Maulkörbe als Mittel zur Bissprävention - Geschichte, Maulkorbpflicht, Tierschutz- und Sicherheitsaspekte

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Maulkörbe als Mittel zur Bissprävention - Geschichte, Maulkorbpflicht, Tierschutz- und Sicherheitsaspekte
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria                         110 (2023)

Ethik- und Tierschutzkommission1 der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Informations- und
Dokumentationsstelle für Tierschutz- & Veterinärrecht2 und Institut für Tierschutzwissenschaften
und Tierhaltung3, Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinär-
medizin, Veterinärmedizinische Universität Wien; Stabsstelle für Qualitätsentwicklung, Evaluierung
und strategische Projekte4 der Veterinärmedizinischen Universität Wien; Tierärztliche Praxis für Ver-
haltensmedizin, Hamburg5

Maulkörbe als Mittel zur Bissprävention –
Geschichte, Maulkorbpflicht, Tierschutz- und
Sicherheitsaspekte
S. Chvala-Mannsberger1*, M. Forster4, B. Schöning5 und R. Binder1,2,3

                                                                                              Eingelangt am 29. November 2022
                                                                                               Angenommen am 9. Jänner 2023
                                                                                              Veröffentlicht am 10. Februar 2023

Schlüsselwörter: Hunde, Maulkorb, Beißvorfälle,                       Keywords: dogs, muzzle, dog bites, safety, legislation,
Sicherheit, Gefahrenhundegesetzgebung, Tierschutz.                    dog welfare.

   Zusammenfassung                                                        Summary
   Eine historische Betrachtung der Entwicklung von                   Muzzles as a means of bite prevention – history,
Maulkörben zeigt, dass die im geltenden Tierschutz-                   legislation, welfare and safety aspects
und Sicherheitspolizeirecht verankerten Anforderungen
an dieses Hilfsmittel bereits zu Beginn des 20. Jh. the-                A historical review of the development of muzzles
matisiert wurden. Da Maulkörbe als wirksames Mittel                   shows that the requirements for these devices, which
zur Bissprävention gelten, ordnen die sicherheits-                    are anchored in modern animal protection and securi-
polizeilichen Bestimmungen z.T. sehr weitreichende                    ty police law, were discussed as early as the beginning
Verpflichtungen an, Hunde im öffentlichen Raum mit                    of the 20th century. As muzzles are regarded as a safe
Maulkörben zu versehen. Ziel dieser Studie war es, ers-               means of preventing bites, security police legislation
te Informationen über Probleme im Zusammenhang                        imposes far-reaching obligations on muzzles for dogs
mit der Sicherheit von Maulkörben bzw. einzelnen                      in public spaces. We have collected initial information
Maulkorbtypen zu erheben.                                             on problems related to the safety of muzzles or individ-
    In einer 2022 durchgeführten Umfrage unter                        ual muzzle types.
Hundetrainern und Tierärzten in Österreich und                          In 2022, we conducted a survey of dog trainers and
Deutschland wurden Informationen über Vorfälle er-                    veterinarians in Austria and Germany to gather infor-
hoben, in welchen maulkorbtragende Hunde eine                         mation on incidents in which muzzled dogs caused a
(Biss-)Verletzung verursacht haben. Weiters wurden                    (bite) injury. We also collected information on the pop-
Informationen darüber erhoben, wie beliebt verschiede-                ularity of certain muzzle types among dog owners and
ne Maulkorbtypen bei Hundehaltern sind und wie häufig                 on the recommendations of different muzzle types by
sie von Hundetrainern empfohlen werden.                               dog trainers.
   Es wurde über 63 Vorfälle mit maulkorbtragenden                      There have been 63 reported incidents involving
Hunden berichtet, die zu einem Biss oder einer sons-                  muzzled dogs that resulted in a bite or other injury to a
tigen Verletzung eines Menschen oder eines anderen                    human or other animal. During the (biting) incident, the
Tieres geführt haben. Während des (Beiß-)Vorfalls tru-                dogs wore muzzles made of biothane (27 %), leather
gen die Hunde Maulkörbe aus Biothane (27 %), ge-                      (25.4 %), metal (22.2 %) or hard plastic (9.5 %). More
folgt von Maulkörben aus Leder (25,4 %), aus Metall                   than 60% of bite injuries with muzzles made of bio-

*E-Mail: sonja.chvala@vetmeduni.ac.at

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(22,2 %) oder Hartplastik (9,5 %). Die Bissverletzungen                    thane and hard plastic led to perforation of skin and
mit Perforation von Haut oder auch tieferliegender                         tissue, while more than 50 % of injuries with muzzles
Gewebeschichten lagen bei Maulkörben aus Biothane                          made of leather had no tissue perforation. Bites with
und Hartplastik bei über 60 %, während bei Maulkörben                      muzzles made of metal generally (78.6 %) resulted
aus Leder Verletzungen ohne Gewebeperforation                              in impact injuries. At initial consultations, dog owners
in über 50 % überwogen und Maulkörbe aus Metall                            mostly used muzzles made of hard plastic, followed
überwiegend zu Schlagverletzungen (78,6 %) führten.                        by muzzles made of biothane or metal. Dog trainers
Hundehalter verfügten bei Erstkonsultationen meist                         recommended muzzles made of biothane, followed by
über Maulkörbe aus Hartplastik, gefolgt von Maulkörben                     muzzles made of metal or hard plastic.
aus Biothane und Metall. Die Hundetrainer empfeh-                            The results show that the safety of individual muzzle
len bevorzugt Maulkörbe aus Biothane, gefolgt von                          types is sometimes overestimated, as muzzle-wear-
Maulkörben aus Metall und Hartplastik.                                     ing dogs can also cause bite injuries and there are dif-
   Die hier vorgestellte Studie hat gezeigt, dass die                      ferences between the muzzle types with regard to the
Sicherheit einzelner Maulkorbtypen z.T. überschätzt                        severity of (bite) injury. Our results suggest that mesh
wird, da Hunde trotz Maulkorbes Bissverletzungen                           muzzles made of metal should be recommended for
verursachen können und auch im Hinblick auf den                            dogs with a body weight of approx. 20 kg or more.
Schweregrad einer (Biss-)Verletzung Unterschiede zwi-
schen verschiedenen Maulkorbtypen bestehen. Nach
den Ergebnissen dieser Studie sollten für Hunde mit
einem Körpergewicht ab ca. 20 kg Gittermaulkörbe aus
Metall empfohlen werden.
Abkürzungen: 2. ThVO = 2. Tierhaltungsverordnung; APA = Austria Presseagentur; APA-OTS = APA-Originaltextservice; B = Burgenland, burgen-
ländisches; BHV = Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater; B-VG = Bundes-Verfassungsgesetz; DSG = DatenschutzG; DSGVO =
Datenschutz-Grundverordnung; G = Gesetz, -es; GTVMT = Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie; iVm = in Verbindung mit; K =
Kärnten, Kärntner; K- LSiG = Kärntner LandessicherheitsG; KGW = Körpergewicht; LG = Landesgesetz; LGBl. = Landesgesetzblatt; MK = Maulkorb,
-es, Maulkörbe, -n; NÖ = Niederösterreich, niederösterreichisch, -es; OÖ, Oö = Oberösterreich, oberösterreichisch, -es; S = Salzburg, Salzburger;
St = Steiermark, steiermärkisch, -es; StLSG = Steiermärkisches Landes-SicherheitsG; T = Tirol, Tiroler; TierSchG = deutsches Tierschutzgesetz;
TSchG = österreichisches Tierschutzgesetz; TVT = Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz; V = Vorarlberg, -er; VO = Verordnung; W = Wien;
Wr. = Wiener.

