspitzten Beschreibung der im Bereich des Kopfes und des Nackens zu finden Mensch-Hund-Beziehung sorgten Konflikte zwischen (Touré et al. 2015; Sarcey et al. 2017; Essig et al. Mensch und Hund in den letzten Jahrzehnten zu einer 2019) und ziehen häufig auch eine Beeinträchtigung Polarisierung der Gesellschaft und in der Folge auch der psychischen Gesundheit nach sich (Peters et al. zu einer Verschärfung der sicherheitspolizeilichen 2004; De Young et al. 2016). Am häufigsten betrof- Hundegesetzgebung. Dabei liegt der Fokus häufig fen sind Jungen im Alter von 0–9 Jahren (Weiss et auf bestimmten Hunderassen (Ó Súilleabháin 2015; al. 1998; Overall & Love 2001; Matthias et al. 2015). Nilson et al. 2018), obwohl die Rechtfertigung rasse- Auch nach Rothe et al. (2015) sind 2/3 der Opfer von spezifischer Maßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht Hundebissverletzungen Kinder und Jugendliche, wobei zu bezweifeln ist (Collier 2006; Ott et al. 2008; Overall das männliche Geschlecht im Verhältnis 2:1 dominiert. 2010; Creedon & Ó Súilleabháin 2017; Hammond et Über die Gründe für den Umstand, dass männliche al. 2022). Kinder häufiger von Hunden gebissen werden, können Die Ursache für derartige legistische Maßnahmen nur Mutmaßungen angestellt werden: Die höhere Zahl waren und sind Beißvorfälle, die zu Verletzungen führ- der männlichen Opfer wurde einerseits mit ihrer größe- ten und in einigen Fällen auch letal endeten (Sacks et ren Bereitschaft zur offensiven Annäherung an Hunde al. 1996; Reuhl et al. 2001; Binder & Affenzeller 2019). begründet und andererseits darauf zurückgeführt, Neben Wundinfektionen stellt die Übertragung der 2 / 20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) dass viele Jungen sich eher einen Hund als eine Katze Sammlung von Schriften der von Zarathustra (7.–6. Jh. wünschen (Parrish et al. 1959). v. Chr.) gegründeten Religion des Zoroastrismus. In Hundebisse sind zum überwiegenden Teil Folgen dieser Überlieferung wird ein MK beschrieben als „[...] eines menschlichen Fehlverhaltens im Rahmen einer a piece of shaped wood [that] is attached to the col- direkten Interaktion mit dem Hund im vertrauten lar [of a biting dog] to which the jaws are tied; the pie- Lebensumfeld des Hundes (Parrish et al. 1959; Overall ces of wood on each side are joined together“ (Blancou & Love 2001). Nach Overall und Love (2001) werden 1994). Diese Vorrichtung wurde vor allem bissigen und Kinder im Alter von 5–9 Jahren gehäuft gebissen, weil aggressiven Hunden angelegt, welche möglicherweise sie versuchen, das eigene Umfeld zu kontrollieren und an Tollwut litten. (noch) nicht in der Lage sind, die Grenzen zwischen Obwohl der MK auch in der Griechisch-Römischen Spiel und Ernst zu erkennen; eine weitere Ursache ist Antike bekannt war, fand er im neuzeitlichen Europa mangelnde Aufsicht durch Erwachsene (Arhant et al. erst ab dem 18. Jh. größere Verbreitung (Théodoridès 2016). & Lépine 1986 zit. n. Blancou 1994). Die rechtlich an- Jacobs (2013) wies darauf hin, dass der beste Schutz geordnete Maulkorbpflicht geht auf das Ende des 19. vor Tierbissen darin besteht, diese durch entspre- bzw. den Anfang des 20. Jh. zurück und diente primär chende Verhaltensweisen zu vermeiden; dazu zählen dem Schutz der Bevölkerung vor der Ausbreitung der die Fähigkeit, tierartspezifisches Ausdrucksverhalten Tollwut (Blancou 1994; Kurosawa et al. 2017). richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagie- Bereits Schaub et al. (1913) wiesen darauf hin, dass ren, das sichere Fixieren der Tiere durch qualifiziertes es der MK dem Hund ermöglichen muss, Ober- und Personal sowie das rechtzeitige Ergreifen von Schutz- Unterkiefer so zu bewegen, dass er Nahrung und und Zwangsmaßnahmen, wie etwa das Anlegen eines Wasser aufnehmen, jedoch niemanden beißen kann. Maulkorbes (MK). Gleichzeitig gehen die Autoren jedoch davon aus, dass Nach einem Fokusbericht über Beißunfälle mit 75 % aller mit MK versehenen Hunde zubeißen kön- Kindern (Spitzer & Till 2019) werden in Österreich jähr- nen, weil der korrekte Sitz des MK nicht kontrolliert lich rund 650–800 Kinder von Hunden gebissen, was wird und tollwütige Hunde den MK abstreifen. etwa 20 % aller in Österreich registrierten Beißvorfälle Bereits zu Beginn des 20. Jh. wurden verschiedene entspricht. Zwischen 2006 und 2018 wurden zwei Typen von MK patentiert. Ein von Dusenbury (1907) Kinder von Hunden tödlich verletzt, was zu einer öster- konstruierter MK bestand aus Drähten, die durch reichweiten Diskussion über strengere Bestimmungen einen über den Nasenrücken verlaufenden Steg aus zur Abwehr von Gefahren durch Hunde und zu einer leichtem Metall zusammengehalten wurden. Die spu- Verschärfung der Hundehaltegesetze in Wien und lenartige Eindrehung des Drahtes vor der Nase soll- Niederösterreich führte (APA-OTS 2018; Binder & te den Hund laut Patentbeschreibung daran hindern, Affenzeller 2019). Da der MK als zuverlässigstes Mittel diese aus dem MK zu drücken. Schaub et al. (1913) zur Bissprävention gilt, wurde in einigen Bundesländern beschrieben einen ähnlichen MK, wobei erste Ansätze insbesondere die Maulkorbpflicht ausgeweitet, was zur Verbesserung des Schutzes der Hunde erkenn- unter Tierschutzaspekten jedenfalls dann problema- bar sind: Die Autoren betonten, dass das Halsband tisch ist, wenn keine Möglichkeit besteht, die generelle eines MK nicht aus einem Metallreifen, sondern aus Verpflichtung zum Tragen eines MK im Einzelfall – z.B. einem Riemen bestehen soll; auch anstelle der über durch das Absolvieren einer Prüfung zum Nachweis Stirn und Nase verlaufenden Metallschiene wurde der Sozialverträglichkeit des Hundes – zu lockern (vgl. ein Riemen empfohlen. Stevens (1915) verfolgte den dazu den Abschnitt: Die Maulkorbpflicht – Aspekte des Tierschutzaspekt weiter und entwickelte einen MK, der Tierschutzes und der Gefahrenabwehr). einerseits an die Nasenlänge des Hundes angepasst Da der MK in der Hundehaltung unverzichtbar ist, soll werden konnte und andererseits den Tragekomfort diese Arbeit zunächst einen Einblick in die Entwicklung durch die Verwendung von Leder oder anderen wei- dieses Hilfsmittels geben und einen Überblick über die chen Materialien zur Fertigung der über die Stirn und rechtlichen Vorgaben für die Verwendung von MK ver- den Nasenrücken verlaufenden Riemen erhöhen mitteln. Schließlich werden verschiedene Arten han- sollte. delsüblicher MK unter Sicherheitsaspekten beleuchtet; Rexicker (1910) ließ einen starren Ring als zu diesem Zweck wurden einschlägige Erfahrungen Maulkorbvariante patentieren; er sollte dem Hund über von Tierärzten und Hundetrainern mittels eines den Fang geschoben werden, wobei eine mit einer Fragebogens erhoben und ausgewertet. Trense vergleichbare Querstange zwischen Ober- und Unterkiefer hinter den Eckzähnen platziert wurde. Der Der Maulkorb als Präventivmaßnahme gegen Durchmesser des Ringes sollte so gewählt werden, Hundebisse – historische Aspekte dass die Aufnahme von Futter und Wasser möglich war, jedoch keine Bissverletzungen verursacht werden Frühe Maulkorbtypen konnten. Der erste Beleg einer Empfehlung, Hunde mit MK zu Williams (1916) ließ einen Maulkorbtyp für brachy- versehen, stammt aus der altpersischen Avesta, einer cephale Hunde patentieren. Es handelte sich um eine 3 /20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) Tab. 1: Sicherheitspolizeirechtliche Vorschriften zur Haltung von Hunden – Art Gurtzeug, wobei ein am Nackenband ange- Rechtsgrundlagen und Fundstellen / Dog-specific security police legislation – brachtes Mittelband über den Kopf des Hundes Legal sources and references führte und sich auf Höhe der Stirn gabelte, so- dass jeweils ein Band links und rechts zwi- Bundesland / Fundstellen Hunde- Rasseliste schen Nase und Augen, um die Mundwinkel Gesetz bzw. Tierhaltung und unterhalb des Kinns verlief, wo die Bänder B LandessicherheitsG 3. Abschnitt, §§ 15–27 – durch einen Querriemen verbunden waren. K LandessicherheitsG 2. Abschnitt, §§ 6–17 – Das Prinzip dieses MK bestand darin, dass der Unterkiefer nicht nur am Oberkiefer, sondern NÖ HundehalteG ja auch am Schädel des Hundes fixiert wurde. OÖ HundehalteG 2002 – Moderne Maulkorbtypen S LandessicherheitsG 2. Abschnitt, §§ 16a–24 – Nach der Form können heute grundsätz- St Landes-SicherheitsG § 3b – lich zwei Typen von Beißsicherungen unter- T Landes-PolizeiG 2. Abschnitt, §§ 6–8 – schieden werden, nämlich der MK und die Maulschlaufe, wobei letztere lediglich zur kurz- V Landes-SicherheitsG 2. Abschnitt, §§ 3–6 ja fristigen Sicherung des Hundes (z.B. während W Wr. TierhalteG §§ 5-6; § 8a ja einer tierärztlichen Untersuchung) verwendet werden darf. MK unterscheiden sich vor allem durch die verwende- Maulkorbpflicht ten Materialien, wobei in den letzten Jahren eine deut- liche Erweiterung der Produktpalette zu verzeichnen MK und Leine sind nach dem Sicherheitspolizeirecht ist. Während zur Herstellung von MK traditionell Metall, unverzichtbare Hilfsmittel, um Personen, aber auch Hartplastik oder Lederriemen verwendet werden, sind andere Tiere vor (Biss-)Verletzungen durch Hunde zunehmend auch MK aus weichen Kunststoffen wie zu schützen. Alle sicherheitspolizeilichen Vorschriften Biothane (einem mit verschiedenen Kunststoffarten ordnen daher eine mehr oder weniger weitreichen- ummantelten Polyestergewebe) oder sogar Silikon an- de Maulkorbpflicht für Hunde an, wobei zwischen zutreffen, die einen höheren Tragekomfort verspre- den für alle Hunde geltenden Bestimmungen („all- chen, unter dem Aspekt der Sicherheit jedoch zu hin- gemeine Hundegesetzgebung“) und weitergehen- terfragen sind. den Anforderungen zu unterscheiden ist, die nur auf vermeintlich oder tatsächlich gefährliche Hunde Die Maulkorbpflicht: Aspekte des Tierschutzes Anwendung finden („Gefahrenhundegesetzgebung“) und der Gefahrenabwehr (Binder & Affenzeller 2019). Für Hunde, von welchen keine besondere Gefahr Nach dem Sicherheitspolizeirecht müssen Tiere so ausgeht, besteht an öffentlichen Orten im Ortsgebiet gehalten, verwahrt und beaufsichtigt werden, dass MK- oder Leinenpflicht (vgl. z.B. § 8 Abs. 3 NÖ dritte Personen und z.T. auch andere Tiere weder zu HundehalteG; § 6 Abs. 1 Oö HundehalteG; § 3b Abs. Schaden kommen noch belästigt werden. Im Hinblick 3 StLSG; § 5 Abs. 1 Wr. TierhalteG). An bestimm- auf Hunde sind diese Anforderungen insofern von be- ten Orten bzw. unter bestimmten Umständen – ty- sonderer Bedeutung, als sie sich regelmäßig im öffent- pischerweise in öffentlichen Verkehrsmitteln und lichen Raum aufhalten. Je restriktiver die sicherheits- bei Menschenansammlungen – wird auch für diese polizeirechtlichen Anforderungen an die Sicherung Hunde MK- und Leinenpflicht angeordnet (vgl. z.B. sind, umso tiefgreifender können sie die Lebensqualität § 8 Abs. 5 NÖ HundehalteG; § 6a Abs. 2, 2. Satz T und das Wohlbefinden der Hunde einschränken. Landes-PolizeiG). Die für den Umgang mit Tieren geltenden Für verschiedene Gruppen sog. „Gebrauchshunde“ Sicherungspflichten („Gefahrenabwehr“) zählen zu sind in allen Bundesländern während ihres Einsatzes den Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei und z.T. auch im Rahmen ihrer Ausbildung Ausnahmen (Art. 15 Abs. 2 B-VG), die in Gesetzgebung und von der MK- und/oder Leinenpflicht vorgesehen (vgl. Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fallen (Art. z.B. § 8 Abs. 4 K- LSiG; § 8 Abs. 8 NÖ HundehalteG; 15 Abs. 1 B-VG); die landesgesetzlichen Vorschriften § 3b Abs. 6 StLSG; § 5 Abs. 6 Wr. TierhalteG). Das können zudem durch Regelungen auf kommunaler Oö HundehalteG befreit zudem Kleinsthunde, die auf Ebene ergänzt werden. In der Mehrzahl der österrei- dem Arm oder in einem Behältnis getragen werden, chischen Bundesländer findet sich die sicherheitspoli- von der Maulkorbpflicht und berücksichtigt darüber hi- zeiliche Hundegesetzgebung im jeweiligen Landes- naus das individuelle Schutzbedürfnis gesundheitlich Sicherheits- oder Landes-PolizeiG, in den übrigen beeinträchtigter Hunde, indem es Tiere, welchen das Bundesländern wird sie durch Tier- oder HundehalteG Tragen eines MK aufgrund chronischer und irrever- geregelt. Derzeit gilt in drei Bundesländern eine sibler Atembeschwerden nicht zumutbar ist, von der Listenhundegesetzgebung (vgl. Tab. 1). Maulkorbpflicht ausnimmt, sofern ein entsprechendes 4 / 20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) tierärztliches Attest mitgeführt wird (§ 6 Abs. 6 Oö Obwohl in der Befragung von Arhant et al. (2021) vor HundehalteG). allem MK aus Biothane, Hartplastik oder Metall verwen- Was die Regelungen der Gefahrenhundegesetz- det wurden, berichteten 28,7 % der Hundehalter über gebung betrifft, so wurde die Sicherungspflicht für Probleme mit dem Sitz des MK. Aber auch bei optimaler Listenhunde und auffällig gewordene Hunde in den letz- Passform und fachgerechtem Maulkorb-Training (TVT ten Jahren verschärft. Für diese Gruppen von Hunden 2018) „behindert der MK die Mimik, das Schnüffeln, besteht an öffentlichen Orten im Ortsbereich z.T. MK- das Hecheln und damit auch die Thermoregulation und Leinenpflicht (§ 8 Abs. 4 NÖ HundehalteG; § 6 des Hundes, er macht außerdem die artgemäße Abs. 1a Oö HundehalteG; § 5a Abs. 12 Wr. TierhalteG). Kommunikation mit Artgenossen unmöglich, behin- Bissige Hunde, d.s. solche die – unabhängig vom si- dert das Erkundungsverhalten und führt nicht selten tuativen Kontext – bereits „einmal einen Menschen zu Aggressionssteigerungen im häuslichen Bereich“ oder einen Artgenossen gebissen“ haben oder von (Hirt et al. 2016). Zudem ist zu bedenken, dass läufige denen „auf Grund ihrer Aggressivität eine Gefahr für Hündinnen durch den MK an der Ausübung ihres ver- die Sicherheit von Menschen oder anderen Hunden stärkten Putzdranges gehindert werden. Das Tragen ausgeht“, müssen in W an öffentlichen Orten im- eines MK kann daher durchaus als „schwere Belastung mer einen MK tragen (§ 2 Abs. 3 iVm § 5 Abs. 3 Wr. für Hund und Halter“ (Hirt et al. 2016) bezeichnet wer- TierhalteG). Listenhunde mussten vor der Novellierung den. Zwar können Hunde an das stressarme Anlegen des Wr. TierhalteG durch LGBl. Nr. 12/2019 bis zur und Tragen eines MK gewöhnt werden, doch kann Absolvierung des verpflichtenden Hundeführscheins die Aussage, wonach Hunde einen passenden MK mit einem MK versehen werden; seit 19.02.2019 gilt für nach entsprechendem Training gerne tragen würden Listenhunde an öffentlichen Orten auch nach Erwerb (Fachstelle 2018), nicht nachvollzogen werden. des verpflichtenden Hundeführscheins generell Leinen- und Maulkorbpflicht (§ 5a Abs. 12 Wr. TierhalteG). Seit Beschaffenheit von Maulkörben 15.10.2022 gilt die Maulkorbpflicht erst ab dem vollende- ten 6. Lebensmonat des Hundes; weiters sind nach der Die Beschaffenheit von MK ist sowohl unter dem novellierten Fassung des Wr. TierhalteG Hunde, die eine Aspekt des Tierschutzes als auch im Hinblick auf ihre einmalige Therapiebegleithundeprüfung gem. § 39a des Sicherheit zu beurteilen. BundesbehindertenG erfolgreich absolviert haben (§ 5a Die Passform des MK stellt einen zentralen Abs. 12a Wr. TierhalteG idF LGBl. Nr. 40/2022), von Aspekt seiner Tierschutzkonformität dar. Nach der 2. der Maulkorbpflicht befreit. Obwohl es sich bei der Ge- Tierhaltungsverordnung (2. ThVO), Anlage 1, Abschnitt fährlichkeit von Listenhunden um eine wissenschaft- 1., 1.1. (6) müssen MK „[...] der Größe und Kopfform des lich nicht hinreichend abgesicherte Annahme handelt Hundes angepasst und luftdurchlässig sein; sie müs- und Hunde z.T. auch dann als auffällig eingestuft wer- sen dem Hund das Hecheln und die Wasseraufnahme den können, wenn ihre Reaktion auf menschliches ermöglichen.“ Vereinzelt finden sich diesbezügliche Fehlverhalten (z.B. auf eine Provokation) zurückzufüh- Anforderungen auch im Sicherheitspolizeirecht (vgl. ren ist, müssen diese Hunde in einigen Bundesländern § 6 Abs. 6, 2. Satz Oö HundehalteG; § 5 Abs. 5 Wr. in der Öffentlichkeit grundsätzlich lebenslang einen MK TierhalteG). tragen, was die Frage nach der Tierschutzrelevanz die- Unpassende, vor allem zu enge MK können nicht ser Maßnahme besonders dringlich erscheinen lässt. nur scheuern und schmerzhafte Druckstellen oder Verletzungen verursachen, sondern den Hund z.B. Tierschutzrelevanz auch bei der Atmung, beim Hecheln sowie bei der Wasseraufnahme behindern; solche MK sind somit tier- Das Tragen eines MK kann zu Einschränkungen schutz- und rechtswidrig. natürlicher Verhaltensweisen führen. Eine, aller- Unter Sicherheitsaspekten muss ein MK so beschaffen dings mit einer als „Antibellmaulkorb“ bezeichneten und am Kopf des Hundes befestigt sein, dass der Hund Maulschlaufe durchgeführte Studie zeigte, dass nach den MK weder vom Kopf abstreifen noch beißen kann dem Anlegen der Schlaufe Verhaltensinhibitionen auf- (§ 3b Abs. 5 StLSG; § 8 Abs. 3 K-LSiG). Diese Anforderun- traten; als die Maulschlaufe den Hunden nach 43 gen sind allerdings unzureichend, da Teile von MK auch Stunden abgenommen wurde, zeigten die Tiere deut- brechen bzw. reißen können. Um nähere Informationen lich vermehrte Aktivität (Cronin et al. 2003). In einer über die Sicherheit von MK zu erlangen, wurde eine von Arhant et al. (2021) durchgeführten online-Erhe- Erhebung über Beißvorfälle durchgeführt, die von maul- bung gaben 19,6 % der Befragten an, dass bei ihren korbtragenden Hunden verursacht worden waren. Hunden während des Tragens eines MK Anzeichen von eingeschränktem Wohlbefinden (z.B. Apathie, Erhebung von Informationen über die Sicherheit Nervosität, Ängstlichkeit) zu beobachten waren; 12,9 % handelsüblicher Maulkörbe der Teilnehmer berichteten auch über physische Beeinträchtigungen, wie z.B. Fell- und Hautschäden Anlass für die diesem Beitrag zugrundeliegende oder eine Störung der Thermoregulation. Erhebung war folgender Fallbericht einer den 5 /20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) Autoren