    Einleitung und Fragestellungen                                         Tollwut durch einen Hundebiss eine weitere Gefahr für
                                                                           den Menschen dar (De Nardo et al. 2018; Dhayhi et al.
  Die Partnerschaft zwischen Mensch und Hund gilt                          2019). Das Risiko, von einem Hund gebissen zu wer-
als einzigartig, wird weithin als Bereicherung des                         den, ist bei Angehörigen bestimmter Berufsgruppen
menschlichen Lebens betrachtet und als Geschenk                            (z.B. Tierärzte, Tierpfleger und Jäger) besonders
der Evolution bezeichnet (Pörtl & Jung 2014).                              hoch; sie werden überwiegend im Bereich der obe-
Manche Verhaltensforscher halten es in Anbetracht                          ren oder unteren Extremitäten verletzt (Jacobs 2013;
der Besonderheiten dieser Beziehung sogar für „un-                         Owczarczak-Garstecka et al. 2019). Andererseits
passend, Hunde als Tiere zu bezeichnen“ (Kotrschal                         laufen vor allem Kinder Gefahr, von Hunden gebis-
2016). Trotz dieser außerordentlich positiven und                          sen zu werden; ihre Verletzungen sind überwiegend
wohl auch etwas überspitzten Beschreibung der                              im Bereich des Kopfes und des Nackens zu finden
Mensch-Hund-Beziehung sorgten Konflikte zwischen                           (Touré et al. 2015; Sarcey et al. 2017; Essig et al.
Mensch und Hund in den letzten Jahrzehnten zu einer                        2019) und ziehen häufig auch eine Beeinträchtigung
Polarisierung der Gesellschaft und in der Folge auch                       der psychischen Gesundheit nach sich (Peters et al.
zu einer Verschärfung der sicherheitspolizeilichen                         2004; De Young et al. 2016). Am häufigsten betrof-
Hundegesetzgebung. Dabei liegt der Fokus häufig                            fen sind Jungen im Alter von 0–9 Jahren (Weiss et
auf bestimmten Hunderassen (Ó Súilleabháin 2015;                           al. 1998; Overall & Love 2001; Matthias et al. 2015).
Nilson et al. 2018), obwohl die Rechtfertigung rasse-                      Auch nach Rothe et al. (2015) sind 2/3 der Opfer von
spezifischer Maßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht                        Hundebissverletzungen Kinder und Jugendliche, wobei
zu bezweifeln ist (Collier 2006; Ott et al. 2008; Overall                  das männliche Geschlecht im Verhältnis 2:1 dominiert.
2010; Creedon & Ó Súilleabháin 2017; Hammond et                            Über die Gründe für den Umstand, dass männliche
al. 2022).                                                                 Kinder häufiger von Hunden gebissen werden, können
  Die Ursache für derartige legistische Maßnahmen                          nur Mutmaßungen angestellt werden: Die höhere Zahl
waren und sind Beißvorfälle, die zu Verletzungen führ-                     der männlichen Opfer wurde einerseits mit ihrer größe-
ten und in einigen Fällen auch letal endeten (Sacks et                     ren Bereitschaft zur offensiven Annäherung an Hunde
al. 1996; Reuhl et al. 2001; Binder & Affenzeller 2019).                   begründet und andererseits darauf zurückgeführt,
Neben Wundinfektionen stellt die Übertragung der

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dass viele Jungen sich eher einen Hund als eine Katze                 Sammlung von Schriften der von Zarathustra (7.–6. Jh.
wünschen (Parrish et al. 1959).                                       v. Chr.) gegründeten Religion des Zoroastrismus. In
   Hundebisse sind zum überwiegenden Teil Folgen                      dieser Überlieferung wird ein MK beschrieben als „[...]
eines menschlichen Fehlverhaltens im Rahmen einer                     a piece of shaped wood [that] is attached to the col-
direkten Interaktion mit dem Hund im vertrauten                       lar [of a biting dog] to which the jaws are tied; the pie-
Lebensumfeld des Hundes (Parrish et al. 1959; Overall                 ces of wood on each side are joined together“ (Blancou
& Love 2001). Nach Overall und Love (2001) werden                     1994). Diese Vorrichtung wurde vor allem bissigen und
Kinder im Alter von 5–9 Jahren gehäuft gebissen, weil                 aggressiven Hunden angelegt, welche möglicherweise
sie versuchen, das eigene Umfeld zu kontrollieren und                 an Tollwut litten.
(noch) nicht in der Lage sind, die Grenzen zwischen                     Obwohl der MK auch in der Griechisch-Römischen
Spiel und Ernst zu erkennen; eine weitere Ursache ist                 Antike bekannt war, fand er im neuzeitlichen Europa
mangelnde Aufsicht durch Erwachsene (Arhant et al.                    erst ab dem 18. Jh. größere Verbreitung (Théodoridès
2016).                                                                & Lépine 1986 zit. n. Blancou 1994). Die rechtlich an-
   Jacobs (2013) wies darauf hin, dass der beste Schutz               geordnete Maulkorbpflicht geht auf das Ende des 19.
vor Tierbissen darin besteht, diese durch entspre-                    bzw. den Anfang des 20. Jh. zurück und diente primär
chende Verhaltensweisen zu vermeiden; dazu zählen                     dem Schutz der Bevölkerung vor der Ausbreitung der
die Fähigkeit, tierartspezifisches Ausdrucksverhalten                 Tollwut (Blancou 1994; Kurosawa et al. 2017).
richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagie-                       Bereits Schaub et al. (1913) wiesen darauf hin, dass
ren, das sichere Fixieren der Tiere durch qualifiziertes              es der MK dem Hund ermöglichen muss, Ober- und
Personal sowie das rechtzeitige Ergreifen von Schutz-                 Unterkiefer so zu bewegen, dass er Nahrung und
und Zwangsmaßnahmen, wie etwa das Anlegen eines                       Wasser aufnehmen, jedoch niemanden beißen kann.
Maulkorbes (MK).                                                      Gleichzeitig gehen die Autoren jedoch davon aus, dass
   Nach einem Fokusbericht über Beißunfälle mit                       75 % aller mit MK versehenen Hunde zubeißen kön-
Kindern (Spitzer & Till 2019) werden in Österreich jähr-              nen, weil der korrekte Sitz des MK nicht kontrolliert
lich rund 650–800 Kinder von Hunden gebissen, was                     wird und tollwütige Hunde den MK abstreifen.
etwa 20 % aller in Österreich registrierten Beißvorfälle                Bereits zu Beginn des 20. Jh. wurden verschiedene
entspricht. Zwischen 2006 und 2018 wurden zwei                        Typen von MK patentiert. Ein von Dusenbury (1907)
Kinder von Hunden tödlich verletzt, was zu einer öster-               konstruierter MK bestand aus Drähten, die durch
reichweiten Diskussion über strengere Bestimmungen                    einen über den Nasenrücken verlaufenden Steg aus
zur Abwehr von Gefahren durch Hunde und zu einer                      leichtem Metall zusammengehalten wurden. Die spu-
Verschärfung der Hundehaltegesetze in Wien und                        lenartige Eindrehung des Drahtes vor der Nase soll-
Niederösterreich führte (APA-OTS 2018; Binder &                       te den Hund laut Patentbeschreibung daran hindern,
Affenzeller 2019). Da der MK als zuverlässigstes Mittel               diese aus dem MK zu drücken. Schaub et al. (1913)
zur Bissprävention gilt, wurde in einigen Bundesländern               beschrieben einen ähnlichen MK, wobei erste Ansätze
insbesondere die Maulkorbpflicht ausgeweitet, was                     zur Verbesserung des Schutzes der Hunde erkenn-
unter Tierschutzaspekten jedenfalls dann problema-                    bar sind: Die Autoren betonten, dass das Halsband
tisch ist, wenn keine Möglichkeit besteht, die generelle              eines MK nicht aus einem Metallreifen, sondern aus
Verpflichtung zum Tragen eines MK im Einzelfall – z.B.                einem Riemen bestehen soll; auch anstelle der über
durch das Absolvieren einer Prüfung zum Nachweis                      Stirn und Nase verlaufenden Metallschiene wurde
der Sozialverträglichkeit des Hundes – zu lockern (vgl.               ein Riemen empfohlen. Stevens (1915) verfolgte den
dazu den Abschnitt: Die Maulkorbpflicht – Aspekte des                 Tierschutzaspekt weiter und entwickelte einen MK, der
Tierschutzes und der Gefahrenabwehr).                                 einerseits an die Nasenlänge des Hundes angepasst
   Da der MK in der Hundehaltung unverzichtbar ist, soll              werden konnte und andererseits den Tragekomfort
diese Arbeit zunächst einen Einblick in die Entwicklung               durch die Verwendung von Leder oder anderen wei-
dieses Hilfsmittels geben und einen Überblick über die                chen Materialien zur Fertigung der über die Stirn und
rechtlichen Vorgaben für die Verwendung von MK ver-                   den Nasenrücken verlaufenden Riemen erhöhen
mitteln. Schließlich werden verschiedene Arten han-                   sollte.
delsüblicher MK unter Sicherheitsaspekten beleuchtet;                   Rexicker (1910) ließ einen starren Ring als
zu diesem Zweck wurden einschlägige Erfahrungen                       Maulkorbvariante patentieren; er sollte dem Hund über
von Tierärzten und Hundetrainern mittels eines                        den Fang geschoben werden, wobei eine mit einer
Fragebogens erhoben und ausgewertet.                                  Trense vergleichbare Querstange zwischen Ober- und
                                                                      Unterkiefer hinter den Eckzähnen platziert wurde. Der
Der Maulkorb als Präventivmaßnahme gegen                              Durchmesser des Ringes sollte so gewählt werden,
Hundebisse – historische Aspekte                                      dass die Aufnahme von Futter und Wasser möglich
                                                                      war, jedoch keine Bissverletzungen verursacht werden
Frühe Maulkorbtypen                                                   konnten.
  Der erste Beleg einer Empfehlung, Hunde mit MK zu                     Williams (1916) ließ einen Maulkorbtyp für brachy-
versehen, stammt aus der altpersischen Avesta, einer                  cephale Hunde patentieren. Es handelte sich um eine