persönlich bekannten Tierschutzqualifizierten den Hundehaltern empfehlen und von welchen sie Hundetrainerin, die 2019 während einer Trainings- grundsätzlich abraten. Im Fragebogen standen folgende einheit von einem 21–30 kg schweren Hund trotz an- Maulkorbtypen zur Auswahl: Gitterkorb aus Hartplastik, gelegtem MK in den Unterarm gebissen wurde. Dieser Gitterkorb aus Metall, Gitterkorb aus Leder, Gitterkorb unerwartete Vorfall ereignete sich während einer aus Biothane, Gitterkorb an der Frontseite oben / unten Hundebegegnung, als die Trainerin den Hund am offen, geschlossener Maulkorb und Maulschlaufe. Geschirr festhielt, dieser sich umorientierte und zu- Die Antworten waren nach Häufigkeit in Prozenten biss. Der Biss verursachte ein Hämatom und hinter- anzugeben oder direkt auszuwählen; die Teilnehmer ließ zwei kleine Narben am Unterarm der Trainerin. wurden ersucht, ihre Angaben durch den Eintrag eines Der aus Biothane gefertigte MK blieb unbeschädigt. Freitextes zu erläutern. Abschließend wurde erho- Der Hund hatte nach Schilderung der Betroffenen ben, ob und gegebenenfalls zu welchen Zwecken („zur „durch den Korb bzw. zwischen den das Gitter bil- tierärztlichen Untersuchung bzw. Behandlung“, „im denden Riemen gebissen“ (persönliche Mitteilung der Training“) Maulschlaufen verwendet werden. Hundetrainerin). Aufgrund dieses Fallberichts und bis- Im zweiten Abschnitt wurden allgemeine Fragen lang fehlender Sicherheitsstandards für MK wurde zu Beißvorfällen mit maulkorbtragenden Hunden und eine Erhebung unter Hundetrainern und im Bereich Tieren, die den MK abgestreift hatten, gestellt (Kenntnis der Kynologie arbeitenden Tierärzten durchgeführt, um von Vorfällen, Häufigkeit). Zu jeder der beiden Haupt- Hinweise auf mögliche Sicherheitsprobleme mit be- kategorien („Hund mit Maulkorb hat verletzt“ und „Hund stimmten Maulkorbtypen bzw. Materialien zu erheben. hat Maulkorb abgestreift und verletzt“) wurde erfragt, ob Zu diesem Zweck wurden folgende Forschungsfragen es sich um eine eigene Erfahrung („selbst betroffen“) gestellt: oder um einen von einer dritten Person geschilderten (1) Gibt es Beißvorfälle mit maulkorbtragenden Vorfall („von Dritten erfahren“) handelte. Für den Fall, Hunden? dass mehrere solcher Vorfälle bekannt waren, wurden (2) Mit welchem Maulkorbtyp / welchen Maulkorb- Details zu max. drei Fällen abgefragt (vgl. Tab. 2). typen kam es zu (Biss-)Verletzungen? (3) Welche Art von Verletzung wurde durch den mit Tab. 2: Fragen zu Beißvorfällen mit maulkorbtragenden Hunden / einem MK versehenen Hund verursacht? Questions on biting incidents with muzzled dogs (4) Wies der MK nach dem (Beiß-)Vorfall eine Wer wurde durch den maulkorbtragenden Hund gebissen? Beschädigung auf? In welcher Situation kam es zu diesem Beißvorfall? Welche Art von Verletzung/en wurde/n dem Opfer Material und Methoden zugefügt? Welche konkrete (Biss-)Verletzung wurde verursacht? Der Fragebogen wurde mit dem Online-Tool Lime War eine ärztliche Versorgung des Opfers erforderlich? Survey erstellt. Da die Zielgruppe Personen waren, die beruflich mit Hunden arbeiten, wurde der Link zur Wurde eine Anzeige erstattet? Befragung von der Koordinierungsstelle für Tierschutz- Welche Art von MK hat der Hund getragen, als er die qualifizierte HundetrainerInnen (Messerli Forschungs- (Biss-)Verletzung verursacht hat? institut, Veterinärmedizinische Universität Wien) an die Wurde der MK im Zuge der Zufügung der (Biss-) dort gelisteten Hundetrainer versandt. Weiters wur- Verletzung beschädigt? Wenn ja, welchen Schaden wies de der Link in Deutschland über Rundmail und sozia- der MK auf? le Foren der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und Wie schwer war der Hund in etwa? -therapie (GTVMT) sowie über den Berufsverband der Bitte geben Sie die Rasse bzw. Kreuzung an, falls bekannt Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV) online verteilt. Raum für weitere Informationen Die Befragung erfolgte anonym und auf der Grund- lage der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestim- mungen (§ 7 DSG; Art. 89 DSGVO). Die Teilnehmer Abschließend wurden allgemeine Daten zu den wurden vorab darüber informiert, dass es jederzeit Teilnehmern (Geschlecht, Alter, Angabe zur kynologi- möglich war, die Teilnahme abzubrechen. Der in vier schen Erfahrung in Jahren) sowie zur Befähigung auf Abschnitte geteilte Fragebogen umfasste 115 Fragen, dem Gebiet der Kynologie erhoben (vgl. Tab. 3). wobei die Teilnehmer aus vorgegebenen Antwort- möglichkeiten wählen oder ihre Antworten sowie allfäl- Statistische Analysen lige Erläuterungen in ein Freitextfeld eintragen konnten. Im ersten Abschnitt wurden Angaben darüber erho- Die deskriptive Auswertung der Antworten erfolgte ben, welche Maulkorbtypen von Hundehaltern bei der mit Microsoft Excel 2013 (Microsoft Excel, Microsoft Aufnahme des Trainings verwendet werden. Weiters Corporation, USA). wurde erfragt, welche Maulkorbtypen die Hundetrainer 6 / 20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) Tab. 3: Angaben zur Befähigung der Umfrageteilnehmer auf dem Gebiet der Kynologie / Information on proficiency of survey partici- Maulkorbtypen – Verwendung durch Halter und pants in cynology Beurteilung durch Umfrageteilnehmer Tierschutzqualifizierte(r) HundetrainerIn gem. § 6 der VO Dieser Abschnitt wurde von allen 149 Teilnehmern hinsichtlich näherer Bestimmungen über die tierschutzkon- vollständig ausgefüllt. forme Ausbildung von Hunden Da die einzelnen Antworten im Fragebogen als PrüferIn für den Wr. Hundeführschein gem. § 6 der Wr. Werte zwischen 0 und 100 % anzugeben waren, wur- Hundeführschein-VO den die Ergebnisse in 4 Prozentkategorien eingeteilt, Befähigung zur Ausstellung der Sachkunde gem. § 4 der wobei die Häufigkeit der Einzelwerte von 1 bis 25 in NÖ Hundehaltesachkunde-VO die Kategorie 1–25 %, die Häufigkeit der angegebe- Erlaubnis gem. § 11 Tierschutzgesetz (Deutschland) nen Werte von 26 