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                                                            Tab. 1: Sicherheitspolizeirechtliche Vorschriften zur Haltung von Hunden –
Art Gurtzeug, wobei ein am Nackenband ange-                 Rechtsgrundlagen und Fundstellen / Dog-specific security police legislation –
brachtes Mittelband über den Kopf des Hundes                Legal sources and references
führte und sich auf Höhe der Stirn gabelte, so-
dass jeweils ein Band links und rechts zwi-                               Bundesland /         Fundstellen Hunde-
                                                                                                                           Rasseliste
schen Nase und Augen, um die Mundwinkel                                     Gesetz              bzw. Tierhaltung
und unterhalb des Kinns verlief, wo die Bänder               B      LandessicherheitsG        3. Abschnitt, §§ 15–27             –
durch einen Querriemen verbunden waren.
                                                             K      LandessicherheitsG        2. Abschnitt, §§ 6–17              –
Das Prinzip dieses MK bestand darin, dass der
Unterkiefer nicht nur am Oberkiefer, sondern                 NÖ HundehalteG                                                     ja
auch am Schädel des Hundes fixiert wurde.                    OÖ HundehalteG 2002                                                 –

Moderne Maulkorbtypen                               S               LandessicherheitsG        2. Abschnitt, §§ 16a–24            –
   Nach der Form können heute grundsätz-            St              Landes-SicherheitsG       § 3b                               –
lich zwei Typen von Beißsicherungen unter-
                                                    T               Landes-PolizeiG           2. Abschnitt, §§ 6–8               –
schieden werden, nämlich der MK und die
Maulschlaufe, wobei letztere lediglich zur kurz-    V               Landes-SicherheitsG       2. Abschnitt, §§ 3–6              ja
fristigen Sicherung des Hundes (z.B. während        W               Wr. TierhalteG            §§ 5-6; § 8a                      ja
einer tierärztlichen Untersuchung) verwendet
werden darf.
   MK unterscheiden sich vor allem durch die verwende-                Maulkorbpflicht
ten Materialien, wobei in den letzten Jahren eine deut-
liche Erweiterung der Produktpalette zu verzeichnen                     MK und Leine sind nach dem Sicherheitspolizeirecht
ist. Während zur Herstellung von MK traditionell Metall,              unverzichtbare Hilfsmittel, um Personen, aber auch
Hartplastik oder Lederriemen verwendet werden, sind                   andere Tiere vor (Biss-)Verletzungen durch Hunde
zunehmend auch MK aus weichen Kunststoffen wie                        zu schützen. Alle sicherheitspolizeilichen Vorschriften
Biothane (einem mit verschiedenen Kunststoffarten                     ordnen daher eine mehr oder weniger weitreichen-
ummantelten Polyestergewebe) oder sogar Silikon an-                   de Maulkorbpflicht für Hunde an, wobei zwischen
zutreffen, die einen höheren Tragekomfort verspre-                    den für alle Hunde geltenden Bestimmungen („all-
chen, unter dem Aspekt der Sicherheit jedoch zu hin-                  gemeine Hundegesetzgebung“) und weitergehen-
terfragen sind.                                                       den Anforderungen zu unterscheiden ist, die nur
                                                                      auf vermeintlich oder tatsächlich gefährliche Hunde
Die Maulkorbpflicht: Aspekte des Tierschutzes                         Anwendung finden („Gefahrenhundegesetzgebung“)
und der Gefahrenabwehr                                                (Binder & Affenzeller 2019).
                                                                        Für Hunde, von welchen keine besondere Gefahr
   Nach dem Sicherheitspolizeirecht müssen Tiere so                   ausgeht, besteht an öffentlichen Orten im Ortsgebiet
gehalten, verwahrt und beaufsichtigt werden, dass                     MK- oder Leinenpflicht (vgl. z.B. § 8 Abs. 3 NÖ
dritte Personen und z.T. auch andere Tiere weder zu                   HundehalteG; § 6 Abs. 1 Oö HundehalteG; § 3b Abs.
Schaden kommen noch belästigt werden. Im Hinblick                     3 StLSG; § 5 Abs. 1 Wr. TierhalteG). An bestimm-
auf Hunde sind diese Anforderungen insofern von be-                   ten Orten bzw. unter bestimmten Umständen – ty-
sonderer Bedeutung, als sie sich regelmäßig im öffent-                pischerweise in öffentlichen Verkehrsmitteln und
lichen Raum aufhalten. Je restriktiver die sicherheits-               bei Menschenansammlungen – wird auch für diese
polizeirechtlichen Anforderungen an die Sicherung                     Hunde MK- und Leinenpflicht angeordnet (vgl. z.B.
sind, umso tiefgreifender können sie die Lebensqualität               § 8 Abs. 5 NÖ HundehalteG; § 6a Abs. 2, 2. Satz T
und das Wohlbefinden der Hunde einschränken.                          Landes-PolizeiG).
   Die für den Umgang mit Tieren geltenden                              Für verschiedene Gruppen sog. „Gebrauchshunde“
Sicherungspflichten („Gefahrenabwehr“) zählen zu                      sind in allen Bundesländern während ihres Einsatzes
den Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei                  und z.T. auch im Rahmen ihrer Ausbildung Ausnahmen
(Art. 15 Abs. 2 B-VG), die in Gesetzgebung und                        von der MK- und/oder Leinenpflicht vorgesehen (vgl.
Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fallen (Art.              z.B. § 8 Abs. 4 K- LSiG; § 8 Abs. 8 NÖ HundehalteG;
15 Abs. 1 B-VG); die landesgesetzlichen Vorschriften                  § 3b Abs. 6 StLSG; § 5 Abs. 6 Wr. TierhalteG). Das
können zudem durch Regelungen auf kommunaler                          Oö HundehalteG befreit zudem Kleinsthunde, die auf
Ebene ergänzt werden. In der Mehrzahl der österrei-                   dem Arm oder in einem Behältnis getragen werden,
chischen Bundesländer findet sich die sicherheitspoli-                von der Maulkorbpflicht und berücksichtigt darüber hi-
zeiliche Hundegesetzgebung im jeweiligen Landes-                      naus das individuelle Schutzbedürfnis gesundheitlich
Sicherheits- oder Landes-PolizeiG, in den übrigen                     beeinträchtigter Hunde, indem es Tiere, welchen das
Bundesländern wird sie durch Tier- oder HundehalteG                   Tragen eines MK aufgrund chronischer und irrever-
geregelt. Derzeit gilt in drei Bundesländern eine                     sibler Atembeschwerden nicht zumutbar ist, von der
Listenhundegesetzgebung (vgl. Tab. 1).                                Maulkorbpflicht ausnimmt, sofern ein entsprechendes

                                                                 4 / 20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria                         110 (2023)

tierärztliches Attest mitgeführt wird (§ 6 Abs. 6 Oö                     Obwohl in der Befragung von Arhant et al. (2021) vor
HundehalteG).                                                          allem MK aus Biothane, Hartplastik oder Metall verwen-
   Was die Regelungen der Gefahrenhundegesetz-                         det wurden, berichteten 28,7 % der Hundehalter über
gebung betrifft, so wurde die Sicherungspflicht für                    Probleme mit dem Sitz des MK. Aber auch bei optimaler
Listenhunde und auffällig gewordene Hunde in den letz-                 Passform und fachgerechtem Maulkorb-Training (TVT
ten Jahren verschärft. Für diese Gruppen von Hunden                    2018) „behindert der MK die Mimik, das Schnüffeln,
besteht an öffentlichen Orten im Ortsbereich z.T. MK-                  das Hecheln und damit auch die Thermoregulation
und Leinenpflicht (§ 8 Abs. 4 NÖ HundehalteG; § 6                      des Hundes, er macht außerdem die artgemäße
Abs. 1a Oö HundehalteG; § 5a Abs. 12 Wr. TierhalteG).                  Kommunikation mit Artgenossen unmöglich, behin-
Bissige Hunde, d.s. solche die – unabhängig vom si-                    dert das Erkundungsverhalten und führt nicht selten
tuativen Kontext – bereits „einmal einen Menschen                      zu Aggressionssteigerungen im häuslichen Bereich“
oder einen Artgenossen gebissen“ haben oder von                        (Hirt et al. 2016). Zudem ist zu bedenken, dass läufige
denen „auf Grund ihrer Aggressivität eine Gefahr für                   Hündinnen durch den MK an der Ausübung ihres ver-
die Sicherheit von Menschen oder anderen Hunden                        stärkten Putzdranges gehindert werden. Das Tragen
ausgeht“, müssen in W an öffentlichen Orten im-                        eines MK kann daher durchaus als „schwere Belastung
mer einen MK tragen (§ 2 Abs. 3 iVm § 5 Abs. 3 Wr.                     für Hund und Halter“ (Hirt et al. 2016) bezeichnet wer-
TierhalteG). Listenhunde mussten vor der Novellierung                  den. Zwar können Hunde an das stressarme Anlegen
des Wr. TierhalteG durch LGBl. Nr. 12/2019 bis zur                     und Tragen eines MK gewöhnt werden, doch kann
Absolvierung des verpflichtenden Hundeführscheins                      die Aussage, wonach Hunde einen passenden MK
mit einem MK versehen werden; seit 19.02.2019 gilt für                 nach entsprechendem Training gerne tragen würden
Listenhunde an öffentlichen Orten auch nach Erwerb                     (Fachstelle 2018), nicht nachvollzogen werden.
des verpflichtenden Hundeführscheins generell Leinen-
und Maulkorbpflicht (§ 5a Abs. 12 Wr. TierhalteG). Seit                Beschaffenheit von Maulkörben
15.10.2022 gilt die Maulkorbpflicht erst ab dem vollende-
ten 6. Lebensmonat des Hundes; weiters sind nach der                     Die Beschaffenheit von MK ist sowohl unter dem
novellierten Fassung des Wr. TierhalteG Hunde, die eine                Aspekt des Tierschutzes als auch im Hinblick auf ihre
einmalige Therapiebegleithundeprüfung gem. § 39a des                   Sicherheit zu beurteilen.
BundesbehindertenG erfolgreich absolviert haben (§ 5a                    Die Passform des MK stellt einen zentralen
Abs. 12a Wr. TierhalteG idF LGBl. Nr. 40/2022), von                    Aspekt seiner Tierschutzkonformität dar. Nach der 2.
der Maulkorbpflicht befreit. Obwohl es sich bei der Ge-                Tierhaltungsverordnung (2. ThVO), Anlage 1, Abschnitt
fährlichkeit von Listenhunden um eine wissenschaft-                    1., 1.1. (6) müssen MK „[...] der Größe und Kopfform des
lich nicht hinreichend abgesicherte Annahme handelt                    Hundes angepasst und luftdurchlässig sein; sie müs-
und Hunde z.T. auch dann als auffällig eingestuft wer-                 sen dem Hund das Hecheln und die Wasseraufnahme
den können, wenn ihre Reaktion auf menschliches                        ermöglichen.“ Vereinzelt finden sich diesbezügliche
Fehlverhalten (z.B. auf eine Provokation) zurückzufüh-                 Anforderungen auch im Sicherheitspolizeirecht (vgl.
ren ist, müssen diese Hunde in einigen Bundesländern                   § 6 Abs. 6, 2. Satz Oö HundehalteG; § 5 Abs. 5 Wr.
in der Öffentlichkeit grundsätzlich lebenslang einen MK                TierhalteG).
tragen, was die Frage nach der Tierschutzrelevanz die-                   Unpassende, vor allem zu enge MK können nicht
ser Maßnahme besonders dringlich erscheinen lässt.                     nur scheuern und schmerzhafte Druckstellen oder
                                                                       Verletzungen verursachen, sondern den Hund z.B.
Tierschutzrelevanz                                                     auch bei der Atmung, beim Hecheln sowie bei der
                                                                       Wasseraufnahme behindern; solche MK sind somit tier-
   Das Tragen eines MK kann zu Einschränkungen                         schutz- und rechtswidrig.
natürlicher Verhaltensweisen führen. Eine, aller-                        Unter Sicherheitsaspekten muss ein MK so beschaffen
dings mit einer als „Antibellmaulkorb“ bezeichneten                    und am Kopf des Hundes befestigt sein, dass der Hund
Maulschlaufe durchgeführte Studie zeigte, dass nach                    den MK weder vom Kopf abstreifen noch beißen kann
dem Anlegen der Schlaufe Verhaltensinhibitionen auf-                   (§ 3b Abs. 5 StLSG; § 8 Abs. 3 K-LSiG). Diese Anforderun-
traten; als die Maulschlaufe den Hunden nach 43                        gen sind allerdings unzureichend, da Teile von MK auch
Stunden abgenommen wurde, zeigten die Tiere deut-                      brechen bzw. reißen können. Um nähere Informationen
lich vermehrte Aktivität (Cronin et al. 2003). In einer                über die Sicherheit von MK zu erlangen, wurde eine
von Arhant et al. (2021) durchgeführten online-Erhe-                   Erhebung über Beißvorfälle durchgeführt, die von maul-
bung gaben 19,6 % der Befragten an, dass bei ihren                     korbtragenden Hunden verursacht worden waren.
Hunden während des Tragens eines MK Anzeichen
von eingeschränktem Wohlbefinden (z.B. Apathie,                        Erhebung von Informationen über die Sicherheit
Nervosität, Ängstlichkeit) zu beobachten waren; 12,9 %                 handelsüblicher Maulkörbe
der Teilnehmer berichteten auch über physische
Beeinträchtigungen, wie z.B. Fell- und Hautschäden                       Anlass für die diesem Beitrag zugrundeliegende
oder eine Störung der Thermoregulation.                                Erhebung war folgender Fallbericht einer den

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Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria                             110 (2023)

Autoren persönlich bekannten Tierschutzqualifizierten                  den Hundehaltern empfehlen und von welchen sie
Hundetrainerin, die 2019 während einer Trainings-                      grundsätzlich abraten. Im Fragebogen standen folgende
einheit von einem 21–30 kg schweren Hund trotz an-                     Maulkorbtypen zur Auswahl: Gitterkorb aus Hartplastik,
gelegtem MK in den Unterarm gebissen wurde. Dieser                     Gitterkorb aus Metall, Gitterkorb aus Leder, Gitterkorb
unerwartete Vorfall ereignete sich während einer                       aus Biothane, Gitterkorb an der Frontseite oben / unten
Hundebegegnung, als die Trainerin den Hund am                          offen, geschlossener Maulkorb und Maulschlaufe.
Geschirr festhielt, dieser sich umorientierte und zu-                     Die Antworten waren nach Häufigkeit in Prozenten
biss. Der Biss verursachte ein Hämatom und hinter-                     anzugeben oder direkt auszuwählen; die Teilnehmer
ließ zwei kleine Narben am Unterarm der Trainerin.                     wurden ersucht, ihre Angaben durch den Eintrag eines
Der aus Biothane gefertigte MK blieb unbeschädigt.                     Freitextes zu erläutern. Abschließend wurde erho-
Der Hund hatte nach Schilderung der Betroffenen                        ben, ob und gegebenenfalls zu welchen Zwecken („zur
„durch den Korb bzw. zwischen den das Gitter bil-                      tierärztlichen Untersuchung bzw. Behandlung“, „im
denden Riemen gebissen“ (persönliche Mitteilung der                    Training“) Maulschlaufen verwendet werden.
Hundetrainerin). Aufgrund dieses Fallberichts und bis-                    Im zweiten Abschnitt wurden allgemeine Fragen
lang fehlender Sicherheitsstandards für MK wurde                       zu Beißvorfällen mit maulkorbtragenden Hunden und
eine Erhebung unter Hundetrainern und im Bereich                       Tieren, die den MK abgestreift hatten, gestellt (Kenntnis
der Kynologie arbeitenden Tierärzten durchgeführt, um                  von Vorfällen, Häufigkeit). Zu jeder der beiden Haupt-
Hinweise auf mögliche Sicherheitsprobleme mit be-                      kategorien („Hund mit Maulkorb hat verletzt“ und „Hund
stimmten Maulkorbtypen bzw. Materialien zu erheben.                    hat Maulkorb abgestreift und verletzt“) wurde erfragt, ob
Zu diesem Zweck wurden folgende Forschungsfragen                       es sich um eine eigene Erfahrung („selbst betroffen“)
gestellt:                                                              oder um einen von einer dritten Person geschilderten
   (1) Gibt es Beißvorfälle mit maulkorbtragenden                      Vorfall („von Dritten erfahren“) handelte. Für den Fall,
		 Hunden?                                                             dass mehrere solcher Vorfälle bekannt waren, wurden
   (2) Mit welchem Maulkorbtyp / welchen Maulkorb-                     Details zu max. drei Fällen abgefragt (vgl. Tab. 2).
		     typen kam es zu (Biss-)Verletzungen?
   (3) Welche Art von Verletzung wurde durch den mit                   Tab. 2: Fragen zu Beißvorfällen mit maulkorbtragenden Hunden /
		     einem MK versehenen Hund verursacht?                            Questions on biting incidents with muzzled dogs
   (4) Wies der MK nach dem (Beiß-)Vorfall eine
                                                                          Wer wurde durch den maulkorbtragenden Hund gebissen?
		     Beschädigung auf?
                                                                          In welcher Situation kam es zu diesem Beißvorfall?
                                                                          Welche Art von Verletzung/en wurde/n dem Opfer
   Material und Methoden                                                  zugefügt?
                                                                          Welche konkrete (Biss-)Verletzung wurde verursacht?
   Der Fragebogen wurde mit dem Online-Tool Lime
                                                                          War eine ärztliche Versorgung des Opfers erforderlich?
Survey erstellt. Da die Zielgruppe Personen waren,
die beruflich mit Hunden arbeiten, wurde der Link zur                     Wurde eine Anzeige erstattet?
Befragung von der Koordinierungsstelle für Tierschutz-                    Welche Art von MK hat der Hund getragen, als er die
qualifizierte HundetrainerInnen (Messerli Forschungs-                     (Biss-)Verletzung verursacht hat?
institut, Veterinärmedizinische Universität Wien) an die                  Wurde der MK im Zuge der Zufügung der (Biss-)
dort gelisteten Hundetrainer versandt. Weiters wur-                       Verletzung beschädigt? Wenn ja, welchen Schaden wies
de der Link in Deutschland über Rundmail und sozia-                       der MK auf?
le Foren der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und                   Wie schwer war der Hund in etwa?
-therapie (GTVMT) sowie über den Berufsverband der
                                                                          Bitte geben Sie die Rasse bzw. Kreuzung an, falls bekannt
Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV) online
verteilt.                                                                 Raum für weitere Informationen
   Die Befragung erfolgte anonym und auf der Grund-
lage der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestim-
mungen (§ 7 DSG; Art. 89 DSGVO). Die Teilnehmer                          Abschließend wurden allgemeine Daten zu den
wurden vorab darüber informiert, dass es jederzeit                     Teilnehmern (Geschlecht, Alter, Angabe zur kynologi-
möglich war, die Teilnahme abzubrechen. Der in vier                    schen Erfahrung in Jahren) sowie zur Befähigung auf
Abschnitte geteilte Fragebogen umfasste 115 Fragen,                    dem Gebiet der Kynologie erhoben (vgl. Tab. 3).
wobei die Teilnehmer aus vorgegebenen Antwort-
möglichkeiten wählen oder ihre Antworten sowie allfäl-                 Statistische Analysen
lige Erläuterungen in ein Freitextfeld eintragen konnten.
   Im ersten Abschnitt wurden Angaben darüber erho-                     Die deskriptive Auswertung der Antworten erfolgte
ben, welche Maulkorbtypen von Hundehaltern bei der                     mit Microsoft Excel 2013 (Microsoft Excel, Microsoft
Aufnahme des Trainings verwendet werden. Weiters                       Corporation, USA).
wurde erfragt, welche Maulkorbtypen die Hundetrainer