bis 50 in die Kategorie 26–50 %, Tierärztin / Tierarzt mit fachspezifischer abgeschlossener Werte von 51 bis 75 in die Kategorie 51–75 % und Zusatzausbildung Werte ab 76 zur Kategorie 76–100 % zusammenge- fasst wurden. Die Mehrheit der Befragten (98) gab an, Keine nachgewiesenen Spezialkenntnisse dass Hunde beim Erstkontakt (z.B. Erstgespräch, ers- Raum für Sonstiges te Trainingseinheit oder Behandlung) nur in 1–25 % mit angelegtem MK vorgestellt werden; lediglich 4 Ethische Beurteilung Personen gaben an, dass dies zwischen 26–50 % der Fall wäre; nur jeweils 1 Befragter gab an, dass Hunde Der Fragebogen wurde im September 2020 der in 70 % bzw. 100 % der Erstkontakte einen MK tragen. Ethik-Kommission der Medizinischen Universität Wien 45 Befragte gaben zu dieser Frage den Wert 0 an. vorgelegt. Ein Votum war nicht erforderlich. Auf die Frage, wie viele Halter ihren Hund ohne MK vorstellen, jedoch einen solchen mitführen, wurden ebenfalls von der Mehrheit der Befragten (95) Werte Ergebnisse der Befragung von 1–25 % angegeben; 11 Befragte gaben Werte zwi- schen 26–50 % an, von 3 Befragten wurden Werte zwi- Allgemeine Angaben zu den Umfrageteilnehmern schen 51–75 % und von 5 Befragten Werte zwischen 76–100 % genannt. 35 Befragte gaben den Wert 0 an. Insgesamt nahmen 149 Personen an der Befragung Zur Frage, wie häufig Halter ihre Hunde beim teil, wobei 16 Teilnehmer keine näheren Angaben zur Erstkontakt ohne MK vorstellen und auch keinen Person (Geschlecht, Alter, Befähigung auf dem Gebiet MK mitführen, wird von der Mehrheit der Befragten der Kynologie, berufliche Erfahrung) machten. (46) eine Größenordnung von 76–100 % angege- 110 Teilnehmer gaben an, Tierschutzqualifizierte ben. 36 Befragte beantworteten diese Frage mit Hundetrainer zu sein. Im Zeitraum der Erhebung waren Werten zwischen 1–25 %, 31 Befragte nannten eine in der Koordinierungsstelle für Tierschutzqualifizierte Größenordnung von 26–50 % und 28 Befragte gaben Hundetrainer 450 geprüfte Hundetrainer gelistet, 51–75 % an. 8 Befragte nannten den Wert 0. somit betrug die Rücklaufquote 24,4 %. Einzelne Dass Halter angeben, gar keinen MK zu besitzen, Teilnehmer führten zusätzliche Ausbildungen und/oder trifft nach den Angaben von 55 Befragten in 1–25 % Berechtigungen an (Prüfer für den Wr. Hundeführschein der Fälle zu, 24 Befragte nannten Werte zwischen gem. § 6 Abs. 1 Wr. Hundeführschein-VO: 7, 26–50 % und jeweils 16 Befragte gaben Werte von Befähigung zur Ausstellung der Sachkunde gem. § 4 51–75 % bzw. 76–100 % an. 38 Befragte gaben den Abs. 4f. NÖ Hundehalte-Sachkunde-VO: 17, Tierärzte Wert 0 an. mit fachspezifischer Ausbildung: 2). Auf die Frage nach der Art des MK, der zum ers- Weitere 12 Teilnehmer gaben an, über die für ten Termin von den Haltern mitgenommen wird, wur- Hundetrainer erforderliche Erlaubnis gem. § 11 Nr. 8 den von den Teilnehmern am häufigsten Gitter-MK aus lit. f) des deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG) zu Hartplastik (131), gefolgt von Gitter-MK aus Biothane verfügen. 6 dieser Personen gaben an, auch Tierärzte (118), Gitter-MK aus Metall (95) und Gitter-MK aus mit fachspezifischer Ausbildung zu sein. Leder (72) angeführt, doch wurden auch oben/unten 7 Teilnehmer waren ausschließlich Tierärzte mit ab- offene Gitter-MK (65), Maulschlaufen (54) und ge- geschlossener fachspezifischer Zusatzausbildung schlossene MK (14) genannt (vgl. Übersicht in Tab. 4). und 4 Teilnehmer gaben an, nur als Hundetrainer tä- 111 Teilnehmer (74,5 %) gaben an, Hundehaltern, tig zu sein. die ihren Hund beim ersten Kontakt ohne MK vorstel- Die Erfahrung auf dem Gebiet der Kynologie be- len, die Verwendung eines MK zu empfehlen. Auf die trug durchschnittlich 13 Jahre (Spannweite 1–40 Frage, wie vielen Hundehaltern diese Empfehlung er- Jahre). 116 Teilnehmer waren weiblich, 15 männlich, teilt wird, wurden von 55 (49,6 %) Befragten Werte zwi- zwei Personen tätigten keine diesbezügliche Angabe. schen 1–25 %, von 24 (21,6 %) Befragten Werte zwi- Das Durchschnittsalter lag bei 45,8 Jahren (Min.=22; schen 26–50 % und von jeweils 16 (14,4 %) Befragten Max.=75). Werte zwischen 51–75 % bzw. 76–100 % angegeben. 7 /20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) damit begründet wird, dass das Tab. 4: Maulkorbtypen, die beim ersten Termin mit den Umfrageteilnehmern vom Hund ge- Hecheln und die Wasseraufnahme tragen bzw. vom Halter mitgeführt wurden / Types of muzzles worn by dog or carried by dog handler at the first appointment with survey participants möglich sind und das Beißen sowie Angaben Verteilung Angaben in Prozentkategorien das Aufnehmen von Fremdkörpern Teilnehmer Anzahl Umfrageteilnehmer (%) verhindert werden. Allerdings füh- Maulkorb- Typ Gesamt (%) ren die Teilnehmer auch an, dass die Auswahl des Materials vom 0 % 1–25 % 26–50 % 51–75 % 76–100 % Verwendungszweck abhängt, wobei Gitter 149 18 38 42 22 29 MK aus Biothane, Leder oder Metall Hartplastik (100) (12,1) (25,5) (28,2) (14,8) (19,4) während des Transports in öffent- 149 54 78 13 1 3 lichen Verkehrsmitteln und MK aus Gitter Metall Metall überwiegend bei „Hunden mit (100) (36,2) (52,4) (8,7) (0,7) (2,0) Beschädigungsabsicht“ sowie bei 149 75 67 5 0 2 Gitter Leder länger dauernder Verwendung emp- (100) (50,3) (45,0) (3,4) (0) (1,3) fohlen werden. Gitter 149 31 70 33 4 11 Abgeraten wird vor allem von der Biothane (100) (20,8) (47,0) (22,1) (2,7) (7,4) Verwendung von Maulschlaufen Gitter oben/ 149 84 49 11 2 3 und geschlossenen MK, da diese unten offen (100) (56,4) (32,9) (7,4) (1,3) (2,0) es dem Hund nicht ermöglichen, zu hecheln und zu trinken; sie entspre- 149 135 13 1 0 0 Geschlossen chen daher nicht den Anforderungen (100) (90,6) (8,7) (0,7) (0) (0) des Tierschutzes. Maulschlaufen Maul- 149 95 45 3 2 4 werden auch deshalb abge- schlaufe (100) (63,8) (30,2) (2,0) (1,3) (2,7) lehnt, weil sie keinen Schutz vor Bissverletzungen bieten. Am sel- tensten wird von MK aus Biothane Welche Art von MK die