                                                                 6 / 20
Wiener Tierärztliche Monatsschrift – Veterinary Medicine Austria                        110 (2023)

Tab. 3: Angaben zur Befähigung der Umfrageteilnehmer auf dem
Gebiet der Kynologie / Information on proficiency of survey partici-
                                                                          Maulkorbtypen – Verwendung durch Halter und
pants in cynology                                                         Beurteilung durch Umfrageteilnehmer
Tierschutzqualifizierte(r) HundetrainerIn gem. § 6 der VO                    Dieser Abschnitt wurde von allen 149 Teilnehmern
hinsichtlich näherer Bestimmungen über die tierschutzkon-
                                                                          vollständig ausgefüllt.
forme Ausbildung von Hunden
                                                                             Da die einzelnen Antworten im Fragebogen als
PrüferIn für den Wr. Hundeführschein gem. § 6 der Wr.                     Werte zwischen 0 und 100 % anzugeben waren, wur-
Hundeführschein-VO
                                                                          den die Ergebnisse in 4 Prozentkategorien eingeteilt,
Befähigung zur Ausstellung der Sachkunde gem. § 4 der                     wobei die Häufigkeit der Einzelwerte von 1 bis 25 in
NÖ Hundehaltesachkunde-VO                                                 die Kategorie 1–25 %, die Häufigkeit der angegebe-
Erlaubnis gem. § 11 Tierschutzgesetz (Deutschland)                        nen Werte von 26 bis 50 in die Kategorie 26–50 %,
Tierärztin / Tierarzt mit fachspezifischer abgeschlossener                Werte von 51 bis 75 in die Kategorie 51–75 % und
Zusatzausbildung                                                          Werte ab 76 zur Kategorie 76–100 % zusammenge-
                                                                          fasst wurden. Die Mehrheit der Befragten (98) gab an,
Keine nachgewiesenen Spezialkenntnisse
                                                                          dass Hunde beim Erstkontakt (z.B. Erstgespräch, ers-
Raum für Sonstiges                                                        te Trainingseinheit oder Behandlung) nur in 1–25 %
                                                                          mit angelegtem MK vorgestellt werden; lediglich 4
Ethische Beurteilung                                                      Personen gaben an, dass dies zwischen 26–50 % der
                                                                          Fall wäre; nur jeweils 1 Befragter gab an, dass Hunde
  Der Fragebogen wurde im September 2020 der                              in 70 % bzw. 100 % der Erstkontakte einen MK tragen.
Ethik-Kommission der Medizinischen Universität Wien                       45 Befragte gaben zu dieser Frage den Wert 0 an.
vorgelegt. Ein Votum war nicht erforderlich.                                 Auf die Frage, wie viele Halter ihren Hund ohne MK
                                                                          vorstellen, jedoch einen solchen mitführen, wurden
                                                                          ebenfalls von der Mehrheit der Befragten (95) Werte
    Ergebnisse der Befragung                                              von 1–25 % angegeben; 11 Befragte gaben Werte zwi-
                                                                          schen 26–50 % an, von 3 Befragten wurden Werte zwi-
Allgemeine Angaben zu den Umfrageteilnehmern                              schen 51–75 % und von 5 Befragten Werte zwischen
                                                                          76–100 % genannt. 35 Befragte gaben den Wert 0 an.
   Insgesamt nahmen 149 Personen an der Befragung                            Zur Frage, wie häufig Halter ihre Hunde beim
teil, wobei 16 Teilnehmer keine näheren Angaben zur                       Erstkontakt ohne MK vorstellen und auch keinen
Person (Geschlecht, Alter, Befähigung auf dem Gebiet                      MK mitführen, wird von der Mehrheit der Befragten
der Kynologie, berufliche Erfahrung) machten.                             (46) eine Größenordnung von 76–100 % angege-
   110 Teilnehmer gaben an, Tierschutzqualifizierte                       ben. 36 Befragte beantworteten diese Frage mit
Hundetrainer zu sein. Im Zeitraum der Erhebung waren                      Werten zwischen 1–25 %, 31 Befragte nannten eine
in der Koordinierungsstelle für Tierschutzqualifizierte                   Größenordnung von 26–50 % und 28 Befragte gaben
Hundetrainer 450 geprüfte Hundetrainer gelistet,                          51–75 % an. 8 Befragte nannten den Wert 0.
somit betrug die Rücklaufquote 24,4 %. Einzelne                              Dass Halter angeben, gar keinen MK zu besitzen,
Teilnehmer führten zusätzliche Ausbildungen und/oder                      trifft nach den Angaben von 55 Befragten in 1–25 %
Berechtigungen an (Prüfer für den Wr. Hundeführschein                     der Fälle zu, 24 Befragte nannten Werte zwischen
gem. § 6 Abs. 1 Wr. Hundeführschein-VO: 7,                                26–50 % und jeweils 16 Befragte gaben Werte von
Befähigung zur Ausstellung der Sachkunde gem. § 4                         51–75 % bzw. 76–100 % an. 38 Befragte gaben den
Abs. 4f. NÖ Hundehalte-Sachkunde-VO: 17, Tierärzte                        Wert 0 an.
mit fachspezifischer Ausbildung: 2).                                         Auf die Frage nach der Art des MK, der zum ers-
   Weitere 12 Teilnehmer gaben an, über die für                           ten Termin von den Haltern mitgenommen wird, wur-
Hundetrainer erforderliche Erlaubnis gem. § 11 Nr. 8                      den von den Teilnehmern am häufigsten Gitter-MK aus
lit. f) des deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG) zu                    Hartplastik (131), gefolgt von Gitter-MK aus Biothane
verfügen. 6 dieser Personen gaben an, auch Tierärzte                      (118), Gitter-MK aus Metall (95) und Gitter-MK aus
mit fachspezifischer Ausbildung zu sein.                                  Leder (72) angeführt, doch wurden auch oben/unten
   7 Teilnehmer waren ausschließlich Tierärzte mit ab-                    offene Gitter-MK (65), Maulschlaufen (54) und ge-
geschlossener fachspezifischer Zusatzausbildung                           schlossene MK (14) genannt (vgl. Übersicht in Tab. 4).
und 4 Teilnehmer gaben an, nur als Hundetrainer tä-                          111 Teilnehmer (74,5 %) gaben an, Hundehaltern,
tig zu sein.                                                              die ihren Hund beim ersten Kontakt ohne MK vorstel-
   Die Erfahrung auf dem Gebiet der Kynologie be-                         len, die Verwendung eines MK zu empfehlen. Auf die
trug durchschnittlich 13 Jahre (Spannweite 1–40                           Frage, wie vielen Hundehaltern diese Empfehlung er-
Jahre). 116 Teilnehmer waren weiblich, 15 männlich,                       teilt wird, wurden von 55 (49,6 %) Befragten Werte zwi-
zwei Personen tätigten keine diesbezügliche Angabe.                       schen 1–25 %, von 24 (21,6 %) Befragten Werte zwi-
Das Durchschnittsalter lag bei 45,8 Jahren (Min.=22;                      schen 26–50 % und von jeweils 16 (14,4 %) Befragten
Max.=75).                                                                 Werte zwischen 51–75 % bzw. 76–100 % angegeben.

                                                                    7 /20
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Tab. 4: Maulkorbtypen, die beim ersten Termin mit den Umfrageteilnehmern vom Hund ge-
                                                                                Hecheln und die Wasseraufnahme
tragen bzw. vom Halter mitgeführt wurden / Types of muzzles worn by dog or carried by dog
handler at the first appointment with survey participants                       möglich sind und das Beißen sowie
                Angaben            Verteilung Angaben in Prozentkategorien      das Aufnehmen von Fremdkörpern
               Teilnehmer               Anzahl Umfrageteilnehmer (%)            verhindert werden. Allerdings füh-
 Maulkorb-
 Typ           Gesamt (%)                                                       ren die Teilnehmer auch an, dass
                                                                                die Auswahl des Materials vom
                             0 % 1–25 % 26–50 % 51–75 % 76–100 %
                                                                                Verwendungszweck abhängt, wobei
 Gitter            149        18     38         42       22          29         MK aus Biothane, Leder oder Metall
 Hartplastik      (100)     (12,1) (25,5)     (28,2)   (14,8)      (19,4)       während des Transports in öffent-
                   149        54     78         13        1           3         lichen Verkehrsmitteln und MK aus
 Gitter Metall                                                                  Metall überwiegend bei „Hunden mit
                  (100)     (36,2) (52,4)      (8,7)    (0,7)       (2,0)
                                                                                Beschädigungsabsicht“ sowie bei
                   149        75     67          5        0           2
 Gitter Leder                                                                   länger dauernder Verwendung emp-
                  (100)     (50,3) (45,0)      (3,4)     (0)        (1,3)       fohlen werden.
 Gitter            149        31     70         33        4          11            Abgeraten wird vor allem von der
 Biothane         (100)     (20,8) (47,0)     (22,1)    (2,7)       (7,4)       Verwendung       von Maulschlaufen
 Gitter oben/      149        84     49         11        2           3         und   geschlossenen    MK, da diese
 unten offen      (100)     (56,4) (32,9)      (7,4)    (1,3)       (2,0)
                                                                                es  dem  Hund  nicht ermöglichen,  zu
                                                                                hecheln und zu trinken; sie entspre-
                   149       135     13          1        0           0
 Geschlossen                                                                    chen daher nicht den Anforderungen
                  (100)     (90,6)  (8,7)      (0,7)     (0)         (0)        des Tierschutzes. Maulschlaufen
 Maul-             149        95     45          3        2           4         werden      auch    deshalb   abge-
 schlaufe         (100)     (63,8) (30,2)      (2,0)    (1,3)       (2,7)       lehnt, weil  sie  keinen Schutz   vor
                                                                                Bissverletzungen bieten. Am sel-
                                                                                tensten wird von MK aus Biothane
  Welche Art von MK die Teilnehmer ihren Kunden               abgeraten (vgl. Übersicht in Tab. 6).
empfehlen und wie sie diese Empfehlung begründen,               Die Frage, ob Maulschlaufen verwendet wer-
wird in Tab. 5 dargestellt. Es bestand die Möglichkeit,       den, wurde von 16 Teilnehmern (10,7 %) bejaht, wo-
mehr als eine Angabe zu tätigen. Die Ergebnisse zeig-         bei als Zweck die Durchführung einer tierärztlichen
ten, dass die Umfrageteilnehmer bevorzugt Gitter-MK           Untersuchung (15) oder eines „Medical Trainings“ (1)
aus Biothane, Metall und Hartplastik empfehlen, was           angeführt wurde.

Tab. 5: Maulkorbtypen, die von den Umfrageteilnehmern empfohlen werden / Muzzle types recommended by survey participants

Maulkorbtyp          Anzahl*                                       Begründungen / Anmerkungen

                                Wasseraufnahme und Hecheln möglich; Passform individuell anpassbar; zur Eigensicherung
                                (z.B. Hund frisst alles); leicht und hygienisch; bei ungefährlichen Hunden, wenn keine Not-
                                wendigkeit eines Beißschutzes besteht; beste Sicherheit und Tragekomfort; Belohnungsgaben
Gitter Biothane         103
                                möglich; für Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln; längere Tragedauer als mit Kunststoff
                                MK-Hartplastik; leicht mitzunehmen; weiches Material; werden vom Hund gerne getragen;
                                waschbar; bei richtiger Abmessung bester Sitz
                                Wasseraufnahme und Hecheln möglich; für bissige Hunde; Festigkeit; tatsächlicher Beißschutz
Gitter Metall           88      gegeben; mehr Sicherheit gegeben; für große Rassen; große Gitterabstände ermöglichen
                                leichte Leckerli-Gabe; Anpassungen durch Aufbiegen möglich; einzig bissfeste Variante
                                Wasseraufnahme und Hecheln möglich; kostengünstig; für nicht ausgewachsene Hunde; wenn
Gitter Hartplastik      78      keine Beißabsicht besteht; größte Passformauswahl; leicht, für kleinere Hunde geeignet; für öf-
                                fentliche Verkehrsmittel; für Maulkorbtraining
                                Wasseraufnahme und Hecheln möglich; weich, leicht, durch Stirnriemen können sie nicht
Gitter Leder            36      runtergezogen werden; schmiegt sich an den Kopf des Hundes und gibt Raum für Beweglich-
                                keit; für öffentliche Verkehrsmittel geeignet
Gitter oben/                    Wasseraufnahme und Hecheln möglich; größte Passformauswahl; Belohnung leichter möglich;
                        35
unten offen                     optimal zu Trainingszwecken
Geschlossen              6      bei großer Gefahr eines Beißvorfalls
Maulschlaufe             4      für kurze Maßnahmen (wenige Minuten), wie beim Tierarzt
* Mehrfachangaben möglich

                                                                   8 / 20
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Tab. 6: Maulkorbtypen, von deren Verwendung die Umfrageteilnehmer abraten / Muzzle types advised against by survey participants

Maulkorbtyp          Anzahl*                                       Begründungen / Anmerkungen

                                verboten; nicht tierschutzkonform; kein Schutz vor Bissen; nur kurzfristig zu tragen (Tierarzt);
Maulschlaufe            141
                                erschwert das Hecheln; belastet Kreislauf
                                unangenehm; nur für „gefährliche Hunde“; wenig Luftzufuhr; Trinken nicht möglich; erschwert
Geschlossen             99      Hecheln; keine Möglichkeit für Futterbelohnung; lässt Hund gefährlicher aussehen als er ist;
                                Schnüffeln eingeschränkt; belastet Kreislauf
                                muss gepflegt werden; entwickelt Geruch, der von Hunden oft nicht gemocht wird;
Gitter Leder            39      Materialveränderung unter Umwelteinflüssen; nicht hygienisch, da er nicht gereinigt werden
                                kann; kein Beißschutz; ist leicht abzustreifen; knautschen
Gitter oben/
                        38      keine gute Passform; Verletzungsgefahr; nicht beißsicher; geringer Tragekomfort
unten offen
Gitter Metall           28      keine gute Passform; können andere verletzen; meist zu schwer; Verletzungsgefahr für Zähne
Gitter Kunststoff-              kein Beißschutz; keine optimale Passform; zu scharfkantig; Gitterabstände zu eng, daher für
                        20
Hartplastik                     Training (Leckerligabe) nicht optimal; kann brechen
Gitter Biothane         11      kein Schutz vor Bissverletzung; meist zu schwer; knautschen
* Mehrfachangaben möglich