Teilnehmer ihren Kunden abgeraten (vgl. Übersicht in Tab. 6). empfehlen und wie sie diese Empfehlung begründen, Die Frage, ob Maulschlaufen verwendet wer- wird in Tab. 5 dargestellt. Es bestand die Möglichkeit, den, wurde von 16 Teilnehmern (10,7 %) bejaht, wo- mehr als eine Angabe zu tätigen. Die Ergebnisse zeig- bei als Zweck die Durchführung einer tierärztlichen ten, dass die Umfrageteilnehmer bevorzugt Gitter-MK Untersuchung (15) oder eines „Medical Trainings“ (1) aus Biothane, Metall und Hartplastik empfehlen, was angeführt wurde. Tab. 5: Maulkorbtypen, die von den Umfrageteilnehmern empfohlen werden / Muzzle types recommended by survey participants Maulkorbtyp Anzahl* Begründungen / Anmerkungen Wasseraufnahme und Hecheln möglich; Passform individuell anpassbar; zur Eigensicherung (z.B. Hund frisst alles); leicht und hygienisch; bei ungefährlichen Hunden, wenn keine Not- wendigkeit eines Beißschutzes besteht; beste Sicherheit und Tragekomfort; Belohnungsgaben Gitter Biothane 103 möglich; für Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln; längere Tragedauer als mit Kunststoff MK-Hartplastik; leicht mitzunehmen; weiches Material; werden vom Hund gerne getragen; waschbar; bei richtiger Abmessung bester Sitz Wasseraufnahme und Hecheln möglich; für bissige Hunde; Festigkeit; tatsächlicher Beißschutz Gitter Metall 88 gegeben; mehr Sicherheit gegeben; für große Rassen; große Gitterabstände ermöglichen leichte Leckerli-Gabe; Anpassungen durch Aufbiegen möglich; einzig bissfeste Variante Wasseraufnahme und Hecheln möglich; kostengünstig; für nicht ausgewachsene Hunde; wenn Gitter Hartplastik 78 keine Beißabsicht besteht; größte Passformauswahl; leicht, für kleinere Hunde geeignet; für öf- fentliche Verkehrsmittel; für Maulkorbtraining Wasseraufnahme und Hecheln möglich; weich, leicht, durch Stirnriemen können sie nicht Gitter Leder 36 runtergezogen werden; schmiegt sich an den Kopf des Hundes und gibt Raum für Beweglich- keit; für öffentliche Verkehrsmittel geeignet Gitter oben/ Wasseraufnahme und Hecheln möglich; größte Passformauswahl; Belohnung leichter möglich; 35 unten offen optimal zu Trainingszwecken Geschlossen 6 bei großer Gefahr eines Beißvorfalls Maulschlaufe 4 für kurze Maßnahmen (wenige Minuten), wie beim Tierarzt * Mehrfachangaben möglich 8 / 20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) Tab. 6: Maulkorbtypen, von deren Verwendung die Umfrageteilnehmer abraten / Muzzle types advised against by survey participants Maulkorbtyp Anzahl* Begründungen / Anmerkungen verboten; nicht tierschutzkonform; kein Schutz vor Bissen; nur kurzfristig zu tragen (Tierarzt); Maulschlaufe 141 erschwert das Hecheln; belastet Kreislauf unangenehm; nur für „gefährliche Hunde“; wenig Luftzufuhr; Trinken nicht möglich; erschwert Geschlossen 99 Hecheln; keine Möglichkeit für Futterbelohnung; lässt Hund gefährlicher aussehen als er ist; Schnüffeln eingeschränkt; belastet Kreislauf muss gepflegt werden; entwickelt Geruch, der von Hunden oft nicht gemocht wird; Gitter Leder 39 Materialveränderung unter Umwelteinflüssen; nicht hygienisch, da er nicht gereinigt werden kann; kein Beißschutz; ist leicht abzustreifen; knautschen Gitter oben/ 38 keine gute Passform; Verletzungsgefahr; nicht beißsicher; geringer Tragekomfort unten offen Gitter Metall 28 keine gute Passform; können andere verletzen; meist zu schwer; Verletzungsgefahr für Zähne Gitter Kunststoff- kein Beißschutz; keine optimale Passform; zu scharfkantig; Gitterabstände zu eng, daher für 20 Hartplastik Training (Leckerligabe) nicht optimal; kann brechen Gitter Biothane 11 kein Schutz vor Bissverletzung; meist zu schwer; knautschen * Mehrfachangaben möglich Berichte über Vorfälle mit Maulkörben 31–40 kg und 1 (1,6 %) Hund mit über 41 kg KGW an- gegeben wurden. Das durchschnittliche KGW lag dem- Insgesamt gaben 45 (30,2 %) der 149 Umfrage- nach bei 20,97 kg. teilnehmer an, dass ihnen entweder aus eigener Was die Art der Bissverletzung betrifft, so wurde in der Erfahrung oder durch den Bericht einer dritten Person Erhebung zwischen Bissen mit und ohne Perforation mindestens ein Fall bekannt war, in dem ein mit einem von Haut oder auch von tieferliegendem Gewebe unter- MK oder einer Maulschlaufe versehener Hund einen schieden, wobei unter „Perforation der Haut“ eine blu- Menschen oder ein Tier gebissen hat. 98 Teilnehmer tende, jedoch oberflächliche Verletzung und unter verneinten, einen solchen Fall zu kennen, 6 Teilnehmer „Perforation von Gewebe“ eine tiefergehende Wunde zu gaben dazu keine Auskunft. Von den 45 Teilnehmern verstehen ist. gaben 26 Personen an, die Fälle selbst erlebt zu ha- Nachfolgend werden die wichtigsten Angaben zu den ben oder selbst betroffen gewesen zu sein; insgesamt erhobenen (Biss-)Verletzungen, die durch maulkorbtra- wurden 74 selbst erlebte Fälle angegeben (Spannweite gende Hunde verursacht wurden, nach Maulkorbtyp ge- 1–10, MW: 2,8). 22 Teilnehmer gaben an, von Dritten gliedert dargestellt und in Tab. 7 zusammengefasst. über Bissverletzungen durch maulkorbtragende Hunde gehört zu haben. 