Berichte über Vorfälle mit Maulkörben                                    31–40 kg und 1 (1,6 %) Hund mit über 41 kg KGW an-
                                                                         gegeben wurden. Das durchschnittliche KGW lag dem-
   Insgesamt gaben 45 (30,2 %) der 149 Umfrage-                          nach bei 20,97 kg.
teilnehmer an, dass ihnen entweder aus eigener                             Was die Art der Bissverletzung betrifft, so wurde in der
Erfahrung oder durch den Bericht einer dritten Person                    Erhebung zwischen Bissen mit und ohne Perforation
mindestens ein Fall bekannt war, in dem ein mit einem                    von Haut oder auch von tieferliegendem Gewebe unter-
MK oder einer Maulschlaufe versehener Hund einen                         schieden, wobei unter „Perforation der Haut“ eine blu-
Menschen oder ein Tier gebissen hat. 98 Teilnehmer                       tende, jedoch oberflächliche Verletzung und unter
verneinten, einen solchen Fall zu kennen, 6 Teilnehmer                   „Perforation von Gewebe“ eine tiefergehende Wunde zu
gaben dazu keine Auskunft. Von den 45 Teilnehmern                        verstehen ist.
gaben 26 Personen an, die Fälle selbst erlebt zu ha-                       Nachfolgend werden die wichtigsten Angaben zu den
ben oder selbst betroffen gewesen zu sein; insgesamt                     erhobenen (Biss-)Verletzungen, die durch maulkorbtra-
wurden 74 selbst erlebte Fälle angegeben (Spannweite                     gende Hunde verursacht wurden, nach Maulkorbtyp ge-
1–10, MW: 2,8). 22 Teilnehmer gaben an, von Dritten                      gliedert dargestellt und in Tab. 7 zusammengefasst.
über Bissverletzungen durch maulkorbtragende Hunde
gehört zu haben. 3 dieser Teilnehmer hatten auch selbst                  Biothane-MK
mindestens einen solchen Vorfall erlebt oder waren
selbst von einem solchen Vorfall betroffen. Insgesamt                      Insgesamt berichteten die Befragten über 14 von ih-
wurden von den Teilnehmern 89 Fälle angeführt, über                      nen selbst erlebte Beißvorfälle, weitere 3 Vorfälle wur-
die ihnen von Dritten berichtet worden war (Spannweite                   den den Umfrageteilnehmern von dritten Personen ge-
1–20; MW: 4).                                                            schildert. Opfer der Beißvorfälle waren in insgesamt 5
   In der Detailbefragung über die Vorfälle machten 22                   Fällen Menschen, in 10 Fällen Hunde und in 2 Fällen
Umfrageteilnehmer konkrete Angaben zu 41 (65,1 %)                        andere Tiere (Feldhamster und Katze).
Fällen, die sie selbst erlebt hatten und 15 Teilnehmer tä-                 In 11 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen mit
tigten Angaben zu 22 (34,9 %) Fällen, über die sie durch                 Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebeschichten
Dritte erfahren hatten. Insgesamt wurde somit über 63                    (z.B. blutende Wunden) zugefügt. In einem Fall wur-
Vorfälle mit maulkorbtragenden Hunden berichtet; diese                   de ergänzend angeführt, dass der Hund durch den
wurden einer genaueren Auswertung unterzogen.                            Biothane-MK einen Artgenossen gebissen und das
   In den ausgewerteten 63 Berichten wurden Angaben                      Opfer anschließend durch Schütteln „geöffnet“ hat.
zur Rasse der Hunde, die gebissen oder eine sonsti-                        In 4 Fällen handelte es sich um Bissverletzungen ohne
ge Verletzung verursacht haben, in 52 Fällen getätigt;                   Gewebeperforation, z.B. um Blutergüsse. In einem Fall
von diesen waren 27 (51,9 %) Mischlingshunde und 25                      wurden keine näheren Angaben zur Art der Verletzung
(48,1 %) Rassehunde.                                                     getätigt; ein von einem Hund gepackter Feldhamster
   Angaben zum Körpergewicht (KGW) der Hunde wur-                        konnte flüchten, nachdem er losgelassen worden war.
den zu 62 Vorfällen (98,4 %) getätigt, wobei 2 (3,2 %)                     In einem (von Dritten berichteten) Fall wurde eine
Hunde zwischen 5–10 kg, 13 (21 %) zwischen 11–20 kg,                     Katze von einem mit einem Biothane-MK versehenen
32 (51,6 %) zwischen 21–30 kg, 14 (22,6 %) zwischen                      Hund gepackt und totgeschüttelt.

                                                                   9 /20
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  In 6 Fällen wurden die Opfer des Beißvorfalls medi-                  Befragten von dritten Personen berichtet. Opfer der
zinisch versorgt. Eine Anzeige wurde in 2 (von dritten                 Beißvorfälle waren in insgesamt 8 Fällen Menschen,
Personen berichteten) Fällen erstattet.                                in 7 Fällen Hunde und in einem Fall ein Feldhamster.
  Die Situationen, die zum Beißvorfall führten, wurden in                In 6 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen
14 Fällen wie folgt beschrieben: auf den Hundehalter um-               mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe-
gerichtete Aggression (4), Ressourcenverteidigung (2),                 schichten zugefügt. Ergänzend wurde angeführt, dass
Hundebegegnungen mit geringer Ausweichmöglichkeit                      einem der Hunde die Kopfhaut „abgehoben“ sowie
(1), Freilauf (2), Losreißen vom Halter (1), Jagdverhalten             (weitere) Verletzungen im Kopf- und Ohrbereich bei-
(2), Bewegung einer Person im Raum (1) und Abwehr                      gebracht wurden; der Feldhamster wurde getötet. In
einer Handlings-Maßnahme des Halters (1).                              9 Fällen handelte es sich um Bissverletzungen ohne
  In den meisten Fällen (13) wurde angegeben, dass                     Perforation der Haut (z.B. „handtellergroßes Hämatom“,
der MK nach dem Biss keine Beschädigungen aufwies                      „blaue Flecken und Schürfwunden am Arm“). In einem
(dies traf auch auf den oben angeführten Fall zu, in wel-              der von dritten Personen berichteten Fälle lagen keine
chem das Opfer trotz angelegtem MK „geöffnet“ wur-                     Angaben über die Art der Verletzungen vor.
de); in 3 Fällen wurde angeführt, dass der MK nach dem                   In 3 Fällen war bekannt, dass die Opfer des Beiß-
Biss beschädigt war. In einem dieser Fälle wies der MK                 vorfalls medizinisch versorgt wurden. Eine Anzeige
Zahnspuren auf, in einem anderen Fall wurde er als „ver-               wurde – soweit den Befragten bekannt – in keinem der
bogen“ beschrieben, wobei während des Beißvorfalls                     Fälle erstattet.
beobachtet worden war, dass die Zähne des Hundes                         Die Situationen, die zum Beißvorfall geführt hat-
„zwischen die Rillen des MK gelangen konnten“. In                      ten, wurden in 12 Fällen beschrieben, wobei folgen-
einem weiteren Fall wurde die Beschädigung nicht nä-                   de Angaben getätigt wurden: Hundebegegnung er-
her beschrieben.                                                       folgte zu nah (3), beim Versuch, zwei raufende Hunde
                                                                       zu trennen (1), Losreißen vom Halter (1), umgerichte-
Hartplastik-MK                                                         te Aggression zum Trainer oder Halter (2), Berührung
                                                                       einer schmerzhaften Körperstelle (1), während des
  Die Befragten berichteten über 5 von ihnen selbst er-                Spielens mit dem Hund (1), im Haushalt zwischen zwei
lebte Beißvorfälle mit Hunden, die einen Hartplastik-MK                vertrauten Hunden (1), während eines Wesenstests
trugen; ein Fall wurde den Umfrageteilnehmern von drit-                (1), Jagdverhalten (1).
ter Seite berichtet. Opfer der Beißvorfälle waren in ins-                In 9 Fällen wurde angegeben, dass der MK nach
gesamt 4 Fällen Menschen und in 2 Fällen Hunde.                        dem Biss keine Beschädigung aufwies; in 2 Fällen war
  In 4 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen                       der MK nach dem Vorfall durchgebissen. In 5 Fällen la-
mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe-                    gen keine diesbezüglichen Informationen vor.
schichten zugefügt, in 2 Fällen handelte es sich um
Bissverletzungen ohne Perforation, die Hämatome und                    Metall-MK
Kratzer verursachten.
  In 2 Fällen ist bekannt, dass die Opfer des Beißvorfalls                Insgesamt berichteten die Befragten über 9 von ih-
medizinisch versorgt wurden; in 2 weiteren Fällen er-                  nen selbst erlebte Vorfälle, weitere 5 Fälle wurden den
folgte keine Behandlung und in ebenso vielen Fällen                    Teilnehmern von dritten Personen geschildert. Opfer
war dies den Befragten nicht bekannt. Eine Anzeige                     der Vorfälle waren in 9 Fällen Menschen (darunter ein
wurde – soweit den Befragten bekannt – in keinem der                   Kind zwischen 7–14 Jahren) und in 5 Fällen Hunde.
Fälle erstattet.                                                          In 11 Fällen wurden den Opfern Verletzungen durch
  Die Beißvorfälle ereigneten sich im Zusammenhang                     einen Schlag mit dem Metall-MK gegen verschiedene
mit Handlings-Maßnahmen oder im Rahmen einer tier-                     Körperteile zugefügt. Als konkrete Verletzungen wur-
ärztlichen Untersuchung (4), als Folge offensiv ausge-                 den Hämatome, Muskelverletzungen, Prellungen und
tragener Konflikte unter Hunden (1) und während des                    Risswunden genannt.
Freilaufs (1).                                                            In 2 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen
  In 5 Fällen wurde angegeben, dass der MK nach                        mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe-
dem Biss gebrochen war (seitliche, vordere oder unte-                  schichten, z.B. blutende Wunden, zugefügt. In einem
re Streben, Frontplatte). In einem Fall wurde keine                    Fall wurde ergänzend angeführt, dass die Person mit
Beschädigung angeführt, doch konnte ein Zahn zwi-                      einem Finger zwischen die Gitterstäbe des MK ge-
schen die Streben geschoben werden, wodurch das                        riet, als der Hund sich wehrte. In einem Fall handel-
Opfer Kratzverletzungen erlitt.                                        te es sich um eine Bissverletzung ohne Perforation
                                                                       der Haut; dazu wurde ergänzend angemerkt, dass die
Leder-MK                                                               Abstände zwischen den Gitterstäben des MK zu groß
                                                                       waren.
  Die Befragten berichteten über 8 von ihnen selbst                       In 5 Fällen wurden die Opfer des Beißvorfalls medizi-
erlebte Beißvorfälle mit Hunden, die einen Leder-MK                    nisch versorgt. In 9 Fällen wurde keine Anzeige erstat-
trugen; ebenso viele Vorfälle mit Leder-MK wurden den                  tet, in 5 Fällen war dies den Befragten nicht bekannt.

                                                                10/20
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   Die Situationen, die zu den Vorfällen geführt hat-                  Versorgung erforderlich. In keinem der beiden Fälle
ten, wurden wie folgt beschrieben: Freizeit (1), Hunde-                wurde Anzeige erstattet.
begegnung mit freilaufendem Hund (5), während                             Zum Anlass für den Beißvorfall wurde angege-
einer Trainingseinheit in Hundeschule (1), Attacken                    ben, dass der Hund aufgrund einer Hüftgelenks- und
auf Menschen ohne nähere Angabe (3), während des                       Wirbelsäulenerkrankung starke Schmerzen hatte,
Verladens in eine Box (1), während einer Fixierung zur                 sich im Rahmen einer Begutachtung im Training los-
tierärztlichen Untersuchung (1), im Freilauf (1). Eine                 riss und der Hundetrainerin die Bissverletzung zufüg-
Person tätigte hierzu keine Angabe.                                    te. Die Verletzung durch Schlag erfolgte ebenfalls wäh-
   In 5 Fällen wurde angeführt, dass der Metall-MK                     rend eines Trainings. Der MK blieb in beiden Fällen
nach dem Biss bzw. Schlag beschädigt war. Zur Art der                  unbeschädigt.
Beschädigung wurde angegeben, dass der MK ver-
bogen war; in einem Fall waren zusätzlich Teile des                    Maulschlaufen
Metallgitters gebrochen. In 4 Fällen wies der Metall-MK
nach dem Vorfall keine Beschädigungen auf und in 4                       Obwohl Maulschlaufen die tierschutzrechtlichen
weiteren Fällen war dies den Befragten nicht bekannt.                  Anforderungen an MK nicht erfüllen und daher nicht
                                                                       als Maulkorbersatz verwendet werden dürfen, wur-
MK oben und unten offen                                                den sie in diese Untersuchung einbezogen, da sie im
                                                                       Alltag, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, immer wie-
  Die Befragten berichteten über 3 von ihnen selbst                    der anzutreffen sind.
erlebte Beißvorfälle mit Hunden, die einen oben und                      Vorfälle mit Hunden, die Maulschlaufen trugen, wur-
unten offenen MK trugen; 5 Fälle wurden den Befragten                  den in 5 Fällen berichtet, wobei die Befragten 3 Fälle
von dritten Personen berichtet. Opfer der Beißvorfälle                 selbst erlebt und von 2 Fällen durch dritte Personen
waren in insgesamt 2 Fällen Menschen, in 5 Fällen                      Kenntnis erlangt hatten. Opfer der Beißvorfälle waren
Hunde und in einem Fall ein Igel.                                      in insgesamt 4 Fällen Menschen, wobei sich die Vorfälle
  In 7 Fällen wurden den Opfern Bissverletzungen                       ausschließlich während tierärztlicher Untersuchungen
mit Perforation der Haut oder auch tieferer Gewebe-                    ereigneten. In einem Fall verletzte ein Hund ein Schaf,
schichten zugefügt, in einem Fall kam es zu einer                      während er mit dem Treiben von Schafen beschäftigt
Verletzung durch einen Schlag gegen den Unterarm,                      war.
der ein Hämatom zur Folge hatte. Als ergänzen-                           Die Bissverletzungen an Menschen waren in 2
de Information wurde angeführt, dass es dem Hund                       Fällen mit einer Perforation der Haut oder auch tieferer
möglich war, durch die obere Öffnung des MK einem                      Gewebeschichten verbunden, in 2 Fällen wurde keine
Menschen eine blutende Hautverletzung zuzufügen.                       Perforation verursacht. In einem Fall war eine ärztliche
  In 4 Fällen ist bekannt, dass die Opfer des Beißvorfalls             Versorgung erforderlich. Eine Anzeige wurde in kei-
medizinisch versorgt wurden, in 3 Fällen erfolgte keine                nem der Fälle erstattet. Das Schaf musste medizinisch
Behandlung und in einem Fall lag diesbezüglich kei-                    versorgt werden; Anzeige wurde erstattet.
ne Information vor. Eine Anzeige wurde – soweit den                      In 2 Fällen wurde berichtet, dass die Maulschlaufen
Befragten bekannt – nur in einem Fall erstattet.                       während der Vorfälle gerissen waren, in einem Fall
  Die Beißvorfälle ereigneten sich im Rahmen von                       wurde eine nicht näher beschriebene Beschädigung
Hundebegegnungen als Folge offensiv ausgetrage-                        angeführt. In 2 Fällen blieben die Maulschlaufen
ner Konflikte zwischen den Hunden (1), während des                     unbeschädigt.
Freilaufs (2), im Zusammenhang mit Jagdverhalten (1);
die Bisse an Menschen erfolgten durch Anfassen des                     Abstreifen von Maulkörben oder Maulschlaufen
Hundes (1) und dadurch, dass ein Kind seine Finger in                  vor dem Beißvorfall
den MK des Hundes steckte. Eine Person tätigte hier-
zu keine Angabe.                                                          Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich vorrangig mit
  In 4 Fällen wurde angegeben, dass der MK nach                        Beißvorfällen und sonstigen Verletzungen, die Hunde
dem Vorfall nicht beschädigt war, in den restlichen                    verursachten, während sie einen MK trugen. Ein wei-
Fällen war der Zustand des MK den Befragten nicht                      terer wichtiger Sicherheitsaspekt betrifft jedoch die
bekannt.                                                               Frage, ob sich ein Hund aus eigenem Antrieb des
                                                                       MK entledigen kann. Daher wurde im Rahmen der
MK geschlossen                                                         Befragung auch erhoben, welche MK-Typen wie häu-
                                                                       fig von Hunden abgestreift worden waren, bevor es
   Die Befragten berichteten über 2 Vorfälle mit ge-                   zu einem Beißvorfall kam (vgl. Tab. 7). Die Frage, ob
schlossenen MK, die sie selbst erlebt hatten. Dabei er-                den Umfrageteilnehmern solche Vorfälle aus eige-
litt ein Mensch durch einen Schlag mit dem MK eine                     ner Erfahrung oder durch Berichte Dritter bekannt
Muskelverletzung, eine Person wurde Opfer einer                        wären, wurde von 70 Teilnehmern bejaht, wobei 36
Bissverletzung ohne Perforation der Haut (Hämatom).                    Personen angaben, diese Vorfälle selbst erlebt zu ha-
Nur im Fall der Muskelverletzung war eine ärztliche                    ben oder selbst davon betroffen gewesen zu sein. 38

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