3 dieser Teilnehmer hatten auch selbst Biothane-MK mindestens einen solchen Vorfall erlebt oder waren selbst von einem solchen Vorfall betroffen. Insgesamt Insgesamt berichteten die Befragten über 14 von ih- wurden von den Teilnehmern 89 Fälle angeführt, über nen selbst erlebte Beißvorfälle, weitere 3 Vorfälle wur- die ihnen von Dritten berichtet worden war (Spannweite den den Umfrageteilnehmern von dritten Personen ge- 1–20; MW: 4). schildert. Opfer der Beißvorfälle waren in insgesamt 5 In der Detailbefragung über die Vorfälle machten 22 Fällen Menschen, in 10 Fällen Hunde und in 2 Fällen Umfrageteilnehmer konkrete Angaben zu 41 (65,1 %) andere Tiere (Feldhamster und Katze). Fällen, die sie selbst erlebt hatten und 15 Teilnehmer tä- In 11 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen mit tigten Angaben zu 22 (34,9 %) Fällen, über die sie durch Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebeschichten Dritte erfahren hatten. Insgesamt wurde somit über 63 (z.B. blutende Wunden) zugefügt. In einem Fall wur- Vorfälle mit maulkorbtragenden Hunden berichtet; diese de ergänzend angeführt, dass der Hund durch den wurden einer genaueren Auswertung unterzogen. Biothane-MK einen Artgenossen gebissen und das In den ausgewerteten 63 Berichten wurden Angaben Opfer anschließend durch Schütteln „geöffnet“ hat. zur Rasse der Hunde, die gebissen oder eine sonsti- In 4 Fällen handelte es sich um Bissverletzungen ohne ge Verletzung verursacht haben, in 52 Fällen getätigt; Gewebeperforation, z.B. um Blutergüsse. In einem Fall von diesen waren 27 (51,9 %) Mischlingshunde und 25 wurden keine näheren Angaben zur Art der Verletzung (48,1 %) Rassehunde. getätigt; ein von einem Hund gepackter Feldhamster Angaben zum Körpergewicht (KGW) der Hunde wur- konnte flüchten, nachdem er losgelassen worden war. den zu 62 Vorfällen (98,4 %) getätigt, wobei 2 (3,2 %) In einem (von Dritten berichteten) Fall wurde eine Hunde zwischen 5–10 kg, 13 (21 %) zwischen 11–20 kg, Katze von einem mit einem Biothane-MK versehenen 32 (51,6 %) zwischen 21–30 kg, 14 (22,6 %) zwischen Hund gepackt und totgeschüttelt. 9 /20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) In 6 Fällen wurden die Opfer des Beißvorfalls medi- Befragten von dritten Personen berichtet. Opfer der zinisch versorgt. Eine Anzeige wurde in 2 (von dritten Beißvorfälle waren in insgesamt 8 Fällen Menschen, Personen berichteten) Fällen erstattet. in 7 Fällen Hunde und in einem Fall ein Feldhamster. Die Situationen, die zum Beißvorfall führten, wurden in In 6 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen 14 Fällen wie folgt beschrieben: auf den Hundehalter um- mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe- gerichtete Aggression (4), Ressourcenverteidigung (2), schichten zugefügt. Ergänzend wurde angeführt, dass Hundebegegnungen mit geringer Ausweichmöglichkeit einem der Hunde die Kopfhaut „abgehoben“ sowie (1), Freilauf (2), Losreißen vom Halter (1), Jagdverhalten (weitere) Verletzungen im Kopf- und Ohrbereich bei- (2), Bewegung einer Person im Raum (1) und Abwehr gebracht wurden; der Feldhamster wurde getötet. In einer Handlings-Maßnahme des Halters (1). 9 Fällen handelte es sich um Bissverletzungen ohne In den meisten Fällen (13) wurde angegeben, dass Perforation der Haut (z.B. „handtellergroßes Hämatom“, der MK nach dem Biss keine Beschädigungen aufwies „blaue Flecken und Schürfwunden am Arm“). In einem (dies traf auch auf den oben angeführten Fall zu, in wel- der von dritten Personen berichteten Fälle lagen keine chem das Opfer trotz angelegtem MK „geöffnet“ wur- Angaben über die Art der Verletzungen vor. de); in 3 Fällen wurde angeführt, dass der MK nach dem In 3 Fällen war bekannt, dass die Opfer des Beiß- Biss beschädigt war. In einem dieser Fälle wies der MK vorfalls medizinisch versorgt wurden. Eine Anzeige Zahnspuren auf, in einem anderen Fall wurde er als „ver- wurde – soweit den Befragten bekannt – in keinem der bogen“ beschrieben, wobei während des Beißvorfalls Fälle erstattet. beobachtet worden war, dass die Zähne des Hundes Die Situationen, die zum Beißvorfall geführt hat- „zwischen die Rillen des MK gelangen konnten“. In ten, wurden in 12 Fällen beschrieben, wobei folgen- einem weiteren Fall wurde die Beschädigung nicht nä- de Angaben getätigt wurden: Hundebegegnung er- her beschrieben. folgte zu nah (3), beim Versuch, zwei raufende Hunde zu trennen (1), Losreißen vom Halter (1), umgerichte- Hartplastik-MK te Aggression zum Trainer oder Halter (2), Berührung einer schmerzhaften Körperstelle (1), während des Die Befragten berichteten über 5 von ihnen selbst er- Spielens mit dem Hund (1), im Haushalt zwischen zwei lebte Beißvorfälle mit Hunden, die einen Hartplastik-MK vertrauten Hunden (1), während eines Wesenstests trugen; ein Fall wurde den Umfrageteilnehmern von drit- (1), Jagdverhalten (1). ter Seite berichtet. Opfer der Beißvorfälle waren in ins- In 9 Fällen wurde angegeben, dass der MK nach gesamt 4 Fällen Menschen und in 2 Fällen Hunde. dem Biss keine Beschädigung aufwies; in 2 Fällen war In 4 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen der MK nach dem Vorfall durchgebissen. In 5 Fällen la- mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe- gen keine diesbezüglichen Informationen vor. schichten zugefügt, in 2 Fällen handelte es sich um Bissverletzungen ohne Perforation, die Hämatome und Metall-MK Kratzer verursachten. In 2 Fällen ist bekannt, dass die Opfer des Beißvorfalls Insgesamt berichteten die Befragten über 9 von ih- medizinisch versorgt wurden; in 2 weiteren Fällen er- nen selbst erlebte Vorfälle, weitere 5 Fälle wurden den folgte keine Behandlung und in ebenso vielen Fällen Teilnehmern von dritten Personen geschildert. Opfer war dies den Befragten nicht bekannt. Eine Anzeige der Vorfälle waren in 9 Fällen Menschen (darunter ein wurde – soweit den Befragten bekannt – in keinem der Kind zwischen 7–14 Jahren) und in 5 Fällen Hunde. Fälle erstattet. In 11 Fällen wurden den Opfern Verletzungen durch Die Beißvorfälle ereigneten sich im Zusammenhang einen Schlag mit dem Metall-MK gegen verschiedene mit Handlings-Maßnahmen oder im Rahmen einer tier- Körperteile zugefügt. Als konkrete Verletzungen wur- ärztlichen Untersuchung (4), als Folge offensiv ausge- den Hämatome, Muskelverletzungen, Prellungen und tragener Konflikte unter Hunden (1) und während des Risswunden genannt. Freilaufs (1). In 2 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen In 5 Fällen wurde angegeben, dass der MK nach mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe- dem Biss gebrochen war (seitliche, vordere oder unte- schichten, z.B. blutende Wunden, zugefügt. In einem re Streben, Frontplatte). In einem Fall wurde keine Fall wurde ergänzend angeführt, dass die Person mit Beschädigung angeführt, doch konnte ein Zahn zwi- einem Finger zwischen die Gitterstäbe des MK ge- schen die Streben geschoben werden, wodurch das riet, als der Hund sich wehrte. In einem Fall handel- Opfer Kratzverletzungen erlitt. te es sich um eine Bissverletzung ohne Perforation der Haut; dazu wurde ergänzend angemerkt, dass die Leder-MK Abstände zwischen den Gitterstäben des MK zu groß waren. Die Befragten berichteten über 8 von ihnen selbst In 5 Fällen wurden die Opfer des Beißvorfalls medizi- erlebte Beißvorfälle mit Hunden, die einen Leder-MK nisch versorgt. In 9 Fällen wurde keine Anzeige erstat- trugen; ebenso viele Vorfälle mit Leder-MK wurden den tet, in 5 Fällen war dies den Befragten nicht bekannt. 10/20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria 110 (2023) Die Situationen, die zu den Vorfällen geführt hat- Versorgung erforderlich. In keinem der beiden Fälle ten, wurden wie folgt beschrieben: Freizeit (1), Hunde- wurde Anzeige erstattet. begegnung mit freilaufendem Hund (5), während Zum Anlass für den Beißvorfall wurde angege- einer Trainingseinheit in Hundeschule (1), Attacken ben, dass der Hund aufgrund einer Hüftgelenks- und auf Menschen ohne nähere Angabe (3), während des Wirbelsäulenerkrankung starke Schmerzen hatte, Verladens in eine Box (1), während einer Fixierung zur sich im Rahmen einer Begutachtung im Training los- tierärztlichen Untersuchung (1), im Freilauf (1). Eine riss und der Hundetrainerin die Bissverletzung zufüg- Person tätigte hierzu keine Angabe. te. Die Verletzung durch Schlag erfolgte ebenfalls wäh- In 5 Fällen wurde angeführt, dass der Metall-MK rend eines Trainings. Der MK blieb in beiden Fällen nach dem Biss bzw. Schlag beschädigt war. Zur Art der unbeschädigt. Beschädigung wurde angegeben, dass der MK ver- bogen war; in einem Fall waren zusätzlich Teile des Maulschlaufen Metallgitters gebrochen. In 4 Fällen wies der Metall-MK nach dem Vorfall keine Beschädigungen auf und in 4 Obwohl Maulschlaufen die tierschutzrechtlichen weiteren Fällen war dies den Befragten nicht bekannt. Anforderungen an MK nicht erfüllen und daher nicht als Maulkorbersatz verwendet werden dürfen, wur- MK oben und unten offen den sie in diese Untersuchung einbezogen, da sie im Alltag, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, immer wie- Die Befragten berichteten über 3 von ihnen selbst der anzutreffen sind. erlebte Beißvorfälle mit Hunden, die einen oben und Vorfälle mit Hunden, die Maulschlaufen trugen, wur- unten offenen MK trugen; 5 Fälle wurden den Befragten den in 5 Fällen berichtet, wobei die Befragten 3 Fälle von dritten Personen berichtet. Opfer der Beißvorfälle selbst erlebt und von 2 Fällen durch dritte Personen waren in insgesamt 2 Fällen Menschen, in 5 Fällen Kenntnis erlangt hatten. Opfer der Beißvorfälle waren Hunde und in einem Fall ein Igel. in insgesamt 4 Fällen Menschen, wobei sich die Vorfälle In 7 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen ausschließlich während tierärztlicher Untersuchungen mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe- ereigneten. In einem Fall verletzte ein Hund ein Schaf, schichten zugefügt, in einem Fall kam es zu einer während er mit dem Treiben von Schafen beschäftigt Verletzung durch einen Schlag gegen den Unterarm, war. der ein Hämatom zur Folge hatte. Als ergänzen- Die Bissverletzungen an Menschen waren in 2 de Information wurde angeführt, dass es dem Hund Fällen mit einer Perforation der Haut oder auch tieferer möglich war, durch die obere Öffnung des MK einem Gewebeschichten verbunden, in 2 Fällen wurde keine Menschen eine blutende Hautverletzung zuzufügen. Perforation verursacht. In einem Fall war eine ärztliche In 4 Fällen ist bekannt, dass die Opfer des Beißvorfalls Versorgung erforderlich. Eine Anzeige wurde in kei- medizinisch versorgt wurden, in 3 Fällen erfolgte keine nem der Fälle erstattet. Das Schaf musste medizinisch Behandlung und in einem Fall lag diesbezüglich kei- versorgt werden; Anzeige wurde erstattet. ne Information vor. Eine Anzeige wurde – soweit den In 2 Fällen wurde berichtet, dass die Maulschlaufen Befragten bekannt – nur in einem Fall erstattet. während der Vorfälle gerissen waren, in einem Fall Die Beißvorfälle ereigneten sich im Rahmen von wurde eine nicht näher beschriebene Beschädigung Hundebegegnungen als Folge offensiv ausgetrage- angeführt. In 2 Fällen blieben die Maulschlaufen ner Konflikte zwischen den Hunden (1), während des unbeschädigt. Freilaufs (2), im Zusammenhang mit Jagdverhalten (1); die Bisse an Menschen erfolgten durch Anfassen des Abstreifen von Maulkörben oder Maulschlaufen Hundes (1) und dadurch, dass ein Kind seine Finger in vor dem Beißvorfall den MK des Hundes steckte. Eine Person tätigte hier- zu keine Angabe. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich vorrangig mit In 4 Fällen wurde angegeben, dass der MK nach Beißvorfällen und sonstigen Verletzungen, die Hunde dem Vorfall nicht beschädigt war, in den restlichen verursachten, während sie einen MK trugen. Ein wei- Fällen war der Zustand des MK den Befragten nicht terer wichtiger Sicherheitsaspekt betrifft jedoch die bekannt. Frage, ob sich ein Hund aus eigenem Antrieb des MK entledigen kann. Daher wurde im Rahmen der MK geschlossen Befragung auch erhoben, welche MK-Typen wie häu- fig von Hunden abgestreift worden waren, bevor es Die Befragten berichteten über 2 Vorfälle mit ge- zu einem Beißvorfall kam (vgl. Tab. 7). Die Frage, ob schlossenen MK, die sie selbst erlebt hatten. Dabei er- den Umfrageteilnehmern solche Vorfälle aus eige- litt ein Mensch durch einen Schlag mit dem MK eine ner Erfahrung oder durch Berichte Dritter bekannt Muskelverletzung, eine Person wurde Opfer einer wären, wurde von 70 Teilnehmern bejaht, wobei 36 Bissverletzung ohne Perforation der Haut (Hämatom). Personen angaben, diese Vorfälle selbst erlebt zu ha- Nur im Fall der Muskelverletzung war eine ärztliche ben oder selbst davon betroffen gewesen zu sein. 38 11/20
Sie können auch lesen